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Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 90

NACH REDAKTIONSSCHLUSS
  4 Der Astronomietag 2024 (VdS-Redaktion)
  5 Ausschreibung der Reiff-Förderpreise 2024 (Liefke Carolin)
  5 Mond bedeckt Saturn (VdS-Redaktion)

SPT/ASTRONOMIE IN DER STADT
  6 Zum Schwerpunktthema "Astronomie in der Stadt" (Melchert Sven)
  6 Kometenfieber (Dorsch Gunter)
  7 Eine wissenschaftliche Balkonsternwarte in der Großstadt (Wenzel Bernhard)
  12 Deep-Sky-Fotografie in der Zweimillionenstadt Wien (Meirich Wolfgang, Conrad Rudolf)

IMPRESSION
  15 Galaxienpaar M 65/M 66 im Löwen (Melchert Sven)

SPT/ASTRONOMIE IN DER STADT
  16 Interessante Erscheinungen auf dem Mond (Melchert Sven)
  24 Wie dunkel ist mein Himmel? (Melchert Sven)
  27 Astronomie in der Dämmerung (Melchert Sven)
  30 Eine Balkonsternwarte mitten in der Millionenstadt (Lüthen Hartwig)

AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
  34 Weitere astronomische Basteleien (Herzog Gerhard)
  36 Eine Lehre als Fokussierhilfe am Teleskop (Hermelingmeier Hubert)
  37 Eine Taukappe für den Filterschieber (Hermelingmeier Hubert)

ASTROFOTOGRAFIE
  38 Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie - Das Astrofoto des Jahres 2022 (Zilch Thorsten)
  42 Hochlichtstarke Objektive in der Astrofotografie - Teil 2: Praxis (Dittie Georg)
  47 Neuentdeckung - der Planetarische Nebel Br 6 oder PN-G 088.2-00.8 (Bresseler Peter)
  50 Eine Aufnahme der Zwerggalaxie Andromeda VII (Celnik Werner E.)

ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
  55 Vorwort FG Astronomische Vereinigungen (Gallus Astrid)
  56 So war das mit dem Wissenschaftsjahr 2023 (Fischer Daniel)
  57 vhs-Sternwarte Neumünster und BBZ am NOK Rendsburg erstellen Replik des Elmshorner Meteoriten (Ludwig Marco A.)
  58 E.L.T.o.N. ist da! (Ludwig Marco A.)
  59 Neues Leben am Observatorium Hoher List (Oster Robert)
  ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
  62 Das Satelliten-Paradoxon (Rohe Klaus)
  62 Sternabbildung eines Newton-Teleskops (Pilz Uwe)

DEEP SKY
  65 Skyguide 2024 - 2 (Sommer) (Zebahl Robert, Merting Rene)

GESCHICHTE
  68 Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie (Steinicke Wolfgang)
  68 Mond- und Venus-Zeit: Ein astronomischer Beziehungskalender aus dem Altmühltal der Bronzezeit? Teil 1: Eine gefundene Messerklinge ist Schautafel antiker Himmelskunde (Zitzelsberger Franz)

KLEINE PLANETEN
  73 Kosmische Begegnungen (Hohmann Klaus, Ries Wolfgang)

KOMETEN
  76 Komet C/2023 P1 (Nishimura) am Herbsthimmel (Guthier Otto)
  78 Bedeutende Kometen des vierten Quartals 2023 (Pilz Uwe)
  80 Komet 12P/Pons-Brooks - die VdS-Bilderstrecke (Melchert Sven)
  86 Fahrplan zum Kometen C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) (Melchert Sven)

MOND
  90 Der Mond als Foto-Objekt - was bietet sich an Möglichkeiten? (Riepe Peter)

RADIOASTRONOMIE
  95 Moon Bounce - einmal Mond und zurück (Ofterdinger Bernd)

IMPRESSION
  97 Vollmondaufgang am 24. Mai 2024 (Libert Maciej)

SONNE
  98 Die Sonnetagung 2023 in Osnabrück (Zunker Andreas)
  100 Die Mitte-Rand-Variation der Sonne spektral aufgelöst (Ulrich Andreas)

VDS-NACHRICHTEN
  105 Die letzte Endredaktionssitzung in Heppenheim (Riepe Peter)
  106 Bericht aus dem Vorstand (Gallus Astrid)

VDS VOR ORT / TAGUNGSBERICHTE
  107 Astronomische Themenvielfalt bei der 40. Bochumer Herbsttagung der Amateurastronomen (Detken Kai-Oliver)

BEOBACHTERFORUM
  115 Der Komet C/2023 A3 (Piehler Georg, Sparenberg Rainer)
  116 Das Sternfeld von h/χ Persei bis IC 1805/1848 (Zeitler Georg)

REZENSION
  118 Der Menschheit den wissenschaftlichen Spiegel vorgehalten (Detken Kai-Oliver)

IMPRESSION
  119 Gasnebel NGC 2174 (Mattern Bruno)

Textinhalt des Journals 90

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Nach Redaktionsschluss

Der Astronomietag 2024

Am 19. Oktober 2024 laden Sternwarten und Astronomievereine in ganz Deutschland wieder dazu ein, die Welt der Sterne mit den eigenen Augen zu erkunden - zur besten Sichtbarkeit des Ringplaneten Saturn, mit dem Mond in der Nähe der Plejaden und dem Kometen C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) am Abendhimmel.

Ein gut beobachtbarer, auffällig heller Komet steht ganz oben auf der Wunschliste von Amateuren und Astronomiebegeisterten. Noch ist nicht sicher, ob der Anfang 2023 entdeckte Komet C/2023 A3 (TsuchinshanATLAS) die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen wird - ein guter Kandidat ist er jedenfalls, und am Astronomietag wird er im deutschen Sprachraum abends am Himmel stehen (siehe dazu auch den Beitrag auf Seite 86). Aber auch wenn sich die Helligkeit von Tsuchinshan-ATLAS ungünstig entwickeln sollte, hat der Astronomietag immer noch jede Menge zu bieten.

Der Sternhimmel am Astronomietag Mitte Oktober kann man sich abends von den Sommersternbildern verabschieden: Im Südwesten stehen die Sternbilder Schwan, Leier und Adler noch hoch am Himmel. Deren drei Hauptsterne Deneb, Wega und Atair bilden das sogenannte ,,Sommerdreieck".
Bei dunklem Himmel sieht man hier das Band der Milchstraße, doch der abnehmende Mond über dem Osthorizont sorgt bereits für Aufhellung. Bei genauerem Hinsehen erkennt man später direkt oberhalb des Mondes das markante Sterngrüppchen der Plejaden. In südöstlicher Himmelsrichtung leuchtet in einer sonst sternarmen Umgebung im Wassermann der Ringplanet Saturn.
Auch das ,,Herbstviereck" ist bereits aufgegangen: Es setzt sich aus drei Sternen des

Sternbildes Pegasus und, links oben, einem Stern der Andromeda zusammen. Unterhalb und links vom Pegasus verlaufen die Sternketten der Fische - alles schwache Sterne, die vom hellen Mondlicht weitgehend verschluckt werden.
Unterhalb der Fische macht sich das Sternbild Walfisch breit; das ist bekanntlich biologisch nicht richtig, genauer müsste der ,,Cetus" eher Meeresungeheuer heißen. Im Walfisch gibt es einen Stern, der nur alle elf Monate so hell wird, dass man ihn mit bloßem Auge sehen kann: Mira, die Seltsame. Im Laufe der Nacht gehen die Sommersternbilder im Westen unter, die Herbststernbilder passieren die Südrichtung, im

Osten treten die Wintersternbilder und mit ihnen auch der Jupiter im Sternbild Stier über den Horizont, der von Monden begleitet wird, die man im Fernrohr einer Sternwarte gut sehen kann. Wer bis nach Mitternacht durchhält, kann sogar den Himmelsjäger Orion begrüßen.
Sternwarten und Vereine können unter www.astronomietag.de wie üblich ihre Veranstaltung eintragen lassen und die von der VdS kostenlos zur Verfügung gestellten Materialien nutzen.
Für Fragen zum Astronomietag erreichen Sie uns per E-Mail an webmaster@astronomietag.de.

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Nach Redaktionsschluss

Ausschreibung der Reiff-Förderpreise 2024
Seit 2009 zeichnet die Reiff-Stiftung zur Förderung der Amateur- und Schulastronomie herausragende Projekte zur Jugendarbeit in der Amateurastronomie und astronomische Aktivitäten in Schule und Kindergarten mit Geldpreisen aus. In diesem Jahr werden bis zu 6500 Euro in zwei Kategorien vergeben.

Kategorie 1: Jugendarbeit im Amateurbereich und Projekte an weiterführenden Schulen In dieser Sparte werden bis zu drei Preise mit einem Preisgeld von jeweils 2000 Euro für die Durchführung von eigenständigen amateur- oder schulastronomischen Projekten vergeben. Dabei ist sowohl eine Auszeichnung laufender oder bereits abgeschlossener als auch eine Förderung zukünftiger Projekte möglich. Für die Bewertung hat die aktive Beteiligung Jugendlicher, auch bei der Ausgestaltung des Projektes, besonderes Gewicht.

Kategorie 2: Astronomie-Projekte für das Kindergarten- und Grundschulalter Hier wird ein Preis mit einem Preisgeld von 500 Euro für ein Projekt vergeben, das Kinder im Kindergarten- oder im Grundschulalter aktiv an die Astronomie heranführt. Das geförderte Projekt sollte Vorbildcharakter haben - es sollte in gleicher oder ähnlicher Form auch an anderer Stelle umsetzbar sein.

Bewerben können sich sowohl Einzelpersonen als auch Interessens- und Arbeitsgemeinschaften, Schulen, Kindertagesstätten, Vereine oder sonstige Einrichtungen. Die Bewerbungen sollten einen Umfang von sieben Seiten nicht überschreiten und enthalten:

- eine kurze Vorstellung der Beteiligten - eine Beschreibung von auszuzeichnenden laufenden oder bereits abgeschlossenen
Projekten und/oder eines zur Förderung vorgeschlagenen Projekts - eine Angabe, wofür das Preisgeld eingesetzt werden soll - falls vorhanden: Verweise auf bisherige Veröffentlichungen online oder in
gedruckten Medien
Die Bewerbungsfrist für die Reiff-Förderpreise 2024 endet am 15. Oktober 2024, die Preisträger*innen werden auf der Bochumer Herbsttagung am 16. November 2024 bekanntgegeben.

Bitte senden Sie Ihre Bewerbungen per E-Mail an reiff-preis@reiff-stiftung.de
oder alternativ per Post an: Carolin Liefke Haus der Astronomie Königstuhl 17 D-69117 Heidelberg

Die Preisträger*innen stellen - bei Bedarf mit Unterstützung durch die Reiff-Stiftung - die ausgezeichneten bzw. geförderten Projekte im Rahmen eines Beitrags in einer der größeren überregionalen deutschsprachigen Astronomiezeitschriften (Sterne und Weltraum, Astronomie - das Magazin, VdS-Journal, Orion) vor, der innerhalb von sechs Monaten nach der Preisverleihung einzureichen ist.

Mond bedeckt Saturn

Am Morgen des 21. August gegen 5:30 Uhr wird Saturn vom fast vollen Mond bedeckt. Die Objekte stehen im Südwesten in einer Höhe von 20 Grad. Beim Austritt am dunklen Mondrand gegen 6:30 Uhr sind sie nur noch 14 Grad über dem Horizont. Dann ist die Sonne bereits aufgegangen. Die Abbildung wurde mit Guide 9 erstellt.

Journal für Astronomie Nr. 90 | 5

Astronomie in der Stadt

Zum Schwerpunktthema ,,Astronomie in der Stadt"
von Sven Melchert

Es steht in jedem Einsteigerbuch, wir erzählen es allen angehenden Sternfreunden: Zur Beobachtung begibt man sich am besten ins Dunkle. Nun also ein Schwerpunktthema zur Astronomie in der Stadt, und damit ist tatsächlich praktische Himmelsbeobachtung gemeint und nicht etwa das Studium von Fachliteratur oder Surfen im Internet.
Dabei ist Stadt nicht gleich Stadt, das Erlebnis Sternenhimmel hängt sehr von den Gegebenheiten des eigenen Domizils ab und man muss sich seine Nischen suchen, um auch mitten im Lichtermeer zumindest etwas Spaß mit den Sternen zu haben. Dass es dennoch geht, belegen die Beiträge in diesem Heft. Sogar über systematische Beobachtung von Veränderlichen und Deep-Sky-Fotografie auf dem Fensterbrett wird berichtet.

Doch irgendwann packte mich der bekannte Wurm, das Fernrohr wurde auf dem Balkon montiert und mit Mond und Planeten als Beobachtungszielen habe ich das Hobby fast ein zweites Mal neu entdeckt. Dabei ist Deep Sky auch von hier aus möglich, zumindest fotografisch.
Astronomie in der Stadt zu betreiben, ist kein Fertiggericht. Man muss sich je nach Beobachtungsziel einen anderen Ausblick suchen, die Beobachtung planen, mit den vorhandenen Gegebenheiten zurechtkommen. Also alles ein wenig wie selbst kochen, anstatt die geeiste Pizza in den Ofen zu schieben. Das macht Arbeit, gelingt nicht immer, doch am Ende ist es selbst gemacht bzw. selbst beobachtet - und vor allem selbst erlebt, das geht auch sehr gut mitten in der Stadt.

Meine persönliche Erfahrung zählt nun 14 Jahre mitten in Stuttgart. Es hat lange gedauert, bis ich mich mit dieser Situation arrangiert hatte (und damit ist nicht nur die Astronomie gemeint).

Kometenfieber
von Gunter Dorsch

Aufgrund einer beruflichen Versetzung meines Vaters zog ich 1969 als Dreizehnjähriger mit meinen Eltern von Bamberg nach Regensburg. Dort beobachtete ich 1970 den schönen Kometen Bennett. Zu Weihnachten bekam ich ein kleines Fernrohr mit 60 mm Öffnung. Vor meinem Zimmer war ein Balkon mit Blick nach Süden. Meine Begeisterung für die Astronomie wuchs stetig, ich wurde Mitglied in der VdS und schloss mich der Fachgruppe Kometen an, geleitet von Thomas Kleine in Stade. Er schickte uns die Ephemeriden der aktuellen Kometen per Post. Dazu musste ich ihm adressierte und frankierte Briefumschläge zusenden.
1973 tauchte der Komet Kohoutek auf, dem eine große Entwicklung vorausgesagt wurde, die aber leider ausblieb. Mit meiner sehr

bescheidenen Ausrüstung (selbst gebastelte Teilkreise am Fernrohr) steuerte ich einige Beobachtungsdaten bei. Als Thomas in der Gruppe fragte, wer denn aus allen Daten der Gruppe (etwa 50 Datensätze) eine Bahnberechnung vornehmen möchte, griff ich begeistert zu. Meine Mutter hatte Mathematik und Physik studiert, so dass ich das Rechnen mit der ,,Muttermilch" aufgenommen hatte. Ohne Taschenrechner, nur mit Logarithmentafel, Rechenschieber, Papier und Bleistift gelang es mir tatsächlich, eine Bahnberechnung durchzuführen, deren Ergebnis auch in Sterne und Weltraum Erwähnung fand. Die Berechnungen damals erforderten pro Datensatz meist mehrere Tage Zeit, was ich mir als Schüler leisten konnte. Ich verbrauchte dabei stapelweise Papier, das am Ende einen ganzen Umzugskarton füllte. Als ,,Belohnung" er-

hielt ich ein schönes Foto des Kometen mit einem Autogramm des Entdeckers Lubos Kohoutek.
In der Folge nutzte ich mein kleines (billiges) Fernrohr vom Balkon aus für eine Vielzahl an Beobachtungen, darunter eine günstige Marsopposition, bei der ich mit einem selbst gebastelten Rotfilter sogar Polkappe und Große Syrte wahrnehmen konnte.
Für mich war das Beobachten ohne die Hilfe eines Computers immer sehr reizvoll.

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Astronomie in der Stadt

Eine wissenschaftliche Balkonsternwarte in der Großstadt
von Bernhard Wenzel

2018 wollte ich mit meinem alten 8-ZollNewton (Brennweite 900 mm) in die Astrofotografie einsteigen und kaufte mir dazu meine erste motorisierte Montierung, eine Skywatcher AZ-EQ6 Pro. Bisher war ich nur visuell unterwegs gewesen. Eine günstige Canon EOS 200D sollte der Versuch sein, eine universelle Kamera zu haben, die für Urlaub und Sterne gleichermaßen gut zu gebrauchen ist. Allerdings war mein Vorhaben, mit dem Auto auf eine Wiese zu fahren, bei nur vier bis fünf Sternennächten im ersten halben Jahr wenig erfolgreich. Es sollte auch dauern, bis die AZ-EQ6 Pro beim Stern-Alignment nicht mehr in den Boden gefahren ist. Soviel zum viel gepriesenen GoTo, das erst viel später gut funktionierte. Im Herbst des gleichen Jahres kam ich zur BAV-Tagung in Altenburg, die so interessant war, dass sich mein Interesse voll auf Veränderliche Sterne und später auch auf Exoplaneten-Transits richtete.

Die Nord-Balkonsternwarte (Zone Bortle 6) Der Zufall sollte mir 2019 zu einer Balkonsternwarte verhelfen. Irgendwann wurden die Straßenlaternen gegen LED-Laternen getauscht, die gerade nach unten leuchten. Und ich war am Nord-Balkon im zweiten Stock nicht mehr von den Straßenlaternen geblendet! Da sehe ich eines Abends: ,,Hey, das ist doch Polaris! Und man sieht eigentlich viele Sterne rundherum!" Der Balkon war groß genug, und ich konnte die AZEQ6 Pro testen und aufgestellt lassen. An dieser Stelle muss ich festhalten: Mir war bisher überhaupt nicht in den Sinn gekommen, das Teleskop am Balkon zu testen, da bei der jahrelangen Praxis als Visueller immer eine schöne Wiese mit vollständig freiem Himmel der Standard war. Und auch, weil man für ein gutes GoTo beim 3-SternAlignment weit voneinander liegende Sterne braucht.

1 Die maximal mögliche Kombination: Ein 12-Zoll-Orion-Newton auf AZ-EQ6 Pro auf
einem ca. 3 m2 kleinen Balkon in einer Bortle-7-Zone. Mit den richtigen Parametern (Tubus + Schellen: 15 kg in Leichtbauweise, geringe Brennweite: 1.200 mm, schnelles Öffnungsverhältnis 1:4, kurze Belichtungszeiten: 60-120 s, windgeschützter Balkon und Sterne = Punktlichtquellen) alles kein Problem!

Der richtige Durchbruch gelang aber erst 2019 auf der BAV-Veränderlichen-Woche an der VdS-Sternwarte Kirchheim in Thüringen nahe Erfurt (immer im August um Neumond). Dort habe ich meine erste Lichtkurve aufgenommen. Wieder daheim, habe ich mich mit dem Gedanken angefreundet, eben nicht den ganzen Himmel zur Verfügung zu haben. Der eingeschränk-

te Himmelsbereich um Polaris könnte für die Veränderlichen erst mal reichen. So konnte meine erste Nord-Balkonsternwarte im Herbst 2019 den Betrieb aufnehmen.
Bei der BAV-Woche stellte sich heraus, dass es schwierig ist, den Stern überhaupt zu finden. Sucht man bei den ,,Pretty Pictures" meist auffällige Nebel wie die Andromeda

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Astronomie in der Stadt

nur einem 1-Star-Alignment gut klappte. Spannend war, dass selbst in Vollmondnächten gute Fotometrie im Millimagnituden-Bereich möglich war, sofern die Himmelstransparenz es erlaubte!

Wie ist das möglich? Exkurs in die Physik: Licht ist generell unsichtbar. Wir sehen Dinge deshalb, weil das Licht an ihnen reflektiert wird. Ein Laserpointer-Lichtstrahl ist ebenfalls unsichtbar, wir sehen nur den roten Punkt an der Wand und eventuell reflektierenden Staub entlang des Lichtstrahles. Ein Experiment: Man nehme ein leeres Gurkenglas, fülle es mit Wasser, dunkle den Raum ab und leuchte mit dem Laserpointer durch das Gurkenglas auf eine ebene Fläche hinter dem Gurkenglas: Das Wasser reflektiert das Licht kaum. Nun gibt man etwas Mehl ins Wasser und wiederholt den Versuch. Man sieht den Laserstrahl im Wasser jetzt deutlich.

2 Die Platzverhältnisse auf dem Balkon: Fernrohr in Ruheposition mit Moped-Garage

Bevor Sternlicht die Erde trifft, durchdringt es die Erdatmosphäre. Sind kaum Wolken

und Campingsessel mit Sonnenschirm. Der Plastikschutz am Ende der Gewichtsstange

(so wie das Mehl ;-) in einer Vollmondnacht

verhindert Kopfweh!

vorhanden, dann ist die Transparenz also

gut. Das ist deshalb der Fall, weil das Mond-

licht kaum an Wolken-Molekülen gestreut

galaxie, den Orionnebel oder den Kugel-

sternhaufen M 13, die relativ gut zu erken-

nen sind und bald gefunden werden, so ist

ein einfaches Sternfeld, mit nichts als un-

auffälligen Sternen, eine ganz andere Sache.

Daher bin ich zunächst auf den 4-Zoll-Sky-

watcher-Achromaten (Brennweite 500 mm)

zurückgekommen. Die geringe Brennweite

ergibt ein großes Bildfeld, wodurch Sterne

leichter aufgefunden werden. Die Fotome-

trie funktioniert gut für Sterne bis zur 12.

Magnitude. Erst nach einem halben Jahr

Balkon-Einübungszeit bin ich dann auf den

8-Zoll-Newton (Brennweite 900 mm) um- 3 Meine Lieblingsdefinition von Intelligenz, ,,intelligent ist, wer einen Fehler nur einmal

gestiegen, mit dem das Zusammenspiel von macht", musste nach drei Kopfstößen an der Gewichtsstange beim Aufstehen aus dem

Schwenk-Radien, das ,,in die Balkondecke Campingsessel um den ,,Laziness-Faktor" erweitert werden. Durch ein zusätzliches

wandern" und das Auffinden des Sterns mit Gewicht konnte nun auf die Verlängerungsstange verzichtet werden.

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Astronomie in der Stadt

oder reflektiert wird. Man wählt eben einen Stern aus, der vom Mond weit weg ist.

Sieht man in der Nacht zu den Sternen auf, so trifft die Punktlichtquelle eines Sterns das werte Auge. Philosophisch gefragt: Wäre Licht sichtbar, dann würden wir nurmehr das Licht, aber nicht mehr die Gegenstände auf der Erde dazwischen sehen.

Die Süd-Balkonsternwarte (Zone Bortle 7) 2021 stand eine Übersiedelung an und ich hatte Glück, eine neue Wohnung mit Balkon zu finden. Der ist zwar um die Hälfte kleiner, dafür aber im vierten Stock mit freier Sicht nach Osten, Südosten und Süden. Kaum störendes Streulicht, nun waren auch die Planeten zur Primetime sichtbar! Schwierigkeiten sind der fehlende Polarstern zum Ausrichten der Montierung, die Hälfte eines Monats den Mond vor der Nase zu haben und nun einen Meridianflip durchführen zu müssen. Um Vollmond herum ist es schwierig, ein 1-Stern-Alignment zu machen, denn man sieht die Sterne kaum, da der Mond so blendet. Bei der Nord-Balkonsternwarte waren die Veränderlichen meist in der zirkumpolaren Zone, somit hat sich das Teleskop ohne Meridianflip um den Pol herumgedreht. Sternfreunde empfahlen mir, eine Gabelmontierung für den Südbalkon zu kaufen, mit der kein Meridianflip nötig wäre. ,,Jo eh", sagte der gelernte Wiener. Aber ich habe nunmal die Skywatcher AZ-EQ6 Pro. Die Ausrichtung der Montierung gelang mit einem auf den Boden gelegten Kompass. Parallel dazu wurde ein A4-Blatt gelegt, um die NordSüd-Flucht der Kompassnadel zu vergrößern. Dann wurde die Nut der AZ-EQ6 Pro an der Flucht des A4-Blattes mit dem freien Auge ausgerichtet. Fertig. Bei der Süd-Balkonsternwarte ist das Zeitfenster von Osten bis Süden (Teleskop in Ostlage) ohne Meridianflip ca. fünf Stun-

4 Flatfields am Morgen nach der Beobachtung mit der Einkaufssackerl-Methode. Der
Himmel muss gleichmäßig hell sein, zu sehen im APT-Histogramm-Fenster, wenn alle Helligkeitswerte mittig sind. Durch das Tageslicht habe ich schnelle Verschlusszeiten ab 1/100 s bis 1/4.000 s. Durchziehende Wolkenfelder, wodurch sich die Himmelshelligkeit ändert, sollte man vermeiden (Herumspringen der RGB-Werte im Histogramm).

den lang. Ein Meridianflip bringt noch zwei zusätzliche Stunden nach Südwest auf insgesamt sieben Stunden für einen Durchgang. Das bedeutet für einen Exoplaneten-Transit, dass er in dieser Zeit komplett aufgenommen werden muss. Am besten ohne Meridianflip, da sonst die Lichtkurve bei der Auswertung herumspringt. Man kann schon erahnen, dass mit diesen Vorgaben maximal ein bis zwei Transits im Monat möglich sind.
Problematisch war lange Zeit das Auffinden des gewünschten Sterns. Leider funktioniert Plate-Solving mit der EOS 200D und dem APT (Astro Photography Tool) nicht. Es terminiert immer mit: ERROR. Somit war ein 1-Stern-Alignment und Punkte suchen mit Stellarium lange Zeit das manuelle GoTo. Zum Glück kann APT das aufgenommene Bild um 180 Grad drehen, damit es mit Stellarium deckungsgleich ist. Mit Stel-

larium stellt man das Bildfeld ein, und los geht die Suche. Ist das Sternfeld unauffindbar, so schwenke ich in Rektaszension und Deklination leicht herum, bis ein ,,fetter" Stern im APT-Live-View auftaucht. Dieser kann dann leichter in Stellarium gefunden werden. Dann ging es per Starhopping zum gewünschten Stern. Im altazimutalen Modus war zwar versuchsweise das GoTo nach dem 1-Stern-Alignment viel genauer, der Stern war sofort zu finden, aber ab 30 Sekunden Belichtung entsteht eine Bildfelddrehung, die für Exoplaneten-Transits eher schlecht ist. Mittlerweile habe ich die Anleitung der AZ-EQ6 Pro gut studiert. Es gibt bei der Synscan-4-Steuerung den PAE-Modus (bei den ADVANCED FUNCTIONS / 11.2 Pointing Accuracy Enhancement). Die Handsteuerung teilt den Himmel in 85 Zonen ein und man kann das Pointing-Modell für eine Zone verbessern, indem man

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Astronomie in der Stadt
5 Der Härtetest für alle, die sagen: ,,Ein 12-Zöller mit einer EQ6 geht fotografisch nicht." In dieser Nacht gab es Windböen von 30 bis 60
km/h. Der Wind heulte und die Bäume wiegten sich hin und her. Das war eine Nacht, in der man an Beobachten normalerweise gar nicht denkt. CY Aqr ist ein schneller Delta-Scuti-Pulsationsstern (Typ: SXPHE, Helligkeit von 10,42 bis 11,14 mag, Periode 87 min). Mit einer Dauerfeuer-Belichtung von 30 s erreichte ich genügend Signal zur Aperturfotometrie und versuchte mein Glück, in der Hoffnung, dass zumindest jede zweite oder dritte Aufnahme auswertbar ist. Von 22:15 bis 23:00 Uhr war der Wind einfach zu stark (siehe Lücke). Davor und danach ging sich aber jeweils ein Maximum aus! Alle Aufnahmen, die von der Trendlinie stark abweichen und wo die Fehlerbalken besonders groß sind, zeigten eine massive Verwacklung mit lauter Doppelsternen. Nach der Entfernung ebendieser waren aber zwei Maxima auswertbar. ,,Mission accomplished" und der Balkon ist nun auch winderprobt.
6 Ein Muniwin-Sky-Plot. Hier wird die Helligkeit des Himmelshintergrundes mit der Zeit angezeigt. Sind die Werte ruhig und gerade,
ist das ein Indikator für eine gute Nacht. Man sieht deutlich die Windböen, wo die Werte stark herumspringen oder fehlen. Zudem sieht man das ,,Wandern in die Balkondecke" ab 00:30 Uhr. (Normalerweise steigt der Himmelshintergrund erst in der Morgendämmerung so an.) Irgendwann wird der 12-Zöller langsam zum 11``, 10``, 9``, 8``, etc. ..., bis die Fehlerbalken zu groß und die Messwerte langsam unsicher werden. Dennoch ist die Fotometrie unglaublich stabil. Erst kurz vor 01:00 Uhr in der Abb. 5 könnte man die Messwerte bei der Auswertung weglassen. Dennoch liegen sie immer noch im plausiblen Abwärtstrend.
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Astronomie in der Stadt

einen bekannten Stern nahe des Zielsterns auswählt. Ist dieser im APT-Bildschirm nicht ganz mittig, so korrigiert man das mit der Handsteuerung. Das Pointing-Modell wird für die Himmelsregion verbessert. Dies mache ich für einige bekannte Sterne im Osten, Südosten und Süden. Dadurch wird das GoTo so genau, dass eine Rektasz.-Dekl.-Eingabe des Zielsterns mit anschließendem GoTo ausreicht, so dass der Stern nun fast immer sofort im APT-Bildfeld ist. Aus diesem Grund kann ich ökonomisch nur einen bis drei, eher zwei Sterne pro Nacht anfahren. Zudem durfte ich ein Loch zum Balkon bohren, um ein Stromkabel und USB-Kabel nach draußen zu verlegen. Ab da kam keine Kälte mehr durch die Balkontür und ich sitze im Warmen neben dem Teleskop.
Kann man einen 12-Zöller überhaupt fotografisch mit einer AZ-EQ6 betreiben? Meine Erfahrung bejaht dies eindeutig. Der Orion-VX-Newton in Leichtbauweise wiegt nur 15 kg. Die für Fotometrie kurze Brennweite von 1,2 Meter bringt ein großes Gesichtsfeld, worin meist alle wichtigen Vergleichssterne enthalten sind. Und das Autoguiding mit PHD2 ergibt Abweichungen von nur 0,6 bis 1 Bogensekunde. Die Windanfälligkeit des Riesen-Newtons ist durch die Balkonmauern links und rechts auf ein Minimum reduziert. Ich habe diesbezüglich einmal einen Wind-Test gemacht (Abb. 5+6). Eine Nacht, in der man ganz bestimmt keine Sterne knipst, wenn Windböen bis 50-60 km/h brausen. Und dennoch war sie erfolgreich! Man nimmt einfach einen hellen Stern, der mit 30 s Belichtungszeit ausreichend hell aufgenommen wird. Im schlimmsten Fall ist jedes zweite oder dritte Bild eben unbrauchbar, aber mit dem Rest gelingt die Lichtkurve!
Fazit Mein Haupt-Arbeitsfeld sind Veränderliche Sterne: Doppelsterne = Bedeckungs-

sterne (Eclipsing Binaries), schnell pulsierende Sterne (Delta-Scuti-Variable) und Exoplaneten-Transits. Stern einstellen, schlafen gehen und in der Früh ist alles fertig. Da Sterne Punktlichtquellen sind, ist das Signal-zu-Rausch-Verhältnis sogar in der Großstadt so gut, dass die Lichtverschmutzung hier kaum eine Rolle spielt. Allein die Tatsache, dass ExoplanetenTransits mit dem 8-Zöller in einer Bortle-7-Zone möglich sind, ist der absolute Hammer! Ich versuche, mindestens einmal im Jahr auch ein ,,Pretty Picture" zu machen, wegen der Work-Life-Balance. Seit die Balkonsternwarte in Betrieb ist, fahre ich kaum noch auf eine Wiese. Es zahlt sich einfach nicht aus, bis das Teleskop am Balkon wieder richtig aufgestellt ist und alles läuft. Deswegen habe ich mittlerweile ein zweites transportables Gerät (EQ6-R mit dem 8-Zoll-Newton). Der Balkon-Himmel ist mit dem 12-Zöller zwar eingeschränkt bis 50 Grad Höhe, mit dem 8-Zöller geht es bis maximal 60 Grad hoch. Regen oder Feuchte sind nie ein Problem, somit benötige ich keine Taukappe oder eine Fangspiegelheizung oder dergleichen. Selbst als es einmal zu regnen begann, hat das Teleskop nichts abbekommen. Der Balkon (eigentlich eine Loggia) und das Teleskop bleiben immer trocken. Eine Moped-Garage kommt über das Teleskop und bietet genügend Schutz. Lediglich die Sonnenstrahlung hat mir einmal einen Streich gespielt. Für das Autoguiding mit einer ZWO-ASI120-MM-Kamera habe ich mir für sechs Monate ein gutes Nachführteleskop von einem Sternfreund ausgeborgt. Weil das Teleskop im ersten Sommer so cool aussah, wurde es mit der Moped-Garage nicht abgedeckt. Dadurch änderte sich durch die Sonneneinstrahlung die Farbe des Guiding-Rohrs von schwarz auf golden-bronze! Ich habe ihm das Teil dann abgekauft. Am schönsten ist es für mich, im Live-Auswerte-Modus von Muniwin dem Pulsieren eines Sterns in hun-

derten Lichtjahren Entfernung zuzusehen, wenn sich die Lichtkurve im Laufe einer Nacht entwickelt. Passiert nichts, so bekommt man das auch gleich mit und kann die Nacht noch retten.

Ausblick Als neues Arbeitsfeld kommen in diesem Jahr (2024) Kleinplaneten und Near-EarthObjects (NEOs) dazu, die mit der Software Tycho Tracker vollautomatisch ausgewertet werden. Da ich die ganze Nacht ohnehin nur ein Himmelsfeld ablichte, bin ich gespannt, wie viele Kleinplaneten oder gar NEOs mit drauf sein werden oder in den alten Daten zu finden sind! Und eine neue CMOS-Kamera (QHY 600 Mono) wird die Canon-Kamera ablösen. Darauf bin ich schon sehr gespannt!

Hier noch meine Statistiken: Ca. 7-10 Exoplaneten-Transits kommen jährlich durch die BAV- Woche in Kirchheim zustande (s. Tab. 1). Von 2019 bis 2021 habe ich oft drei Sterne pro Nacht eingestellt. Seit 2022 lasse ich meist einen Stern durchlaufen, für eine vollständige, ästhetisch schöne Lichtkurve. Per Datamining findet man oft noch weitere Veränderliche am Rande des Bildfeldes. Die QHY 600 mit ihrem Vollformat-Sensor wird den Beifang hier noch erhöhen.

Tabelle 1
Meine Statistik von Beobachtungsnächten und beobachteten
Exoplaneten

Jahr
2019 2020 2021 2022 2023 Summe:

Nächte
23 69 48 40 39 219

Exoplaneten
1 4 14 10 18 47

Journal für Astronomie Nr. 90 | 11

Astronomie in der Stadt

Deep-Sky-Fotografie in der Zweimillionenstadt Wien
von Wolfgang Meirich und Rudolf Conrad

Wien, da denkt man an Wiener Prater, Sachertorte und Wiener Schnitzel und stellt sich eine hell erleuchtete Großstadt vor, in der es eigentlich unmöglich ist, den Sternenhimmel zu sehen. Eigentlich, denn es gibt mitten in Wien einen Astrofotografen, der die schwachen Himmelslichter trotz der hellen Großstadt mit der Fotokamera einfängt und nicht im Vorhinein sagte: ,,In Wien ist Astrofotografie doch sinnlos!"
Rudolf Conrad, ein waschechter Wiener, hat sich, nachdem er jahrelang mit einer Vixen-Super-Polaris-Montierung aus dem Wohnzimmer heraus fotografierte, auf der Fensterbank seiner Wiener Stadtwohnung eine mobile Vorrichtung gebaut, auf die er eine Star-Adventurer-Montierung mit Kamera und Objektiven setzt und die lichtschwachen Objekte am Wiener Sternenhimmel fotografiert [1].
In Wien wurden frühzeitig Energieeinsparungsmöglichkeiten erkannt und die

Umstellung der Straßenbeleuchtung von Leuchtstofflampen auf LED-Beleuchtung beschlossen. Der Astronom Dr. Günther Wuchterl von der Kuffner-Sternwarte ist hier federführend, um in Wien die Lichtverschmutzung zu reduzieren und den LED-Ausbau voranzutreiben.
Anfang 2024 waren schon rund 75% der gesamten Wiener Straßenbeleuchtung auf LED umgestellt worden. Neben dem Energieeinsparungspotenzial ist speziell für den Sternengucker und Astrofotografen der gezielte, zum Erdboden gerichtete Lichtstrahl der LED-Beleuchtung ein deutlicher Gewinn, denn bei den Leuchtstofflampen gab es allgemeines Streulicht in alle Richtungen!
Doch trotz der neuen LED-Beleuchtung in Wien ist der Sternenhimmel immer noch zu hell! Die visuelle Sterngrenzgröße liegt bei 3,4 mag (Epsilon Cassiopeiae ist gerade noch sichtbar) und hat sich nicht verbes-

sert. Das (von Dr. Wuchterl) angestrebte Ziel, ab 2036 in Wien die Milchstraße sehen zu können, scheint eher unmöglich.
Die Ursache liegt darin, dass immer noch unnötig viele Gebäude angestrahlt, Supermarktplätze und Reklameplakate großflächig hell beleuchtet werden und natürlich die ,,Festbeleuchtung" im Wiener Prater den Sternenhimmel über der Großstadt Wien stark aufhellen.
Die Fotografie der Deep-Sky-Objekte über den Dächern von Wien, aus dem geöffnetem Fenster einer Wiener Stadtwohnung heraus, ist daher nur mit speziellen Filtern, vielen Testaufnahmen sowie Routine, Praxis und Erfahrung möglich!
Internethinweis, Stand 15.01.2024 [1] Webseite von Rudolf Conrad: https://
skyhunter.at/deepsky_led.html

12 | Journal für Astronomie Nr. 90

1 Der Schleiernebel (Zirrus-
nebel) am 27.06.2022 ab 01:34 Uhr MESZ. Star-AdventurerMontierung, Canon EOS Ra mit Canon EF 200 mm f/1,8, Filter Optolong L-eXtreme, ISO 3200, Belichtungszeit: 2.730 Sekunden, Komposit aus 91 Aufnahmen, Bild: Rudolf Conrad.

