Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 82
NACH REDAKTIONSSCHLUSS
4 Bericht aus dem Vorstand (Gallus Astrid)
SPT/STERNENPARKS IN DEUTSCHLAND
5 "Prolog zum Schwerpunktthema ""Sternenparks in Deutschland""" (Hänel Andreas)
5 Sternenparks und Sternenstädte in Deutschland (Hänel Andreas)
9 Natur- und Sternenpark Westhavelland (Becker Thomas)
12 Sternenpark Rhön - ein Weg mit Vorbildcharakter (Bieneck Anna-Lena, Manger Simon)
15 "Gedicht ""Es werde Licht …""" (Jordan Volker)
16 Die Nacht vermitteln - eine interessante Nebentätigkeit für Sternenfreunde (Dannemann Etta)
20 Der Nachthimmel über Mecklenburg-Vorpommern (Hänel Andreas)
23 Auf dem Weg zum Sternenpark - Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide (Koch Ralf, Kahrmann Marina, Kartheuser Evelin)
26 Sternenglitzern im Mecklenburger ParkLand (Danielides Michael)
29 Der angehende Sternenpark Bayerischer Wald: Naturpark, Nationalpark und Sternwarte (Freund Julia, Bastl Josef)
34 Projekt Sternenpark Pfälzerwald (Sarah)
36 Sternenparkprojekt Naturpark Gantrisch in der Schweiz (Dahinden Nicole)
38 Sternenkiek Oster-Liederweg - ein Alleinstellungsmerkmal für Stapelholm (Warnecke Heinz)
42 Dark Sky Community Eiweiler (Pütz Christoph)
46 Wolken und Lichtverschmutzung (Credner Till)
AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
48 Reaktivierung einer Schmidtkamera (Gerhard Christoph)
ASTROFOTOGRAFIE
52 Die Emissionsnebel der Großen Magellanschen Wolke (Riepe Peter, Binnewies Stefan, Sparenberg Rainer)
59 Die Galaxie NGC 2403 - ein Gemeinschaftsprojekt (Teil 1) (Celnik Werner E., Riepe Peter, Hoppe Michael, Hilverkus Gerhard, Weber Hans Gerhard)
ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
67 Alle nach Halle - Tagung der Sternfreunde 2022 (Schomann Michael)
68 Jugendarbeit in schwierigen Zeiten (Michalik Rudolf)
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
70 Die Rotation des Merkur (Jahns Helmut)
73 Die Librationspunkte L4 und L5 sind Stabilitätszentren! (Pilz Uwe)
DARK SKY
75 Handlungsmöglichkeiten gegen Lichtverschmutzung im "Lichte" der geltenden Rechtslage (Frank Sabine)
76 Was lange währt … Aktuelle Erfolge im Kampf gegen die Lichtverschmutzung (Hänel Andreas)
DEEP SKY
77 Zwei interessante Galaxien im Hintergrund von W Pegasi (Wenzel Klaus)
79 Skyguide 2022 - 2 (Sommer) (Zebahl Robert)
GESCHICHTE
81 Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie (Steinicke Wolfgang)
81 Johann Elert Bodes "Nebelstern-Verzeichniß" von 1776/1777 - Inhalt und Bedeutung eines kaum bekannten Deep-Sky-Katalogs (Julius Karl-Peter)
85 Robert Henseling, der "Bund der Sternfreunde" und die Gründung der VdS (Steinicke Wolfgang)
KLEINE PLANETEN
89 Kosmische Begegnungen (Hohmann Klaus, Ries Wolfgang)
92 Sternbedeckungen durch Kleinplaneten (Krannich Gregor)
95 Die Bestimmung von Rotationslichtkurven von Kleinplaneten (Teil 2) (Martin Axel)
KOMETEN
100 Bedeutende Kometen des 4. Quartals 2021 (Pilz Uwe)
IMPRESSION
101 Sternschnuppe über Sternwarte (Filimon Erwin)
KOMETEN
102 Der spannende Komet C/2021 A1 (Leonard) (Pilz Uwe)
112 Zeichnungen von C/2020 F3 (NEOWISE) (Sawo Mathias)
PLANETEN
114 Online-Treffen der Fachgruppe Planeten (Hombach Paul)
STERNBEDECKUNGEN
115 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 3. Quartal 2022 (Riedel Eberhard)
VERäNDERLICHE
119 OW Geminorum - ein langperiodischer Bedeckungsstern 2022 (Bannuscher Dietmar)
120 Transit-Messungen für die ESA an der Sternwarte Kirchheim (Teil 2) (Wenzel Bernhard)
127 Die 16. Veränderlichen-Beobachtungswoche der BAV an der VdS-Sternwarte in Kirchheim (Domann Oliver)
128 V1166 Her - Beobachtungen des δ-Scuti-Sterns von Mai - Juli 2021 (Kolb Matthias)
VDS-NACHRICHTEN
131 Wir begrüßen neue Mitglieder (VdS-Geschäftsstelle)
132 Jubiläen 2022 (VdS-Geschäftsstelle)
REZENSION
137 Sternmythen - Neunzehn unterhaltsame Geschichten, wie das Treiben der Götter an den Sternhimmel versetzt wurde (Pilz Uwe)
137 Visionen neuer Wissenschaft - Zur dialogischen Dichtung von Dante Alighieri und Johannes Kepler (Steinicke Wolfgang)
139 William Herschel - Discoverer of the Deep Sky (Julius Karl-Peter)
Textinhalt des Journals 82
Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software.
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Nach seiten suchen: str-f, dann für gerade Seitennummer z.B. 24 | , für ungerade | 79
Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.
Nach Redaktionsschluss
Bericht aus dem Vorstand
von Astrid Gallus, Schriftführerin
An dieser Stelle berichtet der Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e.V. über seine Arbeit der letzten drei Monate.
easyVerein Im letzten Journal hatten wir bereits auf diesen neuen Service hingewiesen, viele Mitglieder nutzen ihn seitdem rege. Wer sich noch nicht bei easyVerein angemeldet hat, füllt einfach über unsere Webseite www.sternfreunde.de das Formular aus und übermittelt so seine E-Mail-Adresse. Den Link dazu findet man unter ,,Neuer Service für Mitglieder" gleich auf der ersten Seite.
Würzburger Frühjahrstagung 2022 Trotz großer Hoffnung fand die Würzburger Frühjahrstagung auch dieses Jahr ausschließlich im Netz statt. Organisator und Moderator Dominik Elsässer konnte Leonard Burtscher von der Universität Leiden für den Eröffnungsvortrag ,,Das Extremely Large Telescope" gewinnen. Michael Schomann bot mit einem faszinierenden Fotovortrag ,,Making-of Kirchheim 360 Grad " vollkommen neue Ein- und Ausblicke von der renovierten VdS-Sternwarte. Michael Jäger beeindruckte mit seinen erstmals ,,remotegewonnenen" Aufnahmen vom ungewöhnlichen Weihnachts-Kometen Leonard und Kai-Oliver Detken stellte die neue Fach-
Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 83 ,,Sonne" abgeschlossen haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen:
,,Astroprojekte für Jugendliche" in Journal 84 Redaktionsschluss: 01.07.2022 Redakteur: Michael Schomann, michael.schomann@sternfreunde.de
,,Verunglückte Beobachtungserlebnisse" in Journal 85 Redaktionsschluss: 01.10.2022 Redakteurin: Astrid Gallus, Astrid.gallus@sternfreunde.de
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-FachgruppenRedakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden. Vorher empfehlen wir, als Hilfestellung die Autorenhinweise zu nutzen (siehe www. sternfreunde.de.astronomie-fuer-mitglieder/fuer-alle-mitglieder/vdsjournal/ autorenhinweise-journal-fuer-astronomie/). Dort finden Sie auch einen Musterartikel als Vorbild und das Artikeldeckblatt zum Eintragen der wichtigsten Daten.
Mit dem Einsenden gibt der Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im ,,VdS-Journal für Astronomie" und zur Veröffentlichung auf den Webseiten der VdS. Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion
gruppe Remote-Sternwarten (s.u.) vor, um nur einige der Highlights zu erwähnen.
Neue Fachgruppe RemoteSternwarten Haben Sie schon mal die Webseite unserer neuesten Fachgruppe Remote-Sternwarten angeklickt? Nein? Dann sollten Sie das bald einmal ausprobieren: www.remotesternwarten.sternfreunde. de/. Kai-Oliver Detken, stellvertretender FG-Leiter, hat diese Webseite entwickeln lassen. Die Fachgruppe ist seit ihrer Gründung im November 2021 auf über 60 Mitglieder angewachsen. Selbst der Standort des ersten Remote-Teleskops steht schon fest! Mit der Remote-Sternwarte der VdS wird ein wirklicher Mehrwert für alle VdSMitglieder geschaffen und wir hoffen, dass wir hierdurch auch neue und vor allem jüngere Mitglieder werben und begeistern können!
Alle nach Halle vom 28. bis 30.10.2022! Die Tagung in Halle ist weiterhin als Präsenzveranstaltung geplant. Es soll ein Fest des Wiedersehens werden, ein Fest, was die Tagung selbst anbelangt mit einem hochgradigen Programm an ehrwürdigem Ort, und ein Fest mit einem genialen Begleitprogramm am Sonntag. Alles ist auf der Webseite der VdS nachzulesen. Dort kann man sich auch anmelden! Und das verrate ich an dieser Stelle: Auf das VdS-typische Vorabendtreffen am Freitagabend für alle freue ich mich jetzt schon ganz ausdrücklich!
Sie sehen, bei der VdS ist immer etwas los! Es grüßt Sie bis zum nächsten Mal - Ihre VdS
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Sternenparks in Deutschland
Prolog
Dieses Heft unseres Journals ist dem Schwerpunktthema ,,Sternenparks in Deutschland" gewidmet. Inzwischen sind in Deutschland sieben Regionen von der International Dark Sky Association als Sternenparks zertifiziert worden, und das Interesse von weiteren Regionen an einer Anerkennung ist groß. Nach einer Einleitung stellen sich in diesem Heft anerkannte und geplante Sternenparks vor, was zeigt, dass es trotz zunehmender Lichtverschmutzung doch noch dunkle Regionen in unserem Lande gibt. Mögen die Artikel als Anregung dazu dienen, die Lichtverschmutzung bei uns zu reduzieren und auch hier den wunderbaren Sternhimmel zu erkunden!
Andreas Hänel
Sternenparks und Sternenstädte in Deutschland
von Andreas Hänel
Erstmals hatte ich 2007 in der Zeitschrift ,,Nationalpark" einen Artikel über ,,Schutzgebiete für den Sternhimmel" [1] geschrieben, kurz nachdem die International Dark Sky Association (IDA) das Natural Bridges National Monument im US-Staat Utah als ersten Sternenpark anerkannt hatte. In dem Jahr wurde auch die Starlight Foundation auf der Kanareninsel La Palma gegründet, die später Kriterien für ,,Starlight Reserves" entwickelte und entsprechende Gebiete mit dunklem Himmel anerkannte. Gemeinsam mit Jan Hattenbach, damals bei der Volkssternwarte Aachen, versuchten wir das Thema ,,Schutz des Sternenhimmels" im gerade neu gegründeten Nationalpark Eifel unterzubringen, das dort später durch die Initiative von Harald Bardenhagen aufgegriffen wurde. Erst als im Jahr der Astronomie 2009 mit dem Galloway Forest Park in Schottland und dem Zselic-Landschaftsschutzgebiet in Ungarn die ersten Sternenparks in Europa anerkannt wurden, fand die Idee auch in Deutschland Interesse.
Als ungewöhnlich dunkel erwies sich der Nachthimmel im Naturpark Westhavelland, etwa 60 Kilometer westlich von Berlin. Im Jahr 2009 wurden hier Himmelshelligkeiten von 21,75 Größenklassen/ Quadratbogensekunde (mag/arcsec2) gemessen, weswegen dem Naturpark vorgeschlagen wurde, sich als Sternenpark zu bewerben. Die Idee fand großes Interesse, und
nach weiteren Messungen, Erfassung des Leuchteninventars und Leuchtenumrüstungen wurde schließlich im Februar 2014 der Naturpark Westhavelland als ,,International Dark Sky Reserve" anerkannt.
Die IDA zertifiziert unterschiedliche Kategorien als Sternenschutzgebiete, für die wir den Oberbegriff ,,Sternenpark" verwenden:
International Dark Sky Community Eine ,,International Dark Sky Community" ist eine Gemeinde, ein Ort oder eine Stadt, die sich zum Schutz der Dunkelheit bekennt. Es kommt also nicht darauf an, dass dort ein besonders dunkler Sternenhimmel zu beobachten ist, sondern dass sich die Kommune um dessen Schutz bemüht - durch Öffentlichkeitsarbeit, aber auch durch Einsatz einer Beleuchtung, die den Sternhimmel nicht ,,verschmutzt". Dafür muss ein Lighting Management Plan, ein Beleuchtungsplan oder, optimaler, eine Lichtsatzung erarbeitet, verabschiedet und als Arbeitsgrundlage benutzt werden. Danach soll Licht nur installiert werden, wenn es unbedingt notwendig ist. Die Leuchten müssen voll abgeschirmt sein und dürfen nicht in den oberen Halbraum abstrahlen (beschrieben durch eine ,,upward light ratio" ULR = 0), für Leuchtmittel mit einem Lichtstrom von mehr als 1.000 Lumen (lm), den etwa eine 9-Watt-LED-Lampe erzeugt, entsprechend der im Jahre 2021 er-
zielbaren Effizienz. Der Gesamtlichtstrom soll für voll abgeschirmte wie auch für nicht voll abgeschirmte Leuchten flächenbezogen begrenzt sein. Die Leuchtmittel dürfen nur geringe Blauanteile enthalten, sie dürfen daher nur eine maximale Farbtemperatur von 3.000 Kelvin (K) haben, wobei Farbtemperaturen von 2.200 K bevorzugt sein sollten. Und der Lichtstrom sollte, angepasst an die Nutzung im Laufe der Nacht, reduziert oder gar abgeschaltet werden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung müssen 67 Prozent der Leuchten diesen Anforderung entsprechen und nach fünf Jahren müssen alle öffentlichen Leuchten umgerüstet sein. Jährlich müssen mindestens zwei öffentliche Veranstaltungen zur Vermittlung der Reduzierung der Lichtverschmutzung angeboten werden.
Bedingt durch den Begriff ,,Community" werden in der Kategorie sehr unterschiedliche Kommunen zusammengefasst, von einer Stadt wie Fulda mit 68.000 Einwohnern bis hin zu kleinen Orten wie Spiekeroog und Pellworm auf den gleichnamigen Inseln mit je rund 1.000 Einwohnern.
Um die Reduzierung der Lichtverschmutzung in den Schutzgebieten quantifizieren zu können, müssen Messungen der Himmelshelligkeit durchgeführt werden. Dazu können das Sky Quality Meter (SQM) oder aber auch fotografische Messmethoden
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Sternenparks in Deutschland 6 | Journal für Astronomie Nr. 82
Sternenparks in Deutschland
eingesetzt werden. Ende 2021 gab es weltweit 34 International Dark Sky Communities.
International Dark Sky Park Ein ,,International Dark Sky Park" ist eine geschützte Region in öffentlicher oder privater Hand, in den USA sind es vor allem National Parks, Monumente oder State Parks, wobei der Staat Utah mit 18 Parks eine Vorreiterrolle hat. Es gelten ähnliche Regeln wie für eine Community, lediglich die Grenze für nicht voll abgeschirmte Leuchten liegt bei 500 lm, die komplette Umrüstung muss spätestens nach 10 Jahren erfolgt sein. In einem Park müssen mindestens vier öffentliche Veranstaltungen zum Thema ,,Schutz des Nachthimmels" angeboten werden, etwa als ein Schwerpunkt bei Sternführungen. Zudem muss der Park nachts zugänglich sein. Die Mindestanforderung an die Himmelshelligkeit liegt bei
1 Diese-All-Sky-Aufnahmen wurden mit
einem Fischaugenobjektiv 1:3,5 / 8 mm mit einer Canon 6D und meist 120 s Belichtungszeit bei ISO 3200 gewonnen. Mit der Software Sky Quality Camera (Euromix, Ljubljana) wurden die Aufnahmen ausgewertet und die Himmelshelligkeitsverteilung mit Falschfarben dargestellt. SQM-Messungen wurden mit einem SQM-L, Geräte-Nr. 2536, gewonnen. Die Orte v.o.l.n.u.r.: Fulda, FuldaAuen, 29.3.2019, SQM: 19,9 mag/arcsec2, Rhön, Schwarzes Moor, 30.3.2019, SQM: 21,9 mag/arcsec2, die Beobachtungen wurden innerhalb einer Nacht gemacht. Eifel, Weißer Stein, 21.1.2020, SQM: 21,2 mag/ arcsec2 , Westhavelland, Görne, 20.8.2020, SQM: 21,6 mag/arcsec2, Zselic/Ungarn, 26.6.2019, SQM: 21,7 mag/arcsec2, Winklmoosalm, 2.5.2018, SQM: 21,8 mag/arcsec2, Pellworm, 16.3.2021, SQM: 22.0 mag/ arcsec2, Spiekeroog, 8.3.2021, SQM: 22.1 mag/arcsec2,
21,2 mag/arcsec2. Zudem müssen Beobachtungsplätze öffentlich zugänglich sein. Ende 2021 gab es 112 Parks.
International Dark Sky Reserve Ein ,,International Dark Sky Reserve" ist ein geschütztes Gebiet öffentlichen und privaten Landes mit einer Mindestfläche von 700 km2 mit besonders dunklen Gebieten. Ein ,,Reserve" besteht in der Regel aus einer dunklen Kernzone, die durch eine umgebende Peripherie- oder Pufferzone geschützt wird. Sie entspricht damit dem Konzept der Biosphärenreservate, deren geschützten Kernzonen von Pflege- und Entwicklungszonen umgeben sind. Ziel der Pufferzone ist, dass die darin liegenden Kommunen ihre Beleuchtung so einrichten, dass die Kernzone möglichst dunkel bleibt. So große Schutzgebiete enthalten mehrere Akteure wie Park- und Kommunalverwaltungen, die zu 80% bezüglich Fläche und Einwohnerzahl einem Beleuchtungsplan zustimmen müssen, was eine sehr anspruchsvolle Anforderung darstellt. Dabei gelten die gleichen Regeln für die Beleuchtung wie für die Parks, insbesondere in der Kernzone. Die Kommunen in der Pufferzone müssen zudem mindestens ein Projekt einer Umrüstung zu konformer Beleuchtung vorweisen.
In Deutschland wurden bislang zwei Reserves anerkannt: Der Naturpark Westhavelland in Brandenburg, der neun Ämter umfasst, von denen sieben von Anfang an dabei waren, im Jahr 2016 kam Schollene westlich der Havel dazu, das bereits im Bundesland Sachsen-Anhalt liegt.
Als zweites Reserve erstreckt sich das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön über die Bundesländer Bayern, Hessen, und Thüringen mit jeweils eigenen Verwaltungen, die aber eng zusammenarbeiten, koordiniert durch Sabine Frank, die engagierte
Sternenpark-Koordinatorin im Landkreis Fulda. Darin liegen über 70 Kommunen, von denen sich viele nur teilweise im Biosphärenreservat befinden. Anfangs hatten nur 33 Kommunen zugestimmt, zwei hatten dagegen gestimmt. Aktuell hat die IDA 19 Reserves weltweit anerkannt.
Wenn die Kriterien für eine endgültige Anerkennung nicht schnell erfüllt werden können, eine Region aber einen Plan vorlegen kann, dass sie die Kriterien binnen drei Jahren erfüllen kann, ist in den drei Kategorien zunächst auch eine vorläufige Anerkennung möglich.
Großschutzgebiete in Deutschland Existierende großräumige Schutzgebiete bieten sich zur Einrichtung eines Sternenparks an. In Deutschland sind die drei Kategorien von Großschutzgebieten unter der Dachmarke ,,Nationale Naturlandschaften" zusammengefasst [2].
Es gibt 16 Nationalparks mit dem höchsten Naturschutz, in denen sich die Natur weitestgehend ungestört entwickeln soll. Ihre Gesamtfläche beträgt etwa 0,6% der Fläche Deutschlands. Derzeit 18 Biosphärenreservate nehmen insgesamt 3,9% der Fläche Deutschlands ein. Großräumige, für die Region charakteristische Landschaftstypen kennzeichnen diese Gebiete, die wesentliche Anteile an Natur- und Landschaftsschutzgebieten enthalten. Hier soll eine ausgewogene Beziehung zwischen Mensch und Biosphäre gefördert werden.
Die 103 Naturparks mit 28,4% der Fläche Deutschlands dienen dem Schutz von Kulturlandschaften mit ihrer Artenvielfalt, sollen aber auch der Erholung und dem nachhaltigen Tourismus sowie einer umweltgerechten Landnutzung dienen. Im Rahmen der ,,Qualitätsoffensive Naturparke" des Verbandes Deutscher Naturparke [3] wur-
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Sternenparks in Deutschland
den in Kooperation mit der Fachgruppe Dark Sky auch einige Bewertungspunkte zur Qualität und zum Schutz der Nacht aufgenommen.
Ziel war es, in jeder Kategorie wenigstens einen Sternenpark zu errichten, um das Ziel des Gebietsschutzes auch auf die Nachtstunden zu übertragen, was dann auch gelang. Dazu gehören die beiden 2014 anerkannten IDS-Reserves im Naturpark Westhavelland und im Biosphärenreservat Rhön. Im gleichen Jahr wurde der Nationalpark Eifel vorläufig als International Dark Sky Park anerkannt, endgültig dann im Jahre 2019. Da im Nationalpark kaum störende Lichtquellen sind, sondern die Nacht nur von den künstlichen Lichtern der umliegenden Orte beeinträchtigt wird, ist geplant, mit diesen Kommunen im umliegenden Naturpark Nordeifel als Puffer auch eine IDS-Reserve zu schaffen, die bis ins angrenzende Belgien reichen würde.
Die Winklmoosalm an der österreichischen Grenze gehört zwar administrativ zur Stadt Reit im Winkl, ist aber vom Ort acht Kilometer entfernt und vom bayerischen Staatsforst umgeben. Dort hatten in früheren Jahren schon Teleskoptreffen stattgefunden. In den letzten Jahren bot Manuel Philipp Sternführungen an und setzte sich für die Einrichtung eines Sternenparks ein. Auf der Alm gibt es keine öffentlichen Lichtquellen, sondern nur private an den 34 Häusern, von denen zwei größere Hotels sind. Es gelang, die Leuchten so umzurüsten, dass sie den Kriterien der IDA entsprechen, und so konnte die Alm 2018 als International Dark Sky Park anerkannt werden.
Sternenstadt und Sterneninseln Am westlichen Rand des Sternenparks Rhön gelegen, fiel die Idee, Fulda als ,,International Dark Sky Community" oder ,,Sternenstadt" anerkennen zu lassen, auf
fruchtbaren Boden, zumal in der barocken Innenstadt ein Werbekonzept entwickelt wurde, das Lichtemissionen beschränken sollte. Ein Vergleich mit der ersten Dark Sky Community Flagstaff in Arizona/USA hatte ergeben, dass die Lichtemissionen in Fulda weniger als halb so groß wie in Flagstaff bei nahezu gleicher Einwohnerzahl sind. Treibende Kraft für eine Anerkennung war dabei der Geschäftsführer des regionalen Energieversorgers RhönEnergie, der auch für die öffentliche Beleuchtung in der Stadt zuständig ist. Es wurde ein Konzept entwickelt, wie binnen drei Jahren so viele Leuchten umgerüstet werden, dass die Antragskriterien der IDA erfüllt werden können, und so wurde Fulda im Jahre 2019 vorläufig als International Dark Sky Community anerkannt.
Als Communities wurden 2021 auch die beiden Inseln Pellworm und Spiekeroog im UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer anerkannt, sie werden als ,,Sterneninseln" bezeichnet [4]. Die nordfriesische Insel Pellworm ist mit einer Autofähre erreichbar; die etwa sieben Kilometer große Insel wird vor allem landwirtschaftlich genutzt. Die 1.160 Einwohner wohnen über die ganze Insel verteilt, weshalb ein Antrag als Community sinnvoll war. Bei der ostfriesischen Insel Spiekeroog war die Entscheidung zwischen einer Antragstellung als Park oder als Community etwas schwieriger, da große Teile der Insel zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gehören. Dieser Teil ist damit bereits geschützt und ohne wesentliche Lichtquellen. Das meiste künstliche Licht wird im Ort mit etwa 800 Einwohnern erzeugt, und so entschieden Bürgermeister und Nationalparkdirektor in Abstimmung mit der IDA, für die gesamte Insel den Status als Community zu beantragen. Die Insel ist autofrei und nur mit Personenfähren zu erreichen.
Ziel der Sternenparks soll es nicht nur sein, dunkle Gebiete zu schützen, was sicher uns Amateurastronomen interessiert, wenn wir auf der Suche nach einem möglichst dunklen Beobachtungsplatz sind. Der zunehmende Verlust der Dunkelheit, verbunden mit der schlechteren Sicht auf den Sternenhimmel, ist auch der Verlust einer Naturerfahrung, die die Menschheit immer fasziniert hat. Immer weniger Menschen, und darunter besonders jüngere, haben den Sternhimmel mit der Milchstraße in voller Pracht gesehen und diese Erfahrung nicht machen können. Damit können Sternenparks touristische Attraktionen für andere Zielgruppen sein und dann - hoffentlich - auch als Vorbilder für eine nachhaltige Beleuchtung dienen, indem die Besucher Anregungen für bessere Beleuchtung mit in ihre Heimat nehmen. Und so bleibt zu hoffen, dass weitere Kommunen, Regionen, aber auch Unternehmen oder Privatleute ihre Beleuchtung so installieren oder umrüsten, dass Lichtverschmutzung vermieden wird.
Literaturhinweise und Internetlinks (Stand 14.02.2022): [1] A. Hänel, 2007: ,,Schutzgebiete für
den Sternhimmel", Nationalpark 4/2007, S. 12-16 [2] Bundesamt für Naturschutz (BfN): ,,Schutzgebiete", www.bfn.de/ schutzgebiete [3] VDN, Naturparke Deutschland, 2020: ,,Qualitätsoffensive Naturparke, 4. Phase 2021-2025", S. 55 [4] A. Hänel, 2021: ,,Pellworm und Spiekeroog", Sterne und Weltraum 12/2021, S. 78
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Sternenparks in Deutschland
Natur- und Sternenpark Westhavelland
von Thomas Becker
Der Naturpark Westhavelland befindet sich im Nordwesten von Brandenburg, etwa 80 km vom Zentrum Berlins entfernt. Am 12. Februar 2014 wurde er als erster Sternenpark in Deutschland ernannt. Mit einer Fläche von derzeit 1.380 km2 fällt er unter die IDA-Kategorie ,,Dark Sky Reserve" und ist in drei Lichtschutzzonen aufgeteilt. Am dunkelsten ist es in der Kernzone und nördlich davon, wo die Bevölkerungsdichte am geringsten ist. Größere Gewerbegebiete und Städte wie Rathenow oder Premnitz befinden sich im Süden des Naturparks. Das Gebiet umfasst und schützt eines der größten Feuchtgebiete Mitteleuropas und ist dementsprechend dunkel. Federführend für das Projekt Sternenpark ist die Verwaltung des Naturparks mit Unterstützung des 2014 gegründeten ,,Förderverein Sternenpark Westhavelland e.V.". Für Sternenliebhaber und Hobbyastronomen bietet er einige Möglichkeiten, die nachfolgend vorgestellt werden.
1 Westhavelländer Astrotreff 2019 (Foto: Thomas Becker)
Der Westhavelländer Astrotreff Schon vor der Ernennung zum Sternenpark wurde im Herbst 2010 der erste Westhavelländer Astrotreff (kurz WHAT genannt) durchgeführt. Auf dem Sportplatz des kleinen und etwas verschlafenen Ortes Gülpe fanden sich anfangs nur wenige Sternfreunde ein. Jahr für Jahr wurde deren Zahl aber größer und beim 9. WHAT 2019 war der Sportplatz zum ersten Mal voll belegt. 80 Plätze mit etwa 150 bis 200 Teilnehmern sind zwar im Vergleich zu anderen Veranstaltungen eher wenig, aber gerade das macht das Treffen so reizvoll (Abb. 1). Fast alle Teilnehmer, von denen viele mittlerweile Stammgäste sind, schätzen die ruhige und familiäre Atmosphäre sehr. Viele Teilnehmer reisen schon Tage vorher an, um größere Chancen zu haben, den dunklen Himmel zu erleben. Das einzige Mal mit durchgehend schlechtem Wetter war 2020 und in dem Jahr musste das Treffen
2 Das Bürgel-Fernrohr im ,,Sternenblick Parey" (Foto: Thomas Becker)
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Sternenparks in Deutschland
3 Das Abendzodiakallicht am Beobachtungsplatz ,,Kleßener See", Canon EOS 700D, 60 s Belichtungsdauer, Blende 3,5, ISO 1600,
Brennweite 10 mm (Foto: Thomas Becker)
aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. 2021 konnte das WHAT mit eingeschränkter Teilnehmerzahl und unter Einhaltung von Hygieneregeln wieder durchgeführt werden.
Samstags finden traditionell für die Öffentlichkeit mehrere Vorträge im Veranstaltungszelt statt, bevor es nach einem Abendimbiss in der beginnenden Dämmerung an die vielen Teleskope der Übernachtungsgäste geht, die bereitwillig die unterschiedlichsten Objekte einstellen und erklären. Gegen Mitternacht haben die Teilnehmer ihre Teleskope wieder für sich.
Die im September aufgrund der Jahreszeit und der Lage nahe der Havel oft schon sehr feuchte Witterung beendet manche Nacht leider schon etwas früher als erhofft. Darum wurde in den letzten Jahren der Termin, wenn möglich, schon in den August gelegt, wo die Nächte zwar kürzer, aber deutlich trockener sind. 2022 wird das 11. WHAT
vom 26. bis 28. August stattfinden, sofern es die Pandemie zulässt.
Sternenblick Parey Im März 2017 wurde im kleinen Haveldorf Parey, dem Sitz der Naturparkverwaltung, der ,,Sternenblick Parey" eröffnet. Damit wurde eine Möglichkeit geschaffen, thematische Veranstaltungen mit Vorträgen und geführten Sternenbeobachtungen anzubieten. Der ,,Sternenblick Parey" umfasst einen Vortragsraum, der rund 40 Personen Platz bietet, eine kleine Ausstellung zum Natur- und Sternenpark, eine Bildergalerie und Leseecke sowie auf dem Außengelände zwei fest installierte Teleskopmontierungen, auf die verschiedene Instrumente gesetzt werden können. Dazu gehören ein 80 mm/1.200 mm-Zeiss-Refraktor, ein 200 mm/2.000 mm-Schmidt-Cassegrain und leihweise ein 200 mm/1.000 mm-Newton-Teleskop. Ein echter Hingucker ist das ,,Bürgel-Fernrohr" (Abb. 2). Das Instrument wurde von dem be-
kannten Wissenschaftsautor und Hobbyastronomen Bruno Bürgel für eigene und öffentliche Beobachtungen genutzt. Es ist ein durchaus ungewöhnliches Instrument, welches bei den Besuchern immer wieder für Erstaunen sorgt. Das Herz des Refraktors ist ein Achromat der Firma Zeiss mit einem Durchmesser von 175 mm und einer Brennweite von 2.625 mm. Dieser befindet sich aber in einem viel zu großen Tubus. Der Grund dafür ist, dass Bürgel eigentlich ein Newton-Teleskop bauen wollte. Dann erhielt er jedoch diese Linse und verwendete sie in dem bereits angefertigten NewtonTubus. Das Ganze ruht auf einer schweren deutschen Montierung. Wobei es ,,Ruhen" nicht ganz trifft, denn das gesamte Gerät kann auf Rollen bewegt werden. Das hatte sich bereits Bürgel so ausgedacht, weil eine Kuppel für das über drei Meter lange Gerät zu teuer war. So schob er es für die Beobachtungen immer auf seine Terrasse. Auch heute staunen die Besucher, wenn sich die Tür zu einem unscheinbaren Holzschup-
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Sternenparks in Deutschland
4 Messier 81, Aufnahmegerät: Newton-Teleskop 406 mm / 1.826 mm, 32 min Gesamtbelichtungszeit mit ZWO ASI294
(Foto: Thomas Becker)
pen öffnet und dieses große Gerät auf die Wiese geschoben wird. Zwar ist das Fernrohr nicht für die Beobachtung von schwachen Nebeln geeignet, aber Mond und Planeten sind wunderbar zu bestaunen. Dabei sah es erst gar nicht gut für das Gerät aus. Jahrelang lag es verschmutzt und in viele Teile zerlegt im Keller des Planetariums Potsdam, welches keine Verwendung für ein Fernrohr dieser Größe hatte. So wurde es dem Förderverein des Sternenparks zu dessen Ernennung gespendet. Auch dort lag es erst einmal ungenutzt herum, bis ein Mitarbeiter des Naturparks sich des Ganzen annahm und während vieler bewölkter Winterabende restaurierte. Alles wurde gereinigt, überlackierte Messingteile wieder blank geschliffen, fehlende Teile ersetzt, alles neu lackiert und ein Schutzbau hergerichtet. Nun ist es wieder für die Öffentlichkeitsarbeit nutzbar. Leider war diese in den letzten zwei Jahren nur eingeschränkt möglich, wird aber 2022 hoffentlich zu neuem Leben erwachen. Zum
Glück konnten andere Veranstaltungen wie Nachtwanderungen, nächtliche Kajaktouren oder Fotoworkshops meistens stattfinden. Ein weiterer Veranstaltungsort ist das Naturparkzentrum in Milow. Dort finden ebenfalls Vorträge statt, die bei gutem Wetter durch eine Beobachtung mit einem kleinen, transportablen Refraktor ergänzt werden. Der Höhepunkt des Jahres ist jedoch die Sternschnuppennacht im August auf dem nahegelegenen Sportplatz.
Im Jahre 2022 soll die Initiative ,,Nachtwächter" gestartet werden, bei der Menschen aus der Region sich für den Schutz der Nacht einsetzen und astronomische Angebote nutzen können.
Beobachtungsmöglichkeiten Hobbyastronomen können bei einem Besuch des Natur- und Sternenparks aber auch ihre eigenen Geräte mitbringen und selbstständig beobachten. Dafür gibt es momentan zehn Beobachtungsplätze in
verschiedenen Kategorien und in Zukunft könnten noch einige hinzukommen. Zwei Plätze befinden sich in der Nähe der Bahnhöfe Friesack und Nennhausen. So können Sternfreunde aus Berlin ohne eigenes Fahrzeug den Sternenhimmel genießen, auch wenn die Bedingungen dort nicht ganz so optimal sind. Zwei weitere Plätze am Kleßener See (Abb. 3) und in Gülpe besitzen etwas Infrastruktur und die Möglichkeit, vor Ort im Zelt oder Wohnmobil zu schlafen. Die anderen sechs Beobachtungsplätze sind bisher Naturplätze, die ohne Ortskenntnis im Dunkeln eher schwierig zu finden sind. Es empfiehlt sich, schon zur Dämmerung anzureisen oder die auf der Webseite [1] angegebenen Koordinaten zu nutzen. Ende 2021 wurde aber zur besseren Erkennbarkeit eine erste Infostele an einem Beobachtungsplatz aufgestellt. Im Frühjahr 2022 folgte die zweite. Ziel ist es, alle Plätze mit Infotafeln und wenn möglich auch mit Sitz- bzw. Liegegelegenheiten auszustatten. Die Grundlagen dafür wurden 2021 in
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Sternenparks in Deutschland
einem Förderprojekt erarbeitet. Die Umsetzung hängt aber von der Finanzausstattung der Gemeinden ab und die ist derzeit besonders knapp. Die Plätze befinden sich größtenteils an Querwegen oder Ausweichbuchten von nachts kaum genutzten Plattenwegen. Gelegentlich kann dann schon mal ein Auto mit Fernlicht stören. Das ist der Preis für die öffentliche Erreichbarkeit und manchmal sind es auch andere Sternfreunde, die dann aber wenigstens ohne Fernlicht fahren sollten.
Wer eine längere Anreise hat, braucht natürlich Übernachtungsmöglichkeiten. Es gibt sehr schöne Ferienwohnungen, -häuser und Hotels sowie Campingplätze. Einige sind auf der Webseite [1] des Sternenparks aufgeführt oder können über den Tourismusverband Havelland e.V. [2] direkt gebucht werden. Massentourismus gibt es im Westhavelland nicht, was natür-
lich auch der Dunkelheit zugutekommt.Besucher müssen wissen, dass zwischen Ende Mai und Mitte Juli die Zeit der hellen Nächte herrscht. Zwar ist selbst dann die Milchstraße noch zu sehen, aber die volle Brillanz hat der Sternenhimmel dann nicht zu bieten. Verantwortlich dafür ist die nördliche Lage des Parks knapp über dem 52. Breitengrad. Als Entschädigung können dafür oft leuchtende Nachtwolken und Polarlichter beobachtet werden. Zudem haben auch die aufgehellten Mittsommernächte ihren eigenen Charme. Immer wieder huschen Fledermäuse vorbei, die Grillen zirpen vielerorts, und an manchen Stellen erhellen Leuchtkäfer die Nacht.
Viele fragen sich jetzt vielleicht noch, wie dunkel der Himmel im Sternenpark ist. Diese Frage ist grundsätzlich nicht leicht zu beantworten. Zum einen spielen veränderliche Faktoren eine Rolle, wie Luftfeuchte
und Transparenz der Atmosphäre oder der Stand der Milchstraße, zum anderen ist es an jeder Stelle im Sternenpark unterschiedlich dunkel und die Kalibrierung der Messgeräte schwierig. Im ,,Sternenblick Parey", der an einem relativ dunklen Ort liegt, wurden mit dem SQM-L in feucht-diesigen Herbstnächten mit hochstehender Milchstraße manchmal nur 21,10 mag/arcsec2 gemessen. Dagegen waren es in trockenen Frühjahrsnächten ohne Milchstraße auch schon mal 21,72 mag/arcsec2. Mit dem älteren SQM wären das wohl eher 21,90 mag/ arcsec2 gewesen. Sagen wir es so, der Sternenpark Westhavelland ist dunkel genug und auf jeden Fall einen Besuch wert!
Internethinweise (Stand 22.01.2022): [1] Der Sternenpark Westhavelland:
www.sternenpark-westhavelland.de [2] Tourismusverband Havelland e.V.:
www.dein-havelland.de
Sternenpark Rhön
- ein Weg mit Vorbildcharakter
von Anna-Lena Bieneck und Simon Manger
Im Herzen Deutschlands, im Dreiländereck Bayern, Hessen und Thüringen, liegt der Sternenpark Rhön. Das länderübergreifende Mittelgebirge Rhön, das weithin als ,,Land der offenen Fernen" bekannt ist, feierte im vergangenen Jahr 30 Jahre Anerkennung als UNESCOBiosphärenreservat. Seit 2014 ist die Rhön außerdem Internationaler Sternenpark. Das Besondere: Der Sternenpark Rhön verbindet über Grenzen hinweg. Sechs LEADER-Regionen und Landkreise, drei Biosphärenreservatverwaltungen aus drei Bundesländern, ein Verein und eine Tourismus-GmbH arbeiten zusammen, um den einzigartigen Sternenhimmel in der Region zu bewahren und erlebbar zu machen. Ein System, das funktioniert.
Der Sternenpark deckt in etwa das Gebiet des Biosphärenreservats ab - mit einer Kulisse von 2.433,23 km2 annähernd so groß wie das Bundesland Saarland, reicht sogar noch ein wenig darüber hinaus. Mittlerweile
1 Im Jahr 2022 ist eine Arbeitsmappe für die Sekundarstufe I
veröffentlicht worden. Bild: Simon Manger
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Sternenparks in Deutschland
sind es 40 Kommunen, die sich für die Teilhabe am Sternenpark entschieden und sich zum aktiven Schutz der Nacht bekannt haben. Auf Basis des Papiers ,,Beleuchtungsempfehlungen für Sternenparks zur Reduzierung der Lichtverschmutzung und Optimierung der öffentlichen Beleuchtung" sind die kommunalen Gremien eine freiwillige Selbstverpflichtung eingegangen. Seitdem haben zahlreiche Kommunen ihre öffentliche Beleuchtung umweltverträglich umgerüstet - in enger Zusammenarbeit mit der Sternenpark-Koordinierungsstelle beim Landkreis Fulda sowie den örtlichen Energieversorgern.
2 Die Stadt Aura a.d. Saale vor und nach der Abschaltung der öffentlichen Beleuchtung.
Die Aufnahmen entstanden im Sommer 2021 im Rahmen der länderübergreifenden Aktion ,,Licht aus, Sterne an!", an der sich zahlreiche Kommunen im Sternenpark beteiligten. Bild: Simon Manger
Die Entwicklungen im Sternenpark haben deutschlandweit Modellcharakter. Im Jahr 2019 haben die Biosphärenreservatverwaltungen in Kooperation mit den Landratsämtern anwendungsspezifische Planungshilfen für umweltverträgliche Beleuchtung veröffentlicht - für Kommunen und Sportvereine, aber auch für Privatleute und den Bereich Gewerbe. Die Planungshilfen, die die Parameter Lichtlenkung, -menge und -farbe umfassen, dienen mittlerweile bundesweit Ministerien, Kommunen und Verbänden als Vorlage für eigene Veröffentlichungen und die Umsetzung lokaler Strategien zur umweltverträglichen Beleuchtung.
Darauf aufbauend und auf Basis der bestehenden Rechtslage ist eine Arbeitshilfe zur Berücksichtigung und Einbeziehung technischer Vorgaben zur Vermeidung von Lichtimmissionen in die Beurteilungs-, Stellungnahme- und Genehmigungspraxis erstellt worden. Die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, die Lichtverschmutzung erstmals als Tatbestandsmerkmal aufgenommen hat, bestätigt die Arbeit im Sternenpark Rhön. Die Verantwortlichen sehen das Gesetz als konkreten Auftrag, den bisherigen Weg weiterzugehen.
Sternenpark Rhön e.V. Kurz nach der Anerkennung des UNESCOBiosphärenreservats Rhön durch die IDA als Sternenpark (Dark Sky Reserve) gründete sich im März 2015 der ehrenamtliche Verein Sternenpark Rhön e.V., der heute 63 Mitglieder zählt. Die Mitglieder kommen zum Teil von weit außerhalb der Rhön. Der Verein hat sich die Wissensvermittlung in den Bereichen Schutz der Nacht, Auswirkungen von künstlichem Licht auf Mensch und Natur sowie Astronomie auf die Fahnen geschrieben. Durch Zusammenarbeit mit den öffentlichen, freien und privaten Trägern will der Verein außerdem die Belange des Sternenparks Rhön unterstützen und vorantreiben. Hierbei arbeitet der Verein eng mit den Verwaltungen des Biosphärenreservats und der Rhön GmbH, die für die touristische Vermarktung zuständig ist, zusammen, so dass der Sternenpark auf verschiedenen Ebenen effektiv vorangebracht wird. Da der Sternenpark kein Selbstläufer ist, tritt der Verein zudem als Korrektiv auf, das sich auch mit kritischen Angelegenheiten auseinandersetzen möchte.
Sternenführungen, Himmelsschauplätze, Sternenparkwochen Die Auszeichnung als Sternenpark ist für die Rhön auch in puncto Tourismus ein
Gewinn - mittlerweile zieht es Touristen aus ganz Deutschland hierher, die den Sternenpark erleben wollen. Auch für die Rhönerinnen und Rhöner werden spannende Angebote geschaffen. Ein großes Projekt sind die deutschlandweit einmaligen Himmelsschauplätze mit eigens entwickelten Geräten zur Erkundung des Tagesund Nachthimmels (Abb. 4). Bisher gibt es sieben solcher Plätze - fünf in Hessen, zwei in Thüringen, weitere Standorte sind in Planung. Vom Sternenlehrpfad bis zum Sternenkino entwickeln die SternenparkKommunen zudem weitere, eigene Ideen.
Das wachsende Interesse und die steigenden Besucherzahlen bringen im Spannungsfeld Tourismus und Naturschutz neue Herausforderungen mit sich. Kommunikation für eine umweltverträgliche ,,nächtliche" Besucherlenkung ist hierbei das A und O. Ein wichtiges Mittel, um für den Schutz der Nacht zu sensibilisieren, sind die Führungen, die der Verein Sternenpark Rhön e.V. seit einigen Jahren anbietet. Zielgruppe sind vor allem Laien - die Rhöner Bevölkerung, aber auch Touristen aus dem gesamten Bundesgebiet. Durch die Astronomie und die Faszination Sternenhimmel lässt sich der Fokus auf die Besonderheit der Rhöner Nachtlandschaft, die
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Sternenparks in Deutschland
Bedeutung ihres Erhalts und das Problem Lichtverschmutzung lenken. Der Schutz der Nacht stellt einen festen Programmpunkt in den unterschiedlichen Themenführungen dar. Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei vielen Teilnehmenden das Wissen über Lichtverschmutzung nur marginal bis gar nicht vorhanden ist - dem kann das Bildungsangebot entgegenwirken. Für die Sternenführerinnen und -führer stellt der Verein die nötige Infrastruktur. Diese umfasst neben einem weitestgehend automatisierten Verwaltungs- bzw. Vermittlungssystem auch eine Datenbank mit Infos zu den Standorten und ein Angebot zur Weiterbildung.
2015 wurden die ersten 13 zertifizierten Sternenführerinnen und -führer ausgebildet. Das Bildungsangebot ist mittlerweile so beliebt, dass der Verein die Nachfrage kaum noch decken kann. Die Sternenführungen sind ein wichtiger Bestandteil des touristischen Angebots in der Rhön - das haben auch die ersten ,,Sternenparkwochen" der Rhön GmbH in den Jahren 2020 und 2021 gezeigt, die trotz Corona ein voller Erfolg
3 Der Beobachtungsplatz auf der Hohen Geba in Thüringen richtet sich speziell
an Hobbyastronomen. Bild: Simon Manger
waren. Um das Angebot auszuweiten, bieten die Biosphärenreservatverwaltungen in Kooperation mit dem Verein und mit finanzieller Unterstützung der Landkreise im Jahr 2022 eine weitere Ausbildung von 20 zertifizierten Sternenparkführerinnen und -führern an. Die Rückmeldung war überwältigend: Fast 90 Bewerbungen waren eingegangen. Die Ausbildung startete im März.
Die Bildungsarbeit im Sternenpark wird in diesem Jahr auch mit einem weiteren Projekt vorangetrieben: Auf Initiative des Vereins ist unter länderübergreifender Mitwirkung vieler Expertinnen und Experten ein Arbeitsheft für die Sekundarstufe I entwickelt worden [1] (Abb. 1). Das Projekt entstand ursprünglich aus dem Workshop ,,Rettet die Nacht!", der 8- bis 12-Jährige spielerisch über das Thema Lichtverschmutzung aufklärt. Das Konzept wurde 2018 mit dem Reiff-Förderpreis ausgezeichnet, wobei das Preisgeld in die
Entwicklung des Arbeitshefts miteinfloss. Anfang des Jahres wurde das Heft mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren veröffentlicht, für das Lehrpersonal gibt es ein Begleitheft [2]. Da der Löwenanteil für die Erstellung von der Hessischen Biosphärenverwaltung finanziert wurde, wird die Unterrichtsmappe kostenlos an die Schulen abgegeben.
Beobachtungsplattformen für Hobbyastronomen Im Sternenpark Rhön steht der Schutz der weitestgehend noch erhaltenen natürlichen Dunkelheit und der Flora und Fauna im Zentrum allen Tuns. Trotzdem werden Hobbyastronomen mit entsprechendem Equipment geeignete Möglichkeiten geboten. Die Einheitsgemeinde Rhönblick in Thüringen hat hierzu auf der Hohen Geba mehrere Beobachtungsplattformen errichtet (Abb. 3). So wurde ein zentraler Anlaufpunkt für Hobbyastronomen geschaffen, um gleichzeitig zu verhindern, dass diese
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Sternenparks in Deutschland
nachts in sensiblen Schutzgebieten wie der Langen Rhön aktiv sind. Dies ist als Beitrag zum Naturschutz zu verstehen. Inzwischen wird die Hohe Geba sehr gut angenommen. Interessierte nehmen schon mal mehrere Stunden Anfahrt in Kauf, um die guten Bedingungen in der Rhön zu nutzen. Bei gutem Wetter mutet es fast wie ein kleines Teleskoptreffen an.
Die Hohe Geba, ein ehemaliger Vulkan mit weitläufigem Gipfelplateau, sticht mit ihren 751 Metern Höhe aus der Vorderrhön heraus. Die Beobachtungsplattformen liegen rund 420 Meter über dem Talgrund, was dafür sorgt, dass Dunst und Nebel den Plattformen weitestgehend fernbleiben. Da die Geba in der dunkelsten Zone des Sternenparks liegt, ist es dort auch besonders wenig lichtverschmutzt. Lediglich das östlich gelegene Meiningen fällt mit einer leichten Lichtglocke auf. Bei passenden Wetterbedingungen erscheint dort das Zodiakallicht als auffälliger Lichtschein, und die Horizontsicht in südliche Richtung ist hervorragend. Die Beobachtungsplattformen bestehen aus sechseckigen Betonsegmenten, die in den Boden eingelassen sind. Mit einem Durchmesser von etwa vier Metern ist dort auch für große Geräte ausreichend Platz. Neben Stromanschlüssen stehen den Hobbyastronomen auch Windschutznetze zur Verfügung, die bei Bedarf zwischen die Pfosten gespannt werden können. Die Plattformen müssen zur Instandhaltung kostenpflichtig gebucht werden, die umliegenden Grasflächen stehen aber kostenlos zur Verfügung. Wer mit dem Teleskop kommt, hat zudem die Möglichkeit, kostenfrei mit dem Fahrzeug bzw. Zelt zu übernachten. Das nahegelegene Bergstüb-
4 Im Herbst 2019 wurden in der Hessischen Rhön die ersten Himmelsschauplätze eröffnet.
Bild: Alexander Mengel
chen bietet Getränke und kleine Leckereien an. Die Gemeinde plant derzeit die Erneuerung der Sanitäranlagen, die den Astronomen zur Verfügung stehen sollen.
Aufgrund der positiven Resonanz wertet die Gemeinde den Geba-Gipfel mit Fördermitteln des Thüringer Umweltministeriums zur nachhaltigen Entwicklung im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön weiter auf. Derzeit wird ein Skypole gebaut - ein hoher Mast, der am Boden von einem Koordinatensystem umgeben ist, anhand dessen die Position der Sterne, Sternbilder, Planeten und anderer Himmelserscheinungen exakt berechnet werden kann - mithilfe einer dazugehörigen App. Auch weitere Beobachtungsplattformen sind geplant.
Internethinweise (Stand 14.02.2022): [1] Wir entdecken die Nacht:
www.biosphaerenreservat-rhoen.de/ fileadmin/media/publikationen/pdf/ Wir_entdecken_die_Nacht.pdf [2] Lösungsheft: www.biosphaerenreservat-rhoen.de/ fileadmin/media/publikationen/pdf/ Wir_entdecken_die_Nacht_ Loesungsheft_kompr.pdf (14.2.2022)
[3] Verein Sternenpark Rhön: www.verein-sternenpark-rhoen.de
[4] Hintergründe zu Sternenpark, Beleuchtung und Schutz der Nacht: www.sternenpark-rhoen.de
[5] Den Sternenpark erleben: www.sternenparkrhoen.de
Gedicht
Es werde Licht ...
Was haben die Lichter mit uns nur gemacht? Vor lauter Laternen wird es niemals Nacht. Wir haben der Helle uns völlig verschworen und haben die Sterne schon lange verloren. Allein in der Wüste sehn wir noch am Himmel das vieltausendfältige Sternengewimmel.
Wir machten uns Licht, weil wir mehr sehen wollten, jetzt sehen wir nicht, was wir sehen sollten.
Volker Jordan
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Sternenparks in Deutschland
Die Nacht vermitteln
- eine interessante Nebentätigkeit für Sternenfreunde
von Etta Dannemann
An entlegene Orte fahren und dort einen klaren Nachthimmel genießen - das war bisher überwiegend das Vergnügen von Spezialisten. Aber es verändert sich etwas: In den letzten Jahren hat das Thema ,,Natürlicher Nachthimmel" als Reiseziel großes mediales Interesse hervorgerufen. Artikel in wichtigen Medien wie New York Times, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und ZEIT machen Lust darauf, Orte mit einem ,,echten" Sternenhimmel zu besuchen. Darüber hinaus sind einige Reiseführer für ein größeres Publikum jenseits der Astronomie erschienen [1]. Das jüngste Beispiel für die große Resonanz in den Medien ist ein dpa-Reisebericht über die Sterneninsel Spiekeroog vom Dezember 2021, der im Nachgang auf zahlreichen Internetseiten veröffentlicht und in vielen Reisebeilagen abgedruckt wurde.
Eine neue Zielgruppe reist an dunkle Orte Die Vielzahl dieser Veröffentlichungen zeigt: Das Thema ist beliebt, das Bewusstsein für den Verlust der natürlichen Nacht bei den Stadtbewohnern wächst. Das Erlebnis Sternenhimmel hat eine touristische Qualität bekommen, denn zuhause können 60% aller Menschen in Europa die Milchstraße nicht mehr sehen. Die Berichte in der Presse wecken das Interesse einer Zielgruppe, die bisher wenig Kontakt mit dem Thema ,,Kosmos" hatte. Projekte wie die Kampagne ,,Million Stars Hotel" in der Schweiz setzen neue Akzente in der Urlaubsgestaltung rund um die Nacht, originelle Übernachtungen sind gefragt.
Sternenparks - die Vermittlung ist von Besucher:innen und Naturparks gefragt In Deutschland gibt es mittlerweile ein Dutzend Gebiete, die sich bereits zur weltweiten Bewegung der Sternenparks zählen können oder eine Zertifizierung vorbe-
1 Eine Sternenführung zu den Vogelzugtagen an der Nordsee: Eine Teilnehmerin freut sich,
dass sie mit ihrem Handy den Mond durchs Fernrohr fotografieren kann ... (Bild: A. Hänel)
reiten. Mit der Hilfe von Förderprojekten arbeiten sie zunehmend professionell im Bereich Besucherführung und Kommunikation. Der nachhaltige Tourismus hilft dabei, die eigenen Schutzziele und Projekte zu verwirklichen und bietet strukturschwachen Regionen eine Perspektive. Es liegt im Interesse der Parks, einen zunehmenden Besucherstrom durch das Ausweisen von Beobachtungsorten zu lenken und Veranstaltungsangebote zu machen, die in das Thema ,,Nacht, Ökologie und Kosmos" einführen. Im besten Fall finden Besucher:innen Veranstaltungen vor, die über die Wissensvermittlung hinausgehen und eine sinnliche Erfahrung ermöglichen.
Die Sternenführungen: Monate im Voraus ausgebucht Als populäres Format haben sich Sternenführungen etabliert, prominente Vertreter mit regelmäßigen Presseerwähnungen sind unter anderem Harald Bardenhagen in der Eifel, Sabine Frank mit ihrem Team in der Rhön und Manuel Philipp auf der Winklmoosalm. Trotz dieser Präsenz entsteht hier ein Nadelöhr: Sternenführungen sind
beliebt, aber rar. Oft sind die Veranstaltungen über Monate im Voraus ausgebucht. Es bietet sich daher eine Chance für Expertinnen und Experten, das eigene Wissen rund um Astronomie und die Nacht weiterzugeben und sich eine interessante Nebentätigkeit zu erschließen. Sternenparks, große Resorts und Hotels suchen Menschen, die eine entsprechende Qualifikation mitbringen und ein Event in einer ansonsten meist veranstaltungsarmen Region anbieten.
2021 fanden bereits Ausbildungen für weitere qualifizierte Kräfte statt: in der Eifel (30 neue Sternenführerinnen und -führer) und auf Spiekeroog. In der Rhön wurden bereits im Jahre 2015 Sternführer ausgebildet, für 2022 ist ein kompletter Ausbildungskurs für 20 neue Nachtexpertinnen vorgesehen. Bei diesen Ausbildungen gab es wesentlich mehr Bewerber als Plätze - Menschen mit astronomischen Kenntnissen haben hier einen Vorteil. Auch wenn die genannten Regionen nun erstmal keine weiteren Ausbildungen anbieten - andere Regionen sind dabei, Ausbildungen zu planen, und der Bedarf wird weiter wachsen.
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Wie kann man mit Astronomiekenntnissen zum Sternenführer werden? Hilfreich ist es, eine Schulung zum Naturund Landschaftsführer zu absolvieren, um Sicherheit in der Gruppenführung und eine präzise Ortskenntnis zu erlangen. Als Hobbyastronom erarbeitet man dann ein Konzept für die eigene Nachtführung. Dazu kann man sich vom Sternenpark oder von Anbietern wie ,,Visit Dark Skies" [6] unterstützen lassen. Danach sucht man einen Kooperationspartner: zum Beispiel den lokalen Sternenpark oder ein Resort mit großem Gelände. Die lokale Tourismusorganisation und das Fremdenverkehrsamt können bei der Vermarktung beraten. Es lohnt sich, sich noch einmal genau anzuschauen, was eine Sternenführung leisten sollte und verschiedene Sternenführungen zu besuchen, um später ein eigenes Profil zu entwickeln. Die Kooperationen mit größeren Anbietern machen es einfacher, Interessenten zu akquirieren - zudem kann auch die wichtige Frage der Versicherung über den lokalen Verein oder einen lokalen Veranstalter gewährleistet werden. Als Selbst-
ständiger ist auch eine einfache Versicherung über AirBnB Experiences oder eine eigene Veranstalterversicherung möglich, zum Beispiel eine Haftpflichtversicherung für gelegentliche Reiseveranstalter.
Was muss eine Sternenführung leisten? Sternenparkführer nehmen ihre Gäste mit an besonders dunkle Orte, an denen sie eine sichere und von Licht ungestörte Sicht auf den Nachthimmel haben können. Für viele Stadtbewohner ist es ungewohnt, wenig oder keine Beleuchtung zur Verfügung zu haben und sie sind dankbar, wenn sie mit profunder lokaler Ortskenntnis geführt werden und Orte aufsuchen können, die ihnen das beste Erlebnis bieten und verträglich für das Gebiet sind.
Dabei kann das gemeinsame Blicken durch ein Teleskop Teil der Führung sein. Viele touristische Sternenführungen kommen aber ganz ohne den Detailblick auf Himmelskörper aus. Im Vordergrund steht das Erlebnis der natürlichen Nacht.
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Einsteiger sind dankbar bereits für kleine Anregungen Viele Touristen in entlegenen Regionen besitzen nur rudimentäre Kenntnisse zu dem Geschehen außerhalb der Erde. Oft wird der große Wagen erkannt, aber darüber hinaus fehlen einfache Kenntnisse: Was ist ein Sonnensystem, was eine Galaxie, wie viele davon gibt es, warum bewegen sich die Sterne im Jahresverlauf, der Polarstern, ja, aber wie findet man ihn usw.
Den Anspruch nicht zu hoch hängen Eine Führung, die nur die Grundlagen von Astronomie vermittelt, stellt daher bereits eine Bereicherung für viele Menschen dar und kann einen Einstieg in das Interesse am Himmel bieten. Hier sollte der Maßstab also nicht zu hoch gehängt werden und man muss nicht Astronomie studiert haben, um Reisenden ein interessantes Event bieten zu können. Im Gegenteil: Hobbyastronomen können sich häufig für Zahlen und astronomische Neuentdeckungen begeistern, dies ist aber bei touristisch orientierten Touren kontraproduktiv. Zu detaillierte
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Beschreibungen von Himmelskörpern und Konstellationen können den Schwung aus dem touristischen Event nehmen. Es reicht, wenn zwei oder drei Aha-Effekte vermittelt werden und die Bewegung in der Natur bei Nacht das eigentliche Event ist.
Sternenführungen: Das Erlebnis ,,Nacht" ist mehr als Astronomie Es gibt viele Dinge, die bei einer Führung mit dem Thema ,,Erlebnis Nacht" gezeigt werden können. Es kann die Dunkeladaptation des Auges, die Schärfung der Sinne betont werden. Die Aktivitäten von nachtaktiven Tieren können nachvollzogen und ihre akustischen Spuren verfolgt werden. Die Angst vor der Dunkelheit kann thematisiert und in kleinen Übungen überwunden werden. Astronomie ist also eine exzellente Basis, aber nicht der einzige Inhalt, der einen Mehrwert für Sternenparkregionen schaffen kann. Wichtig ist das auch deshalb, weil ja auch für schlechtes Wetter ein Konzept vorliegen sollte - das kann eine Nachtwanderung ohne Sternenbezug sein, ein Vortrag oder eine Gutscheinlösung.
Fazit: Warum eigentlich nicht? In diesem Artikel möchte ich dazu ermutigen, selbst Sternenführer oder Sternenführerin zu werden. Das in Jahren der Beschäftigung mit der Astronomie oder Astrofoto-
2 Eine Sternenführung in der Rhön (Bild: A. Hänel)
grafie erworbene Wissen kann so eine neue Bestimmung finden und im touristischen Kontext weitergegeben werden. Menschen, die eine unterhaltsame Veranstaltung in entlegenen Regionen mit guter Ortskenntnis bieten können, sind gesucht.
Die Erfahrung, vor Gruppen zu sprechen, wird entweder bereits mitgebracht oder kann behutsam Schritt für Schritt aufgebaut werden. Die Bereitschaft, bei Nacht eine Führung von zwei Stunden zu geben, wird dabei vorausgesetzt. Die nächtlichen Arbeitszeiten mögen ein Grund dafür sein, dass es bisher so wenige Sternenführer und Sternenführerinnen gibt. Wer die Nacht ohnehin liebt, sollte also einmal darüber nachdenken, ob er oder sie nicht aus der Hobbyastronomie eine Nebentätigkeit machen möchte. Der eine oder andere Euro mehr in der Tasche kann dazu dienen, das nächste Teleskop oder den nächsten AstroUrlaub zu finanzieren. Und nebenbei erzeugt man großes Staunen bei den Ausflüglern - sicherlich der größte Gewinn.
Literatur- und Internethinweise (Stand 14.02.2022): [1] Finding a Million Star Hotel, 2016:
www.myswitzerland.com/de-de/ unterkuenfte/hotels/millionstars-hotel/ [2] B. Pröschold, 2018: ,,Reiseziel Sternenhimmel", Kosmos, www.kosmos. de/buecher/ratgeber-naturfuehrer/ astronomie/sternfuehrersternkarten/9743/reisezielsternenhimmel [3] Guide de l'Astro-Tourisme (2018), https://boutique.petitfute.com/ guide-de-l-astro-tourisme-2018.html [4] Lonely Planet Dark Skies (2019), ,,A Pracical Guide to Astrotourism", https://shop.lonelyplanet.com/ products/dark-skies-1 [5] Dark Skies - Stargazer's guide to the Dark Skies of Britain and Ireland, 2021: https://gostargazing. co.uk/2021/08/25/stargazersguide-to-the-dark-skies-of-britain-andireland/ [6] Guided Stargazing ist dein persönliches Event bei Nacht: www. visitdarkskies.com/
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MARIIA VASILEVA / GETTY IMAGES / ISTOCK
Sternenparks in Deutschland
Der Nachthimmel über MecklenburgVorpommern
von Andreas Hänel
Betrachtet man die Lichtverschmutzungskarte [1], fällt in Deutschland sofort der relativ dunkle Nordosten in Mecklenburg-Vorpommern auf. Der Schutz dieser dunklen Region wurde schon Anfang der 2000er-Jahre dem dortigen Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie vorgeschlagen, da weite Flächen bereits als Natur- oder Nationalparks geschützt waren. Messungen an unterschiedlichen Orten wurden bei Reisen in die Region ab 2012 unternommen, wobei festzustellen war, dass an vielen Stellen, besonders auch an der Küste, die Lichtmenge erheblich ist, weil bei Umrüstungen oder Neuinstallationen oft die Lichtverschmutzung nicht berücksichtigt wird.
Das Mecklenburger Parkland
Eine private Initiative zum Schutz des Nachthimmels ging vom ,,Mecklenburger ParkLand"
aus, einer Kooperation verschiedener Gutsherren der Region. Ein erster Besuch erfolgte auf
Einladung von Maibritt Olsen und Graf von Bassewitz im Juni 2014 zu einer Veranstaltung
auf dem Gut Dalwitz mit Christopher Kyba aus Berlin und Sabine Frank aus der Rhön, wo
Sternenparkprojekte vorgestellt wurden. Messungen waren wegen des hellen Sommerhim-
mels und der Mondphase nicht möglich.
2 Storchennest in einer Mondnacht auf
dem Gut Dalwitz (Bild: A. Hänel)
1 Messungen der Himmelshelligkeit in Mecklenburg-Vorpommern, überlagert mit der Lichtverschmutzungskarte von Falchi u.a. (2016).
Es sind Messungen mit der Fischaugenkamera sowie Messungen mit dem Roadrunnersystem (Ketten von Messpunkten) dargestellt.
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Sternenparks in Deutschland
3 Die Fischaugenaufnahme vom Beobachtungsplatz bei Walkendorf (2 min belichtet bei ISO 1600 mit Sigma 1:3,5/8 mm an Canon 6D,
13.10.2018, 0:29 MEZ) zeigt im Süden (unten) die schwache Aufhellung des Gegenscheins. Die Auswertung mit der Software Sky Quality Camera zeigt den Verlauf der Himmelshelligkeit in mag/arcsec2, wobei versucht wurde, die Lichterglocken am Horizont zu identifizieren (Bild: A. Hänel).
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Sternenparks in Deutschland
Am 18.04.2015 gab es dann einen weiteren Besuch, um die Himmelsqualität zu erkunden. Die Nacht begann mit klarem Wetter, und es war eine Rundfahrt in der Umgebung des Feriengutes Dalwitz geplant, wobei die Himmelshelligkeit an mehreren Orten gemessen werden sollte. Dazu wurde ein Sky Quality Meter SQM-L eingesetzt, das in der Hand gehalten wurde. Ferner wurde ein SQM-LU mit USB-Schnittstelle auf dem Autodach montiert und Messungen der Himmelshelligkeit parallel mit Ortsbestimmungen mit einem GPS aufgezeichnet, die Software trägt den Namen ,,Roadrunner". An einigen Orten wurden zudem Fischaugenaufnahmen mit einer kalibrierten Kamera aufgenommen. Diese Aufnahmen wurden mit der Software Sky Quality Camera ausgewertet und lieferten die Helligkeits- und Farbverteilung über den Himmel.
Eine erste Messung konnte in den Feldern nordwestlich von Walkendorf gewonnen werden, die SQM-Werte lagen bei 21,55 mag/arcsec2, während mit der Kamera im Zenit 21,34 mag/arcsec2 gemessen wurden. Die Unterschiede sind darauf zurückzuführen, dass das SQM und die Digitalkamera unterschiedliche spektrale Empfindlichkeiten haben und der Himmel an dem Abend sehr diesig war. Doch leider zog es schnell zu, es wurde zwar weiter gemessen, allerdings nur der bedeckte Himmel. Immerhin zeigten die Messungen, dass es in der Region sehr dunkel ist und sie das Potential zur Anerkennung als Sternenpark hätte. Allerdings müssten die Kommunen mitziehen, indem sie sich verpflichten, einen Beleuchtungsplan zur erstellen und ihre Beleuchtung so einzurichten, dass sie voll abgeschirmt nur auf die Nutzfläche und nicht gen Himmel strahlt. Leider erfüllten viele Leuchten in den Ortschaften diese Anforderungen noch nicht.
4 Eine Fischaugenaufnahme mit einer astromodifizierten Kamera (700Da) in derselben
Nacht wie in Abb. 3 zeigt deutlich die roten Wasserstoffwolken der Milchstraße sowie den Gegenschein (Bild A. Hänel).
Ein weiterer Aufenthalt folgte dann zum Jahrestreffen ,,Astronomie in Mecklenburg-Vorpommern" am 12.10.2018. Der Abend nach dem Treffen war klar, so dass diesmal Messungen und Beobachtungen von dem früheren Beobachtungsplatz in den Feldern nordwestlich von Walkendorf aus angestellt werden sollten (Abb. 3+4). Der Platz ist abgelegen, aber relativ einfach erreichbar, ohne direkte Lichteinflüsse und mit freiem Horizont. Die Nacht war relativ diesig, wodurch die Lichtglocken vor allem von Rostock und dem Flughafens Laage deutlich zu erkennen waren. Im Laufe der Nacht ging die Himmelshelligkeit deutlich von 21,30 auf 21.55 mag/arcsec2 zurück, zurückzuführen auf Abschalten der Beleuchtung in vielen der umgebenden Orte. Welche Möglichkeiten der Nutzung für astronomische Beobachtung es bereits gibt, zeigt Michael Danielides in seinem Artikel in diesem Heft.
Nossentiner/Schwinzer Heide Der Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide gehört mit seiner dünnen Besiedlung und der Ferne zu größeren Städten zu den dunkelsten Regionen in MecklenburgVorpommern. Er hatte sich bereits seit dem Jahr 2012 mit dem Thema Sternenpark auseinandergesetzt und mit einem Kooperationspartner aus der Slowakei Messungen der Himmelshelligkeit vorgenommen und Informationsbroschüren zur Reduzierung der Lichtverschmutzung erstellt. Der Mittelwert der Messungen lag bei 21,4 mag/ arcsec2 mit Maximalwerten um 21,7. Seitdem wurden weitere Messungen, teilweise auch mit dem Roadrunner, vorgenommen, die die Werte bestätigten. Zwischenzeitlich hat der Naturpark mit Fördermitteln in einigen Kommunen Umrüstungen der Leuchten durchführen können und es wurden verschiedene Beobachtungsplätze mit Infotafeln eingerichtet. Zudem werden
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Sternenparks in Deutschland
in Kooperation mit Amateurastronomen Sternenführungen durchgeführt. Das bereits verfügbare Angebot beschreibt der Naturparkleiter Ralf Koch mit seinen Mitarbeiterinnen in ihrem Artikel. Das Problem einer Anerkennung im Naturpark ist aber auch hier, dass einige Kommunen innerhalb der Grenzen noch eine alte Beleuchtung haben, die teils nur sehr schwach leuchtet, allerdings nicht die IDA-Kriterien erfüllt.
Weitere Messungen konnten nahe dem Müritz-See und an der Küste bei Rerik, Küh-
lungsborn, und auf dem Darß durchgeführt werden, die heller, aber meist dunkler als 21 mag/arcsec2 waren. Insgesamt erweist sich der Nachthimmel in weiten Gebieten des Bundeslandes noch als sehr dunkel und es wäre dringend wünschenswert, wenn zumindest in den großen Schutzgebieten auch der Schutz der Nacht umgesetzt würde. Dadurch werden nicht nur Fledermäuse oder Zugvögel von den negativen Auswirkungen der Lichtverschmutzung weniger stark beeinflusst, sondern die zahlreichen Urlauber in der Region können einen noch wenig verschmutzen Sternhimmel erleben. Da-
rauf wurde auch in einem Workshop zum Astrotourismus auf der Internationalen Tourismus-Börse ITB im Jahre 2018 hingewiesen, als Mecklenburg-Vorpommern das Themenland war.
Internethinweis (Stand 14.02.2022): [1] Lichtverschmutzungskarte:
www.lightpollutionmap.info
Auf dem Weg zum Sternenpark
- Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide
von Ralf Koch, Marina Kahrmann und Evelin Kartheuser
Weite Wälder, stille Seen, Ruhe pur: Abseits der Touristenströme liegt mit dem Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide das größte zusammenhängende Waldgebiet in Mecklenburg-Vorpommern. Hier sind auch einige der schönsten Klarwasserseen Mitteleuropas zu finden. Seeadler, Fischadler und viele seltene und schöne Tierarten sind hier Hause. Neben unvergesslichen Naturbeobachtungen in diesem dünn besiedelten Landstrich hat der Naturpark noch ein weiteres Highlight zu bieten: einen faszinierend schönen Sternenhimmel. Mit nur neun Einwohnern pro Quadratkilometer und zahlreichen unzerschnittenen, unbesiedelten Waldbereichen stellt die Naturparkregion mit einer vergleichsweise geringen Lichtverschmutzung im Norden eine Besonderheit dar. Der Mangel an Bevölkerung, Industrie und Infrastruktur hat nicht nur sprichwörtlich seine Schattenseiten. Mit der Schaffung eines Sternenparks möchte der Naturpark Nossentiner/ Schwinzer Heide diese Schwäche zu einer Stärke machen.
Bereits 2012 bis 2015 wurde im Rahmen des Naturparkplanes erstmalig ein Projekt mit dem Namen ,,Sternenpark" ausgearbeitet. Hier wurde das Ziel festgelegt, auch in Zukunft die Dunkelheit der Nacht zu erhalten: zum Schutz nachtaktiver Tiere, des Klimas, zur Bereicherung naturtouristischer Angebote, zur Gewinnung neuer Zielgruppen und zur Erhöhung der Wertschöpfung des Naturtourismus in der Region. Um ohne finanzielles Polster, aber mit viel Engagement einen Sternenpark aufzubauen, muss man kreativ sein.
So wurde seit 2014 über verschiedene Projekte bei Stiftungen oder EU-Förderprogrammen (z. B. Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Natur, LEADER, Programm ,,Neulandgewinner") versucht, die Idee eines Sternenparks in der strukturschwachen Region des Naturparks zu etablieren. Auf diesem Wege wurde eine Zusammenarbeit mit den Sternenparks Bieszczady (Polen), Poloniny (Slowakei) und Transkarpatien (Ukraine) begonnen und mit dem Plane-
tarium Lübz und der Sternenpark-Initiative ,,Mecklenburgisches ParkLand" neue Partner gewonnen. Auch die erste sternenparkkonforme Umstellung der öffentlichen Beleuchtung durch die Gemeinde Neu Poserin konnte in Auftrag gegeben werden. Inzwischen hat sich ein gutes Netzwerk aus Schulen, Touristikern, Hobbyastronomen, Naturschützern, Wildnispädagogen, Personen aus der Gesundheitsbranche und Gemeinden gebildet, dank deren Unterstützung zahlreiche Veranstaltungen zum Thema durchgeführt werden können. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Sternenpark war die Einrichtung von Sternenbeobachtungsplätzen.
Um den Nachthimmel erlebbar zu machen und den Wert der Dunkelheit zu transportieren, hat der Naturpark 2020/2021 zehn Sternenbeobachtungsplätze an Orten eingerichtet, die einen möglichst weiten Horizont haben, dunkel und gut erreichbar sind. Gleichzeitig bietet jeder dieser Orte einen anderen Einblick in die verschiedenen Na-
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turräume des Naturparks. Zu der Ausstattung eines Sternenbeobachtungsplatzes gehört neben der bequemen Sternenbeobachtungsliege (Abb. 3) eine Informationstafel, auf der man etwas über Sonne oder Mond, Planeten, unsere Galaxie, Kometen und Meteore, Lichtverschmutzung oder nachtaktive Tieren erfährt. Zwei weitere Pulttafeln enthalten jeweils eine Karte mit den wichtigsten Sternbildern des Winter- bzw. Sommerhimmels und Hinweise, die zur Beobachtung astronomischer Phänomene oder Himmelskörper mit dem bloßen Auge anregen. Die Beobachtungsplätze konnten noch um das Hörerlebnis von VISIT DARK SKIES bereichert werden, das über einen QR-Code aufgerufen werden kann. Über die Nutzung der App hat sich gezeigt, dass schon im Einweihungsjahr 2021 die Beobachtungsplätze gut frequentiert wurden.
Erfreulicherweise laden die ausgewählten Standorte auch zu anderen Anlässen bei Tage ein. Am Sternenbeobachtungsplatz
1 Mit einem Glas Wein am Linstower See sitzen und Sterne beobachten
- willkommen im Sternenpark (Bild: Evelin Kartheuser)
Kirch Kogel z. B. gibt es Dank der Gemeinde Reimershagen einfache Sitzmöbel und die Möglichkeit, ein Zelt aufzuschlagen und ein Lagerfeuer zu entfachen. So wurde der Sternenbeobachtungsplatz in der Pandemie auch zum Freiluft-Begegnungsort für die Menschen aus der Gemeinde. Es wurden sogar Gottesdienste abgehalten. In Kooperation mit dem ,,Quartiersprojekt Lohmen" und mit Begleitung des Naturparks wurde 2021 eine Jurte aufgestellt, um Kindern und Jugendlichen eine aufregende Übernachtungsmöglichkeit zu bieten. Dabei genossen sie nicht nur den Sternenhimmel, sondern sie machten auch überraschende Erfahrungen in der Nacht. Die Kinder bewegten sich einzeln erst an kleinen Lichtern orientierend und später nur an einem Seil durch die Dunkelheit. Dazwischen luden Stationen zum Innehalten, Lauschen und Fühlen ein.
Doch wie findet man nun zu den Sternenbeobachtungsplätzen? Der Naturpark hat ein Faltblatt aufgelegt, welches die Gäste mittels Karte und QR-Code zu den Beobachtungsplätzen lotst, aber auch Wegweiser, finanziert durch das ,,Zukunftsprojekt Goldberg", helfen beim Auffinden dieser Orte. Das Faltblatt enthält außerdem weitere Informationen, z. B. zu Ausleihmöglichkeiten von Ferngläsern, Sternkarten und Rotlichttaschenlampen, Park- und Übernachtungsmöglichkeiten, Standorten mit Stromversorgung, Lichthelligkeitswerten und Blickrichtungen zur Beobachtung des Sternenhimmels. Zwei der zehn Beobachtungsplätze, das Jugendschloss Neu Sammit und das Jugendwaldheim Loppin, sind zudem mit einfachen Teleskopen ausgestattet worden und dienen hauptsächlich der Kinder- und Jugendumweltbildung. Informationen rund um das Thema ,,Ster-
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Sternenparks in Deutschland
nenpark" wird es demnächst auch in unserer Naturparkausstellung Karower Meiler geben.
Neben den individuellen Besuchsmöglichkeiten der Sternenbeobachtungsplätze gibt es für Einwohner und Gäste ebenfalls in naher Zukunft einen besonderen Service: die Abholmöglichkeit mit dem Naturpark-Elektrobus in Verbindung mit einer geführten Sternentour durch den Naturpark. So werden auch Menschen, die das eigene Auto aus unterschiedlichen Gründen einmal stehen lassen wollen oder nicht so mobil sind, den Sternenpark erleben können. In diesem Zusammenhang erwächst zunehmend ein Bedarf an Sternenführern. Der Naturpark plant deshalb im März 2022 den ersten von mehreren Workshops, die zum Sternenführer qualifizieren sollen.
Mit dem Einrichten der Sternenbeobachtungsplätze hat sich die Akzeptanz für den Schutz der Dunkelheit der Nacht in den Gemeinden spürbar erhöht. Erste Touristiker haben Kontakt aufgenommen, erkennen das Potential des Sternenparks und wollen diesen für ihre Gäste erlebbar machen. Im Herbst 2021 organisierte der Förderverein des Naturparks einen Workshop, in dem Etta Dannemann (VISIT DARK SKIES) künftige ,,Sternengastgeber" schulte.
2 Stille unterm Sternenhimmel (Bild: Evelin Kartheuser)
Die sternenparkkonforme Umstellung der öffentlichen Beleuchtung und die Beschlüsse der Gemeinden des Naturparks, sich für die Ziele des Sternenparks einzusetzen und in der Perspektive sukzessive die Beleuchtung sternenparkkonform umzustellen, werden die nächsten wichtige Schritte sein. Ein umfassendes, GIS-gestütztes Beleuchtungskataster für den kompletten Park soll dazu die Grundlage bilden.
Der Naturpark und die Mitstreiter im Netzwerk Sternenpark sind hoch motiviert, die Stolpersteine auf dem Weg zum Sternenpark zu ebnen, um das Zertifikat der IDA zu erhalten. Wir wollen, dass es auch in Zukunft dunkel bleibt!