Astronomie in der Stadt
2 Doppelsternhaufen h + chi im Perseus am 17.06.2023 ab
00:47 Uhr MESZ. Super-Polaris-Montierung, Canon EOS Ra mit Canon EF 400 mm f/2,8, Filter IDAS-NBZ, ISO 1600, Belichtungszeit: 1.220 Sekunden, Komposit aus 10 Aufnahmen, Bild: Rudolf Conrad.
3 Selbstgebaute Fensterhalterung aus Holz für die Star-
Adventurer-Montierung und Kameras mit Teleobjektiven. Adaptierte Zusatzhalterung für eine zweite Kamera. Die Fensterhalterung ist mit 25 cm so breit wie das Fensterbrett. Bild: Rudolf Conrad.
4 Hier ist der Helligkeitsunterschied, links Leuchtstofflampen im Jahr 2015, rechts LED-Beleuchtung im Jahr 2022, sehr
gut zu sehen. Aufnahmen mit 8-mm-Fischaugenobjektiv, Belichtungszeit 30 Sekunden. Bilder: Rudolf Conrad.
Journal für Astronomie Nr. 90 | 13

Astronomie in der Stadt
5 M 31 (Andromedanebel) am 31.08.2022 ab 02:41 Uhr MESZ. Star-Adventurer-Montierung, Canon EOS Ra mit Canon EF 200 mm
f/1,8, Filter IDAS-NBZ, ISO 2500, Belichtungszeit: 3.030 Sekunden, Komposit aus 101 Aufnahmen, Bild: Rudolf Conrad.
6 Offener Sternhaufen NGC 7762 und Emissionsnebel NGC 7822 im Kepheus am 13.06.2023 ab 23:57 Uhr MESZ. Super-
Polaris-Montierung, Canon EOS Ra mit Canon EF 400 mm f/2,8, Filter IDAS NBZ, ISO 2500, Belichtungszeit: 2.989 Sekunden, Komposit aus 18 Aufnahmen, Bild: Rudolf Conrad.
14 | Journal für Astronomie Nr. 90

Astronomie in der Stadt
7 Emissionsnebel um den offenen Sternhaufen IC 1396 im Kepheus am 18.05.2022 ab 23:43 Uhr MESZ. Super-Polaris-
Montierung, Canon EOS Ra mit Canon EF 400 mm f/2,8, Filter Optolong L-eXtreme, ISO 3200, Belichtungszeit: 5.165 Sekunden, Komposit aus 79 Aufnahmen, Bild: Rudolf Conrad.
Impression
Galaxienpaar M 65/M 66 im Löwen
11. April 2020 mitten in Stuttgart. Aufnahme mit Refraktor 123 mm/ 738 mm, Kamera ZWO ASI183MM. Bild: Sven Melchert.
Journal für Astronomie Nr. 90 | 15

1 Der Vollmond kurz
nach seinem Aufgang am 22. Juni 2013 um 21:15 Uhr MESZ. Ganz ,,voll" war der Mond an diesem Abend noch nicht (exakter Vollmondzeitpunkt am 23. Juni 2013 um 13:32 Uhr MESZ), was man gut an der leichten Phase im Osten ausmachen kann. Bild: Sven Melchert.
Interessante Erscheinungen auf dem Mond
von Sven Melchert

Für Hobbyastronomen in der Stadt ist der Mond neben der Sonne sicherlich das erste Beobachtungsziel. Irdische Lichtverschmutzung spielt hier keine Rolle, eine Aufsuchkarte erübrigt sich und außer in den wenigen Tagen rund um Neumond steht unser Erdbegleiter in der einen oder anderen Form als Beobachtungsziel immer zur Verfügung. Der Blick aus dem Fenster oder vom Balkon schränkt die Beobachtungsmöglichkeiten jedoch je nach Himmelsrichtung meistens ein.
An was denkt man beim Mond zuerst? Natürlich an seine Phasen. Für eine vollständige Lunation - den Zeitraum zwischen zwei Neumondstellungen - benötigt der Mond im Durchschnitt bekanntlich 29,53 Tage. Somit wiederholen sich die Mondphasen ungefähr einmal im Monat und man könnte meinen, das würde auf die Dauer schnell langweilig. Doch weit gefehlt, denn neben den Phasen spielen zur Mondbeobachtung auch die Jahreszeiten, die Libration und die Lage der Mondbahn eine entscheidende Rolle. Dazu kommt, dass bestimmte Mondstellungen vom persönlichen Standort aus gesehen unter dem Horizont stattfinden können - zum Beispiel tritt der

Vollmondtermin am 21. Juli 2024 um 12:17 Uhr MESZ ein. Bis der Mond in der darauffolgenden Nacht gegen 2 Uhr kulminiert, ist er nur noch zu 99,37% beleuchtet. Was auf dem Papier vernachlässigbar aussieht, macht sich bei der Beobachtung bereits als minimales Phasendefizit am Westrand des Mondes bemerkbar. Wer einen ,,richtigen" Vollmond beobachten oder fotografieren möchte, muss neben dem Datum daher auch die Uhrzeit im Blick haben (Abb. 1). Tipp: Am 15. November 2024 tritt der Vollmond um 22:29 Uhr ein.
Das Zusammenspiel dieser Parameter verleiht allen Mondbeobachtungen etwas Besonderes und sorgt dafür, dass der Mond eben nicht jeden Monat ,,gleich" aussieht, sondern man ganz bewusst auf die Pirsch nach besonderen Mondstellungen gehen muss. Nimmt man dann noch das wechselhafte Wetter, die persönlichen Freizeitmöglichkeiten oder andere Einschränkungen hinzu, vergehen schnell Jahre, bevor man zum Beispiel den oben erwähnten perfekten Vollmond erwischt. Den Vollmond würde ich als Ziel der lunaren Wunschliste eher weiter unten ansiedeln, doch es gibt eine ganze Reihe von Mondstellungen und

Monderscheinungen, die es sich zu beobachten lohnt, und mit denen man sich jahrelang die Zeit vertreiben kann, ohne dass es langweilig wird.
Junger und alter Mond Ein beliebter Sport ist es, die möglichst dünne Mondsichel zu erhaschen. Dazu besagt die Faustregel: Den jungen, zunehmenden Mond sieht man am besten im Frühjahr in der Abenddämmerung über dem Nordwesthorizont und die alte, abnehmende Mondsichel im Herbst vor Sonnenaufgang über dem Nordosthorizont. Grund hierfür ist jeweils die nördlichere Stellung des Mondes relativ zur Sonne - oder, anders ausgedrückt, die Neigung der Ekliptik zum Horizont. Wir kennen das auch von Merkur, der meist im Frühjahr eine Abendsichtbarkeit und im Herbst eine Morgensichtbarkeit bietet.
Beim Mond kommt es nun darauf an, wie viel Zeit seit dem letzten Neumond vergangen ist. Als Daumenwert für eine sehr dünne Mondsichel gilt ein Tag, also 24 Stunden. Im Frühjahr sollte der Neumond am Vortag nachmittags oder am frühen Abend eintreten, im Herbst am frühen Morgen.

16 | Journal für Astronomie Nr. 90

Ein Beispiel für das Frühjahr: Am 8. April tritt um 20:21 Uhr MESZ Neumond ein. Am darauffolgenden Abend geht der Mond (am Ort 50 Grad Nord / 10 Grad Ost) um 21:27 Uhr MESZ unter. Gegen 20:45 Uhr MESZ steht der Mond noch 5 Grad über dem Horizont, was bei klarem Himmel und freier Horizontsicht einen Blick auf die nur 24 Stunden und 24 Minuten ,,junge" Mondsichel erlaubt haben sollte. Beispiel für den kommenden Herbst: Neumond ist am 3. September um 3:56 Uhr MESZ. Einen Tag zuvor geht der Mond um 5:34 Uhr MESZ auf. Um 6:14 Uhr MESZ hat er 5 Grad Höhe überschritten, was eine Zeitdifferenz zum folgenden Neumond von nur 21 Stunden und 42 Minuten bedeutet - das wird in jedem Fall sehr sportlich.
In beiden Fällen sollte man zur Beobachtung ein Fernglas verwenden und den Mond durchaus tiefer am Horizont verfolgen, denn dann ist der Himmel deutlich dunkler und bei sehr klarem Himmel die Beobachtung durchaus möglich (Abb. 2). Ein Tag mehr Abstand zum Neumondtermin macht die ganze Sache natürlich erheblich einfacher.
2 Die schmale Mondsichel am 27. Oktober 2019 um
6:04 Uhr MEZ, Mondhöhe 3 Grad. Der darauffolgende Neumond trat am 28.10.2019 um 4:39 Uhr MEZ ein; die Zeitdifferenz zur Aufnahme beträgt 22 Stunden und 25 Minuten. Bild: Sven Melchert.
3 Libration in Länge: bei westlicher Libration steht
das Mare Crisium randfern (rechtes Bild). Das linke Bild zeigt die Situation bei östlicher Librationsstellung. Bilder: NASA/SVS [3].

Astronomie in der Stadt

Journal für Astronomie Nr. 90 | 17

4 Libration in Länge: bei östlicher Libration steht der Krater Grimaldi weit vom Mondrand entfernt (linkes Bild). Das rechte Bild
zeigt die Situation bei westlicher Librationsstellung. Bilder: NASA/SVS [3].
5 Libration in Breite: bei größter Südbreite ist uns der Nordpol des Mondes zugeneigt (Bild links). Bei größter Nordbreite ist
die Südpolregion des Mondes zu erkennen (Bild rechts). Bilder: NASA/SVS [3].
6 Die Deklination des Mondes hat einen merklichen Einfluss auf seinen Aufgangspunkt. Hier zwei ,,Sommervollmonde" neben
dem Stuttgarter Fernsehturm im Vergleich: links am 13.06.2022 (Deklination = -25 Grad 02, Azimut = 136,7 Grad), rechts am 3.06.2023 (Deklination = -25 Grad 29, Azimut = 137,4 Grad). Bilder: Sven Melchert.
18 | Journal für Astronomie Nr. 90

Astronomie in der Stadt
7 Der zunehmende Halbmond mit dem Lunar V und Lunar X am 9.7.2019, aufgenommen mit
einem Refraktor 123 mm / 738 mm und ZWO ASI183MM. Bild: Sven Melchert.
Journal für Astronomie Nr. 90 | 19

Astronomie in der Stadt

8 Der Barrow-Strahl tritt wieder am 12.07.2024 gegen 22:20 Uhr MESZ ein.
Bild: NASA/SVS [3].
9 Den Hesiodus-Strahl wird am 9.12.2024 gegen 18:30 Uhr MEZ wieder zu se-
hen sein. Bild: NASA/SVS [3].

Libration Aufgrund der gebundenen Rotation (eine Drehung des Mondes um seine eigene Achse benötigt exakt die gleiche Zeit wie sein Lauf um die Erde) sehen wir stets die gleiche Seite des Mondes. Doch die Librationseffekte machen es möglich, dass von der Erde aus bis zu 59% des Mondglobus erkennbar sind. Dabei unterscheidet man zwischen der Libration in Länge und der Libration in Breite. Die Libration in Länge wird (stark verkürzt gesagt) durch die sich ändernde Bahngeschwindigkeit des Mondes bei seinem Lauf um die Erde verursacht. Bei der Libration West tauchen am Westrand ansonsten verborgene Teile der Mondoberfläche auf (gut auszumachen am Mare Crisium, vgl. Abb. 3), bei der Libration Ost sind es Areale am Ostrand des Mondes (der Krater Grimaldi ist dann besser zu sehen, vgl. Abb. 4). Wann welche Librationsstellung eintritt, findet man in den bekannten Jahrbüchern und Zeitschriften. Wichtig für uns Beobachter: der Mond sollte zu dieser Zeit in der entsprechenden Region auch beleuchtet sein; die Libration West empfiehlt sich daher bei zunehmendem Mond, die Libration Ost nach der Vollmondphase.
Die Libration in Breite sorgt dafür, dass zeitweise mehr vom Nord- oder Südpol des Mondes zu sehen ist. Sie wird in erster Linie von der Neigung der Mondbahn gegen die Ekliptik verursacht, dazu kommen die Neigung der Mondachse und unser Standort auf der Oberfläche der Erde (siehe dazu auch den Artikel von Wolfgang Bischof unter [1]). Für die Beobachtung der Libration in Breite ist die Zeit rund um Vollmond am besten geeignet (vgl. Abb. 5).
In der Realität sieht man beim Mond immer eine Mischung aus beiden Librationseffekten. Wenn ihre Maxima zusammenfallen, ergeben sich besonders seltene Ansichten.
Extremlage der Mondbahn Die Mondbahn ist gegen die Erdbahn im Mittel um 5,15 Grad geneigt. Der Mond zieht daher nicht genau entlang der Ekliptik am Himmel, was der Grund dafür

20 | Journal für Astronomie Nr. 90

1 0 Aufnahme des Mond-Quincunx direkt über dem
Krater Kopernikus vom 18.07.2021. Refraktor 123 mm / 738 mm, Televue Powermate 4x, Rotfilter, ZWO ASI183MM. Bild: Sven Melchert.

Astronomie in der Stadt

ist, dass Sonnen- und Mondfinsternisse so selten eintreten. Die Punkte, an denen die Mondbahn die Ekliptik kreuzt (von Süden nach Norden oder umgekehrt), werden Knoten der Mondbahn genannt. Durch die Präzession der Mondbahnebene sind die Knotenpunkte aber nicht konstant, sondern wandern jährlich um 19,3 Grad rückläufig entlang der Ekliptik. Ein vollständiger Umlauf der Mondbahnknoten dauert 18,61 Jahre.
Im Laufe dieser 18,61 Jahre fallen die Mondknoten zweimal mit dem Frühlingsbzw. Herbstpunkt zusammen. Einmal liegt der aufsteigende Mondknoten im Herbstpunkt (in der Jungfrau) und der absteigende im Frühlingspunkt (in den Fischen) - die Neigung der Mondbahn bringt den Mond näher zum Himmelsäquator, der Mond erreicht maximale Deklinationswerte von +- 18,3 Grad (,,kleine Mondwende"). Im anderen Fall liegt der aufsteigende Mondknoten im Frühlingspunkt und der absteigende im Herbstpunkt. Dann addieren sich die Werte der Schiefe der Ekliptik und der Mondbahnneigung und der Mond erreicht Deklinationen von +- 28,6 Grad (,,große Mondwende").
Was bedeutet das nun für uns Beobachter? Bei der großen Mondwende steht der Vollmond im Winter besonders hoch am Himmel und im Sommer besonders tief. Und genau in dieser Phase befinden wir uns gerade: Die nächste ,,große Mondwende" tritt am 5. Januar 2025 ein. Das hat einen sehr merklichen Einfluss auf die Auf- und Untergangspunkte des Mondes am Horizont, was man von Jahr zu Jahr verfolgen kann (vgl. Abb. 6). Ein Beispiel mag dies verdeutlichen:
Vollmondaufgang am 23. Juni 2015: Monddeklination -20 Grad 04', Aufgang um 21:14 Uhr MESZ bei Azimut 120 Grad Vollmondaufgang am 3. Juli 2023: Monddeklination -28 Grad 02', Aufgang um 22:12 Uhr

MESZ bei Azimut 134 Grad Vollmondaufgang am 22. Juni 2024: Monddeklination -28 Grad 42', Aufgang um 22:38 Uhr MESZ bei Azimut 135 Grad . Vollmondaufgang am 11. Juni 2025: Monddeklination -29 Grad 10', Aufgang um 22:17 Uhr MESZ bei Azimut 136 Grad .
Der Mond weist einen Durchmesser von 0,5 Grad auf. Wenn sich sein Aufgangspunkt um ein Grad verlegt, sind das bereits zwei Monddurchmesser, was sich relativ zu markanten Details am Horizont deutlich bemerkbar macht (vgl. Abb. 6).
Durch die sich verlagernde Mondbahn überstreicht der Mond von Jahr zu Jahr andere Himmelsareale, so dass unterschiedliche Sterne bedeckt werden können. Aktuell steuern wir auf eine Bedeckungsserie der Plejaden zu; noch nimmt der Abstand vom Mond zu den Plejaden ab, eine nahe Begegnung können wir bereits am Morgen des 26. August 2024 beobachten. Im Jahr 2025 wird er dann zentral über die Plejaden ziehen (z. B. am Morgen des 10. Januar 2025).
Erscheinungen am Terminator Bei zunehmendem oder abnehmendem Mond ist es immer wieder eine Pracht, mit dem Teleskop die Licht-Schatten-Grenze des Mondes zu beobachten. Die am Terminator flach stehende Sonne sorgt für lange Schattenwürfe und damit hohe Kontraste. Bei zunehmendem Mond tauchen unzählige Krater gerade aus dem Dunkel der Mondnacht auf, bei abnehmendem Mond versinken sie langsam im Dunkeln. Einige Regionen mit diesen Spielen aus Licht und Schatten haben sich einen Namen gemacht; wir gehen sie in der Reihenfolge des Mondalters (den Tagen nach Neumond) durch. Wann welches Ereignis sichtbar ist, erfährt man auf der sehr informativen Webseite www.der-mond.de von Stefan van Ree [2].

Lunar X und Lunar V Etwa 6,7 Tage nach Neumond und damit wenige Stunden vor dem ersten Viertel erhebt sich etwas nördlich des Kraters Werner eine auffällige Kreuzform, das ,,Mond-X". An seiner Entstehung beteiligt sind die Krater Blanchinus, La Caille und Purbach. Im gleichen Zeitraum, manchmal etwas früher und in anderen Fällen etwas später, taucht zwischen dem Mare Vaporum und dem Sinus Medii am östlichen Rand des Kraters Ukert die keilförmige Form des Lunar V auf (siehe Abb. 7).
Der Barrow-Strahl Diese Lichterscheinung ist nach dem Mondkrater Barrow benannt, der sich sehr weit im Norden des Mondglobus befindet. Er tritt etwa 6,9 Tage nach dem Neumond auf, also nicht viel später als das Lunar X und Lunar V. Vom benachbarten Krater Meton F fällt Sonnenlicht durch eine Lücke in der Kraterwand auf den Boden von Barrow. Das Ereignis dauert etwa eine Stunde lang (siehe Abb. 8).
Der Hesiodus-Strahl Zur Beobachtung des Hesiodus-Strahls benötigt man ein Teleskop. Zwei Tage nach dem ersten Viertel fällt ein langsam zunehmender Lichtstrahl in den Krater Hesiodus, verursacht durch eine Lücke in den Kraterwällen zwischen Hesiodus und dem westlich gelegenen Krater Pitatus. Das Schauspiel dauert nur etwa zwei Stunden. Zuerst wird die der Lücke gegenüberliegende Seite von Hesiodus beleuchtet, dann wandert der Strahl langsam in Richtung zu Pitatus. Eine gute Beobachtungsgelegenheit ergibt sich am 9. Dezember 2024 um 18:30 Uhr (siehe Abb. 9).
Das Mond-Quincunx Die Erscheinung des Mond-Quincunx erinnert an die fünf Augen eines Würfels. Es tritt direkt nördlich des bekannten Kraters Kopernikus auf, wenn sich dieser Bereich

Journal für Astronomie Nr. 90 | 21

Astronomie in der Stadt
1 1 Der Mond mit dem ,,goldenen Henkel"
am 14.05.2019. Refraktor 123 mm / 738 mm und ZWO ASI183MM. Bild: Sven Melchert.
22 | Journal für Astronomie Nr. 90

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1 2 Simulation des Pitatus-Strahls am
26.10.2024 gegen 4:40 Uhr MESZ im Abstand von einer Stunde. Bilder: NASA/SVS [3].

am Terminator befindet - das ist etwa 9 Tage nach Neumond der Fall. Genau genommen ragen sogar sechs Berggipfel der Montes Carpatus in das Sonnenlicht - aber wer will schon so kleinlich sein. Sehenswert ist die gewürfelte Fünf auf dem Mond allemal (siehe Abb. 10).
Der Goldene Henkel Wenn zehn Tage nach Neumond am Ostrand des Sinus Iridum die Bergspitzen der Montes Jura vom Sonnenlicht beschienen werden, scheinen sie über dem noch dunklen Bereich des Mondes zu schweben. Die Berge ragen rund sechs Kilometer in den Mondhimmel, das lunare Juragebirge erstreckt sich über 400 Kilometer. Die Er-

scheinung währt für rund sieben Stunden, die nächste gute Beobachtungsgelegenheit findet am Abend des 14. August 2024 statt (siehe Abb. 11).
Der Pitatus-Strahl Dieses Schauspiel findet im bereits beim Hesiodus-Strahl genannten Krater Pitatus statt, jedoch bei abnehmendem Halbmond. Diesmal fällt das Sonnenlicht vom noch beleuchteten Krater Hesiodus durch die Lücke zwischen den beiden Kratern in den Krater Pitatus und erzeigt dort einen Lichtstrahl. Eine gute Gelegenheit, dieses bislang wenig dokumentierte Ereignis zu beobachten, ergibt sich am 26. Oktober 2024 gegen 4:40 Uhr (siehe Abb. 12).

Literatur- und Internethinweise (Stand 22.02.2024): [1] W. Bischof, 2021: ,,Fotodokumenta-
tion von Mondstrukturen, die nur bei günstigen Librationswinkeln sichtbar sind". VdS-Journal für Astronomie 79, S. 82 [2] Kalender der Mondereignisse und mehr: www.der-mond.de
[3] Hochaufgelöste Ansichten des Mondes: https://svs.gsfc.nasa.gov/5187/

Journal für Astronomie Nr. 90 | 23

Astronomie in der Stadt

Wie dunkel ist mein Himmel?
von Sven Melchert

Beobachtern in der Stadt stellt sich vielleicht eher die Frage ,,Wie HELL ist mein Himmel?", doch das ist wie mit dem halbvollen (oder halbleeren) Glas - sehen wir es positiv und denken an die Dunkelheit. Um seine Beobachtungen aufzuzeichnen und, mehr noch, um sie anderen zu berichten, sollte man immer eine möglichst nachvollziehbare Beschreibung der Beobachtungsbedingungen angeben. Oft liest man dann vom ,,f.st.", dem ,,faintest star", also dem schwächsten mit bloßem Auge sichtbaren Stern. Diese Angabe ist sicher besser als nichts, aber sehr von den Fähigkeiten des einzelnen Beobachters abhängig und schwankt gerade in hel-

leren Regionen je nach Himmelsrichtung. Eine unbestechliche Messmethode bietet das ,,Sky Quality Meter", kurz SQM [1] - ein handliches Messgerät, das man für einige Sekunden zum Himmel richtet (wer es kennt und nutzt, der hat jetzt das vertraute Piepen des Gerätes im Ohr) und dann einen Messwert abliest, den man notieren und kommunizieren kann.
Eine umfangreichere Beschreibung der Beobachtungsumstände wurde in der Februar-Ausgabe 2001 in der Zeitschrift Sky & Telescope vom sehr erfahrenen Beobachter John Bortle veröffentlicht [2]. Seit-

dem spricht man von der ,,Bortle-Skala" und liest in Forenbeiträgen hin und wieder zum Beispiel von einem ,,Bortle-4-Himmel". Wir geben hier eine kompakte Übersicht der Bortle-Klassen an, etwas ausführlicher findet man sie in der englischsprachigen Wikipedia [3]. Im Wikipedia-Artikel zu John Bortle selbst [4] findet sich sogar eine Downloadmöglichkeit seines Originalartikels.
Wer sich ausführlich zum Thema Lichtverschmutzung und Maßnahmen zu deren Reduktion informieren möchte, findet bei der Fachgruppe Dark Sky umfangreiche Angaben [6].

Klasse 1: extrem dunkler Himmel (Wüste)
Schwächster Stern: 7,6 - 8,0 mag SQM-Wert: > 21,75 mag/arcsec2 - Das Zodiakallicht, der Gegenschein und das Zodiakalband
sind sichtbar - Airglow macht sich ggf. deutlich bemerkbar - Die zentralen Regionen der Milchstraße werfen Schatten - Viele Sternbilder ertrinken förmlich in der großen Zahl
der Sterne - Die Galaxie M 33 ist direkt mit bloßem Auge zu erkennen - Venus und Jupiter behindern die Dunkeladaption des Auges

Klasse 2: sehr dunkler Himmel (Gebirge)
Schwächster Stern: 7,1 - 7,5 mag SQM-Wert: 21,6 - 21,75 mag/arcsec2 - Das Zodiakallicht ist sehr gut sichtbar - Airglow kann horizontnah erkannt werden - Wolken erscheinen als dunkle ,,Löcher" vor dem Stern-
himmel - Die Sommermilchstraße ist hell und strukturreich - Die Galaxie M 33 ist leicht mit bloßem Auge zu erkennen

Klasse 3: Landhimmel
Schwächster Stern: 6,6 - 7,0 mag SQM-Wert: 21,3 - 21,6 mag/arcsec2 - Das Zodiakallicht ist noch gut zu
sehen - Am Horizont machen sich Aufhel-
lungen entfernter Orte bemerkbar - Wolken sind hoch am Himmel un-
sichtbar, zum Horizont hin aufgehellt - Die Sommermilchstraße ist noch
beeindruckend - Die Galaxie M 33 ist mit bloßem
Auge indirekt zu erkennen

Klasse 4: aufgehellter Landhimmel
Schwächster Stern: 6,3 - 6,5 mag; SQM-Wert: 20,8 - 21,3 mag/arcsec2 - Das Zodiakallicht ist noch sichtbar, erstreckt sich aber nur noch in halbe Höhe - Aufhellungen von fernen Orten sind am Horizont in unterschiedlichen Richtungen
zu sehen - Wolken erscheinen überwiegend hell, nur in Zenitnähe dunkel - Die Umgebung ist auszumachen, auch in einiger Entfernung - Die Milchstraße ist in größerer Höhe noch beeindruckend, zeigt aber kaum noch Details - Die Galaxie M 33 ist bei indirektem Sehen mit bloßem Auge schwierig zu sehen
Klasse 4,5: Übergang Land- zu Vorstadthimmel Schwächster Stern: 6,1 - 6,3 mag; SQM-Wert: 20,3 - 20,8 mag/arcsec2 - Hohe Wolken sehen grau aus, horizontnahe in Stadtrichtung hell - Die Milchstraße ist erst ab einer Höhe von 10 bis 15 Grad zu sehen, die dunkle
Teilung im Schwan noch zu erkennen

24 | Journal für Astronomie Nr. 90

Astronomie in der Stadt

Klasse 5: Vorstadthimmel
Schwächster Stern: 5,6 - 6,0 mag SQM-Wert: 19,25 - 20,3 mag/arcsec2 - Das Zodiakallicht kann nur in sehr klaren Nächten im Früh-
jahr (abends) oder Herbst (morgens) ausgemacht werden - Lichtverschmutzung macht sich in so gut wie allen
Himmelsrichtungen bemerkbar - Wolken sind deutlich heller als der unbewölkte Himmel - Die Milchstraße ist nur im Sommer und größeren Höhen
blass sichtbar

Klasse 6: heller Vorstadthimmel
Schwächster Stern: 5,1 - 5,5 mag SQM-Wert: 18,5 - 19,25 mag/arcsec2 - Das Zodiakallicht ist unsichtbar - Die Lichtverschmutzung hellt den Himmel bis in einer Höhe
von 35 Grad deutlich auf - Wolken sind immer ziemlich hell; selbst hohe Zirruswolken
sind heller als der sie umgebende Himmel - Die Umgebung ist klar und deutlich zu erkennen - Die Milchstraße ist nur im Zenit zu erkennen - Die Galaxie M 31 ist einigermaßen gut auszumachen

Klasse 7: Übergang Vorstadt/Stadt
Schwächster Stern: Stern: 4,6 - 5,0 mag SQM-Wert: 18,0 - 18,5 mag/arcsec2 - Die Lichtverschmutzung hellt den gesamten Himmel gräu-
lich auf - Helle Lichtquellen sind in alle Richtungen zu sehen - Wolken werden hell angeleuchtet - Die Galaxie M 31 und der Sternhaufen M 44 können gerade
so noch gesehen werden - Selbst im Teleskop erscheinen die helleren Messierobjekte
blass und fahl

Klasse 8: Stadthimmel
Schwächster Stern: 4,1 - 4,5 mag SQM-Wert: < 18,0 mag/arcsec2 - Der Himmel ist hellgrau oder orange, man kann im Dunkeln
lesen - Die Sternbilder sind nicht mehr als Ganzes zu erkennen - Die Galaxie M 31 und der Sternhaufen M 44 sind nur in sehr
transparenten Nächten zu erahnen - In der Innenstadt sind außer den Plejaden keine anderen
Messierobjekte zu sehen

1 Visualisierung der Bortle-Skala. Quelle: ESO / P. Horalek, M. Wallner

Journal für Astronomie Nr. 90 | 25

Astronomie in der Stadt

Was versteht man unter ,,Seeing"?
Mit dem Seeing wird nicht die Dunkelheit oder Transparenz des Himmels bezeichnet, sondern die Luftruhe bzw. Luftunruhe - das störende Flackern der Sterne, was sich im Teleskop als Herumzappeln des Sternscheibchens oder in unscharfen Planetenansichten zeigt. Zur Beurteilung des Seeings verwendet man meist die Pickering-Skala nach William Henry Pickering. In aller Kürze: die Pickering-Klassen von 1 bis 3 bedeuten sehr schlechtes Seeing, 4 bis 5 schlechtes, 6 bis 7 gutes und 8 bis 10 optimales Seeing. Eine schöne Visualisierung der PickeringSkala findet sich bei Damian Peach unter [5].

[1]

Literatur- und Internethinweise (Stand 27.02.2024):

[1] Sky Quality Meter (SQM): www.unihedron.com/projects/darksky/

[2] J. E. Bortle, 2001: ,,The Bortle Dark-Sky Scale", Sky & Telescope, 02/2001 [3] Die Bortle-Skala bei Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Bortle_scale [3]

[4] Wikipedia-Eintrag zu John Bortle: https://en.wikipedia.org/wiki/John_E._Bortle

[5] Visualisierung der Pickering-Skala: www.damianpeach.com/pickering.htm

[6] Fachgruppe Dark Sky der VdS: www.lichtverschmutzung.de

[4]

[5] [6]
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Astronomie in der Stadt

Astronomie in der Dämmerung
von Sven Melchert

In der Stadt ist es nachts zu hell, so weit, so bekannt. Tagsüber aber unterscheidet sich die Helligkeit in der Stadt nicht von der auf dem Land (Sachen gibt es!), und das setzt sich auch in den Dämmerungsphasen fort. Ein möglicher Ausweg aus dem Helligkeitsdilemma sind daher Beobachtungen in der Abend- oder Morgendämmerung. Interessant, abwechslungsreich und herausfordernd sind Objekte wie Merkur, die sehr schmale Mondsichel, Konjunktionen von Planeten oder mit dem Mond und manchmal auch helle Kometen.
Für all diese Beobachtungsziele gelten ähnliche Anforderungen: man muss in die richtige Himmelsrichtung schauen, der Blick zum Horizont muss auch in geringen Höhen ausreichend frei sein und man muss zur richtigen Zeit beobachten. Beginnen wir mit der Himmelsrichtung und einem kleinen Exkurs:
Die Himmelsrichtung wird fachlich als Azimut bezeichnet und begegnet uns in

zwei Definitionen. Alle mir bekannten Planetariumsprogramme halten sich dabei an die in der Navigation gebräuchliche Definition: gezählt wird der Azimut von Norden (0 Grad ) über Osten (90 Grad ), Süden (180 Grad ) und Westen (270 Grad ). Die astronomische Definition des Azimut beginnt hingegen im Süden mit 0 Grad über Westen (90 Grad ), Norden (180 Grad ) und Osten (270 Grad ). So handhabt es zum Beispiel das Minor Planet Center in seinen Ephemeridentabellen [1]. Wir bleiben hingegen bei der üblichen Angabe des Azimut der Navigation.
Die Angabe der Höhe ist unkomplizierter: 0 Grad Höhe kennzeichnet den (mathematischen) Horizont auf Meereshöhe und 90 Grad Höhe den Zenit. Himmelsobjekte in der Dämmerung stehen meist tief am Himmel, weisen also bei ausreichender Dunkelheit geringe Höhen von 10 Grad oder niedriger auf. Noch ein kurzer Exkurs: Mit dem Programm Stellarium [2] kann man sich solche Dämmerungsphasen wunderbar simulieren, sollte dazu aber in den Einstellungen

als Landschaft den ,,Ozean" einstellen, denn sonst ist gerade im Westen schnell ein Baum im Weg.
Zurück zum Thema. Neben dem störenden Nachtlicht verderben einem in der Stadt die zahlreichen Gebäude den Blick zum Himmel. Das ist zunächst von Nachteil, denn zwischen den Häuserschluchten bieten sich nur kleine ,,Fenster" zum fernen Horizont, und dann muss man schon viel Glück haben, wenn das Objekt der Begierde genau in der Verlängerung der Straße untergeht. Gebäude haben aber auch einen offensichtlichen Vorteil: Von den oberen Etagen oder gar vom Dachboden aus liegt einem die Stadt sprichwörtlich zu Füßen und der Blick reicht weit hinunter zum Horizont. Wem diese Möglichkeit an seinem Wohnort nicht gegeben ist, der kann vielleicht das Haus seines Arbeitsgebers dazu nutzen oder findet ein öffentlich zugängliches Gebäude mit Dachterrasse (Tipp: Bei manchen Parkhäusern liegt die oberste Etage unter freiem Himmel).

1 Die Theorie: am 7. August 2017 ging der partiell verfinsterte Mond in der Abenddämmerung auf. Der ,,PeakFinder" zeigt die Situation
von einem Aussichtspunkt in Stuttgart aus: Demnach sollte der Mond genau hinter dem Frauenkopf emporsteigen (vgl. Abb.2).
Journal für Astronomie Nr. 90 | 27

2 Und die Praxis: der partiell verfinsterte Mond beim Aufgang wie in Abb. 1 beschrieben - die Planung war erfreulicherweise von Erfolg
gekrönt (der Mond ging tatsächlich exakt hinter dem Fernmeldeturm auf, das Bild zeigt die Situation einige Minuten später).

Dabei muss man gar nicht große Höhen erklimmen, um zum Beispiel Merkur in Horizontnähe zu beobachten, ein etwas größerer Abstand zu den umliegenden Gebäuden kann durchaus ausreichen. Rechnen wir kurz nach: ein fünfstöckiges Haus ist ca. 15 m hoch. Um es unter einem Winkel von 10 Grad zu sehen, muss der Abstand zum Haus 85 m betragen; bei 5 Grad Höhe beträgt der Mindestabstand 172 m. Diesen Abstand bieten selbst mitten in der Stadt etwas größere Plätze oder Parkanlagen. Hinzu kommt natürlich noch die benötigte Himmelsrichtung, so dass man sich in seiner Stadt mehrere Plätzchen suchen wird, um entweder nach Osten, Süden, Westen oder Norden einigermaßen freien Blick in Richtung Horizont zu haben. Am besten schaut man sich das tagsüber vor Ort an und schätzt mit der ausgestreckten Faust (ca. 8 Grad breit) die Lage ein.
Wie tief sollte der freie Blick zum Horizont eigentlich sein - oder wie nah darf ein Planet oder Komet dem Horizont kommen,

um optimal sichtbar zu sein? Denken wir das einmal für den Abendhimmel durch: Die Sonne geht unter und sinkt immer tiefer. Bei einer Sonnendepression von 6 Grad beginnt die bürgerliche Dämmerung, die hellsten Sterne werden sichtbar. Steht die Sonne 12 Grad unter dem Horizont, beginnt die nautische Dämmerung, dann ist es für die meisten Sternbilder bereits dunkel genug. Doch je tiefer die Sonne sinkt, desto näher kommt das Beobachtungsobjekt dem Horizont und wird zunehmend von der Extinktion geschwächt. Wann also ist der beste Zeitpunkt, die beste Kombination aus Sonnendepression und Objekthöhe?
Für die optimale Objekthöhe liest man mancherorts von 8 Grad ; meiner Erfahrung nach sind es eher 5-6 Grad , wobei die Helligkeit des Objektes und die Transparenz des Himmels die entscheidende Rolle spielen. Paul Hombach hat zur Sichtbarkeit von Merkur einen sehr interessanten Artikel verfasst [3]. Ein noch tieferer Blick zum Horizont schadet nichts, wenn bei 10 Grad schon Schluss

ist, wird man die Phase der besten Sichtbarkeit eher verpassen (immer abhängig vom Stand der Sonne unter dem Horizont).
Überhaupt kann es sinnvoll sein, einen quasi ,,perfekten" Horizont mit einer Höhe von ein bis zwei Grad zu haben, zum Beispiel um den Auf- oder Untergang von Sonne oder Mond zu verfolgen - doch wo findet man den? Sicher wird man dazu eine benachbarte Anhöhe aufsuchen und kann sich den Rundumblick von dort aus mit dem ,,PeakFinder" [4] vorher ansehen. Dort werden auch die Tagbögen von Sonne und Mond angezeigt, so dass es ein Leichtes ist, deren Auf- und Untergangspunkte am Horizont zu bestimmen. Für Planeten, Kometen und andere Objekte muss man zunächst deren Azimutwert beim Aufgang mit einem Planetariumsprogramm ermitteln und dann im PeakFinder einstellen (vgl. Abb. 1 und Abb. 2). Sehr hilfreich können auch Apps wie ,,The Photographer's Ephemeris" (TPE) [5] sein.

28 | Journal für Astronomie Nr. 90

Astronomie in der Stadt

Beobachtungen in der Dämmerungsphase sind immer wieder ein neues Erlebnis. Abends sieht man langsam die Nacht hereinziehen und kuckt sich die Augen nach dem Zielobjekt aus, bis es endlich in der fortschreitenden Dämmerung auftaucht. Ein Fernglas und die genaue Kenntnis der Blickrichtung führen schneller zum Erfolg. An beliebten Aussichtspunkten ist man meist nicht allein; das Getümmel mag manchen stören, ist aber sicher weniger beängstigend als Wildschweine nachts im Wald (ja, ich weiß, wovon ich spreche ...). Morgens ist bekanntlich die Welt noch in Ordnung und man hat seine Ruhe, um mit dem Fernglas den Horizont abzusuchen, bis der Mond, Planet oder Komet endlich aufgeht. Um das zu erleben, muss man natürlich nicht unbedingt in einer Stadt wohnen ...

Literatur- und Internethinweise

[1]

(Stand 27.02.2024):

[1] Minor Planet Center: https://

minorplanetcenter.net [2] Planetariumsprogramm Stellarium: [2]

http://stellarium.org/de

[3] P. Hombach, 2020: ,,Die Grenzen der

Merkursichtbarkeit", VdS-Journal für [4]

Astronomie 74, S. 30

[4] PeakFinder: www.peakfinder.com

[5] The Photographer's Ephemeris:

[5]

https://photoephemeris.com/de

3 20.02.2015: Venus, Mars und die schmale Mondsichel mit aschgrauem Licht über der Solitude bei Stuttgart.
Journal für Astronomie Nr. 90 | 29

Astronomie in der Stadt

Eine Balkonsternwarte mitten in der Millionenstadt
von Hartwig Lüthen

Als ich vom Land in die Großstadt zog, konnte ich mir nicht vorstellen, dass man auf meinem Balkon im 3. Stock in Hamburg-Altona überhaupt dem Astronomie-Hobby frönen könnte. Zwar gibt es eine relativ gute Horizontsicht von Nord bis Südsüdost, aber die Lichtverschmutzung ist verheerend. Ich wohne mitten im Stadtzentrum, aber das ist nicht das Schlimmste. Hamburg ist für seinen Hafen berühmt,

und der schläft nie. Und in den großräumigen Containerterminals machen Flutlichtanlagen die Nacht zum Tag. Kommt dann noch ein abendliches Heimspiel des FC St. Pauli hinzu - das Stadion liegt genau in Blickrichtung - wird es kritisch. Sobald gar im Hafen eine ,,Schiffstaufe" mit ,,Lichtkunst" zelebriert wird, ist der Mond das einzige noch erkennbare Objekt des Nachthimmels.

Mit der Zeit lernte ich, dass da doch etwas ging. Deep-Sky-Fotos haben selbst im Schmalbandbereich nur einen dokumentarischen Wert. Dafür ist das lokale Seeing oftmals gut - wenn nicht Nachbarn kurz mal ihre geheizten Wohnungen stoßlüften. Mond, Planeten, Sonne sind daher meine Hauptziele (Abb. 3-6).

1 So schnell lässt sich die Balkonsternwarte in Betrieb nehmen: Entfernung der Plane, Anschließen der Steuerung,
Aufschieben eines 10-zölligen Schmidt-Cassegrain-Teleskops.
30 | Journal für Astronomie Nr. 90

Astronomie in der Stadt

Ein Balkon bietet zwar einen schönen Ausguck, macht aber auch Schwierigkeiten. Man muss sehen, dass man mit dem Stativ möglichst dicht an die Brüstung kommt. Aber selbst dann ist der Himmelsausschnitt zu klein, und die Montierung nimmt für die sonstige Nutzung des Balkons zu viel Platz weg. Die Balkonbrüstung als solche ist gemauert. Also wurde flugs eine Halterung AUF die Brüstung gestellt und mit Schwerlastdübeln befestigt. Darauf ruht die Montierung. Meine Vixen GP-Dx wohnt permanent unter einer Plane und nimmt deshalb das Hamburger Schietwetter nicht übel. Es lassen sich verschiedene Teleskope je nach Einsatzzweck montieren: - Ein SCT, seit einiger Zeit vorwiegend ein
10-Zoll-Meade. Mit seinen 14 kg nutzt es die Tragkraft der Montierung mehr

2 Umbau eines Lidl-Discounterteleskops (Skylux 70 mm / 700 mm) in ein H-
Sonnenfernrohr auf Basis eines Coronado PST. Der kleine Fraunhofer-Refraktor wurde abgesägt und mit einem Drehteil mit dem Vorderteil des PSTs verbunden. Vor dem Teleskop ist ein Baader Energy Rejection Filter (ERF) montiert.

3 Jupiter am 01.09.2022
um 22:16 Uhr UT. 10-Zoll-SCT, 2-fache Barlowlinse, Kamera: ASI120MM, Filter: (R+IR)+G-RGB. Aufnahme mit Firecapture, Stacking mit AutoStakkert, Schärfung mit Registax, Derotation mit WinJupos, LRGB: Fitswork. Finale Bearbeitung mit Photoshop.


Astronomie in der Stadt
4 Krater Copernicus, 28.09.2013, 03:28:50-03:30 Uhr UT. 10-Zoll-SCT, 2x Barlow, DMK41-Kamera, Astronomik-IR-Filter.
Stacking mit AutoStakkert, Schärfung mit Registax.
5 Sonnenfleckengruppe im Weißlicht, 21.06.2015, 06:37 Uhr UT, 125-mm-Fraunhofer-Refraktor (f/10), Lacerta-
Herschelkeil, 2x Barlow, Baader Solar Continuum Filter. DMK41-Kamera. Verarbeitung mit Autstakkert und Fitswork.
32 | Journal für Astronomie Nr. 90

6 Gesamtscheiben-Mosaik der H-Sonne, 02.08.2015, 09:20-09:30 Uhr UT.
70-mm-Refraktor (f/10) mit PST-Etalon, 2-facher Barlowlinse, DMK41-Kamera. Mosaik aus 16 Summenbildern aus je ca. 250 Einzelbildern.

als voll aus. Das Gebäude liefert aber bei Westwind einen hervorragenden Windschutz, und da Montierung und Fokussierer elektrisch betrieben werden, muss ich das Gerät ja nicht berühren. Ich nutze das Gerät vor allem für Detailaufnahmen von Mond und Planeten. Bei dem SCT muss bedacht werden, dass es ca. eine Stunde auskühlen muss. Das kann aber bei Verdacht auf sternklaren Himmel in einer trockenen Ecke des Balkons schon im Vorwege geschehen. - Ein 12,5-cm-Fraunhofer-Refraktor f/10, der hauptsächlich für Sonnenaufnahmen im Weißlicht zum Einsatz kommt (Abb. 5). Auch dieses Gerät funktioniert

mit seinen langen Hebelarmen und dem auch recht hohen Eigengewicht nur aufgrund der günstigen Windsituation. - Ein 75-mm-Refraktor Pentax SDHF für seltene Versuche im Deep-Sky-Bereich. - Ein PST für Sonne im H-Bereich. Ich habe mir ein Lidl-Teleskop (75-mm-Refraktor f/10) als alternative Optik an das PST-Etalon adaptiert (Abb. 2, Abb. 6).
Zwischen dem Entschluss zur Beobachtung und den ersten Bildern liegen meist nur 10 Minuten. Plane ab, Fernrohr drauf, Strom anschließen, und los geht es (Abb. 1). Die Steuerung ist ein Skywatcher-GOTO-Kit für die dem Vixen-Original weitgehend

schraubenkompatible EQ5-Montierung. Das Seeing ist übrigens gerade in der zweiten Nachthälfte oft sehr gut. Nach einigen Aufnahmeserien kann alles in den Ausgangszustand zurückverwandelt werden, so dass man vor der Arbeit noch ein wenig Schlaf findet. Es stellt sich immer wieder heraus: Man kann viel mehr Nächte und kurze Aufklarungsperioden nutzen, wenn man direkt am eigenen Wohnort beobachten kann. Dafür lohnt sich das Ertragen widriger Umstände. Die Bilder geben einen kleinen Überblick über die Möglichkeiten.