3 Zehn Sternenbeobachtungsplätze laden ein, die Nacht zu entdecken
(Bild: Evelin Kartheuser)
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Sternenglitzern im Mecklenburger ParkLand
von Michael Danielides
Dunkle Orte gibt es im Nordosten Deutschlands wirklich genug. Grund dafür ist sicherlich auch die für deutsche Verhältnisse dünne Besiedlung der Region. So ist es kein Wunder, dass vielerorts nachts das leuchtende Band der Milchstraße am Himmel zu sehen ist (Abb. 1). Sternfreunde können öfter einen Himmel mit einer Helligkeit über 21,20 mag/arcsec2, gemessen mit dem Sky Quality Meter SQM, erleben. Die wenigen Städte des Landes hüllen zwar ihre Umgebung in Lichtglocken und die Lichtverschmutzung ist dort unübersehbar, jedoch ist für Sternfreunde und Astro-Touristen
keine lange Fahrt notwendig, um einen nicht lichtverschmutzten Beobachtungsort zu finden. Üblicherweise bieten sich dafür Wiesen, Lichtungen in den vielen Wäldern der Region oder einfach ein Feldweg an. Auch einige Buchten an der Ostsee sind noch recht ungestört und fernab vom Trubel der Tourismusindustrie. Zum Leid vieler nicht ortsansässiger Sternfreunde gibt es insbesondere in und rund um die Naturparks des Landes eher weniger gut erschlossene Orte für eine angenehme Beobachtungsnacht. Es ist auch leider eine Tatsache, dass häufig die Infrastruktur von
1 360 Grad -Ansicht des Nachthimmels inmit-
ten eines Dorfes im Altkreis Demmin vom 9. Oktober 2021. Es wurden fünf Aufnahmen mit 30 Sekunden Belichtungszeit (ISO 6400/ ohne UHC Filter) gestackt und mit GNU Image Processing Software (GIMP) weiterverarbeitet. Dabei ist neben der Milchstraße auch die normale Lichtverschmutzung eines Dorfes, bestehend aus privaten Lichtquellen und Straßenbeleuchtung zu erkennen. Bild: Michael Danielides
Sternenparks und das kulturelle Angebot nicht unbedingt für alle Reisebegleiter von Sternfreunden ansprechend ist. Auch leiden noch viele Sternenparadiese an ungenügenden ,,Schlechtwetter-Lösungen". Denn selbst der gemeinschaftliche Abend am Lagerfeuer und eine Tour mit dem Naturguide ist bei Regen nicht immer ein schönes Erlebnis.
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Sternenparks in Deutschland
2 Eine Seite des aktuellen Werbeflyers für den astronomischen Lehrpfad im Mecklenburger ParkLand. Im Zentrum ist eine
Karte der Himmelsdunkelheit zusammen mit Straßen, Gemeindegrenzen und Orten abgebildet. Die Lichtglocke rund um den Flughafen Rostock Laage ist klar erkennbar. Die sechs Beobachtungsstationen sind deutlich in der dunklen Region zwischen den Orten Laage, Tessin und Gnoin zu sehen. Zu jeder astronomischen Beobachtungsstation ist eine Abbildung und der Themenschwerpunkt dargestellt. Quelle: Michael Danielides und www.sternenpark-mv.de
Dies war für die Initiatoren des astronomischen Lehrpfades im Mecklenburger ParkLand [1] schon 2012 der Grund, die Kulturlandschaft südöstlich der Hansestadt Rostock für den Astro-Tourismus zu erschließen. In den Jahren 2019 bis 2020 entstanden dort unter Leitung des Mecklenburger ParkLand e.V. [2] sechs gut ausgestattete astronomische Beobachtungsstationen (Abb. 2). Sie scharen sich um die Gemeinde Walkendorf. Dort legt man auch von Seiten der Gemeindeleitung großen Wert darauf, Lichtverschmutzung so gering wie möglich zu halten. Indes gehen die Menschen im Mecklenburger ParkLand einen anderen Weg als Initiatoren von Sternenparks anderenorts. Die Aktivitäten im Mecklenburger ParkLand sind durch privates Engagement der Gutsherren gesteuert und unterstützt durch öffentliche Projektmittel teilfinanziert worden. Immerhin befinden sich die meisten Beobachtungsstationen auf Privatgrundstücken, die den Besuchern aber uneingeschränkt zugänglich sind. Man investiert die verfügbaren Gelder lieber in nutzbringende Infrastruktur und Dienstleistungen für Sternfreunde mit Begleitung. Die
3 Die Tür auf dem Felde am Ortsrand von Walkendorf lässt viele zu
Philosophen werden. Andere können auf dem Türblatt einfach und klar vermittelte Fakten zum Thema Lichtverschmutzung und zum Wandel der Jahreszeiten erfahren. Bild: Maibritt Olsen
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Sternenparks in Deutschland
4 Wilde Romantik auf dem
FerienGut in Dalwitz [9]. Nahe dem kleinen Pavillon befindet sich heute die größte Sternkarte MecklenburgVorpommerns, einladend für einen Himmelspaziergang. Bild: Maibritt Olsen
Beobachtungsstationen bieten DobsonTeleskope und astronomische Feldstecher teils als kostenfreie Leihgeräte an. Jede Beobachtungsstation ist auch für gehbehinderte Menschen noch gut erreichbar. Trotz der Nähe zu Stromleitungen wurde auf eine Stromversorgung der Stationen verzichtet. Immerhin ist eine solche im Zeitalter von Powerbanks im Kleinformat nicht mehr zeitgerecht. Dies ermöglichte die Finanzierung von - durch innovative Ideen geprägten - Informationstafeln. So ist nicht alles auf einfachen Pulttafeln gedruckt, sondern z. B. auf einer riesigen Plane (welche an ein Segel erinnern soll), einer offenen Tür auf dem Felde (Abb. 3) oder auf einfach auffindbaren stelenartigen Tafeln vermittelt. Jede der Stationen ist zusätzlich mit einer bequemen Beobachtungsliege für zwei Personen ausgestattet. Ein Polarstern-Pfeiler mit drehbarer Sternkarte zeigt dem Besucher die Richtung zum Himmelsnordpol an. Die Benutzung der Sternkarte ist auf einer begleitenden Webseite [3], die durch QR-Code erreichbar ist, in einfachen Worten erklärt. Da davon ausgegangen wurde, dass nicht jeder Besucher sofort ein Notebook-Pult für Astrofotografie benötigt, wurden die in vielen Sternenparks beliebten Armstützen für Freihandbeobachter als weiterer Standard installiert. Jedoch könnte in Zukunft die Einführung von NotebookPulten in Sternenparks ein sinnvoller Stan-
dard werden. Immerhin könnten sie leuchtende Bildschirme abschirmen. Astrofotografen und Sternengenießer könnten hiervon gleichermaßen profitieren.
Der Besuch des astronomischen Lehrpfades ist insbesondere am Tage eine attraktive Unternehmung. Bei Bedarf wird für Besucher auch eine Führung angeboten. Hierbei werden kleine Gruppen mit einem Minibus entlang der Stationen gefahren. An jeder Station werden neben den astronomischen Schwerpunkten auch Anekdoten aus der Region vermittelt. Geführte Touren können auf Wunsch ein Picknick oder eine Pause in den gepflegten gastronomischen Einrichtungen der Regionen beinhalten. Bei gutem Wetter ist der Höhepunkt am Abend einer jeden Tour eine Deep-Sky- oder Mond-Planeten-Beobachtung auf dem so genannten Kaninchenberg. Von diesem ist das Mecklenburger ParkLand gut überschaubar und bietet nachts einen atemberaubenden Sternengenuss.
Für einen Besuch des Mecklenburger ParkLandes bietet sich eine Vielzahl von romantischen, exquisiten und preisgünstigen Unterkünften (Abb. 4) in den Gutshäusern, Herrenhäusern und Schlössern der Region an. Der astronomische Lehrpfad ist hauptsächlich durch die Inhaber und Betreiber dieser touristischen Unternehmen geför-
dert worden. So befinden sich viele der Stationen auf deren Grundstücken oder Ländereien. Eine zentrale Rolle spielt hier das FerienGut Dalwitz der Grafenfamilie von Bassewitz. Aber auch das Schloss Lühburg oder das Herrenhaus in Wesselstorf (Abb. 5) bieten dem Besucher einen unvergesslich schönen Aufenthalt mit Sternenpracht in unmittelbarer Nähe. Vor Ort in den Unterkünften können von Wellness bis Jagd-Ausritten diverse nicht astronomische Aktivitäten gebucht werden. Sternfreunde mit Familie können im Haustierpark Lelkendorf [4] neben dem Thema ,,Sonne" auch die heimische Tierwelt erleben und streicheln.
Bei aller Sternenromantik darf nicht vergessen werden, dass es auch Zeiten gibt, an denen eine Schlechtwetter-Lösung benötigt wird. So ist der Besuch des astronomischen Lehrpfades bei Regen und den norddeutschen Böen kein wirklicher Genuss. Anders als vielerorts erreicht man von der Gemeinde Walkendorf gleich zwei astronomische Zentren in einer halben Autostunde. Die Astronomiestation Demmin [5] bietet auch kurzfristig individuell geführte Kleingruppenveranstaltung im hauseigenen Planetarium an. Auch die astronomische Vereinigung in Rostock [6] hat ein empfehlenswertes Veranstaltungsprogramm zu bieten. Insbesondere in einer Zeit, in der Menschen lieber einen Landurlaub außer-
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Sternenparks in Deutschland
5 Gutshaus Wesselstorf [10] bietet Sternfreunden einen perfek-
ten Ausgangspunkt für Astrofotografie ohne weite Wege. Gleichzeitig ist es ein Urlaubsort in verschlafener Schönheit inmitten einer traditionellen Kulturlandschaft. Bild: Maibritt Olsen
halb von Städten und großen Menschenansammlungen vorziehen, kann bequem vor Ort in die Gemeinde Walkendorf das mobile Planetarium - eduDome® [7] - bestellt werden. Dieses sorgt dann zusammen mit astronomischen Veranstaltungen im Haus der romantischen ,,Alten Ausspanne" [8] dafür, dass viele ,,das schiet Wetter" - wie der Pommer sagt - sogar als angenehm empfinden. Die Organisation dieser
Dienstleistungen ist in ständiger Weiterent w ick lung, Näheres hierzu findet man im Internet [3]. Der weitere Ausbau der Gemeinde zu einem Lichtschutzgebiet soll in den kommenden Jahren vorangebracht werden. Hierfür wird heute schon öffentlich aufgeklärt. Dabei ist nicht unbedingt eine Zertifizierung angestrebt. Vielmehr soll grundsätzlich Naturschutz gelebt werden. Gleichzeitig wird eine Touristeninformation geplant, die dann eine zentrale Vermittlung angenehmer Unterkünfte, interessanter AstroTouren und attraktiver Aktivitäten für die ganze Familie übernehmen könnte.
Literatur- und Internethinweise (Stand 15.02.2022): [1] M. Danielides, 2022: ,,Mecklenburg-Vor-
pommern - ein Sternenparadies im Nordosten Deutschlands", VdS-Journal für Astronomie 80 (1/2022), S. 36-39 [2] Mecklenburger ParkLand e.V.: www.plmv.de [3] Sternenparks in Mecklenburg-Vorpommern: www.sternenpark-mv.de [4] Haustierpark Lelkendorf: www. haustierpark.com [5] Astronomiestation Demmin: www.planetarium-demmin.de [6] Astronomische Vereinigung Rostock e.V.: www.sternwarte-rostock.de [7] mobiles Planetarium - eduDome®: www.edudome.de [8] Alte Ausspanne Walkendorf: www.ausspanne-walkendorf.de [9] Gut Dalwitz: www.feriengutdalwitz.de [10] Gutshaus Wesselstorf: www.gutshauswesselstorf.de
Der angehende Sternenpark Bayerischer Wald: Naturpark, Nationalpark und Sternwarte
von Julia Freund und Josef Bastl
Die Mittelgebirgsregion des Bayerischen Waldes ist, zusammen mit dem benachbarten Böhmerwald in der Tschechischen Republik (,,Sumava"), eines der größten geschlossenen Waldgebiete Mitteleuropas und hat eine herausragende Bedeutung für den Natur- und Landschaftsschutz. Teile der Wälder in der Grenzregion des ehemaligen ,,Eisernen Vorhangs" sind noch sehr naturnah und beherbergen viele stark bedrohte Arten. Diese Gebiete sind heute auf beiden Seiten in großflächigen Schutzzonen organisiert, zu denen auch der Nationalpark Bayerischer Wald und der Naturpark Bayerischer Wald gehören.
Das Problem der Lichtverschmutzung in seinen verschiedenen Facetten ist im Naturpark bereits seit 2017 ein Thema. Im Rahmen von mittlerweile zwei INTERREG-Projekten der europäischen territorialen Zusammenarbeit wurden in den vergangenen Jahren zusammen mit dem Partner auf der tschechischen Seite der Grenze, der Umweltorganisation ,,Aktivity pro", o. s. in Pilsen, Strategien erarbeitet, um der um sich greifenden Aufhellung des Nachthimmels entgegenzuwirken. Das Grenzgebiet ist derzeit nachts noch vergleichsweise dunkel, aber wer von den meist nach Süden ausgerichteten Hängen des Bayerwalds in
die Donauebene und darüber hinaus bis zu den Alpen blickt, sieht deutlich, dass es sich um eine Insel im Lichtermeer handelt (Abb. 1). Damit diese Insel nicht in absehbarer Zeit im Lichtsmog der umgebenden Siedlungen versinkt, musste dringend etwas unternommen werden.
Die Einrichtung eines Nachtschutzgebietes wurde also Anfang 2019 in Angriff genommen. Hierzu war vor allem die Unterstützung des Nationalparks Bayerischer Wald, der vom Naturpark umschlossen wird und im Nordosten an die Tschechische Republik grenzt, sowie der umliegenden Gemein-
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Sternenparks in Deutschland
den essentiell wichtig. Der vorgeschlagene ,,Sternenpark" hat eine Gesamtfläche von 940 km2. Die Kernzone ist im Wesentlichen die Fläche des Nationalparks. Ein angemessener Puffer wurde aus 20 der 98 angrenzenden Naturparkgemeinden kreiert (Abb. 2). Im Nordosten grenzt der Sternenpark an den Nationalpark Sumava. Hier ist es ebenfalls sehr dunkel, wovon der Bayerische Wald als Nachtschutzgebiet profitiert. Auf lange Sicht ist angedacht, einen grenzübergreifenden Sternenpark anzustreben.
1 Panoramafoto (2019) vom Waldschmidthaus am Großen Rachel mit Blick nach Süden:
Der Vordergrund ist vergleichsweise dunkel, zur Donauebene hin nimmt die künstliche Beleuchtung zu. In der Mitte rechts ist die Lichtkuppel des Flughafens München (Entfernung: 137 km) deutlich zu erkennen. Am Horizont sind auch die Umrisse des Alpenkamms auszumachen, da die übermäßige Beleuchtung in Norditalien die Wolken aufhellt (Entfernungen: ca. 150 km bis zum Beginn der Alpen/österreichische Grenze; ca. 200 km bis zur italienischen Grenze; Bild: Andreas Hänel).
Die enge Zusammenarbeit von Nationalpark und Naturpark war für die erfolgreiche Ausarbeitung des Konzepts sehr wichtig. Es war von Anfang an klar, dass es für den Naturpark eine große Aufgabe sein würde, die Gemeinden und den zuständigen Energieversorger von der Mitarbeit an diesem Projekt zu überzeugen. Auch der Nationalpark hätte sich schwergetan, die Vorgaben allein zu erfüllen, weil es im Nationalpark Gemeinde-Enklaven gibt und einige bewohnte Gebiete direkt an den Nationalpark grenzen.
Mittlerweile wurden die von der International Dark Sky Association (IDA) vorgegebenen Kriterien erreicht und die Bewerbung als ,,International Dark Sky Reserve Bayerischer Wald" Anfang 2022 eingereicht, nach Angaben der IDA wird aber wohl erst gegen Mitte/Ende 2022 über den Antrag entschieden werden können. Mit dem Sternenpark verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Während es im Rahmen des laufenden Projekts viele Veranstaltungen für astronomisch Interessierte gibt, soll die Astronomie nicht als solche im Zentrum des Unternehmens stehen. Wir sind der Meinung, dass
2 Karte des geplanten Sternenparks im Bayerischen Wald (Dark Sky Reserve). Grün um-
randet: Naturpark Bayerischer Wald mit 98 Gemeindegebieten. Rot umrandet: Nationalpark Bayerischer Wald mit Gemeinde-Enklaven; blau hinterlegt ist die Kernzone des Sternenparks; magenta hinterlegt die Pufferzone; Landesgrenzen in Grau.
das Thema Lichtsmog in einem größeren Zusammenhang und als Frage einer nachhaltigen Politik betrachtet und behandelt werden sollte. Astronomie soll natürlich auch als solche kommuniziert, aber in erster Linie als Mittel genutzt werden, um den Menschen alle Themen rund um die Nacht näherzubringen. Wir wollen der Öffentlichkeit vermitteln, dass der Nachthimmel schützenswert ist, und was wir verlieren, wenn er nicht mehr sichtbar ist. Dies richtet
sich an Besucher, die in anderen, dichter besiedelten Gebieten Europas nicht mehr die Möglichkeit haben, den Sternenhimmel zu sehen, aber auch an die Einheimischen, für die der Anblick der Milchstraße selbstverständlich ist. Am wichtigsten ist uns daher, anschaulich zu machen, welche Vorteile der Nachtschutz für den Arten- und Habitatschutz, für das Klima, für die Gesundheit des Menschen und eben auch für die Astronomie hat.
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Sternenparks in Deutschland
Für die Zukunft ist unter anderem die Einrichtung eines gebietsübergreifenden, automatisierten Messnetzes geplant. Eine erste Station ist bereits auf dem Dach des Naturparkhauses in Zwiesel installiert. Seit mehr als einem Jahr sendet diese Station die Daten an das internationale Monitoring-Projekt ,,Globe at Night", über dessen Website die Messungen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Des Weiteren wurde mit der Auswahl von geeigneten öffentlichen Beobachtungsplätzen begonnen, die in den nächsten zwei Jahren eingerichtet werden sollen. Diese Aufgabe ist tatsächlich eine Herausforderung, da die Beobachtungsvoraussetzungen im Bayerischen Wald nicht immer ideal sind. Es ist eine niederschlagsreiche Gegend mit oft hoher Luftfeuchtigkeit, in der im Winter bis in das Frühjahr hinein oft flächendeckend Schnee liegt. Außerdem sind die meisten der hiesigen Berghänge nach Süden ausgerichtet, so dass man aus dem dunklen Bayerwald direkt in die hell erleuchtete Donauebene blickt. Trotzdem haben wir bereits einige Orte in der engeren Auswahl. Da es sich vielerorts um ökologisch sensible Bereiche handelt und diese Gebiete naturrechtlich geschützt sind, müssen Aspekte der Besucherlenkung von Anfang an in der Planung berücksichtigt werden.
scher Wald. Der Verein betreibt eine kleine Sternwarte in Spiegelau-Neuhütte, führt im Rahmen des INTERREG-Projekts ,,Lichtverschmutzung" Beobachtungsabende, Vorträge und Astronomiekurse durch und ist damit maßgeblich für die astronomische Bildung im Rahmen des Projekts verantwortlich.
Seit Gründung der Astronomischen Vereinigung im Jahre 1999 bestand der Wunsch, eine Volkssternwarte zu errichten, der aber bislang unerfüllt geblieben ist. Die gemeinsame Projektarbeit hat diesem Ziel nun neue Impulse gegeben. Im Zentrum dieser
Pläne steht der Eschenberg, der aufgrund seiner Höhenlage und der geringen Lichtverschmutzung in der Umgebung sehr gute Voraussetzungen für astronomische Beobachtungen bietet. Auf der Gipfelkuppe (1.042 m) befindet sich eine ehemalige Bundeswehreinrichtung, die mittlerweile zum Naturpark gehört. Trotz der Abgeschiedenheit ist die nötige Infrastruktur vorhanden. Erste Pläne für die Nutzung der vorhandenen Gebäude sowie für den Umbau der Garagengebäude zum Observatorium wurden bereits entworfen (Abb. 3), bis zur Inbetriebnahme der Sternwarte werden aber wohl noch mehrere Jahre vergehen.
Als krönende Einrichtung des Sternenparks ist in den kommenden Jahren zudem der Bau einer großen Volkssternwarte geplant. Bereits von Anfang des Sternenpark-Vorhabens an war die Astronomische Vereinigung Mittlerer Bayerischer Wald e.V. ein wichtiger Partner des Naturparks Bayeri-
3 Gipfelbereich des Eschenberges auf 1.042 m Seehöhe. Die Zeichnung zeigt den ersten
Entwurf des Architekten mit dem vorhandenen Funktionsgebäude und den Flachdachgaragen. Am Ende der geteerten Zufahrtsstraße befindet sich ein größerer Vorplatz, ideal zum Aufstellen mobiler Geräte. Die Beobachtungsplattformen auf den Garagen werden barrierefrei zugänglich sein. Der Plan zeigt die 6-m-Kuppel, die ein 1-m-Teleskop beherbergen soll. Die Kuppel für das 60-cm-System ist hier noch nicht eingezeichnet (Bild: Architekturbüro Dasch und Wörtz, Straubing).
4 Die Milchstraße über dem Bayerischen Wald (Bild: Gerhard Hackner, Bayerwald-Sternwarte). 5 Das jährliche Teleskoptreffen am Almberg (Foto: Andreas Hänel).
Als Hauptinstrument der Sternwarte soll ein 1-m-Teleskop dienen, welches ebenso wie ein weiteres 60-cm-Fernrohr vollständig fernsteuerbar sein soll. Die Möglichkeit zur robotischen Nutzung ist unbedingt notwendig, da im Winter der Berg aufgrund der örtlichen Schneelage oft schlecht zugänglich ist. Die Öffentlichkeitsarbeit wird einen wichtigen Teil des Sternwartenbetriebs darstellen. Durch ein großes Teleskop das Licht entfernter Galaxien beobachten zu können, ist für die meisten Menschen nicht alltäglich und im süddeutschen Raum einzigartig. Im Rahmen des Sternenparks sollen daher auch viele Führungen und Veranstaltungen zur öffentlichen Bewusstseinsbildung hier stattfinden. Es sollen auch mehrere kleinere Teleskope installiert werden, die durch die Besucher selbst genutzt werden können. Beobachter können aber auch eigene Geräte aufstellen. In der Endausbaustufe des Observatoriums stehen Teleskope und Ausstattung zur Verfügung, die für wissenschaftliche Projekte (Citizen Science) hervorragend geeignet sind. Insbesondere für Schulen ist es interessant, dass die vollständig fernsteuerbaren Teleskope auch für weit entfernte Beobachter nutzbar sein werden.
Auch wenn die Ausgestaltung des Sternenparks Bayerischer Wald derzeit noch am Anfang steht, gibt es für Sternenfreunde bereits einiges zu entdecken. Die Pension Breu in Drachselsried bietet ihren Gästen vielfältiges Equipment zur Sternenbeobachtung an (www.pension-breu.de). Weiterhin lohnt sich auch ein Besuch der Bayerwald-Sternwarte an ihrem jetzigen Standort in Spiegelau-Neuhütte (www. bayerwaldsternwarte.de, Bitte um Voranmeldung) oder des jährlichen Teleskoptreffens im Herbst am Almberg (www.almberg-treffen.de, s. Abb. 5). Weitere Gastgeber sowie Sternführer sollen in der nahen Zukunft in dieser Hinsicht aus- und weitergebildet werden. Für ausführliche Informationen steht das Team des Naturparks Bayerischer Wald zur Verfügung. Über aktuelle Entwicklungen im Sternenpark-Bewerbungsverfahren informiert auch die Website www.naturpark-bayer-wald.de/ sternenpark-bayerwald.html.
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NIGHTSCAPE FÜR ALLE
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Foto: Cristian Fattinnanzi
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Sternenparks in Deutschland
Projekt Sternenpark Pfälzerwald
von Sarah Köngeter
Im Jahr 2018 ist im Biosphärenreservat Pfälzerwald das durch das Entwicklungsprogramm LEADER geförderte Projekt Sternenpark gestartet, das 2022 enden wird. Neben dem primären Projektziel, sich gegen Lichtverschmutzung einzusetzen - hierfür dienen Öffentlichkeitsarbeit, Informationsveranstaltungen und ein eigenes Zertifikat für Gemeinden, die Lichtverschmutzung reduzieren -, verfolgt das Projekt die touristische Inwertsetzung intakter Nachtlandschaften im Pfälzerwald. Drei Maßnahmen dieser Inwertsetzung stellen wir in diesem Artikel vor, nämlich das Zertifikat ,,Gastgeber*innen unter den Sternen", eine Broschüre für Tourismustreibende und den Sternwandelweg.
Bei dem Zertifikat ,,Gastgeber*innen unter den Sternen", das vom Biosphärenreservat Pfälzerwald an Beherbergungsbetriebe und/oder Gaststätten vergeben wird, handelt es sich um eine Auszeichnung für solche Betriebe, die sich auf astronomieinteressierte Besucher*innen einstellen. Das Zertifikat beruht auf einem Punktesystem in vier verschiedenen Bewertungskategorien. Punkte gibt es in den Bereichen ,,Identifikation", ,,Kooperation und Netzwerkbildung", ,,Qualität und Service" sowie ,,Umweltorientierung".
1 Das Landhaus Blumeneck in Rumbach erhält das silberne Zertifikat ,,Gastgeber unter den
Sternen" (Bild: Biosphärenreservat Pfälzerwald)
ber und Gold verliehen. Die jeweilige Abstufung richtet sich dabei nach der Anzahl der Punkte, die durch den/die Gastgeber*in erreicht wird. Im Jahr 2021 gab es vier mit dem Silberstatus (Abb. 1) zertifizierte Betriebe beim Biosphärenreservat Pfälzerwald. Die Gastgeberinnen und Gastgeber werden durch eine öffentlichkeitswirksame Zertifikatsübergabe gewürdigt und auf den Internetseiten des Projekts beworben. Das Biosphärenreservat Pfälzerwald nimmt kontinuierlich Bewerbungen von interessierten Gastgeber*innen in der Region entgegen.
Hinter diesen Kategorien verbirgt sich beispielsweise die Durchführung einer Veranstaltung pro Jahr, die einen Bezug zum Projekt und damit zur Astronomie hat. Bepunktet werden auch die Bewerbung externer oder interner astronomischer Angebote sowie die Gewährleistung eines späteren Frühstücks, um den Sternebeobachtern trotz nächtlicher Aktivitäten zu ermöglichen, spät aufzustehen. Zuletzt wird auch das Engagement gegen Lichtverschmutzung durch angepasste Außenbeleuchtung positiv bewertet. Insgesamt wird das Zertifikat in den drei Abstufungen Bronze, Sil-
Anfang 2022 veröffentlichte die Geschäftsstelle des Biosphärenreservats Pfälzerwald eine Broschüre für Tourismustreibende in der Region, um diese zu eigenen Führungen und Veranstaltungen rund um die Astronomie zu motivieren. Es handelt sich um eine 20-seitige Broschüre, die als Leitfaden für die Integration von AstronomieThemen in Führungen genutzt werden kann (Abb. 2). Hier wird unter anderem erläutert, wie sich der Polarstern finden lässt, was es mit Lichtverschmutzung auf sich hat und wie man auch bei schlechtem Wetter Wissenswertes rund um die Astro-
2 Broschüre für Tourismustreibende
(Bild: Biosphärenreservat Pfälzerwald/ Dr. Christian Mücksch/Scientfic Design)
nomie vermitteln kann, und das für Groß und Klein. Darüber hinaus listet die Broschüre Vereine und Einrichtungen im Gebiet des Pfälzerwalds auf, die einen Bezug zur Astronomie aufweisen, und stellt das Zertifikat ,,Gastgeber unter den Sternen" vor. Verschiedenen Akteur*innen, die sich
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Sternenparks in Deutschland
3 Eröffnung des Stern-
wandelwegs in Lemberg (Bild: Biosphärenreservat Pfälzerwald)
gegen Lichtverschmutzung oder für den nachhaltigen Astrotourismus einsetzen, wurde durch Interviews innerhalb der Broschüre eine Stimme gegeben.
Ein astrotouristisches Highlight im Pfälzerwald bietet der Sternwandelweg, ein Rundweg um den Ruppertsfels, der Ende 2021 in Lemberg eröffnet wurde (Abb. 3). Bei dem Weg handelt es sich um einen tagsüber begehbaren Informationspfad, der Besucher*innen entlang von 5,2 km auf eine Reise durch verschiedene Themenfelder der Astronomie mitnimmt. Hierbei helfen 12 Informationstafeln, welche Fragen wie die Entstehung des Lichts, die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Menschen und die Natur wie auch die Orientierung am Himmel behandeln. Die Schilder bieten geeignetes Wissen für Groß und Klein. Die wichtigsten Informationen sind auch in Französisch nachzulesen, da das Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen ein deutsch-französisches Biosphärenreservat ist. Einige der Tafeln bieten auch interaktive Elemente, zum Beispiel sind die Chronobiologie des Menschen als drehbare Scheibe oder die Tiere, die den Pfälzerwald nachts durchstreifen, auf anhebbaren Klappelementen dargestellt (Abb. 4). Jedes Schild ist darüber hinaus mit dem Maskottchen des Sternwandelwegs, einem kleinen Glühwürmchen namens Blinki, versehen.
2022 soll der Sternwandelweg Ausgangspunkt für Informationsveranstaltungen im Rahmen des Projekts Sternenpark Pfälzerwald werden. Vorstellbar sind hierbei Führungen, die sich an verschiedene Altersgruppen richten und bei denen verschiedene Schwerpunktthemen entlang des Wegs erläutert werden. Ziel des Projekts Sternenpark Pfälzerwald ist es, dass genau solche Führungen auch über die Projektlaufzeit hinaus erhalten bleiben. So soll auch zukünftigen Generationen die Bedeu-
tung der Dunkelheit, der Sterne und allem, was damit zusammenhängt, nähergebracht werden.
Praktische Hinweise: Informationen, Beobachtungsplätze, Übernachtu ngen Alle genannten Aktivitäten innerhalb des Projekts Sternenpark Pfälzerwald sind auf den Internetseiten des Biosphärenreservats Pfälzerwald zu finden [1]. Darüber hinaus bietet der Internetauftritt Informationen über zukünftige Sternenbeobachtungsplätze im Pfälzerwald, welche im Jahr 2022 mit einer Informationstafel markiert werden.
Außerdem werden aktuelle Veranstaltungen im Themenfeld Astronomie in Form von Führungen, Vorträgen und gemeinsamen Treffen zur Sternbeobachtung angekündigt. Auch astronomische Akteur*innen im Gebiet sind benannt, um Interessierten erste Ansprechpartner*innen zu nennen. Zusätzlich sind die aktuellen ,,Gastgeber*innen unter den Sternen" gelistet, um die Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten für Astronomieinteressierte zu vereinfachen. Erste Tipps für eine gelungene Sternbeobachtung runden den Internetauftritt ab und sollen Laien den Einstieg in die Astronomie erleichtern.
Insgesamt sollen alle dargestellten Informationen und durchgeführten Maßnahmen dazu beitragen, die natürliche Dunkelheit im Pfälzerwald langfristig zu erhalten und auch für zukünftige Generationen erlebbar zu machen.
4 Beispiel eines interaktiven Schildes
entlang des Sternwandelwegs (Bild: Biosphärenreservat Pfälzerwald)
Internethinweis (Stand 15.02.2022): [1] Biosphärenreservat Pfälzerwald-
Nordvogesen: ,,Sternenpark Pfälzerwald", www.pfaelzerwald.de/ sternenpark-pfaelzerwald/
Sternenparks in Deutschland
Sternenparkprojekt Naturpark Gantrisch in der Schweiz
Oder: Wo man nachts das glasklare Kichern der Sternenfrauen hört
von Nicole Dahinden
Auch in der Schweiz gibt es ein Sternenparkprojekt: Einen Steinwurf von der Hauptstadt Bern entfernt liegt das Gantrischgebiet, eingebettet und vor Licht geschützt in den Berner Voralpen. Die Region ist einer von 19 Schweizer Parks und touristisch noch eher als Geheimtipp bekannt. Auf mindestens einem Viertel der Naturpark-Fläche ist die Nacht besonders dunkel: rund 100 km2 sind als ,,Dark Sky Park" bei der International Dark Sky Association angemeldet. Der zukünftige Dark-Sky-Park ist heute schon größtenteils als Moorlandschaft von besonderer Schönheit und gesamtschweizerischer Bedeutung geschützt. Er bietet einen einzigartigen Lebensraum und ist im Herbst ein wichtiges Nadelöhr für Abertausende Zugvögel. Zu dieser Zeit, wenn die Milchstraße hinter der Gantrischkette aufgeht, geben sich Ornitholog*innen und Amateurastronom*innen die Klinke in die Hand. Für die einen wie die anderen sind ehemalige Militäranlagen eine heute beliebte Infrastruktur für ihre Beobachtungen.
2 Während des nächtlichen Fotografierens auf
der Sternenplattform Gurnigel wird man von einer urtümlichen Ruhe umgeben. Bild: David Burkhard
1 Die Gantrischkette mit der Milchstraße
ist ein beliebtes und gut erreichbares Fotomotiv. Der Sage nach schäkert der große Felskopf Gantrisch in den sternenklaren Nächten mit den Sternenfrauen. Bild: Mel Weber
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Sternenparks in Deutschland
3 Blick über das vom Nebel überwallte Gürbetal Richtung Dreigestirn der Berner Alpen: Eiger, Mönch und Jungfrau.
Bild: Bernhard Burn
Eine ganzjährig gut unterhaltene Passstraße führt auf 1.600 Meter über Meer - auf eine ehemalige Panzerplattform von 10.000 m2 Fläche. Amateurastronom*innen und Fotograf*innen aus dem In- und Ausland kennen die Plattform als hoch gelegenen Standort zur Beobachtung des südlicheren Sternenhimmels. Messungen der Nachthimmelsqualität ergeben je nach Jahreszeit Werte zwischen 21,3 und 21,8 mag/arcsec2, was in gerade mal 25 Kilometer Luftlinie zu Bern erstaunen mag. Seit über 30 Jahren treffen sich hier Sternenfreunde aus dem In- und Ausland jährlich zur Swiss Star Party im August/September - diese wurde vom ,,BBC Sky at Night Magazine" sogar schon als eine der ,,Top Ten Star Parties" weltweit betitelt. Besonders im Spätherbst und Winter liegt die Plattform oft über dem Nebelmeer, welches Lichtemissionen zusätzlich abschirmt - und ein mystisches Erlebnis im sagenumwobenen Gantrischgebiet vermittelt.
Die Sternenplattform liegt inmitten malerischer Wald- und Moorlandschaften und grenzt an Wildschutzgebiete - zum Schutz der Nacht und der Ruhe im voralpinen Gebiet wird die Anreise bei Tag und die Übernachtung in den nahegelegenen Übernachtungsbetrieben empfohlen - auch damit man nach einer langen Beobachtungsnacht die wunderschöne Landschaft noch bei Tag und bei einem währschaften Älplerkafi genießen kann.
Internethinweise (Stand 15.02.2022): [1] Sternenplattform Gantrisch: www.sternenpark-gantrisch.ch/erleben/
sternenplattform-gantrisch/ [2] Astrofotos mit Autorenangabe auf Google Drive: ,,Nachts unterwegs im Naturpark
Gantrisch", https://drive.google.com/drive/folders/0BwwVPQobJ77WNE9PTWhRLXNDUE0?resourcekey=0-j26OYWocHxuQUtyd8_FYTw&usp=sharing
Sternenparks in Deutschland
Sternenkiek Oster-Liederweg
- ein Alleinstellungsmerkmal für Stapelholm
von Heinz Warnecke
Wie hat alles angefangen? Am 27. Juli 2018 traf sich eine Gruppe von Astronomie-Interessierten aus dem Förderverein Landschaft Stapelholm auf einem Feldweg an der Geestkante in Stapel, um die Mondfinsternis, den ,,Blutmond", zu beobachten. Den Blutmond haben wir zwar nicht gesehen, aber wir haben gemerkt, wie hell die Sterne hier leuchten, wie gut man den Nachthimmel beobachten kann. Wir waren auf den Geschmack gekommen, daraus müsste sich doch etwas machen lassen!
Die Gruppenmitglieder unternahmen in der Folgezeit Rundfahrten durch Stapelholm und Umgebung auf der Suche nach geeigneten Beobachtungsplätzen. Nachts wurde an verschiedenen Stellen mit dem Sky Quality Meter die Himmelshelligkeit gemessen. Die Werte lagen zwischen 20,7 und 21,7 mag/arcsec2 und somit in einem Bereich, der für einen Antrag auf Zertifizierung zum ,,Sternenpark" durch die International Dark Sky Association reichen würde.
1 Ganz oben: Das Logo der ,,Stapelholmer
Sternenkieker" zeigt ein fiktives Sternbild, gebildet aus den neun Gemeinden der Kulturlandschaft Stapelholm.
Sieben Plätze haben wir bisher auf unserer Website [1] ausgewiesen.
2 Oben: Die neu eröffnete Beobachtungs-
station mit Polarsternfinder, Infotafel und Fernglas-Aufsetzern. (Bild: David Resch)
Im ländlichen Stapelholm ist die Bevölkerungsdichte gering, größere Städte sind weit entfernt. Dadurch sind die Niederungen von Eider, Treene und Sorge ein Gebiet mit minimaler Lichtverschmutzung geblieben. Hier ist eines der nachtdunkelsten Gebiete auf dem schleswig-holsteinischen Festland, Hinweise in Astroforen bestätigen dies. Die Lage fernab der Zentren wird zum Vorteil: In Stapelholm können Menschen noch echte Dunkelheit erleben, wir können den sanften Tourismus fördern und auch Hobby-Astronomen und Astrofotografen in die Gegend locken. Die Beobachtung der Milchstraße und der Sterne wird hier zum unvergesslichen Erlebnis.
3 Die Lage der ehemaligen Silageplatte mit Blick in die Eiderniederung:
auch bei Tage ein lohnender Ausblick! (Bild: Hanno Hart)
Das Projekt ,,Stapelholmer Sternenkiek Oster-Liederweg" Am 3. November 2019 gründete sich die Projektgruppe ,,Stapelholmer Sternenkieker". Unser Ziel war es, einen attraktiven Beobachtungsplatz für die Öffentlichkeit zu schaffen. Er sollte gut erreichbar sein, einen möglichst festen Untergrund für die
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Sternenparks in Deutschland
4 Das Sternenkieker-Team beim
,,Ersten Spatenstich" auf der ehemaligen Silageplatte. (Bild: Stapelholmer Sternenkieker)
Aufstellung von Teleskop- und KameraStativen haben und natürlich einen guten Blick in den Nachthimmel bieten. Gefunden haben wir diesen Platz am Oster-Liederweg in Stapel, auf einer ehemaligen Silageplatte (Abb. 2). Von dieser exponierten Stelle auf dem Stapelholmer Geestrücken geht der Blick weit in die umgebende Flussniederung von Eider und Sorge, nachts leuchtet ein fantastischer Sternenhimmel. Doch jetzt fing die Arbeit erst richtig an. Wie soll der Platz gestaltet werden, woher bekommen wir das Geld, wer kann die Trägerschaft für das Projekt übernehmen?
Durch Internet-Recherchen sind wir auf die Sternwarte Sonneberg in Thüringen gestoßen. Die Astronomen dort haben Komponenten entwickelt, mit denen sich Plätze zur Himmelsbeobachtung ausstatten lassen: Eine große Infotafel mit drehbarer Sternkarte und einen so genannten Polarsternfinder. Mit ihm kann man den Nordstern spielend leicht finden und sich von da aus am Sternenhimmel orientieren. Das konnte etwas für uns sein. Mit diesen Komponenten könnte man viele Menschen für die Himmelsbeobachtung begeistern. Die Kontaktaufnahme mit den Experten der Sternwarte war leicht und anregend.
schaft Stapelholm. Am 22. April 2020 wurde der Förderantrag eingereicht, am 15. Mai traf die Bewilligung der Aktivregion ein.
Auch die ,,Stiftung Naturschutz SchleswigHolstein" musste dem Projekt zustimmen, ihr gehören die Silageplatte und die umliegenden Ländereien. Am 10. März 2020 fand die erste gemeinsame Begehung am OsterLiederweg statt. Die Gemeinde und die Stiftung einigten sich schließlich auf einen Gestattungsvertrag, der Weg war jetzt frei. Was danach folgte, waren frei nach Bertolt Brecht ,,die Mühen der Ebene": Es mussten
Finanzpläne erstellt, Angebote eingeholt, Produkte verglichen und geeignete Firmen gesucht werden, immer in Abstimmung mit dem Amt und der Aktivregion. Die Bauarbeiten konnten endlich am 7. September starten. Vier Tage vor dem Stichtag war alles installiert und die Rechnungen fristgerecht eingereicht. Bei strahlendem Herbstwetter wurde die Beobachtungsstation am 23. Oktober 2020 im Beisein der Projektbeteiligten und der Presse eingeweiht.
Eine große Hilfe waren die Spezialisten der Sternwarte Sonneberg Dr. Peter Kroll
Doch wie sollte das Ganze finanziert werden? Der Förderverein konnte das allein nicht tragen. Es traf sich, dass sich mit dem Regionalbudget eine neue Fördermöglichkeit für Kleinprojekte im ländlichen Raum auftat: maximaler Ausgabenrahmen 20.000 Euro, Förderquote 80 Prozent. Die Aktivregion Eider-Treene-Sorge ermutigte uns, die Förderung für das Sternenprojekt zu beantragen. Wegen der Projektträgerschaft rannten wir bei der Gemeinde Stapel offene Türen ein, die Zustimmung der Gemeindevertretung war einhellig. Die 20 Prozent Eigenanteil übernahmen je zur Hälfte die Gemeinde Stapel und der Förderverein Land-
5 Clear Skies! Astrofotografen bei der Arbeit auf der Beobachtungsstation. (Bild: David Resch)
Sternenparks in Deutschland
6 Leuchtende Nachtwolken über Stapelholm am 16.06.2020 um 00:22 Uhr. Canon 760D
mit f = 18 mm, f/6,3, Belichtungsdauer 20 s bei ISO 800 (Bild: David Resch)
und Bernd Müller. Sie lieferten nicht nur die Sternkarte und den Polarsternfinder, sondern berieten uns bei Besuchen in Stapel auch bei der optimalen Gestaltung der Beobachtungsstation und halfen tatkräftig bei der Installation. Neben der beweglichen Sternkarte und dem Polarsternfinder enthält der Sternenkiek weitere Elemente: Mehrere Fernglas-Aufsetzer in unterschiedlicher Höhe, eine geschwungene Liegebank zur bequemen Betrachtung des Sternenhimmels, Plätze zum Aufstellen von Stativen sowie hölzerne Sichtschutzwände gegen die Störung durch Autoscheinwerfer und Straßenbeleuchtung und zum Windschutz (Abb. 1). Mit dem Sternenkiek erhält Stapelholm ein Alleinstellungsmerkmal: Der Beobachtungsplatz am Oster-Liederweg ist nach unserem Kenntnisstand bisher der einzige in dieser Art und Ausrüstung in ganz Schleswig-Holstein.
Kinder lernen Sterne Das Folgeprojekt ,,Kinder lernen Sterne" ist bereits angelaufen. Zuerst werden die Schülerinnen und Schüler der StapelholmSchule, Standort Stapel, mit dem Sternenkiek vertraut gemacht. Später wird das Projekt auf andere Schulstandorte in Erfde, Bergenhusen und Friedrichstadt sowie auf die Kindertagesstätten erweitert.
Private Spenden und die BINGO!-Projektförderung ermöglichten die Anschaffung von Beobachtungsgeräten, die besonders für Kinder und Jugendliche geeignet sind: ein leicht zu handhabendes Teleskop zusammen mit verschiedenen Okularen und ein Satz von Ferngläsern speziell für diese Altersgruppe. Ziel ist es, den rund 50 Schülern der Klassenstufen 1 bis 4 Sonne, Mond und Sterne und die Schönheit des Nachthimmels näherzubringen. Der Sternenkiek wird als ,,außerschulischer Lernort" ausgewiesen. Die Kinder-Weltraumatlanten mit Pop-up-Planeten, die Teil der BINGO!Projektförderung sind, veranschaulichen den Viertklässlern das Sonnensystem. Die Schülerinnen und Schüler können die Ergebnisse der Unterrichtseinheiten auf Postern darstellen, die später an den Holzwänden der Station angebracht werden. Außerdem gibt es Tagesausflüge zum Sternenkiek (Entfernung von der Schule 1,8 km), wo die Kinder verschiedene Himmelsphänomene kennenlernen. Höhepunkt sind abendliche Sternenbeobachtungen, bei denen das Teleskop und die Ferngläser nützlich sind. Teil des Projekts ist es, die Lehrkräfte mit der Handhabung der astronomischen Hilfsmittel und Geräte vertraut zu machen und sie bei den Sternenführungen zu unterstützen.
Wie geht es weiter mit dem Sternenkiek? Von vornherein war geplant, nächtliche Sternenführungen für alle Interessierten anzubieten. Die Termine sollten, natürlich abhängig von den Sichtverhältnissen, öffentlich bekanntgegeben werden. Leider ist das wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht möglich. Dieses Angebot wird nachgeholt, sobald die Verhältnisse es zulassen. Auf unserer Internetseite haben wir neben dem Stapeler Oster-Liederweg weitere geeignete Beobachtungsplätze in Stapelholm ausgewiesen, in Wohlde, Meggerdorf und Erfde, aber auch in den benachbarten Orten Süderhöft, Hude und Börm. Wenn die Gemeinden mitziehen und wenn Fördergelder bereitgestellt werden, ist es durchaus denkbar, weitere Sternenkieks mit astronomischen Hilfsmitteln auszurüsten. Zum Vergleich: Im Biosphärenreservat Rhön gibt es sechs Himmelsschauplätze mit entsprechender Ausstattung.
Die Sternenkieker-Gruppe bestand zu Beginn aus fünf Mitgliedern des Fördervereins Landschaft Stapelholm e.V. und ist inzwischen auf acht Aktive angewachsen. Die meisten Mitglieder sind selbst Laien, was die Kenntnis des Nachthimmels und der Gerätetechnik betrifft. Auch wir wollen uns fortbilden, durch fachlichen Austausch mit Hobby- und Profi-Astronomen, durch Kontakt mit Sternwarten und Planetarien, durch Besuche von Sternenparks. Wer mitmachen möchte, ist herzlich in der Runde der Stapelholmer Sternenkieker willkommen.
Internethinweis (Stand 15.02.2022): [1] Stapelholmer Sternenkieker: ,,Ster-
nenlandschaft Eider-Treene-Sorge", https://sternen.landschaftstapelholm.de/
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Sternenparks in Deutschland
Dark Sky Community Eiweiler
von Christoph Pütz
Die Sternwarte Peterberg befindet sich auf dem Peterberg in der Nähe des Bostalsees im nördlichen Saarland (Abb. 1). Sie liegt im Landkreis Sankt Wendel und in der Tourismusregion Sankt Wendeler Land. Die Sternwarte wird vom Verein der Amateurastronomen des Saarlandes betrieben. Bei uns gibt es dank der sehr fruchtbaren Kooperation von Akteuren aus Astronomie, Politik, Touristik und dem örtlichen Energieversorger mehrere Gemeinden, die sich der Reduzierung der Lichtverschmutzung verschrieben haben.
Dieser Prozess wurde im April 2015 auf einem Vereinsabend der Amateurastronomen des Saarlandes in der Sternwarte Peterberg in Gang gebracht. Meine Vereinskollegen und ich diskutierten darüber, dass wir vor Ort eine schleichende Veränderung der Sichtbarkeit der Himmelsobjekte bemerkt hatten. Die Ursache dafür war die wachsende Lichtverschmutzung, die auch die fotografische Erfassung der Himmelsobjekte zunehmend erschwerte. Es war uns zu der Zeit durchaus bewusst, dass dies ein globales Problem ist, welches langfristige Schäden in der Natur verursacht. Auch hatten wir von dem ,,Dark Sky Places-Konzept" der International Dark-Sky Association (IDA) gehört und wussten, dass in Deutschland bereits einige Sternenparks zum Schutz vor Lichtverschmutzung eingerichtet wurden. Wir entschlossen uns an jenem Abend, etwas dagegen zu tun.
1 Sternwarte Peterberg (Bild: Philippe Grand-Montagne, Sternwarte Peterberg)
Bereits zu diesem Zeitpunkt konnten wir auf die Unterstützung von einigen etablierten Sternenparks setzen. So waren vor allem Harald Bardenhagen vom Sternenpark Eifel, Dr. Andreas Hänel und Sabine Frank vom Sternenpark Rhön eine willkommene und große Hilfe! Auch wurden einige Mitglieder unseres Vereins anschließend Mitglieder der IDA. Dies erleichterte uns Rückfragen zum Konzept unseres Projektes und
ermöglichte uns, eigenhändig einen Zertifizierungsantrag bei der IDA einzureichen. Im November 2015 konnten wir unsere Projektidee dem Landkreis Sankt Wendel präsentieren. Wir waren positiv überrascht, dass unsere Idee sehr wohlwollend angenommen wurde. Hintergrund war und ist die Tatsache, dass sowohl das Saarland als auch der Landkreis Sankt Wendel einen großen Schwerpunkt auf Naturtourismus
und Nachhaltigkeit setzen. Insbesondere im Sankt Wendeler Land waren zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere astrotouristische Sehenswürdigkeiten vorhanden, die Sternwarte Peterberg, der Planetenwanderweg an der Talsperre Nonnweiler sowie das Weltraum-Atelier Nohfelden.
Wir Amateurastronomen wurden Teil der neu gegründeten Planungsgruppe mit dem
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Sternenparks in Deutschland
Arbeitstitel ,,Gesundes Licht für Natur und Mensch" unter Leitung des Landrates Udo Recktenwald, zusammen mit den Gemeinden Nohfelden und Nonnweiler, der Sankt Wendeler Land Touristik, dem Energieversorger Energis und der Europäischen Akademie Otzenhausen.
Beleuchtungsrichtlinien Die Planungsgruppe beschloss, für die teilnehmenden Gemeinden Beleuchtungsrichtlinien nach den Vorgaben der IDA zu erstellen, um die Lichtverschmutzung langfristig zu reduzieren und damit in Zukunft auch die Möglichkeit zu haben, sich diese Anstrengungen durch die IDA mit einem Dark Sky Place-Zertifikat anerkennen zu lassen.
2 Eine Sternenwanderung für Familien in der späten Dämmerung am Bostalsee
(Bild: Sebastian Voltmer, weltraum.com)
Die Erstellung der IDA-konformen Beleuchtungsrichtlinien war eine langwierige Arbeit, die unserer Auffassung nach viel Detailwissen zur Beleuchtungstechnik und einiges an Abstimmungsaufwand unter den Projektbeteiligten erfordert. Wir mussten diese bereits zweimal anpassen, da es im Jahr 2018 eine Verschärfung der Vorgaben aus den USA gab. Für uns Amateurastronomen folgten die unvermeidlichen Aufgaben, damit ein Projekt zur Erreichung eines ,,Dark Sky Place" realisiert werden kann:
SQM-Messungen Ein Team der Sternwarte Peterberg durchforstete mehrfach die Gemeinden Nonnweiler und Nohfelden in der Nacht zu Fuß und mit dem Auto und erstellte so eine Karte der Helligkeiten am Nachthimmel. Diese SQM-Messungen wurden ergänzt durch eine fotografische Dokumentation guter und schlechter Beleuchtungssituationen vor Ort. Vor allem Letztere dient immer wieder als gutes Anschauungsmaterial zur Erläuterung in Diskussionen, wo es um die Notwendigkeit einer Umstellung zu einer nachhaltigeren Beleuchtung geht.
Leuchtenkataster Das Leuchtenkataster (also die Inventur aller Laternen) wurde uns freundlicherweise vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellt. Nach der Auswertung der Daten wurde offensichtlich, dass es eine historisch gewachsene Vielzahl von Leuchtmitteln mit unterschiedlichen Farbtemperaturen und Abschirmungen gab.
Wir mussten daher zunächst feststellen, dass eine schnelle Umrüstung der Laternen in allen Gemeindeteilen von Nonnweiler und Nohfelden allein schon wegen der zu erwartenden Kosten gar nicht möglich war. Deshalb wurde von der Planungsgruppe beschlossen, eine Umstellung nach und nach anzugehen und den Zeitraum dafür länger zu wählen.
So kam es schließlich zu der Entscheidung, mit dem Ortsteil Eiweiler der Gemeinde Nohfelden zusätzlich ein komplettes Dorf auf gesunde Beleuchtung umzustellen, und damit ein Leuchtturmprojekt und Modelldorf für ,,sternenfreundliche" Straßenbe-
leuchtung einzurichten. Der Ort liegt auf einer Höhe von 390 m in südlicher Richtung unterhalb des Peterbergs, auf dem unsere Sternwarte liegt. Im Nachbarort Nonnweiler (nördlich der Sternwarte) sollte parallel in einem Industriegebiet mit der Umrüstung begonnen werden. Von dieser ersten Umrüstung betroffen waren damit insgesamt ca. 180 Laternen (von mehr als 2.000 in beiden Gemeinden).
Im Jahr 2018 wurde das Projekt unter dem Projekttitel ,,Gesundes Licht für Natur und Mensch" der Öffentlichkeit vorgestellt und die Beleuchtungsrichtlinien auf Basis der IDA-Vorlagen in den Gemeinderäten der Gemeinden Nohfelden und Nonnweiler beschlossen. Seitdem wird in diesen Gemeinden bei Austausch und Neuanschaffung von Straßenbeleuchtung nur noch sternenfreundliche Beleuchtung eingesetzt. Parallel waren die ersten Versuche, das Thema Astronomie und Astrotourismus im Sankt Wendeler Land auszuweiten, von Erfolg gekrönt. So wurden ,,Sternenwanderungen" angeboten (Abb. 2). Dabei konnten
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Sternenparks in Deutschland
3 Eiweiler 2019 und 2022: Pentax K3, ISO 640, f = 105 mm, f/5, 20 s (Bild: Thomas Klassen, Sternwarte Peterberg)
Gäste unter Führung von Amateurastronomen den Himmel erkunden, entweder mit Hilfestellung zum Erkennen der Sternbilder oder mit Teleskop. Die Nachfrage nach solchen Angeboten stieg rasant an und es etablierten sich die ersten festen touristischen Verträge mit Hotelanbietern.
2019 konnten wir den saarländischen ESAAstronauten Matthias Maurer als Schirmherrn gewinnen. Darüber hinaus wurde das Projekt ,,Gesundes Licht für Natur und Mensch" nun unter dem Namen ,,Sankt Wendeler SternenLand" im Außenmarketing weitergeführt und eine eigene Webseite für das Projekt erstellt: www.sankt-wendeler-sternenland.de
Um die Bevölkerung zur Thematik Lichtverschmutzung zu sensibilisieren, wurden 2020 drei Flyer entworfen, die sich an Kommunen, Unternehmen und Einwohner richten. Diese wurden in gedruckter Form kostenlos an alle Haushalte in den Gemeinden Nonnweiler und Nohfelden verteilt. Sie können ebenfalls von der Projektwebseite heruntergeladen werden.
Modelldorf Eiweiler In 2021 wurde Eiweiler dann durch den Netzbetreiber Energis mit dimmbaren, voll abgeschirmten und warmweißen LED-Laternen vollständig umgerüstet. Diese sind zudem zum Großteil mit einem Bewegungssensor ausgestattet. In der Nacht wird
dabei zwischen 22 und 6 Uhr die Leistung der Laternen um 90-95% reduziert! Wenn eine Bewegung registriert wird, so wird die Dimmung auf einen Anteil von 25-30% der vollen Leistung angehoben. Die Absenkung nach Ende einer Bewegungserkennung fällt nach 240 s auf den zuvor genannten niedrigeren Wert zurück.
Seit der Umstellung auf die voll abgeschirmte Beleuchtung mit der aktiven Nachtabsenkung ist die frühere Lichtglocke von Eiweiler vom höher gelegenen Peterberg praktisch verschwunden (Abb. 3). Einwohner von Eiweiler berichten, dass sie nun innerhalb ihrer Wohnungen weniger Licht von außerhalb wahrnehmen. Das warmweiße Licht wird als angenehmer empfunden. Durch die Bewegungsmelder der Beleuchtung konnte auch ein Verlust des Sicherheitsgefühls vermieden werden. Ein wesentlicher Punkt war auch, dass die Bewohner in den Umsetzungsprozess eingebunden wurden.
Die Gemeinde Oberthal, Heimatgemeinde von Matthias Maurer als Schirmherr des Sankt Wendeler SternenLandes, trat 2021 als dritte Gemeinde des Landkreises dem SternenLand bei. Durch die Cosmic-KissMission von Matthias Maurer erlebte das gesamte Thema Raumfahrt, Astronomie und Weltraumforschung im Saarland einen enormen Boom, was sich auch positiv auf das SternenLand-Projekt und das damit
verbundene Interesse auswirkte. Auch die Projektpartner wie das Weltraum-Atelier Nohfelden oder die Sternwarte Peterberg konnten einen enormen Anstieg der Kundennachfragen verzeichnen.
Ebenfalls 2021 erfolgte die Planung von Infrastruktureinrichtungen im Rahmen des SternenLand-Projektes. Vorgesehen sind sechs Sternguckerplätze als Beachtungsspots für außergewöhnliche Outdoorerlebnisse in den drei Partnergemeinden des Projektes sowie ein Astro-Erlebnisweg am Bostalsee, der das Thema Astronomie durch verschiedene Edutainment-Stationen entlang des Weges kindgerecht aufarbeiten soll. Den Startpunkt des Astro-Erlebnisweges wird ein Spielgerät in Form eines bekletterbaren Planetariums mit Sternbildern im Inneren bilden. Die Sternguckerplätze werden jeweils mit folgenden Komponenten ausgestattet: Polarsternfinder mit Peilringen, drehbare Sternenkarte mit rückseitiger Infotafel, Fernglas- bzw. Teleskopaufsetzer, dreh- und schwingbare Wellenliege. Standorte sind geplant an der Sternwarte Peterberg, der Bosener Mühle am Bostalsee, der Nahequelle in Selbach, den keltischen Fürstengräbern in Schwarzenbach, in Nonnweiler-Kastel sowie auf dem Momberg in Oberthal-Gronig.
Inzwischen (Stand Januar 2022) ist Eiweiler kurz vor der Antragstellung für eine IDAZertifizierung als ,,International Dark Sky
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Sternenparks in Deutschland
4 Allsky-Kamera: ALCOR Systems OMEA 3C, 30 s Belichtungsdauer. Die Kamera kann individuell nach Aufnahmeserien
konfiguriert werden und hat die Möglichkeit, Sternbilder, Sternnamen und Planeten per Software im Bild zu markieren. Die Bilddaten sollen mit den SQM-Messungen archiviert und ausgewertet werden.
Community". Die Sankt Wendeler Land Touristik erhielt hierfür zahlreiche Unterstützerschreiben aus allen Bereichen (Politik, Tourismus, Umwelt, Forschung/Medizin), was den großen Rückhalt und die Unterstützung des Projektes zeigt. Auf der Sternwarte Peterberg sind zum Monitoring
der Helligkeitsentwicklung ein stationäres SQM-Gerät und eine AllSky-Kamera (Abb. 4) installiert. Die Angebote der Sternwarte Peterberg und Hinweise zur Anreise sind auf deren Internetseite zu finden: https://sternwarte-peterberg.de/
Hinweise zu Unterkünften und weitere Angebote in Sankt Wendeler Land sind zu finden unter https://www.bostalsee.de/
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung des Vereins der Amateurastronomen des Saarlandes e.V. (Sternwarte Peterberg).
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Sternenparks in Deutschland
Wolken und Lichtverschmutzung
von Till Credner
Mit Reihenaufnahmen von Zeitraffern lassen sich zeitliche Änderungen in der Beleuchtungssituation von Landschaften und am Sternenhimmel dokumentieren. Hier ist ein Beispiel mit zwei Vergleichsaufnahmen von der Schwäbischen Alb bei Tübingen gezeigt (Abb. 1). Das projektierte Gebiet des Sternenparks liegt weiter östlich, in Gebieten mit weniger Lichtverschmutzung. Eine hohe Wolkenfront nähert sich von Südwesten der Salmendinger Kapelle und wird den Sternenhimmel über der Schwäbischen Alb bedecken. Unter sternklarem Himmel erscheint die Lichtverschmutzung nicht sonderlich hell. Durch Bewölkung hingegen wird der Effekt von künstlichem Licht in der Landschaft enorm verstärkt, man erkennt es besonders auch am Boden. Lichtverschmutzung wird durch die Wolken besonders gut zur Erde zurück- gestreut. Licht der Städte, zwischen 7 und 20 km entfernt, erreicht so diesen Teil der Schwäbischen Alb (im Wesentlichen Burladingen, Albstadt, Balingen und Hechingen). Beide Fotos sind gleich belichtet, jedoch mit einem Zeitabstand von 74 Minuten aufgenommen. Die Helligkeit am schneebedeckten Boden steigt im Mittel um das 3,4-fache durch die Wolken an. Der blaue Farbkanal wird um den Faktor 2,0 verstärkt, Grün um 4,0 und Rot sogar um den Faktor 4,9. Gemessen wurde dies mit einfacher Bildverarbeitungssoftware. Wie stark muss die Belichtung des ersten Bildes erhöht werden, bis die mittleren Helligkeitswerte am Boden identisch zum zweiten Foto sind? Kritisch ist bei dieser Methode jedoch der nicht klar definierte Schwarzwert der Aufnahmen von handelsüblichen Fotokameras, die interne Verarbeitung der Kamera ist nicht ohne Weiteres reproduzierbar. Der Schwarzwert muss bei den Berechnungen unbedingt vorher auf Null gesetzt werden. Die gezeigte Darstellung der Fotos entspricht hier jedoch den gleich belichteten Originalaufnahmen.
Rot nimmt besonders zu aufgrund der weit verbreiteten Verwendung von rötlicher Beleuchtung, insbesondere Na-
1 Der Nachthimmel an der Salmendinger Kapelle, Schwäbische Alb.
Durch die Wolken verstärkt sich die Helligkeit der Landschaft deutlich. 10./11.2.2013 um 23:27 und 00:41 Uhr MEZ. Belichtung jeweils 15 s mit Canon EOS1D und 15-mm-Fisheye bei f/2,8 und ISO 5000. (Bild: Till Credner)
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Sternenparks in Deutschland
2 Rechts: Die verlassene Ortschaft Gruorn auf dem
ehem. Truppenübungsplatz Münsingen, Schwäbische Alb. Hier können zumindest tiefe Wolken noch dunkel erscheinen. 26.12.2008 um 21:39 Uhr MEZ. Belichtung 13 s mit Nikon D3 und 20 mm bei f/2,0 und ISO 3200. (Bild: Till Credner)
3 Oben: Dunkle Wolken vor dem Sternenhimmel über
dem Hochland von Island - dies ist in Deutschland kaum noch möglich. 02.09.2011 um 00:43 Uhr MEZ. Panorama aus mehreren 20-s-Belichtungen mit Canon EOS 1DsIII und 20 mm bei f/2,8 und ISO 3200. (Bild: Till Credner)
triumdampflampen und im Vergleich zu Sonnenlicht eher warmweißer LED-Beleuchtung. Hinzu kommt die RayleighStreuung, d. h. Licht weit entfernter Städte wird rot, da die anderen Anteile des Spektrums stärker auf ihrem Weg durch die Luft herausgestreut werden (daher erscheint auch ein Sonnenuntergang rot). Je weiter Städte entfernt sind, desto rötlicher sind ihre Lichtglocken. Sind Wolken jedoch niedrig oder ist gar dichter Nebel, so kann Lichtverschmutzung nicht über eine größere Entfernung gestreut werden und die Wolken erscheinen dunkel. Dies zeigt das Beispiel vom ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen, heute eine Kernzone des Biosphärenreservates Schwäbische Alb (Abb. 2). Im zentralen Teil der Schwäbischen Alb ist auch deutlich weniger Lichtverschmutzung vorhanden und somit die Himmelshelligkeit geringer. Dort ist z. B. die Halbnachtabschaltung von Straßenlampen und anderer öffentlicher Beleuchtung verbrei-
teter. Dies verbessert die Sichtbarkeit des Sternenhimmels, spart Energie bzw. Geld und schützt auch noch die Umwelt.
In ganz unbesiedelten Gebieten ohne Kunstlicht erscheinen Wolken vor einem mondlosen Sternenhimmel grundsätzlich dunkel. Das Beispiel in der Abbildung 3 (ganz oben) zeigt das weite Hochland von Island (mit grünem ruhigen Polarlicht). Normalerweise dunkeln Wolken also die Landschaft weiter ab. In den meisten besiedelten Gebieten dagegen erhellen Wolken heutzutage die Landschaft durch Streuung von Licht auch von viele Kilometer entfernten Quellen der Lichtverschmutzung. Dies verstärkt den Einfluss der Lichtverschmutzung auf die Umwelt, selbst in eher ländlichen Regionen wie der Schwäbischen Alb. In Städten ist dieser Einfluss von Wolken jedoch noch stärker, der Helligkeitsunterschied zwischen sternklarem und bedecktem Himmel also noch größer
([1] und [2]). Die Tatsache, dass bei uns in Deutschland Wolken fast immer heller sind als der mondlose Sternenhimmel, ist nicht natürlich und etwas, auf das ich bei Sternführungen immer wieder gerne hinweise, insbesondere, wenn das Wetter nicht so recht mitspielt.
Literatur- und Internethinweise (Stand 15.02.2022): [1] C. C. M. Kyba et al., 2011: "Cloud
Coverage Acts as an Amplifier for Ecological Light Pollution in Urban Ecosystems", PLoS ONE 6(3):e17307. doi:10.1371/journal.pone.0017307 [2] M. Wolf, A. Schmusch, 2020: ,,All Sky View - Aufbau von Kamerastationen zur Überwachung der Himmelshelligkeit", www.sternenparkschwaebische-alb.de/images/pdf/ BUW-2020-Wolf-Schmusch-Credner. pdf
Journal für Astronomie Nr. 82 | 47
Amateurteleskope/Selbstbau
Reaktivierung einer Schmidtkamera
von Christoph Gerhard
Durch einen Nachlass kam eine 5,5-zöllige Schmidtkamera von Celestron in die Klostersternwarte Münsterschwarzach. Da ich Astrofotografie schon seit fast zwanzig Jahren ausschließlich digital betreibe, blieb das Gerät zunächst ungenutzt. Eine Rundfrage zur Nutzung chemischer Filmemulsionen war nicht sehr ertragreich. So reifte der Entschluss, die Schmidtkamera für einen digitalen Einsatz umzurüsten und damit zu reaktivieren. Sonst wäre das historisch interessante Gerät bestenfalls in der Vitrine der Physiksammlung unserer Schule gelandet.
Bernhard Schmidt hat den lichtstarken Kameratyp in den 30er-Jahren für die Fotografie auf Film entwickelt. Dabei waren die Lichtstärke und das große Bildfeld die herausragenden Merkmale seiner Entwicklung. Die Daten der Celestron-Schmidtkamera sind: 140 mm freie Öffnung der Schmidtplatte, 135 mm Hauptspiegel und eine Brennweite von 225 mm. Daraus ergibt sich ein Öffnungsverhältnis von 1:1,65. Der Filmträger ist wie bei allen Schmidtkameras als Kugelkalotte ausgebildet, deren Radius der Brennweite entspricht.
1 Seitlicher Blick in die umgebaute Schmidtkamera
Erste Versuche und Sensorauswahl Zunächst versuchte ich vor einem Umbau die Überprüfung meiner Idee: Eine alte Webcam wurde bis auf ihre Platine reduziert und an die Stelle des Filmträgers platziert. Die beiden Höhen von etwa 6 mm waren ähnlich, so dass es nur des geschickten Einsatzes von Isolierband bedurfte, um den CCD-Chip in den Fokus der Kamera zu bringen. Die ersten Ergebnisse waren überraschend gut und die Fokuslage eines digitalen Chips sicher geklärt.
2 Blick von vorne auf die
gebogenen Streben
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Amateurteleskope/Selbstbau
Die sphärische Bildebene bereitete mir aber Sorgenfalten beim Gedanken an die Verwendung eines digitalen, ebenen Bildaufnahmesensors. Welche Abweichungen wären gerade noch tolerabel und ab wann wären die Bildecken unscharf? Die Bildfeldkrümmung einer Schmidtkamera kann zu einem ebenen Bildfeld mit einer plankonvexen Linse korrigiert werden, wie etwa bei der Schmidtkamera an der Thüringer Landessternwarte Tautenburg. Leider war mir die Berechnung einer solchen Linse für das volle Bildfeld nicht wirklich klar. Zudem waren auf dem Markt keine geeigneten CCD- oder CMOS-Kameras zu finden, deren Sensorgröße möglichst groß und deren Gehäusedurchmesser entsprechend klein gewesen wären, um über eine Bilddiagonale von 10 bis maximal 15 mm hinauszugehen. Bei größeren Bilddiagonalen wäre die Obstruktion der freien Öffnung deutlich über 40% angewachsen.
Die Berechnung des maximalen Bildfeldes eines ebenen Sensors ergab: Bei einer sehr guten Abbildung maß der Bildfelddurchmesser nur 5,5 mm. Für eine gute Abbildung waren es immerhin 7,0 mm. Und bei fast 8 mm Bilddiagonale ergibt sich immer noch eine mäßige Abbildung. So steht immerhin ein Bildwinkel von 2,2 Grad zur Verfügung (Abb. 1). Damit waren die Grenzen für die Auswahl eines digitalen Sensors bestimmt. Der Kompromiss von möglicher Bilddiagonale, Auflösung, Pixelgröße und Kameraempfindlichkeit war zu finden. Folgende CMOS-Farb-Chips von Sony kamen in Kameras mit Gehäusedurchmessern um 40 mm in Betracht:
- IMX 174 (5,86 m Pixel, Größe: 11,34 mm x 7,13 mm, 1.936 x 1.216 Pixel)
- IMX 178 (2,4 m Pixel, Größe: 7,37 mm x 4,91 mm, 3.000 x 2.000 Pixel)
3 Schlechte Sternabbildung, noch ohne Verkippung der Schmidtplatte
Die Entscheidung fiel auf eine ALccd-QHY 5III 178 color, ihre kleineren Pixel verhießen eine bessere Auflösung. Zugleich erzeugt die Color-Version des IMX 178 ein Farbbild, das nicht aufwändig mit RGB-Filtern aus Einzelaufnahmen erstellt werden muss.
Eine neue Kamerahalterung Die ALccd-QHY 5III 178 color hat vorne am Teleskopanschluss einen Steckanschluss von 31,7 mm Durchmesser. Damit wurde auf der einen Seite eine 1,25-zöllige Okularklemme benötigt. Die andere Seite hätte verschieden aussehen können, sollte aber 42 mm Durchmesser nicht überschreiten - das war der maximale Durchmesser der Kamera! Des Weiteren war eine sehr feinfühlige Fokussierung erwünscht. Aus der Berechnung der Kameradiagonalen ergab sich für die gewünschte Genauigkeit beim Fokussieren +- 5 m! Deshalb fiel die Wahl auf eine zweizöllige Baader-Okularklemme auf T-2 (M42 x 0,75 mm) mit Drehfokussierung. Fünf Mikrometer werden mit dem Drehfokussierer nach etwa 2 Grad Drehung er-
reicht. Der T-2-Anschluss ließ genügend Raum für die Befestigung an einer Spinne wie auch zuvor für die Filmhalterung.
Da ich die ursprüngliche Filmhalterung nicht zerstören wollte, wurde bei ihrem Ausbau gleich die dreiteilige Spinne mit entfernt. Da mir die durch eine dreiteilige Spinne erzeugten sechs Spikes nicht gefielen, ersetzte ich mit der Hilfe fachlich kompetenter Kollegen die geraden ,,Beine" der Kameraspinne durch gebogene (Abb. 2). Ein zusätzlicher Vorteil ergab sich später für die genaue Einstellung der Kameraachse auf die Spiegelmitte: hier war die Flexibilität der neuen Halterung sehr hilfreich, um die Kameraachse mit Hilfe eines Laser-Kollimators senkrecht auf die Mitte des Hauptspiegels einzustellen!
Erste Testaufnahmen Die ersten Tagesbilder von einem gegenüberliegenden Berg waren ermutigend. Etwas Schärfe fehlte, aber das konnte ja auch an der Luftunruhe während des Tages liegen. Der Mond in der Dämmerung war be-
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Amateurteleskope/Selbstbau
4 Messier 27, Schmidtkamera 5,5 Zoll, 31.08.2021, 15 x 30 Sekunden
eindruckend, doch wieder fehlte etwas an der erwarteten Schärfe. Die ersten Testbilder an Sternen zeigten es dann nach mehreren Anläufen immer deutlicher: Die Sterne wiesen leider eine deutliche Koma auf (Abb. 3). Das Verkippen der Kamera mit variierten Fokuseinstellungen ergab keine Verbesserung! Begeistert war ich von der Tiefe, die schon nach einer Sekunde Belichtungszeit sichtbar wurde. Aufnahmen an einem hellen Stern zeigten jedoch unschöne Details: bestenfalls einen kleinen ,,Geisterkreis" statt Punktförmigkeit. Nachdem alle Optimierungen am Kamerahalter nicht zielführend waren, entschloss ich mich zu einem unorthodoxen Schritt. Ich schraubte zwei der drei Halterungsschrauben der Schmidtplatte heraus. Die Schraube, die dem Geisterbild scheinbar gegenüberlag, blieb zur Sicherung der Schmidtplatte. Sie wurde nur etwas gelöst, um die Schmidtplatte sicher in der engen Fassung verkippen zu können. Schon der erste Millimeter zeigte Wirkung: das Geisterbild am Stern wurde kleiner! Die optimale Stellung für ein scharfes Sternbild fand ich bei etwa 2 mm Verkippung.
Vermutlich stand der Hauptspiegel immer schon schief in seiner Fassung, was zu Zeiten der chemischen Filmtechnik und der geringeren Auflösung nicht aufgefallen war. Die naheliegende Überlegung einer richtigen Hauptspiegelausrichtung verwarf ich, als ich vom Innenleben der Hauptspiegelhalterung der Celestron-Schmidtkamera las. Es hätte etwas Gewalt gebraucht, um die Verklebung des Hauptspiegels durch Silikon aufzubrechen, was mir zu heikel war. Da das ganze System in seiner Verkippung nun aufeinander abgestimmt war (Kamera einschließlich Korrekturplatte), waren die Ergebnisse im erwarteten Schärfebereich: Die FWHM-Werte liegen nun über den ganzen Bereich der ALccd-QHY 5III 178 unter drei Pixeln. Wozu also ein weiteres Risiko eingehen?
Die Kamera im Einsatz Einmal fokussiert und eingestellt bleibt die Kamera auch über größere Temperaturbereiche stabil. Dies liegt sicher auch an den verbauten Invarstäben, die den Hauptspiegel und den CMOS-Chip der Kamera
immer abstandsgleich halten, egal was die Außentemperatur macht. Während des Betriebes wird die Kamera ganz leicht warm, was aber keine merkliche Thermik und damit unerwünschte Luftturbulenz in der Kamera erzeugt. Hier wäre sicher eine mit Luft gekühlte und mit Ventilator versehene Kamera im Nachteil. Eine Wasserkühlung scheidet bei einer kleinen 5,5-Zoll-Kamera aus und ist nur etwas für größere Exemplare.
Der Lieferumfang der ALccd-QHY 5III 178 enthält ein flaches USB-Kabel, das bequem in die Kameraklappe geklemmt werden kann. Eine zusätzliche Zugentlastung an den Rohrschellen war schnell angebracht. Damit wird bei äußeren Lageänderungen der Schmidtkamera ein Einfluss des USBKabels auf das Innenleben ausgeschlossen. Durch das Befestigen der gesamten Schmidtkamera in Rohrschellen mit Justierschrauben ist die gewünschte Ausrichtung (entweder nach Motiv oder in Richtung Stunden-/Dekl.-Achsen) kein Problem und das leichte Verdrehen beim Fokussieren
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Amateurteleskope/Selbstbau
5 NGC 281, Schmidtkamera 5,5 Zoll, 23.10.2021, UHC-Filter, 40 x 30 Sekunden
spielt keine Rolle, es kann mit einer Tubusdrehung wieder leicht korrigiert werden.
Nun konnte es losgehen: ALccd-QHY 5III 178 color an den Computer anschließen, ein geeignetes Bildgewinnungsprogramm starten und belichten. Ersten Erfahrungen nach musste die Empfindlichkeit der CMOS-Kamera gar nicht so hoch eingestellt werden. Im Gegenteil, der Gain kann bei Werten um 15 bleiben. Auch der Offset kann eher niedrig gewählt werden. Dabei behält die Kamera einen größeren Dynamikumfang. Die Einzelbilder brauchen im Normalfall nicht länger als 30 Sekunden belichtet zu werden. Ebenso ist es möglich, die Kamera im 2x2-Binningmodus zu betreiben. Dabei muss aber die Belichtungszeit der Motivhelligkeit angepasst werden. Innerhalb einer Sekunde konnte jedenfalls schon der Zentralstern von Messier 27 (Abb. 4) erreicht werden ( 14 mag). Der Kugelsternhaufen Messier 15 war schon nach zehn Sekunden im Zentrum völlig ausgebrannt! In der ALccd-QHY 5III 178 ist standardmäßig vor dem CMOS-Chip
ein IR/UV-Sperrfilter durch Schraubgewinde befestigt. Entfernt man ihn, wird der gesamte Empfindlichkeitsbereich des Chips bis ins Infrarote nutzbar. Die Farbinformation kann dabei nur bedingt genutzt und muss korrigiert werden, da nun auch die blauen und grünen Pixel Infrarotlicht erhalten. Im 2x2-Binningmodus geht sowieso die Farbinformation verloren. Damit entfällt dieser Nachteil und die volle Empfindlichkeit des digitalen Sensors steht zur Verfügung. Weiterhin verfügt der einschraubbare Steckanschluss der ALccdQHY 5III 178 über einen Durchmesser von 1,25 Zoll mit zusätzlichem Gewinde. Hiermit können Filter sicher vor dem Aufnahmechip positioniert werden. Durch die kleinen Chipmaße gibt es keine Vignettierung. Das schnelle Öffnungsverhältnis von 1:1,65 des optischen Systems ist grundsätzlich eine Herausforderung für optische Filter, besonders für sehr schmalbandige Filter mit Durchlassbreiten von wenigen Nanometern. Ein älterer Baader-Filter des Typs UHC-S und ein Baader-H-Passfilter von 35 mm Durchmesser waren bei (fast)
Vollmondlicht in der Praxis gut einsetzbar (Abb. 5). Am besten ist es allerdings, bei dunklem Himmel auf diese Filter zu verzichten und nur den IR/UV-Sperrfilter direkt vor dem Chip zu nutzen.
Wegen der sehr kleinen Pixel so genannter Guiding-Kameras von bis zu 2,2 m kann auch die Schmidtkamera bei ihrer relativ kurzen Brennweite als Guiding-Teleskop eingesetzt werden. Dabei überzeugen ihre Vorteile von hoher Lichtstärke und großem Bildfeld selbst bei kleinen Sensoren. Damit ist es kein Problem, einen geeigneten Nachführstern zu finden.