Amateurteleskope/Selbstbau

Weitere astronomische Basteleien
von Gerhard Herzog

Ein Punkt, der mich in den letzten Jahren immer wieder nervte, war die Frage: Welcher Himmelsanblick ist zu erwarten, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der Beobachtung begonnen werden soll?

Beim Blick nach Süden ist in diesem Fall die jeweilige (Orts-)Sternzeit ein guter Anhalt. Wenn man beispielsweise weiß, dass das Sternbild Andromeda bei etwa Rektasz. = 00 h 30 min liegt, kann man abschätzen, dass bei einer Ortssternzeit von 19:30 Uhr Andromeda in ungefähr fünf Stunden auf einer entsprechenden Höhe durch den Meridian wandern wird.

Natürlich gibt es heute mit Planetariumsprogrammen oder ,,Handy-Apps" zahlreiche technische Möglichkeiten, die aktuelle Sternzeit zu bestimmen. Wenn allerdings (die Leute soll es unglaublicherweise auch heute noch geben) eben kein Smartphone vorhanden ist und man nicht jedes Mal den Rechner hochfahren möchte, kann man sich mit einem ziemlich einfachen Mittel behelfen. Man benötigt dazu nur eine einfache, wohl in vielen Haushalten noch meist versteckt vorhandene Pendeluhr (na ja, ein so ganz einfaches Mittel ist das ja auch nicht ...).

1 Meine verwendete Pendeluhr

Vor vielen Jahren hatte eine solche Uhr in meiner Wohnung ,,den Geist aufgegeben", sie wurde von einem Uhrmacher als ,,unreparierbar" eingestuft. Da das regelmäßige Ticken des Gerätes aber irgendwie zum Wohn- und Wohlgefühl gehörte, erstand ich vor ungefähr vier Jahren auf einem Flohmarkt eine nahezu baugleiche Nachfolgerin. Sie sei natürlich ,,lauffähig", versicherte der Verkäufer, und bei einem ca. fünfminütigen Probelauf an dessen Stand tickte sie auch sehr schön regelmäßig. Aber: ,,Pustekuchen!" Erstanden und zu Hause in Gang gesetzt, blieb nach ca. acht Minuten die Pendelbewegung aus und es herrschte

wieder Totenstille. Also zunächst: Ablegen in der Schublade ,,Lehrgeld". Ich war allerdings, wie soll ich sagen, gerade so schön im Schwung, so dass ich beschloss, dem Problem auf den Grund zu gehen. Nach der Entnahme des Werkes aus dem Gehäuse war rasch klar, dass der Vorbesitzer die Antriebsfeder viel zu stark aufgezogen und damit für eine Verklemmung im Zahnradtrieb gesorgt hatte. Dies konnte durch das händische Entriegeln der Pendelunruhe und komplettes Ablaufen lassen der Antriebsfeder behoben werden. Ich hatte das Werk provisorisch auf einem Tisch platziert und führte daraufhin einen Probelauf

durch. Prompt verweigerte das Uhrwerk, wiederum nach diesen ominösen acht Minuten, seinen Dienst. Was war denn jetzt noch? Also nochmals sehr genau hinsehen! Ich erkannte, dass das pendelnd aufgehängte Federstahlplättchen gebrochen war. Mit etwas Geduld ersetzte ich dieses durch das Gegenstück der ,,älteren Schwester". Prompt lief das Werk jetzt problemlos zwei volle Stunden lang - immer noch im Versuchsaufbau. Dementsprechend erfolgte der Wiedereinbau des Werkes ins Gehäuse. Und trotzdem: Nach etwa vier Stunden war wieder das Ende aller Aktivitäten erreicht. Nach langem Probieren, ich war ja sicher,

34 | Journal für Astronomie Nr. 90

dass das Werk eigentlich jetzt wieder lauffähig sei, stellte ich fest, dass die gesamte Uhr etwa 2 Grad bis 3 Grad aus der Senkrechten verkippt werden musste, um eine fast zwei Wochen andauernde Laufzeit zu erreichen. So weit, so gut, aber die Sternzeit? Da der Sternzeittag ca. 4 Minuten kürzer als unser gewöhnlicher Sonnentag ist, galt es über die passende Veränderung der Pendellänge die Uhr so einzurichten, dass sie eben genau diese 4 Minuten pro Sonnentag vorging. Diese Arbeit hat etwa 14 Tage gedauert, danach konnte ich eine maximale Abweichung von maximal ca. 45 Sekunden bis 1 Minute verzeichnen.
So, jetzt die Sternzeit einstellen! Wer, wie oben gesagt, dafür keine App nutzen kann und auch nicht für jede Korrektur einen Rechner hochfahren will, kann sich mit einer einfachen, mit etwas Übung sogar kopfrechnend einzusetzenden Formel behelfen, die ich vor vielen, vielen Jahren in einem Buch von Hans Oberndorfer (das war ein früherer Leiter der Volkssternwarte München und bekannter Fernrohrbauer) gefunden hatte. In diese gehen sämtliche Größen in Dezimalstellenform ein. Sie lautet:
STZ (Ortssternzeit in h) = ( ((L+D) 4) / 60) + (M 2) + MEZ + 3,6 h
Hierbei ist L der Längengrad des Beobachtungsortes, D der jeweilige Monatstag, M die Monatszahl, MEZ die Zeit der Beobachtung. Übersteigt das Ergebnis 24 oder im Extremfall gar 48 Stunden, so sind diese einfach abzuziehen. Um eine Beispielrechnung zu geben: Der Beobachtungsort sei 7 Grad 42' Ost (= 7,7 Grad dezimal), die geplante Beobachtung finde am 13. Dezember um 21:00 Uhr MEZ statt. Dann gilt:
STZ (Ortssternzeit in h) = ( ((7,7+13) 4) / 60) + (12 2) + 21 + 3,6 = 1,38 + 24 + 21 + 3,6 = 49,98 h
Wie eben angeführt werden jetzt die 48 Stunden abgezogen und es verbleiben 1,98 h als aktuelle Sternzeit zum Beobachtungszeitpunkt, das sind 1 h 58,8 min.
So wurde es mir möglich, mit Hilfe einer einfachen Pendeluhr, die bis vor einem halben Jahr vor Abfassung dieses Berichtes klaglos ihren Dienst verrichtete (die Ersatzfeder der Pendelaufhängung ist nun auch gebrochen), über eine ausreichende Genauigkeit für meinen mit einer 10-min-Teilung versehenen Rektaszensionskreis zu verfügen. Seitdem befinde ich mich auf der Suche nach einem entsprechenden Federstahlplättchen ...
Ganz nebenbei: Aber Spaß hat die Bastelei auf jeden Fall gemacht!

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Amateurteleskope/Selbstbau

Eine Lehre als Fokussierhilfe am Teleskop
von Hubert Hermelingmeier

Wenn die inneren Planeten Merkur und Venus ihre größten Elongationspunkte erreichen, versuche ich sie auch gerne am Tage zu beobachten. Da ich keine computergesteuerte Montierung habe, ist das Einstellen der Objekte schon etwas aufwändiger. Daher ist es wichtig, das Teleskop zuvor scharf einzustellen. Die defokussierten Planetenscheibchen sind sonst sehr groß, von ihrer Helligkeit am Tageshimmel entsprechend abgeschwächt und nur schwer erkennbar. Das Auffinden ist dann sehr schwierig bis unmöglich, insbesondere dann, wenn der Himmel nicht tiefblau und transparent ist.

Da man aber keinen Anhaltspunkt für die Scharfeinstellung hat (Bäume und Häuser der Umgebung sind nicht weit genug entfernt), habe ich mir für die Fokussierung eine Lehre gefertigt, die am Okularauszug zwischen den Klemmring und der Führung gehalten wird (Abb. 1). Ich drehe den Okularauszug dabei soweit ein, bis die Lehre genau dazwischen passt. In dieser Position sind die Planeten gut erkennbar. Die endgültige Fokussierung erfolgt dann bei der Beobachtung. Der untere, längere Bereich der Lehre in der Abbildung 1 ist für ein Zenitprisma mit einem bestimmten Okular. Die passenden Abstände habe ich bei der Beobachtung des Mondes am Nachthimmel ermittelt.

1 Die Fokussierlehre am Okularauszug

Für die Fokussierung meiner Kamera habe ich mir ebenfalls eine Lehre gebaut (Abb. 2). Auch hier sind die Sterne auf dem Monitor nur schwer erkennbar, wenn der Kamerasensor weit außerhalb des Brennpunktes liegt. Mit der Lehre finde ich die Position des Sterns, den ich zur Fokussierung nutze, sehr leicht, bevor ich mit der Bahtinovmaske die genaue Scharfeinstellung vornehme.

36 | Journal für Astronomie Nr. 90

2 Die Fokussierlehre für die Kamera

Amateurteleskope/Selbstbau

Eine Taukappe für den Filterschieber
von Hubert Hermelingmeier

Mein 14-Zoll-Dobson ist mit einem Filterschieber ausgerüstet (Abb. 1). Die Halterung nimmt drei 2-Zoll-Filter auf. Ich habe dort einen [OIII]-, UHC-, H- oder wahlweise einen Polarisationsfilter eingesetzt. Die Filter ragen aus dem Dobsonhut heraus und beschlagen natürlich schnell.
Was liegt näher, als sich eine Taukappe zu bauen? Früher hätte ich diesen Kasten (Abb. 2) aus Sperrholzleisten zusammengeklebt, wie ich das mit dem Aufbewahrungsbehälter gemacht habe. Nachdem mein Sohn einen 3D-Drucker sein Eigen nennt, liegt es natürlich nahe, ihm einen Druckauftrag zu erteilen. Gedacht getan, und so habe ich ihm eine Skizze als Basis für die Konstruktion übergeben. Die Taukappe ist aus zwei Einzelteilen zusammengeklebt, dadurch konnte der Material- und Zeitaufwand beim Drucken reduziert werden. Zur Befestigung der Kappe habe ich in den Holzrahmen des Dobson eine Stockschraube einsetzt. An dem metrischen Gewinde der Stockschraube kann die Kappe mit einem Kugelgriff geklemmt werden (Abb. 3).

1 Der Filterschieber wird am Okularauszug eingeschoben und ragt
aus dem Dobsonhut heraus.

2 Die Taukappe umschließt den Filterschieber.

3 Die Befestigung der Taukappe mit dem Kugelgriff

Astrofotografie

Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie - Das Astrofoto des Jahres 2022
von Thorsten Zilch

Das Jahr 2022 sorgte insgesamt mit 52 Kalenderwochen für 49 informativ aufbereitete und dargestellte ,,Astrofotos der Woche". Frei nach dem Motto ,,Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!" erfolgte im Frühjahr 2024 die Wahl zum ,,Astrofoto des Jahres 2022". Die Fachgruppe Astrofotografie hatte die hiermit verbundene regelmäßige Aufgabe, aus dem Bilderbestand ,,Astrofoto der Woche" (AdW) [1] des Jahres 2022 die drei besten Astrofotos zu wählen. Die Wahl führte zu folgender Nominierung:

Platz 1: Fabian Neyer, Woche 33 - Neues aus dem System M 51
Platz 2: Frank Weidenbusch, Woche 9 - Monoceros R2, Sternassoziation und Molekülwolke
Platz 3: Axel Rau, Woche 50 - Der Nebel um den Wolf-Rayet-Stern WR 134

Die drei Siegerbilder sind an dieser Stelle noch einmal abgebildet. Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern, aber auch herzlichen Dank an die vielen treuen Einsender. Nicht zu vergessen ist der Dank an unsere fleißigen FG-Mitglieder und FG-Freunde beim Belichten und natürlich beim Wählen! Ihr AdW-Team der FG Astrofotografie

Astrofotografie

1 Links: Das System M 51; Teleskop:
Apochromat TEC 140 mit f/7,1; Montierung: AstroPhysics 900 GoTo der Privatsternwarte ,,Antares" in der Schweiz; Kameras: CCD-Kamera Moravian G3-16200 sowie eine CMOS-Kamera Moravian C3-61000; Belichtungszeit: LHRGB mit 26/86,5/9/11/14,3 Stunden; Gesamtbelichtung liegt somit bei 146,8 Stunden; das Bildfeld beträgt 61` x 76`, Norden ist oben und Osten links. Bildautor: Fabian Neyer

2 Oben: Diese Szenerie ,,Monoceros
R2, Sternassoziation und Molekülwolke" entstand zwischen dem 08.11.2021 und 07.12.2021 am Remote Observatory El Sauce in Chile (Betreiber ,,Deep Sky West"). Teleskop: PlaneWave 17 (Dall Kirkham Cassegrain) mit 432 mm Öffnung und 2.939 mm Brennweite; Kamera: FLI ML16803; Belichtungszeit L: 33 x 600 s, R: 17 x 600 s, G: 15 x 600 s, B: 27 x 600 s. Das quadratische Bildfeld misst 40,3`; Norden ist oben, Osten links. Bildautor: Frank Weidenbusch.

3 Nächste Seite: Nebelkomplex um den
Wolf-Rayet-Stern WR 134 im Sternbild Schwan. Teleskope: 10-Zoll-Newton (f/4) (Marke Lacerta), 8-Zoll-Newton parallel; Kameras: ZWO ASI1600MM, später ZWO ASI294MM Pro; Belichtungszeit: 113 x 5 min in H, 148 x 5 min in [OIII], dazu dann je 11 x 3 min in R und G, 10 x 3 min in B und 9 x 3 min in L. Die Belichtungen erfolgten am 17.06.2021, 11.07.2021, 08.08.2021, 20.08.2021, 02.09.2021, 18.09.2021 und 16.08.2022 in Pfullendorf/Bayern. Das Bild zeigt Norden links und Osten unten bei 39,7` x 55,8` Gesichtsfeld. Bildautor: Axel Rau.


Internethinweis (Stand 27.02.2024): [1] Das Astrofoto der Woche (AdW) auf astronomie.de: www.astronomie.de/aktuelles-und-neuigkeiten/astrofoto-der-woche/archiv
40 | Journal für Astronomie Nr. 90

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BRIAN / STOCK.ADOBE.COM; BEARBEITUNG: SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT

Astrofotografie

Hochlichtstarke Objektive in der Astrofotografie
Teil 2: Praxis
von Georg Dittie

Die gewohnte Astrofotografie zeigt uns prachtvolle Himmelsobjekte in einer Farbigkeit und Detailfülle, wie wir das mit unseren eigenen Augen nicht, auch nicht durch irgendwelche Fernrohre, wahrnehmen können. Das liegt einfach daran, dass wir so lange belichten können, bis es für die ansehnlichen Ergebnisse ausreicht. Das kann das Auge nicht; hier liegt die maximale ,,Belichtungszeit" bei 0,1 Sekunde. Deshalb kann das Auge ja auch sehr schnelle, dynamische Vorgänge am Himmel wahrnehmen, wie z. B. wallende Polarlichter, Sternschnuppen oder Satelliten im Orbit, etwas, was die Astrofotografie mit langen Belichtungszeiten nicht aufzeichnen kann. Speziell die Fotografie von Sternschnuppen hat es in sich: Belichtet man schön lange, so sind ganz viele Sterne und auch die Milchstraße im Bild, aber nur die allerhellsten Meteore. Die leuchten ja nur für einen

Bruchteil der Belichtungszeit auf und sind gegenüber den stationären Sternen deshalb völlig unterbelichtet. Der zweite Sonderfall ist die Echtzeitfotografie von Polarlichtern: Wer schon mal selbst welche gesehen hat (unbedingt empfehlenswert!) weiß, wie schnell sich Polarlichter verändern können. Die allgemein üblichen Fotos können das gar nicht wiedergeben, die langen Belichtungszeiten verschmieren das Abbild mehr oder weniger. Diese Bewegungsunschärfe hat die Vorstellung bei den Daheimgebliebenen, wie Polarlichter tatsächlich auftreten, völlig verzerrt. Das ist schade und ruft nach Verbesserung in Form von Echtzeitvideos.
Vorgehen Wie im ersten Teil von Peter Slansky [1] beschrieben, steht bei der Astrofotografie wenig Licht zur Verfügung. Um eben sehr

dynamische Vorgänge aufzuzeichnen, ist es unumgänglich, die Belichtungszeiten sehr kurz zu halten. Für Videoaufnahmen in Echtzeit stehen maximal 40 Millisekunden (1/25 s) zur Verfügung. Lediglich Zeitraffersequenzen sind da großzügiger, aber zu viel Spielraum besteht auch nicht, weil das Video ansonsten anfängt zu ruckeln. Bleibt, die Kameraempfindlichkeit soweit zu erhöhen, wie es das damit zunehmende Rauschen zulässt. Gerade hier hat sich in den letzten Jahren viel getan. Ganz moderne Kameras lassen bei APS-C- Sensoren ISOZahlen von 12.800 und bei Vollformatkameras sogar ISO-Zahlen von über 100K zu, ohne dass sich das Bild in Sandpapier auflöst. Auch die Größe der Sensorpixel ist hier wichtig; die getesteten Kameras haben 3,9 m (APS-C) bzw. 6,0 m - irgendwo müssen die Pixel genug Einfangfläche für das knappe Licht haben. Aber das reicht noch

1 Hochlichtstarke Objektive von Georg Dittie. Hintere Reihe von links nach rechts: Sony 1,4/15mm G; Laowa 0,95/25mm; Sony 1,2/50mm
GM. Untere Reihe: Minolta MC 1,2/58mm (historisch) mit Zhongji Reducer 0,72; TTArtisan 0,95/50mm; Kipon Ibelux 0,85/40mm.
42 | Journal für Astronomie Nr. 90

Astrofotografie

2 Sternfeld zwischen Deneb und der Leier mit dem Vollformatobjektiv Sony 1,2/50mm GM. Bis auf die Vignettierung von
etwa einer Blende ist die Bildschärfe nicht zu toppen, die erreichbare Grenzgröße maximal. Leider ist es aber auch mit großem Abstand das kostspieligste Objektiv.

nicht. Noch mehr Licht können wir über die möglichst hohe Öffnung des Objektivs einfangen. Dabei ist wichtig, dass schnelle dynamische Vorgänge am Himmel in der Regel auch große Bildfelder in Anspruch nehmen (wir lassen die Aufzeichnung von Sternbedeckungen mal außen vor). Da bieten sich die hoch geöffneten Objektive für unsere Alltagskameras an, wobei in jüngerer Zeit aus Korea und China ein immer größeres Angebot zu akzeptablen Preisen kommt. Als Auswahl zum Testen standen zur Verfügung (Abb. 1): - das Sony 1:1,4 / 15 mm G (APS-C), - das Sony 1:1,2 / 50 mm GM (Vollformat), - ein TTArtisan mit (fast unglaublichen)
1:0,95 / 50 mm (Vollformat), - ein Laowa Argus 1:0,95 / 25 mm (APS-C)
Weitwinkel - und der derzeitige Rekordhalter, das Ki-
pon Ibelux 1:0,85 / 40 mm (APS-C).
Ergänzend dazu kommt noch ein historisches Minolta MD 1:1,2 / 58 mm (Vollfor-

mat) zusammen mit dem Zhongji Reducer 0,72 (auf APS-C) zum Einsatz. Damit der besonders gute Sensor der Sony A7C auch für die APS-C-Kandidaten genutzt werden kann, wird das Bildformat hier auf 1:1 beschränkt - so wird auch die bauarttypische Vignettierung sehr gut sichtbar.
Wie weit kommt man? Für erste Tests kommen eine Sony-A6600Kamera mit APS-C-Sensor und eine Sony A7C mit Vollformatsensor zum Einsatz. Beide Kameras sind nicht modifiziert, sondern in dem Zustand, in dem sie das Werk verlassen. Die A6600 wird mit einem 1,4/15mm bestückt, einem erst kürzlich von Sony herausgebrachten Objektiv, das speziell für die nächtliche Landschaftsfotografie gedacht ist. In einem 4k-Video der Abenddämmerung im Westen konnte dabei etwa zum Ende der astronomischen Dämmerung der Stern HD114904 in den Jagdhunden mit immerhin 7,2 mag abgelichtet werden, bei 1/25 s, ISO 25.600 und

Blende 1,4. Nun ist das ein echtes Video - auch sehr schwache Satelliten und Sternschnuppen sind darin enthalten. Bei der Stillfotografie, z. B. als Ausgangsmaterial für Videosequenzen, kommt man ebenfalls sehr weit, nur fehlt eben hier die Dynamik. Satelliten und Meteore sind halt schon Strichspuren und keine mehr oder minder schnellen Punkte, und auch flackernde Polarlichter fangen an zu verschmieren - alles eine Frage des Kompromisses. Ein schöner und akzeptabler Wert ist dabei die maximale Belichtungszeit von 1/6 - 1/3 Sekunde, wobei das aber nur vom eigenen Gefallen bestimmt wird. Bei dieser Belichtungszeit und etwa ISO 12.800 kommt man mit dem 1,2/50mm GM von Sony schon auf etwa 10 mag Grenzgröße, ausgetestet mit Stellarium im Sternbild Leier.
Testergebnisse An einem schönen Maiabend wurden fünf Objektive auf die Sommermilchstraße zwischen Schwan und Leier gehalten. Alle

Journal für Astronomie Nr. 90 | 43

Astrofotografie

3 Sternfeld zwischen Deneb und der Leier mit dem Minolta MC 1,2/58mm auf den
Zonggji Lens Turbo II Reducer montiert. Das Bild wird durch die deutliche Koma gestört und natürlich auf APS-C verkleinert.
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Fotos sind unbearbeitete Aufnahmen ,,just out of the cam". Die Gemeinde Königswinter tut uns den Gefallen und schaltet ab Mitternacht die Straßenbeleuchtung ab, so dass der Himmel optimal dunkel ist, aber eben kein Hochgebirgshimmel.
Das Sony 1,2/50mm GM (Abb. 2) ist bei Weitem das teuerste Objektiv in der Testreihe, aber von der Abbildungsqualität auch überragend. Selbst bei voller Blende 1,2 (die bei 50 mm Brennweite satte 42 mm Öffnung bedeutet) sind die Sterne bis zum Rand punktförmig. Es gibt weder Koma noch sphärische Aberration. Nur so ein hochlichtstarkes Objektiv zeigt schon die bauartbedingte, unvermeidliche Vignette. In den Bildecken geht schon einiges verloren, schätzungsweise eine Magnitude. Das stört aber eher beim Himmelshintergrund durch Streulicht, Dunst oder Airglow, weniger bei Sternen und feinsten Strichspuren durch irgendwas Bewegtes.
Völlig überraschend ist die Leistung des antiken Minolta MC 1,2/58mm zusammen mit einem Zonggji Reducer mit dem Faktor 0,72 (Abb. 3). Mit diesem Kompressor wird die Brennweite auf 42 mm verkürzt und die Öffnung auf Blende 0,9 erhöht, dafür das Bildfeld aber auf APS-C reduziert. Nicht abgeblendet zeigen die Sterne am Bildfeldrand schon ganz erhebliche ,,Kometenschweife", also Koma, dazu kommt noch ein richtiger ,,Tunnelblick", also Vignette. Nicht schön. Blendet man das Objektiv aber nur von 1,2 auf 1,4 ab, also eine Drittelblende (Abb. 4), so werden Koma und Vignette schon sehr stark reduziert. Dabei wird so-
4 Blendet man das Minolta MC 1,2/58 mm
mit Zonggji Lens Turbo II Reducer auf 1,4 ab (also nur um eine Drittelblende), ist die Koma praktisch weg und die Bildschärfe wird richtig gut.

Astrofotografie

gar der Teststern in der Leier mit 9,8 mag sichtbar - et voilà. Wenn man also das alte Minolta noch in der Schublade hat ... Aber Vorsicht, für so etwas werden mittlerweile Liebhaberpreise verlangt.

Einigermaßen passabel schlägt sich auch das einzige Weitwinkel im Test, das Laowa Argus 0,95/25mm (Abb. 5). Die Koma und die Vignette sind auch schon ziemlich heftig, wirklich schön sind die Bilder nicht mehr. Wobei auch die nicht auskorrigierten Bildfehler ca. eine halbe Magnitude kosten. Aber dafür ist es halt das Weitwinkel, das knapp das gesamte Sommerdreieck überblickt.

Aus China kommen die beiden anderen Kandidaten, die eigentlich für die Portrait-

5 Das Sommerdreieck mit dem Laowa 0,95/25mm

6 Sternfeld zwischen Deneb und der Leier mit dem TTArtisan 0,95/50mm. Das Bild wird durch die deutliche Koma gestört.
Immerhin gibt es keinen Farbfehler und dazu Vollformat.
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Astrofotografie

durchlesen. Ersatzweise funktionieren aber auch Testfotos aus dem Netz von kleinen bildrandnahen Kanten wie Fensterrahmen, Buchstaben oder Mauerfugen zum Abschätzen, wie gut Sterne aussehen werden. Für die Astrofotografie sind das TTArtisan und vor allem das Kipon Ibelux eher nicht gut, wobei die für den eigentlichen Portrait-Zweck geeignet sein mögen.

7 Sternfeld zwischen Deneb und der Leier mit dem Kipon Ibelux 0,85/40mm.
Das Bild wird leider durch die starke und dazu auch noch farbige Koma gestört; da hilft auch ein leichter Gelbfilter kaum.

fotografie gedacht sind: Dort braucht man die extrem hohe Lichtstärke nämlich zum Freistellen der Person, der Hintergrund drumherum wird dann schön unscharf, umso mehr, je höher die Lichtstärke ist. Bei so etwas stören dann auch Abbildungsfehler der Optik nicht. Wir brauchen aber das ganze Bildfeld und sind für jedes eingefangene Photon dankbar. Sowohl das TTArtisan mit der beeindruckenden Anfangsblende von 0,95 (Abb. 6) als auch das Kipon Ibelux (Abb. 7) mit dem derzeitig im Handel erhältlichen Rekordwert von Anfangsblende 0,85 sind für die Astrofotografie eher weniger geeignet: Beide Objektive haben übermäßig starke Koma, wobei die Vignette beim TTArtisan eventuell noch zu tolerieren ist; dafür ist das Ibelux auch im Blauen nicht auskorrigiert - ein Farbwerfer also. Mit beiden ist 10 mag Grenzgröße utopisch; das geht in Vignette, Farbfehler und exzessiver Koma unter. Da nutzt dann auch die hohe Anfangslichtstärke nichts.

Fazit Astrofotografie in Echtzeit oder gar Astrovideo geht mit den heutigen Kameras sehr gut. Sowohl zeitgemäße APS-C-, vor allem aber Vollformatkameras haben genügend rauscharme Sensoren, so dass man bei 1/3 Sekunde Belichtungszeit und ISO 12.800 und mehr schon auf etwa 10 mag Grenzgröße kommt. Nimmt man Videos in Echtzeit auf, sind bei einem echten Weitwinkel schon 7 mag und mehr drin: Das Video zeigt ziemlich das, was man gerade nicht mehr mit bloßem Auge erkennen kann. Zudem ist es wieder Mode geworden, dazu wirklich hochlichtstarke Objektive anzubieten. Die Markenhersteller treiben dazu einen extrem hohen Aufwand, bei meinem 1,2/50mm sind das 14 Linsen. Das macht so ein Objektiv leider sehr teuer - aber die optische Leistung ist so extrem gut, dass man eigentlich kein zweites braucht. Wenn man nicht ganz so entschlossen oder betucht ist und zu einem Drittanbieter von lichtstarker Optik greift, sollte man sich vorher alle greifbaren Tests, idealerweise auch welche am Sternenhimmel oder so,

Ein Fokalkompressor wie der Zonggji Lens Turbo II lohnt dann, wenn man sowieso eine betagte, hochlichtstarke Linse hat. In den 1970er Jahren gab es eine erste Welle, als hochlichtstarke Objektive gebaut wurden - so wie jetzt wieder. Also: wenn man noch eins hat, dann los. Für gute Exemplare von damals werden aber mittlerweile Sammlerpreise gezahlt; eine Neuanschaffung auf dem Gebrauchtmarkt ist also nicht so empfehlenswert. Wenn man das Originalobjektiv ganz leicht abblendet, ist die Leistung sehr ordentlich. Was leider überhaupt nicht funktioniert, sind Weitwinkelkonverter vor der Optik: Die sind zumeist für die winzigen CamcorderObjektive ausgelegt und kommen mit den großen Linsendurchmessern der getesteten Objektive nicht klar. Was übrig bleibt, ist unscharfes Gematsche, das kaum erkennen lässt, was da fotografiert werden sollte. Wie Peter Slansky beschrieben hat, verändern sie auch die Blende nicht. Die Kombination aus einer Mittelklassekamera - wenn es finanzierbar ist, mit Vollformatsensor - und einem - allenfalls zwei - hochlichtstarken Markenobjektiven ist die beste Lösung: Echtes Astro-Echtzeit-Video, gerne auch in 4k, ist absolut möglich. Blendenwerte mit einer 0 vor dem Komma bringen eher nichts mehr; mit 1,2 bis minimal 1,4 ist man voll dabei, wobei dann aber die optische Korrektur perfekt sein sollte.
Literaturhinweis: [1] P. C. Slansky, 2024: ,,Hochlichtstar-
ke Objektive in der Astrofotografie, Teil 1: Grundlagen", VdS-Journal für Astronomie 89, S. 33-36

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Astrofotografie

Neuentdeckung
- der Planetarische Nebel Br 6 oder PN-G 088.2-00.8
von Peter Bresseler

Im vergangenen Frühjahr tauschte ich mich mit Wilfried ,,Wacky" Wacker über ein fotografisches Grenzobjekt, PGC 69457 oder besser bekannt als das Einsteinkreuz, per E-Mail aus. Kurz zuvor hatte ich die Gravitationslinse von meinem Beobachtungsstandort im Norden Hamburgs mit meiner ,,Lucky imaging"-Belichtungsmethode annähernd ,,geknackt". Die Sterne waren teils in Einzelkomponenten aufgelöst, die kleine Herausforderung war mir gelungen.
Der Austausch mit dem sympathischen Wacky führte mich über seine Webseite [1] auf einen interessanten Artikel in seiner Linkliste. Der Artikel ,,Searching for Faint Planetary Nebulae Using the Digital Sky Survey" [2] beschreibt die Vorgehensweise der Autoren, in digitalisierten Surveys systematisch nach unbekannten Planetarischen Nebeln (PNe) zu suchen. Matthias Kronberger, einer der führenden Autoren, beschreibt seine spezielle Suchmethode

nach bislang unbekannten Planetarischen Nebeln. Matthias Kronberger gruppierte dabei ein Team von Amateuren um sich, die sich zunächst als ,,Deep Sky Hunters" und später (nachdem auch andere Deep Sky Hunters gegründet wurden) als ,,Deep Sky Hunters Collaboration" bezeichneten. Dies ist nun alles Geschichte, denn die Publikation des Artikels stammt aus dem Jahr 2010. Ein Amateur bzw. Amateurteam, das nach unbekannten Planetarischen Nebeln sucht, das fand ich spannend und interessant. Motiviert durch diese zurückliegenden Erfolge und die Möglichkeiten, eigene PNe zu entdecken, begann ich Anfang 2023 mit einer eigenen Suchstrategie, die sich an der Methodik der Deep Sky Hunters Collaboration orientiert.
Sky Surveys dienen als Sucheinstieg Als Basis meiner Suche dienen OnlinePortale, die über entsprechende Webseiten oder über verschiedene interaktive Web-

portale wie Sky-Map.org [3], Aladin Sky Atlas [4] oder ESASky [5] aufrufbar sind. Innerhalb dieser Portale lassen sich OnlineHimmelsdurchmusterungen, sogenannte Sky Surveys, für die Suche nutzen. Zu den interessanten zählen der Sloan Digital Sky Survey (SDSS), Pan-STARRS (Panoramic Survey Telescope and Rapid Response System) oder auch der digitalisierte Palomar Observatory Sky Survey, der zusammen mit dem digitalisierten Survey des Südhimmels (ESO/SERC) insgesamt auch als DSS (Digital Sky Survey) bezeichnet wird.
Die Online-Portale erlauben die Darstellung der Sky Surveys in frei wählbaren Himmelsausschnitten. Der gewählte Himmelsausschnitt wird inspiziert, danach zum nächsten gewechselt. Die Suche in Himmelsregionen mit einer hohen Sterndichte erscheint erfolgsversprechender als die Suche in sternarmen Himmelsregionen. Dabei sollten PN-Morphologie und -Eigen-

1 Br 6 im Vergleich: Links, Celeston EHD 11 Zoll f/10 und ZWO ASI220mini, ohne Filter, 120 Minuten belichtet. Rechts: Die Aufnahme
aus dem PanSTARRS-Bildarchiv kann als Bestätigung gelten, 1,8-m-Teleskop auf Hawaii, hier z- und g-Filterung gewählt. Der PN wird deutlich sichtbar (Bildmitte), ebenfalls die unmittelbaren Umgebungssterne. Norden oben, Osten links. Der eingetragene Bildmaßstab (20 Bogensekunden) ist in beiden Teilbildern derselbe. Die blaue PN-Farbe ergibt sich aus der gewählten Filterung, sie entspricht nicht der wahren Nebelfarbe. Die folgt aus der Summe der Lichtanteile aller optischen Spektrallinien.
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Astrofotografie

2 Das Spektrum zu Br 6 wurde mit einem LHIRES3-Spektrografen mit 50 m Spaltbreite und einem Gitter von 150 Strichen/mm
in Verbindung mit einem RC-Teleskop von 508 mm Öffnung (f/8) und einer CCD-Kamera des Typs ATIK 314L mit 6 x 2.400 s Belichtungszeit aufgenommen. Die sichtbaren Emissionslinien befinden sich an den im Bild eingetragenen bekannten Ruhepositionen (keine extragalaktische Rotverschiebung). Der PN gehört demnach unserer Milchstraße an. Br 6 weist alle typischen spektralen Merkmale eines Planetarischen Nebels auf. Man beachte: Beide [NII]-Linien besitzen zusammen die Intensität der H-Linie! Die roten, langwelligen Linien sind in Summe deutlich stärker als die blauen. Br 6 sollte auf (L)RGB-Aufnahmen rötlich erscheinen.

schaften bekannt sein, um Fehlinterpretationen auszuschließen. Kurz umrissen, PNe sind häufig rund, weisen eine gewisse Symmetrie auf und besitzen einen Zentralstern. Nach einem vermeintlichen Fund dienen Objekt-Datenbanken wie Simbad [6] der Verifizierung möglicher neuer Kandiadaten. Darüber gibt die Hong-Kong/AAO/ Strasbourg/H Planetary Nebulae, kurz HASH-DB [7], Auskunft über das Vorhandensein bekannter PNe.
Nach einem vermeintlichen PN-Fund sind die Wege der Bestimmung und Registierung nicht festgeschrieben. Man kann sich z. B. an einen Astronomen wenden, der die Ergebnisse verifiziert. Idealerweise reichert man die Online-Ergebnisse mit eigenen, tief belichteten Aufnahmen an, indem [OIII]-Aufnahmen und H-Aufnahmen zusätzlich gewonnen werden. Eine spektroskopische Analyse gibt klar die Natur eines PN wieder und ist bei der Bestimmung zwingend erforderlich. Passt alles, kann es zusammen mit einem Astronomen zu einer

Publikation in einem astronomischen Journal kommen.
Eine anderere Möglichkeit ist der Weg über das französiche Team um PNnet [8]. Auf der Internetseite sind die Einreichkriterien und -anforderungen definiert. Nach erfolgreicher Einreichung bekommt der vermeintliche PN dort zunächst einmal einen PN-Kandidaten-Status auf Basis der bekannten Daten und internen Kriterien. Bei vielversprechenden Kandidaten erfolgt eine Spektroskopie, bei nicht spektroskopisch untersuchten Vertretern bleibt deren Natur im Dunklen. Die weitere Bewertung und letztendlich die Registierung wird dann vom Laboratory for Space Research durch das Team um Quentin Parker vorgenommen und in HASH final dokumentiert. Die Ergebnisse fließen danach zurück an PNnet.
So kann es denn kommen, dass der PNKandidatenstatus schon in PNnet wieder zurückgenommen wird, wenn nach einer

ersten Analyse die Eckdaten nicht passen. Bei dem Zufallsfund von Sophia Paulin 2022 war das der Fall, um ein Beispiel zu nennen. Der zufällig entdeckte und vermeintliche PN entpuppte sich lediglich als HII-Region.
Während in den Anfängen der Amateursuche zu Beginn dieses Jahrhunderts mögliche neue PN-Kandidaten quasi ins Auge sprangen, sind die heute neu entdeckten Kandidaten in der Regel unscheinbar, diffus und meist auch sehr lichtschwach. Oft sind sie auch klein und kaum als PN auszumachen. Ich erlaube mir, hier salopp zu sagen, das ,,Feld ist relativ gut abgegrast".
Bresseler 6 befindet sich ideal im Sternbild Schwan An dieser Stelle möchte ich eine meiner Entdeckungen, den PN Bresseler 6 (kurz: Br 6, Abb. 1) hervorheben. Br 6 wurde spektroskopiert untersucht und unter anderem die Emissionslinien [OIII] und H nachgewiesen (Abb. 2). Daraufhin erfolgte ein Eintrag

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Astrofotografie

in die HASH Database. Die Nummer 6 lässt vermuten, dass es noch weitere von mir gefundene PN-Kandidaten gibt, und richtig, es ist in den letzten Monaten ein wachsender ,,Br-Katalog" entstanden. Die Namenskonventionen orientieren sich an internationalen Standards. Aktuell sind 15 Br PNe registriert, einige befinden sich noch in der Pipeline.
Br 6 oder PN-G 088.2-00.8 befindet sich auf der Position Rektasz. = 21 h 08 min 31,30 s, Dekl. = +46 Grad 28' 49,7'' im Sternbild Schwan, etwa 2,5 Grad nordöstlich des Nordamerikanebels. Er steht im Sommer fast im Zenit, knapp 5 Grad nordöstlich von Deneb. Damit ist der PN für mich als Hamburger sehr gut beobachtbar. Sein Winkeldurchmesser beträgt ca. 10'', seine Helligkeit geschätzt ca. 16,5 mag. Das Besondere: Br 6 ist aktuell der hellste von mir entdeckte PN. Mit den vorgenannten Daten ist er für den gut gerüsteten Amateur zugänglich, auch wenn er ziemlich klein ist und bei kurzen Brennweiten unter 1 Meter relativ punktförmig erscheint.

Zufallsfunde tragen zu Neuentdeckungen bei Neben der systematischen Suche tragen aber auch Zufallsfunde durch Amateure dazu bei, dass die Anzahl neu registierter Nebel zunimmt. Besonders spannend und interessant ist es dann, wenn auf einer eigenen tiefen Astroaufnahme ein unbekanntes Objekt im Zuge der Bildverarbeitung und Bildanalyse auftaucht. Ein schönes Beispiel hierzu ist der PN Li1 [10], dessen Entdecker Stefan Lilge eher zufällig einen unscheinbaren Fleck auf seiner Astroaufnahme identifizierte. Im späteren Verlauf und unter professioneller Zuhilfenahme hat dieser Fleck sich dann tatsächlich als neuer, wenn auch kleiner PN herausgestellt.
Schlussbetrachtung Die Gesamtzahl der heute bekannten galaktischen PNe beträgt derzeit ca. 3.800, inventarisiert u. a. in der HASH Database. Damit

hat sich in den letzten 20 Jahren die Anzahl der bekannten PNe nahezu verdoppelt.
Als Astrofotograf mit Wohnort Hamburg suchte ich in den letzten Jahren nach einem sinnvollen Betätigungsfeld für mein astronomisches Wirken. Beobachtungen unter urbanen Bedingungen sind deutlich eingeschränkt, so dass ich mich auf Lucky Imaging und die Beobachtung kontrastreicher PNe konzentrierte. So kam mir diese Inspiration zu dieser interessanten Möglichkeit genau zur rechten Zeit. Aktuell habe ich darüber hinaus ein Citizen-Science-Projekt [11] initiiert, und werbe für Unterstützung und Unterstützer in diesem Kontext. Bei Fragen und Anregungen sprecht mich gerne an (siehe auch Autorenliste hinten in diesem Heft). Die Fortschritte des CitizenScience-Projektes werden stetig auf meiner Homepage aktualisiert.