Fazit Der Umbau der Schmidtkamera hat sich in mehrfacher Hinsicht gelohnt. Nicht nur, dass ich einiges über diese historisch bedeutende Teleskopbauart gelernt habe. Es steht nun ein lichtstarkes Objektiv mit digitaler Aufnahmetechnik zur Verfügung. Durch die Kompaktheit und das geringe Gewicht eignet es sich gerade für den mobilen Einsatz. Kurze Belichtungszeiten für Sterne
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Astrofotografie
Die Emissionsnebel der Großen Magellanschen Wolke
von Peter Riepe, Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg Die Milchstraße ist von einem riesigen sphärischen ,,Halo" umgeben. Dieser Raum ist von Gas, Staub, einzelnen Sternen, aber auch von Kugelsternhaufen und Zwerggalaxien erfüllt, weiter nach außen von Dunkler Materie. Zwei helle und ausgedehnte Zwerggalaxien sind die Magellanschen Wolken. Der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan und seine Begleiter beobachteten sie bereits um 1520 als matt schimmernde Wölkchen. Die Große Magellansche Wolke (LMC) ist ca. 164.000 Lj entfernt, ihre irreguläre Fläche misst 646` x 549` . Der wahre Durchmesser von rund 31.000 Lichtjahren macht sie also schon zu einem recht ,,großen Zwerg". Die ebenfalls irreguläre Kleine Magellansche Wolke (SMC) ist etwa halb so groß und steht mit 155.000 Lichtjahren etwas näher. LMC und SMC zählen zu den detailreichsten südlichen Fotomotiven. Während der typischen Reisezeit für Astrofotografen in den Südwesten des afrikanischen Kontinents - etwa
1 LMC und SMC, im Vordergrund befindet sich
reichlich galaktischer Zirrus. Die LMC zeigt auch eine zarte Spiralstruktur. Belichtung vom 01.09.2019 auf der Astrofarm Kiripotib mit einer unmodifizierten Canon EOS 6D, 41 x 180 s durch ein 24-mm-Objektiv bei Blende 4, ISO 3200.
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6 Jupiter mit Monden, Schmidtkamera 5,5 Zoll,
31.10.2021
bis 14 mag macht das System für Sternbedeckungen durch Asteroiden interessant. Derart kurze Belichtungszeiten benötigen kein Autoguiding. Leichte Reisemontierungen mit ihren Toleranzen kommen deshalb ebenso in Betracht wie eine gute und stabile Montierung in einer Sternwarte. Selbst Planetenaufnahmen (Abb. 6) gelingen, wenn auch nicht in der Auflösung und Qualität, wie mit einem Refraktor vergleichbarer Öffnung und größerer Brennweite. Dafür gibt es andere Vorteile zur Genüge, wie das große Bildfeld.
Astrofotografie
von Mai bis August - durchlaufen sie beide zunächst ihre untere Kulmination. Erst wieder ab Ende August steht die LMC mit der Morgendämmerung nahe ihrer maximalen Höhe über dem Horizont. Das war dann auch das Belichtungsfenster für die hier präsentierten Aufnahmen, in denen wir die Emissionsnebel der LMC in ihrer Formen- und Farbvielfalt vorstellen. Zunächst aber wird die astrofotografische Vorgehensweise beschrieben.
Belichtet wurde am 30. August 2019 von der Astrofarm Kiripotib in Namibia. Als Teleskop wurde ein Takahashi Epsilon 130 D mit einem Spiegeldurchmesser von 130 mm und einer Brennweite von 430 mm eingesetzt. Das Teleskop ähnelt von der Konstruktion her einem Newton-Teleskop mit einem für dieses System angepassten Korrektor. Hiermit sind Bilder bis zur Vollformatgröße einer Kamera mit bis zum Rand scharfen Sternabbildungen möglich. Als Aufnahmeinstrument wurde eine Canon 6D benutzt, modifiziert von der Firma astro-shop [1]. Dies bedeutet, dass der Farbkorrekturfilter vor dem Chip entfernt wurde, um auch für das astrofotografisch interessante H-Licht empfindlich zu sein. Durch diese Maßnahme zeigen aber die Bilder nicht mehr die korrekten Farben an und das digitale Bild wird rotstichig. Dieser Rotstich kann mit einem manuellen Weißabgleich in der Kamera oder auch später bei der Bildbearbeitung entfernt werden. Eine weitere Möglichkeit ist aber auch der Einsatz eines HEUIB-IIFilters, der nicht nur die astrofotografisch interessanten Emissionslinien des optischen Spektrums durchlässt, sondern das gesamte optische Spektrum [2]. Dadurch beeinflusst er nicht die natürliche Farbwiedergabe. Ein weiterer Vorteil des Filters ist, dass er das für Farbaufnahmen unerwünschte Infrarot sperrt. Denn in der Kamera wurde ja bei ihrer Astromodifizierung der Farbkorrekturfilter entfernt, so dass sie IR-empfind-
2 Das RGB-Bild der LMC vermittelt den Eindruck der LMC mit ihren Nebeln im gesamten
optischen Spektrum. Belichtung vom 30.08.2019 auf der Astrofarm Kiripotib mit einer astromodifizierten Nikon D850, linke und rechte Bildhälfte je 18 x 180 s durch ein 200-mm-Objektiv bei Blende 4, ISO 3200
lich wurde. Der HEUIB-II-Filter wurde in der Canon 6D als Clip-Filter eingesetzt. So konnten mögliche Artefakte in den Bildern (z. B. rötliche Kreise um die Sterne) vermieden werden.
Zusätzlich und ganz wesentlich für das abschließende Bildergebnis sind die Bilder durch einen per M48-Gewinde in den Strahlengang eingeschraubten Optolong L-eNhance-Filter aufgenommen worden, um die im Licht der H- und der [OIII]Linien strahlenden Anteile der Galaxie zu betonen [3]. Dieser Filter ist in erster Linie für Farbkameras entwickelt worden
und lässt das Licht der H- und auch der [OIII]-Linie fast vollständig passieren. Insbesondere werden solche Dualbandfilter in lichtverschmutzten Gegenden eingesetzt, um galaktische oder auch extragalaktische Nebel mit einer Farbkamera kontraststark aufnehmen zu können. In sehr dunklen Gegenden ist der Einsatz der Dualbandfilter aber erst recht sinnvoll, um selbst schwächste Nebel mit H- und [OIII]Emission wie hier in der LMC besonders hervorzuheben.
Die Abbildung 3 besteht aus zwei Teilen, ist also ein kleines Mosaik. Der linke Teil
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Astrofotografie
3 Mit der beschriebenen Filtertechnik werden die HII-Regionen sowohl im roten H- als
auch im blauen [OIII]-Licht sehr stark betont. Aufnahmedaten im Text.
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Astrofotografie
4 Katalogbezeichnungen verschiedener Emissionsnebel in der LMC.
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Astrofotografie 56 | Journal für Astronomie Nr. 82
Astrofotografie
wurde 18 x 300 Sekunden lang belichtet, der rechte Teil 20 x 300 Sekunden, danach setzte die Morgendämmerung ein. Die Einzelaufnahmen wurden mit Dark-, Flat- und Bias-Dateien über das Programm Astro Pixel Processor verarbeitet und gestackt, anschließend mit dem Programm Adobe Photoshop CC final bearbeitet (Helligkeiten gestreckt, Farben angepasst und Hintergrund entrauscht).
Fakten zu den Magellanschen Wolken LMC und SMC sind entgegen früherer Ansicht keine Trabanten der Milchstraße. Messungen ihrer Eigenbewegung mit dem Hubble Space Telescope ermöglichten Modellrechnungen, wonach beide Zwerge wahrscheinlich vor rund 10 Milliarden Jahren schon als Galaxienpaar aus dem Andromedasystem kommend [4] erstmals in Richtung Milchstraße einfielen [5]. Nun fliegen sie vorbei und ziehen einen langen Schweif aus neutralem Wasserstoff, den Magellanschen Strom, hinter sich her. Er könnte durch die Gravitationskräfte der Milchstraße entstanden sein, aber die wahrscheinlichere Ursache ist die Wechselwirkung zwischen LMC und SMC selbst. Sie verursachte in beiden Galaxien zudem eine heftige Sternentstehung, auch von massereichen jungen Sternen. Um die LMC haben sich bereits am zentralen Balken ansetzende zarte Spiralarme ausgeprägt (Abb. 1). Ferner ist die gesamte Galaxie von eindrucksvollen Emissionsnebeln durchsetzt. Einen realen Eindruck zum Erscheinungsbild der LMC vermittelt zunächst ein LRGB-Bild (Abb. 2). Dagegen sind in Abbildung 3 die Emissionsnebel aufgrund der beschriebenen Filterung heller und erscheinen in ihren Farben stark in H und [OIII] betont. Norden liegt auf ca. 1 Uhr. Zur Orientierung sind die Katalogbezeichnungen vieler Emissionsnebel in die gleichgroße Abbildung 4 eingetragen.
5 Linke Seite: Von links oben nach rechts
unten: sechs Ausschnitte a-f aus Abb. 3, jeweils 80` x 80`.
Die Emissionsnebel der LMC Dominierend ist der riesige Tarantelnebel. Seine Durchmesserbestimmung fällt schwer, denn wo sind seine äußeren Grenzen? Diese Beurteilung wird auch schwierig, weil von außen verschiedene Emissionsnebel verschachtelt in den Tarantelnebel hineinragen. Für den kompakteren Innenbereich ergeben sich rund 30`, was etwa 1.400 Lichtjahren entspricht! Deshalb bezeichnen Astronomen den Tarantelnebel gern als ,,Giant Extragalactic HII-Region". Bemerkenswert sind die langen Filamente, die sich östlich des Tarantelnebels bis zu 2.800 Lichtjahre nach außen erstrecken. Im Zentrum des Tarantelnebels sitzt der 3,5` große, massereiche Sternhaufen NGC 2070 (= 30 Doradus). Er erzeugt die gewaltige Ionisationsenergie für den riesigen Nebel. Ein Haufenmitglied ist der Doppelstern Melnick 34 mit Komponenten von 139 und 127 Sonnenmassen [6]. Im Haufenzentrum, das als Radcliffe 136 (R 136) bekannt wurde, drängeln sich junge, massereiche Sterne. Um 1980 wurde dort ein Superstern von 1.000 Sonnenmassen vermutet. Mit dem Speckle-Verfahren wurde R 136 dann jedoch in Komponenten a, b und c separiert. Das Hubble Space Telescope löste noch feinere Details auf.
Es folgen nun weitere farblich auffällige Nebel aus Abbildung 3 in sechs Ausschnitten (Abb. 5 a-f). Im zentralen Balken der LMC liegt der strähnig zerfranste LHA 120-N 119 (kurz N 119, Abb. 5a). Die N-Nummern gehen auf Karl G. Henize zurück. Seine HUntersuchungen der Magellanschen Wolken wurden schon 1956 publiziert. Südlich von N 119 leuchten drei weitere strähnige Nebel, v. l.: N 120, N 114 und direkt rechts neben ihm DEM L 108 mit mehreren hellen Knoten. Diese ,,DEM-Nebel" tragen ihr Kürzel mit Bezug auf die Astronomen Davies, Elliott und Meaburn [7].
Zwischen Tarantelnebel und N 119 liegt eine Zone rundlich angeordneter Nebelfilamente (Abb. 5b), darin der helle, kompakte N 144 (NGC 1970). Er ist aus multiplen Schalen zusammengesetzt und
enthält die Assoziation LH 58 mit vielen O-Sternen, darunter ein O5-Stern und drei Wolf-Rayet- Sterne (WR). Sie sorgen für die starken Blauanteile in den hoch ionisierten Nebelzonen. WR-Sterne sind Abkömmlinge von O-Sternen. Deren äußere Gasanteile wurden in den Raum geschleudert, so dass wesentlich hellere und heißere Innenbereiche frei wurden. WR-Sterne erzeugen gewaltige Sternwinde und schaffen in der interstellaren Materie um sich herum blasenförmige Nebel. Etwas weiter westlich im Bild leuchtet hellblau der kleinere DEM L 174. Auch hier sorgt ein WR-Stern - sogar mit einem O-Begleiter - für die [OIII]-Anregung [8]. Mehrere ringförmige HII-Regionen sind ebenfalls im Bildfeld.
Südlich einer ausgedehnten Sternenwolke leuchten mehrere verschiedenfarbige Emissionsnebel (Abb. 5c). Der hellste ist NGC 2029/32 oben links. Knapp darüber befindet sich LH 86, eine kleine Assoziation. Über ihr liegt der schwächere HIIRing DEM L 250. In seiner zentralen Höhle steckt die separate Assoziation LH 92. Sie erzeugt die Ringform von DEM L 250. Südwestlich von NGC 2029/32 ist der kleine, aber helle blaue Doppelringnebel NGC 2020 zu sehen, von 150 Lichtjahren Durchmesser. Auch dieser WR-Nebel hat eine zentrale Höhle. Darin ist der 13,2 mag helle WR-Stern HD 269748 eingebettet. Direkt rechts daneben liegt die HII-Region N 57. Sie umschließt die Assoziation NGC 2014 und setzt sich nach Norden fort. In einer Nebellücke sitzt dort die helle Assoziation NGC 2021, danach wechselt der Nebel seine Färbung ins Bläuliche, um schließlich als blaue Spitze zu enden. Rechts unten folgt ein Knäuel aus drei roten HII-Regionen, insgesamt als DEM L 201 bezeichnet. Die große ringförmige Region nennt sich im Westbereich KMHK 879. Der Ostbereich umfasst die Assoziation NGC 1955. Hier sind auf engem Raum viele späte O- und frühe B-Sterne um 13-15 mag enthalten, dazu auch der massereiche Wolf-RayetStern HD 36402. Er ist 11,6 mag hell und zeigt mit einem Farbindex B-V = -0,37 mag eine äußerst blaue Eigenfarbe (was hier im
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Astrofotografie
Bild aufgrund der starken Nebelbelichtung nicht zur Geltung kommt). Der gesamte Ring besteht aus eng verflochtenen Filamenten. Von da aus nach links unten liegt DEM L 196, ein etwas kleinerer HII-Ring, darin die Assoziation LH 55. Zwischen beiden Nebelringen ragt N 51 nach Norden. Etwas weiter nach Nordwesten liegt noch N 50, jeweils zur Hälfte rot und blau leuchtend.
Wechsel nach Westen. Die Nebel in diesem Feld sind weniger spektakulär, aber morphologisch interessant (Abb. 5d). Mittig im Bild sitzt die kleinere, aber helle rote schalenförmige HII-Region DEM L 106. Sie umschließt die ionisierende Assoziation NGC 1871. Direkt rechts oberhalb sitzt ein weiterer ringförmiger Nebel mit dunklem Zentralbereich und darin der Assoziation NGC 1873. Der Südrand dieses Nebels ist blau und von vielen Sternen durchsetzt - die Assoziation NGC 1869. Diese drei Beispiele zeigen: helle visuell sichtbare Sternengruppen haben eigene NGC-Nummern erhalten, sogar in der LMC. In NGC 1869, 1871 und 1873 wurden zahlreiche OB- und WRSterne gefunden, die mit ihren Sternwinden die blasenförmigen Nebel expandieren lassen. Noch etwas weiter nach rechts oben folgt die blau und rot leuchtende HII-Region DEM L 107. Sie beherbergt scheinbar einen superhellen Stern: HD 34649 ist jedoch ein 4,8 mag heller K-Riese der Milchstraße. Zwei Nebelringe, der mittelhelle DEM L 90 und der lichtschwache DEM L 99, liegen noch weiter westlich.
Jetzt in den nördlichen Teil der Abbildung 3. Ein Musterbeispiel für ringförmige HIIRegionen ist die filamentförmig aufgebaute Blase N 70 (Abb. 5e, unten) mit einem Durchmesser von 8,7` (= 415 Lj). Im Zentrum steckt die Assoziation LH 114. N 70 unterscheidet sich von üblichen HII-Blasen dadurch, dass hier sowohl Sternwinde als auch Supernovaexplosionen formgebend waren. Das Spektrum zeigt hohe [SII]-Anteile - im Gegensatz zu üblichen HII-Re-
gionen. Nördlich von N 70 stoßen wir auf den blau leuchtenden DEM L 315, der mit armförmigen Ansätzen einer Spiralgalaxie gleicht. Er enthält wiederum einen heißen blauen WR-Stern, nämlich HD 269485. Knapp daneben liegt N 74, ein rot und blau leuchtender Nebel.
Von da aus nach Westen in ein buntes Nebelfeld (Abb. 5f). Etwas oberhalb der Bildmitte befindet sich N 62, ein S-förmiger Nebel mit dem blauen [OIII]-Anteil N 62A und dem roten H-Anteil N 62B. Direkt darüber umhüllt die HII-Region NGC 2030 die Assoziation LH 83. Unterhalb von N 62 stößt man auf eine hellere HII-Region, bestehend aus DEM L 228 und N 55A. Ähnlich hell ist die Nebelgruppe östlich von N 62. Hier liegen um N 64 drei weitere HII-Regionen unterschiedlicher Helligkeit. Am interessantesten in diesem Bildausschnitt ist der östlich gelegene, ringförmige N 65. Nach unten ins Bild erstreckt sich die gut aufgelöste, sternreiche Assoziation LH 84. Noch zahlreiche weitere Nebel könnten hier besprochen werden. Aber vielleicht ist ja der ein oder andere Leser inzwischen neugierig geworden und möchte selbst einmal näher in die Objekte der LMC eintauchen. Die Farben- und Formenvielfalt der Emissionsnebel ist bestechend. Rot mit Blau vermischt oder in Teilen - all das deutet auf eine spannende Entwicklungsgeschichte dieser Nebel hin. Immerhin sollte klar sein: [OIII] und auch [SII] sind nur dadurch erklärbar, dass massereiche junge O- oder WR-Sterne bereits ihren Wasserstoff (nach 3 bis 4 Millionen Jahren) verbraucht haben und im Kern mit dem Heliumbrennen schwere Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel fusionieren konnten. Massereiche O-Sterne werden nur wenige Millionen Jahre alt. Sie entwickeln sich zu Roten oder Blauen Überriesen und setzen bei ihrem Sternentod - der Supernovaexplosion - auch diese schweren Elemente frei. Nur so kann der Amateur neben dem HLicht auch die [OIII]-, [NII]- und [SII]Wellenlängen empfangen und abbilden.
Literatur- und Internethinweise, Stand 17.02.2022: [1] Zum Umbau der Canon EOS 6D,
www.astro-shop.com/Astro-UmbauCanon-EOS-6D.html [2] Infos zum HEUIB-II-Filter, www.aokswiss.ch/d/zub/filter/filter/ idas/HEUIB-II.html [3] Dualbandfilter von Optolong, www.optolong.com/cms/document/ detail/id/16.html [4] G. Byrd et al., 1994: "Orbits of the Magellanic Clouds and Leo I in local group history"; Astron. J. 107, 2055 [5] G. Besla et al., 2016: "The role of dwarf galaxy interactions in shaping the Magellanic System and implications for Magellanic Irregulars", Mon. Not. Roy. Astr. Soc. 421, p. 2109-2138 [6] K. A. Tehrani et al., 2019: ,,Weighing Melnick 34: the most massive binary system known", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 484, p. 2692-2710 [7] R. D. Davies, K .H. Elliott, J. Meaburn, 1976: "The nebular complexes of the Large and Small Magellanic Clouds", Mem. Roy. Astron. Soc. 81, p. 89 [8] C. S. Hung, 2021: "A Multiwavelength Survey of Wolf-Rayet Nebulae in the Large Magellanic Cloud"; Astrophys. J. Suppl. Ser. 252, 21 (23pp)
Anmerkung der Redaktion
Dieser Artikel ist das Resultat einer Kooperation. Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg fertigten die Astrofotos bei einer Astro-Exkursion nach Namibia und erläutern hier die Aufnahmetechnik. Der astrophysikalische Textanteil stammt von Peter Riepe.
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Astrofotografie
Die Galaxie NGC 2403
- ein Gemeinschaftsprojekt (Teil 1)
von Werner E. Celnik, Peter Riepe, Michael Hoppe, Gerhard Hilverkus und Hans Gerhard Weber
Nach der erfolgreichen Kombination ,,tiefer" Aufnahmen der Galaxie M 33 mit verschiedenen Teleskopen [1] sollte eine neue Galaxie am Nordhimmel unter die Lupe genommen werden. Auswahlkriterien waren: Sie sollte relativ großflächig erscheinen und mit Spiralarmen, Sternhaufen und HII-Regionen reich strukturiert sein, damit sich auch Farbaufnahmen lohnten. Und ihre Deklination sollte so hoch sein, dass die Galaxie über einen Großteil des Jahres beobachtet werden kann. Die Wahl fiel auf NGC 2403 im Sternbild Camelopardalis (Giraffe). NGC 2403 besitzt gemäß der Datenbank Simbad [2] eine Winkelausdehnung von 21,4` x 10,7`. Das passte. Dazu ergab sich nach einer Prüfung mit GUIDE [3], dass sich 21 Bogenminuten südwestlich von NGC 2403 eine Hintergrundgalaxie (UGC 3898) mit einem Winkeldurchmesser von ca. 1` befindet. Die sollte bei jeder der in Frage kommenden Brennweiten mit ins Bild passen.
Werner erzielte die ersten Aufnahmen mit 1.100 mm Brennweite in seiner Gartensternwarte im Jahr 2018. Diese sahen so vielversprechend aus, dass nach Präsentation und Diskussion an Astro-Stammtischen und auf persönlichen Treffen ein Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen wurde. Ziel war eine Gesamtbelichtungszeit von 100 Stunden. Auch wenn dieses Ziel am Ende nicht ganz erreicht wurde (das Problem der ,,Belichtungsdauer" wird weiter unten diskutiert), kann sich das Endergebnis dennoch sehen lassen, selbst wenn alle Aufnahmen unter nicht besonders guten Himmeln entstanden (Kleinstadt, Vorstadt, Bortle 5-6).
Das NGC-2403-System Die ausgedehnte benachbarte M81/82Gruppe hat einen markanten östlichen Außenposten: NGC 2403. Ihre Entfernung beträgt 10,6 Millionen Lichtjahre, wenn man
1 Vergleich der unterschiedlichen Bildfelder der am Projekt beteiligten Teleskop-Kamera-
Kombinationen. Das größte Feld besitzt eine Ausdehnung von 1,30 Grad x 1,81 Grad .
den Mittelwert aller Cepheidenmessungen aus der NASA Extragalactic Database (NED) zugrunde legt [4]. Der Hubble-Typ von NGC 2403 ist SAcd. Das weist bereits auf kräftige, auseinanderliegende Spiralarme hin. Und tatsächlich treten in den Armen viele junge Sternassoziationen und
helle HII-Regionen hervor. NGC 2403 ist visuell 8,4 mag hell. Bei der oben genannten Winkelausdehnung kommt sie auf einen wahren Durchmesser von 66.000 Lichtjahren und ist damit gut 25% größer als M 33 in unserer lokalen Galaxiengruppe.
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NGC 2403 besitzt zwei Zwerggalaxien als Begleiter. Die erste, DDO 44 [5], misst 2` x 1` und befindet sich ca. 80 Bogenminuten nördlich der Muttergalaxie - leider weit außerhalb unserer Aufnahmefelder. DDO 44 steckt inmitten eines extrem lichtschwachen Sternstroms, der erst 2019 entdeckt wurde und der mit rund 1 Grad Länge auf NGC 2403 als Verursacher gerichtet ist [6]. Der zweite Zwerg mit der Katalogbezeichnung MADCASH J074238+652501-dw ist mit 20`` Winkeldurchmesser sehr klein [7]. Er liegt 38 Bogenminuten ostsüdöstlich von NGC 2403 und befindet sich damit ebenfalls außerhalb unseres gemeinsamen Gesichtsfeldes.
UGC 3898 Für die eingangs erwähnte Galaxie UGC 3898 gibt es keine direkten Entfernungsmessungen. Anhand ihrer Radialgeschwindigkeit von 6.588 km/s kann man jedoch eine ,,Hubble-Entfernung" berechnen. Mit der Hubble-Konstanten 73 km/s/Mpc ergeben sich 90 Mpc ( 300 Millionen Lichtjahre). Damit steht sie fast 30-mal weiter weg als NGC 2403.
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2 Einzel-Summenbilder von NGC 2403 (jeweils Bild-
ausschnitte): a) Apo-Refraktor 150 mm/1.100 mm (f/7,3), Canon 700Da, ohne Filter, 33,9 h belichtet in 13 Nächten (2018-2021), Bild: Werner E. Celnik (Rheinberg); b) C11 280 mm/2.800 mm (f/10), Canon 6Dir, IDAS-Filter, 19,0 h belichtet in 6 Nächten (2019-2021), Bild: Werner E. Celnik (Rheinberg); c) RASA 11, 280 mm/616 mm (f/2,2), ASI 2600 MM pro, ohne Filter, 5,0 h belichtet in 2 Nächten (2021), Bild: Michael Hoppe (Wermelskirchen); d) ApoRefraktor 130 mm/860 mm (f/6,6), Canon 6Da, ohne Filter, 20,3 h belichtet in 5 Nächten (2019), Bild: Gerhard Hilverkus (Wermelskirchen); e) RC-Teleskop 150 mm/905 mm (f/6,0), Nikon D5100 astromodifiziert, ohne Filter, 7,0 h belichtet in 2 Nächten (2020), Bild: Hans Gerhard Weber (Rottenburg/Laaber); f) C11, 280 mm / 2.800 mm (f/10), Canon 6Dir, H-Filter HWB 12 nm, 1,5 h belichtet (2020), Bild: Werner E. Celnik (Rheinberg)
Astrofotografie
3 NGC 2403, Gesamtbild aller Beobachtungen in der Abb. 2, Gesamtbelichtungsaufwand 86,7 Stunden, entspr.
Belichtung 40,4 Stunden bei f/4, Bildfeld ca. 49,4` x 36,4`, Vorgehensweise bei der Bildkombination s. Text. Norden ist links und Westen oben. Bildautoren: W. E. Celnik, M. Hoppe, G. Hilverkus, H. G. Weber
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Astrofotografie
4 Kugelsternhaufen in NGC 2403 bis 20,0 mag,
Bezeichnungen entnommen aus [8], Bildausschnitt aus Abb. 3
Die Erwartungen Nach den ersten Erfahrungen in [1] erwarteten wir durch Zusammenlegung möglichst vieler Aufnahmen mit mehreren Teleskopen in jedem Falle eine Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses im Summenbild. Unbekannt war jedoch, inwieweit dies auch zu einer Verbesserung der Sterngrenzgröße im Gesamtbild gegenüber den Summenbildern der einzelnen Teleskope führen würde.
Einschränkungen sind dadurch zu erwarten, dass sich bei der Kombination von relativ hoch aufgelösten Bildern von Teleskopen mit größeren Optiken mit etwas geringer aufgelösten Aufnahmen von Teleskopen mit kleineren Öffnungen die Gesamtauflösung verschlechtert. Eine schlechtere Auflösung im Bild führt zu größeren FWHM-Werten bei den Sternen und damit wiederum zu einer geringeren Grenzgröße. Dabei gehen wir allerdings von einem Seeing vergleichbarer Qualität aus. Ein weiterer Faktor ergibt sich durch die unterschiedlichen Abbildungsmaßstäbe bei Teleskopen stark unterschiedlicher
Brennweite: Wie würde sich z. B. das Bild eines Teleskops mit f/2 gegenüber dem eines Teleskops mit f/10, aber gleicher Öffnung darstellen? Diese Frage klären wir weiter unten bei dem unmittelbaren Vergleich aller Aufnahmen. Die Pixelgrößen der zur Verwendung gelangten Kameras variieren natürlich, stellten sich jedoch als nicht entscheidend heraus.
Und was war an Objekten in NGC 2403 zu erwarten? Helle Überriesen mit Absoluthelligkeiten von -6 bis -8 mag kommen in NGC 2403 auf scheinbare visuelle Helligkeiten von etwa 20 bis 22 mag und sollten mit unseren Mitteln schon fotografierbar sein, natürlich abhängig vom Seeing. Helle Kugelsternhaufen wie M 13 erreichen in NGC 2403 scheinbare V-Helligkeiten um 19 mag. Damit sind sie für unsere Projektteleskope klar erreichbar, bleiben jedoch bei Winkeldurchmessern um 3 Bogensekunden bis in die schwächsten Außenzonen im Wesentlichen punktförmig. Dann sind da noch die Planetarischen Nebel. Ihre durchschnittliche Größe liegt bei wenigen Lichtjahren (im Vergleich: M 13 hat
150 Lichtjahre). Ein PN von 10 Lichtjahren Durchmesser kommt in NGC 2403 nur auf 0,2`` Größe. Von daher sind sie für unsere Teleskope keine realen Ziele. Im Gegensatz dazu sind die HII-Regionen hell und lohnenswert.
Die Instrumente Werner fotografierte mit zwei verschiedenen Teleskopen: mit einem Apo-Refraktor 150 mm/1.100 mm (f/7,3) von Takahashi und einem Celestron 11 EHD 280 mm/2.800 mm (f/10). Das C11 bot in unserer Kombination die größte Öffnung, jedoch das kleinste Öffnungsverhältnis. An Kameras wurden handelsübliche, aber modifizierte DSLRs eingesetzt: am Refraktor eine Canon 700Da mit erweiterter Rotempfindlichkeit, ohne Filter, und am C11 eine infrarotmodifizierte Canon 6D in Kombination mit einem IDAS-Filter und alternativ auch mit einem H-Filter (HWB = 12 nm).
Michaels Instrument war ein Celestron RASA mit 280 mm/616 mm (f/2,2), an dem er eine gekühlte monochromatische
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Astrofotografie
CMOS-Astrokamera ZWO ASI2600MM Pro (mono) ohne Filter einsetzte. Dies war die kürzeste Brennweite in unserer Kombination, damit auch das größte Öffnungsverhältnis und zusammen mit dem C11 die größte Öffnung.
Gerhard setzte eine astromodifizierte Canon 6Da an einem Apo-Refraktor 130 mm/860 mm (f/6,6) von TS ohne Filter ein. Damit erzielte er das größte Gesichtsfeld in unserem Projekt.
5 Das Detail aus Abb. 3 zeigt links F28, einen der größten Kugelsternhaufen in NGC 2403
([8], gelb markiert), dazu ein gleichgroßer Ausschnitt aus dem SDSS [9]. Hier ist F28 als diffuser, verbreiteter Fleck erkennbar. F28 kommt im Originalbild auf eine Halbwertbreite um 3,6 Bogensekunden.
Hans Gerhards Instrument war ein RCTeleskop 150 mm/1.350 mm (mit Astrophysics-Reducer 0,67x, feff = 905 mm, f/6,0) von GSO. Als Kamera verwendete er eine astromodifizierte Nikon D5100 ohne Filter. Von seinem Color-Summenbild wurde die Luminanz in die Kombination integriert.
Alle verwendeten Teleskop-Kamera-Kombinationen weisen große Unterschiede bei den Bildfeldgrößen auf (Abb. 1). Vor der Verknüpfung der Aufnahmen der unterschiedlichen Instrumente wurden alle Bildfelder auf das kleinste gemeinsame Feld beschnitten. Ausnahme bildete lediglich das H-Bild, welches ein noch kleineres Feld besitzt, jedoch auch nur um die Bildmitte herum brauchbare Informationen aufweist.
Die Belichtungen Hat man das Ziel, 100 Stunden Gesamtbelichtungszeit zu erreichen, kommt man natürlich nicht mit jeweils einer Beobachtungsnacht je Beobachter aus: Insgesamt wurden 22 Nächte von 2018 bis 2021 an Beobachtungszeit in das Projekt investiert. In der Tabelle 1 ist dargestellt, wie sich diese Zahl auf die verschiedenen Instrumente verteilt.
Mit dem 150-mm-Apo wurde in 13 Nächten, die sich über fast drei Jahre verteilten, 33,9 Stunden bei Blende 7,3 belichtet
(Abb. 2a). Mit dem C11 kamen 19,0 Stunden in 6 Nächten bei Blende 10,0 zusammen (Abb. 2b). Mit dem 11-Zoll-RASA in 2 Nächten 5,0 Stunden bei Blende 2,2 (Abb. 2c). Mit dem 130-mm-Apo in 5 Nächten insgesamt 20,3 Stunden bei Blende 6,6 (Abb. 2d) und mit dem 150-mm-RC in 2 Nächten 7,0 Stunden bei Blende 6,0 (Abb. 2e). Zusätzlich wurden für die HAufnahme in einer Nacht 1,5 Stunden bei 2.800 mm Brennweite und f/10 investiert (Abb. 2f).
Die Relativität von Belichtungszeiten 33,9 Stunden Belichtung mit dem Apo bei f/7,3 hören sich ja erst einmal gut an. Welche Rolle spielen dann noch die 5,0 Stunden mit dem RASA bei f/2,2? Beziehen wir die verwendeten Belichtungszeiten einmal auf ein ,,Standard"-Teleskop mit einem ,,Standard"-Öffnungsverhältnis von 1:4, wie es heute ja bei ,,schnellen" Newton-Teleskopen z. B. nahezu üblich ist, sieht die Sache schon anders aus: In der Tabelle 1 sind die auf eine Standardblende 4,0 zurückgerechneten Belichtungen zum Vergleich dargestellt. Dann relativieren sich die 33,9 Stunden bei f/7,3 auf ,,kurze" 10,1 Stunden bei f/4 (ist damit aber immer noch gut ...). Und die 5,0 Stunden bei f/2,2 wachsen auf erstaunliche 16,5 Stunden bei f/4.
Die Kombination Die Vereinbarung zwischen den Projektmitgliedern war, dass jeder seine eigenen Aufnahmen bis zu Ende reduziert, also Dark- und Flat-Korrekturen anbringt und alle seine auch über mehrere Nächte hinweg gewonnenen Einzelaufnahmen stackt. Alle verwendeten die Stacking-Software DeepSkyStacker in der damals aktuellen Version. So weit wie möglich sollte auch jeder bei seinem Summenbild Farb- und Helligkeitsgradienten korrigieren. Es erfolgte ausdrücklich keine Schärfung oder Glättung des Teleskop-Summenbildes. Von jedem Teleskop floss also jeweils ein Bild in die Kombination ein, das sind die Aufnahmen in der Abbildung 2.
Die ,,Relativität der Belichtungszeiten" hat Auswirkungen darauf, mit welchen Anteilen letztendlich die Summenbilder der einzelnen Teleskope ins Gesamtbild einfließen. Ergänzend haben wir noch die relativen Bildqualitäten berücksichtigt und ob das zu kombinierende Bild nur Luminanz oder auch Farbinformationen einbringt. So orientierten sich die Anteile am Gesamtbild stark an den auf Blende 4,0 bezogenen Belichtungszeiten. Lediglich das am C11 gewonnene Summenbild wurde wegen der guten Qualität in Luminanz und Farbe stärker berücksichtigt.
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Astrofotografie
scheiden. Und von Letzteren gibt es einige hundert im Bild zu sehen.
Im gesamten Verlauf der Spiralen sind rötliche Gasnebel erkennbar, teilweise mit feinen Strukturen wie Hüllen und Bögen. In [10] werden Riesen-HII-Regionen in NGC 2403 untersucht. Für einen Strukturvergleich unseres Gesamtbildes mit den dortigen Beobachtungen fehlt es unserem Bild jedoch an Auflösung. Allerdings können wir die bogenförmige Struktur in der ca. 1.500 Lj großen HII-Region S44 ansatzweise auflösen.
6 Hintergrundgalaxie UGC 3898, Bildausschnitt aus Abb. 3
Insgesamt kamen so 86,7 Stunden Gesamtbelichtung zusammen. Hätten alle Beobachter Teleskope mit f/4 eingesetzt, wäre dasselbe Ergebnis mit 40,3 Stunden erreichbar gewesen. Die Summenbilder der einzelnen Teleskope wurden in Photoshop CC 2021 in Ebenen übereinandergelegt, skaliert und manuell aufeinander ausgerichtet. Die Ebenen wurden dann entsprechend ihrer zu berücksichtigenden Anteile auf die Hintergrundebene reduziert und damit anteilig gemittelt. Das resultierende Gesamtbild zeigt die Abbildung 3.
Das Gesamtbild In den Einzel-Summenbildern (wie auch in den zahlreichen Vergleichsbildern im Internet) erscheinen die inneren Bereiche der Galaxie recht ordentlich belichtet, während die äußeren Spiralarme relativ schwach sind. Der Helligkeitsunterschied Galaxienmitte - Peripherie ist hier beträchtlich. Unser Gesamtbild zeigt dagegen die äußeren Spiralarme sehr deutlich und reich strukturiert. Es sind sogar noch weiter außen liegende Bereiche erkennbar. So konnten wir
die Ausdehnung von NGC 2403 aus dem Bild zu 25,3` x 14,9` ableiten. Das ist deutlich mehr als in Simbad angegeben (siehe oben). Im Zentralbereich sind feine Strukturen von Dunkelwolken zu sehen, die sich spiralförmig bis ganz ins Zentrum ziehen. Ausgedehnte Assoziationen blauer Riesensterne sind z. T. in Einzelsterne aufgelöst. Zahlreiche offene Haufen und Kugelsternhaufen sind erkennbar. So sind z. B. alle mit einem 1,5-m-Teleskop bis zur Helligkeit von 20 mag entdeckten Kugelsternhaufen unseren Erwartungen entsprechend abgebildet (Abb. 4 und [8]) und noch darüber hinaus. Einer der größten Kugelsternhaufen in NGC 2403 ist F28. Er ist in einem vergrößerten Ausschnitt aus unserer Summenaufnahme im Vergleich mit einem gleichgroßen Ausschnitt aus dem SDSS [9] zu sehen (Abb. 5). Seine aus dem SDSS umgerechnete V-Helligkeit beträgt 17,66 mag, der in unserem Bild messbare Winkeldurchmesser (Halbwertbreite) liegt bei 3,6``. Schwächere Kugelsternhaufen ohne spektrale Beobachtungen sind meistens nicht von Hintergrundgalaxien zu unter-
Die 14,3 mag helle und 300 Mio. Lj entfernte Hintergrundgalaxie UGC 3898 ist über eine Winkelausdehnung von 88`` x 39`` erfasst, das entspricht einem linearen Durchmesser von ca. 130.000 Lj. Sie zeigt nun Strukturen, die in der Abbildung 6 in einem bearbeiteten Ausschnitt aus dem Gesamtbild erkennbar werden. UGC 3898 hat einen zentralen Ring um den hellen Kern. Nach außen setzen am Nord- und Südende symmetrisch zwei armähnliche Fortsätze an, die aber vermutlich keine Spiralarme sind, sondern eher herausgezogenen Gezeitenschweifen ähneln wie etwa bei M 66 im Löwen. Auf UGC 3898 werden wir im Teil 2 unseres Beitrags im Folgeheft des VdS-Journals für Astronomie noch einmal zurückkommen.
Dort werden wir u. a. auch auf die erreichten Sterngrenzgrößen und Auflösungsvermögen in den Einzel-Summenbildern und im Gesamtbild eingehen sowie auf Zwerggalaxien und Sternströme um NGC 2403.