Literatur- und Internethinweise (Stand November 2023):

Deshalb ist Br 6 aufgrund seiner Winkel- [1] Webseite von Wilfried Wacker:

größe ein PN für lange Brennweiten. Visu-

www.starwack.de/

ell hat Uwe Glahn ihn unter guten Bedin- [2] G. H. Jacoby, M. Kronberger et al., 2009: ,,Sear-

gungen mit seinem 27-Zoll-Dobson (f/4,2)

ching for Faint Planetary Nebulae Using the Digi-

beobachtet und auch gezeichnet [9]. Als vi-

tal Sky Survey", arXiv:0910.0465v1 [astro-ph.SR],

suelle Untergrenze, das kann ich aber auch

https://arxiv.org/abs/0910.0465

[1]

[6]

nur schätzen, braucht es so ab 12-14 Zoll [3] SKY-MAP.ORG: www.sky-map.org/

Teleskopöffnung, vorzugsweise unter Zu- [4] Aladin Sky Atlas: https://aladin.u-strasbg.fr/

hilfenahme eines visuell tauglichen [OIII]- [5] ESASky: https://sky.esa.int/esasky/

Filters, gute Transparenz und einen dunk- [6] Simbad Astronomical Database - CDS (Stras-

[2]

[7]

lem Himmel. Fotografisch ist der PN aber

bourg): https://simbad.unistra.fr/simbad/

schon ab 6 bis 8 Zoll Öffnung abbildbar.

[7] HASH PN Database:

http://202.189.117.101:8999/gpne/index.php

[3]

[8]

Zum bestmöglichen Beobachtungszeitraum [8] Planetary Nebulae Net:

hatte ich mit meinem Celestron C11 EHD

https://planetarynebulae.net/

leider Probleme, so dass ich den kleinen [9] Webseite von Uwe Glahn: www.deepsky-visuell.

PN nicht wirklich gut aufnehmen konnte.

de/Zeichnungen/Br6.htm

[4]

[9]

Meine auch nur eher kurz belichtete Ent- [10] S. Lilge, 2015: ,,Lilge1 (Li1) - ein neuer Groß-

deckungsaufnahme entstand mit der ZWO

stadt-Nebel im Sternbild Pfeil", VdS-Journal für

ASI220mini im C11 EHD bei ca. 2.800 mm

Astronomie 52, S. 28-30

[5]

[11]

Brennweite. Der Zentralstern ist mit meinen [11] Webseite von Peter Bresseler,

Mitteln allerdings nicht auflösbar.

www.pixlimit.com

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Astrofotografie

Eine Aufnahme der Zwerggalaxie Andromeda VII
von Werner E. Celnik

Ein Celestron 14 in einer Gartensternwarte in einer Kleinstadt am Niederrhein? Ist doch eigentlich Unsinn, oder? Liegt doch der SQM-Wert in guten, klaren, mondlosen Nächten bei lediglich 19,4 bis 19,6 mag/arcsec2, was ungefähr bei Bortle 5,5, also ,,Vorstadthimmel" auskommt. Da ist dann die Milchstraße im Zenit schwach erkennbar. Nur einmal konnte ich 19,84 mag/arcsec2 erreichen, mit der Milchstraße über den ganzen Himmel erkennbar.
Planetenbeobachtungen, die von der Himmelshelligkeit unabhängig sind, habe ich natürlich oft gemacht, sogar recht erfolgreich in der Mars-Oppositionsperiode 2020 mit einem Celestron 11 [1]. Doch sind die Seeing-Bedingungen an meinem Standort inmitten einer ausgedehnten Wohnsiedlung mit mehreren Logistik-Zentren genau in Südrichtung eher bescheiden, gute Luftruhe ist selten.
Also doch Deep Sky machen.
Es gibt zwei wesentliche Tricks, bei aufgehelltem Himmel zu guten Deep-Sky-Aufnahmen zu kommen: a) Man beschränkt sich auf Schmalbandaufnahmen und damit auf Objekte, die in ihrem Spektrum helle Emissionslinien zeigen, wie HII-Regionen, Supernovareste oder Planetarische Nebel. So konnte ich mit einem H-Filter mit der Halbwertsbreite 12 nm durchaus 30 min lang bei f/7,7 belichten. b) Man hält die Belichtungszeiten kurz. Und zwar egal, welches Objekt man aufnimmt. Als Standard hat sich bei mir für ein Einzelbild eine Belichtungszeit von 120 s eingependelt. Ab und zu befindet sich im Gesichtsfeld ein Objekt, welches dabei bereits ,,ausbrennt", dann wird die Belichtung weiter reduziert, auf 60, ja bis zu 30 s bei f/7,7.

Da in jedem Einzelbild unabhängig von der Belichtung immer Rauschen auftritt, was ja ganz natürlich ist, müssen viele Einzelbilder aufgenommen werden, bei sehr kurzen Einzelbelichtungen sehr, sehr viele Einzelbilder. Beispiel: bei 30 s Einzelbildbelichtung habe ich von einem Objekt schon mal 1.000 Einzelbilder in einer Nacht aufnehmen können. Das sind dann 8,3 Stunden Gesamtbelichtung im Summenbild.
Aber wie viele Einzelbilder sind denn dann aufzunehmen? Das hängt davon ab, mit welcher Zielsetzung man an ein Objekt herangeht.
Ist das Zielobjekt eine helle Galaxie und bin ich damit zufrieden, wenn ich die helleren Spiralarme, größeren Sternassoziationen und Gasnebel abgelichtet habe (was man halt an Vergleichsaufnahmen im Internet findet), dann ist das natürlich völlig ok, ich bin nach einigen Stunden Gesamtbelichtung ,,fertig" und habe ein schönes Bild.
Viele Galaxien zeigen jedoch auch noch außerhalb der helleren Spiralarme weitere Strukturen: äußere, schwächere Spiralarme, Sternströme oder Gezeitenschweife. Um diese Objekte zu ,,erwischen", muss das restliche Rauschen im Summenbild noch weiter reduziert werden. So werden wesentlich längere Gesamtbelichtungszeiten gefordert, in der Größenordnung vielleicht zehnmal so lang, oder noch mehr. Aus 5 Stunden in einer Nacht werden so plötzlich 50 Stunden in 10 Nächten ..., Beispiele dafür konnte ich z. T. zusammen mit anderen Sternfreunden bereits an dieser Stelle präsentieren: Die tiefste bisher erreichte visuelle Sterngrenzgröße lag bei der Galaxie M 96 bei 23,8 mag [4] und bei NGC 2403 sogar bei 24,0 mag [2, 3]. Mein Fazit daraus ist: Je heller mein Nachthimmel ist und je schwächere Objekte ich erfassen möchte, umso höher muss die Gesamtbe-

lichtungszeit für ein Objekt ausfallen, wenn das durch die kurze Einzelbelichtung anfallende erhöhte Bildrauschen aufgefangen werden soll und im Rauschen versteckte Strukturen offengelegt werden sollen.
Die Andromeda-Zwerggalaxien Es ist schon eine Weile her, dass der Leiter der Fachgruppe Astrofotografie, Peter Riepe, die Fachgruppenmitglieder über die Mailingliste der FG dazu aufforderte, sich doch einmal die Zwerggalaxien unserer Nachbargalaxie, des Andromedanebels M 31, vorzunehmen. Er fand auch eine Liste der Andromeda-Zwerggalaxien von S. van den Bergh aus dem Jahr 2006 [5] und von A. Savino et al. aus 2022 [6], die Beobachtungen mit dem Hubble Space Telescope auswerteten. Das war für mich ein Anreiz, es in den letzten 12 Monaten einmal mit dieser Objektklasse zu versuchen. Erst recht, als Peter schrieb: ,,Hey Leute, aber die Dinger sind echt schwach!"
Da uns der Andromedanebel recht nahe steht und die Distanzen der Satellitengalaxien von der Muttergalaxie durchaus das Fünffache des Durchmessers von M 31 erreichen können, sind die AndromedaZwerggalaxien über einen beträchtlichen Teil des Himmels verteilt: Die Werte für die Deklinationen reichen von +02 Grad bis +59 Grad und die Rektaszensionen von 23 h 26 min bis 01 h 34 min.
Der häufigste Typ unter diesen Zwerggalaxien ist ,,dSph", also sphärische Zwerggalaxien. Die leuchtkräftigste darunter ist ,,And VII". Die sollte es werden. Sie wurde 1999 von Karachentsev und Karachentseva [9] entdeckt und liegt bei Rektasz. 23 h 26 min 33,5 s und Dekl. +50 Grad 40' 48'' (2000.0). Sphäroidale Zwerggalaxien sind durchweg sehr alt. Deshalb zeigen sie als hellste Sterne sehr viele weiterentwickelte Rote Riesen, aber keine blauen, leuchtkräftigen jungen Sterne

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1 Die Zwerggalaxie Andromeda VII, Teleskop: Celestron 14 EHD mit Reducer 0,7x (f/7,7), Color-Kameras: Canon
6Da und Altair AA26cTec, Filter: nur IDAS-Lichtverschmutzungsfilter, Belichtung 52,7 Stunden in 10 Nächten zwischen 23.08.2023 und 10.01.2024. Bildformat: 24,0` x 15,7`. Bild: W. E. Celnik

mehr. An blauen Sternen gibt es zwar die noch älteren blauen Horizontalast-Sterne, das aber sind allesamt viel lichtschwächere Heliumbrenner. Daher sind alle dSph-Galaxien, was ihre stellare Erscheinung betrifft, in R- oder NIR-Filterung am besten zu erreichen. Das passte, denn ich wollte mir die Option offen halten, neben einer Color-Kamera auch mit einem Nah-Infrarot-Filter und einer Schwarzweiß-Kamera Aufnahmen zu machen.
Auf was hatte ich mich da nur eingelassen!? McConnachie und Irwin stellten 2006 [7] eine Arbeit vor, in der sie auf Aufnahmen des 2,5-m-Isaac-Newton-Teleskops auf La Palma einzelne sphärische Andromeda-Zwerggalaxien untersuchten. Die auf Zählungen roter Riesensterne beruhende Flächenhelligkeit im Zentrum der Galaxie And VII beträgt demnach 23,4 mag/arcsec2 und hat bei einem Radius von 1 arcmin bereits auf 23,6 abgenommen, bei 2 arcmin

Radius auf 24,3, bei 3 arcmin auf 24,8 mag/ arcsec2. Trotz meiner bisherigen Erfahrungen mit längeren Belichtungszeiten aus vielen Nächten stellte sich mir hiermit also eine beträchtliche Herausforderung.
Die Technik In meiner Gartensternwarte (Rolldachhütte mit Grundfläche 2 x 3 m2) setze ich als Trägermodul eine Montierung GM2000 HPS von 10Micron auf einer mit Sand gefüllten Stahlsäule ein. Diese Montierung ist mit Absolutencodern ausgestattet und erfordert keine Korrekturen der Nachführung. Bei guter Poljustierung habe ich die Montierung bereits 30 min lang bei 2.737 mm Brennweite laufen lassen und die Sterne waren rund. Besser geht's nicht. Auf der Teleskopseite ist u. a. das C14 EHD mit 0,7x-Reducer, Filterschublade und einer gekühlten CMOS-Color-Kamera Altair AA26cTec montiert, die Kamera kann wahlweise durch astromodifizierte oder

IR-modifizierte DSLRs ersetzt werden. Die Montierung läuft (noch) standalone, die Objekte werden mit dem Hand-Paneel angefahren. Die Kameras werden von jeweils einem Billig-Notebook gesteuert, auf dem bei Anschluss von DSLRs die Software ,,Astro Photo Tool" läuft, die gekühlten Kameras laufen problemlos unter der von Altair gelieferten Software ,,AltairCapture". Über ,,AnyDesk" kann ich vom Wohnzimmer aus die Notebooks überwachen. Das ist wichtig, weil sich ab und zu die an einem 5 m langen USB3.1-Kabel angeschlossene Kamera ,,aufhängt", die dann neu gestartet werden muss.
In meiner Sternwarte ist außer der Steuerung von Aufnahmesequenzen durch die Kamerasoftware nichts automatisiert, da ich zum einen durch Elektronik- und Software-Fehler auftretende Probleme hasse und ich es andererseits liebe, mich auch mal draußen hinzusetzen und den Stern-

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Astrofotografie

himmel zu bewundern und ggfs. die hellen Starlink-Satelliten zu zählen. Das Teleskop besitzt einen Blechtubus. Entsprechend ist bei Abkühlung im Laufe der Nacht eine Schrumpfung der Tubuslänge und evtl. auch Brennweite festzustellen, was sich in einer Vergrößerung der Sternscheibchen im Einzelbild bemerkbar macht. Also kontrolliere ich alle ca. 30 min die Bildschärfe. In den ersten Nachtstunden muss ich ca. alle 60 min neu fokussieren, in der 2. Nachthälfte nur noch alle 90-120 min. Die Fokussierung erfolgt mit einer Bathinov-Maske an einem hellen Stern, der bei Bedarf mal schnell angefahren wird. Nach Abschluss der Beobachtungen werden die Kalibrationsaufnahmen gemacht. Bei den Darks liege ich dann schon im Bett ...
Die Aufnahmen Mit den ersten Aufnahmen begann ich im August 2023. Die Nächte waren noch relativ kurz und And VII kam wegen eines anderen Projektes erst in der 2. Nachthälfte dran. Auch setzte ich hier zunächst eine astromodifizierte Canon 6Da am C14 ein. Eine Stunde Gesamtbelichtung, Ergebnis qualitativ enttäuschend, aber der Zwerg war schon mal drauf. Die Folgenacht wieder klar. Diesmal 2,3 Stunden belichtet - brauchbar. Aber jetzt rüstete ich von der DSLR auf die gekühlte CMOS-Farbkamera um. Da, eine ,,Schönwetterkatastrophe": vom 4. bis zum 9. September, sechs klare Nächte hintereinander! Anstrengend! Die Belichtungszeiten je Nacht variierten zwischen 4,4 Stunden am 5.9. und 7,0 Stunden am 9.9. Das 40,5-Stunden-Summenbild über die bis hierhin 8 Beobachtungsnächte zeigte eine visuelle Sterngrenzgröße von immerhin 22,8 mag und eine schon ,,körnige" Struktur auf der Oberfläche von And VII. Aber irgendwie war ich noch nicht zufrieden, es fehlte noch etwas mehr ,,Tiefe". Der restliche September war wettermäßig eher mies. Dann drei Wochen Familienur-

laub (wenigstens in Spanien gab es sonniges Wetter). Wieder zuhause, der Oktober mies. November, Dezember - mies. Nicht eine klare Nacht. Ausgerechnet in der Zeit, in der And VII ideal zu beobachten gewesen wäre. Januar und Februar 2024 - der Leser möge einmal raten ...
Aber es gab eine Ausnahme: Drei klare Nächte vom 8. bis 10. Januar, eine davon von der Transparenz her die beste Nacht, die ich jemals am Niederrhein erlebte. So kamen 13,2 Stunden weitere Belichtung hinzu. Allerdings nun beschränkt auf die erste Nachthälfte, weil sich das Objekt bereits aus seinem Beobachtungsfenster verabschiedete.
Die Ausbeute war damit insgesamt so gut, dass ich auf das erste, am wenigsten gute Bildergebnis mit 1 Stunde Belichtung verzichtete. Das Summenbild aus den verbleibenden 10 Nächten war nun insgesamt 52,7 Stunden bei f/7,7 belichtet.

Gestackt wurde mit der Software ,,Astro Pixel Processor". Auch die Entfernung von Gradienten und die Farbkalibrierung wurden damit durchgeführt. Die restliche Bearbeitung erfolgte in Photoshop CC 2024.
Das Bildergebnis Die gelbe Farbe der Zwerggalaxie (Abb. 1) entspricht der Tatsache, dass hier im Prinzip nur die roten Riesensterne abgebildet sind. Die visuelle Sterngrenzgröße außerhalb der Galaxie liegt bei 23,4 mag (festgestellt durch Vergleich mit dem SDSS [8]). Die Galaxie zeigt eine ,,körnige" Struktur, die in allen Einzelnächten bis auf Rauscheffekte ziemlich gleich aussieht (Abb. 2). Es handelt sich hier vermutlich also um reale Strukturen. Es musste ein Vergleich mit einem unabhängig erstellten Bild her. Im Netz fand ich dazu keine einzige geeignete Vergleichsaufnahme von Amateuren. Also mal bei den Profis nachgeschaut. Es gibt natürlich Aufnahmen von PanSTARRS, aber die Aufnahme vom 10-m-KECK-Teleskop auf

2 And VII, Vergleich der Summenbilder zweier einzelner Nächte: Links 08.09.2023,
rechts: 09.09.2023, beide Aufnahmen wurden 7,0 Stunden mit derselben Technik belichtet. Ohne Glättung, Entrauschung oder Schärfung. Bild: W. E. Celnik

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Astrofotografie

3 Strukturen in And VII, Vergleich zwischen C14 und KECK-Teleskop.

Hawaii hatte es mir angetan. Das Bild ist zwar voll von ausgebrannten hellen Sternen und Blooming-Effekten, und die Auflösung sowie die Grenzgröße sind natürlich viel besser als beim C14, auch die Farbskala ist eine andere als im RGB-Bild, aber ein Vergleich ist möglich (Abb. 3). Man erkennt im KECK-Bild rechts sehr viele Einzelsterne, die hier in blau dargestellten Roten Riesen. Aber auch Sterngruppen. In der Mitte eine Version des KECK-Bildes, in der ich durch Glättung mit einem Gauß-Filter die Auflösung so weit herabgesetzt habe, dass diese mit der im C14-Bild ungefähr vergleichbar ist. Schaut man ins Detail, so erkennt man hellere, alleinstehende Einzelsterne wieder und auf jeden Fall die großen Sterngruppen, die unaufgelöst die ,,körnige" Struktur in der Zwerggalaxie ausmachen.

zension von 4,4 arcmin, in Deklination von 3,7 arcmin. Wenn ich den äußersten Rand der Zwerggalaxie versuche zu finden, d. i. wenn sich außerhalb davon nur noch der Hintergrund zeigt, komme ich auf einen

Durchmesser von 5,6 arcmin x 4,6 arcmin. Eine etwas objektivere Möglichkeit, den im Bild erfassten Durchmesser zu bestimmen, besteht darin, eine Hochkontrastkopie zu erstellen und dann die äußerste, gerade

Wie groß erscheint And VII auf dem Summenbild? Den Durchmesser eines nach außen hin immer lichtschwächer werdenden Objektes zu schätzen, ist gar nicht so einfach. MESSEN kann man das ohnehin nur an einem rein linear bearbeiteten oder in absoluten physikalischen Größen kalibrierten Bild.

Eine eher konservative visuelle Schätzung des Durchmessers mit einer Maske in Photoshop ergab einen Durchmesser in Rektas-

4 And VII mit der äußersten geschlossenen Helligkeitskontur des Bildes (Bildausschnitt).
Größe der Ausgleichsellipse: 4,4` x 4,1`. Bild: W. E. Celnik

Journal für Astronomie Nr. 90 | 53

Astrofotografie

noch geschlossene Helligkeitskontur zu ermitteln. Das geht in Photoshop mit der Funktion ,,Filter - Stilisierungsfilter - Konturen nachzeichnen". In der Abbildung 4 ist diese Konturlinie ins Ergebnisbild eingezeichnet. Die nach außen ragenden lichtschwachen Ausstülpungen der Konturlinie sind durch die lichtschwachen Halos der Sterngruppen verursacht, sie gehören nicht zu And VII. Dazu ist nach Augenschein eine Ellipse eingezeichnet, die die durch Sterne bedingten radialen Schwankungen in der Kontur in etwa ausgleicht. Sieht man genau hin, erkennt man, dass auch außerhalb der geschlossenen Kontur die Flächenhelligkeit offensichtlich noch immer über der des Himmelshintergrundes liegt. Nur ist dort die galaxienumspannende Kontur nicht mehr eine geschlossene. Die Ellipse sollte also tatsächlich eine verlässliche Mindestgrößenangabe liefern. Sie hat die Maße 4,4 arcmin x 4,1 arcmin. Die o. g. Schätzung der äußersten Ausläufer der Galaxie per Augenmaß von 5,6 arcmin scheint demnach realistisch zu sein.

Vielleicht animieren meine Beobachtungen ja doch den einen oder anderen Astrofotografen, sich der recht spannenden Zwerggalaxien in unserer Lokalen Gruppe einmal anzunehmen. Wer liebt nicht Herausforderungen?
Literatur- und Internethinweise: [1] W. E. Celnik, 2021: ,,24-mal Mars", VdS-Journal für Astronomie 78, S. 10-14 [2] W. E. Celnik, P. Riepe, M. Hoppe, G. Hilverkus, H.G. Weber, 2022: ,,NGC 2403 -
ein Gemeinschaftsprojekt, Teil 1", VdS-Journal für Astronomie 82, S. 59-65 [3] W. E. Celnik, P. Riepe, M. Hoppe, G. Hilverkus, H.G. Weber, 2022: ,,NGC 2403 -
ein Gemeinschaftsprojekt, Teil 2", VdS-Journal für Astronomie 83, S. 40-45 [4] W. E. Celnik, 2023: ,,Die Galaxie Messier 96 im Leo", VdS-Journal für Astrono-
mie 84, S. 54-59 [5] S. van den Bergh, 2006: ,,The dwarf satellites of M31 and the Galaxy", Astron.
J. 132, pp. 1571-1574, https://iopscience.iop.org/article/10.1086/507332/pdf

Die Galaxie ist deutlich abgeplattet mit einem Achsenverhältnis von 0,82 bis 0,93, also keine Sphäre, sondern eher ein Ellipsoid, wie wir es z. B. ja auch von hellen Kugelsternhaufen kennen.

[6] A. Savino et al., 2022: ,,The Hubble Space Telescope Survey of M31 Satellite Galaxies. I. RR Lyrae-based Distances and Refined 3D Geometric Structure", Astrophys. J. 938, Iss. 2, id. 101, pp. 26, https://iopscience.iop.org/ article/10.3847/1538-4357/ac91cb

Wir erinnern uns an die oben zitierten Daten von McConnachie und Irwin, 2006: Dort entspricht eine Ausdehnung (hier der Radius) von 2,8 arcmin einer Flächenhelligkeit von knapp 24,8 mag/arcsec2. Das kann sich sehen lassen, jedenfalls für ,,nur" fast 53 Stunden Belichtung bei f/7,7.
Leider kamen wetterbedingt nun doch keine Nah-Infrarot-Aufnahmen zustande, die das Ergebnis, was den Kontrast zum Hintergrund und damit auch das Rauschen angeht, verbessert hätten.

[7] A.W. McConnachie and M.J. Irwin, 2006: ,,Structural properties of the M31 dwarf spheroidal galaxies", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 365, pp. 1263-1276, https://ui.adsabs.harvard.edu/abs/2006MNRAS.365.1263M/abstract
[8] Sloan Digital Sky Survey (SDSS): http://skyserver.sdss.org/dr16/en//tools/ chart/navi.aspx
[9] I. D. Karachentsev and V. E. Karachentseva, 1999: ,,New probable companions to M31 found on the POSS-II", Astron. Astrophys. 341, pp. 355-356

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Astronomische Vereinigungen

Vorwort FG Astronomische Vereinigungen
von Astrid Gallus

Der Beitrag zum mobilen Teleskop der Sternwarte Neumünster (S. 58) führt anschaulich vor, wie wichtig und wertvoll eine gute Öffentlichkeitsarbeit ist. Kontakte zur Volkshochschule, Firmen und Charityvereinen lassen sich mit regelmäßiger Präsenz in örtlichen Medien leichter herstellen. Die Bereitschaft, dann ein Projekt zu fördern, ist größer, die Überzeugungsarbeit wird leichter. Natürlich, dazu braucht es die Idee für neue und attraktive Projekte sowie deren Umsetzung, woran es offensichtlich in Neumünster nicht mangelt.
Und ausgerechnet in der Nachbarschaft fällt dann noch ein Meteorit vom Himmel (S. 57). Als sei es eine Belohnung für all die Aktivitäten der fleißigen Sterngucker! In diesem Beitrag freute ich mich insbesondere zu lesen, wie die VdS-Fachgrup-

pe Meteore (AKM e.V.) zusammen mit der VdS-Sternwarte Neumünster die wissenschaftliche Begutachtung und die Überzeugungsarbeit beim Besitzer des Meteoriten leisteten (siehe hierzu auch den Beitrag in Journal 89, Seite 78).
Zudem erfahren Sie, wie engagierte Eifeler Sternfreunde den Hohen List, das ehemalige, wunderschöne Observatorium der Universität Bonn, für die Amateurastronomie beispielhaft retteten (S. 59); ein Bericht über die abschließende Veranstaltung des Wissenschaftsjahres 2023 in Berlin rundet die Berichterstattung dazu aus dem Journal 89 ab (S. 56).
Viel Spaß mit diesen Artikeln!

Hinweis zur SternwartenOnlinekarte der VdS
Auf der Webseite www.sternfreunde.de unter Fachgruppen und dort unter Astronomische Vereinigungen finden Sie den Link zu Karten für Sternfreunde (Projekt 04). Bitte prüfen Sie, ob Ihre Sternwarte dort eingetragen ist. Falls nicht, wenden Sie sich bitte an uns: fg-astronomische-vereinigungen@sternfreunde.de. Die Karte soll möglichst alle Sternwarten und Astro-Vereine abbilden. Später wird ein Klick auf die entsprechende Sternwarte direkt auf die zugehörige Webseite führen. Astrid Gallus

Hinweis zum Referentenpool der VdS
Auf der Webseite www.sternfreunde.de unter Fachgruppen und dort unter Astronomische Vereinigungen finden Sie den Link zum Referentenpool (Projekt 07). Hier haben sich Vortragende mit ihren Themen und einer Kurzvorstellung eingetragen. Klicken Sie sich da hinein, wenn Sie einen Referenten für einen Vortragsabend suchen.
Wollen Sie einen eigenen Vortrag anbieten, können Sie sich auf der interaktiven Seite dort selbst eintragen. Astrid Gallus

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Astronomische Vereinigungen

So war das mit dem Wissenschaftsjahr 2023
von Daniel Fischer

Dem Vernehmen nach 10 Millionen Euro hat das BMBF insgesamt in das Wissenschaftsjahr 2023 gesteckt, das erste mit kosmischem Thema in bald einem Vierteljahrhundert, ,,444 Veranstaltungen aus über 20 Förderprojekten, rund 60.000 Besuchende im mobilen Planetarium, über 100.000 Besuchende auf dem Ausstellungsschiff und viele weitere bundesweite kostenlose Angebote für Kinder, Erwachsene und Familien" feierte zum Schluss eine Pressemitteilung - und am 13. und 14. Dezember bildete das Zeiss-Großplanetarium in Berlin den Rahmen für gleich zwei Abschlussveranstaltungen. Den Anfang machte anderthalb Tage lang das ,,Astro-Camp: Mit Wissenschaftskommunikation Zukunft gestalten", zu dem sich rund 35 Aktive des Wissenschaftsjahres eingefunden hatten, darunter im Auftrag der VdS Peter Gärtner von der WHS Essen und der Autor vom Planetarium Bochum.
Erster Schwerpunkt waren drei parallele Intensiv-Workshops, gefolgt von einem Hackathon zu neuen Kommunikationsideen: Zunächst wurden (zahlreiche!) offene Fragen der Astronomie-Vermittlung an die Wand genagelt und grob thematisch sortiert, dann versammelten sich spontane Gruppen zu den Komplexen, die Köpfe rauchten - und am folgenden Mittag wurden die vagen Konzepte einer Jury vorge-

stellt. Verdienter Sieger wurde die Gruppe um den Sozialwissenschaftler Daniel Hagemann: Sie schlug vor, die vielfältige Bedeutung des Weltraums für die Menschheit in einer Sitcom zu thematisieren, die auf einem ständig bewölkten und daher komplett astronomiefreien Planeten spielt. Hagemann konnte die Idee zwar im Rahmen der folgenden festlichen Abschlussveranstaltung präsentieren, eine weitere Förderung seitens des BMFT gibt es indes nicht.
Der Pitch der Hackathon-Gruppe, der u. a. Gärtner und der Autor angehörten, war übrigens der Vorschlag einer Art ,,Ständigen Astronomie-Kommission" in Deutschland gewesen, mit Stimmen von Fachastronomie bis VdS, die permanent unterschwellig und bei konkreten Ereignissen gezielt auf die deutschen Medien einwirken solle, um die Berichterstattung wie Bebilderung zu verbessern. Das BMBF scheint zwar vom (wie es scheint ungewöhnlich) großen Zuspruch zum kosmischen Wissenschaftsjahr sehr angetan zu sein, konkrete Ankündigungen zukünftiger Pläne blieben aber aus. Von einem großen nationalen AstronomieTag von Fach- und Amateurastronomie träumt das Ministerium weiterhin, aber dazu wurde es in Berlin genau so wenig konkret wie zur angestrebten ,,Verstetigung" der Netzwerke, die 2023 entstanden sind. Die mehrfache (!) Erwähnung der deut-

schen Amateurastronomen in Berlin war jedenfalls erfreulich: Wir werden als Player ernstgenommen.
So bleibt einstweilen die gute Bilanz der im Wissenschaftsjahr 2023 geförderten Projekte: Überraschend: die meisten Besucher zog ,,Mars findet Stadt" an mit über 130.000 Kontakten in den 9 Städten, wo der 7 Meter große leuchtende Marsglobus gastierte, vor dem Ausstellungsschiff ,,MS Wissenschaft" mit 103.000 und dem Wander-Planetarium ,,Universe on Tour" mit knapp 60.000 Besuchern in 15 Städten. Die Gesamtbesucherzahl aller Veranstaltungen unter dem Label Wissenschaftsjahr scheint hingegen nicht systematisch erfasst worden zu sein, und auch ein detaillierter Abschlussbericht, geschweige denn eine Evaluierung der verschiedenen Projekte, ist seitens des BMBF nicht vorgesehen. Was angesichts der investierten Millionen verwundern mag, aber bei Projekten dieser Größenordnung üblich zu sein scheint.
Internethinweis (Stand 29.02.2024): [1] Weitere Bilder und viele Links zum
Wissenschaftsjahr 2023: https://skyweek.wordpress. com/2023/12/30/so-war-daswissenschaftsjahr-unser-universum

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1 VdS-Vertreter Peter Gärtner in Berlin

Astronomische Vereinigungen

vhs-Sternwarte Neumünster und BBZ am NOK Rendsburg erstellen Replik des Elmshorner Meteoriten
von Marco A. Ludwig

Am 25. April 2023 leuchtete eine Feuerkugel am Himmel über Norddeutschland auf. Kurze Zeit später entdeckten Anwohner der Stadt Elmshorn mehrere Gesteinsbrocken auf ihren Grundstücken.

Tatsächlich handelt es sich dabei um den wohl größten Meteoritenfall in der Geschichte Schleswig-Holsteins. Das Interesse an dem Besucher aus dem All reicht jedoch weit über die Landesgrenzen hinaus, und die wissenschaftliche Auswertung der Funde wird längst auf internationaler Ebene betrieben.

Schlagzeilen macht derzeit vor allem die so genannte Hauptmasse. Dieser Gesteinsbrocken bringt rund 3,7 Kilogramm auf die Waage und wurde erst kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Eigentümer, Mahmut Sahin, in dessen Garten der Meteorit landete, soll von Sammlern bereits Gebote von rund 200.000 Euro für seinen Meteoriten erhalten haben. Der Wert wird inzwischen sogar auf rund 400.000 Euro geschätzt. Aus Sicherheitsgründen befindet sich der Sensationsfund nun in einem Bankschließfach.

1 Die Studienräte Hendrik Pauliks und Marco A. Ludwig mit der Replik der Hauptmasse
des Elmshorner Meteoriten.

Interesse an den Meteoriten von Elmshorn haben aber nicht nur Privatsammler. Neben Museen würden sich auch die Sternwarten im Lande, nicht zuletzt die vhs-Sternwarte Neumünster, darüber freuen, ein Fragment des Elmshorner Meteoriten ausstellen zu dürfen. ,,Bisher ist noch kein SchleswigHolsteiner Meteorit in Schleswig-Holstein ausgestellt worden", so Neumünsters Sternwartenleiter Marco Ludwig. ,,Angesichts der aktuell aufgerufenen Gebote für den Elmshorner Meteoriten müssen wir jedoch davon ausgehen, dass ein Verbleib in einer lokalen Bildungseinrichtung kaum möglich sein wird."

2 Original und Fälschung: Der Meteoritenexperte Dieter Heinlein hatte in Augsburg die
Gelegenheit, die Hauptmasse aus Elmshorn und die in Rendsburg produzierte Replik miteinander zu vergleichen.

Um den Besuchern der vhs-Sternwarte Neumünster den Elmshorner Meteoriten näherzubringen, gibt es nun aber eine Alternative. Am Berufsbildungszentrum

am Nord-Ostsee-Kanal in Rendsburg produziert Ludwig gerade im 3D-Druckverfahren eine originalgetreue Nachbildung. ,,Wir nutzen dafür Daten eines 3D-Scans

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Astronomische Vereinigungen

3 Am Berufsbildungszentrum am Nord-
Ostsee-Kanal in Rendsburg wird die Replik des Elmshorner Meteoriten mithilfe eines Resin-3D-Druckers hergestellt.
der Hauptmasse. Mahmut Sahin hatte Dieter Heinlein vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt kürzlich gestattet, diesen Scan für die weitere wissenschaftliche Auswertung durchzuführen. Zuvor hatten Carsten Jonas vom Arbeitskreis Meteore e.V. und Marco Ludwig Herrn Sahin

besucht, um die erste wissenschaftliche Begutachtung des Sensationsfundes durchzuführen.
Im FabLab des BBZ am NOK stehen Berufsschullehrer Ludwig nun mehrere moderne 3D-Drucker zur Verfügung, um den Meteoriten ,,nachzudrucken". Zum Einsatz kommt hier ein neuartiger Resin-Drucker. Dabei belichtet eine UV-Lichtquelle das lichtempfindliche Kunstharz Resin in zahllosen Einzelschichten, welche nach der Belichtung aushärten. Auf diese Weise wird Schicht für Schicht ein komplexes und detailgetreues Modell erzeugt.
Nach einem ersten Testdruck ist es bereits gelungen, zwei ausstellungsfähige Modelle

herzustellen. Diese wurden von Hendrik Pauliks mit einer originalgetreuen Bemalung versehen. Nun befindet sich ein Modell beim DLR, während die zweite Replik in eine Ausstellungsvitrine der vhs-Sternwarte Neumünster wanderte, wo das Modell künftig von Besuchern betrachtet werden kann.
Eine Serienproduktion wird es jedoch nicht geben. Zum einen liegen die Produktionskosten bei einem hohen dreistelligen Betrag. Zum anderen hat der Besitzer der Hauptmasse nur einer begrenzten Anzahl von ,,Fälschungen" zugestimmt.

E.L.T.o.N. ist da!
von Marco A. Ludwig
Das neue, mobile Riesenteleskop der vhsSternwarte Neumünster hat einen Durchmesser von 24 Zoll und eine Brennweite von 2.400 mm. Zahlreiche Spenden aus der Neumünsteraner Bevölkerung, von lokalen Unternehmen sowie den Lions, Inner Wheel und Rotary hatten diese wunderbare Neuanschaffung ermöglicht. E.L.T.o.N. steht für ,,Extremely Large Telescope of Neumünster".

Die Bezeichnung E.L.T.o.N. ist das Ergebnis einer Wahl der Sternkieker. Über mehrere Wochen wurden Vorschläge gesammelt und am Ende abgestimmt. Die Idee zu diesem Namen geht auf den Sternkieker Joachim Schulze-Wenck zurück, da der E.L.T.o.N.Hauptspiegel von der Firma Schott hergestellt wurde. Schott hat ebenfalls die Spiegel des derzeit im Bau befindlichen ELT (Extremely Large Telescope) in Chile hergestellt. Die Europäische Südsternwarte (ESO) wird dort mit dem ELT das größte Teleskop der Menschheit in Betrieb nehmen.

1 Anlässlich des bundesweiten Astronomietages feierten die Sternkieker der
vhs-Sternwarte Neumünster auch die offizielle Indienststellung von E.L.T.o.N. Bild: Jürgen Kahlhöfer

Gebaut wurde das Dobson-Teleskop von Astro Optik Martini in Rheinland-Pfalz. Der Förderverein Sternwarte Neumünster e.V. hatte das Gerät im April 2022 in Auf-

trag gegeben. Im März 2023 wurde es fertiggestellt und nach Neumünster geholt. In den Sommermonaten folgten der Anstrich sowie der Anbau weiterer optischer Hilfssysteme.

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Astronomische Vereinigungen

E.L.T.o.N. soll künftig u. A. bei öffentlichen Veranstaltungen der vhs-Sternwarte Neumünster zum Einsatz kommen. Unter der Kuppel der vhs-Sternwarte wird es jedoch nicht stehen. Da es sich um ein NewtonSpiegelteleskop in Dobson-Bauweise handelt, wird es als mobiles Fernrohr vor der Sternwarte oder auch an anderen Orten stehen. Sternkieker, die an der vhs-Sternwarte einen geeigneten Fernrohrführerschein bestanden haben, dürfen E.L.T.o.N. sogar ausleihen. Somit soll das Riesenteleskop auch bei verschiedenen Teleskoptreffen im Norden eingesetzt werden.
Vielen Dank an alle Unterstützer!
3 E.L.T.o.N. steht für ,,Extremely
Large Telescope of Neumünster".

2 Natürlich wurde auch feierlich das rote
Band durchschnitten. Hilfe gab es dabei durch (v.l.n.r.) den Landtagsabgeordneten Hauke Hansen, DRK-Geschäftsführer Bircan Gültekin, Sternwartenleiter Marco A. Ludwig, Volkshochschulleiterin Stephanie Steiner und dem Leiter der SHUG-Sektion Neumünster Gerd Kühl. Bild: Jürgen Kahlhöfer

Neues Leben am Observatorium Hoher List
von Robert Oster
Zwanzig Schülerinnen und Schüler der 13. Jahrgangsstufe nahmen an den Projekttagen zur Atom- und Astrophysik und zur Spektroskopie am Observatorium Hoher List teil. Unter Leitung von Norbert Fisseni, Physiklehrer am Johannes-Gymnasium Lahnstein [2], beinhalteten die beiden Projekttage sowohl Workshops als auch Vorträge und praktische Himmelsbeobachtungen.

Am ersten Projekttag wurden vier Workshops mit jeweils einem Referat durchgeführt. Die Workshops befassten sich mit der spektralen Zerlegung des Lichts mittels Prisma und Gitter, dem Blaze- und Laminar-Gitter (Bestimmung der Gitterkonstante mittels Drehtisch), dem Spektrum des Wasserstoffs und dem Aufbau und der Funktionsweise des DADOS-Spektrografen. In den Referaten der Schülerinnen und Schüler wurden die Themen Atommodelle, Erklärung der Balmer-Linien,

1 Luftbild des Geländes um das Observatorium Hoher List

Sternentwicklung, Spektralklassen und Hertzsprung-Russell-Diagramm sowie die Bearbeitung von Spektren mit BASS (Basic Astronomical Spectroscopy Software) behandelt. In einer praktischen Phase wurden

die Spektren von Planeten, Nebeln, Tageslicht und der Verbrennung von Magnesium und Natrium aufgenommen. In den Abendstunden erfolgte eine Einweisung in die Funktionsweise von Teleskopen, darun-

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Astronomische Vereinigungen

2 Sternfreunde beobachten den
Mond mit dem 1-m-Spiegelteleskop

ter auch das 1-m-Spiegelteleskop, das von den Mitgliedern der AVV [1] für eigene Beobachtungen und für öffentliche Führungen und Beobachtungen genutzt wird. Das Highlight war die Praxis in der Nacht. Hier wurden mit verschiedenen Teleskopen Beobachtungen und Astroaufnahmen sowie die Anfertigung von Spektren durchgeführt. Das Wetter war nicht optimal, aber gegen Mitternacht für astronomische Beobachtungen geeignet. Am zweiten Tag standen die Auswertung der Spektren und der Astrofotos sowie die Helligkeits- und Temperaturbestimmungen auf dem Plan. Zum Abschluss gab es eine Feedbackrunde, bevor es ans Packen und Aufräumen ging. Die Projekttage wurden von Dr. Martin Miller, Vorstandsmitglied der Astronomischen Vereinigung Vulkaneifel am Hohen List e.V., und vom Eigentümer des Observatoriums Hoher List, Dr. Bruno Nelles begleitet. Dr. Miller unterstützte die Schülerinnen und Schüler speziell in der praktischen Phase mit Beobachtungen und Astroaufnahmen am 1-m-Spiegelteleskop. Dr.

Nelles leitete im Labor seines Unternehmens DIOS GmbH einen Workshop, der sich mit der Vermessung sehr kleiner Strukturen von ca. 1/1000 mm befasste.
Bewegte Vergangenheit und neue Perspektiven Das Observatorium Hoher List, ehemalige Sternwarte der Universität Bonn, wurde in den 1950er-Jahren errichtet. In der ersten Bauphase entstanden neben vier Beobachtungskuppeln ein Wohnhaus, ein Hauptgebäude mit Büros, Werkstatt, Labor und Dunkelkammern und ein Wohn- und Gästebungalow. In einer zweiten Bauphase in den 1960erJahren wurden zwei weitere Beobachtungskuppeln, eine feinmechanische Werkstatt und ein Elektroniklabor gebaut. Das Argelander-Institut für Astronomie in Bonn schloss das Observatorium Hoher List im Jahr 2012. Im Jahre 2013 wurde das Observatorium mitsamt dem Inventar durch die Landesdenkmalpflege Rheinland-Pfalz unter Denkmalschutz gestellt. Seitdem engagiert sich die Astronomische Vereinigung Vulkaneifel am Hohen List e.V. (AVV) durch regelmäßige öffentliche Führungen, Vorträge, Beobachtungsveranstaltungen und Astronomiekurse dafür, dass das Observatorium für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Die AVV betreibt hierzu eine von sechs Beobachtungskuppeln nebst Gebäude. Diese Kuppel beherbergt auch das 1-m-Spiegelteleskop.
Das Observatorium wurde Anfang 2020 vom Land Nordrhein-Westfalen an Dr.

Bruno Nelles, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Observatorium, verkauft. Der Mietvertrag, den die AVV mit der Universität Bonn abgeschlossen hatte, wurde vom neuen Eigentümer übernommen. Dadurch konnten die Aktivitäten der AVV unter Vorsitz von Prof. Dr. Uli Klein uneingeschränkt fortgeführt und ausgebaut werden. Insbesondere unterstützt die AVV die Bildungsarbeit von Kindern und Jugendlichen auf dem Gebiet der Astronomie und Physik. Hierbei stehen Kurse und sonstige Veranstaltungen für Kitas, Schulen und andere Weiterbildungsträger im Vordergrund. So kooperiert der Verein auch mit der Junior Uni Daun und entwickelt und führt Kurse für die dort angesprochenen Altersgruppen durch. Beim jährlich stattfindenden Girls' Day bietet die AVV durch spannende Vorträge, faszinierende Experimente und Vorführungen sowie Beobachtungen einen Einblick in den Beruf der Astronomen und Astrophysiker.
Die Einrichtungen am Hohen List sollen auch künftig für schulische und amateurastronomische Projekte zur Verfügung stehen. So hat die Astronomie AG des Johannes-Gymnasiums in Lahnstein in der Beobachtungskuppel 1 ein neues Teleskop installiert und nutzt es für schulische Aktivitäten. Aus der Astronomie AG des Johannes-Gymnasiums sind seit 2018 mehrere Sieger aus Jugend-forscht-Projekten hervorgegangen. Zuletzt war es Maximilian Alt, der 2023 in Physik mit dem Thema ,,Ermittlung der Hubble-Konstante durch 1A-Supernovae" Landessieger wurde und beim Bundeswettbewerb den zweiten Platz belegte.
Ein anderes Projekt am Hohen List betrifft die Sanierung von Turm 4, der kleinen Beobachtungskuppel oberhalb des Hauptgebäudes. Sie wird von Dr. Uwe Schmidt, Mitglied der AVV, instandgesetzt und in

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Astronomische Vereinigungen

3 Schülerinnen und Schüler
des LK Physik des JohannesGymnasiums Lahnstein am Observatorium Hoher List

naher Zukunft mit einem 12-Zoll-Teleskop bestückt. Dort soll vorwiegend astrofotografisch gearbeitet werden. Drei andere Beobachtungskuppeln beherbergen ein 60-cm-Ritchey-Chretien-Teleskop mit 3-Kanal-Fotometer, einen 30-cm-Astrografen sowie den historischen Bonner Doppelrefraktor von 1899. Neben den Instandsetzungsarbeiten an den Gebäuden werden diese Teleskope vom Eigentümer des Hohen List nach und nach repariert und wieder in Betrieb genommen, so dass damit wieder Beobachtungen durchgeführt werden können.
Der Hohe List ist aber auch für unternehmerische Aktivitäten attraktiv. Im Hauptgebäude hat die Diffractive Op-

tics Solutions GmbH (DIOS GmbH) ein Labor eingerichtet und stellt dort Beugungsgitter für Spektrometer für Röntgenstrahlung und andere Anwendungen her. Die ehemalige feinmechanische Werkstatt des Observatoriums wird von einem Unternehmen genutzt, das auf dem Gebiet der Feinwerktechnik tätig ist.
All diese Aktivitäten zeigen, dass das Observatorium Hoher List nach zehnjährigem Dornröschenschlaf wieder zu neuem Leben erweckt wurde. Zahlreiche Aktivitäten, wie z. B. die Projekttage des Johannes-Gymnasiums in Lahnstein, aber auch die umfangreichen Veranstaltungen der Astronomischen Vereinigung Vulkaneifel am Hohen List e.V. eröffnen die Möglichkeit, das Observatorium Hoher List zu einem Zentrum für Fortbildung in den naturwissenschaftlichen Fächern und der Amateurastronomie in der Vulkaneifel zu machen.

4 Beobachtungskuppel mit dem 16-Zoll-Ritchey-Chretien-Teleskop
der Astronomie-AG des Johannes-Gymnasiums Lahnstein

Internethinweise (Stand 29.02.2024): [1] Astronomische Vereinigung Vulkaneifel
am Hohen List e.V., Homepage: www.hoher-list.de [2] Astronomie-AG des Johannes-Gymnasiums: www.johannes-gymnasium.de/ unterricht-und-erziehung/ arbeitsgemeinschaften/mint/ astronomie/

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Astrophysik & Algorithmen

Das Satelliten-Paradoxon
von Klaus Rohe

Das Satellitenparadoxon ist ein Phänomen, das bei Satelliten auftritt, die einen Himmelskörper umkreisen. Es soll hier kurz beschrieben werden, weil es m. E. wenig bekannt ist und weil es ein Beispiel dafür ist, dass auch mit Hilfe der Newtonschen Mechanik Sachverhalte hergeleitet werden können, die unserer Alltagserfahrung widersprechen und deshalb als paradox angesehen werden.

Würde man die Erde oder einen anderen Planeten durch einen hypothetischen Mechanismus beschleunigen, so würde sich der Bahnradius um die Sonne vergrößern, was nach dem dritten Keplerschen Gesetz zu einer Verlängerung der Umlaufzeit und damit zu einer Verringerung der mittleren Bahngeschwindigkeit führen würde.

Das Satelliten-Paradoxon besagt vereinfacht ausgedrückt, dass ein Satellit, der sich im Orbit um einen Himmelskörper befindet, seine Geschwindigkeit vergrößert, wenn er abgebremst wird und seine Geschwindigkeit verringert, wenn er beschleunigt wird (siehe [2]). Der Grund für die ,,Abbremsung" kann Reibung durch Restatmosphäre bei niedrigen Umlaufbahnen sein (Beispiel ISS) oder das Zünden eines Raketentriebwerks.

Literatur- und Internethinweise (Stand 19.01.2024): [1] L. Blitzer, 1971: ,,Satellite Orbit Paradox: A General View",
Am. J. Phys. 39, pp. 882-886 [2] Bremsen, um Gas zu geben: www.helmholtz.de/
newsroom/artikel/bremsen-um-gas-zu-geben/

Mathematisch ist dies für Kreisbahnen relativ einfach zu zeigen. In [3] wird das sehr ausführlich und verständlich dargestellt. Eine detaillierte Beschreibung des Paradoxons wird in [1] gegeben und auf verschiedene Phänomene angewandt, bei denen dieses Paradoxon das gemeinsame Bindeglied darstellt: die Zunahme der Geschwindigkeit eines Satelliten durch atmosphärische Reibung und die säkulare Zunahme der Länge des Monats.

[3] Work, Energy and the "Satellite Drag Paradox": https:// physicsfromplanetearth.wordpress.com/2017/02/13/ work-energy-and-the-satellite-drag-paradox/commentpage-1/

Sternabbildung eines Newton-Teleskops
von Uwe Pilz

Die Beugung setzt der Auflösungskraft von Teleskopen eine Grenze. Licht wird nicht nur an einem Spalt gebeugt, wie im vorigen Heft [1] vorgerechnet. Auch an der äußeren Begrenzung des Spiegels oder der Linse wirkt dieser Effekt. Wenn ein Fangspiegel benutzt wird, dann verstärken sich Beugungserscheinungen. Ein Stern ist eine nahezu ideale Punktlichtquelle. Dessen Abbild durch ein Teleskop ist aber kein Punkt, sondern eine kleine Scheibe (Abb. 1). Das gilt unabhängig von der optischen Genauigkeit, mit welcher die Optik hergestellt wurde.
Das Aussehen eines solchen Sternabbildes kann man durch Überlagerung von Wellenzügen berechnen, welche von verschie-

1 Beugungsscheibe
an der Teleskopöffnung, berechnet mit dem beiliegenden Python-Programm.

62 | Journal für Astronomie Nr. 90

Astrophysik & Algorithmen

denen Stellen der Optik ausgehen. Für diesen Aufsatz hier wurde ein Parabolspiegel benutzt, weil sich die geometrischen Verhältnisse damit einfacher erläutern lassen. Die Aussagen gelten aber in derselben Weise für Linsenfernrohre.

Die Abbildung 2 zeigt die Situation an einem Spiegel. Die Elementarwellen (vgl. [1]), welche von verschiedenen Teilen des Spiegels ausgehen, legen einen unterschiedlich langen Weg zu einem Bildpunkt zurück, und dieser Weg ist zur Laufzeit proportional. Für eine zentrale Welle ist das die Summe der sog. Pfeiltiefe G und des Abstandes Q vom Spiegelzentrum zum Bildpunkt (X, Z). Diese Strecke G+Q wird als Referenz benutzt.

Ein Wellenzug, der von einer beliebigen Stelle des Spiegels ausgeht, legt bis zum Bildpunkt eine Strecke zurück, welche sich nahezu ebenso berechnen lässt wie die des zentralen Wellenzugs. Allerdings wird statt der Pfeiltiefe G nur der kleinere Weg g durchlaufen, der Unterschied ist gerade die y-Koordinate des Spiegels an der betrachteten Stelle. Die Distanz q zwischen Spiegeloberfläche und Bildpunkt berechnet sich aus der Distanz der beiden Punkte (x, y, z) des Spiegels und (X, Y, Z) der Bildebene. Bei letzterer ist die Y-Koordinate konstant und ergibt sich aus der Brennweite.
Zur Überlagerung der Wellenzüge an einem Bildpunkt dient die Differenz s zwischen dieser zentralen Welle und der gerade betrachteten Welle. Hieraus wird die Phasenlage und daraus die Amplitude im Vergleich zur Welle vom Spiegelzentrum berechnet. Man muss beachten, dass der Lichtstrom auch eine zeitliche Komponente hat. Es ist nicht möglich, die Situation nur für eine Phasenlage zu sehen, sondern ein Bild ergibt sich aus der Überlagerung vieler Phasen, welche sich im Bild mitteln. Für die

2 Länge der Wellenzüge eines Parabolspiegels

Rechnung genügt es, zwei um 90 Grad (/2) versetzte Wellenzüge zu berücksichtigen.
Das Abbild eines Sterns ergibt sich, wenn man für jeden Bildpunkt genügend viele auf dem Spiegel verteilte Elementarwellen phasenrichtig summiert. Man könnte in diesem Programm die Radialsymmetrie des Bildes ausnutzen und eindimensional

rechnen. Ich habe dies nicht getan, weil im nächsten Heft die Wirkung optischer Fehler berechnet werden soll, und diese sind nicht alle radialsymmetrisch. Ich habe dennoch versucht, den Rechenaufwand gering zu halten und erprobt, wie viele Bildpunkte und Quellpunkte man benötigt. In diesem Programm sind dies die Konstanten w, S und p (s. Programm-Code).

Journal für Astronomie Nr. 90 | 63

Astrophysik & Algorithmen

Mit dem abgedruckten Programm kann man die Wirkung einer zentralen Obstruktion erproben. Dies lässt sich rechnerisch ganz einfach berücksichtigen: Man blendet die inneren Strahlen aus. Im Programm kann man hierzu den Wert O (wie Obstruktion) setzen.
Im abgedruckten Programm fehlen Grafikfunktionen. Diese sind auf der Internetseite der Fachgruppe verfügbar. Auch das komplette Programm ist dort abgelegt [2].

def sq(x): # Quadrat return x*x

# Vorgabewerte l=0.55e-6 # lambda 555nm f=0.650 # Brennweite A=0.105 # Apertur O=0.0 # Obstruktion, z.B. 0.2

# Bestimmung der Rahmenbedingungen für die Rechnung - Vorläufig Festlegung w = 4.5 * 2.44 * l * f / A; # die erforderliche Bildgröße S=25 # Anzahl der Quellpunkte in jede Koordinatenrichtung p=50 # Anzahl der Bildpunkte in jede Koordinatenrichtung

eine

reine

# das Ergebnisfeld für die Punkte: zwei Phasenlagen und das Ergebnis in einem 3D-Feld I = [[[0 for i in range(p)] for j in range(p)] for k in range(3)]

Literatur- und Internethinweise (Stand 29.02.2024): [1] U. Pilz, 2024: ,,Wellenoptik:
Das Konzept zum Verständnis von Beugungserscheinungen", VdS-Journal für Astronomie 89, S. 55-57 [2] U. Pilz, 2024: ,,Einführung in die Wellenoptik", VdS-Journal für Astronomie 89-91, https:// fg-astrophysik.vdsastro.de/ prg89-91.html

G = A * A / 4 / f; # Pfeiltiefe print(p,":") for i in range(p): # jeder Bildpunkt X
print(i, end=" ", flush=True) X = -w / 2 + i * w / (p-1) for j in range (p): # jeder Bildpunkt Z
Z = -w / 2 + j * w / (p-1) for m in range(S): # Quellkoordinate x
x = -A / 2.0 + m * A / S for n in range(S): # Quellkoordinate z
z = -A / 2.0 + n * A / S r = sqrt(x * x + z * z) phi = atan2(z, x) if (r <= A / 2): # nur der Kreis
if (r >= O * A / 2): # zentrale Obstruktion berücks. y = sq(r) / 4 / f g = G - y Y = f - y Q = sqrt(sq(X) + sq(f) + sq(Z)) q = sqrt(sq(x - X) + sq(Y) + sq(z - Z)) s = (G + Q) - (g + q) for o in range(2): # beide Phasenwinkel phasenwinkel = o * pi / 2 a = cos(2 * pi * s / l + phasenwinkel) / sq(q) I[o][i][j] = I[o][i][j] + a

# beide Phasen summieren nach I[2] M = 0 for i in range(p):
for j in range(p): for o in range(2): I[o][i][j] = sq(I[o][i][j]) a = I[o][i][j] I[2][i][j] += a if (I[2][i][j] > M): M = I[2][i][j]

# Normalisierung und Ausgabe tracer(0,0) bgcolor("black") for i in range(p):
for j in range(p): a = I[2][i][j] / M Plot(i-p/2, j-p/2, 2, a**0.7) # Potenz verbessert den Kontrast

hideturtle();update();done()

64 | Journal für Astronomie Nr. 90

Deep Sky

Skyguide 2024 - 2 (Sommer)
von Robert Zebahl und Rene Merting

Das mäßig auffallende, ausgedehnte Sternbild Schlangenträger liegt zwischen Herkules im Norden und Skorpion im Süden. Bekannt dürfte der Schlangenträger durch seine Kugelsternhaufen sein. Neben dem südöstlich angrenzenden Schützen enthält es mit 7 Kugelsternhaufen die meisten dieser Art aus dem Messier-Katalog, welcher insgesamt 29 Kugelsternhaufen umfasst. Sie lassen sich alle gut mit dem Fernglas beobachten. Im Schlangenträger sind besonders Messier 10 und Messier 12 lohnend, welche mit einem Winkelabstand von knapp 3,5 Grad noch gut in das Gesichtsfeld eines schwach vergrößernden Fernglases passen. Der weiter östlich gelegene Messier 14 ist

im direkten Vergleich spürbar schwächer und weniger kondensiert.
Ein etwas schwächerer Kugelsternhaufen ist Messier 9 im südöstlichen Bereich des Sternbildes. Zur Sichtung genügt unter dunklem Himmel bereits ein kleines Fernglas. Um erste Einzelsterne zu sehen, braucht es mindestens ein Teleskop mit etwa 200 mm Öffnung, wobei das Zentrum sehr kompakt erscheint. Auf Fotografien und Zeichnungen ist manchmal ein ,,Dunkelband" am nordwestlichen Rand zu sehen. Hier wird der Kugelsternhaufen durch interstellare Materie abgeschwächt. So entsteht teils der Eindruck, dass der Ku-

gelsternhaufen nicht gänzlich rund wirkt. Unter welchen Bedingungen ist dieses Dunkelband erkennbar oder zumindest zu erahnen?
Bewegen wir uns nun Richtung Osten in das Sternbild Schütze, wo sich der Kugelsternhaufen NGC 6440 sowie der Planetarische Nebel NGC 6445 befinden. Der Winkelabstand beider Objekte zueinander beträgt weniger als 30 Bogenminuten, so dass sich beide Objekte zusammen beobachten lassen. NGC 6440 erscheint in kleineren Teleskopen als eher schwacher, kompakter Nebel. Ab welcher Teleskopöffnung gelingt die Sichtung von Einzelster-

Aufsuchkarte

erstellt mit Cartes du Ciel

Journal für Astronomie Nr. 90 | 65

Deep Sky

nen? Der Planetarische Nebel NGC 6445 dagegen verspricht bereits in mittelgroßen Teleskopen einige Details. Aufgrund seiner rechteckigen Form ist er auch unter dem Namen ,,Box Nebula" zu finden. Er ähnelt dem kleinen Hantelnebel (Messier 76). Im kleinen Teleskop ist er lediglich als Nebelfleckchen zu sehen. Die Sichtbarkeit kann durch Nebelfilter erleichtert werden. Der Nebel zeichnet sich durch einen helleren Rand aus, dessen Inneres erscheint dagegen dunkler. Auf Fotografien sind noch schwache, unregelmäßige Nebelfilamente zu sehen. Sind diese auch visuell erfassbar?

Als letztes Objekt möchten wir den Planetarischen Nebel Minkowski 2-9 (Schmetterlingsnebel, Twin Jet Nebula) vorstellen. Es handelt sich wie der Eiernebel (PK 806.1) um einen bipolaren Nebel mit außerordentlicher Struktur. Diese verleiht ihm ein längliches Aussehen. Obwohl er bereits mit mittelgroßen Teleskopen ohne Weiteres beobachtet werden kann, wurde er erst im Jahr 1947 vom deutsch-amerikanischen Astronomen Rudolph Minkowski entdeckt. Die geringe Winkelausdehnung verlangt hohe Vergrößerungen. In einem Teleskop mit 320 mm Öffnung sieht der Nebel bei 72-facher Vergrößerung wie ein unscharfer, länglicher Stern aus. Ab etwa 200-facher Vergrößerung wird die bipolare Struktur deutlich. Nebelfilter helfen bei der Identifizierung. Die Helligkeit des Zentralsterns wird mit mv = 15,7 angegeben.

1 NGC 6440 und NGC 6445, Bild: DSS, gemeinfrei

Wer es lieber heller und größer mag, schwenkt wieder zurück in den Schützen, wo sich Objekte wie Messier 8 (Lagunennebel), Messier 17 (Schwanennebel) und einige offene Sternhaufen befinden. Ein Fernglas bietet sicher einen schönen Überblick dieser lohnenden Region.

2 Minkowski 2-9, Bild: PanSTARRS, gemeinfrei

66 | Journal für Astronomie Nr. 90

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Geschichte

Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie
von Wolfgang Steinicke

In diesem Heft lesen Sie den ersten Teil einer Betrachtung der ,,Mond- und Venus-Zeit" mit dem Titel ,,Eine gefundene Messerklinge ist Schautafel antiker Himmelskunde". Der Autor ist Franz Zitzelsberger. Die nächste Geschichtstagung wird voraussichtlich vom 1. - 3. November 2024 in Gotha stattfinden. Die Stadt in Thüringen hat astronomiehistorisch einiges zu bieten. Wer einen Vortrag halten möchte, sollte sich möglichst bald bei mir melden. Es gibt einige Neuerungen. Ich werde nach 20 Jahren als Leiter der

Fachgruppe in absehbarer Zeit zurücktreten. Für die technische Organisation der Tagung konnte ich bereits Torsten Eisenschmidt gewinnen. Ein fachlicher Leiter muss noch gefunden werden. Information zur Tagung finden Sie auf der Webseite der Fachgruppe ,,Geschichte der Astronomie" http://geschichte.fg-vds.de.
Versorgen Sie mich auch weiterhin mit interessanten Artikeln.

Mond- und Venus-Zeit
Ein astronomischer Beziehungskalender aus dem Altmühltal der Bronzezeit? Teil 1: Eine gefundene Messerklinge ist Schautafel antiker Himmelskunde
von Franz Zitzelsberger

Aus unterschiedlichsten Quellen wissen wir, dass die Astronomen unserer antiken Vorfahren nicht umsonst Sternkundige genannt wurden. Es ist eine faszinierende Herausforderung, mit dem eigenen Wissen zu versuchen, in ihren hinterlassenen Abbildungen der Himmelskunde zu lesen. Um im Bild der Sterne zu bleiben, 3.000 Jahre früher oder später sind nicht mal ein Wimpernschlag der Zeit. Wenn es doch um die gleichen Sterne geht, so möchte man meinen, sollte man wohl unter Astronomen verstehen, was gemeint ist. Wie unterschiedlich kann man den Lauf der Sterne verstehen?
Die Halbkreise und Linien auf der gut erhaltenen Klinge aus der Bronzezeit ließen Richard Zwyrtek sehr schnell einen Zusammenhang mit astronomischen Zyklen vermuten. In einem Hangaufstieg im Schambachtal bei Kipfenberg hatte sein Suchgerät angeschlagen. Der Fund wurde der späteren Bronzezeit, etwa 1000 bis 800 v. Chr. zu-

geordnet. In der Folge wurde ich gebeten, eine astronomische Einordnung der zyklischen Halbkreise und Linien zu versuchen. Dieser Aufsatz soll die Herangehensweise und Erfolge der Bemühungen erkennen lassen, sich auf das Himmelsverständnis der Sternkundigen vor 3000 Jahren einzulassen. Zugunsten einer überschaubaren Darstellung im Rahmen eines Journals spiegelt er in weiten Elementen eine gedrängte Zusammenfassung umfangreicher Überlegungen und Recherchen. Diese erhebt nicht den Anspruch, eine wissenschaftliche Aufarbeitung erfüllen zu wollen. Lücken sind dabei unvermeidlich, aber sie lässt ein tiefgehendes Verständnis der Altvorderen zur näheren Himmelsmechanik erkennen. Das Messerchen erschließt eine einnehmende Himmelsphilosophie der späten Bronzezeit. Die Kreise und Linien als Erscheinungen von Gestirnen und ihren Bewegungen zu akzeptieren, setzt mehrere begriffliche Einordnungen als gesetzt voraus. Wieder-

holungen der Sichtbarkeiten von Gestirnen wurden offensichtlich als geschlossene Zeit-Zyklen gedacht. Im Weiteren wurden diese zur Darstellung eines längeren Zeitraums nebeneinander dargestellt. Ein Zeitablauf wurde folglich als Kreis, oder Folge von Kreisen dargestellt. Gleiche Halbbögen können mehrere unterschiedliche Zeiträume wie Tage, Wochen oder Monate darstellen. Selbstverständlich ist die Erde das Zentrum, die Sonne ist ein Gestirn, das sich um die Erde dreht.
Zweifellos lenkte schon der erste forschende Blick auf die Bögen die Gedanken auf Mond und Sterne. Halbbögen sprechen für Auf- und Untergang. Eine der Herausforderungen war, wie sollte man den Lauf der Gestirne denken, um ein Abbild auf dem Messerchen erkennen zu können? In mehreren Schritten entstand eine plausible Ordnung von Mond, Merkur und Venus sowie ihren Beziehungen. Insbesondere die kleineren Halbbögen entlang der horizon-

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Geschichte

talen Linien konnten doch mit dem Mond in Verbindung stehen. Sie forderten eine Mondinterpretation heraus.

Drei ins Auge fallende sichelförmige Halbbögen lassen annehmen, dass mit den rechts folgenden Linien und Markierungen eine Abfolge gemeint sein soll, in welcher der Mondzyklus eine wesentliche Bezugsgröße darstellt (s. Abb. 1). Die Linien der Halbbögen werden rechts durch ein auffälliges Sternmuster (Plejaden!?) begrenzt. Schon im Alten Testament wird indirekt auf ihre Bedeutung hingewiesen (Buch Amos, um 800 v. Chr.): ,, ... der das Siebengestirn und den Orion gemacht hat, der Finsternis in Morgen verwandelt und Tag in Nacht verfinstert hat." Der griechische Dichter Hesiod (um 700 v. Chr.) erzählt in seinen Gedichten: ,,Wann sich die Atlasgeborenen Plejaden zum Aufgang erheben, Fanget zu ernten an, doch zu ackern erst, wann sie verschwinden." Beendeten sie zeitgleich mit der zunehmenden Mondsichel am Westhorizont ihre Zeit der Sichtbarkeit, so war dies vermutlich noch vor 3.000 Jahren ff (!) das Zeichen der Frühlingstagundnachtgleiche. Zweifellos ein entscheidender Markierungspunkt [1].

Zurück zur Abbildung. In dieser Annahme müssten die von den Plejaden nach links gelesenen, nach oben offenen Halbbögen die 14-tägige Entwicklung von Neumond zu Vollmond zeigen. Auf seinem Weg überspannt der Mond den Sternenhimmel vom Aufgang im Westen bis zum beginnenden Untergang im Osten. Er entwickelt sich gegen die scheinbare Rechtsdrehung der Sterne zu Größe und Helligkeit. Daraus folgt weiter, die linke Grenze des Himmelsweges musste zur Geltungszeit der Abbildung im Sternbild Jungfrau enden, da rechts wegen der Plejaden das Sternbild Stier angedeutet wird. Stier und Jungfrau mussten nach Annahme der Sternkundigen zur Zeit der Tag-

1 Unten: Eine 9 cm lange Messerklinge aus der Bronzezeit, ca. 1000 bis 800 vor Chr.,
beidseitig mit Halbbögen und Linien, am Rücken der Klinge zusätzlich mit 4 x 7 parallelen Strichmarkierungen, gefunden im Schambachtal, Landkreis Eichstätt. Oben: Mondzyklen und -wege wurden mit aufwändigen Details strukturiert. Offensichtlich sollen sie die Interpretation erleichtern. Finder der Klinge: Richard Zwyrteck, Collage und Illustration: Franz Zitzelsberger.

Journal für Astronomie Nr. 90 | 69

Geschichte

undnachtgleiche im ,,Paarschein" gewesen sein. Das bedeutet, wenn das Stierzeichen untergeht, ist das Zeichen Jungfrau aufgehend. In der Linie durch die Mitte der Zeichen hatten Tag und Nacht je 12 Stunden. Die kleine erhöhte Markierung links der Linien dachten die Sternkundigen vermutlich als den Stern Arktur, hell leuchtender Gegenstern zum Siebengestirn.
Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, die Abbildung nimmt den Sternenhimmel während der Frühlingstagundnachtgleiche als Bezugspunkt für die weitere Abbildung. Das bedeutet aber, dass wiederum von den Plejaden nach links gelesen, 13 Halbbögen (siehe dortige Markierung) als 1/2 Monate in Folge = 13 x 14 = 182 Tage gelesen werden können. Zählt man den abnehmenden Vollmond bis Neumond dazu, ergibt sich als Ergebnis ein Mond-Sternenjahr zu 364 Tagen. Um den Bezug zum Weg der Sonne zu halten, so soll schon um 70 v. Chr. der griechische Astronom Geminos von Rhodos beschrieben haben [2], durchläuft der Mond in der Zeit eines Sonnenjahrs nicht nur den Tierkreis, sondern auch noch die Strecke, welche die Sonne in der Zeit eines Monats in der Richtung der Zeichen zurücklegt. ,,So legt denn der Mond in der Zeit eines Sonnenjahrs ungefähr 13 Zeichen zurück." Wir merken es, hier kann nur vom siderischen Mondlauf in Bezug zur Sonne die Rede sein. Diese Informationen lassen sich in der beschriebenen Lesart des Messerchens wiederfinden.
Diese Stern-Mond-Jahreszählung bot den Sternkundigen die Möglichkeit einer geraden Teilung zu einer 7-Tage-Woche, da demnach 364 Tage = 52 Wochen. Auch dies lässt sich sehr gut mit den Halbbögen auf dem Messerchen vereinbaren, da 2 x 7 = 14 Halbbögen = 14 Tage = Neumond bis Vollmond. Auf die gewollte Beachtung der 7 weisen auch die 4 x 7 Querstriche auf dem

Rücken der Klinge (siehe Abbildung). 364 Tage entsprechen demnach 52 Wochen. Bezogen auf das Sonnenjahr entstehen 364 / 12 = 12 Monate zu 30 Tagen. Ein günstiger Zeitrahmen für einen pragmatischen Jahreskalender.
Wie sich zeigen sollte, waren diese Überlegungen ein entscheidender Schritt zum weiteren Verständnis. Die Linien teilen einerseits das Jahr und zeigen andererseits die Wendekreise der jährlichen Kulmination des Mondes und der Sonne. Heute sind das der Wendekreis des Steinbocks (oben) und der Wendekreis des Krebses (unten). Damals vermutlich als die Linien der entsprechenden Mondwenden vor dem Fixsternhimmel verstanden. In dieser Lesart wurde die Mondsymbolik des Messerchens zum Kompass einer Zeitreise in eine faszinierende Kosmogonie der Bronzezeit. Die gespiegelten Halbbögen entlang der Klingenrückseite sollten diesen Eindruck weiter verstärken.
Klar ist, die ,,bürgerliche" Zeitspanne eines Monats dürfte eine andere gewesen sein. Auffallender und leichter zu beobachten ist die Dauer eines Monats nach den Lichtphänomenen des Mondes, also von Vollmond zu Vollmond, oder von Halbmond zu Halbmond usw. in Tagen zu zählen. Dies bedeutet in der Sprache der Sternkundigen, die Dauer eines Monats in Bezug zur Stellung der Sonne zu beschreiben, da der Mond nur dann in imposanter Größe am Ost-Horizont erscheint, wenn er der Sonne genau gegenübersteht (im Gegenschein). Bis in unsere Zeit hinein erhielt der jeweilige Vollmond vermutlich bereits damals jahreszeitliche Benennungen, wie z.B. Erntemond, Jagdmond, Wolfsmond ... Die Siedler der Bronzezeit werden eigene wirtschaftlich orientierte Bezeichnungen verwendet haben. Die Dauer muss länger sein als die Mondbewegung zur Wiederkehr vor dem

gleichen Stern, da sich in dieser Zeitspanne auch die Sonne durch die Sterne, durch den Tierkreis bewegt. Der Mond bewegt sich in dieser Beziehung nicht nur durch 12, sondern durch nicht ganz 13 Sternbilder. Diese Beobachtung war auch in der Antike bekannt.
Bei der Kontrolle dieser Einordnung auf dem Messerchen können an den gespiegelten Halbbögen entlang der Messerrückseite von rechts nach links 13 Halbbögen gezählt werden. Demnach kann angenommen werden, dass diese folgerichtig einem synodischen Monat von 291/2 Tagen entsprechen sollen. Auch beim Zählen nach der Dauer eines Lichtmonats (Lunation), Zählen der Tage von einem Vollmond zum nächsten, käme man zum gleichwertigen Ergebnis. 28 Lichttage + 11/2 Tage Unsichtbarkeit des Mondes gibt ebenfalls 291/2 Tage. In 12 solchen Monatslängen läuft der Mond dann durch den Tierkreis = 354 Tage. Da die Sonne für den gleichen Weg aber 3651/4 Tage benötigt, stimmen die 12 Monate des Mondes mit den 12 Monaten der Sonne nicht überein. Ein bekanntes Problem der Kalendersysteme.
Als Fazit ergibt sich bis hierher für die Abbildung der Monderscheinungen: Auf dem Messerchen sind offensichtlich sowohl ein siderischer als auch ein synodischer Monat im Jahreslauf gegenübergestellt. Sie unterscheiden sich entsprechend ihrer unterschiedlichen Dauer in der Zahl der Bögen als auch in der Ausrichtung der Halbbögen. Die ermittelten Tageslängen entsprechen weitgehend den heute anerkannten Mittelwerten. Übertragen auf die Benennung symbolisieren die Halbbögen auf der Messerrückseite den Auf- und Untergang, entlang der Sternlinien den Eintritt und Austritt in eine ,,Station" oder Zeichen. Die Bögen von rechts nach links zu zählen entspricht dabei der Entwicklung des zunehmenden Mondes.

70 | Journal für Astronomie Nr. 90

Geschichte

Es sind ein Mond-Sternenjahr zu 364 Tagen, zu 52 Wochen mit je 7 Tagen, eine siderische Mondperiode durch den Tierkreis zu 336 Tagen, ein synodisches Mondjahr durch den Tierkreis zu 354 Tagen abgebildet. Im Zusammenhang mit dem Symbol des Siebengestirns ist anzunehmen, dass nach der Orientierung der Halbbögen auf der Klingenfläche alle Zyklen ab der Frühlingstagundnachtgleiche ihren Anfang nehmen. Zählen wir ab hier neun synodische Monate nach links, also Richtung Osten, sehen wir auf den Halbbögen die Markierung der Winterwende eingetragen. Nach 265 (9 x 29,4) Tagen oder 38 Wochen erfolgt die Neugeburt der Sonne. Dies wiederum entspricht 10 siderischen Monaten zu 28 Tagen = 280 Tage = 40 Wochen. Mit der Winterwende beginnt das neue Sonnenjahr!
In beiden Fällen entspricht dieser Zyklus der Dauer einer Schwangerschaft, einmal mit und einmal ohne Zeit vor der Empfängnis. Betrachten wir das Symbol auf dem 9. Halbbogen, lässt sich dieses als Öffnung mit herausfallender Leibesfrucht interpretieren. Diese Verbundenheit der Gestirne mit den Zyklen der Schwangerschaft war den Sternkundigen so einleuchtend und

so bedeutend, dass sie augenscheinlich das Jahr und die Beziehungen des Mondes zu anderen Gestirnen danach einteilten. Die Symbolik der Klinge musste diese Zusammenhänge widerspiegeln. So ist es nicht verwunderlich, wenn dies durch weitere Elemente auf der Klinge ganz offensichtlich verstärkt wurde. In dieser Einordnung macht alles Sinn. Aus systematischen Gründen erläutere ich diese an späterer Stelle. Widmen wir unsere Aufmerksamkeit nach dieser vorläufigen Bewertung der Mondzyklen zunächst der Form der Klinge und den weiteren verbundenen Zyklen. Betrachten wir die übrigen ,,Verzierungen" auf den Klingenflächen und dem Messerrücken genauer. Als Orientierung diente die Linie des Messerrückens, die dem charakteristischen Verlauf der Venusbahn während der Abendsichtbarkeit von West nach Ost (zur unteren Konjunktion) ähnelt!
Die geschweifte Form der Klinge ist ungewöhnlich. Das Klingenblatt ist entlang der breit geschwungenen Fläche in drei Gruppierungen von konzentrischen Halbbögen gesäumt. Die Halbkreise sind über den Buckel hinweg mit quer laufenden Strichen verbunden. Auf dem ungewöhnlich breit geschweiften Teil der Messerklinge finden

sich 4 konzentrische Halbbögen leicht ansteigend, gefolgt von 1 x 5 Halbbögen aufsteigend, sofort folgend von 1 x 5 Halbbögen absteigend. In Verbindung mit zugehörigen 3 x 7 Kerben auf dem Klingenrücken könnten die beiden 5 Halbbögen 5 x 7 = 35 x 2 = 70 Tage bedeuten. Dies lenkte den Verdacht auf die Fährte von Abendstern und Morgenstern.
Die Zeichnung zeigt die bewährte Aufteilung der Klingenfläche zur Einordnung der Zyklen und Linien. Nehmen wir das Bündel mit den 4 konzentrischen Halbbögen für eine Zählung, ergibt sich 14 x 3 x 7 = 294 Tage. Dies entspricht einem Zyklus der Venus bei der topozentrischen Beobachtung von 2 x 294 = 588 Tage = 1 x synodischer Umlauf. Nähert sich der Abendstern auf seinem Weg seiner unteren Konjunktion, also der Erde (heliozentrisch), beschreibt er in unseren Breiten von einem beliebigen Ort aus gesehen (topozentrisch) ein auffällig schnelles Ansteigen, gefolgt von einem ebenso schnellen Absteigen gegenüber dem Horizont. Nach längerer Phase mit kaum merklichem Anstieg zum Horizont steigt er in nur 35 Tagen immer höher Richtung Zenit und wird dabei immer heller. Er wird zum ersten sichtbaren ,,Stern" nach Beginn der

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Geschichte

Abenddämmerung. In dieser Phase kann er sogar so hell werden, dass er selbst bei beginnender Dämmerung wahrgenommen werden kann. In weiteren 35 Tagen ereignet sich dann der ebenso schnelle Abstieg zum Horizont. Für einen geübten Beobachter ein typisches Erscheinungsbild der Venusbahn. Der Abendstern erreicht dabei nicht den Zenit, sondern läuft vorher zurück zum Ort des Sonnenuntergangs. An diesen ,,Venusbuckel" erinnert unverkennbar die Linie des Messerrückens.
Zum Griffdorn hin findet sich nochmal eine Wiederholung der konzentrischen Halbbögen, bildet aber einen eigenen Abschnitt für Merkur, den Funkelnden, so hat ihn Genios bezeichnet. Eine faszinierende Vorstellung. Ist es möglich, neben dem Mond tatsächlich auch Venus und Merkur auf dem Messerchen zu finden? Wenn ja, warum hier gleich drei Gestirne und warum auf einem Messer? In welcher Beziehung stehen beide zu den Zyklen des Mondes? Im zweiten Teil wird das auf der Klinge dargestellte Beziehungssystem der Gestirne erläutert. Es wird sich zeigen, dieses Messerchen aus dem Schambachtal im Landkreis Eichstätt ist wesentlich mehr als ein Kalender. Über ihre Zyklen sind die Gestirne mit uns Menschen verbunden. Mond, Venus und Merkur sind unsere Begleiter zur ewigen Wiederkehr. Das sollten wir wissen.

Literatur- und Internethinweise (Stand 9.1.2024):

[1] Zur Rolle der Plejaden zur Frühlingstagundnachtgleiche

siehe zum Beispiel: Werner Papke, 1984: ,,Zwei Pleja-

den-Schaltregeln Aus Dem 3. Jahrtausend", Archiv Für

Orientforschung, Vol. 31, S. 67-70. JSTOR, www.jstor.org/ [1a]

stable/41661578.