Literatur- und Internethinweise (Stand 31.01.2022): [1] W. E. Celnik, K. Möller, B. Flach-
Wilken, 2018: ,,Der Dreiecksnebel
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Astrofotografie
Messier 33 - in Kombination von drei verschieden großen Teleskopen", VdS-Journal für Astronomie 64 (I/2018), S. 78 [2] Astronomische Datenbank SIMBAD: http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/ [3] Software GUIDE: www.projectpluto. com/ [4] NASA Extragalactic Database (NED): http://ned.ipac.caltech.edu/ byname?objname=ngc+2403&hconst =67.8&omegam=0.308&omegav= 0.692&wmap=4&corr_z=1 [5] DDO 44, Zwergbegleiter von NGC 2403: s. "Catalog & Atlas of the LV galaxies", www.sao.ru/lv/lvgdb/ object.php?name=DDO044&id=117 [6] J. L. Carlin et al., 2019: "Tidal
Destruction in a Low-mass Galaxy Environment: The Discovery of Tidal Tails around DDO 44", Astrophys. J. 886, 109 (11 pp), https://iopscience. iop.org/article/10.3847/1538-4357/ ab4c32/pdf [7] J. L. Carlin et al., 2016: "First results from the MADCASH survey: A faint dwarf galaxy companion to the low mass spiral galaxy NGC 2403 at 3.2 Mpc", Astrophys. J. Letters, 828, L5 (6pp), https://iopscience.iop.org/ article/10.3847/2041-8205/828/1/ L5/pdf [8] P. Battistini et al., 1984: "Globular cluster candidates in the spiral galaxy NGC 2403", Astron. Astrophys. 130, p. 162-166; https://
articles.adsabs.harvard.edu/ pdf/1984A%26A...130..162B [9] Sloan Digital Sky Survey (SDSS): http://skyserver.sdss.org/dr16/en/ tools/chart/navi.aspx [10] L. Drissen et al., 1999: "The ionizing star clusters of giant HII-regions in NGC 2403", Astron. J. 117, p. 12491274, https://iopscience.iop.org/ article/10.1086/300766/pdf
Tabelle 1
Technische Daten der Projektinstrumente und Aufnahmen
Teleskop-Typ
Öffnung / mm Brennweite / mm f/D Kamera Pixelgröße / µm Filter Band verwendet Col / SW Belichtungsdauer / h Nächte Zeitraum entspr. Belichtung b. Blende 4 / h Beobachter Anteil an Belichtungszeit Anteil an Summenbild
Apo-Refraktor SCT
SCT
RASA
150
280
280
280
1.100
2.800
2.800
616
7,3
10,0
10,0
2,2
700Da
6Dir
6Dir
ASI 2600MM pro
4,3
6,5
6,5
3,8
-
IDAS
H-alpha 12nm -
Color
Color
H-alpha
L
Color
Color
SW
SW
33,9
19,0
1,5
5,0
13
6
1
2
2018-2021 2019-2021 2020
2021
10,1
3,0
0,2
16,5
WEC
WEC
WEC
MH
25%
8%
41%
20%
20%
30%
Apo-Refraktor
130 860 6,6 6Da 6,5 Color Color 20,3 5 2019 7,4 GH 18% 20%
RC
150 905 6,0 D5100a 4,8 Color SW 7,0 2 2020 3,1 HGW 8% 10%
Summe
86,7 22 40,3 100% 100%
Journal für Astronomie Nr. 82 | 65
Alle nach Halle
- Tagung der Sternfreunde 2022
von Michael Schomann
Bislang fand die Tagung der Vereinigung der Sternfreunde nur alle zwei Jahre in Verbindung mit der Mitgliederversammlung statt. Das soll sich jetzt ändern! Die VdSFachgruppe Astronomische Vereinigungen lädt alle interessierten Sternfreunde auch in den geraden Jahren zu einer VdS-Tagung ein und startet damit vom 28. bis 30. Oktober 2022 in Halle an der Saale. Das wird ein spannendes Wochenende, welches astronomische Geschichte mit unserer modernen Zeit verbindet. Nur in Halle können wir die Himmelsscheibe von Nebra vor Ort betrachten und gleichzeitig rund 50 Kilometer entfernt den Fundort und das noch viel ältere Sonnenobservatorium von Goseck als Nachbau erleben!
Zum vorläufigen Programm Am Freitag, dem 28. Oktober 2022 ab 13 Uhr wird es eine Regionalleiterversammlung der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen geben. Dazu kommt eine separate Einladung. Falls andere Fachgruppen sich treffen möchten, bitte beim Organisationsteam melden. Wir finden sicherlich passende Räumlichkeiten vor Ort. Ab 19 Uhr folgt ein gemeinsames Abendessen, auch für die schon frühzeitig angereisten Tagungsteilnehmer.
Der Samstag wird der zentrale Veranstaltungstag sein. Ab 9 Uhr ist Einlass am Konferenzort in Halle. Die ehrwürdige Aula im Löwengebäude der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg heißt uns willkommen. Es wird auch Raum für die Ausstellung der VdS-Fachgruppen geben. Tagesgäste sind willkommen, sofern es die Corona-Regeln gestatten. Tagung von 10 bis 17 Uhr zum Thema ,,Über den Horizont blicken - Amateurastronomie im Wandel". Das Programm und die Rednerinnen und Redner werden rechtzeitig bekannt gegeben. Danach folgt von 17:30 bis 19:00 Uhr ein Vortrag von Prof. Dr. Harald Meller zur Himmelsscheibe. Ab 19:30 Uhr gemeinsamer Tagesausklang im Restaurant.
Am Sonntag können wir eine Stunde länger ausschlafen, denn die Zeit wird wieder umgestellt. Von 9 bis 11 Uhr besichtigen wir die Himmelsscheibe in der Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte. Die Führungen sind angemeldet. Danach Fahrt zum Sonnenobservatorium in Goseck, bei dem es ebenfalls Führungen in mehreren Gruppen geben wird. Wer möchte, kann dann noch zur Fundstätte der Himmelsscheibe auf den Mittelberg bei Nebra fahren. In der Abenddämmerung haben wir einen zunehmenden Mond.
Das Organisationsteam sind Michael Schomann, Benjamin Mirwald, Astrid Gallus und Harald Steinmüller. Bitte anmelden unter folgender E-Mail: halle@sternfreunde.de. Ausführliche Informationen für gemeldete Teilnehmer folgen.
Weitere Informationen gibt es auf der Webseite https://sternfreunde.de/alle-nachhalle-2022/, die ständig aktualisiert wird. Die Organisation des Treffens wird auch über unsere neue Plattform EasyVerein für Vereinsmitglieder der VdS realisiert. Die Kosten für die Anreise, Unterkunft und Verpflegung müssen selbst getragen werden. Das gilt auch für die Tagungsgebühr, Eintrittsgelder und Führungen. Dazu mehr auf der Webseite.
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Journal für Astronomie Nr. 82 | 67
Astronomische Vereinigungen
JUGENDARBEIT
Jugendarbeit in schwierigen Zeiten
von Rudolf Michalik
Die Jugendarbeit bei den Sternfreunden Braunschweig besteht aus vier Bereichen: astroKids, Astro-AG, FiBS und KiWi.
Neben den astroKids entstand anlässlich einer Veranstaltung im Rahmen des Astronomietages unsere ,,Krabbelgruppe" astroMinis. In Nachbarschaft zur Sternwarte gibt es nämlich die Grundschule Hondelage, die mit unserer personellen Unterstützung einmal pro Woche eine AstronomieArbeitsgemeinschaft für die Viertklässler anbietet. Mit dem Stadtjugendamt führten wir in den Ferien im Rahmen der Ferienpass-Aktionen einen Ereignis-/Basteltag in der Sternwarte durch (FiBS, Ferien in Braunschweig). Einmal im Jahr organisiert das Haus der Wissenschaft die Forscherwoche KiWi (Kinder und Wissenschaft), und wir sind auch dort dabei.
Vor ungefähr 28 Jahren hat sich die Jugendarbeit bei den Sternfreunden Braunschweig aus den wöchentlichen Sternfreundetreffen heraus gebildet und die astroKids treffen sich jeden Dienstag von 18 bis 19 Uhr. Seit Fertigstellung der Sternwarte stehen uns der Seminarraum sowie das große Teleskop in der Kuppel zur Verfügung.
Eine umfangreiche didaktische Struktur wurde erarbeitet und wird mit kleinen Änderungen bis heute umgesetzt. Die Themen: ,,Aus den Tiefen des Alls" - ,,Ziel ERDE" - ,,In die Tiefen des Alls und Tschüss!". Das Jahr wurde in Trimester mit entsprechender Planung eingeteilt, in der auch stets besondere astronomische Ereignisse berücksichtigt werden. Doch alle Planung wird zur Seite gelegt, wenn es einen klaren Himmel gibt: Beobachtung vor Theorie!
Über viele Jahre hinweg pendelte sich die Zahl der teilnehmenden astroKids bei 10+x ein. Das war immer eine motivierte Gruppe, nicht nur in Theorie, sondern auch beim Experimentieren in der ,,astroWerkstatt". Fast zu jeder ,,Unterrichtsstunde" gab und gibt es ein Arbeits- oder Info-Blatt zu allen astronomischen Themen aus unserem Programm. Am Ende dieses Exkurses besitzt jedes astroKid eine Art Astronomiebuch in Form einer geordneten LoseblattSammlung.
Schwierige Zeiten begannen schon vor Corona. Fast alle Schulen boten Nachmittagsbetreuung bzw. Nachmittagsunterricht an. Das bedeutete für die Jugendarbeit in allen
Vereinen große Probleme für Trainingszeiten etc. Die Schülerinnen und Schüler mussten ihre Nachmittags- und Abendaktivitäten deutlich einschränken. Unsere Teilnehmerzahlen sanken weit unter 10.
Und dann kam der erste Corona-Lockdown mit Homeschooling. Nach einer Schockstarre versuchte ich meinen astroKids mit Mails Arbeitsblätter zukommen zu lassen, aber der Rücklauf wollte so gar nicht klappen. Dann etablierten sich im Verein in allen Teilbereichen Videokonferenzen mit ,,Big Blue Button".
Das habe ich nach einigen Wochen auch für die astroKids eingeführt: Wieder dienstags von 18 bis 19 Uhr. Technisch klappte es ganz wunderbar, aber einige ältere astroKids winkten ab, weil sie schon den ganzen Tag im Homeschooling vor dem Bildschirm säßen.
Trotzdem habe ich weitergemacht, denn die Jüngeren fanden das sehr gut und wir wurden belohnt: Seit April 2020 steigt die Teilnehmerzahl monatlich an. Jetzt arbeiten wieder 10+x astroKids Woche für Woche mit!!!
1 Teleskoptreffen der astroKids in der Beobachtungsstation Wendhausen bei Braunschweig. Viel Platz an frischer Luft
machten dieses Treffen möglich. (Bild: Rudolf Michalik)
68 | Journal für Astronomie Nr. 82
Astronomische Vereinigungen
Die 50 Minuten der Video-Konferenz sind in kleinere Einheiten zerlegt: ,,Sternbild der Woche", ,,Themen aus den Tiefen des Alls", ,,Beobachtungshinweise", ein bisschen ,,Klönschnack" und Lösungen unserer ,,astroKids-Rätsel". Alle ein bis zwei Wochen schicke ich den astroKids ein astronomisches Rätsel, für dessen Lösungen es Punkte gibt. Die Punktbesten eines halben Jahres erhalten attraktive Preise: eine begleitete Beobachtungsnacht am großen Teleskop unserer Hans-Zimmermann-Sternwarte, Sternfreunde-Kalender mit den besten vereinsinternen Astrofotos und Astronomiebücher.
Das ist zwar nicht gleichwertig zu unseren regelmäßigen Treffen in der Sternwarte, das lassen die Hygienevorschriften zu CoronaZeiten einfach nicht zu. Wir machen aber das Beste daraus! Natürlich gibt es noch einige Hardwareprobleme, noch klappt es nicht bei allen. Nicht alle haben Kameras und Mikrofone eingebaut, und auch Drucker gibt es selten zu Hause. Dazu werden wir hoffentlich kurzfristig Lösungen finden.
2 Die Hans-Zimmermann-Sternwarte der Sternfreunde Braunschweig-Hondelage ist leider
in Corona-Zeiten verwaist. Nur unser ,,Fernrohrmann" hält die Stellung. (Bild: Rudolf Michalik)
und Abstände, nur das lokale Wetter spielte nicht mit. Aus den Schunter-Auen zog Nebel über die Beobachtungsstation und beendete das Treffen. Es war trotz alledem ein, wenn auch kleiner, Erfolg. Ich habe einen Teil der neuen astroKids kennengelernt und mit den Eltern gesprochen. Das war für beide Seiten gut. Wir wollen es wiederholen. Wann?
schränkungen gibt, wie kann es dann weitergehen? Die astroKids werden sich hoffentlich wieder zur gewohnten Zeit in der Hans-Zimmermann-Sternwarte treffen. Auf jeden Fall werde ich weiterhin einmal im Monat eine Videokonferenz anbieten, zum Beispiel für diejenigen, die dienstags nicht mitmachen können, und freue mich auf unsere ,,astroWerkstatt".
,,Schaun wir mal!" Wenn es eine Zeit nach Corona ohne Ein-
Grundschul-AG, FiBS und KiWi? - Das steht noch in den Sternen.
Neulich hatte ich wieder eine Arbeitsgruppe mit vielen neugierigen astroKids (von Klasse 2 bis 8), aber ich kannte sie noch nicht so recht. Es fehlte der persönliche Kontakt. Was tun? Ein astroKids-Fernrohrtreffen muss her! Aber wie und vor allem wo? In den Räumlichkeiten der Sternwarte ist es unter Corona-Regeln nicht möglich. Gut, dass wir noch unsere Beobachtungsstation außerhalb der Stadt haben. Teilnehmen durften die astroKids mit je einem Begleiter und ihrem Teleskop. Einige Sternfreunde kamen in den späten Nachmittagsstunden zur Unterstützung, Beratung und Justierung der Teleskope dazu. Die Wettervorhersage versprach Blicke auf den Halbmond und die Planetenparade des vergangenen Herbstes. Ersteres klappte gut, alle hielten sich an die Corona-Regeln
INSERENTEN
144 APM Telescopes, Sulzbach/Saar 87 astronomie - DAS MAGAZIN 67 astronomie.de, Mammendorf 33 Astroshop.de nimax GmbH, Landsberg U4 Baader Planetarium, Mammendorf
113 euro EMC 45 Gerd Neumann jr. Entwicklung und Herstellung feinmechanischer & optischer Instrumente
17 Kosmos Verlag, Stuttgart U3 Optical Vision Limited, UK 19 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg
Spektrum der Wissenschaft
41 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Sterne und Weltraum
U2 Vesting e. K. Fachhandel für Astronomie, Seevetal
Journal für Astronomie Nr. 82 | 69
Astrophysik & Algorithmen
Die Rotation des Merkur
von Helmut Jahns
Die Rotationsperiode des innersten Planeten Merkur war den Astronomen lange Zeit ein Rätsel. Der Grund hierfür ist unter anderem in der großen Sonnennähe zu suchen: Sie bedingt, dass Merkur entweder nur in der Abend- bzw. Morgendämmerung bei schlechter Luftruhe oder am Tage beobachtet werden kann. Dies hat die historische Merkurbeobachtung immens erschwert. Insbesondere die Beobachtung von Oberflächendetails, die man zur Bestimmung der Rotationsperiode brauchte, gestaltete sich lange Zeit schwierig, zumal die Strukturen nur zart angedeutet sind. Die besten Beobachtungen wurden am Taghimmel vorgenommen, wenn der Planet größere Höhen am Himmel erreicht und zudem ein Zeitfenster mit besonders ruhiger Luft abgepasst werden konnte. Man nahm an, dass Merkur mit der gleichen Periode rotiere wie er für seinen Sonnenumlauf benötigt, d. h. ähnlich wie der Mond zur Erde weise er immer die gleiche Seite zur Sonne.
Inzwischen sind derlei Hindernisse längst überwunden: Im Jahre 1965 wurde durch Radarmessungen am Arecibo-Radioteleskop der moderne Wert für die Drehung um die eigene Achse von rund 58,65 Tagen ermittelt. Dieser Wert überraschte die Astronomen: Anstelle der gebundenen Rotation wie beim Erdmond fand man eine Rotationsperiode vor, die genau 2/3 der Dauer eines Sonnenumlaufs (87,97 Tage) beträgt. Die Eigendrehung des Merkur befindet sich offenbar in einer 2:3-Spin-Bahn-Resonanz. Daraus ergab sich die Frage: Wie kommt das exakte Zahlenverhältnis zwischen Rotationsperiode und Sonnenumlaufdauer zustande? Ist dies nur Zufall oder liegt dem ein Prinzip zugrunde? Diese Fragen zu beantworten, soll in diesem Artikel versucht werden. Wir wollen uns dem nähern, indem wir zunächst die ,,einfache" gebundene Rotation wie beim Monde beleuchten, bevor wir uns auf das schwierigere Terrain
1 Für punktförmige Massen, die einen anderen Körper auf einer idealisierten Kreisbahn
umlaufen, gilt die Gleichheit von Flieh- und Schwerkraft. Sobald die Massen nicht mehr punktförmig sind, ändert sich dies: Auf der dem Hauptkörper zugewandten Seite erfährt der Körper eine etwas größere Schwerkraft und eine kleinere Fliehkraft (rote Pfeile), während die Verhältnisse auf der dem Hauptkörper abgewandten Seite entsprechend umgekehrt sind. Im Ergebnis wird der Körper entlang der Verbindungslinie leicht gestreckt.
2 Angriffspunkte der Gezeitenreibung. Der Begleiter ro-
tiert, während die Schwerkraft des Hauptkörpers versucht, den durch die Gezeitenkraft länglich verformten Begleiter wieder in Richtung Hauptkörper zu orientieren. Am Scheitelpunkt des dem Hauptkörper zugewandten ,,Wulstes" überwiegt wieder die Schwerkraft gegenüber der Fliehkraft, d. h. dort greift eine Kraft (roter Pfeil) an, die auf den Hauptkörper, jedoch nicht exakt parallel zur Verbindungslinie beider Körper gerichtet ist. Daraus resultiert eine Kraft, die entgegengesetzt zur Rotation wirkt und sie abbremst. Auf der dem Hauptkörper abgewandten Seite des Begleiters liegen die Verhältnisse analog; die überwiegende Fliehkraft ist vom Hauptkörper weggerichtet, jedoch ebenfalls nicht parallel zur Verbindungslinie. Auch hier wird eine Abbremsung der Eigendrehung erwirkt. Die zusätzliche Betrachtung der abgewandten Seite wird für das Verständnis der 2:3-Resonanz des Merkur noch eine entscheidende Rolle spielen.
der 2:3-Resonanz wagen. Leser, die mit der ,,einfachen" Rotationssynchronisierung bereits vertraut sind, können das kommende Kapitel bedenkenlos überspringen.
Gebundene Rotation Von einer gebundenen Rotation spricht man, wenn wenigstens ein Körper eines Systems Planet-Mond (oder zweier anderer Himmelskörper, die einander umkreisen) permanent dieselbe Seite zum jeweils anderen Himmelskörper zeigt. Von unserem Mond beispielsweise ist bekanntermaßen stets die gleiche Hälfte zu sehen; der Mond
besitzt eine gebundene Rotation. Dies heißt allerdings nicht, dass der Mond nicht rotiert; er rotiert durchaus, nur eben mit der exakt gleichen Periode wie beim Erdumlauf.
Ursache der gebundenen Rotation ist die Gezeitenkraft. Betrachten wir hierzu zwei Himmelskörper; einen Hauptkörper und seinen Begleiter, die einander um ihren gemeinsamen Schwerpunkt umkreisen. Wir fokussieren darauf, dass beide Himmelskörper keineswegs punktförmig sind, sondern eine endliche Ausdehnung besitzen.
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Astrophysik & Algorithmen
3 Exzentrizität einer Ellipse. Die Exzentrizität e ist das Maß für die
Bahnform eines Himmelskörpers. Im Falle einer Ellipse beschreibt die
Exzentrizität das Verhältnis zwischen der Kleinen Halbachse b der El-
lipse zu ihrer Großen Halbachse a und nimmt Werte zwischen 0 und 1
an. Es gilt:
. Eine Exzentrizität von 0 bedeutet, dass
a und b gleich groß sind, d. h. die Bahnform entspricht einem Kreis.
Man beachte für die Bestimmung des Brennpunkts F, dass die Länge
der grünen Gerade derjenigen der Großen Halbachse a entspricht.
Dies hat zur Folge, dass der dem Hauptkörper zugewandte Teil des Begleiters eine kleinere Distanz zum Hauptkörper besitzt als dessen Mittelpunkt und deshalb eine geringfügig größere Schwerkraft erfährt (Abb. 1). Der gegenüberliegende, dem Hauptkörper abgewandte Teil hingegen ist etwas weiter vom Hauptkörper entfernt und erfährt folglich eine geringfügig geringere Schwerkraft des Hauptkörpers. Als Resultat wird der Himmelskörper entlang der Verbindungslinie beider Körper in die Länge gezogen. Da die Gezeitenkräfte wechselseitig wirken, gelten diese Überlegungen völlig analog auch für den Hauptkörper.
Jetzt kommt die Eigenrotation des Himmelskörpers ins Spiel: Der länglich verformte Himmelskörper wird aus der Verbindungslinie herausgedreht. Die Schwerkraft des Begleiters greift an dem ihm nächstgelegenen Punkt an und wirkt somit entgegengesetzt zum Drehsinn, d. h. sie bremst den Himmelskörper ab (Abb. 2). Auf dem abgelegensten Punkt hingegen ist die Fliehkraft am größten, aber auch sie bewirkt eine Abbremsung der Rotation.
Das Abbremsen der Rotation setzt sich jedoch nicht bis zum völligen Stillstand fort, sondern ,,nur" so lange, bis sich die Rotationsperiode der Umlaufzeit angepasst hat. Dies ist beim Mond der Fall, der aufgrund der Gleichheit von Umlaufzeit und Rotationsperiode der Erde stets die gleiche Seite zuweist - die gebundene Rotation.
Der Übergang zum gebundenen Zustand bildet eine Phase chaotischer Rotation, bei der die Zeitdauer des Drehens um die eige-
ne Achse regellos ist - der Himmelskörper führt quasi eine unbestimmte, taumelnde Bewegung aus. Eine solche chaotische Rotation kann im Sonnensystem tatsächlich beobachtet werden, und zwar beim Saturnmond Hyperion [1]. Auch hier wird davon ausgegangen, dass dieses Verhalten als Vorstufe einer gebundenen Rotation zu sehen ist.
Auch die Erde erfährt eine Gezeitenreibung durch den Mond, jedoch ist ihre Wirkung noch nicht so weit fortgeschritten; ihre Rotationsdauer wurde auf den heutigen Wert von 23 Stunden 56 Minuten (siderische Tageslänge) angehoben. Wie groß der ursprüngliche Wert war, ist nicht genau bekannt; es wird vermutet, dass er etwa sieben Stunden betragen haben könnte [2].
Es passiert aber noch etwas mehr. Für das System Hauptkörper-Begleiter gelten die Erhaltungssätze, speziell die Drehimpulserhaltung. Der Gesamtdrehimpuls, unsere Erhaltungsgröße, setzt sich aus vier Komponenten zusammen: die Eigenrotation beider Körper sowie die Umläufe beider Körper um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Wird die Eigenrotation eines Körpers abgebremst, muss der verlorengegangene Drehimpuls folglich von den anderen Beiträgen aufgenommen werden. Im Fallbeispiel des Systems Erde-Mond bedeutet dies, dass der Drehimpulsbeitrag des Mondumlaufs anwächst - dies geht aber nur, wenn sich der Abstand des Mondes zur Erde vergrößert.
Was passiert hingegen bei Begleitern, deren Rotationswinkelgeschwindigkeit kleiner
als die Umlaufwinkelgeschwindigkeit ist, deren Tageslänge also größer als die Jahreslänge ist? In diesem Fall wirkt die Gezeitenkraft in Richtung der Rotation und demnach beschleunigend. Die Drehimpulserhaltung verlangt in solchen Fällen, dass sich der Abstand verringert. Im Extremfall kann der Begleiter auf den Hauptkörper abstürzen bzw. beim Unterschreiten eines Mindestabstands - der sogenannten Roche-Grenze - von der Gezeitenkraft auseinandergerissen werden.
Spezialfall: Merkur Eine gebundene Rotation lässt sich noch plastisch beschreiben. Wie es zu einer 2:3-Resonanz kommen kann, ist dagegen nicht mehr so leicht greifbar. Wir wollen in diesem Artikel dennoch den Versuch unternehmen, den ,,Einfang" in diesen Zustand zu veranschaulichen.
Bei Merkur liegen die Dinge im Vergleich zum Erdmond etwas anders. Zum einen hat Merkur keinen eigenen Mond; stattdessen wird die Gezeitenreibung durch die Sonne getrieben. Auch der Merkur hatte in der Anfangsphase eine schnellere Rotation als heute, jedoch wurde seine Eigendrehung durch die 2:3-Resonanz vor Erreichen des gebundenen Endzustands ,,abgefangen". Der Schlüssel zum Verständnis, warum gerade Merkur eine derart seltsame Rotationsbindung fand, liegt in seiner großen Sonnennähe sowie in seiner hohen Bahnexzentrizität (Abb. 3).
Was stabilisiert nun diese 2:3-Resonanz? Als Ursache gilt ein permanent vorhandenes Multipolmoment im Schwerefeld des
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Astrophysik & Algorithmen
4 Drehung um den gemeinsamen Schwerpunkt. Zwei gravitativ an-
einander gebundene Himmelskörper umkreisen ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Dieser kann sich für zwei Körper mit sehr ungleichen Massen wie hier im Beispiel auch innerhalb des Hauptkörpers befinden.
5 Orientierung des Merkur während seines Umlaufs. Auf einer
Seite des Planeten befindet sich eine Massenverdichtung (dunkel). Man erkennt, dass während der Perihelpassage die Massenverdichtung im Wesentlichen auf die Sonne ausgerichtet bleibt, während im sonnenfernen Abschnitt die Rotation die Massenverdichtung von der Sonne wegdreht. Das Ausmaß der Weiterdrehung - eine Folge des Zahlenwerts der Exzentrizität - bewirkt exakt, dass die Massenverdichtung bei der folgenden Perihelpassage sich auf der sonnenabgewandten Seite befindet und in der dortigen Lage nunmehr von der Fliehkraft stabilisiert wird. Nach einem weiteren Umlauf ist die Ausgangslage wiederhergestellt.
Planeten, welches durch eine Massenverdichtung in seiner Kruste hervorgerufen wird. Die Gezeitenkraft wirkt dahingehend, dass diese Massenanomalie auf die Verbindungslinie zur Sonne ausgerichtet wird. Jetzt kommt die Exzentrizität der Merkurbahn ins Spiel. Sie lässt den Planeten mal langsamer (im sonnenfernsten Punkt, dem Aphel) und mal schneller (im sonnennächsten Punkt, dem Perihel) laufen.
Wie der Mechanismus der 2:3-Resonanz wirkt, lässt sich der Abbildung 5 entnehmen. Im Perihel ist die Winkelgeschwindigkeit der Rotation vergleichbar zu der Winkelgeschwindigkeit des Bahnumlaufs und lässt für den Zeitraum dieselbe Seite des Planeten auf die Sonne gerichtet. Zugleich ist im Perihel die Gezeitenkraft fünfmal so stark wie im Aphel, was das Aphel vernachlässigbar macht. Von Umlauf zu Umlauf wechselt die Massenverdichtung von der sonnenzugewandten Richtung zur sonnenabgewandten und wieder zurück. Egal, ob sich die Massenanomalie der Sonne direkt zugewandt oder abgewandt befindet - die Gravitationskraft richtet sie wie
oben beschrieben auf die Verbindungslinie zur Sonne aus. Auf diesem Weg pendelt sich die Rotationsperiode auf die 2:3-Resonanz ein.
Man kann davon ausgehen, dass der exakte Wert der Exzentrizität e in einem Korridor zu liegen kommt, der für den Einfang in die 2:3-Resonanz günstig ist. Rein rechnerisch gesehen können andere Werte für e auch andere Resonanzen wie 3:4 oder 3:2 erzeugen. Es kann davon ausgegangen werden, dass es Exoplaneten mit solchen Konstellationen gibt.
Die 2:3-Resonanz zeigt für den Sonnenlauf am Merkurhimmel einige Effekte, die für die Erde unbekannt sind. Im Perihel ist die Winkelgeschwindigkeit des Bahnumlaufs geringfügig größer als die der Rotation. Ein hypothetischer Beobachter, der sich zum Perihelzeitpunkt in der Nähe des Terminators (Tag-Nacht-Grenze) befindet, wird bemerken, wie sich die Sonne über den Horizont erhebt, anschließend wieder untergeht, um dann erneut aufzugehen und den gewohnten Lauf einzunehmen.
Literatur- und Internethinweise (Stand 17.02.2022): [1] Saturnmond Hyperion: https://wiki.
edu.vn/wiki15/2020/11/22/ hyperion-mond-wikipedia/ [2] Verlangsamung der Erdrotation: https://de.wikipedia.org/wiki/ Erdrotation#Langfristige_%C3% 84nderungen [3] S. Dutch, Natural and Applied Sciences: ,,Rings and Resonances", https://web.archive.org/ web/20151019101005/http://www. uwgb.edu/dutchs/planets/resonanc. htm [4] Gezeitenkraft: https://de.wikipedia. org/wiki/Gezeitenkraft [5] Merkur, Spin-Orbit-Resonanz: https:// en.wikipedia.org/wiki/Mercury_ (planet)#Spin-orbit_resonance [6] C. D. Murray, S. F. Dermott, 2000: ,,Solar System Dynamics", Cambridge Univ. Press, ISBN 9781139174817, https://www.cambridge.org/ core/books/solar-system-dynamics/108745217E4A18190CBA340E D5E477A2
72 | Journal für Astronomie Nr. 82
Astrophysik & Algorithmen
Die Librationspunkte L4 und L5 sind Stabilitätszentren!
von Uwe Pilz
Im vorigen Aufsatz [1] habe ich die drei Gleichgewichtspunkte L1 bis L3 besprochen, welche sich auf der Linie Sonne - Planet befinden. Zwei weitere solche Punkte befinden sich abseits dieser Linie: Sie bilden mit Sonne und Planet nahezu ein gleichseitiges Dreieck (Abb. 1). Damit ist die Lage dieser Punkte nur gering von den Massenverhältnissen abhängig. Ein wenig doch - für das System Sonne - Jupiter liegt der Lagrangepunkt etwa ein Promille weiter außerhalb des so berechneten Punktes. Der auf unseren Internetseiten [2] unter Programmarchiv abgelegte Pythoncode berücksichtigt das in den Stammdaten. Das Programm ist eine leicht modifizierte Version der Berechnung des Mehrkörpersystems, welches ich in dieser Rubrik bereits vorgestellt habe [3]. Im Beispielsystem Sonne - Jupiter sind die Librationspunkte L4 und L5 tatsächlich von Kleinkörpern besetzt, den so genannten Trojanern.
Im Programm habe ich die Massen, Orte und Geschwindigkeiten von Sonne und Jupiter eingegeben, die sich zur Vereinfachung auf einer Kreisbahn bewegen. Weiterhin besetze ich alle fünf Librationspunkte mit masselosen Körpern. Damit man die Verhältnisse in der Grafik leichter überblickt, habe ich ein mit Sonne und Jupiter rotierendes Koordinatensystem benutzt. Der Ausschnitt des Programms, welcher die Transformation in das mitrotierende Koordinatensystem übernimmt, ist hier im Aufsatz enthalten. In diesem Koordinatensystem bleiben Sonne und Jupiter scheinbar auf der Stelle stehen und wir betrachten die Relativbewegung eines Kleinkörpers im Verhältnis zu diesen massigen Körpern.
Man kann numerisch belegen, dass Körper in den Lagrangepunkten tatsächlich an der Stelle bleiben. Dazu muss die Schaltvariable ,,ungenau" auf ,,false" gesetzt werden. Das Ergebnis ist unspektakulär: Die Grafik zeigt
1 Der Lagrange-
punkt L4 bildet mit Sonne und Jupiter ein gleichseitiges Dreieck.
Ausschnitt aus dem Programm ,,LagrangeStabil.py"
t = 0 init = true while (t < T): # den gesamten Zeitbereich rechnen
t = t + rkf5(T / P, init) # einen Simulationsschritt init = false # intern Fehlergrenze nur 1x setzen xJ = r0[1][0] yJ = r0[1][1] for i in range(2,7): # Sonne, Jupiter, und L1-L5
x = r0[i][0] y = r0[i][1] # in mitrotierende Koordinaten umrechnen Skalarprodukt) rP = sqrt(x * x + y * y) xP = xJ * x + yJ * y xP = xP / rJ / rJ yP = -yJ * x + xJ * y yP = yP / rJ / rJ if i==2: # L1
Plot(xP,yP,3,"blue") if i==3: # L2
Plot(xP,yP,3,"red") if i==4: # L3
Plot(xP,yP,3,"magenta") if i>4:
Plot(xP,yP,3,"green") update() # Zwischenergebnis anzeigen update()
Journal für Astronomie Nr. 82 | 73
Astrophysik & Algorithmen
81 (2/2022), S. 54-55 [2] VdS-Fachgruppe Astrophysik und
Algorithmen: http://fg-astrophysik. vdsastro.de [3] U. Pilz: ,,Das Mehrkörperproblem in der Astronomie", VdS-Journal für Astronomie 73, S. 91
2 Analyse der Stabilität von Körpern in den Librationspunkten: Gelb - Sonne, orange - Jupiter,
blau - Librationspunkt L1, rot - L2, magenta - L3, grün - L4+L5. Die Simulationsdauer betrug für L1 fünf und für L2 zwei Jupiterumläufe. L3 bis L5 wurden sehr lange simuliert (120 Umläufe).
ein konstantes Bild, im mitrotierenden Koordinatensystem bleibt alles auf der Stelle. Viel interessanter ist es zu untersuchen, ob die Librationspunkte stabil sind. Was passiert bei kleinen Abweichungen in Ort und Geschwindigkeit? Die Abbildung 2 liefert das Ergebnis dieser Untersuchung. Es zeigt sich: Stabil sind nur Bahnen in der Nähe der Librationspunkte L4 und L5. Bei kleinen Abweichungen beschreiben die Körper ellipsenähnliche Bahnen um diese Punkte, die ähnlich wie ein Gravitationszentrum wirken.
Der Librationspunkt L1 ist instabil, ein Körper verlässt diesen Punkt und begibt sich auf eine Bahn um die Sonne. Zur Klarstellung: Er rotiert ohnehin um die Sonne, aber im mitrotierenden Koordinatensystem ergibt sich eine zusätzliche Drehung, die Position bezüglich Jupiter ändert sich. Dabei ,,erinnert" sich der Kleinkörper jeweils nach einem Umlauf des Jupiters daran, dass er seinerzeit in einem Fixpunkt war und verlangsamt seine Relativbewegung. Dies sind die abgerundeten Spitzen der
Bahnkurve. Besser als in der Grafik sieht man das in der Simulation, wenn man die Körper in Bewegung erleben kann.
L2 ist auch instabil. Der Körper fällt in Richtung Jupiter und umkreist den Planeten auf einer engen Bahn. L3 ist am stabilsten. Es dauert sehr lange, bis sich ein Körper merklich entfernt. Schließlich durchläuft er eine hufeisenförmige Bahn.
Insgesamt bedeutet dies, dass man Raumkörper nicht ohne Weiteres in den Librationspunkten L1 bis L3 des Systems Erde Mond parken kann. Hier genügt bereits der Einfluss der Sonnengravitation, um diese Raumkörper von diesen Punkten abzulenken. Regelmäßige Kurskorrekturen sind also unvermeidbar.
Literatur- und Internethinweise (Stand 17.02.2022): [1] U. Pilz, 2022: ,,Lösungen des Dreikör-
perproblems: Die Lagrange-Punkte L1 bis L3", VdS-Journal für Astronomie
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Dark Sky
Handlungsmöglichkeiten gegen Lichtverschmutzung im ,,Lichte" der geltenden Rechtslage
von Sabine Frank
Im vorletzten Heft des Journals wurden in zwei Artikeln [1, 2] ausführlich die Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) beschrieben, die die Eindämmung der nun erstmals im Gesetz genannten Lichtverschmutzung forcieren sollen. Insbesondere der neu eingefügte $ 41 a BNatSchG wird nach Eintritt der Rechtskraft durch die noch zu erlassende Rechtsverordnung für die gesamte Landesfläche gelten.
Es ist jedoch zu befürchten, dass bis zur Rechtskraft des $ 41 a BNatSchG zu viel Zeit ungenutzt verstreicht und dadurch mit einer weiteren Zunahme der Lichtverschmutzung zu rechnen ist. Dies wäre auch vor dem Hintergrund der langen Standzeiten von neuen Beleuchtungsanlagen bedauerlich, denn die fachlichen und technischen Empfehlungen sind einschlägig und die bereits geltende Rechtslage ermöglicht einen umfassenden Nachtschutz im Bereich der Planungs-, Gestaltungs- und Genehmigungspraxis. Hier und da werden
bereits neue Bebauungspläne mit Vorgaben zur Außenbeleuchtung ausgestattet - oft sind die Formulierungen aber nicht zielführend oder korrekt.
In Zusammenarbeit mit dem Informationsdienst Umweltweltrecht e.V. (IDUR) wurde daher nun die bestehende Rechtslage und darauf ruhende Handlungsmöglichkeiten beschrieben und um konkrete, rechtssichere und praxistaugliche Formulierungsempfehlungen ergänzt. Entstanden sind ein Schnellbrief, der die wesentlichen Punkte umfasst [3] sowie eine erweiterte Version als Sonderdruck [4].
Damit die Inhalte Anwendung finden, können auch Sternfreunde, die helfen wollen, die Lichtverschmutzung zu reduzieren, an Kommunen, Planer und eingetragene Naturschutzverbände wie NABU oder BUND, die zur Abgabe von Stellungnahmen zu Bebauungsplänen aufgefordert werden, herantreten.
Literatur- und Internethinweise (Stand 17.02.2022): [1] A. Hänel, S. Frank, A. Blank, 2022:
,,Empfehlungen gegen Lichtverschmutzung - im Lichte der Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes", VdS-Journal für Astronomie 80 (1/2022), S. 96-97 [2] P. Köchling, 2022: ,,Was bringt das neue Naturschutzgesetz gegen Lichtverschmutzung?", VdS-Journal für Astronomie 80 (1/2022), S. 98-99 [3] Informationsdienst Umweltrecht e.V., 2021: ,,Recht der Natur - Schnellbrief 229, November/Dezember 2021", S. 61-64, https://idur.de/recht-dernatur-schnellbrief-229novemberdezember-2021/ [4] B. Huggins, S. Gärtner, S. Frank, A. Hänel, 2021: ,,Der Schutz der Nacht als Pflichtaufgabe", Erweiterter Beitrag aus dem IDUR-Schnellbrief 229, https://idur.de/wp-content/uploads/2021/12/IDUR-SonderdruckLichtverschmutzung-12.2021.pdf
1 Die Videowand an einem Möbelhaus - unmöglich (um einen alten Werbespruch der Kette zu verwenden).
Die Leuchtdichte dürfte bei ca. 5.000 cd/m2 liegen. (Bild: A. Hänel)
Journal für Astronomie Nr. 82 | 75
Dark Sky
Was lange währt ...
Aktuelle Erfolge im Kampf gegen die Lichtverschmutzung
von Andreas Hänel
Im Herbst des Jahres 2015 hatte die Fachgruppe Dark Sky eine Resolution gegen die Lichtverschmutzung veröffentlicht [1] mit den wesentlichen Punkten: Vermeidung künstlichen Lichts, wenn nicht unbedingt erforderlich, Einsatz möglichst geringer Lichtmengen, Verwendung voll abgeschirmter Leuchten, die insbesondere kein Licht nach oben abstrahlen, bedarfsorientierte Reduzierung oder Abschaltung im Laufe der Nacht, warmweiße Lichtfarben mit Farbtemperaturen nicht über 3.000 K. Diese Empfehlungen konnten in den Kommunen der Sternenparks weiter konkretisiert und auch umgesetzt werden.
lassen. Sicher ist die VdS-Resolution nicht ausschlaggebend gewesen, aber die Entwicklung der Beleuchtungsempfehlungen für die Sternenparks und auch die Sternenstadt Fulda und vor allem deren Umsetzungsmöglichkeiten dürften einen Einfluss gehabt haben. Ausschlaggebend ist dann sicher das Insektensterben gewesen, das zu einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes geführt hat [4, 5]. Es wäre nun sehr verwunderlich, wenn sich die Förderrichtlinien dann letztlich nicht auch in den noch fehlenden Rechtsverordnungen zum Gesetz widerspiegeln würden.
1 Titelseite der Broschüre ,,Nachhaltigkeit
und Ökologie in der Außenbeleuchtung" der Leuchtenindustrie (licht.de)
Im Jahre 2021 veröffentlichte dann der Interessenverband der deutschen Leuchtenindustrie ZVEI auf licht.de das licht.forum 58 mit dem Titel ,,Nachhaltigkeit und Ökologie in der Außenbeleuchtung" [2]. Da werden unsere Empfehlungen übernommen und die Fachgruppe Dark Sky wird sogar als Quelle benannt!