Dazu auch kritische Anmerkungen von Dr. Johannes Koch

in ,,Bedenkenswertes zur Himmelsscheibe von Nebra", 24. April 2007, insbesondere 4.2.1 ff, [1b]

www.nebra-himmelsscheibe.de/Koch-2007-Nebra.pdf

[2] Bezüge auf Geminos von Rhodos: ,,Gemini Elementa

astronomiae", by Geminus Publication 1898, Contributor

[2]

University of Illinois, https://archive.org/details/

geminoueisaggeis00gemi/page/264/mode/2up

[3] Bezüge auf Jahr mit 364 Tagen, 52 Wochen etc.: [3a]
,,Einige Bemerkungen zum Qumran-/Henoch-Kalender", von

Theodor Schmidt-Kaler, Margetshöchheim,

www.quantenbit.physik.uni-mainz.de/files/2020/03/

henoch-kalender-2009.pdf,

[3b]

siehe auch: ,,Die Himmelstafel von Tal-Qadi", https://de.

wikibooks.org/wiki/Die_Himmelstafel_von_Tal-Qadi#

Tage,_Monate_und_Jahre [4] [4] Bezüge zum Venusjahr: Ferdinand Bork, 1910: ,,Das Venus-

jahr", https://archive.org/details/DasVenusjahr1910/page/

n3/mode/2up

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72 | Journal für Astronomie Nr. 90

Kleine Planeten

Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries

Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die

Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursa-

cher der Strichspur war. Diese Artikelserie lebt von der Zusendung von Bildern aus der Leserschaft des VdS-Journals für Astronomie. Für mich sind nicht nur die zugesendeten Aufnahmen interessant, sondern

1 Die Galaxie NGC 4939 sowie die Kleinplaneten (270) Anahita und (35954) 1999 KY15, remote aufgenommen von Jean-Marie Will mit
einem 0,61-m-CDK bei f/6,5 und einer FLI-PL09000-CCD-Kamera. Norden ist rechts.
Journal für Astronomie Nr. 90 | 73

Kleine Planeten

auch die vielen Einblicke in die Astro-Karieren der Bildautoren, die ich beim Kontakt mit ihnen erhalte. Ob seit der frühesten Jugend oder als Spätberufener, uns allen ist die Liebe zur Astronomie gemein. Das heutige Bild stammt von Jean-Marie Will [1].
Sein Interesse am Nachthimmel war in der Kindheit so stark, dass er schon damals beschloss, dass er später einmal Astronomie studieren will. Diesen Vorsatz setzte er tatsächlich um und studierte Ende der 80er Jahre Astronomie in Bonn. Damals waren für die Studierenden noch Forschungsaufenthalte an den großen Observatorien der Welt üblich, und so gehörten vier Reisen nach Chile und zwei auf die Kanaren zu seinen Studienhighlights. Nach dem Studium wechselte Jean-Marie in die Privatwirtschaft. Das Hobby Astronomie betreibt er weiter in entspannter Form, etwa beim gelegentlichen Spazierengehen am Nachthimmel, wenn Meteorschauer unterwegs sind, oder wenn er Bekannten den Sternhimmel erklärt. Intensiver betreibt er die Fotografie und das Reisen, die er aber auch mit der Astronomie verknüpfen kann. So entstanden unter anderem tolle Reportagen von Neuseeland, einer Astroreise nach Namibia oder den Polarlichtern Norwegens.
Die Astrofotografie betreibt Jean -Marie seit 2020 hauptsächlich am heimischen Computer, in dem er sich weltweit bei diversen Remote-Sternwarten einloggt. Auch das heutige Bild [2] entstand so. Die Anregung für diese kosmische Begegnung stammte aus Sterne und Weltraum 04/2023. Demnach sollte am 14. April 2023 (270) Anahita über die Galaxie NGC 4939 ziehen. JeanMarie buchte deshalb Beobachtungszeit in Australien. Leider verhinderte schlechtes Wetter die Aufnahmen. Kurz entschlossen sattelte er um und nahm 16 Stunden später eine Bildserie mit einem 61-cm-Teleskop in Auberry, Kalifornien auf. Das erwies sich als

Glücksfall, da nun mit (35954) 1999 KY15 ein zweiter Kleinplanet in das Gesichtsfeld gewandert war. Auf seiner Homepage ist neben dem Bild mit den Strichspuren auch eine tolle Animation [3] dieser kosmischen Begegnung zu sehen.
NGC 4939 ist eine Spiralgalaxie im Sternbild Jungfrau. Ihre Entfernung wird mit ca. 120 Millionen Lichtjahren angegeben. Am Himmel erscheint sie über 5 Bogenminuten groß und 11,3 mag hell. Damit ergibt sich ein tatsächlicher Durchmesser von ca. 200.000 Lichtjahren und sie ist somit ungefähr doppelt so groß wie unsere Milchstraße. Sie ist eine Seyfertgalaxie mit einem aktiven Kern. Pro Jahr verschluckt das supermassive Schwarze Loch im Zentrum ca. eine dreiviertel Sonnenmasse an Materie. Entdeckt wurde NGC 4939 im Jahr 1786 von William Herschel [4].
Nicht ganz so aktiv ist der Kleinplanet (270) Anahita [5]. Er ist ein Mitglied des inneren Hauptgürtels und hat einen Durchmesser von ca. 51 Kilometern. Als silikatreicher S-Typ-Asteroid ist er außerdem deutlich heller als die meisten Asteroiden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war (270) Anahita rund 209 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und 11,9 mag hell. Für die Umrundung der Sonne benötigt der Brocken 3 Jahre und 94 Tage. Der Kleinplanet wurde 1887 vom deutsch-amerikanischen Astronomen Christian Heinrich Friedrich Peters am Litchfield-Observatorium in Clinton, New York (USA) entdeckt. Er benannte ihn nach einer indoiranischen Göttin des Wassers und der Fruchtbarkeit [6].
Der lichtschwächere Besucher im Bildfeld (35954) 1999 KY15 ist ebenfalls ein Asteroid des inneren Hauptgürtels. Auch er hat wie die meisten Brocken im inneren Hauptgürtel eine hohe Albedo und dürfte silikatreich sein. Der ca. 3 km große Brocken war

damals 15,9 mag hell und rund 153 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Er befand sich damit um über 50 Millionen Kilometer näher als (270) Anahita. Für die Umrundung der Sonne benötigt er fast drei Jahre und 6 Monate und damit mehr Zeit als seine größere Kollegin. Entdeckt wurde (35954) 1999 KY15 im Jahre 1999 vom automatischen Suchprogramm LINEAR [7]. Ein weiterer der unzähligen kleinen Brocken im Sonnensystem, die vermessen werden, aber weiter unbeachtet bleiben, bis sie einem Astrofotografen durchs Bildfeld wandern und kurz ins Rampenlicht rücken. Zumindest hier im VdS-Journal für Astronomie. Daher bitten wir um Bildzusendungen, falls Sie ähnliche Brocken auf Ihren Bildern finden.
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die Tabelle 1 enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und Deep-Sky-Objekten, die von uns erstellt wurde. Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [8]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit

74 | Journal für Astronomie Nr. 90

Kleine Planeten

dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" Internethinweise (Stand 01.03.2024):

an ries@sternwarte-altschwendt.at. [1] Barbara und Jean-Marie Will: Homepage, www.jmwill.de/index.

Bitte vergessen Sie nicht, das Aufnah-

html

medatum, die fotografierten Objek- [2] Jean-Marie Will: Bild ,,Kosmische Begegnungen mit NGC 4939",

te und die Daten des Teleskops bzw.

www.jmwill.de/media/images/ngc4939-_270_anahita-luminance

der Kamera mitzuteilen. Der Autor

-st-ps-stack-7von21_mittext-large.jpg

[1]

[5]

eines ausgewählten Bildes wird an- [3] Jean-Marie Will: Animation ,,Kosmische Begegnungen mit NGC

schließend aufgefordert, eine unkom-

4939", www.jmwill.de/deep-sky-aufnahmen.html#a2584

primierte Version des Bildes für den [4] Wikipedia: ,,NGC 4939", https://en.wikipedia.org/wiki/NGC_4939 [2]

[6]

Druck zur Verfügung zu stellen.

[5] Wikipedia: ,,(270) Anahita", https://de.wikipedia.org/wiki/(270)_

Anahita

[6] Wikipedia: ,,Anahita", https://de.wikipedia.org/wiki/Anahita [7] JPL/CalTech: "Small Body Database Lookup: 35954 (1999 [3] [7]

KY15)", https://ssd.jpl.nasa.gov/tools/sbdb_lookup.html#/

?sstr=35954&view=VOPDA

[8] K. Hohmann: Homepage: ,,Astrofotografie: Kosmische Begeg- [4]

[8]

nungen", http://astrofotografie.hohmann-edv.de/aufnahmen/

kosmische.begegnungen.php

Tabelle 1 Ausgewählte interessante kosmische Begegnungen im 3. Quartal 2024

Datum
01.07.2024 29.07.2024 04.08.2024 26.08.2024 03.09.2024 09.09.2024

Uhrzeit
01:00 22:00 24:00 22:00 23:00 21:00

Kleinkörper

mv

(1213) Algeria

15,3

(2653) Principia

16,0

(19469) 1998 HV45 16,1

(386) Siegena

12,0

(137) Meliboea

11,7

(4201) Orosz

15,5

Objekt

Art

NGC 6822

Gx

M 17

GN

M 15

GC

NGC 6772

PN

NGC 7743

Gx

M 2

GC

Abkürzungen: Gx - Galaxie, GC - Kugelsternhaufen, GN - Galaktischer Nebel, PN - Planetarischer Nebel

mv

Abstand

8,7

3'

6,0

10'

6,3

4'

12,7

15'

11,4

5'

6,6

12'

Journal für Astronomie Nr. 90 | 75

Kometen

Komet C/2023 P1 (Nishimura) am Herbsthimmel
von Otto Guthier

Üblicherweise werden heutzutage weltweit neue Kometen mit automatischen, professionellen Suchstationen entdeckt. Selten haben Amateurastronomen noch das Glück, einen neuen Schweifstern am Himmel aufzuspüren, der dann ihren Namen trägt.
Im Februar hatte der bekannte deutsche Amateurastronom Jost Jahn das Glück und fand mithilfe eines remote betriebenen Teleskops einen neuen, periodischen Kometen, der die Sonne in 6,5 Jahren umkreist, der Erde aber nie sehr nah kommen wird [1].
Im Jahr 2023 hatte auch ein japanischer Amateurastronom das Glück des Tüchtigen: Hideo Nishimura, 74 Jahre alt, wohnhaft in Kakegawa, fand in den Morgenstunden des 12. August mit Hilfe eines 200-mm-Teleobjektivs und einer Canon-EOS-6D-Digitalkamera einen 10,5 mag hellen Kometen, den er auch auf Aufnahmen vom 11. August identifizieren konnte. Das Objekt stand tief am Morgenhimmel im Sternbild Zwillinge. Nach Komet C/2021 O1 und C/1994 N1 (Nakamura-Nishimura-Machholz) war das seine dritte Kometenentdeckung. Eigentlich sucht Hideo Nishimura mit seinem Equipment nach Novae, für die er nach eigenen Angaben [2] ca. neunzig Prozent seiner Beobachtungszeit aufwendet.
Eine erste Bahnberechnung ergab, dass der Komet Nishimura am 17. September 2023 mit einem Abstand von 0,22 AE zur Sonne sein Perihel erreichen würde. Die prognostizierte visuelle Helligkeit sollte bei ca. 3,0 mag liegen, er sollte also durchaus freisichtig zu sehen sein [3]. Weitere astrometrische Beobachtungen und Prediscovery-Aufnahmen ergaben eine Umlaufzeit von ca. 437 Jahren. Das bedeutet, dass der Komet im Juli 1588 sein letztes Perihel durchlaufen

hatte [4]. Just zu dieser Zeit fand Anfang August im Ärmelkanal eine weltpolitisch wichtige Seeschlacht zwischen Spanien und England statt, die mit dem Untergang der spanischen Armada 1588 endete.
Eigene Beobachtungen Die Bahnverhältnisse waren für eine ausgiebige und längere Beobachtungskampagne eher ungünstig, denn zwischen Mai und November 2023 lagen die Elongationen des Kometen unter 40 Grad [5]. Außerdem war damit zu rechnen, dass der Komet nach seiner Sonnenpassage ein Südhimmelobjekt sein würde.
Fünf Tage nach Entdeckung hatte ich das Glück, den Kometen in den frühen Morgenstunden mit meinem Refraktor 125 mm / 750 mm bei 28-facher Vergrößerung zu erwischen. Die Helligkeit schätzte ich auf 9,5 mag, der erkennbare Durchmesser der diffusen Koma (DC 4) betrug rund vier Bogenminuten. Die Helligkeit nahm rasch zu und betrug am 23. August bereits 8,3 mag, während sich die Koma enorm verdichtet hatte (DC 6).
Zehn Tage später, am 2. September, war die Helligkeit bereits auf 6,3 mag angestiegen, die Kondensation der Koma nahm ebenfalls zu. Am 5. September schätzte ich die Helligkeit auf 5,4 mag mit einer rund drei Bogenminuten großen, sehr verdichteten Koma und einen trotz Mondlicht sichtbaren Schweifansatz von ca. 45 Bogenminuten. Eine Schönwetterperiode vom 5. bis 10. September ermöglichte durchgehend Sichtungen in den jeweiligen Morgenstunden, die zu einem eindrucksvollen Erlebnis wurden. Ideale Beobachtungsbedingungen mit sehr guter Transparenz der Atmosphäre ermöglichten die Beobachtungen des direkten Aufgangs des Schweifsterns über den Hügeln des Odenwaldes. Der

Komet bewegte sich in diesen Tagen durch den Löwen und konnte zunächst vor und dann in der Morgendämmerung bei extrem niedrigen Horizonthöhen beobachtet werden. Die Helligkeit steigerte sich kontinuierlich bis 4,4 mag am 9. September, die hochverdichtete Koma war fast sternförmig (DC 7-8) und betrug maximal vier bis fünf Bogenminuten. Am 8. September konnte ich unter exzellenten Bedingungen den Schweif mit einer Ausdehnung von 3,2 Grad und einem Positionswinkel von 320 Grad sichten.
Die letzte visuelle Sichtung gelang mir in der beginnenden Morgendämmerung am 10. September bei einer Horizonthöhe von 6 Grad. Im 16x70-Feldstecher schätzte ich die scheinbare Helligkeit auf 4,5 mag; die sichtbare Schweiflänge lag immerhin noch bei rund zwei Grad.
Vom 5. bis 9. September konnte ich die Entwicklung des Schweifes anhand von Zeichnungen am Fernrohr festhalten, die einen Eindruck von der enormen Dynamik des Schweifes dokumentierten.
Der Überraschungskomet 2023 P1 Nishimura bescherte mir eine seltene, über 6 Tage andauernde Beobachtungskampagne und stressfreies Beobachten am Okular.

76 | Journal für Astronomie Nr. 90

Kometen

1 Zeichnungen des Kometen C/2023 P1 (Nishimura) im Zeitraum vom 6. bis 9. September 2023, von Otto Guthier

Literatur- und Internethinweise (Stand 2.3.2024):

[1] Th. Keßler und O. Guthier, 2023: ,,Jost Jahn entdeckt neuen Kometen",

VdS-Journal für Astronomie 86, S. 4

[2] G. Pappa: "Comet discoverers & Comet discoveries by amateurs 2020 - now",

www.cometchaser.de/discoverystories/Comet-discoverers.html

[2]

[4]

[3] Central Bureau for Astronomical Telegrams: Electronic Telegram No. 5285,

www.cbat.eps.harvard.edu/iau/cbet/005200/CBET005285.txt

[4] Central Bureau for Astronomical Telegrams: Electronic Telegram No. 5291,

www.cbat.eps.harvard.edu/iau/cbet/005200/CBET005291.txt

[3]

[5]

[5] A. Kammerer: ,,VdS-FG Kometen, Kometen-Auswertungen: C/2023 P1 (Nishi-

mura)", https://fg-kometen.vdsastro.de/koj_2023/c2023p1/23p1_aus.htm

Journal für Astronomie Nr. 90 | 77

Kometen
Bedeutende Kometen des vierten Quartals 2023
von Uwe Pilz
Auch im vierten Quartal 2023 wurden wir reich mit Kometenerscheinungen beschenkt. Allerdings war das Wetter oft ungünstig. Wir Kometenfreunde mussten jede kleine Wolkenlücke nutzen! Die Helligkeit von 12P/Pons-Brooks stieg weiter an. Außerdem erlebte der Komet Mitte November einen weiteren Ausbruch um ca. eine Größenklasse. Auch der Schweif begann sich zu entwickeln, Michael Jäger konnte mit einer ausgefeilten Bildbearbeitung sehenswerte Komastrukturen nachweisen (Abb. 1). Der Komet hatte zeitweise eine visuelle Helligkeit von 8 mag.
1 12P/Pons-Brooks am 18.11.2023 um 16:14 Uhr UT, Öffnung 14 Zoll.
Bild: Michael Jäger

2 62P/Tsuchinshan beim Leo-Galaxientriplett, 27.12.2023 um
23:31 Uhr UT, Öffnung 12 Zoll, Belichtungszeit 60 min. Bild: Martin Nischang und David Bender

3 103P/Hartley am 01.10.2023 um 23:43 Uhr UT, Öffnung 4 Zoll,
Belichtungszeit 55 min. Bild: Steffen Fritsche

78 | Journal für Astronomie Nr. 90

62P/Tsuchinshan war ein Objekt des Morgenhimmels (Abb. 2). Die visuelle Helligkeit stieg im letzten Quartal steil an: Von 13 mag zum Maximum von 9 mag. Die große Helligkeit wurde durch die Erdnähe hervorgerufen. Solche Kometen sind groß und diffus und schwieriger zu sichten, als es die Magnitude scheinen lässt. Dennoch konnte die Fachgruppe ihn mit dem Fernglas beobachten.
Komet 103P/Hartley hatte im letzten Quartal 2023 seine besten Tage hinter sich: Die Helligkeit sank von 8,5 auf 10,5 mag. Er wurde weiter intensiv beobachtet, weil wir Rückschlüsse auf die Rotationsperiode ziehen wollen (Abb. 3).
C/2023 H2 (Lemmon) durchlief Anfang November ein ,,spitzes" Helligkeitsmaximum von 6,5 mag und konnte mit einer ganz einfachen Ausrüstung fotografiert werden (Abb. 4). Der Komet war gut kondensiert und ein schönes Fernglasobjekt.
4 C/2023 H2 (Lemmon) am 11.11.2023 um 16:49 Uhr UT,
Teleobjektiv 1:2,8 / 75 mm, Belichtungszeit 60 s. Bild: Wolfgang Vollmann

Kometen

5 C/2023 H2 (Lemmon) am 6.11.2023 um 18:13 Uhr UT, Hypergraph 8 Zoll, Belichtungszeit 49 min. Bild: Helmut Dannbauer.
Journal für Astronomie Nr. 90 | 79

Kometen

Komet 12P/Pons-Brooks - die VdS-Bilderstrecke
zusammengestellt von Sven Melchert
Der periodische Komet 12P/Pons-Brooks mit einer Umlaufzeit von 71 Jahren hat am 21. April 2024 sein Perihel passiert. Im März bot der Schweifstern mit ca. 5 mag eine schöne Abendsichtbarkeit und ist Anfang April mit ca. 4 mag in der Abenddämmerung verblasst. Wir zeigen hier eine Auswahl der Aufnahmen, viele weitere finden Sie bei der Fachgruppe Kometen unter http://fg-kometen.vdsastro.de/.

1 08.03.2024, 18:50 Uhr UT, 85-mm-
Objektiv, f/4, Canon EOS R6 Mark II, ISO 3200, Kombination aus 36 x 24 s für den Kometen und 12 s für den Vordergrund (Bild: Stefan Binnewies, Rainer Sparenberg)

80 | Journal für Astronomie Nr. 90

2 03.03.2024, 18:50 Uhr UT, Sharpstar 8, f/3,2, Touptek 2600 MM,
LRGB 16/8/8/12 min (Bild: Norbert Mrozek)

3 03.03.2024, 18:48 Uhr UT, 10-Zoll-Newton, f/4, QHY 286MC,
51 x 60 s (Bild: Rainer Sparenberg)

4 06.03.2024, 18:51 Uhr UT, Celestron RASA 11, QHY 600, 23 min
(Bild: Michael Jäger)

5 06.03.2024, 19:02 Uhr UT, Takahashi Epsilon 130D, Touptek 2600
MM, LRGB 5 x 120/4 x 120/4 x 120/4 x 180 s (Bild: Norbert Mrozek)
Journal für Astronomie Nr. 90 | 81

6 07.03.2024, 18:50 Uhr UT, 16-Zoll-Teleskop, f/2,5, CDS-5D
(Bild: Roland Fichtl)

7 08.03.2024, 18:45 Uhr UT, Takahashi Epsilon 130D, Nikon D850,
ISO 1600, 100 x 20 s (Bild: Stefan Binnewies, Rainer Sparenberg)

8 08.03.2024, 19:33 Uhr UT, 135-mm-Objektiv, f/2, Canon EOS 5Da
Mark II, 90 x 30 s (Bild: Helmut Dannbauer)
82 | Journal für Astronomie Nr. 90

9 11.03.2024, 18:46 Uhr UT, 180-mm-Objektiv, f/3,4, Canon EOS
700D, 11 x 180 s (Bild: David Bender)

1 0 16.03.2024, 20:15 - 21:20 Uhr UT, RedCat 71, f = 350 mm, f/4,9,
Canon EOS 90Da, 1600 ISO, IDAS LPS-D1-Filter (Bild: Kai-Oliver Detken)

1 1 16.03.2024, 19:12 - 19:34 Uhr UT, Celestron C11 HyperStar,
Canon EOS RPa, 18 x 39 s (Bild: Oliver Schneider)

1 2 19.03.2024, 18:45 Uhr UT, Celestron RASA 11, QHY 600,
LRGB 25 min (Bild: Michael Jäger)

1 3 26.03.2024, 19:20 Uhr UT, Takahashi Epsilon 130D, Touptek
2600 MM, L = 15 x 40 s, RGB = 10 x40 s (Bild: Norbert Mrozek)
Journal für Astronomie Nr. 90 | 83

1 4 28.03.2024, 18:57 - 19:23 Uhr UT, TSAPO 100 Q, Canon EOS 6D
Mark II, 37 x 30 s (Bild: Steffen Fritsche)

1 5 28.03.2024, 19:20 Uhr UT, 200-mm-Objektiv, f/3,5, Canon EOS
R6 Mark II, 72 x 12 s (Bild: Stefan Binnewies)

1 6 02.04.2024, 18:51 - 19:49 Uhr UT, 6-Zoll-Apochromat, f/5,4,
ZWO ASI071MC, 6 x 30 s und 6 x 60 s (Bild: Markus Kohl)
84 | Journal für Astronomie Nr. 90

1 7 02.04.2024, 19:05 Uhr UT, Hypergraph 8, Canon EOS Ra,
34 x 30 s (Bild: Helmut Dannbauer)

1 8 02.04.2024, 19:15 - 19:49 Uhr UT, 200-mm-Objektiv, f/2,8,
Canon EOS 600Da, ISO 1600, 107 x 16 s (Bild: Robin Hegenbarth)

1 9 06.04.2024, 18:59 - 19:05 Uhr UT, Vixen FL55ss, Nikon Z6,
ISO 200, 3 x 2 min (Bild: Bernhard Hubl)

2 0 07.04.2024, 19:00 Uhr UT, 135-mm-Objektiv, ZWO ASI533MC
Pro, 5 x 15 s (Bild: Burkhard Leitner)

2 1 08.04.2024, 19:15 Uhr UT, Celestron RASA 11, QHY 600, 15 min
(Bild: Michael Jäger)
Journal für Astronomie Nr. 90 | 85

Kometen

Fahrplan zum Kometen C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS)
von Sven Melchert

Der Komet C/2023 A3 wurde zunächst am 9. Januar 2023 am Purple Montain Observatory in China [1] (auch Zijinshan Astronomical Observatory genannt, von dessen Transliteration stammt der Name des Kometen) und unabhängig davon von ATLAS (Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System) in Südafrika [2] am 22. Februar 2023 als Objekt etwas schwächer als 18 mag in einer Entfernung von 7,3 AE entdeckt. Am 27. September 2024 wird der Komet mit einem Sonnenabstand von 0,39 AE sein Perihel erreichen und könnte sich Mitte Oktober zu einem hellen Kometen um die 0 mag entwickeln. Daher hat die

VdS den Astronomietag 2024 für Samstag, den 19. Oktober ausgerufen - wenn der Komet eine ausreichende Höhe erreicht haben wird, um ihn abends bequem beobachten zu können.
Für uns Hobbyastronomen beginnt die Beobachtungsperiode aber bereits Ende September am Morgenhimmel. In froher Erwartung auf einen hellen Kometen geht dieser Beitrag der Frage nach, wann und von wo aus man C/2023 A3 am besten sehen wird. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen Ende Februar 2024 weist der Komet eine Helligkeit von 12,4 mag auf [3] und hält

sich damit bisher an die theoretisch vorhergesagte Helligkeitsentwicklung. Wenn dieses Heft im Juli 2024 erscheint, sollte die Helligkeit des Kometen bereits 9 mag erreicht haben. Allerdings steht das Objekt bereits so niedrig am abendlichen Horizont, dass eine Beobachtung von Deutschland aus nicht mehr möglich ist. Eine sehr gute Übersicht der Bahnlage, Lichtkurve sowie Aufsuchkarten findet man auf der Seite von Gideon van Buitenen [4].
Bis Anfang September verkleinert sich der Winkelabstand zur Sonne auf 11 Grad , um bis Ende September nochmal auf 22 Grad anzustei-

1 Aufnahme des Kometen C/2023 A3 Tsuchinshan-ATLAS am 17.02.2024 von Michael Hauss. Remote erstellt mit einem
20-Zoll-CDK-Teleskop (T72 in Chile), Kamera FLI 16200, Belichtungszeit 300 s. Die Koma wurde zu 27`` gemessen, der Schweif zu 45``, die Helligkeit betrug 12,7 mag.
86 | Journal für Astronomie Nr. 90

Kometen

2 Komet C/2023 A3 am 1.10.2024 um 6:22 Uhr MESZ über dem Osthorizont (50 Grad nördl. Breite). Die Sonne befindet
sich 10 Grad unter dem Horizont, der Komet knapp 2 Grad darüber bei einer Helligkeit von 0,5 mag. Die Ansicht wurde mit Stellarium erstellt.

gen. Ende September öffnet sich daher ein kurzes Beobachtungsfenster am Morgenhimmel tief über dem Osthorizont. Anfang Oktober kommt der Komet der Sonne am Himmel immer näher, vom 7. bis 11.10. wird man ihn durch das Gesichtsfeld des Satelliten SOHO (LASCO C3) ziehen sehen [5]. Nach dem 9. Oktober wächst die Elongation täglich stark an, der Komet ist vom Morgen- an den Abendhimmel gewechselt und wird etwa ab dem 11. Oktober in der Abenddämmerung auftauchen. Die Tage nach dem 11. Oktober stellen somit die beste Beobachtungsperiode dar. Der Komet ist dann um die 1 mag hell und geht jeden Abend etwas später im Westen unter.

Leider tritt am 17. Oktober Vollmond ein, so dass die ganze gute Kometenwoche immer von Mondlicht gestört sein wird - inwieweit sich das auf einen Kometen in der Dämmerung auswirkt, bleibt abzuwarten.
In der letzten Oktoberdekade geht der Mond zunehmend später auf und der Komet steht mit einer Helligkeit um 2,5 mag selbst bei Ende der astronomischen Dämmerung noch über 20 Grad hoch am Himmel im Schlangenträger. Ende Oktober sinkt die Helligkeit dann rapide auf 5 mag ab, aber wir können bis Mitte November einen Fernglaskometen bequem am Abendhimmel verfolgen.

Wie verhält es sich mit der Sichtbarkeit des Kometen von anderen Breitengraden aus, lohnt sich eine Beobachtungsexpedition? Die gute Nachricht zuerst: Wir in Mitteleuropa sind diesmal kaum benachteiligt. Ein wenig besser sieht es von den Kanarischen Inseln aus, dort steht der Komet Anfang Oktober am Morgenhimmel etwas höher als in Mitteleuropa. Direkt nach seinem geringsten Sonnenabstand am 9. Oktober steht er dann quasi senkrecht über der untergehenden Sonne und somit in der Dämmerung etwas höher über dem Horizont. Ein direkter Vergleich am 12. Oktober zum Ende der nautischen Dämmerung (Sonne 12 Grad unter dem Horizont) mag dies verdeut-

Journal für Astronomie Nr. 90 | 87

3 Komet C/2023 A3 am 12.10.2024 um 19:32 Uhr MESZ über dem Westhorizont (50 Grad nördl. Breite). Die Sonne steht 10 Grad unter,
der Komet 4 Grad über dem Horizont; Helligkeit: 0,8 mag. Die Ansicht wurde mit Stellarium erstellt.
88 | Journal für Astronomie Nr. 90

Kometen

lichen: von Deutschland aus (Breite 50 Grad ) steht der Komet 2,5 Grad über dem Horizont, von Teneriffa aus (Breite 28 Grad ) sind es rund 4 Grad . Groß ist der Unterschied also nicht, viel wichtiger werden ein freier Blick zum Horizont und die Transparenz des Himmels sein. Wer sich die Stellung des Kometen über dem Horizont über einen längeren Zeitraum ansehen möchte, dem sei die Seite von Michael Theusner empfohlen [6].

Aktuelle Informationen zur Sichtbarkeit

des Kometen finden Sie wie immer unter

www.sternfreunde.de und Beobachtungs-

berichte im Diskussionsforum der VdS

[7]. Wie hell der Komet tatsächlich wer-

den wird, ob er seine Perihelpassage über-

steht und wie sich sein Schweif entwickelt,

all das sehen wir erst, wenn es so weit ist. Heute aber ist bereits klar: Im VdS-Journal wird eine große Bilderstrecke zu die-

5 Lichtkurve des Kometen C/2023 A3, erstellt von Uwe Pilz.
Die graue Linie markiert das Datum des Perihels am 27.09.2024.

sem Kometen erscheinen. Wenn wir Ihre

Aufnahmen auch berücksichtigen sollen,

dann laden Sie sie am besten in das Bild-

Internetquellen (Stand 28.02.2024):

archiv der Fachgruppe Kometen [8].

[1] Zijinshan Astronomical Observatory:

http://english.pmo.cas.cn/

[2] ATLAS: https://fallingstar.com/home.php

[3] Comet Observation database (COBS):

https://cobs.si/

[4] Komet C/2023 A3 bei Gideon van

Buitenen: http://astro.vanbuitenen.nl/ [1] [5] comet/2023A3

[5] SOHO LASCO C3: https://soho.nascom.

nasa.gov/data/realtime/c3/512/

[6] Sichtbarkeitsdiagramme für Kometen

[2]

[6]

von Michael Theusner: www.theusner.eu/

4 Links: Komet C/2023 A3 am
19.10.2024, dem Astronomietag,

astro/comets/comets.php [7] Komet C/2023 A3 im Forum der [3] [7]
VdS: http://forum.vdsastro.de/

um 19:20 Uhr MESZ. In der fort-

viewtopic.php?t=7126&sid=fd80

geschrittenen Dämmerung (Sonne

ade13768181ce4e5c52cd1de410a

10 Grad unter dem Horizont) steht der

[8] Bildarchiv der Fachgruppe Kometen:

[4]

[8]

Komet noch über 20 Grad hoch; Hellig-

http://fg-kometen.vdsastro.de/

keit: 2,2 mag. Die Ansicht wurde

bilder.htm

mit Stellarium erstellt.

Journal für Astronomie Nr. 90 | 89

Mond
Der Mond als Foto-Objekt
- was bietet sich an Möglichkeiten?
Vermutlich werden sich die meisten Sternfreunde schon mehr oder weniger intensiv mit dem Mond befasst haben und nicht nur die Fotografen. Unsere Bilderstrecke ist eingerichtet, um genau da anzusetzen: Geht es nur um ein schnelles Bildchen, weil gerade keine Möglichkeiten für Deep-Sky-Aufnahmen bestehen? Unser Erdmond bietet als nächstes kosmisches Objekt viel mehr. Will man sich einmal näher mit der Mondmorphologie befassen, gibt es genügend spannende Details und Informationsquellen (bei Bedarf bitte anfragen). Krater, Maria, Rillen und Bergzüge tragen alle eine interessante Entwicklungsgeschichte in sich.
Abgesehen davon ist der Mond auch etwas für Romantiker. Mond/ Planeten-Konstellationen, schöne Motive in der Dämmerung, mit Vordergrundmotiven - das ist doch Ästhetik pur. Und Ästhetik ist ja für die meisten Astrofotografen das Zauberwort, auf das sie sich gern beziehen. Hier stehen wieder gemischte Bilder an - für jeden ist etwas dabei.
Die Redaktion dankt allen Einsendern und wünscht interessante Anregungen bei der Bilderschau.
Peter Riepe
1 Jörg Kropp fotografierte am Abend des 11. Februar 2024 mit seinem Handy (Apple iPhone 15 Pro
Max, Standardoptik 5x eingestellt) an eine Mauer angelehnt den zunehmenden Mond mit aschgrauem Licht über dem kleinen Hafen von Saint-Maries-de-la-Mer (Camargue). Automatik-Belichtung minus 1,7 Blendenstufen eingestellt, Anzeige: f/2,8, 1/8 s belichtet, ISO 1250, DNG-Datei zur Nachbearbeitung in Affinity umgewandelt und ein wenig mit AstroArt bearbeitet.
90 | Journal für Astronomie Nr. 90

2 Die Aufnahme von Patricio Calderari zeigt den abnehmenden Mond mit aschgrauem Licht am 08. Dezember 2023 um
06:09 Uhr in leichtem Dunst über der Bucht von Moraira/Spanien. Etwas weiter östlich steht die Venus. Kamera: Nikon D810a, Objektiv: Nikkor 80-200 mm f/2,8 (auf Blende 4 abgeblendet), 6 s belichtet bei ISO 1600.
3 Ein Beispiel für Herausforderungen mit hohem Kontrast: Die den Mond bedeckende leichte Bewölkung hilft, das grelle Licht zu dämpfen. In
der Wolkenlücke links daneben zeigt sich Jupiter mit den vier Galileischen Monden. Aufnahmedaten: 18. Januar 2024, 19:08 Uhr MEZ, Canon EOS 80D, Objektiv 1:2,8 / 200 mm, 1/4 s belichtet bei ISO 400. Bearbeitet mit Adobe Photoshop, Topaz DeNoise. Bildautor: Manfred Gentsch.
Journal für Astronomie Nr. 90 | 91

Mond 92 | Journal für Astronomie Nr. 90

4 Am 10. September 2023 morgens
erstellte Bernd Gährken mit einem 10-Zoll-Refraktor (f/16) ein TerminatorMosaik der abnehmenden Mondsichel. Verwendet wurde ausnahmsweise eine ZWO ASI462, deren kleiner Farb-Chip eher weniger geeignet ist. Dennoch kam ein brauchbares Panorama heraus. Der hier gewählte Ausschnitt zeigt links oben den Krater Marius, zur Mittellinie Kepler mit seinem Strahlensystem, darunter Encke. Im Oceanus Procellarum sitzen einige teilweise versunkene Kraterruinen, z. B. am unteren Bildrand links Letronne.
6 Rechts: Drei Strahlenkrater im
Bildfeld: Copernicus (rechts oben), Kepler (untere Mitte), Aristarch mit Herodotus und Vallis Schroeteri (oben links). Von Kepler aus zieht sich ein Strahl nach links unten zum Krater Reiner, knapp links daneben liegt Reiner Gamma, ein kleines Gebiet großer Helligkeit von etwa 70 km Ausdehnung - ein ,,Swirl", geprägt durch eine magnetische Anomalie. Aufnahme vom 26. Januar 2024, Mond 98,5 % abnehmend, Celestron Edge HD 9.25, CMOS-Kamera ZWO ASI178MM, SER-Videos mit 5.000 Einzelbildern, bearbeitet von Bildautor Manfred Gentsch mit AutoStakkert4!, RegiStax6, Topaz DeNoise und Adobe Photoshop.

5 Das Mare Imbrium wird westlich
(links) durch den Einschlagskrater Sinus Iridum begrenzt, dessen linke Hälfte als Gebirgszug Montes Jura gut erhalten ist. Ins Mare Imbrium hinein mündet Montes Jura als Kap Heraklides (unten) und Kap Laplace (oben). Fast im Dunkel liegend der Krater J. Herschel, weiter links oben der markante Fontenelle, rechts oben am Rand des Mare Imbrium der flache Plato. Aufnahme vom 30. Mai 2023 in Grasberg, Celestron C11 SC XLT 280 mm / 2.800 mm, CMOS-Kamera ZWOptical ASI178MM, R-Filter (Typ II C) von Astronomik, 100 x 64,05 ms belichtet bei Gain 109 (= 21%). Bildautor: Kai-Oliver Detken.

Mond

Mond
7 Der zunehmende Mond um das erste
Viertel. Thomas Wahl setzte die Aufnahmen vom 18. Januar 2024 um 17:47 Uhr UT (Mondalter 7,2 Tage) und vom 19.01.2024 um 16:47 Uhr UT (Mondalter 8,2 Tage) nebeneinander. Fährt man die Terminatorzone vergleichend ab, erkennt man sehr schön die landschaftlichen Änderungen von einem zum folgenden Tag. Teleskop war ein 16-Zöller (Meade LX200 EMC) mit Starizona-Reducer, f = 2.700 mm, DSLR Canon EOS 6D MK II, Belichtungszeit 32 x 1/125 s bei ISO 100.
94 | Journal für Astronomie Nr. 90

Radioastronomie

Moon Bounce
- einmal Mond und zurück
von Bernd Ofterdinger

Mein Name ist Bernd Ofterdinger mit dem Amateurfunkrufzeichen DL8LO. Ich wohne in der Mitte von Schleswig-Holstein. Als Funkamateur bin ich sehr aktiv vom Kurzwellenbereich bis hin zu 23 cm Wellenlänge. Die Beobachtung von Gewittern gehört ebenfalls zu meinem Hobby. Ich messe die Stärke der Blitze im 16-kHz-Bereich elektrisch mittels Antennen und Ferritstäben.
Was ich aber bisher nicht gemacht habe, sind Erde-Mond-Erde (EME)-Verbindungen. Diese Gelegenheit bot sich durch einen Aufruf der Fachgruppe Radioastronomie. Dort wurde das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn benannt, das Funkamateure für ein Experiment an Schulen suchte, um mit den dortigen Jugendlichen gemeinsam dem Mond eine Nachricht zu senden und so grundlegende astronomische Fragen zu behandeln.

Die Sendefrequenz ist 1296 MHz (Amateurfunkband 23 cm). Deshalb werden für dieses Projekt die ,,Funker" benötigt. Das reflektierte Signal sollte dann vom 100-mRadioteleskop Effelsberg in der Eifel empfangen und per Datenleitung zurück an die jeweilige Schule gesendet werden. So bewarb ich mich im Mai beim Max-PlanckInstitut für Radioastronomie in Bonn per Mail. Drei Wochen später erhielt ich sehr zu meiner Freude eine positive Antwort und eine Einladung nach Bonn.
Wir trafen uns am 15.06.23 zu einem Kennenlernen der Ansprechpartner/innen seitens des Instituts und der anderen Funkamateure in Bonn.
Danach besichtigten wir auf dem Dach die dort aufgebaute Sendeanlage. Sie bestand aus einem selbst hergestellten 50-Watt-

Sender, einem 120-cm-Spiegel mit einem LNC, dem Dreibeinstativ sowie einem PC, der die eigens dafür geschriebene Software enthielt. Diese dient zur Steuerung des Senders (Abb. 1). Das massive Stativ hatte eine 360-Grad-Skala zur Feinjustierung der Antenne. Der auf das Stativ montierte Antennenfuß war ausgestattet mit einem elektronischen Elevationsmessgerät. So konnte bei gerade ausgerichtetem Stativ eine Höhe von 60 Grad erreicht werden. Zum Drehen und Neigen konnten zwei große Stellschrauben benutzt werden.
Um die Anlage bedienen und verstehen zu können, hatten wir die Gelegenheit, uns mit den Modalitäten vertraut zu machen. Unsere Aufgabe würde es sein, die komplette Anlage funktionsfähig bei der jeweiligen Schule aufzubauen und in Betrieb zu nehmen. Zusätzlich haben wir uns die kosten-

1 Die Anlage auf dem Flachdach des Gymnasiums Helene-Lange-Schule in Hannover

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Radioastronomie

teil. Seine Aufgabe für diese beiden Schulen war es, den Schülerinnen und Schülern das Projekt theoretisch mit Hintergrundwissen zu vermitteln.

2 Herr Thies (rechts im Bild) mit seiner Fachgruppe der Helene-Lange-Schule

Hierbei ging es inhaltlich um die folgenden Themen: - Kurzeinblick in die verwendeten Instru-
mente (mobile Sendeanlage und Effelsberg) - grundlegende astronomische Inhalte zum Mond (Bewegung, Entfernung, Größenverhältnisse, Abschätzungen zu Winkeln mit der Hand) - elektromagnetisches Spektrum und Absorptionsverhalten der Atmosphäre - Dopplereffekt (meist aus der Akustik gut bekannt, aber hier jetzt auf elektromagnetische Strahlung angewandt)

3 Schülerinnen und Schüler vor der Anlage auf dem Schulhof des Gymnasiums
Süd in Buxtehude

Diese wurden an mehreren Stationen vermittelt: Raum 1: Hier fand die Signalauswertung von LiveMesswerten der Antenne, im Sinne der Messung der Mondgeschwindigkeit in radialer Richtung, statt.

lose App Luna SolCal auf unseren Smartphones installiert. Sie dient zum schnellen Auffinden von Sonne und Mond bei bedecktem Himmel.
Der Wunsch von uns, eine Bedienungsanleitung zu erhalten (die gab es zu der Zeit noch nicht), wurde gerne entgegengenommen und diese eine Woche später durch den Softwareentwickler bereitgestellt. Auch wurde eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet. Uns wurde dann noch die Gelegenheit gegeben, einen Rundgang mit einem Entwicklungsingenieur durch das Institut zu machen. Dort gab es Messgeräte und Equipment, von denen ich als Amateur nur träumen kann.

Nun hieß es, auf die Rückmeldungen der Schulen zu warten. 17 Schulen hatten bundesweit ein Interesse bekundet. Da ich aus dem Norden komme, gab es für mich eine natürliche Fahrgrenze, daher fielen zwei Schulen in ,,meinen" Bereich: Eine Schule in Hannover und eine Schule in Buxtehude. Jessica Koch vom MPIfR lud dann zu je einer Videokonferenz mit der entsprechenden Schule ein, um sich kennenzulernen und über den Ablauf zu sprechen. Es wurden Aufgaben verteilt, wie zum Beispiel: Anbindung an das Internet, Stromversorgung, Standortbestimmung und Absperrung. An diesen beiden Videokonferenzen nahm auch Dr. Simon Kraus vom Lehrstuhl für Didaktik in der Physik der Uni Siegen

Raum 2: Dort waren die Stationen zu folgenden Themen aufgebaut: - Verständnis eines Wasserfalldiagramms - Dopplereffekt am Fadenpendel (schwin-
gendes Handy und Tablet zur Aufzeichnung) - Messung der Lichtgeschwindigkeit aus den ,,Mondgesprächen" (Nixon und die Apollo-Astronauten) - Morse-Alphabet
Zum Abschluss wurde dann noch auf die Abschätzung der Strahlungsleistung eingegangen, die in Effelsberg zu empfangen war. Danach sollten kleine Gruppen gebildet werden, die dann an der Sendeanlage praktisch mitwirken könnten.

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Radioastronomie

Standort Hannover Dr. Simon Kraus und ich reisten am 06.09.2023 zum Gymnasium Helene-Lange-Schule. An diesem Tag trafen wir uns mit dem Fachlehrer Stephan Thies zwecks einer Begehung. Dabei mussten wir leider feststellen, dass sich der Schulhof als völlig ungeeignet als Standort für die Anlage erwies. Das Hauptgebäude war zu hoch, um einen direkten Sichtkontakt zum Mond zu haben. Auf einem Flachdach eines zweiten Gebäudes gab es dann einen geeigneten Standort. Hier lagen 50-cm-Gehwegplatten zu einem schmalen Weg ausgelegt. Probleme hatten wir zu Anfang auch mit dem Stromanschluss sowie der LAN-Anbindung. Stephan Thies fand aber eine Lösung. Am folgenden Tag konnten wir dann die Anlage sehr früh aufbauen. Nachdem die Schülerinnen und Schüler durch Simon Kraus theoretisch unterrichtet worden waren, ging es zur Anlage. Die jungen Damen und Herren konnten hier Fragen stellen, die ich dann beantwortet habe. Vorgesehen war, dass auch die Ausrichtung des Spiegels durch die jungen Leute nach Anleitung vorgenommen werden konnte. In einem Textfenster konnte am Laptop eine kurze Nachricht verfasst werden, die dann im CW-Modus, d. h. als Morsezeichen, anschließend zum Mond ge-

sendet wurde. Das Feedback kam dann per Datenleitung. Es bestand ein sehr großes Interesse von den Schülerinnen und Schülern.
Auf der Homepage der Schule ist ein Bericht [1] der Schule verfasst. Wir hatten ein Zeitfenster von 8 Uhr morgens bis 13 Uhr, um senden zu können. Nach dem Abbau ging es dann am gleichen Tag nach Buxtehude, wo wir uns mit dem dortigen Fachlehrer Tim Bodenstein vor Ort treffen wollten.
Standort Buxtehude Auch hier wurde der Standort am Gymnasium Buxtehude Süd begutachtet und festgelegt. Am 08.09.2023 gegen 8 Uhr wollten wir starten, aber die LAN-Verbindung klappte nicht. Der Fachlehrer Tim Bodenstein stellte dann einen Hotspot über sein Smartphone zur Verfügung. Ebenfalls bestand auch hier ein sehr großes Interesse. Die Schülerinnen und Schüler fanden es toll, den Spiegel einzustellen sowie eine Nachricht zu versenden. An beiden Tagen stand in Bonn ein Support für die Software bereit, falls Probleme auftraten. Ein 14-jähriger Schüler fragte nach der Erklärung der Anlage, ob man damit auch Geld verdienen könne ... Gegen 13:30 Uhr beendeten wir in Buxtehude das Experiment.

Der Wettergott meinte es sehr gut mit uns. Die Temperaturen lagen bei 28 Grad C bei strahlend blauem Himmel. Der Mond war während des ganzen Experiments in einem Winkel von ca. 60 Grad Elevation zu sehen. Nach dem Abbau ging es dann wieder nach Hause.
Auf diesem Weg bedanke ich mich ganz herzlich bei den Mitgliedern, insbesondere bei Frau Jessica Koch, die immer ein offenes Ohr hatte, wenn es um Probleme und schnelle Lösungen ging, und dem technischen Support am Max-Planck-Institut für Radioastronomie sowie am Lehrstuhl für Didaktik in der Physik der Uni Siegen. Ebenfalls ein großes Dankeschön an Herrn Dr. Simon Kraus für die hervorragende Zusammenarbeit!
Mir hat es sehr viel Spaß bereitet. Gerne wieder!!
Internethinweis (Stand Januar 2024) [1] Bericht auf der Homepage der Hele-
ne-Lange-Schule: www.hlshannover. de/einmal-zum-mond-und-zurueck/

Vollmondaufgang am 24. Mai 2024

Impression
Maciej Libert hat für die Aufnahmesequenz den 25 Meter hohen Leherheider Tunnelberg in Bremerhaven erklommen. Die Bilder entstanden mit einer Canon EOS R6 Mark II und einem Objektiv mit 600 mm Brennweite bei Blende 1:6,3, ISO 1600, Belichtungszeit 0,6 s.

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Sonne

Die Sonnetagung 2023 in Osnabrück
von Andreas Zunker

Das war eine lange (Vor-)Geschichte ... Am Rande der VdS-Tagung 2019 in Neunburg bot Andreas Hänel, damals noch Leiter des Planetariums Osnabrück, dem Autor an, die Sonnetagung 2020 in Osnabrück auszurichten. Ein Angebot, das von der Fachgruppe Sonne wenig später gern angenommen wurde. Etwa zeitgleich tauchte in Europa ein bisher nur in China bekanntes Virus auf und änderte vieles. So wurde die Tagung Jahr um Jahr verschoben.

Am Samstag, dem 14.10.2023, war es dann endlich so weit: 18 Sonnenbeobachter trafen sich in Osnabrück, 8 weitere nahmen online teil (Abb. 1).

Das Planetarium Osnabrück gehört zum naturkundlichen ,,Museum am Schölerberg". Unter der 8-Meter-Kuppel können bis zu 64 Zuschauer die Projektionen des ZKP4-Projektors und eines Fulldome-Systems sowie Dolby-Surround-Sound genießen. Teil des Museums ist auch das moderne Tagungszentrum ,,unter.Bau", in dem die Vorträge stattfanden.

1 Die Teilnehmer der 43. Sonnetagung. Bild: Carsten Debbe

Vor der offiziellen Eröffnung trafen sich die Redakteure des Mitteilungsblattes SONNE zu ihrer alljährlichen Redaktionssitzung, ebenfalls nach vier Jahren erstmals wieder in Präsenz. Neben den Berichten der einzelnen Redakteure, die gleichzeitig die Ansprechpartner für das jeweilige Spezialgebiet/Beobachternetz sind, standen Möglichkeiten zur Aktivierung neuer/junger Beobachter und der Ausbau der Internetseite sonne.vdsastro.de bzw. www.vdssonne.de auf der Agenda. Thomas Hölzke wurde als neues Redaktionsmitglied herzlich aufgenommen. Er hatte bereits bei den Vorbereitungen zur Tagung mitgeholfen, herzlichen Dank dafür!

Nach der Eröffnung berichtete Andreas Bulling über den aktuellen Stand des SON-

2 Heinz Hilbrecht bei seinem Fachvortrag. Bild: Thorsten Ratzka

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Sonne

NE-Relativzahlnetzes. Trotz sinkender Beobachterzahlen gibt es (noch) keine Lückentage. Die Qualität der Beobachtungen ist weiterhin sehr gut im Vergleich mit dem SIDC und anderen Beobachternetzen. Er arbeitet an einem neuen Auswertungsverfahren, da es in sehr niedrigen Minima Probleme mit der Berechnung des k-Faktors für die einzelnen Beobachter gibt. Deshalb musste im letzten Minimum der Auswertungszeitraum auf zwei oder drei Jahre verlängert werden.
Danach sprach Wolfgang Bischof über die Randverdunkelung der Sonne. Anhand eigener Aufnahmen mit verschiedenen Filtern konnte er zeigen, dass die Randverdunkelung bei niedrigen Wellenlängen am ausgeprägtesten ist. Wolfgang ist auch in der Fachgruppe Planeten und deren Mailingliste aktiv und gehört zu den Planetenbeobachtern, die ebenfalls regelmäßig die Sonne beobachten. Im letzten Jahr hat sich ein guter Kontakt zu ihnen etabliert und ein Teil von ihnen hat auch an der Tagung teilgenommen. Für 2024 oder 2025 ist wieder eine gemeinsame Sonne- und Planetentagung geplant.
Anschließend berichtete Thomas Hölzke über den aktuellen Stand der Missionen Solar Orbiter (ESA) und Parker Solar Probe (NASA). Beide beobachten teilweise koordiniert. So konnte beispielsweise mit ihrer Hilfe dazu beigetragen werden, dass die Aufheizung der Korona durch Turbulenzen in der Chromosphäre besser verstanden wird.
Nach einer kurzen Kaffeepause folgte der einzige Online-Vortrag der Tagung. Harald Paleske präsentierte den SpiegelUnigraphen, sein neues selbstgebautes 300-mm-Sonnenteleskop. Gezeigt wurden Bilder der Technik des Instrumentes sowie beeindruckende erste Beobachtungsergebnisse im H.

3 Jens Leich zeigt eine seiner beeindruckenden Sonnenzeichnungen. Bild: Carsten Debbe

Nächster Vortragender war Thomas Kunzemann aus dem nahegelegenen Preußisch Oldendorf, der seine Sonnenbeobachtungen vorstellte, die er hauptsächlich fotografisch mit einer Planetenkamera durchführt. In der danach folgenden Pause wurde leckere Pizza aus einem nahegelegenen Ristorante verspeist. Gleichzeitig liefen die Vorbereitungen für den Höhepunkt des Abends.
Das war zum einen der öffentliche Fachvortrag von Heinz Hilbrecht, zu dem sich auch einige interessierte Besucher und Vertreter der Lokalpresse einfanden. Parallel dazu wurde auf einer zweiten Leinwand ein Livestream der ringförmigen Sonnenfinsternis gezeigt, die beispielsweise in den USA und Südamerika sichtbar war.
In seinem Vortrag ,,Der unbekannte Mond: globale Staubstürme und heiß leuchtende Gesteine" sprach Heinz Hilbrecht über den Einfluss der Sonnenaktivität auf den Mond (Abb. 2). Durch den Sonnenwind werden die Partikel des Mondstaubs elektrisch aufgeladen, so dass es dazu kommen kann, dass sie einander abstoßen und dadurch auch nach oben fliegen. Dieser Effekt könnte die Grundlage für kurzzeitige Leuchterscheinungen auf dem Mond sein,

die ,,Lunar Transient Phenomena" (LTP). Um diesen Zusammenhang zu erforschen, hat Heinz Hilbrecht das LTP-Projekt gegründet. Bei hoher geomagnetischer Aktivität (z. B. nach einer Sonneneruption) in der Zeit um Vollmond (+- 3 Tage) beobachten die Projektteilnehmer den Mond. Unter diesen Bedingungen ist die Chance, LTPs zu sehen, nämlich am höchsten. Die Gruppe freut sich über neue Mitstreiter, nähere Informationen über das Projekt unter [1]. Auch nach diesem Vortrag gab es wieder eine angeregte Diskussion, die den Abschluss des ersten Tagungstages bildete.
Den ersten Vortrag am Sonntag hielt Jens Leich. Als einer der wenigen Beobachter zeichnet er die Sonne, und das mit einem erstaunlichen Detailreichtum (Abb. 3). Er erläuterte, wie er dabei vorgeht, auch nachzulesen in [2]. Großes Interesse fanden im Anschluss an seine Ausführungen die von ihm mitgebrachten Originalzeichnungen.
Danach kam nochmal Heinz Hilbrecht, diesmal sprach er über sein anderes Spezialgebiet, die Lichtbrücken. Anhand vieler Aufnahmen von Sonnenflecken zeigte er, dass Lichtbrücken eben nicht das magnetische Gedächtnis der Fleckenentwicklung sind.

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Sonne

4 Besichtigung der Sternwarte auf dem Oldendorfer Berg. Bild: Carsten Debbe

Danach nutzten noch einige Teilnehmer die Gelegenheit, die Sternwarte des Naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück (NVO) zu besichtigen (Abb. 4). Sie befindet sich auf dem Oldendorfer Berg in der Nähe von Melle und verfügt über ein 60-cm-Spiegelteleskop sowie einen 130-mm-Refraktor, mit dem nun endlich auch die Sonne beobachtet werden konnte, was während der Tagung wetterbedingt leider nicht möglich

war. Nebenbei erfuhren wir viel über die Geschichte der Sternwarte und des Hauptinstruments. Wie so oft war dies alles nur durch das außergewöhnliche Engagement der Vereinsmitglieder möglich.
Damit ging wieder eine gelungene Sonnetagung zu Ende. Es war schön, sich endlich mal wieder persönlich zu treffen und zu fachsimpeln!

An dieser Stelle geht ein großes Dankeschön an Andreas Hänel sowie seinen Nachfolger Thorsten Ratzka und dessen Team für die vorbildliche und professionelle Durchführung der Tagung! Es war super, wir kommen gerne in ein paar Jahren wieder!
Literatur- und Internethinweise (Stand 04.03.2024): [1] Fachgruppe Sonne: Homepage,
http://sonne.vdsastro.de/de/ AG-LTP-Projekt.php
[2] J. Leich, 2024: ,,Meine Erfahrungen beim Zeichnen der Sonne", VdSJournal für Astronomie 88, S. 86

Die Mitte-Rand-Variation der Sonne spektral aufgelöst
von Andreas Ulrich

Die Verringerung der Helligkeit der Sonnenscheibe zu ihrem Rand hin ist von vielen Fotos und natürlich durch das Studium der Photosphäre seit den ersten spektralen Beobachtungen von Joseph von Fraunhofer wohl bekannt. Hier möchte ich zeigen, dass es gelingt, mit relativ einfachen Mitteln etwas mehr über die Mitte-Rand-Variation zu erfahren, wenn die Lichtintensität spektral aufgelöst gemessen wird. Es soll auch versucht werden, einen weitgehend qualitativen Bezug zu den physikalischen Bedingungen der Sonnenphotosphäre herzustellen.

Ausgangspunkt der Überlegungen war die Erklärung der Mitte-Rand-Variation, dass bei einer Plasmaschicht, wie sie die Sonnenphotosphäre darstellt, jeweils Licht aus der optischen Tiefe 1 (räumliches Integral über den optischen Absorptionskoeffizienten bei einer bestimmten Wellenlänge) beobachtet wird. Da wir von der Erde aus die Sonne in der Mitte senkrecht und am Rand tangential betrachten, wird die optische Tiefe 1 in der Mitte tief in der Photosphäre erreicht, am Rand weiter außen. Da die Temperatur nach außen hin abfällt, ist zumindest die Kontinuumsstrahlung dort

schwächer und entspricht einem PlanckSpektrum niedrigerer Temperatur als in der Mitte der Sonnenscheibe. Neben der ,,Verdunkelung" zum Rand hin, ist also auch eine Rotverschiebung im kontinuierlichen Spektrum zu erwarten (Wiensches Verschiebungsgesetz, nicht zu verwechseln mit der Rotverschiebung der Fraunhoferlinien durch einen Dopplereffekt). Die Frage ist nun, ob dies mit einfachen Mitteln zu beobachten ist. Zudem hat sich mir die Frage gestellt, wie sich das über die Sonnenscheibe gemittelte Sonnenspektrum bei einer partiellen Sonnenfinsternis ändert, da ja

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Spektroskopie

zeitabhängig unterschiedliche Anteile der Randbereiche im Verhältnis zur Gesamtfläche vom Mond abgedeckt sind.
Beobachtungstechnik Wichtigstes Hilfsmittel bei den Messungen war ein kleines Gitterspektrometer, dem das Licht mit einer Glasfaser (Quarz, 0,6 mm Durchmesser) zugeführt wird (Ocean Optics Modell 65000). Das Spektrometer hat einen Eintrittsspalt mit 5 m Breite und eine Auflösung von 0,5 nm. Es nimmt bei einer Belichtung einen Spektralbereich von 184 bis 972 nm auf. Die Dynamik entspricht 16 bit. Die Datenaufnahme kann einzeln ausgelöst werden. Es kann aber auch automatisch eine Serie von Spektren aufgenommen und in dem Rechner gespeichert werden, mit dem das Spektrometer betrieben wird.
Eine Serie von Spektren wurde so gewonnen, dass mit einem kleinen Teleskop (Celestron C5) ein Sonnenbild von ca. 20 cm Durchmesser auf einen Schirm projiziert wurde. Im Zentrum des Schirms war das Ende der Glasfaser des Spektrometers angebracht. Das Teleskop wurde nicht nachgeführt, so dass das Bild der Sonnenscheibe im Verlauf von ca. 2 Minuten über den Schirm wanderte. Diese Anordnung wurde so eingestellt, dass möglichst genau ein voller Durchmesser der Sonnenscheibe über das Ende der Glasfaser hinwegwanderte. Dabei wurde jede Sekunde ein Spektrum aufgenommen, das aus einer automatischen Mittelung von 50 Einzelspektren zusammengesetzt wurde. Mit der Durchgangszeit der Sonne wurde so eine räumliche Auflösung von ca. 1% des Sonnendurchmessers erreicht.
Zur Aufnahme von Spektren, die über die Sonnenscheibe gemittelt sind, wurde die Sonne mit einer kurzbrennweitigen Quarzlinse (f = 8 cm) auf die Eintrittsöffnung einer Ulbrichtkugel [3] abgebildet. Die Intensität wurde mit einer Irisblende vor der Linse geregelt. Die Glasfaser war an der vorgesehenen Stelle an der Ulbrichtkugel angeschlossen. Hier wurden während der partiellen Sonnenfinsternis am 20.03.2015 zu ver-

1 Sonnenspektren von der Mitte (blau) und dem Rand (rot) der Sonnenscheibe
(ca. 1 bis 2% des Durchmessers vom Rand entfernt) im Vergleich. Die Spektren wurden bezüglich ihrer Maxima skaliert, um den spektralen Verlauf beurteilen zu können. Die Verschiebung des Kontinuums ins Rote am Rand ist deutlich erkennbar. Die Wellenlängen der Fraunhoferlinien bleiben konstant. Da nur der Vergleich der Spektren wichtig ist, wurden diese nicht auf die spektrale Ansprechfunktion des Nachweissystems korrigiert.
2 Spektraler Verlauf der Intensitätsverhältnisse in der Sonnenmitte und am
Rand. Aufgetragen ist das Verhältnis der Intensitäten eines Spektrums aus der Mitte und eines Spektrums ca. 2% des Durchmessers der Sonnenscheibe vom Rand entfernt. Die rote Kurve ist eine exponentielle Kurvenanpassung (s. Text).
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Spektroskopie

3 Mitte-Rand-Variation auf der Sonnenscheibe bei verschiedenen Wellenlängen im
sichtbaren Bereich: 400 nm blau, 500 nm grün, 800 nm rot. Die Verläufe wurden auf den Maximalwert skaliert.
4 Vergleich der Profile im Licht der H-Linie (rot) mit Profilen unmittelbar benach-
barter Wellenlängen (blau). Es wurden zwei Profile bei kürzeren und längeren Wellenlängen zum Vergleich gewählt, um den Effekt der systematischen Veränderung mit der Wellenlänge auszuschließen. Wie zu erwarten entspricht das Profil bei der HLinie dem einer deutlich längeren Wellenlänge und damit einer tieferen Temperatur (s. Abb. oben). Anmerkung: Die beiden Vergleichsprofile sind in der Abbildung dargestellt, aber nicht zu unterscheiden. Dies bestärkt die Signifikanz der Beobachtung.
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schiedenen Zeiten Spektren aufgenommen. Die Anordnung ist im Literaturhinweis [1] näher beschrieben.
Messergebnisse Unter den 5 Messreihen, welche von Garching aus zur Beobachtung der Mitte-Rand-Variation am 07.04.2010 um ca. 11 Uhr aufgenommen wurden, war eine, die den Sonnendurchmesser sehr gut mittig abgetastet hatte. Die so gewonnen Daten bestehen aus 130 Spektren. Mit orts- und wellenlängenaufgelösten Daten kann nun zunächst die Frage betrachtet werden, wie sich Spektren der Mitte und des Randes der Sonne bei ca. 1% Ortsauflösung unterscheiden. Die folgenden Spektren wurden zentral (blau) bzw. 1 bis 2% des Durchmessers der Sonnenscheibe vom Rand entfernt (rot) aufgenommen (Abb. 1).
In einem nächsten Schritt stellt sich die Frage des Intensitätsverhältnisses in Abhängigkeit von der Wellenlänge für die beiden Orte auf der Sonnenscheibe, Mitte und Rand (Abb. 2).
Dieses Verhältnis zeigt zwei Aspekte. Wenn die Spektren von der Kontinuumsstrahlung dominiert sind und diese als Schwarzkörperstrahlung angenommen wird, lässt sich aus dem Verlauf der Kurve mit Hilfe des Planckschen Strahlungsgesetzes die Temperaturdifferenz zwischen den beiden Orten auf der Sonnenscheibe abschätzen. Dazu ist in der Abbildung das Verhältnis der Intensitäten eines Spektrums in der Mitte der Sonne und ca. 2% des Durchmessers vom Rand entfernt gezeigt. Der Zusammenhang für die Intensität von Planckstrahlern verschiedener Temperatur T1 und T2 ergibt sich zu
I1 / I2 = exp (c / ( 1 / T2 - 1 / T1 ))
Dabei ist c eine Konstante mit einem Wert von 14 - 400 mK. Die Abbildung zeigt, dass der spektrale Verlauf bis herab zu einer Wellenlänge von ca. 560 nm (1/ = 0,0028/nm) gut durch ein exponentielles Wachstum in Abhängigkeit von der inversen Wellenlänge wiedergegeben wird, wie

Spektroskopie

es die obige Formel vorhersagt. Das Intensitätsverhältnis ist z. B. bei 500 nm recht genau 10. Wird für die Sonnentemperatur in der Mitte 6.000 K angesetzt, ergibt sich für den Sonnenrand durch Auflösen nach T2 eine Temperatur von numerisch 4.056 K, also etwa 4.000 K. Abbildungen der Sonne mit Sonnenflecken zeigen, dass der Rand durchaus so dunkel erscheint, wie ein Sonnenfleck, der auch 4.000 bis 5.000 K heiß ist [2]. Ohne eine genauere Quantifizierung aller Parameter und ohne Fehlerrechnung ergibt sich daher aus der einfachen Betrachtung ein durchaus sinnvoller Wert für die Temperaturen bei der optischen Tiefe 1 in der Sonnenmitte und am Rand. Der glatte Verlauf des Intensitätsverhältnisses zeigt, dass der fluktuierende Verlauf der Spektren in der Abbildung 1 kein Rauschen des Signals (Fehler) ist, sondern ein Effekt der Überlagerung von Wellenlängenauflösung und schwachen Fraunhoferlinien ist.

Form der Auswertung. Werden aus allen Spektren die Intensitäten bei einer bestimmten Wellenlänge extrahiert und in Abhängigkeit von der Nummer des Spektrums aufgetragen, ergibt sich ein Intensitätsprofil über die Sonnenscheibe hinweg bei der jeweiligen Wellenlänge (Abb. 3). In dieser Abbildung ist dies für den auch oben verwendeten Datensatz exemplarisch für kurze, mittlere und lange Wellenlängen dargestellt. Sie zeigt mit 400, 500 und 800 nm etwa den Unterschied der Profile bei verschiedenen Wellenlängen im sichtbaren Bereich.
Die Daten zeigen, dass die Mitte-Rand-Variation der Sonne doch deutlich von der Wellenlänge abhängt. Der Sonnenradius

(Position des Randes in der obigen Abbildung) ist aber nicht merklich von der Wellenlänge abhängig, was zeigt, dass die Photosphäre der Sonne zumindest für den sichtbaren Spektralbereich eine dünne Schicht darstellt. Um zu zeigen, dass die Sonne bei der Wellenlänge einer Fraunhoferlinie die optische Tiefe 1 geometrisch bei einem größeren Radius und damit in einem kälteren Bereich der Photosphäre beobachtet wird, ist in der Abbildung 4 das Profil bei der Wellenlänge der H-Linie mit Profilen bei unmittelbar benachbarten Wellenlängen verglichen.
Die Beobachtung zeigt sehr deutlich das erwartete Ergebnis eines Intensitätsprofils innerhalb der Fraunhoferlinie, welches einer

Der andere Aspekt ist, dass viele spektrale Strukturen, Fraunhoferlinien und tellurische Linien, gleich skalieren und sich über einen weiten Spektralbereich ein glatter Verlauf ergibt. Da, wo er unterbrochen ist, ist stets die Intensität im Spektrum in der Mitte kleiner, der spektrale Intensitätseinbruch in der Mitte der Sonnenscheibe also stärker. Das wird dadurch verständlich, dass der durchstrahlte Weg des Lichtes in der Sonnenmitte von der optischen Tiefe 0 bis zur optischen Tiefe 1 einem größeren Temperaturunterschied entspricht als am Sonnenrand, was offenbar zu ausgeprägteren Fraunhoferlinien führt. Die tellurischen Linien (z. B. Fraunhofer A und B) zeigen dieses Verhalten wegen ihres Ursprungs in der Erdatmosphäre natürlich nicht und das Intensitätsverhältnis verläuft in diesem Spektralbereich glatt.
Nun erlaubt der so einfach gewonnene, aber umfangreiche Datensatz eine weitere

5 Die Abbildung zeigt die anteilmäßige Bedeckung der Sonnenfläche (,,Scheibe", rot) und
des Sonnenrandes (,,Rand", schwarz) in Abhängigkeit vom Abstand der Mittelpunkte von Sonne und Mond in Einheiten des als gleich angenommenen Radius von Sonne und Mond. Wenn sich die schwarze Scheibe fast ganz über die rote Scheibe schiebt, ist die Bedeckung der Scheibe fast vollständig (also 1, d. h. 100%). Vom Rand ist kurz vor der vollständigen Abdeckung noch etwa die Hälfte sichtbar (Bedeckung 0,5). Entfernen sich dagegen die Mittelpunkte der Scheiben um mehr als ihren doppelten Radius (x-Achsenwert = 2), sind weder der Rand noch die Scheibe bedeckt.

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Spektroskopie

6 Vergleich des spektral aufgelösten, aber räumlich integrierten Sonnenlichtes, welches die
Erde während der partiellen Sonnenfinsternis vom 20.03.2015 in Süddeutschland bei einer maximalen Bedeckung von 60% (rot) bzw. nach Ende der Finsternis (schwarz) erreicht hat.

tieferen Temperatur entspricht als die Profile der spektralen Umgebung.
Sonnenlicht bei Finsternissen Als Anwendung der Überlegungen zur Mitte-Rand-Variation kann die Frage betrachtet werden, wie sich das Spektrum des Sonnenlichtes, das die Erde erreicht, bei einer Sonnenfinsternis verändert. Hier ist zunächst zu betrachten, wie sich die Anteile von Rand und Fläche der Sonnenscheibe mit der Größe der Bedeckung verändern. Für die grobe Analyse der Dinge, die hier vorgenommen wird, genügt es, zwei gleich große Scheiben anzunehmen, wobei sich der Abstand zwischen deren Mittelpunkten mit der Zeit verändert. Als Bedeckung wird hier der vom Mond abgedeckte Anteil des Sonnenrandes bzw. der Sonnenfläche bezeichnet. Parameter für den Verlauf der Bedeckung ist der Abstand der Mittelpunkte von Sonne und Mond, bezogen auf den (hier als gleich angenommenen) Radius der beiden Himmelskörper. Diese geometrische Fragestellung führt zu dem in der Abbildung 5 gezeigten Ergebnis.
Für ein qualitatives Verständnis der Abbildung kann man die Daten von rechts

nach links lesen. Bei einem Abstand der Zentren von zwei Radien beginnt die Bedeckung. Zuerst wird bevorzugt der Rand bedeckt, da die Fläche, die quadratisch von den Abmessungen abhängt, zunächst kaum erfasst wird. Bei einem Abstand der Mittelpunkte von 1,16 Radien sind beide, Rand und Scheibe, zu etwa 30% von der Bedeckung betroffen. Bis kurz vor der totalen Finsternis ist der Rand auf einer Seite noch frei, wodurch sich die Bedeckungswerte für ,,Rand" 50% nähern, die Scheibe aber fast vollständig bedeckt ist.
Große Unterschiede für die Anteile von Rand und Scheibe und damit auch der Spektren sollten sich also in einer frühen und einer späten Phase der Bedeckung ergeben.
Als Beispiel kann die in Deutschland partielle Sonnenfinsternis vom 20. März 2015 dienen. An diesem Tag habe ich zu verschiedenen Zeiten das Licht von der teilweise bedeckten Sonnenscheibe sowie ein Referenzspektrum der unbedeckten Sonne mit einer Ulbrichtkugel gemittelt aufgenommen (Abb. 6), die Technik ist im Literaturhinweis [1] beschrieben. Leider habe

ich kein Spektrum der frühen Phase. Die maximale Bedeckung (etwa 60%) war in Süddeutschland um ca. 10:40 Uhr. Wie die Abbildung 5 zeigt, ist bei 60% Bedeckung die Scheibe stärker bedeckt als der Rand. Dass das globale Spektrum zu dieser Zeit einen größeren Anteil des ,,röteren" Randes aufweist, zeigt die Abbildung 6. Der Effekt ist sehr klein aber besonders im Blauen deutlich erkennbar. Es wäre also interessant, diesen Effekt bei einer Finsternis zu beobachten, die in voller Länge verfolgt wird und eine größere maximale Bedeckung aufweist.
Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit spektroskopischen Beobachtungen geringer Orts- und Wellenlängenauflösung Aussagen zur Mitte-Rand-Variation der Sonnenemission gemacht werden können, die einen gewissen Einblick in den zugrundeliegenden Mechanismus dieser Erscheinung erlauben. Ähnliche Ergebnisse bezüglich der Profile wären natürlich auch mit fotografischen Beobachtungen durch schmalbandige Filter zu erzielen.
Literatur- und Internethinweise: [1] A. Ulrich, 2011: ,,Wie der Mond
scheint", Sterne und Weltraum, Februar 2011, S. 75 [2] H. H. Voigt, 1975: ,,Abriß der Astronomie", Bibliographisches Institut Mannheim/Wien/Zürich, 2. Auflage, S. 249 (s. a. 6. Aufl.) [3] Wikipedia: ,,Ulbricht-Kugel", https:// de.wikipedia.org/wiki/Ulbricht-Kugels

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VdS-Nachrichten

Die letzte Endredaktionssitzung in Heppenheim

Am 17. Februar 2024 traf sich das Redaktionsteam letztmalig in der Geschäftsstelle (GS) in Heppenheim an der Bergstraße zur Endredaktionssitzung für das Journal Nr. 90. Wieso letztmalig? Wird womöglich das Heft eingestellt? Keineswegs - die VdS zieht in eine neue GS um, und so verlassen wir jetzt das angenehme und lieb gewordene Heppenheim. Ein wenig Wehmut schwingt da schon mit, daher jetzt ein kurzer Rückblick.
Die Familie Guthier ist 1994 nach Heppenheim gezogen und ihre Privatadresse diente als VdS-Adresse. Das Büro der ersten Heppenheimer GS wurde ,,Am Tonwerk 6" eingerichtet. Eine GS läuft aber nicht von selbst. Für die organisatorischen und verwaltenden Arbeiten werden helfende Hände benötigt. So wurde 1998 Frau Wehking eingestellt. Sie arbeitete hier bis 2005. Ihre Nachfolgerin war Frau Garbe. Otto Guthier unterschrieb am 27.02.2008 den Mietvertrag für die dringend benötigten neuen, größeren GS-Räume. Und so zog Frau Gar-

be mit dem gesamten Büro in die Räume der neuen GS an der Lehrstraße ein. Zum GS-Team zählten auch noch Frau Lawrenz und Herr Seidel. Nach dem Ausscheiden von Frau Garbe ist seit Oktober 2022 Frau Elsner Ansprechperson in der GS. Festzuhalten ist: Das neue Büro war dann schon ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der VdS.
Zur Redaktionsarbeit. Seit 2001 arbeitet die Redaktionsmannschaft zusammen. Von da an kam man zunächst dreimal pro Jahr - samstags aus Nord und Süd angereist - ganztägig zusammen. Ab 2009 gibt es vier Journalausgaben pro Jahr, also auch vier jährliche Sitzungen des Redaktionsteams. Unsere Aufgaben? In den Sitzungen werden die Texte und Abbildungen der eingeschickten Beiträge sortiert, den jeweiligen Rubriken zugeordnet und alles in Bildgrößen und Seitenzahlen für eine komplettes Heft verplant. So wurden an der GS Lehrstraße einschließlich des aktuellen Heftes

Nr. 90 mehr als 60 Ausgaben erstellt. In Heppenheim wuchs unser Team schließlich auch zu einem eingespielten Freundeskreis zusammen, dem die redaktionelle Arbeit bis heute ungebremst Spaß macht (siehe Abbildung).
Nun sehen alle Beteiligten der neuen Wirkungsstätte in Bensheim/Bergstraße mit Spannung entgegen. In dem Zusammenhang möchten wir es nicht versäumen, auch den Redakteuren der 19 VdS-Fachgruppen herzlich zu danken. Ohne ihre solide Vorarbeit - nämlich Beiträge zu akquirieren und redaktionell vorzubereiten - wäre kein Journal zustande gekommen! Und so freuen wir uns darauf, auch weiterhin interessante, gut geschriebene Artikel der Fachgruppen entgegenzunehmen und für unsere Mitglieder zu neuen, ansprechenden Heften zusammenzustellen.
Peter Riepe

1 Die Endredaktionsrunde am 17. Februar 2024 letztmalig in Heppenheim. Von links: Sven Melchert (Stuttgart), Werner E. Celnik
(Rheinberg), Peter Riepe (Bochum) und Otto Guthier (Heppenheim). Nicht im Bild: Dietmar Bannuscher (Herschbach).
Journal für Astronomie Nr. 90 | 105

VdS-Nachrichten

Bericht aus dem Vorstand
von Astrid Gallus

An dieser Stelle berichtet der Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e.V. über seine Arbeit der letzten drei Monate.

Die VdS beim Astronomie- und Technik-Treff (ATT) in Essen Es ist Tradition, dass die VdS in Essen zu Gast ist. Auch 2024 konnten VdS-Mitglieder wieder vergünstigte Eintrittskarten für die größte amateurastronomische Messe Deutschlands erhalten. Die Messe war sehr gut besucht. Viele trafen sich am Messestand der VdS. Hier wurden den ganzen Tag über gute Gespräche geführt und es konnten auch viele fachliche Fragen, vor allem durch Werner Celnik, beantwortet werden. Es war schön, eine solch attraktive Anlaufstelle zu sein. Wir konnten zudem viele neue Mitglieder gewinnen. Die Journale und Flyer waren natürlich sehr gefragt ..., später waren wir ausverkauft! Die neuen Poloshirts und T-Shirts, Kappen, Mützen, Puzzle, Taschen und vor allem das Einsteigerbuch der VdS gefielen außerordentlich und wechselten den Besitzer. Nächstes Jahr präsentieren wir auch unsere schönen VdSTassen. Die Shirts können übrigens auch online auf unserer Webseite im VdS-Shop bestellt werden.
Geschäftsstelle der VdS Wie im letzten Journal angekündigt, können wir jetzt die neue Telefonnummer unserer Geschäftsstelle bekannt geben:
Anschrift: Darmstädter Straße 57, 64625 Bensheim Telefonnummer: 06251 829 1346 Jetzt auch eine mobile Rufnummer: 0157 313 774 45
Bitte beachten Sie auch bei der mobilen Telefonnummer die Geschäftszeiten: Frau Annika Elsner ist dienstags, donnerstags sowie freitags in der Zeit von 08.30 bis 12.30 Uhr für unsere Mitglieder erreichbar.

1 Der VdS-Stand beim ATT. Bild: Andreas Klug.

Service der VdS: Sternkarten Die Vereinigung der Sternfreunde stellt Vereinen und Sternwarten für ihre ehrenamtliche Tätigkeit Sternkarten und Texte kostenlos zur Verfügung, wenn die Quelle ,,Vereinigung der Sternfreunde e.V." deutlich angegeben wird. Die Karten finden Sie auf unserer Webseite unter ,,Mitgliederbereich", dort unter: Materialien für Sternwarten und Vereine. Machen Sie davon Gebrauch!

Sternwarten und Astronomische Vereine Sie sind Mitglied in der VdS, aber nicht Ihre Sternwarte oder Ihr Verein? Das sollten Sie schnell ändern: Die Mitgliedschaft eines Vereins kostet nicht mehr als die einer einzelnen Person. Und die Vorteile, der Mehr-

wert als Verein oder Sternwarte in der VdS zu sein, sind riesig!
Sie sehen, bei uns ist immer viel los! Es grüßt Sie bis zum nächsten Mal
Ihre VdS

106 | Journal für Astronomie Nr. 90

VdS vor Ort / Tagungsberichte

Wir begrüßen neue Mitglieder

Mitgl.-Nr. Vorname
21929 Andre 21930 Leon 21931 Tom 21932 Christian 21933 Jonathan 21934 Robin 21935 Jürgen 21936 Dirk 21937 Jerôme 21938 Peter 21939 Roland 21940 Johannes 21941 Marcel 21942 Hans-Jörg 21943 Nicolaus 21944 Frank 21945 Bianka 21946 Joachim 21947 Andreas 21948 Alexander 21949 Dennis

Name
Thorenmeier Stachowski Michler Moser Weiß Fiest Schnerr Naujoks Tonn Hirt Winde Kühnel Rosolski Sondermann Steenken Brünger Brodkorb Stroiczek Nitzschmann Weigand Herold

Mitgl.-Nr. Vorname
21950 Julian 21951 Jens 21952 Julian 21953 Marcel 21954 Jochen 21955 Klaus 21956 David 21957 Klaus 21958 Hermann 21959 Peter 21960 Dirk 21961 Steffen 21962 Paul 21963 Knut 21964 Finja 21965 Eric 21966 Leonie 21967 Vanessa 21968 Rolf 21969 Simon 21970 Christian

Name
Mitschke Zippel Zoller Markus Böing Jakob Schaffenrath Plusczyk Steiner Kölpin Meisner Lamprecht Zimny Schott Lubig Bardet Blöchl Schulz Kenn Bock Seidl

Mitgl.-Nr. Vorname

Name

21971 Jürgen

Nehls

21972 Safia

Ouazi

21973 Lana

Unterkötter

21974 Dietrich Kracht

21975 Volkssternwarte- und Planetarium Streitheim e.V.

21976 Alexander Spot

21977 Martin Schönhof

21978 Rudolf Ruschin

21979 Andreas Codige

21980 Thomas Rasig

21981 Arnulf Kleese

21982 Günther Krisch

21983 Dirk

Adebahr

21984 Holger Hartje

21985 Hubert Falk

21986 Hannah Sommer

21987 Susanne Sommer

21988 Schulsternwarte Minden-Lübbecke e.V.

21989 Martin Fuchs

Astronomische Themenvielfalt
bei der 40. Bochumer Herbsttagung der Amateurastronomen
von Kai-Oliver Detken
Die traditionelle Bochumer Herbsttagung (BoHeTa) [1] fand dieses Jahr bereits zum vierzigsten Mal statt. Daher gab es im Hörsaal HGB 10 der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gleich zu Anfang stehende Ovationen aller Teilnehmer für Peter Riepe, der seit 1980 diese Veranstaltung organisiert und maßgeblich geprägt hat. Zusätzlich wurde vom VdS-Vorsitzenden Sven Melchert das selbst entworfene ,,bunte Verdienstkreuz" verliehen. Auch der Dekan der Fakultät Physik und Astronomie, Prof. Dr. Hendrik Hildebrandt, ließ es sich nicht nehmen, ein Grußwort an die Teilnehmer zu richten und darin zu betonen, dass sich die BoHeTa von einer lokalen ,,Ruhrpott-Veranstaltung" zu einem deutschlandweiten Event entwickelt hat. Mit der RUB gibt es daher zu Recht eine lange Kooperation, die Prof. Dr. Ralf-Jürgen Dettmar in den letzten 20 Jahren als Mitveranstalter aufrechterhalten und zudem ausgebaut hat. Auch er wurde daher mit Peter Riepe zusammen im Vorfeld der Veranstaltung geehrt (Abb. 1).

Das Programm selber ließ dieses Jahr kein Schwerpunktthema erkennen und bot daher einen bunten Strauß aus der Themenvielfalt der Astronomie, was bei allen Teilnehmern sehr

1 Peter Riepe (rechts) und Prof. Dr. Ralf-Jürgen Dettmar mit
ihren von Dr. Eberhard Bredner überreichten Jubiläumsorden, Bild: Rainer Sparenberg

Journal für Astronomie Nr. 90 | 107

VdS vor Ort / Tagungsberichte

der Remote-Sternwarte erlernen, um danach Beobachtungen mit Interessenten durchführen zu können. Am 13. September 2023 war es dann soweit: Die gesamte Fachgruppe wurde zum allgemeinen First Light eingeladen. Nun lassen sich in diesem ersten Pilotbetrieb Aufnahmeanträge einstellen, wenn man der Fachgruppe angehört und VdS-Mitglied ist.