Nachdem ursprünglich nur die Energieeffizienz der LED-Leuchten in den Förderrichtlinien des Bundes und der Bundesländer berücksichtigt wurde, haben inzwischen einige Bundesländer auch ökologische Gesichtspunkte aufgenommen und es werden Leuchten mit geringeren Farbtemperaturen (Farbtemperatur unter 3.000 K, teils unter 2.400 K) verstärkt gefördert, beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.
Besonders weitgehend ist die neue Förderrichtlinie des Bundes von November 2021 zum Klimaschutz, in der letztlich viele Forderungen der Resolution wiederzufinden sind [3]. Dabei gewinnen Umweltaspekte eine größere Rolle als der reine Klimaschutz, wobei sich aber beide Ziele durch bedarfsorientierte Reduzierungen der künstlichen Beleuchtung besonders effektiv erreichen
2 Viel Werbe- und Parkplatzbeleuchtung wird nach Geschäftsschluss reduziert oder
abgeschaltet, hier der Parkplatz eines Discounters. Ziel muss es sein, diese Praxis beizubehalten und weiter auszudehnen! (Bild: A. Hänel)
76 | Journal für Astronomie Nr. 82
Deep Sky
Literatur- und Internethinweise (Stand 17.02.2022) [1] A. Hänel et al., 2015: ,,Für eine natür-
liche Nacht zum Schutz von Mensch und Umwelt, Resolution zur Vermeidung von Lichtverschmutzung", www. lichtverschmutzung.de/zubehoer/ download.php?file=Resolution_ gegen_Lichtverschmutzung.pdf [2] Fördergemeinschaft Gutes Licht: ,,Nachhaltigkeit und Ökologie in der Außenbeleuchtung", licht.forum 58,
www.licht.de/fileadmin/ Publikationen_Downloads/Sonstige/ 2010_LF58_Nachhaltigkeit_ Aussenbeleuchtung.pdf [3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, 2022: ,,Sanierung von Außen- und Straßenbeleuchtung", www. klimaschutz.de/de/foerderung/ foerderprogramme/kommunalrichtlinie/sanierung-von-aussen-undstrassenbeleuchtung
[4] A. Hänel, S. Frank, A. Blank, 2022: ,,Empfehlungen gegen Lichtverschmutzung - im Lichte der Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes", VdS-Journal für Astronomie 80 (1/2022), S. 96-97
[5] P. Köchling, 2022: ,,Was bringt das neue Naturschutzgesetz gegen Lichtverschmutzung?", VdS-Journal für Astronomie 80 (1/2022), S. 98-99
Zwei interessante Galaxien im Hintergrund von W Pegasi
von Klaus Wenzel
Beim Stöbern in meiner Sammlung von Deep-Sky-Zeichnungen bin ich wieder einmal auf eine interessante Himmelsregion aufmerksam geworden, die ich schon einige Zeit nicht mehr beobachtet hatte. Es handelt sich um die Region um den Veränderlichen W Pegasi (Rektasz. 23h 19m 50s, Dekl. + 26 Grad 16` 51``(2000.0)), die im Herbst hoch am Himmel steht (Abb. 1). Bei W Pegasi handelt es sich um einen Mira-Stern (langperiodisch Veränderlicher, kurz LPV) mit einer Periode von 345,5 Tagen und mit Helligkeitsvariationen im Bereich von 7,6 bis 13,0 mag. In dieser Region sind innerhalb von nur fünf Bogenminuten drei interessante Objekte zu beobachten, die ich hier vorstellen möchte.
Bereits am 29.12.1987 beobachtete ich diese Region mit meinem Newton 150 mm / 900 mm, mehr zufällig, anlässlich einer Beobachtung des etwa 7 mag hellen Kometen Bradfield 1987s, der zum Zeitpunkt der Beobachtung damals etwa 1 Grad westlich von W Pegasi postiert war. Die moderne Bezeichnung dieses langperiodischen Kometen lautet heute C/1987 P1 Bradfield. W Pegasi befand sich damals übrigens mit etwa 12 mag im Minimum.
Die Galaxien südlich von W Pegasi W Pegasi wurde bereits 1895 von dem schottischen Amateurastronomen Tho-
1 Region um W Peg mit den beiden Galaxien. Auf dieser ungefilterten Aufnahme erscheint
der Mira-Stern W Peg deutlich heller als visuell wahrnehmbar. Aufgenommen am 17.09.2018 am 8,3-Zoll-Newton-Astrograf f/3,9 in meiner Dachsternwarte.
mas D. Anderson (1853-1932) entdeckt. Der große Wurf gelang Anderson dann sechs Jahre später, als er die helle Nova Per 1901 (GK Per) entdeckte. Die beiden unmittelbar südlich postierten Galaxien UGC 12515 (ca. 14 mag) und PGC 71101 (ca. 14,5 mag) hat er bei seinen Beobachtungen wohl nicht bemerkt. Beide Galaxien
wurden vermutlich von Fritz Zwicky (18981974) und seinen Kollegen bei der Durchmusterung des POSS für ihren Catalogue of Galaxies and Clusters of Galaxies (CGCG) in den 1960er-Jahren entdeckt. Beide Galaxien sind wohl nicht miteinander assoziiert, da sie unterschiedliche Rotverschiebungen aufweisen. So liegt die Entfernung
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Deep Sky
2 Zeichnung von W Peg mit den beiden Galaxien
nach visueller Beobachtung vom 05.11.2001 am 12,5-Zoll-Newton f/4,8 bei Vergrößerung 170-fach (N oben, O links). Die Helligkeit von W Peg betrug bei dieser Beobachtung 11,5 mag.
von UGC 12515 bei etwa 250 Mio. Lichtjahren und die Entfernung von PGC 71101 bei etwa 350 Mio. Lichtjahren. PGC 71101 wurde von Zwicky außerdem als kompakte Galaxie (,,blue large oval compact") klassifiziert, und findet sich in seiner 4. Liste über kompakte and pekuliare Galaxien unter der Nummer 142, also 4ZW142 [1]. Sie ist zudem eine Emissionslinien-Galaxie, die von dem armenischen Astronomen Benjamin E. Markarian (1913-1988) als 322. Eintrag in seinen Katalog über Galaxien im UVExzess aufgenommen wurde. In diesem Katalog wurde die Galaxie Mrk 322 von Markarian folgendermaßen beschrieben: ,,Spheroidal object, somewhat extended nearly along delta" [2].
einfach zu erkennen. Südöstlich (vier Bogenminuten) von UGC 12515 ist deutlich schwächer, nur indirekt 4ZW142 (Mrk 322) als kleines kompaktes, jedoch deutlich flächiges Objekt sichtbar. Bei dieser Beobachtung wurde auch die hier abgebildete Zeichnung angefertigt (Abb. 2).
Bei weiteren Beobachtungen am 05.09.2010 und am 26.10.2011 setzte ich den größeren 16-Zoll-Newton f/4,5 mit Vergrößerungen zwischen 208- und 457-fach ein. Bei diesen Beobachtungen lag die Helligkeit von W Peg bei 10 bzw. 8,5 mag, also nahe des Maximums. Trotzdem war UGC 12515 direkt
als diffuser Nebel unmittelbar südlich des hellen Veränderlichen sichtbar. Auch Mrk 322 war in diesem Teleskop noch direkt als kompakter, kleiner diffuser Nebel sichtbar. Bei ungefilterten CCD-Aufnahmen erscheint W Peg deutlich heller als bei visuellen Beobachtungen (s. Abb. 1), da MiraSterne einen großen Teil ihrer elektromagnetischen Strahlung im Infrarotbereich aussenden. Bei Farbaufnahmen fällt dieser Stern durch eine deutliche rote Färbung auf (Abb. 3).
Literatur- und Internethinweise (Stand 18.02.2022): [1] F. Zwicky, 1971: "Catalogue of selec-
ted compact galaxies and of posteruptive galaxies", https://ned.ipac. caltech.edu/level5/Sept02/Zwicky/ frames.html [2] B. E. Markarian, V. A. Lipovetsky, 1971: "Galaxies with an ultraviolet continuum IV.", Astrofizika 7 (1971), p. 511-519
Nur 60 Bogensekunden nördlich von UGC 12515 findet sich schließlich der langperiodisch veränderliche Stern W Pegasi, der UGC 12515 während seines Maximums (ca. 7,6 mag) etwas überstrahlt, während des Minimums (ca. 13 mag) die Beobachtung jedoch kaum beeinträchtigt.
Visuelle Beobachtungen der Region Am 05.11.2001 beobachtete ich erstmals mit meinem 12,5-Zoll-Newton bei Vergrößerungen zwischen 170- und 312-fach diese Region. Hauptziele waren dieses Mal die beiden Galaxien.
Unmittelbar südlich von W Peg war direkt UGC 12515 als runder, deutlich diffuser Nebel mit hellerer Zentralregion relativ
3 Ausschnitt aus einer kurz belichteten (30 s) Aufnahme, die dem visuellen Anblick im
Okular nahekommt. Interessant ist die rötliche Erscheinung von W Peg. Der Mira-Stern erscheint auch deutlich schwächer als in Abb. 1, was am Infrarotfilter der DSLR liegt. Die Aufnahme wurde nur 2 Tage (19.09.2018) nach Abb. 1 mit dem gleichen Instrument (8,3-ZollNewton-Astrograf f/3,9) und einer DSLR Canon EOS 1300D belichtet.
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Deep Sky
Skyguide 2022 - 2 (Sommer)
von Robert Zebahl
Wir bewegen uns dieses Mal im Sternbild Pfeil (lat. Sagitta), dem drittkleinsten Sternbild am Sternenhimmel. Trotz der geringen Größe ist es ein durchaus auffälliges Sternbild. Die Helligkeiten der vier Sterne, welche das Sternbild prägen, liegen zwischen 3,5 mag und 4,4 mag. Das Sternbild ist bereits seit der Antike bekannt. Eine Geschichte erzählt von Prometheus, welcher entgegen dem Willen des Göttervaters Zeus den Menschen das Feuer überbrachte. Zur Strafe wurde Prometheus an einen Felsen gekettet. Täglich fraß ein Adler von seiner Leber, welche sich immer wieder erneuerte. Erst durch den Helden Herkules, auch Herakles genannt, wurde Prometheus von
seinen Qualen befreit, als er den Adler mit einem Pfeil tötete.
Das wohl bekannteste Objekt dürfte der Kugelsternhaufen Messier 71 sein, welcher zwischen den Sternen Delta und Gamma Sagittae liegt. Im Vergleich zu anderen Kugelsternhaufen erscheint Messier 71 wenig kondensiert und ähnelt mehr einem sternreichen offenen Sternhaufen. Unter Vorstadtbedingungen genügt ein kleines Fernglas. Der Kugelsternhaufen zeigt sich als matter Nebelfleck. Ab etwa 150 mm Teleskopöffnung werden einzelne Sterne im Sternhaufen sichtbar. Hat man bereits ein Fernglas zur Hand, lohnt ein Schwenk
zum Doppelstern Web 12. Die beiden Komponenten sind mit 8,4 mag nicht sonderlich hell, aber der Winkelabstand von derzeit 40,1 Bogensekunden garantiert eine Trennung. Messungen zufolge handelt es sich wahrscheinlich um ein physikalisches Paar. Kleiner und vor allem deutlich schwächer ist der offene Sternhaufen Harvard 20 (Collinder 408) südlich von Messier 71. Die schwachen Mitglieder des Sternhaufens sind locker verteilt. Unter dunklem Himmel kann in einem mittelgroßen Fernglas ein zarter Nebelfleck erkannt werden. Kleinere Teleskope zeigen eine leicht längliche Form mit Ost-WestAusrichtung. Insgesamt wirkt der Sternhaufen wie eine zufällige Sternverdichtung.
Übersichtskarte um das Sternbild Sagitta
Erstellt mit Cartes du Ciel
Journal für Astronomie Nr. 82 | 79
Deep Sky
1 Sh2-80 (Quelle: Pan-STARRS,
gemeinfrei)
Ein weiterer offener Sternhaufen ist Roslund 3. Viele bekannte Sternhaufen wurden durch Beobachtungen entdeckt, weil sie auch visuell auffällig genug waren. Im Zuge von fotografischen Himmelsdurchmusterungen und Messungen wurden noch weitere Sternhaufen entdeckt. So verhält es sich auch mit Roslund 3. Visuell fällt dieser nur mäßig auf. Je nach Teleskopöffnung und Vergrößerung werden ein knappes Dutzend Sterne sichtbar, welche locker verteilt sind. Interessant ist der Sternhaufen im Zusammenspiel mit seiner Umgebung, was ihm den Namen ,,Snail Cluster" (dt. Schneckenhaufen) eingebracht hat. Westlich am Sternhaufen vorbei läuft eine Sternkette von Süd nach Nord, die Schnecke. Am Nordende der Sternkette befinden sich die Fühler der Schnecke. Der Sternhaufen selbst bildet das Schneckenhaus.
Der Pfeil bietet aber auch durchaus lohnende Nebel. Neben den Planetarischen Nebeln NGC 6879 und 6886 finden wir nahe der Grenze zum Delfin IC 4997 (Henize 2-464). Alle drei Planetarischen Nebel sind sehr kompakt. Zur Identifizierung der Nebel sind Nebelfilter bzw. hohe Vergrößerungen hilfreich. IC 4997 ist ein bipolarer Nebel mit einer Winkelausdehnung von ca. zwei Bogensekunden. Auf hochauflösenden Aufnahmen ist die bipolare Struktur gut zu erkennen: Nordöstlich und südwestlich des 13,9 mag hellen Zentralsterns zeigen sich zwei Nebelblasen. Bei hinreichend
hoher Vergrößerung wirkt der Nebel wie ein verwaschener Stern. Um auch die Nebelblasen visuell zu erfassen, benötigt es allerdings sehr große Teleskope und ruhige Luft. Südwestlich von IC 4997 befindet sich ein Stern mit einer Helligkeit von 10,0 mag, welcher bei der Beobachtung hilfreich ist.
Zum Abschluss möchten wir noch auf den Nebel Sh2-80 (Merril`s Star Nebula, Abb. 2) hinweisen, der im westlichen Teil des Sternbilds liegt. Im Inneren des Nebels befindet sich der 11,5 mag helle Zentralstern, ein Wolf-Rayet-Stern. Es handelt sich dabei
um einen sehr massereichen Stern in einem späten Entwicklungsstadium, welcher seine äußere Gashülle abgestoßen hat. In einigen Fällen lässt sich der Rest der Gashülle als Nebel beobachten. Vor allem Nebelfilter sind bei der Beobachtung oft sehr hilfreich. Dunkler Himmel und Geduld sind Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Beobachtung. Eine Empfehlung bezüglich der Teleskopöffnung möchten wir nicht abgeben, da es hier sehr unterschiedliche Erfahrungen laut diverser Berichte gibt.
IMPRESSUM
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY Telefon: +496252 787154 | Fax: +496252 787220 service@sternfreunde.de | www.sternfreunde.de Redaktion: Dietmar Bannuscher, Dr. Werner E. Celnik, Otto Guthier, Sven Melchert, Peter Riepe. Redaktionelle Mitarbeit der VdS-FachgruppenRedakteure und VdS-Mitglieder Bearbeitung von Bildern und Grafiken: Dr. Werner E. Celnik und die Autoren Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin Anzeigen & Herstellung: Kullmann & Matic GbR, anzeigen@sternfreunde.de Druck: Raff & Wurzel Druck GmbG, Riederich Vertrieb: Werner Teutsch GmbH, Laudenbach Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitgliedsbeitrag von 40,- E (EU) und 45,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten. Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe Seite 142 und unter www.sternfreunde.de). Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169, 64629 Heppenheim, E-Mail: service@sternfreunde.de.
80 | Journal für Astronomie Nr. 82
Geschichte
Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie
von Wolfgang Steinicke
Nach einer coronabedingten Flaute in den letzten Heften, sind wir nun mit gleich vier Beiträgen am Start; zwei davon sind Rezensionen aktueller Bücher. Vorgestellt werden ,,Visionen neuer Wissenschaft. Zur dialogischen Dichtung von Dante Alighieri und Johannes Kepler" der Berliner Wissenschaftlerin Laetitia Rimpau, ein umfangreiches Werk über die literarisch-astronomischen Verbindungen zwischen Dante und Kepler, sowie ,,William Herschel - Discoverer of the Deep Sky" von Wolfgang Steinicke,
eine umfassende Darstellung von Herschels Beobachtungen. Die Rezensenten sind Wolfgang Steinicke und Klaus-Peter Julius. Beide sind auch mit eigenen Beiträgen vertreten. Ersterer berichtet ausführlich über Robert Henseling, den ,,Bund der Sternfreunde" und die Gründung der VdS im Jahr 1953, Letzterer über Johann Elert Bodes ,,Nebelstern-Verzeichniß" von 1776/77. Inhalt und Bedeutung dieses kaum bekannten Deep-Sky-Katalogs werden ausführlich dargestellt.
Vielleicht schaffen wir es 2022 - nach zweijähriger Abstinenz -, wieder eine Geschichtstagung stattfinden zu lassen. Ein möglicher Termin wäre vom 28. bis 30. Oktober; Tagungsort könnte Nördlingen sein. Näheres dazu finden Sie zu gegebener Zeit auf der Webseite der Fachgruppe ,,Geschichte der Astronomie" http://geschichte.fg-vds.de. Versorgen Sie mich auch weiterhin mit interessanten Artikeln.
Johann Elert Bodes ,,Nebelstern-Verzeichniß" von 1776/1777
- Inhalt und Bedeutung eines kaum bekannten Deep-Sky-Katalogs
von Karl-Peter Julius
Wer sich mit historischen Verzeichnissen von Nebeln und Sternhaufen beschäftigt, denkt in erster Linie an den Messier-Katalog, jene berühmte Liste, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von dem französischen Astronomen Charles Messier angelegt wurde [1]. Messier hatte bei der Suche nach Kometen diejenigen Objekte beschrieben und ihre Himmelskoordinaten dokumentiert, die eine kometenhafte Gestalt hatten und daher leicht mit den Schweifsternen verwechselt werden konnten. Messiers erstes Verzeichnis von 1771 erschien im Jahre 1774 und enthielt 45 Objekte. Sechs Jahre später, 1780, publizierte er eine auf 70 Objekte erweiterte zweite Fassung, im Jahr darauf eine dritte mit insgesamt 103 Nebeln [2]. Die Bedeutung der Messier-Kataloge reicht bekanntlich bis in die Gegenwart. Alle von Messier verzeichneten Deep-Sky-Objekte tragen bis heute
1 Porträt von Bode, Kupferstich von Daniel
Berger, 1788.
die mit einem ,,M" versehene Nummerierung seines Katalogs.
Weit weniger bekannt ist, dass der vor 275 Jahren in Hamburg geborene und von 1772 bis zu seinem Tode im November 1826 in Berlin arbeitende Astronom Johann Elert Bode (Abb. 1) nahezu zeitgleich einen eigenen Katalog verfasste, in dem er die bis dahin bekannten ,,Nebelsterne" beschrieb [3]. Im Jahre 1777 veröffentlichte er im ,,Berliner Astronomischen Jahrbuch für das Jahr 1779" einen Beitrag mit dem Titel ,,Ueber einige neuentdeckte Nebelsterne und einem vollständigen Verzeichnisse der bisher bekannten" (Abb. 2). Der Aufsatz enthielt eine Liste von insgesamt 75 Objekten mit Angaben über deren ,,Beschaffenheit durch Fernröhre" und deren Positionen und war damit der bis dahin umfangreichste Katalog von Deep-Sky-Objekten.
Journal für Astronomie Nr. 82 | 81
Geschichte
Grundlage für seine Eintragungen waren dabei neben den Erkenntnissen aus eigenen Beobachtungen die Beschreibungen aus den Federn früherer Entdecker, wobei er sich ausdrücklich auf Hevelius, Maupertuis, Cassini, Halley, Kirch, Le Gentil, Lacaille, Flamsteed und - wie gesehen - auf Messier bezieht.
2 ,,Nebelstern-Verzeichniß" 1777 mit den Nrn. 1 bis 15, aus: Berliner Astronomisches
Jahrbuch für das Jahr 1779, Berlin 1777.
Die Entstehung von Bodes ,,Nebelstern-Verzeichniß" Wenn man sich mit der Bedeutung dieses Verzeichnisses befasst, insbesondere mit der Frage, in welchem Verhältnis die dort aufgeführten Objekte zu denen der Messier-Kataloge der Jahre 1771, 1780 und 1781 stehen, muss man zunächst feststellen, dass Bodes Verzeichnis in mehreren Schritten entstand: Bereits im Jahre 1776 publizierte er nämlich in der von der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen ,,Sammlung Astronomischer Tafeln" ein Verzeichnis mit insgesamt 58 Nebelsternen und Angaben zu deren Gestalt und Positionen (Abb. 3). Diese Liste ergänzte Bode sodann um einen noch im selben Band erschienenen ,,Nachtrag" mit weiteren 17 Nebelsternen, so dass das Verzeichnis auf 75 Objekte anwuchs. Grund für die Ergänzung war - so die Erklärung Bodes - dass ,,Herr Messier neulich in den französischen Gedenkschriften ein Verzeichniß der von ihm bemerkten Nebelsterne ... geliefert" hat [4]. Bode bezieht sich hier auf die erste Fassung des MessierKatalogs des Jahres 1771, dessen Lektüre ihn augenscheinlich veranlasst hat, alle dort
gelisteten Nebelsterne in sein Verzeichnis aufzunehmen, die darin noch nicht enthalten waren. Im Jahre 1777 kommt es dann zu der eingangs erwähnten Veröffentlichung der Liste im Berliner Jahrbuch für das Jahr 1779, die nunmehr das 1776 erschienene Verzeichnis einschließlich der im Nachtrag aufgeführten Objekte enthielt. Auch hier nimmt Bode im Begleittext noch einmal Bezug auf den 1774 veröffentlichten ersten Messier-Katalog von 1771 und weist darauf hin, dass ihm dieser ,,im vorigen Jahr [also 1775] zu Gesicht gekommen" sei [5].
Umfang und Inhalt von Bodes ,,Nebelstern-Verzeichniß" Bodes Absicht war es, ein vollständiges Verzeichnis aller seinerzeit bekannten Nebelsterne zu liefern, weil - und hier stimmte er mit Messiers Intention überein - ,,ein vollständiges Verzeichniß aller bisher bekannten Nebelsterne anjetzt vorzüglich nützlich werden [kann], da die Astronomen seit einigen Jahren auch die kleinen nur den bewaffneten Augen sichtbaren Kometen in ihrem Lauf verfolgen, um nicht einen entdeckten Kometen mit einem Nebelstern oder diesen mit jenem zu verwechseln" [6].
Die Messier-Objekte Da Bode seine Eintragungen nach eigenem Bekunden mit dem Messier-Katalog 1771 abgeglichen hat, liegt die Annahme nahe, dass sich die 45 Messier-Objekte allesamt in Bodes Verzeichnis wiederfinden. Bei genauerem Hinsehen ist dies allerdings nicht der Fall, zumindest nicht zu 100%. Auffallend ist zunächst, dass die Nr. 3 des MessierKatalogs nicht verzeichnet ist, was verwundert, da es sich bei dem Kugelsternhaufen ,,M 3" im Sternbild der Jagdhunde um ein recht markantes Deep-Sky-Objekt handelt, das Bode im Übrigen auch in seinem 1782 herausgegebenen Himmels-Atlas ,,Vorstellungen der Gestirne" eingezeichnet hat. Auffallend ist weiter, dass M 39, ein offener Sternhaufen im Sternbild Schwan, gleich zweimal im Verzeichnis erscheint, und zwar als Nr. 1 und als Nr. 75, beide Male mit derselben Beschreibung (,,östlich neben p am Schwanz des Schwans") und identischer Längenangabe.
Interessanter als diese ,,Nachlässigkeiten" ist allerdings, dass Bodes Katalog Nebel enthält, die Messier erst sehr viel später in seine Liste aufgenommen hat, wie etwa den offenen Sternhaufen M 50 im Sternbild Monoceros (Bodes Nr. 16: ,,ein Sternhäuflein auf einem Nebelgrund"), die (Whirlpool-)Galaxie M 51 in den Jagdhunden (Nr. 25: ,,ein kleiner Nebelfleck am Hals des Asterion"), den Kugelsternhaufen M 55 im Schützen (Nr. 63: ,,wie ein dunkler Kometenkern am Rücken des Schützenpferdes") und die Galaxie M 83 in der Hydra (Nr.
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Geschichte
27: ,,ein kleiner unförml. Nebelfleck beym Kopf des Centaur"). Hinzu kommen - natürlich - auch die von Bode selbst entdeckten Objekte: der Kugelsternhaufen M 53 im Haar der Berenice (Nr. 26) sowie die Galaxien M 81 und M 82 im Großen Bären (Nrn. 17 und 18). Zu ihnen liefert Bode einen ausführlichen Beobachtungsbericht, den er zusätzlich durch eine kleine Zeichnung illustriert (Abb. 4). Über die Entdeckung von M 53 schreibt er: ,,Den 3ten Februar 1775 entdeckte ich früh Morgens, nordlich über dem Stern d oder Vindemiatrix, am nordlichen Flügel der Jungfrau, etwa 1 Grad östlich bey dem 42sten Stern in den Haaren der Berenice, einen neuen Nebelfleck, welcher sich durch das Fernrohr ziemlich lebhaft und in runder Figur, darstellt. Die 11te Figur zeigt dessen Stellung gegen den 42sten Stern und einigen kleinern, die nicht in den Himmelscharten vorkommen, worunter einige Abstände gemessen werden." Zu den Galaxien M 81/82: ,,Den 31sten December fand ich durch das siebenfüßige Fernrohr, nahe über dem Kopf des großen Bären, östlich neben dem Stern d am Ohr, zwey kleine neblichte Flecke ongefähr 3/4 Grad von einander, deren beyläufige Stellung gegen die benachbarten kleinen Sterne die zehnte Figur zeigt. Der Fleck a erscheint mehrentheils rund und hat in der Mitte einen dichten Kern. Der andere b aber sehr blaß und in einer länglichen Figur. Von a konnte ich die Entfernung von d auf 2 Grad .7`. von r 5 Grad .2`. und von 2 s 4 Grad .32`. mit einiger Zuverlässigkeit, bestimmen; b aber war zu schwach und verschwand mir aus den Augen, so bald ich die beyden Hälften des Objectivglases aus einander schob."
Objekte außerhalb der MessierKataloge Bodes Verzeichnis enthält eine ganze Reihe von Nebeln, die sich nicht in den MessierKatalogen wiederfinden und für die sich Bode auf Beobachtungen älterer Astro-
3 ,,Nebelstern-Verzeichniß" 1776 mit den Nrn. 11 bis 20, aus: Sammlung Astronomischer
Tafeln, Band I, 1776.
nomen beruft. Dies gilt für insgesamt 19 Objekte, die Bode den Beobachtungen von Flamsteed, Hevelius, Bayer und Lacaille zuschreibt, die sich aber überwiegend nicht als Nebel verifizieren lassen. Bode räumt selbst ein, dass er eine ganze Reihe dieser Objekte nicht überprüft hat und weist sogar darauf hin, dass er - sofern er eigene
Beobachtungen angestellt hat - einige der gelisteten Nebel nicht gefunden hat. Als Konsequenz erscheinen somit nahezu ein Viertel aller Objekte lediglich als Einzeloder Mehrfachsterne, die in der Frühzeit der beobachtenden Astronomie irrtümlich als Nebelsterne eingestuft wurden. Als Beispiel seien hier genannt Bodes Nr. 6, der
Journal für Astronomie Nr. 82 | 83
Geschichte
4 Zeichnungen von M 81/82 (Fig. 10),
M 53 (Fig. 11), M 33 (Fig. 12).
von Flamsteed als nebelig erkannte Stern 55 And (,,am Fuß der Andromeda westl. neben Alamak"), Bodes Nr. 55, der von Hevelius als ,,neblichte Sammlung kleiner Sterne" bezeichnete Stern g Scuti, oder Bodes Nr. 28, die entgegen der Einschätzung von Hevelius nicht ,,neblicht", sondern lediglich aus einer von den Sternen x, 17 und 18 Lib gebildeten Formation besteht.
Andererseits enthält Bodes Katalog Objekte, deren Sternhaufen-Eigenschaft zwar anerkannt ist, die aber so weit südlich liegen, dass man sie nicht unbedingt in dem von einem Berliner Astronomen verfassten Nebelverzeichnis vermutet. So Bodes Nr. 19, ein ,,Häuflein kleinerer Sterne im Schiff, unter dem Stern h am Schwanz des großen Hundes", das 1751 von Lacaille entdeckt wurde, heute als Collinder 140, IC 2602 bzw. Melotte 101 gelistet ist und häufig als die ,,südlichen Plejaden" bezeichnet wird. Zwei weitere Nebel im Schiff erscheinen bei Bode als Nr. 21 und 22 und sind heute als offene Sternhaufen im NGC katalogisiert: ,,ein mit bloßen Augen sichtbarer Nebelfleck zwischen den Sternen z, b und c" (NGC 2477) und ,,eine zahlreiche Menge kleiner Sterne, östlich über z und unter dem Seekompass" (NGC 2546).
Fazit Es bleibt die Frage, wie nach alledem die Bedeutung von Bodes ,,Nebelstern-Verzeichniß" zu beurteilen ist. Positiv fällt zunächst ins Gewicht, dass Bode mit der
Ve r ö f f e n t l i c h u n g seines Verzeichnisses eine ganze Reihe der bislang entdeckten Messier-Objekte den Sternkundigen im deutschen Sprachraum zugänglich gemacht hat und sich dabei nicht nur auf die Nebel des ersten Messier-Katalogs beschränkt, sondern auch Objekte erwähnt, die der französische Astronom erst in seinen sehr viel später publizierten Listen aufführt oder die dort gar nicht erscheinen. Anzumerken ist auch, dass Bode sein Verzeichnis mit Berichten über seine in der Zeit von Januar 1774 bis September 1775 angestellten Beobachtungen anreichert. Die Beschreibungen seiner Entdeckungen sind aufschlussreich, weil sie detailreicher sind als die von Messier gelieferten Angaben.
Auf der anderen Seite enthält sein Verzeichnis eben auch sehr viele Eintragungen, die Bode nicht überprüft hat und die sich auch im Nachhinein nicht verifizieren lassen. Rechtfertigen lässt sich dieser Mangel, den Bode selbst einräumt, wohl nur dadurch, dass Bode ein möglichst vollständiges Verzeichnis aller als Nebel zumindest in Frage kommenden Objekte vorlegen wollte, um Kometenverwechslungen auszuschließen. Gleichwohl wird der Mangel der ungeprüften Eintragungen als das ,,Todesurteil für Bodes Nebelliste" [7] angesehen, das einer weiten nationalen und internationalen Verbreitung entgegenstand.
Bei aller Kritik sollte man jedoch nicht allzu schnell den Stab über Bodes Arbeit brechen. Dass sein ,,Nebelstern-Verzeichniß" heute von der Astronomiegeschichte kaum zur Kenntnis genommen wird [8], erscheint schon wegen der Anzahl der verzeichneten
Objekte und der z. T. umfangreichen und mit Zeichnungen illustrierten Angaben über deren Beschaffenheit nicht gerechtfertigt. Der 275. Geburtstag des Berliner Astronomen, den wir in diesem Jahr feiern dürfen, sollte daher Anlass sein, sich an Bodes ,,Nebelstern-Verzeichniß" zumindest mit Interesse zu erinnern [9].
Literaturhinweise: [1] Vgl. Stoyan, Atlas der Messier-Objek-
te, Erlangen 2006, S.23 ff. [2] Zu den Fassungen des Messier-Ka-
talogs siehe Stoyan, a.a.O., S. 37 ff. [3] Dazu Stoyan a.a.O., S. 33. Grundle-
gendes zu Bodes Vita in Schwemin ,,Der Berliner Astronom. Leben und Werk von Johann Elert Bode (1747- 1826)", Frankfurt a.M. 2006 [4] Sammlung Astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften, I. Band, Berlin 1776, S. 206, XVII. [5] Berliner Astronomisches Jahrbuch für das Jahr 1779, Berlin 1777, S. 69. [6] Astronomisches Jahrbuch, S. 65. [7] So Stoyan, a.a.O., S.33. Zu ähnlichen, auf mangelnde Überprüfung beruhenden Fehlern Bodes bei der Publikation der Herschel-Kataloge vgl. Steinicke, Nebel und Sternhaufen, Hamburg 2009, S. 64. [8] So der Befund von Schwemin, a.a.O., S.23 [9] Anlässlich des 275. Geburtstages erscheint 2022 im Albireo Verlag eine bibliophile Reproduktion des Tafelbandes zu Bodes 1805 erschienener 2. Auflage seines Himmels-Atlas ,,Vorstellung der Gestirne" mit den 34 Himmels-Karten. In der Begleitbroschüre sind die Fassungen des Nebelsternverzeichnisses 1776/1777 abgedruckt.
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Geschichte
Robert Henseling, der ,,Bund der Sternfreunde" und die Gründung der VdS
von Wolfgang Steinicke
Vorläufer der VdS und ihre Gründung im Jahr 1953 Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gab es in Deutschland zwei amateurastronomische Organisationen. Die ältere war die 1891 von Wilhelm Foerster, Direktor der Königlichen Sternwarte Berlin, und dem Amateurastronomen Joseph Plassmann gegründete ,,Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik" (V.A.P.). Sie priorisierte die wissenschaftliche Arbeit und umfasste auch Grenzgebiete wie die Meteorologie; Mitteilungsblatt war die Zeitschrift ,,Himmelswelt". Dagegen konzentrierte sich der 1921 von Robert Henseling (Abb. 1 u. 2) in Stuttgart ins Leben gerufene ,,Bund der Sternfreunde" (BdS) auf die Verbreitung volkstümlicher Astronomie. Es galt, neben HobbyAstronomen auch Personen zu fördern, die naturwissenschaftliche Bildungswerte vermitteln konnten, wie etwa Lehrer in der Schul- oder Erwachsenenbildung.
Die V.A.P. stand bezüglich ihrer Ausrichtung zwischen dem BdS und der bereits 1863 gegründeten ,,Astronomischen Gesellschaft" (AG), einem Zusammenschluss der Fachastronomen. Eine Fusion von V.A.P. und BdS stand nie zur Debatte, da die Ziele und der adressierte Personenkreis zu unterschiedlich waren. Beide Organisationen hatten am Ende zusammen etwa 2.000 Mitglieder. Der Krieg löste letztlich alle Strukturen auf.
Natürlich kam bald der Wunsch auf, die V.A.P. und den BdS neu aufzubauen. Zu Letzterem heißt es in einem Bericht von 1950 noch optimistisch: ,,Die Bemühungen um eine Wiederbelebung des im Jahre 1921 von Robert Henseling gegründeten Bundes der Sternfreunde haben anlässlich einer Tagung Ende Mai in Coburg zu einem erfolgversprechenden Anfang geführt." Geplant war, getrennte Vorstände in West- und Ost-
1 Robert Henseling (1883 - 1964)
deutschland zu etablieren. Trotz intensiver Bemühungen scheiterten aber letztlich alle Versuche, die Organisationen einzeln oder gemeinsam wiederzubeleben.
So entstand schließlich der Plan, eine gänzlich neue astronomische Vereinigung zu gründen. Das Vorhaben wurde am Rande der AG-Tagung im September 1952 in München diskutiert (im Tagungsbericht ist hierzu nichts vermerkt). Auf Initiative von Vinzenz Dahlkamp (vormals V.A.P.), Hermann Bühler (vormals BdS) und Hans Mühle (Wilhelm-Foerster-Institut) vereinbarte man, so bald wie möglich eine ,,Vereinigung der Sternfreunde" (VdS) ins Leben zu rufen, deren Schwerpunkt die Popularisierung der Astronomie war. Eigentlich hätte Henseling mit dieser Entwicklung sehr zufrieden sein müssen, doch zeigte er sich bei der VdS-Gründung betont zurückhaltend. Der Grund: Sie bedeutete für ihn das faktische Ende seines geliebten BdS.
Durch die gute Vorarbeit ehemaliger Mitglieder von V.A.P. und BdS (unter Nutzung
2 Henseling vor dem neuen Palais
in Sanssouci/Potsdam
noch vorhandener Vereinsunterlagen) erschien bereits im Dezember 1952 eine erste Ausgabe der ,,VdS-Nachrichten" mit 200 Exemplaren und am 9. Januar 1953 wurde die ,,Mitgliedskarte Nr. 1" ausgestellt (Abb. 3) - sie trägt den Namen von Robert Henseling. Sieben Monate später fand in Berlin die offizielle Gründungsveranstaltung statt. Die anwesenden 74 Mitglieder beschlossen eine Satzung und wählten einen Vorstand; erster Vorsitzender wurde Vinzenz Dahlkamp, Gründer und Leiter der Volkssternwarte Recklinghausen. Als ,,Ziel und Zweck" der VdS bezeichnete er, ,,in die alten Fußstapfen der V.A.P. und des BdS zu treten
3 Der erste Mitgliedsausweis der VdS
Journal für Astronomie Nr. 82 | 85
Geschichte
4 - 6 Titelseiten von ,,Welteninseln"
(1931), ,,Kosmische Ferne" (1932); der Hauptteil des kleinen Buchs besteht aus ganzseitigen Aufnahmen vom Mt. Wilson und ,,Laienfragen an einen Sternkundigen" (1939); auf 77 Seiten werden 40 Fragen behandelt.
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und den Mitgliedern jede Unterstützung in Tat, Wort und Bild angedeihen zu lassen, die im Rahmen des Möglichen liegt". Der zu diesem Zeitpunkt 69 Jahre alte Henseling wurde auf der Versammlung ad hoc zum Ehrenmitglied ernannt. Ende des Jahres zählte die VdS bereits 200 Mitglieder, 1954 folgte der ,,e.V". 2023 feiert die ,,Vereinigung der Sternfreunde" ihr 70-jähriges Bestehen.
Wer war Robert Henseling? Die Ältesten unter uns erinnern sich vielleicht noch an einige seiner vielen populärwissenschaftlichen Bücher, wie etwa ,,Welteninseln" (Abb. 4), ,,Kosmische Ferne" (Abb. 5) oder ,,Laienfragen an einen Sternkundigen" (Abb. 6). Letzteres war die Vorlage für Joachim Herrmanns ,,Sternfreunde fragen" von 1966. Dahlkamps Nachfolger in Recklinghausen hat viel zum biografischen Wissen über Henseling beigetragen. Zweifellos hat der heute 92-Jährige dessen Werk würdig fortgesetzt. Herrmanns große Verdienste um die Popularisierung der Astronomie wurden 2005 mit der VdS-Medaille gewürdigt.
Robert Henseling wurde am 19. Oktober 1883 als Sohn eines Buchhalters in Hameln geboren (dort ist heute eine Straße nach ihm benannt). Die Familie zog fünf Jahre später nach Dresden. Von 1904 bis 1907 war er als Lehrer in Radebeul tätig. Eine Lungenkrankheit zwang ihn 1908 zu einer längeren Kur in einem schlesischen Sanatorium. Auf Wunsch seiner Mitpatienten veranstaltete Henseling dort Kurse, in denen auch astronomische Themen behandelt wurden. Aufgrund seiner literarischen Begabung eröffnete sich für ihn nach der Genesung ein völlig neues Wirkungsfeld: als freier Schriftsteller mit den Schwerpunkten Natur und Kultur.