2 Gespanntes Auditorium und voller Hörsaal bei der BoHeTa 2023, Bild: Rainer Sparenberg

gut ankam und der Jubiläumsveranstaltung gerecht wurde. Denn so war für jeden Besucher etwas Interessantes dabei. Peter Riepe gab zum Einstieg einen kleinen Rückblick, zeigte das Programm der ersten BoHeTa mit dem ersten Gruppenbild und bedankte sich bei allen Helfern, die er all die Jahre immer zuverlässig an seiner Seite hatte. Denn allein kann man eine solche Veranstaltung nicht organisieren und am Leben halten. Aufgrund des wieder sehr guten Zuspruchs mit über 160 Teilnehmern (Abb. 2) wird es daher auch im nächsten Jahr wohl wieder eine BoHeTa geben, die auch in diesem Jahr nur von Spenden getragen wurde.
Den Vortragsreigen eröffnete Stefan Korth, der von seinem Einstieg in die KalziumSonnenfotografie berichtete. Ein mitgebrachter Antlia-CaK-Herschelkeil gab den Ausschlag bei einem Stammtischtreffen. Er ermöglicht die kontrastreichere Fotografie der Chromosphäre. Zudem wurde eine stärkere Randverdunkelung als im typischen Weißlicht mit Baader-Sonnenschutzfolie beobachtet. Fackelbeobachtun-

gen werden dadurch auch möglich, ohne gleich zu einer teuren H-Ausrüstung greifen zu müssen. Korth zeigte Bildbeispiele, die er regelmäßig in seiner Mittagspause aufgenommen hatte.
Im Anschluss kam es zu einem Fortsetzungsvortrag von Prof. Dr. Kai-Oliver Detken [2], der über das First Light der VdS-Sternwarte in Namibia berichtete. Im letzten Jahr wurden die Fachgruppe Remote-Sternwarten [3] und der Projektstatus vorgestellt. Nun konnte die Vollendung des Projekts auf der Astrofarm Hakos [4] präsentiert werden, wobei der Aufbau im April 2023 erfolgte. Dazu flogen die Fachgruppenmitglieder Dr. Bernd Christensen und Thomas Appel nach Namibia. Vor Ort halfen Jürgen Obstfelder und Friedhelm Hund mit, so dass ein schlagkräftiges Vierer-Team bereitstand. Nachdem im Mai remote das Feintuning durchgeführt wurde, um die letzten Konfigurationseinstellungen zu testen, stand am 31. Mai das First Light auf dem Programm. Im ersten Schritt sollten 12 Fachgruppenmitglieder (,,Power-User") die Steuerung

Der nächste Vortrag handelte von der automatisierten Verfolgung erdnaher Asteroiden, so genannter Near-Earth Objects (NEOs). Faszinierend daran ist, wie der Referent Bernd Koch [5] betonte, ob ein zeitnaher Erdeinschlag droht oder um wie viele Kilometer der Asteroid die Erde verfehlt. Die Durchführung von Astrometrie und Fotometrie der NEOs durch Amateure ist dabei genauso wichtig wie die der Profis. Denn 2.349 ,,Potentially Hazardous Asteroids" (PHAs) sind derzeit registriert, die der Erde gefährlich werden können. Davon sind 1.547 auf einer Risikoliste der ESA gelistet. Asteroiden und Kometen können mit dem Programm NEO Planner [6] von Bernhard Häusler im Vorfeld gewählt werden. Astrometrie und Fotometrie hingegen werden mit dem Programm Tycho Tracker [7] von Daniel Parrott durchgeführt. Ein spannendes Betätigungsfeld, das vielleicht einmal zu eigenen Entdeckungen von Asteroiden führt.
Rainer Sparenberg [8] besitzt eine eigene Sternwarte, die wegen Überalterung nach 20 Jahren renoviert werden musste (Abb. 3). Eine Schiebedachhütte - eigentlich die beste Wahl für eine Sternwarte - kam aus Platzgründen leider nicht mehr in Frage, weshalb die gebrauchte Baader-Kuppel eines verstorbenen Sternfreunds angeschafft wurde. Das Sternwartengebäude wurde kernsaniert und Siebdruckplatten als Basis für die Kuppel gekauft. Die Kuppel wurde zur Automation mit dem Astro-Dome-Controller vorberei-

108 | Journal für Astronomie Nr. 90

VdS vor Ort / Tagungsberichte

tet, so dass zukünftig der Bildsequenzplaner N.I.N.A. das Dach automatisch nach einer Aufnahmesequenz schließen kann. Nach einem virtuellen Rundgang durch die gesamte Sternwarte wurden erste Aufnahmen mit dem neuen Equipment gezeigt, die die gewohnte tolle ,,Sparenberg-Qualität" besaßen.

Nach der Mittagspause begann Prof. Dr.Ing. Peter C. Slansky [9] von der Hochschule für Fernsehen und Film in München mit dem Thema Meteorhalos. Er zeigte dazu eigene Aufnahmebeispiele von Meteoren mit einem Terminal-Flash, die einen extrem großen Radius und entsprechendes Volumen besaßen. Meteorhalos sind relativ unbekannt, obwohl bereits 1958 ein violetter Halo von Prof. Igor Stanislavovich Astapovich festgestellt wurde. Meteorhalos kinematisch aufnehmen zu wollen ist, wie ,,eine Wolke an die Wand zu nageln", wie der Referent amüsiert feststellte. Meteorhalos sind daher aus Slanskys Sicht kein seltenes Phänomen, aber selbst mit der heutigen Technik immer noch sehr schwer zu beobachten.
Der nächste Vortrag wandelte auf den Spuren von Abell, da Peter Bresseler neue Kandidaten für Planetarische Nebel (PNe) im Sternbild Schwan finden konnte. PNe entstehen um mittelgroße Sterne, die im fortgeschrittenen Alter zu Roten Riesen werden und gegen Ende ihres Daseins ihre äußere Hülle abstoßen, so dass am Ende ein Weißer Zwerg übrigbleibt. Von dem verbleibenden heißen Kern geht energiereiche Strahlung aus, die die abgestreifte Hülle aus Gas und Staub zum Leuchten anregt. Bekannt sind momentan etwa 3.600 PNe, wobei ihre Zahl aber auf ca. 30.000 geschätzt wird. Das ESASky-Portal [10] und CDS der Universität Straßburg [11] ermöglichen die gezielte PN-Suche. In diesen Datenbanken sucht Bresseler nach Hinweisen auf Nebel, die über mögliche Zentralsterne verfügen.

3 Die neue Sternwarte von Rainer Sparenberg nach dem Umbau mit einem Classic Dome
von Baader (2,1-m-Kuppel), Bild: Rainer Sparenberg

Auf solche Kandidaten wird das Teleskop gerichtet, in der Hoffnung, dass sich die für PNe typischen wesentlichen Emissionen in H und [OIII] zeigen. So konnten bereits zwei neue PN-Kandidaten von Bresseler entdeckt werden, die nun seinen Namen tragen: Br6 und Br7 (vgl. Artikel Seite 47).
Im Anschluss befanden sich die Zuhörer wieder in unserem Sonnensystem. Denn Wolfgang Bischof [12] zeigte, wie er mit Amateurmitteln Wolkenstrukturen auf der Venus nachweisen konnte. Im Coronajahr 2020 begann er seine Venusbeobachtungen mit einem 8-Zoll-Newton aus den 1980er Jahren in allen optischen Wellenlängen. Durch die Verwendung des U-Filters von Baader (UV-Filter von 60 nm Bandbreite mit zentraler Wellenlänge 350 nm) kamen die Wolkenstrukturen sehr deutlich zum Vorschein. Dabei ließ sich sogar eine Wolkenrotation nachweisen. Trotz der kleinen Beobachtungsfenster von nur ca. 60 min

pro Nacht kann man diese Wolkenbewegungen erkennen. Die Rotationszeit der Venusatmosphäre im UV-Band konnte daher auf ca. 3,7 Tage bestimmt werden.
Zum Abschluss des zweiten Blocks führte Dr. Carolin Liefke die Verleihung des ReiffPreises [13] für Amateur- und Schularbeit souverän durch. Diesmal wurden als Preisträger ausgezeichnet: Die Kindertagesstätte Wiegelsweg in Schwalmstadt für das Kindergarten- und Grundschulalter mit ihren gebastelten Sonnensystemen, das Berufsbildungszentrum am Nordostseekanal für verschiedene Astro-Projekte (vgl. S. 57), das Friedrich-Schiller-Gymnasium Weimar für gesammelte Mikrometeorite in der Luft und die vhs-Sternwarte Neumünster für ihre Kinder- und Jugendbetreuung. Nur zwei Vertreterinnen der Kindertagesstätte Wiegelsweg nahmen den Preis persönlich entgegen, während die anderen Preisträger jeweils Videobotschaften der Anreise vorzogen.

Journal für Astronomie Nr. 90 | 109

VdS vor Ort / Tagungsberichte

4 Sonnenbilder im H- und H-Licht mit dem Spektroheliografen Sol`Ex, Bild: Bernd Gährken

Nach der zweiten Pause folgte der ReiffFachvortrag durch Prof. Dr. Uli Klein. Nach der Vorstellung der Astronomischen Vereinigung Vulkaneifel am Hohen List e.V. (AVV) [14] folgte das eigentliche Thema ,,Galaxien-Overlays". Ziel ist es dabei, eine multispektrale Sicht auf Galaxien zu schaffen, denn Galaxien sind in allen Wellenlängen von UV bis zur Radiostrahlung nachweisbar. Overlays auf Farbbildern lassen das Radiokontinuum, die Säulendichte und Geschwindigkeiten des neutralen Wasserstoffs HI, die Verteilung des molekularen Gases CO und seine Geschwindigkeiten erkennen. Als Beispiel wurde die Black-EyeGalaxie NGC 4826 (Messier 64) genannt, die sich eine andere Galaxie einverleibt hat, was sich aber nur in der Kinematik zeigt und nicht anhand optischer Aufnahmen. Das Fazit des Vortrags war: Durch die Betrachtung in verschiedenen Wellenlängen lassen sich ganz neue Erkenntnisse über Galaxien gewinnen.
Der Amateurteil des Reiff-Vortrags wurde von Dr. Wolfgang Herrmann gehalten. Er stellte den Astropeiler Stockert [15] vor - mit 25 m Durchmesser das größte von Amateuren derzeit betriebene Radiotele

skop (erbaut 1956 für die Universität Bonn). Hiermit kann nach wie vor wissenschaftlich gearbeitet werden, da alle Instrumente und die notwendige Software auf dem aktuellen Stand sind. Der Vorteil gegenüber Profigeräten wie dem Radioteleskop Effelsberg ist, dass mit dem Astropeiler wesentlich länger beobachtet werden kann. So lassen sich Fast Radio Burts (FRB), die eine Herausforderung für Radioteleskope darstellen, dauerhaft untersuchen. Ein weiterer Themenschwerpunkt sind Pulsare, die ähnlich wie gewöhnliche Neutronensterne ein extrem starkes Magnetfeld besitzen und aufgrund schneller Rotation wie Leuchttürme Strahlung aussenden, aber im Radiobereich. Daher kann man mit dem Astropeiler durchaus Beiträge zu wissenschaftlichen Fragestellungen liefern. Ein Höhepunkt des Vortrags war, dass der Astropeiler live für die Tagungsteilnehmer angesteuert wurde. Das Auditorium sah, wie sich das Teleskop ausrichtete. Remote entstanden Spektren des Wasserstoffs in der Milchstraße und in Richtung der Radioquelle Cassiopeia A.
Im letzten Vortrag berichtete Bernd Gährken [16] über den neuen Spektroheliografen Sol'Ex [17], der als preisgünstiger

3D-Bausatz von der französischen Firma Shelyak angeboten wird. Ein Herschelkeil oder ein Frontfilter muss als Energieschutz zusätzlich eingesetzt werden. Der Sol'Ex basiert damit nicht auf einer klassischen Filtertechnik, sondern nutzt die Möglichkeiten der Spektroskopie. Daraus rekonstruiert später eine Software das gewünschte Sonnenbild. Das Geniale an dieser Vorgehensweise ist, dass sich beliebige Spektrallinien mit dem Sol'Ex einstellen lassen (Abb. 4). Abschließend kann das Sol'Ex eher als lehrreiches Bastelprojekt bezeichnet werden, mit dem einige interessante Experimente möglich sind. Eine preiswerte Alternative zu dem traditionellen Sonnenequipment stellt es aber allemal dar.
5 Rechts: Galaxie NGC 1365, aufgenom-
men am 08.10. und 19.11.2023 mit dem Remote-Teleskop der VdS auf Hakos, Namibia. TS 12-Newton-Astrograph (f = 1.391 mm), Montierung: 10Micron GM3000, Kamera: Lacerta DeepSkyPro2600 (mono), RGBAufnahme, Belichtung pro Bild 5 min, gesamt 4 Stunden. Operator und Bildersteller: Kai-Oliver Detken.

110 | Journal für Astronomie Nr. 90

VdS vor Ort / Tagungsberichte

Internethinweise (Stand 05.03.2024):

[1] BoHeTa-Webseite, www.boheta.de

[1]

[2] Homepage von Kai-Oliver Detken, www.detken.net

[3] VdS-Arbeitsgruppe Remote-Sternwarten, https://remotesternwarten.

sternfreunde.de

[2]

[4] Astrofarm Hakos in Namibia, www.hakos-astrofarm.com/de/

[5] Homepage von Bernd Koch, www.astrofoto.de

[6] NEO Planner V. 3.0, https://groups.io/g/kleinplaneten/message/36

[7] Programm Tycho Tracker, www.tycho-tracker.com

[3]

[8] Homepage von Rainer Sparenberg, www.airglow.de

[9] Homepage von Peter C. Slansky, www.peter-slansky.de

[10] ESASky-Portal, https://sky.esa.int/esasky/

[4]

[11] Strasbourg Astronomical Data Center, https://cds.u-strasbg.fr

[12] Homepage von Wolfgang Bischof, www.magicviews.de

[13] Reiff-Stiftung für Amateur- und Schulastronomie, www.reiff-stiftung.de/

die-reiff-foerderpreise/

[5]

[14] Astronomische Vereinigung Vulkaneifel am Hohen List e.V., www.hoher-list.de

[15] Astropeiler Stockert, www.astropeiler.de

[16] Homepage von Bernd Gährken, www.astrode.de

[6]

[17] Homepage von Christian Buil, www.astrosurf.com/solex/sol-ex-

objective-en.html

[7]

[13]

[8]

[14]

[9]

[15]

[10]

[16]

[11]

[17]

[12]

Journal für Astronomie Nr. 90 | 111

ANDROMEDA DREIEC

KEPHEUS

DRACHE

GROSSER BÄR

EIDECH SE

FISCHE

PEGASUS

Neptun Saturn

WASSERMANN

SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. August 2024 23 Uhr MESZ

Deneb SCHWAN

FÜCHSCHEN

DELFIN FÜLLEN

PFEIL Atair

Wega HERKULES
LEIER Albireo

BOOTES

NÖRDL. KRONE
Gemma

Arktur

HAAR DER BERENIKE

ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)

SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER

JUNGFRAU

STEINBOCK

SCHILD
Pluto SCHÜTZE

WAAGE SKORPION

Antares

SÜDWEST

Vereinigung der Sternfreunde e.V.

SÜD

www.sternfreunde.de

Mondphasen im August 2024

Zusammengestellt von Werner E. Celnik, mit Beiträgen von Andreas Barchfeld (Veränderliche Sterne), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Mond und Kleinplaneten).

Neumond 4.8.

Erstes Viertel 12.8.

Ereignisse im August

01. 01:37 02. 03. 03:00
04.
04. 02:48 04. 13:13 06.
09. 03:1504:48
09. 03:25 09. 03:33 10. 23:32 12. 15:00-
18:00 12. 17:19 13. 22:00 13. 22:05 14. 04:00 15. 22:00
16. 18. 21:48 19. 20:26 21. 05:31-
06:35 21. 07:04 24. 23:54 25. 01:30-
04:59

Mond bedeckt 136 Tau (4,6 mag), genaue Zeit abh. v. Standort max. Libration Mond-SO, 8,6 Grad Kleinplanet (39) Laetitia (10,5 mag) vor den Galaxien NGC 470 u. 474, Sternbild Pisces Kleinplanet (7) Iris (8,2 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild Aquarius X Tri im Min Neumond Kleinplanet (16) Psyche (9,3 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild Capricornus Io: Transit u. Schatten vor Jupiter Beginn; Europa: Verfinsterung Beginn; Ganymed: Schatten Beginn beta Per (Algol) im Min Mond erdfern, 29,17' RR Lyr im Max Maximum Meteorschauer der Perseiden, 59 km/s, bis ca. 100/h, Abendhimmel Erstes Viertel Mond 5,1 Grad W Antares (alpha Sco, 1,1 mag) Mond bedeckt SAO 184144 (5,4 mag), Zeitangabe f. Frankfurt/M. Jupiter (-2,2 mag, 36,6'') 24' SO Mars (0,8 mag, 6,1'') Mond bedeckt W Sgr (4,7 mag, multipler Stern), genaue Zeit abh. v. Standort max. Libration Mond-NW, 9,5 Grad RR Lyr im Max Vollmond Mond bedeckt Saturn (0,7 mag, 19,1''), genaue Zeit abh. v. Standort Mond erdnah, 33,27' AI Dra im Min Io: Transit u. Schatten vor Jupiter; Europa: Schatten Beginn

Vollmond 19.8.

Letztes Viertel 26.8.

25. 04:51 26. 04:15 26. 05:43 26. 11:26 27. 02:34-
04:29 27. 05:00
28. 04:30
29. 30. 04:30 31. 13:00
31. 22:49

Titan 1'' N Saturn-Nordpol Mond 40' S Plejaden (M 45), teilw. Bedeckung Mond bedeckt 27 Tau (Atlas, 3,6 mag), Zeitangabe f. Frankfurt/M. Letztes Viertel Ganymed: Verfinsterung Beginn u. Ende; Europa: Bedeckung Ende Mond 6,7 Grad NW Jupiter (-2,3 mag, 38,0'') u. 10,4 Grad N Aldebaran (alpha Tau, 1,0 mag) Mond 5,1 Grad N Mars (0,8 mag, 6,4'') u. 4,4 Grad O beta Tau (Elnath, 1,7 mag) max. Libration Mond-SO, 9,5 Grad Mond 2,2 Grad S Pollux (beta Gem, 1,2 mag) Meteorschauer Aurigiden, ca. 10/h, 66 km/s, Morgen- und Abendhimmel RR Lyr im Max

112 | Journal für Astronomie Nr. 90

PERSEUS

Algol

KASSIOPEIA

EIDECHSE

KEPHEUS Deneb

DRACHE

SCHWAN

Wega

HERKULES

BOOTES

NÖRDL. KRONE

Gemma

ANDROMEDA DREIECK WIDDER

LEIER

FISCHE

PEGASUS

FÜCHSCHEN PFEIL

Albireo

SCHLANGE (KOPF)

DELFIN

Atair

ADLER

CH WALFIS

FÜLLEN

Mira Neptun

SCHLANGE (SCHWANZ)

SCHLANGENTRÄGER

Saturn WASSERMANN

SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. September 2024 23 Uhr MESZ

Fomalhaut SÜDL. FISCH

STEINBOCK

SCHILD

SÜD

Pluto SCHÜTZE

SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de

Mondphasen im September 2024

Quellen: Datendienst US Naval Observatory, Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]), Berechnungen von Steve Preston (Sternbedeckungen durch Kleinplaneten), International Meteor Organization (www.imo.net), Kosmos Himmelsjahr 2024, Kosmos Der Sternenhimmel 2024, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto).

Neumond 3.9.

Erstes Viertel 11.9.

Ereignisse im September

01. 03:2406:02
01. 05:45 02. 03:50 03.
03. 01:2305:38
03. 03:55 05. 05. 16:03 07. 02:12-
04:12 07. 22:19 08.
08. 20:30
08. 21:15 09. 04:30 10. 01:07-
05:43 10. 02:29 11. 08:05 11. 21:00
12. 13. 00:50
13. 23:41 14. 00:44-
06:12 14. 03:21 15. 22:33 17. 01:39-
05:37

Io: Transit u. Schatten vor Jupiter; Europa: Schatten Beginn
Mond 5,7 Grad N Merkur (0,5 mag, 8,2''), O-Horizont Titan 2,9'' S Saturn-Südpol Kleinplanet (194) Prokne (9,3 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild Aquarius Io: Transit Ende; Europa: Verfinsterung Ende, Bedeckung Beginn u. Ende Neumond Merkur (-0,4 mag, 7,22'') in größter Elongation West (18 Grad ) Mond erdfern, 29,64' Ganymed: Transit
RZ Cas im Min Saturn (0,6 mag, 19,20'') in Opposition zur Sonne, Dist. 1295 Mio km, Sternbild Aquarius Mond bedeckt KX Lib (5,9 mag, multipler Stern), Zeitangabe f. Frankfurt/M. RR Lyr im Max Mars (0,7 mag, 6,8'') 55' S off. Hfn. M 35, Sternbild Gemini Io: Transit u. Schatten vor Jupiter; Europa: Verfinsterung Beginn u. Ende, Bedeckung Beginn Titan 3,1'' über N-Pol Saturn Erstes Viertel Kleinplanet (15) Eunomia (9,5 mag) am westl. Rand des Nebels IC 405 im Sternbild Auriga, im Nebel bis 13.9. max. Libration Mond-NW, 10 Grad Kleinplanet (4) Vesta (8,1 mag) 7,7' N Galaxie M 96 (9,3 mag, 7,8'), Sternbild Leo RR Lyr im Max Ganymed: Schatten Beginn u. Ende, Transit Beginn
HU Tau im Min Mond bedeckt kappa Cap (4,7 mag), genaue Zeit abh. v. Standort Io: Transit u. Schatten vor Jupiter; Europa: Verfinsterung Beginn

Vollmond 18.9.

Letztes Viertel 24.9.

17. 04:00 17. 04:24
18. 02:4006:49
18. 04:34 18. 04:55
18. 15:26 19. 00:34-
05:50 21.
21. 03:39 21. 23:06 22. 05:15 22. 13:44 23. 01:36
23. 05:15 24. 01:00 24. 03:33-
05:43 24. 03:37 24. 20:15 24. 23:54-
04:22 25. 25. 05:00 26. 05:30 27. 03:02 29.
29. 04:30 29. 23:03 30. 21:00

Mond 6,0 Grad SW Saturn (0,6 mag, 19,2'') Kleinplanet (7992) Yozan bedeckt HIP 115173 (7,6 mag) für 2,5 s, Hell.Abfall um 8,8 mag partielle Mondfinsternis
Vollmond Kleinplanet (759) Vinifera bedeckt TYC 2933-00152-1 (9,8 mag) für 2,8 s, Hell.Abfall um 6,4 mag Mond erdnah, 33,10' Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
Neptun (7,8 mag, 2,36'') in Opposition zur Sonne, Dist. 4322 Mio. km, Sternbild Pisces beta Per (Algol) im Min Mond bedeckt zeta Ari (4,9 mag), genaue Zeit abh. v. Standort Mond 4,6 Grad SW Plejaden (M 45) Herbstanfang, Herbsttagundnachtgleiche Mond bedeckt chi Tau (5,4 mag, Doppelstern, Dist. 19,4''), Zeitangabe f. Frankfurt/M. Mond 9,8 Grad N Aldebaran (alpha Tau, 1,0 mag) Mond 5,2 Grad N Jupiter (-2,4 mag, 41,3'') Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
Mond 44' S beta Tau (Elnath, 1,7 mag) Letztes Viertel Ganymed: Bedeckung Beginn u. Ende; Io: Verfinsterung Beginn, Bedeckung Ende max. Libration Mond-SO, 10,3 Grad Mond 6,4 Grad NW Mars (0,6 mag, 7,3'') Mond 1,4 Grad W Pollux (beta Gem, 1,2 mag) Mond bedeckt lambda Cnc (5,9 mag), Zeitangabe f. Frankfurt/M. Kleinplanet (20) Massalia (9,2 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild Pisces Mond 5,5 Grad NW Regulus (alpha Leo, 1,4 mag) AI Dra im Min Kleinplanet (16) Psyche (10,4 mag) 52'' NO ypsilon Cap ( 5,1 mag)

Journal für Astronomie Nr. 90 | 113

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Beobachterforum

Jupiter

PERSEUS Algol

Aldebaran

Plejaden STIER Uranus

R WIDDE

DREIECK

EDA ANDROM

KASSIOPEIA FISCHE

KEPHEUS Deneb

SCHWAN

Wega

HERKULES

LEIER

EIDECHSE

PEGASUS

Albireo FÜCHSCHEN
PFEIL

DELFIN FÜLLEN

Atair

ADLER

SCHLANGENTRÄGER

Mira WALFISCH
ERIDANU S
SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. Oktober 2024 23 Uhr MESZ
Mondphasen im Oktober 2024

Neptun Saturn

WASSERMANN

SCHILD

SÜDL. FISCH Fomalhaut BILDHAUER
SÜD

STEINBOCK

Pluto

SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de

Alle Zeitangaben sind gültige Uhrzeiten (Sommerzeit bereits berücksichtigt) und für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben.

Neumond 2.10.

Erstes Viertel 10.10.

Ereignisse im Oktober

02. 00:31- Ganymed: Verfinsterung Ende, Bedeckung Beginn u. Ende;

06:13 Io: Verfinsterung Beginn, Bedeckung Ende

02. 20:49 Neumond, ringförmige Sonnenfinsternis, beobachtbar in

Argentinien, Chile, Osterinsel

02. 21:39 Mond erdfern, 29,18'

02. 23:54- Io: Transit u Schatten vor Jupiter; Europa: Schatten Beginn

05:47

04. 22:58 RR Lyr im Max

05. 22:42 U Oph im Min

09. 02:30- Ganymed: Verfinsterung Beginn u. Ende; Io: Verfinsterung Beginn

04:39

10. 01:48- Io: Transit u. Schatten vor Jupiter

05:11

10.

max. Libration Mond-NW, 9,9 Grad

10. 20:55 Erstes Viertel

11.

Kleinplanet (39) Laetitia (9,3 mag) in Opposition zur Sonne,

Sternbild Cetus

11. 22:46 AI Dra im Min

12. 21:25 RR Lyr im Max

12. 23:25- Ganymed: Transit Ende; Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter

02:35

14. 20:20 Mond 51' SO Saturn (0,7 mag, 18,8'')

15. 19:30 Kleinplanet (1) Ceres (9,1 mag) 9,4' SO zeta Sgr (2,6 mag)

16. 06:30- Ganymed u. Io: Verfinsterung Beginn

06:33

17.

Kleinplanet (19) Fortuna (8,9 mag) in Opposition zur Sonne,

Sternbild Pisces

17. 02:53 Mond erdnah, 33,83'

17. 03:42- Io: Transit u. Schatten vor Jupiter

06:59

114 | Journal für Astronomie Nr. 90

Vollmond 17.10.

Letztes Viertel 24.10.

17. 13:26 Vollmond

18. 22:10- Io: Transit u. Schatten vor Jupiter; Europa: Verfinsterung Beginn

05:11

19. 00:46 Kleinplanet (1617) Alschmitt bedeckt HIP 23469 (9,2 mag)

für 3,1 s, Hell.Abfall um 7,2 mag

19. 21:30 Mond 41' S Plejaden (M 45), teilw. Bedeckung

19. 22:41- Ganymed: Schatten Ende, Transit Beginn u. Ende; Io: Bedeckung

03:02 Ende

20. 06:00 Mond 11,2 Grad NW Aldebaran (alpha Tau, 1,1 mag)

21.

Meteorschauer Orioniden, ca. 20/h, 66 km/s

21. 00:18- Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter

05:00

21. 06:45 Mond 5,7 Grad N Jupiter (-2,6 mag, 44,9'') u. 3,8 Grad W beta Tau (Elnath,

1,7 mag)

21. 21:37 Mond bedeckt 136 Tau (4,6 mag), Zeitangabe f. Frankfurt/M.

23.

max. Libration Mond-SO, 10,3 Grad

24. 02:00 Mond 3,9 Grad NO Mars (0,2 mag, 8,7'') u. 4,8 Grad SO Pollux (beta Gem,

1,2 mag) 24. 10:03 Letztes Viertel

25. 22:16 RR Lyr im Max

26. 00:04- Io: Transit u. Schatten vor Jupiter

03:13

26. 06:00 Mond 6,2 Grad NW Regulus (alpha Leo, 1,4 mag)

26. 22:27 RZ Cas im Min

27. 00:33- Io: Bedeckung Ende; Ganymed: Transit u. Schatten vor Jupiter

05:35

27. 03:00 Umstellung von Sommerzeit MESZ auf MEZ, Uhr um 1 Stunde

auf 2 Uhr zurückstellen

28. 01:54- Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter

06:21

29. 02:09 Kleinplanet (1456) Saldanha bedeckt HIP 16161 (9,0 mag)

für 4,4 s, Hell.Abfall um 6,3 mag

29. 23:52 Mond erdfern, 29,12'

Beobachterforum

Der Komet C/2023 A3
von Georg Piehler und Rainer Sparenberg

Im Januar 2023 wurde durch das Tsuchinshan Chinese Observatory und unabhängig davon auch am 22. Februar 2023 durch das Asteroid Terestrial-impact Last Alert System (ATLAS) der Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) entdeckt. Dieser Komet ist bemerkenswert und wird aktuell sehr aktiv beobachtet, da er nach den derzeitigen Schätzungen während seiner Perihelpassage zwischen September und Oktober 2024 so hell werden könnte, dass er mit dem bloßen Auge am Himmel beobachtet werden kann.

Natürlich ist es interessant, einen derartigen Kometen möglichst früh zu beobachten bzw. zu fotografieren. Im Sommer 2023 war die erste Testphase des Remote-Teleskops der VdS auf der Farm Hakos in Namibia beendet, so dass auch die ersten Bilder gemacht werden konnten. Aus diesem Grund haben wir, die Autoren dieses Berichts, Mitglieder der Fachgruppe Remote-Sternwarte der VdS, den Kometen am 3. August 2023 durch den Takahashi-12-Zoll-Newton (f = 1.391 mm) mit einer Deep-SkyPro-2600M-CMOS-Mono-Kamera aufgenommen (Abb. 1).

1 Ausschnitt aus dem Originalbild vom 03.08.2023. Im Kreis ist der Komet C/2023 A3
mit kleiner Koma zu erkennen, damals in 5,8 AE Distanz zur Sonne, d. h. noch hinter der Jupiterbahn. Rechts im Bild steht die B = 15,7 mag helle und etwa 320 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie LEDA 50016. Der Komet war zum Aufnahmezeitpunkt etwa 16,3 mag hell und somit im Bereich der Prognose. Aufnahmedaten im Text, Bild: Georg Piehler und Rainer Sparenberg.

Neun Tage später war C/2023 A3 immer noch 5,7 AE von der Sonne entfernt und 6 AE von der Erde. Die Längsausdehnung der Koma betrug rund 9 Bogensekunden. Mit derselben Kombination aus Teleskop und Kamera wie in der Abbildung 1 belichteten wir den Kometen erneut (Abb. 2).

2 Der Komet C/2023 A3 (im Kreis),
aufgenommen am 12.08.2023 ab 18:40 Uhr UT. Ort: Remote-Sternwarte der VdS auf Farm Hakos, Teleskop und Kamera wie in Abb. 1, Belichtung 4 x 300 s in Luminanz. Bild: Georg Piehler und Rainer Sparenberg.

Journal für Astronomie Nr. 90 | 115

Beobachterforum

Im Januar 2024 wurde der Komet nochmals aufgenommen. Nun 4,1 AE von der Sonne und 4,3 AE von der Erde entfernt, zeigt sich die Koma deutlicher. Die Ausdehnung ist nun auf 21 Bogensekunden angewachsen (Abb. 3).
Ab jetzt wird die Entwicklung des Kometen merklich voranschreiten. Sobald sich die Wetterbedingungen in Namibia verbessern, werden wir versuchen, die weitere Entwicklung zu dokumentieren.

3 Aufnahme des Kometen C/2023 A3
vom 18.01.2024, wieder von der RemoteSternwarte der VdS aus. Teleskop und Kamera wie in Abb. 1, Belichtung 5 x 300 s in Luminanz von 4:07 bis 4:33 Uhr UT. Bild: Georg Piehler und Kai-Oliver Detken.

Das Sternfeld von h/ Persei bis IC 1805/1848
von Georg Zeitler

Das Gebiet zwischen Perseus und Cassiopeia ist reich an Deep-Sky-Objekten. So kennt man den eindrucksvollen Doppelsternhaufen h/ im Perseus. Man kennt auch die schönen, großen Emissionsnebel IC 1805 und IC 1848 in der Cassiopeia als Herz- und Seelennebel. Alle drei genannten Objekte werden aber meistens auf längerbrennweitigen Aufnahmen gezeigt, in denen das Objekt jeweils zentral recht groß bis formatfüllend abgebildet ist. Meine Überlegung war: ,,Setze doch einmal eine kurzbrennweitige Optik ein, dazu eine Kamera mit großformatigem Sensor. Vielleicht passt dann das gesamte Gebiet von h/ Persei bis IC 1805/48 in ein weitwinkeliges Gesamtbild."

Celestron CI700 befanden sich eine astromodifizierte DSLR Canon EOS 6D mit einem Canon-Objektiv 1:2,8/200 L II und aufgesetztem CLS-XL-Filter von Astronomik. Ab 18:37 Uhr UT belichtete ich bei Blende 4 und ISO 2000 eine Serie von 31 x 4 Minuten Dauer. Ich finde, das Bildergebnis könnte durchaus im VdS-Journal für Astronomie gezeigt werden.
Anmerkung der Redaktion: Das ist völlig in Ordnung, und daher bringen wir dieses feine Motiv im ganzseitigen Hochformat!

Am 12. Januar 2024 setzte ich diese Idee in die Tat um. Auf einer Montierung des Typs

1 Rechts: Die großen Gasnebel IC 1848
und 1805 und darunter der Doppelsternhaufen h/ im Perseus. Aufnahme mit einem 200-mm-Teleobjektiv an einer Vollformat-DSLR (Details im Text). Bild: Georg Zeitler

116 | Journal für Astronomie Nr. 90

Rezension

Der Menschheit den wissenschaftlichen Spiegel vorgehalten
Neil deGrasse Tyson: Im Spiegel des Kosmos: Perspektiven auf die Menschheit
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, 1. Auflage 2024, erschienen 13.01.2024, 336 Seiten, Hardcover, 25 Euro, ISBN: 978-3-608-98680-8

Nur so viel vorweg: Ich kannte den Astrophysiker Neil deGrasse Tyson vorher nicht und bin daher völlig unvoreingenommen an sein neuestes Werk herangegangen. Ich habe aber immer gerne Bücher über Kosmologie gelesen, die nicht rein wissenschaftlich aufgebaut waren und auf unterhaltsame Weise versucht haben, Wissen oder Sichtweisen zu vermitteln. Stephen Hawking konnte das vorzüglich und Neil deGrasse Tyson macht dies in ähnlicher Weise. Man kann daher dieses Werk nicht als wissenschaftliches Sachbuch beschreiben, sondern der Autor versucht, dem Leser einen Spiegel zu den wichtigsten Themen unserer Zeit vorzuhalten. So philosophiert er sachlich in zehn Kapiteln u. a. über Krieg, Politik, Religion, Wahrheit, Ästhetik, Gender und Rassen. Und er findet über die Wissenschaft einen ganz anderen, wenn auch nicht komplett neutralen Zugang zu ihnen. Er versucht zu vermitteln, dass die Wissenschaft durch ihre faktenbasierte Aufklärfunktion auch Lösungen anbieten kann. Daher lautet seine zentrale Mitteilung an den Leser: ,,Das Gute an der Wissenschaft ist, dass sie wahr ist, ob Sie dran glauben oder nicht." Trotzdem wird dadurch natürlich hauptsächlich seine eigene Sichtweise verdeutlicht. Wem das zu subjektiv ist, braucht an dieser Stelle nicht weiterzulesen. Aber das Buch bietet auf jeden Fall die Chance, Teile der eigenen Weltansichten zu überdenken, und ist zudem interessant und kurzweilig geschrieben. Also lesen Sie diese Rezension ruhig zu Ende.
Nach Tysons Ansicht muss man seine Perspektive ändern, wenn man auf unserer Erde etwas verändern möchte. Und genau das haben die Astronauten getan, die in den Weltraum und später in den Apollo-

Missionen zum Mond aufgebrochen sind. Edgar D. Mitchell, Astronaut von Apollo 14, beschrieb seine ersten Eindrücke wie folgt: ,,Du entwickelst augenblicklich ein globales Bewusstsein, eine Orientierung auf die Menschen, ein starkes Unbehagen angesichts des Zustands der Welt und einen Drang, etwas daran zu ändern." Aus Tysons Sicht haben die Umweltschutzprogramme ab diesem Zeitpunkt begonnen, als die Menschheit ihre zerbrechliche Erde aus dem Weltall mit ihrer dünnen Atmosphäre zum ersten Mal bewusst wahrnahm. Ein anderes schönes Zitat kommt von dem Astronauten Michael James Massimino, der bei Wartungsarbeiten am Hubble-Weltraumteleskop Folgendes feststellte: ,,Als ich bei meinem Weltraumspaziergang auf die Erde hinunterblickte, ging mir zuerst der Gedanke durch den Kopf, das müsse wohl der Blick vom Himmel aus sein. Aber dann kam mir ein ganz anderer Gedanke: Nein, so muss wohl der Himmel aussehen." Aus meiner Sicht das schönste Zitat dieses Buches.
Wissenschaftliche Beispiele nennt er bei der Betrachtung von Statistiken und Wahrscheinlichkeiten. So sind die meisten Mensch nach Tysons Ansicht nicht in der Lage, die Bedeutung der statistischen Normalverteilung (Gaußsche Glockenkurve) gänzlich zu begreifen oder in ihr Handeln einzubeziehen. Ansonsten würden in den Spielcasinos der Welt oder beim Lotto wesentlich weniger Leute versuchen, ihr Glück zu machen. Bei entsprechender mathematischer Vorbildung müsste man wissen, dass es wesentlich einfacher ist, vom Blitz erschlagen zu werden, als vom System mit dem Hauptgewinn belohnt zu werden. So geschah es im Jahr 1986, dass das größ-

te Hotel der Welt, MGM Grand Marina in Las Vegas, einen Kongress von 4.000 Astrophysikern ausrichtete und prompt in dieser Woche das schlechteste Ergebnis seiner Geschichte eintrug. Der Grund war, dass die Physiker nicht spielten und die Casino-Einnahmen zusammenbrachen. Anscheinend war die mathematische Vorbildung der Teilnehmer zu gut. Das MGM wird nie wieder einen solchen Kongress ausrichten, da sie von den Spieleinnahmen leben. Ach ja, Statistik und Wahrscheinlichkeitsberechnung sind in den USA übrigens nicht überall Bestandteil des Lehrplans von Grundund weiterführenden Schulen. Und zwar ausgerechnet in den Bundesstaaten nicht, in denen das Glücksspiel erlaubt ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

118 | Journal für Astronomie Nr. 90

Rezension

Auch unser Rechtssystem nimmt sich Tyson vor. Es ist leider aus seiner Sicht nicht darauf ausgerichtet, nach Wahrheit und Objektivität zu suchen, da junge Juristen eher darauf trainiert werden, ihre eigenen Diskussionspunkte durchzubringen, als nach unanfechtbaren Beweisen zu suchen. Bei einem Wissenschaftsfestival wurde daher von den Teilnehmern die Idee eines ,,rationalen Landes" diskutiert, das in seiner Verfassung nur einen einzigen Satz enthalten dürfte: ,,Sämtliche Politik gründet ausschließlich auf der Beweiskraft von Daten." Es gäbe Gerichtsurteile mit schuldig, nicht schuldig und unschuldig. Im Fall der Nichtschuldigkeit könnte eine Schuld nicht nachgewiesen werden, aber dennoch existieren. Von rationalen Gerichtsurteilen sind wir aber nach Tyson, zumindest in den USA, heute weit entfernt. Er selbst wurde dreimal als Geschworener im Vorfeld abgelehnt, weil er zu wissenschaftlich argumentiert hatte.

Immer wieder interessant sind auch seine Perspektiven aus Sicht von Außerirdischen. Was würden sie sehen, wenn sie die Erde betrachten? Aus dem Weltraum sind keinerlei menschliche Spuren zu erkennen. Erst bei Nacht fällt die Beleuchtung der menschlichen Zivilisation auf. Aber grundsätzlich würde ein Außerirdischer erst bei genauerem Hinsehen die Menschen wahrnehmen und dann auch nur als einzelne Rasse, ohne irgendwelche Unterscheidungen, wie wir sie andauernd in Bezug auf Rasse, Religion, Politik etc. machen. Denn wir stammen alle vom gleichen Genpool ab. Aliens könnten aber auch andere Lebewesen als intelligent annehmen, wenn sie die Intelligenz beispielsweise anhand des Verhältnisses von Gehirn- zu Körpergewicht abschätzen würden. Sie würden dann zuerst mit Ameisen, dann mit Vögeln und anschließend mit Walen, Elefanten und Delfinen versuchen, Kontakt aufzunehmen. Vielleicht haben sie das auch schon

getan und wir haben davon nichts mitbekommen, was aus unserer Sicht ganz schön peinlich wäre, weil wir uns gerne über alle Lebewesen stellen.
In dieser Rezension sind nur ein paar Beispiele aufgeführt worden, die in diesem Buch genannt und diskutiert werden. So vielfältig wie die Themen sind auch die Vergleiche. Es wird daher an keiner Stelle langweilig. Das Buch regt in vieler Hinsicht zum Nachdenken an. Tyson kommt aufgrund unseres Verhaltens mehrfach zu dem Schluss, dass kein intelligentes Leben auf der Erde existiert. Wir tun gut daran, bei den aktuellen globalen Herausforderungen zu versuchen, dass er nicht recht behält.
Kai-Oliver Detken

Gasnebel NGC 2174

Impression
Diese Aufnahme von NGC 2174 hat Bruno Mattern in der Lüneburger Heide aufgenommen und gemäß der Hubble-Palette dargestellt. Das verwendete Teleskop, ein Takahashi Epsilon, hat 130 mm Öffnung und 430 mm Brennweite (f/3,3). Zwei Belichtungsserien wurden durchgeführt: (a) mit einer ZWO ASI2600MM sowie Schmalbandfiltern für [OIII], H und [SII] von Astronomik je 8 x 500 s belichtet, (b) 25 x 500 s mit einer ZWO ASI2600MC und Filterung mittels Optolong L-Extreme. Bildbearbeitung mit Deep Sky Stacker, Fitswork und Photoshop CS.

Journal für Astronomie Nr. 90 | 119

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