So entstand bereits 1909 ein kleines astronomisches Jahrbuch für 1910, also rechtzeitig zur Wiederkehr des Halleyschen Kometen. Henselings ,,Sternbüchlein" (Abb. 7) war
ein großer Erfolg und erschien bis 1940 bei Franckh in Stuttgart, dann trennte sich der Autor vom Verlag und publizierte sein Jahrbuch bis 1953 (Abb. 8) bei diversen anderen Verlagen (ein eifriger Leser war übrigens Albert Einstein). Der spätere Kosmos-Verlag setzte seinerseits 1941 die Tradition des ,,Sternbüchlein" mit anderen Autoren als ,,Himmelsjahr" fort. Henseling verfasste mehr als 25 populärwissenschaftliche Werke, daneben wirkte er als Herausgeber und Schriftleiter (Abb. 9). Er gehört ohne Zweifel zu den bedeutendsten Vermittlern astronomischen Wissens in Deutschland, ganz in der Tradition von Adolf Diesterweg (1790 - 1866), Wilhelm Meyer (1853 - 1910) und Bruno Bürgel (1875 - 1948).
1921 kann man als Henselings ,,Annus mirabilis" bezeichnen, das sich letztes Jahr zum einhundertsten Mal jährte. Er gründete die Volkssternwarte Stuttgart und den ,,Bund der Sternfreunde" sowie dessen Mitteilungsblatt, ,,Die Sterne". Ab 1926 als selbstständiges Heft, erschien die ,,Zeitschrift für alle Gebiete der Himmelskunde" monatlich bis 1996 in Leipzig und wurde 1997 mit ,,Sterne und Weltraum" vereinigt. 1921 trat Henseling in die ,,Astronomische Gesellschaft" ein, der er bis 1945 angehörte. In seinem ,,Wunderjahr" gab er auch das ,,Astronomische Handbuch" heraus, ein ,,Theoretischer und praktischer Ratgeber für die Arbeit des Liebhabers der Himmelskunde" mit Beiträgen namhafter Astronomen, darunter Cuno Hoffmeister, Karl Wirtz, Karl Graff und Paul Guthnick. Das fast 300 Seiten starke Handbuch erschien bei Franckh und war das Konkurrenzprodukt zum ,,Hevelius" der V.A.P. (1909 herausgegeben von Plassmann). Nachdem die erste Auflage unerwartet schnell vergriffen war, folgte 1925 eine zweite. Henselings Werk fand 1960 im ,,Handbuch für Sternfreunde" von Günter D. Roth einen würdigen Nachfolger. In Stuttgart engagierte sich Henseling stark für die Verbreitung astronomischen Wissens. Er
Geschichte
7 + 8 Titelseiten von Henselings
erstem ,,Sternbüchlein" (1910) und Henselings letztem ,,Sternbüchlein" (1953), zugleich seine letzte Publikation
hielt Vorträge und war entscheidend an der Errichtung eines 25-m-Planetariums auf dem Hindenburgbau beteiligt. 1927 übernahm er für kurze Zeit die Leitung des Berliner Planetariums am Zoo. Im folgenden Jahr sehen wir ihn dann als Direktor des neuen Stuttgarter Planetariums (es wurde 1943 zur Sicherheit abgebaut, kurz darauf zerstörten Bomben den Hindenburgbau). den und Wesen der Astrologie" (1924) und Bald gab Henseling aber auch diese Tätig- ,,Umstrittenes Weltbild" (1939). Ebenso keit auf, um sich fortan mit großem Erfolg unwissenschaftlich waren für ihn die in den ausschließlich als freier Schriftsteller zu be- 1930er-Jahren populäre Welteislehre und tätigen. Ein weiterer Höhepunkt ist sein fast Hohlwelttheorie. Reges Interesse zeigte er 500 Seiten starkes Buch ,,Astronomie für für die Geschichte der Astronomie, so beAlle" von 1929, in dem er auch auf die Be- schäftigte er sich eingehend mit den Maya deutung ,,seines" BdS eingeht. Besonders und der chinesischen Han-Dynastie. Henkritisch betrachtete Henseling die Astrolo- seling, seit 1933 in Berlin-Frohnau ansässig, gie, nachzulesen in seinen Büchern ,,Wer- erwog sogar, nach England auszuwandern,
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wo er günstigere Studienbedingungen zu finden glaubte. 1942 wurde er Mitarbeiter der Krakauer Sternwarte, wo er zuletzt als stellvertretender Leiter agierte. Dort wurde ihm allerdings von den Nazis verboten, weltanschauliche Vorträge zu halten. Er kehrte bald nach Berlin zurück und erhielt 1946 einen Lehrauftrag für Astronomie und deren Kulturgeschichte. Es gelang ihm leider nicht, den ,,Bund der Sternfreunde",
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Geschichte
9 Henseling an seinem Schreibtisch
der Zeit seines Bestehens ganz seinem Willen unterworfen war, wiederzubeleben. Im Alter von fast 70 Jahren trat Henseling der VdS bei. Kritisch betrachtete er das Entstehen von Arbeitsgemeinschaften mit speziellen Fachgebieten (Planeten, Veränderliche, Sonne). Wichtiger war ihm die Betreuung von Sternfreunden, die keinen lokalen oder regionalen Anschluss hatten; er hat zeitlebens versucht, sie durch Vorträge und Publikationen zu erreichen.
Seine oftmals kritische Haltung und der unstet wirkende Lebenslauf hatten ihren Grund. Henseling legte stets Wert auf Unabhängigkeit, was immer wieder zu Konflikten führte. So schlug er ein Angebot von Prof. Guthnick aus, an der renommierten Sternwarte Babelsberg zu arbeiten; er hätte dort weitgehende Freiheiten gehabt, den eigenen Interessen nachzugehen. Legendär war seine oftmals harsche und unbegründete Ablehnung von Kompromissen jeder Art. Henseling wurde als jähzornig und unberechenbar beschrieben, vielleicht eine Folge einer im Ersten Weltkrieg erlittenen Kopfverletzung. Er blieb - trotz seiner großen Außenwirkung - stets ein Einzelgänger.
Henseling hätte bereits in frühen Jahren geheiratet, doch leider verstarb seine Verlobte. In Krakau lernte er die Anthropologin Elfriede Fliethmann (1915 - 1987) kennen, die er 1943, mittlerweile 60 Jahre alt, kurzentschlossen heiratete. Aus der Ehe ging (als einziges Kind) der bekannte Chemiker Karl Otto Henseling (1945 - 2011) hervor.
1 0 Henseling im fortgeschrittenen Alter
Robert Henseling starb am 1. April 1964 im Alter von 80 Jahren auf tragische Weise an den Folgen eines Verkehrsunfalls (Abb. 10). Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in Berlin-Frohnau, neben dem seiner Mutter. Der 1988 entdeckte Asteroid (27710) wurde ein Jahr später nach ihm benannt.
Anlässlich der Gründung des BdS beschrieb Robert Henseling 1921 im ersten Band von ,,Die Sterne" sein wichtigstes Anliegen, die Stellung der Astronomie im Gesamtkreis der Kultur aufzuzeigen und deren Werte für unser Leben zu nutzen: ,,Stehen wir als Sternfreunde unter dem Nachthimmel, so suchen wir die Stille der Besinnung; wir suchen Freude an Weltschönheit; wir suchen Trost der Kreatur, die ans Ganze hingegeben ruht; wir suchen Vertrauen zum Weltsinn; wir suchen Kraft zum alltäglichen Werk."
Literaturhinweise: [1] E. Otto, 1950: ,,Bericht über die Ta-
gung des Bundes der Sternfreunde in Coburg vom 27. bis 30. Mai 1950", Die Sterne 26, 184 [2] V. Dahlkamp, 1953: ,,Gründung einer ,Vereinigung für Sternfreunde` " , Die Sterne 29, 232 [3] G. Hilde, 1953: ,,Die Berliner Tagung der Sternfreunde vom 8. bis 11. August 1953", Die Sterne 29, 233 [4] J. Herrmann, 1958: ,,Ein Leben für die astronomische Volksbildung. Zum 75. Geburtstag von Robert
Henseling am 19. Oktober 1958", Die Sterne 34, 227 [5] C. Hoffmeister, 1964: ,,Robert Henseling zum Gedächtnis", Die Sterne 34, 210 [6] H.-B. Brenske, 1964: ,,Robert Henseling ", Sterne und Weltraum 6/1964, 138 [7] A. Kunert, 1983: ,,Robert Henseling, 1883 - 1964", Sterne und Weltraum 10/1983, 502 [8] W. E. Celnik, E. Mädlow, P. Völker, 1988: ,,35 Jahre Vereinigung der Sternfreunde - Frühgeschichte, Gegenwart und Zukunft", Sterne und Weltraum 7-8/1988, 480 [9] K.-H. Tiemann, 1995: ,,Wilhelm Julius Foerster und die ,Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik` (1891 bis 1914)" in: Iven, M. (Hrsg.), 3 x Foerster, Beiträge zu Leben und Werk von Wilhelm Foerster, Friedrich Wilhelm Foerster und Karl Foerster, Schibri-Verlag [10] H. Oleak, 1997: ,,Die Zeitschift ,Die Sterne` - Ein Rückblick", Sterne und Weltraum 1/1997, 16 [11] W. Steinicke, 2003: ,,Die VdS wird 50", VdS-Journal für Astronomie 3, S. 6 [12] W. Steinicke, 2006: ,,VdS-Medaille an Joachim Herrmann (Laudatio)", VdSJournal für Astronomie 19, S. 125 [13] P. Völker, 2009: ,,Das waren noch Zeiten: Nachdruck von ,Joachim Herrmann: Robert Henseling zum 75. Geburtstag` (VdS-Nachrichtenblatt Nr. 10, 1958)", VdS-Journal für Astronomie 28, S. 109 [14] H.-U. Keller, 2010: ,,1910-2010: Hundert Jahre Himmelsjahr - hundert Jahre Astronomie", Kosmos Himmelsjahr 2010
Alle Abbildungen: Archiv W. Steinicke
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Kleine Planeten
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungsdauer ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes.
Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Auch heute gibt es in den ,,Kosmischen Begegnungen" zwei Bilder. Diesmal von den Fotografen Wolfgang Bodenmüller und Stefan Lilge, die alphabetisch gereiht hier
im Artikel behandelt werden. Wolfgang Bodenmüller aus der Bodenseeregion zeigt uns bereits seine fünfte kosmische Begegnung! Besonders bemerkenswert finde ich, dass seine Bilder auf vier Kontinenten aufgenommen werden. So bedient er sich Remotesternwarten in den USA, in Spanien und in Australien. Eine kosmische Begeg-
1 Die Kleinplaneten (3424) Nusl und (34422) 2000 SX14 bei Barnards Galaxie NGC 6822. Remote aufgenommen von Wolfgang Bodenmüller
mit einem 6-zölligen Takahashi-Apo f/7,3 und einer Moravian-G4-16000-CCD-Kamera.
Journal für Astronomie Nr. 82 | 89
Kleine Planeten
2 Der Kleinplanet (780) Armenia und Abell 70. Aufgenommen von Stefan Lilge mit einem 10-zölligen Meade ACF f/8
und einer ASI2600MC-Farbkamera.
nung entstand während eines Astrourlaubs in Namibia.
Die aktuelle Aufnahme entstand remote in Nerpio, Spanien, und zeigt Barnards Galaxie NGC 6822 (Abb. 1). Sie erhielt am 21. Juli 2020 Besuch von den beiden Kleinplaneten (3424) Nusl und (34422) 2000 SX14. Bei NGC 6822 [1] handelt es sich um eine Zwerggalaxie. Sie ist ca. 8.000 Lichtjahre groß und 1,6 Mio. Lichtjahre von uns entfernt. Damit gehört sie zur Lokalen Gruppe. Zu finden ist sie im Sternbild Schütze und erscheint dort als diffuser Nebelfleck von halber Vollmondgröße. Namensgeber ist der amerikanische Astronom Edward Emerson Barnard, der sie 1884 als nebeligen Fleck mit einem 6-zölligen Refraktor entdeckte. Der Zwerg ähnelt der Kleinen Magellanschen Wolke und enthält auffällige Gasnebel und Sternentstehungsgebiete. Da Barnards Galaxie in der Nähe der Ekliptik liegt, bekommt sie häufig Besuch von Kleinplaneten und war auch schon
Deep-Sky-Partner in früheren kosmischen Begegnungen. Wenn also jemand diese Galaxie fotografiert, lohnt es sich, nach Kleinplaneten in den Aufnahmen zu suchen.
Beim helleren der beiden Kleinplaneten handelt es sich um (3424) Nusl. Der Hauptgürtelasteroid war zum Aufnahmezeitpunkt rund 16 mag hell und 234 Mio. km von der Erde entfernt. Entdeckt wurde der rund 18 km große Brocken 1982 am KlettObservatorium in Tschechien, das sich auch heute noch intensiv mit Kleinplaneten beschäftigt. Entdecker ist der slowakische Astronom Ladislav Brozek, der ihn nach dem tschechischen Astronomen und Mathematiker Frantisek Nusl (1867 - 1951) benannte.
Die zweite Strichspur hinterließ der rund 16,5 mag helle Kleinplanet (34422) 2000 SX14. Auch er ist ein Hauptgürtelasteroid und rund 10 km groß. Entdeckt wurde er im Jahr 2000 vom automatischen Suchpro-
gramm LINEAR. Während der Aufnahme war er rund 166 Mio. km von der Erde entfernt. Da er trotz kleinerem Durchmesser aber näher als (3424) Nusl war, ergaben sich für beide Kleinplaneten ähnlich helle Strichspuren.
Stefan Lilge aus Berlin stellt nach über 5 Jahren sein zweites Bild (Abb. 2) für eine ,,Kosmische Begegnung" zur Verfügung. Der bekannte und sehr aktive Astrofotograf kämpft von seiner Dachterrasse gegen die Lichtverschmutzung der Hauptstadt. Dass das kein Kampf gegen Windmühlen ist, zeigen seine tollen Astroaufnahmen in diversen Foren und die Tatsache, dass er 2013 einen Planetarischen Nebel im Sternbild Pfeil entdeckte. Damit ist er mit Lilge 1 (Li1) auch am Himmel vertreten. Seine irdische Astrokarriere begann in den 80erJahren als Jugendlicher mit Feldstecher und Kaufhausteleskop. Seit über 30 Jahren ist er auch Mitglied des Vereines der WilhelmFoerster-Sternwarte. Bereits in den 90er-
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Kleine Planeten
Jahren entdeckte er die CCD-Astrofotografie für sich. Jahrzehnte später erwischte er zufällig eine kosmische Begegnung, die er uns zur Verfügung stellte. Sie entstand in der Nacht des 12. auf den 13. Juli 2021 und zeigt die Passage des Kleinplaneten (780) Armenia am Planetarischen Nebel Abell 70 im Adler. Abell 70 [2] wurde 1955 von George Abell entdeckt. Das rund 43 Bogensekunden große Nebelscheibchen ist ca. 14,3 mag hell. Auffällig ist eine Edge-on-Hintergrundgalaxie, die ca. eine Magnitude heller als Abell 70 ist und einen Diamantringeffekt erzeugt. Der Planetarische Nebel ist um die 15.000 Lichtjahre von uns entfernt. Im Zentrum befindet sich ein 19 mag helles Doppelsternsystem. Es besteht aus dem Weißen Zwerg, der den Planetarischen Nebel bildete, und einem Bariumstern, der große Mengen Barium von seinem Partner aufgesaugt und sich zu einem Roten Riesen entwickelt hat.
Astrophysikalisch nicht ganz so spektakulär ist der Hauptgürtelasteroid (780) Armenia. Der rund 126 km große Brocken wurde am 25. Januar 1914 vom russischen Astronomen Grigori Nikolajewitsch Neuimin am Krim-Observatorium entdeckt. Neuimin hat über 70 Kleinplaneten und
einige Kometen entdeckt. Benannt hat er (780) Armenia nach dem Land Armenien. Der Kleinplanet braucht für die Umkreisung der Sonne 5,5 Jahre. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war (780) Armenia 13,3 mag hell und 293 Mio. km von der Erde entfernt. Sie ist auch Namensgeberin einer eigenen Asteroiden-Familie. Die Mitglieder der Armenia-Familie haben alle ähnliche spektrale Eigenschaften und dürften bei einem Kollisionsereignis entstanden sein. Alle Familienmitglieder haben eine zur Ebene der Ekliptik relativ stark geneigte Bahn. So beträgt die Inklination von (780) Armenia ca. 19 Grad.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [3]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwarte-altschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht, das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Internethinweise (Stand 19.02.2022): [1] Barnards Galaxie: https://de.
wikipedia.org/wiki/Barnards_Galaxie [2] Abell 70: https://en.wikipedia.org/
wiki/Abell_70 [3] Astrofotografie: Kosmische Begeg-
nungen, Homepage: http:// astrofotografie.hohmann-edv.de/ aufnahmen/kosmische. begegnungen.php.
Tabelle 1
Ausgewählte interessante kosmische Begegnungen im dritten Quartal 2022
Datum
Uhrzeit
Kleinkörper
mag
04.07.2022
23:00
(3197) Weissman
15,9
21.07.2022
23:00
(3786) Yamada
14,5
06.08.2022
23:00
(743) Eugenisis
14,5
29.08.2022
23:00
(5) Astraea
11,2
02.09.2022
23:00
(569) Misa
13,6
20.09.2022
23:00
(115) Thyra
10,8
Objekt
Art
M 18
OC
M 16
OC
NGC 6818
PN
NGC 7600
Gx
NGC 7416
Gx
NGC 1342
OC
mag
Abstand
6,9
6`
6
4`
9,3
3`
11,9
9`
12,4
6`
6,7
9`
Abkürzungen: Gx - Galaxie, OC - Offener Sternhaufen, GC - Kugelsternhaufen, PN - Planetarischer Nebel
Journal für Astronomie Nr. 82 | 91
Kleine Planeten
Sternbedeckungen durch Kleinplaneten
von Gregor Krannich
In den letzten Jahren habe ich insgesamt ca. 150 Sternbedeckungen beobachtet, davon 36 positive. Dazu kommen noch etwa 25 gescheiterte Versuche bzw. unsichere Beobachtungen. Diesen Erfahrungsschatz möchte ich nicht für mich behalten und vor allem möchte ich meine Begeisterung für dieses Thema teilen.
Aller Anfang ist schwer Meine erste positive Sternbedeckung (351) Yrsa beobachtete ich visuell im April 2008 [1]. Damals folgte ich einem Aufruf von O. Farago auf der NAA-Mailingliste. Ich war allerdings unvorbereitet. Aufgrund eines defekten PCs konnte ich keine Aufnahmen machen und eine Stoppuhr hatte ich auch nicht. Der 10,3 mag helle Stern war im Okular gut zu sehen und zu halten. Völlig überraschend verschwand er plötzlich und tauchte nach etwa 1,5 s wieder auf, als hätte jemand den Stern kurz ausgeknipst. Das bleibt ein unvergessliches Erlebnis und war der Zündfunke für weitere derartige Beobachtungen. Die Bestimmung der Zeitpunkte für das Verschwinden und Wiederauftauchen gelang nur als grobe Schätzung durch Ablesen einer Funkuhr.
Da sind wir gleich beim Knackpunkt. Die Qualität solcher Beobachtungen steht und fällt mit exakten Zeitmessungen. Später nahm ich derartige Ereignisse mit einer USB-Kamera (DMK 21AU04.AS) auf, wobei das Problem der genauen Zeitmessung weiterhin bestand. Die Verwendung der Systemzeit des Rechners ist zu ungenau. In Veröffentlichungen und Foren wurde viel über die erreichbare Genauigkeit von NTP-synchronisierten PCs übers Internet diskutiert. Dabei wird mit Hilfe des Network-TimeProtokolls und Zeitservern im Internet die Uhr des eigenen Rechners regelmäßig abgeglichen. Als zuverlässige Methode für Sternbedeckungen wird dies nicht angesehen.
1 Die Kamera QHY 174M-GPS am Okularauszug des 14-zölligen Meade-Teleskops
Zeitmessung heute Eine exakte Zeitmessung bei digitalen Kameras gibt es erst seit 2017, als die chinesische Firma QHYCCD eine neue Kamera mit CMOS-Chip (QHY 174M-GPS) auf den Markt brachte, die bereits einen eingebauten GPS-Empfänger unter Ausnutzung des 1PPS-Signals besitzt. Diese Kamera ist unabhängig von der Systemzeit des Rechners und kann die Zeit in Mikrosekundengenauigkeit in jedes Bild einblenden [2]. 2019 erwarb ich eine solche Kamera. Sie verhalf zu einem regelrechten Durchbruch, seither beobachte ich Sternbedeckungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Als Alternative gibt es das D-VTI-Cam-Projekt von A. Schweizer und S. Meister, das inzwischen selbst entwickelte digitale Kameras mit eingebautem GPS-Empfänger ausgeliefert hat [3 und 4].
Anforderungen und Tipps zur Beobachtung Die Anforderungen an das Teleskop sind nicht besonders hoch. Auch mit kleinen Refraktoren sind erfolgreiche Beobachtungen möglich. Wichtig ist eine stabile Mon-
tierung mit automatischer Nachführung, die es erlaubt, eine beliebige Position per GoTo anzufahren oder über Koordinaten einzustellen. Unerheblich ist, ob es sich um eine parallaktische oder azimutale Montierung handelt. Die Belichtungszeiten sind so kurz, da spielt die Bildfeldrotation bei azimutaler Aufstellung keine Rolle. Eine moderate Lichtverschmutzung am Standort ist kein Hinderungsgrund, auch Beobachtungen bei Vollmond sind möglich, solange die Monddistanz nicht zu knapp ist.
Ich verwende zumeist das 14-zöllige Spiegelteleskop von Meade, das in meiner Dachsternwarte parallaktisch montiert ist. Bei der Beobachtung von Sternbedeckungen sitzt im Strahlengang vor der Kamera ein Reducer (CCDT67), damit erreiche ich ein Öffnungsverhältnis von 1:6,4 bzw. eine Effektivbrennweite von 2.248 mm (Abb. 1). Zudem blockt ein IR-Sperrfilter unerwünschtes infrarotes Licht.
Zur Planung der Beobachtung verwende ich die Software OccultWatcher von H. Pavlov [5]. Dessen Ereignisfilter lässt sich
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Kleine Planeten
granular konfigurieren und damit auf den eigenen Beobachtungsanspruch einstellen. Sinnvoll sind die Tabellenspalten Feed und die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses. Zu jeder Beobachtung erstelle ich einen Screenshot des OccultWatcher-Fensters zur späteren Dokumentation.
Zur Kamerasteuerung und Aufnahme der Bildsequenzen verwende ich die Professional-Version der Software SharpCap von R. Glover [6] in der jeweils aktuellen Version. Aufgrund des riesigen Funktionsumfangs verzichte ich auf eine detaillierte Beschreibung und nenne nur Stichpunkte, auf die es ankommt: - Nach Installation des QHY-Treibers
wird die Kamera vollständig erkannt, alle Funktionen sind nutzbar. - Der große Chip und die volle Auflösung (1.920 x 1.200 Pixel) helfen ungemein beim Auffinden des richtigen Sterns. - Bei der Aufnahme von Bildsequenzen sind folgende Einstellungen empfehlenswert: das Dateiformat SER, ein reduzierter Bildausschnitt von 800 x 600 Pixel mit 2 x 2 Binning (400 x 300 gebinnte Pixel) zur Erhöhung der Empfindlichkeit und zur Reduktion der zu speichernden Datenmenge, eine Chip-Temperatur von -10 Grad C und die Streifenunterdrückung (banding suppression). - Die Belichtungszeit ist kritisch, sie sollte so kurz wie möglich sein, umso kleiner werden die Fehlerbalken der Zeitmessung. Als Faustregel gilt, mindestens drei Messpunkte während der Bedeckungsdauer zu haben, um eine Bedeckung eindeutig nachweisen zu können, empfehlenswert sind 5 Messpunkte und bei geringem Helligkeitsabfall noch mehr [7]. Das bestimmt die Grenzgröße der erreichbaren Ereignisse. Transparenz und Horizonthöhe haben ebenfalls einen starken Einfluss, letztendlich müssen dazu Erfahrungswerte gesammelt werden.
- Die GPS-Synchronisation beginnt, sobald die Kamera über USB mit Strom versorgt wird. Dies sollte mindestens 15 min vor dem Ereignis geschehen, besser 30 min vorher.
Zum GPS-Status habe ich noch einen wichtigen Hinweis: Der Status ,,Locked" wird normalerweise nach wenigen Minuten erreicht. Nach den Herstellerangaben sind dann die GPS-Daten korrekt. Leider stimmt das nicht. Ich stelle regelmäßig fest, dass nach Erreichen des Locked-Status die GPS-Zeit um 2,9 s falsch geht (!!). Da die Systemuhr meines PC über NTP synchronisiert ist, erwarte ich nur geringe Differenzen zwischen System- und GPS-Zeit. Nach einigen Minuten verschwindet der GPSZeitfehler schlagartig, dann erst ist auf die GPS-Zeit Verlass.
Bei Kameras, die über USB mit Strom versorgt werden, ist die Kabellänge kritisch, wenn diese in die Nähe von 5 m kommt. Oft sind die Aderquerschnitte zu gering, so dass die Spannung nicht ausreicht. In der Folge treten unvorhersehbare Probleme auf. Entweder wird die Kamera nicht richtig erkannt oder sie stürzt im Betrieb ab. Es kann auch passieren, dass die GPS-Synchronisation versagt oder im schlimmsten Fall die Zeitstempel durcheinandergeraten und zwischen den Bildern Zeitsprünge vorwärts oder rückwärts auftreten. Nicht nur die Kabel können Störungen verursachen, auch manche USB-Anschlüsse an Notebooks stehen im Verdacht, zu wenig Strom bzw. Spannung liefern zu können. Abhilfe schaffen aktive Verlängerungen mit der Möglichkeit, ein zusätzliches Netzteil zur Stromversorgung anschließen zu können. Noch ein Hinweis: Aktive Komponenten in der USB-Strecke beeinflussen die Zeitdifferenz zwischen GPS- und Systemzeit, die in SharpCap angezeigt wird. Bei mir erhöht sich diese Differenz um etwa 65 ms durch
Einsatz eines USB-Hubs. Davon darf man sich nicht verwirren lassen, es handelt sich um einen Ausleseeffekt. Die Zeiteinblendung in den Bildern ist weiterhin korrekt. Sie erfolgt hardwaremäßig in der Kamera.
Auswertung der Daten Zur Auswertung setze ich folgende Software ein: - SER-Player [8], ein Video-Player für das
SER-Format - Tangra3 von H. Pavlov [9], Software zur
Fotometrie und Erstellung der Lichtkurve - PyOTE von B. Anderson [10], Occultation Timing Extractor, in Python programmiert
Nach Fertigstellung der Aufnahmesequenz kann mit Tangra3 in wenigen Minuten eine Lichtkurve erzeugt werden. Daran ist in den meisten Fällen sofort erkennbar, ob eine Bedeckung stattgefunden hat oder nicht. Bei einem positiven Ereignis gelingt mit PyOTE die Bestimmung der genauen Zeitpunkte für D (disappearing) und R (reappearing), der Dauer und der Fehlerbalken. Die Beschreibung der Abläufe in beiden Software-Tools ist zu umfangreich, deshalb verweise ich auf meinen Artikel in [11].
Einen Hinweis erachte ich als wichtig: Bei Einsatz der Kamera QHY 174M-GPS und der Aufnahmesoftware SharpCap kennzeichnen die Zeiteinblendungen in jedem Bild jeweils den Beginn der Belichtungszeit (start frame). Bei der Auswertung mit Tangra3 werden die Zeitpunkte automatisch umgerechnet auf die Mitte der Belichtungszeit (mid frame). Diese Zeitpunkte werden beim csv-Export gespeichert. Die Software PyOTE, die diese csv-Datei einliest, erwartet jedoch start-frame-Zeitpunkte, so dass am Ende zwingend eine Korrektur der D und R Werte um -1/2 Belichtungszeit erfolgen muss!
Journal für Astronomie Nr. 82 | 93
Kleine Planeten
Einen regelrechten Glückstreffer erzielte ich bei der Sternbedeckung durch den Hauptgürtelasteroiden (37330) 2001 QN136 am 05.09.2021. Meine Position lag deutlich neben dem prognostizierten Schattenpfad in der 1-Sigma-Zone. Die Wahrscheinlichkeit war mit 6,9 % angegeben. Die Lichtkurve in der Abbildung 2 zeigt die kurze Bedeckung. Allerdings war der Helligkeitsabfall mit 1,7 mag deutlich geringer als prognostiziert (5,5 mag). Das liegt meistens an (bisher unbekannten) engen Doppelsternen, wobei nur eine Komponente verdeckt wird. Auch die Dauer lag mit 1,05 s geringfügig über der Prognose (0,9 s). Daraus folgt, dass der Asteroid etwas größer ist als bisher angenommen. Nach Auswertung auf euraster.net ist der Körper mindestens 7,7 km groß. Das ist aber nur eine untere Grenze. Da das Ereignis von keinen weiteren Beobachtern gesehen wurde, gibt es keine Aussage darüber, ob meine Sehne zentral oder am Rand verlaufen ist. Meine Recherche hat ergeben, dass dieser Asteroid erstmals an einer positiven Bedeckung beteiligt war.
2 Lichtkurve der Bedeckung
durch (37330) 2001 QN136 mit Tangra3 (H. Pavlov). Hellblau: zu bedeckender Stern, gelb: Referenzstern
Nach der Auswertung sollte ein Report ausgefüllt werden, so dass die Beobachtung zentral erfasst werden kann. Der Report besteht aus reinem ASCII-Text. Ein Template und ein Beispiel kann auf der euraster.netWebseite [12] heruntergeladen werden. Nach dem Ausfüllen und einer sorgfältigen Kontrolle aller Daten wird der Report zusammen mit der Lichtkurve an die Planoccult-Mailingliste oder direkt an Eric Frappa gesendet.
Resümee Die Beobachtung und Auswertung von Sternbedeckungen sind anspruchsvoll und mit einigem Aufwand und einer steilen Lernkurve verbunden. Das Thema der genauen Zeitmessung muss man ernst nehmen, vor allem darf man der Technik und Software niemals blind vertrauen. Der Aufwand wird aber belohnt. Jede Beobachtung ist anders und jedes Mal spannend.
Bei häufigen Beobachtungen wird das Auswerteprozedere zur Routine und geht flott vonstatten. Mit zunehmender Anzahl an Beobachtungen steigen nicht nur Wissen und Erfahrung, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, etwas Neues zu entdecken. Doppelkörper oder Asteroiden-Monde existieren häufiger als vermutet.
Literatur- und Internethinweise (Stand 18.02.2022): [1] Gregors Astronomieseite: ,,Stern-
bedeckung durch (351) Yrsa am 13.04.2008 - Positiv", www. krannich-online.de/astronomie/ yrsa_occ.html [2] QHYCCD: www.qhyccd.com/ qhy174gps/ [3] A. Schweizer, S. Meister, D-VTI-CamProjekt: https://groups.io/g/d-vticam/wiki
[4] C. Weber, Vortrag zum D-VTI-CamProjekt, ESOP XXXIX: https://iotaes.de/esop39/lections/ESOP39_C. Weber_DVTI.pdf
[5] OccultWatcher von H. Pavlov: www.occultwatcher.net/
[6] SharpCap von R. Glover: www. sharpcap.co.uk/
[7] Empfehlung aus Diskussion in Planoccult-Mailingliste, Feb. 2022: https://lists.vvs.be/postorius/lists/ planoccult.ls.vvs.be/
[8] SER-Player: https://sites.google. com/site/astropipp/ser-player
[9] Tangra3 von H. Pavlov: http://www. hristopavlov.net/Tangra3/
[10] PyOTE von B. Anderson: https:// pypi.org/project/pyote/
[11] G. Krannich, 2021: ,,Faszinierendes Universum", Nr. 24, S. 73, Vereinszeitschrift AG Buchloe
[12] E. Frappa: http://euraster.net/
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Kleine Planeten
Die Bestimmung von Rotationslichtkurven von Kleinplaneten (Teil 2)
von Axel Martin
Nachdem im ersten Teil des Artikels [6] die Auswahl und Aufnahme des zu vermessenden Kleinplaneten beschrieben wurde, soll im Folgenden unsere Vorgehensweise bei der Auswertung der erzeugten Bilder vorgestellt werden.
Datenauswertung Die Datenauswertung erfolgt am TSO mit Hilfe der Software MuniWin [7]. Dieses eigentlich zunächst nur für die Beobachtung von Veränderlichen Sternen geschriebene Programm erlaubt seit einigen Jahren auch die Fotometrie bewegter Objekte. Bevor allerdings die eigentliche Auswertung beginnen kann, muss noch etwas Vorarbeit erfolgen.
Obwohl MuniWin bei der Identifizierung der Sterne auf den Bildern über die Erkennung von Sternmustern arbeitet, ist es nur bedingt in der Lage, diese Muster auch auf gegeneinander verdrehten Bildern wiederzufinden. Bedingt durch das ,,Umschlagen" der deutschen Montierung sind unsere Aufnahmen aber ggf. sogar um 180 Grad gedreht, so dass zwischen Bildern vor und nach dem Meridiandurchgang unterschieden werden muss. Wir lösen dies dadurch, dass wir die Aufnahmen einfach auf zwei entsprechende Unterverzeichnisse aufteilen, deren Bilder dann später jeweils separat vermessen werden.
4 Eine Aufnahme der in Ostrichtung aufgenommenen Bildserie des Kleinplaneten (87)
Sylvia in der Nacht vom 30.03. auf den 31.03.2021. Die Belichtungszeit betrug 150 s. Markiert sind sowohl der Kleinplanet und seine Bewegungsrichtung als auch die möglichen Vergleichssterne. Zusätzlich ist der Bereich des Bildfeldes rot umrandet, der mit dem der in Westrichtung aufgenommenen Bilder übereinstimmt.
Weil sich der Gesamtfehler einer relativen Helligkeitsmessung aus den Einzelfehlern von Kleinplanet und Vergleichsstern zusammensetzt, müssen im nächsten Arbeitsschritt noch passende potenzielle Vergleichssterne auf den Bildern herausgesucht werden (siehe Abb. 4).
Wie bereits weiter oben für den Kleinplaneten selbst beschrieben, hängt dabei auch der Messfehler eines Vergleichssterns von seinem jeweiligen S/N-Verhältnis ab. Es
5 Die im Bild erkannten Sterne. Ausgefüllte Kreise markieren Objekte, die auf allen Bildern
erkannt wurden. Die verschiedenen Vergleichssterne wurden bereits durch den Nutzer ausgewählt und sind entsprechend farbig markiert.
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Kleine Planeten
6 Die Standardabweichung unserer Messung in Abhängigkeit vom Durchmesser der verwendeten Messblende.
7 Die Lichtkurve des Kleinplaneten (87) Sylvia gegenüber dem Vergleichsstern in der Zeit bis zum Meridianflip.
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Kleine Planeten
sollten daher möglichst nur Vergleichssterne mit mindestens gleichem oder besser noch höherem S/N als der Kleinplanet verwendet werden. Nur in sehr sternarmen Himmelsregionen wählen wir auch schwächere Sterne aus, wobei wir nach Möglichkeit trotzdem versuchen, ein S/N < 50 nicht zu unterschreiten.
Bei der Auswahl sehr heller Vergleichssterne ist natürlich ebenfalls darauf zu achten, dass sich das hellste Pixel noch im linearen Arbeitsbereich des Aufnahmesensors befindet.
Wurde während der Messung ein Meridianflip ausgeführt, sollte zusätzlich überprüft werden, ob die ausgesuchten Vergleichssterne auch in beiden Teil-Bildserien zu finden sind. Trotz der hohen Präzision unserer Montierung können sich die Bildfelder vor und nach dem Umschwenken minimal unterscheiden, so dass sehr randnahe Vergleichssterne evtl. nicht für beide Bildserien nutzbar sind. Es könnten zwar auch für beide Teil-Bildserien unterschiedliche Vergleichssterne verwendet werden, jedoch vereinfacht die Verwendung derselben Vergleichssterne die weitere Auswertung einer Messung deutlich.
So vorbereitet, wird nun in MuniWin ein neues Lichtkurven-Projekt angelegt. In den Projekt-Einstellungen werden dem Programm danach Daten zur Kamera, der zu verwendende Matching-Algorithmus (bei uns immer ,,dense field") und die Sternerkennungsparameter mitgeteilt. Gerade Letztere sollten jedoch für erste Versuche zunächst bei den Vorgaben belassen werden. Hier kann bzw. muss später noch nachjustiert werden. Bei unserer Teleskop/ Kamera-Kombination muss z. B. nur der Wert für die Erkennungsschwelle von den voreingestellten ,,4" auf ,,40" erhöht werden.
Theoretisch könnte man im Unterpunkt ,,Photometry" auch noch eigene Messblendendurchmesser definieren. In der Praxis hat sich bei uns jedoch gezeigt, dass die vordefinierten Blendendurchmesser sehr gut brauchbar sind.
Im nächsten Schritt wird dann die Bildserie eingelesen. Nachdem die FITS-Dateien in das programmeigene Arbeitsformat umgewandelt wurden, werden noch Dunkelbildund Flatfieldkorrektur ausgeführt, bevor es dann an die eigentliche Fotometrie geht. Die Bilder werden dabei nach und nach abgearbeitet und die Zahl der erkannten Sterne in der Dateiliste angezeigt. Werden hierbei in einem durchschnittlich dichten Sternfeld Sternzahlen von >> 1.000 gefunden, ist dies ein Zeichen dafür, dass die o. g. Sternerkennungsparameter noch einmal optimiert werden sollten.
Nachdem die Fotometrie zufriedenstellend durchlaufen wurde, muss im nächsten Schritt der zu vermessende Kleinplanet auf mindestens drei Referenzbildern manuell markiert werden. Über den eingestellten Matching-Algorithmus werden dann nicht nur die gefundenen Sterne auf allen Bildern zueinander in Bezug gebracht, sondern auch der sich unter den Sternen langsam weiterbewegende Kleinplanet auf allen Bildern identifiziert.
An dieser Stelle erhält man noch einmal einen Hinweis auf die Qualität der verwendeten Sternerkennungsparameter: Können weniger als ca. 50 % der gefundenen Sterne zugeordnet werden, ist dies ein Zeichen dafür, dass noch zu viel Hintergrundrauschen als Sterne interpretiert wird. In einigen Fällen wird das Matching auch fehlschlagen. Bei diesen Bildern handelt es sich oftmals um Aufnahmen, die eine oder mehrere Satellitenspuren beinhalten. Solche Spuren werden - genauso wie z. B. auch Bloo-
mingstreifen bei hellen Sternen - von der Sternerkennung als eine Kette von Einzelsternen erkannt. Während Bloomingstreifen jedoch auf jedem der Bilder vorhanden sind (und damit ebenfalls ,,gematcht" werden können), schlängt dies bei einer oder gar mehreren Satellitenspuren im Bild fehl. Hier hilft es meist nur, diese Aufnahme(n) bei der Auswertung zu ignorieren.
Nach dem Matching können nun die zuvor ausgewählten Vergleichssterne im Bild markiert werden. MuniWin unterscheidet hierbei zwischen dem so genannten ,,Comparison Star" (dem eigentlichen Vergleichsstern) und beliebig vielen sog. ,,Check Stars" (den Prüfsternen). Mit Blick auf einen möglichst geringen Gesamtmessfehler, sollte dabei der hellste mögliche Vergleichsstern als ,,Comparison Star" verwendet werden (siehe Abb. 5). Ist dieser Vorgang abgeschlossen, werden von der Software automatisch aus allen möglichen Kombinationen von Kleinplanet-Stern bzw. Stern-Stern Lichtkurven mit allen vorgegebenen Messblendendurchmessern erstellt. MuniWin macht an dieser Stelle bereits automatisch eine statistische Auswertung aller dieser Messungen und zeigt in einem Auswahlfenster die Standardabweichung aller Messungen bei den verschiedenen Messblendendurchmessern (s. Abb. 6). Nachdem der Messblendendurchmesser mit der minimalen Standardabweichung ausgewählt und mit <ok> bestätigt wurde, erscheint automatisch ein neues ,,Light Curve"-Fenster (siehe Abb. 7), in dem die relativ zum Vergleichsstern gemessene Lichtkurve des Kleinplaneten grafisch dargestellt wird.
Überprüfung des Messergebnisses Prinzipiell wäre die Auswertung einer Beobachtungsnacht an dieser Stelle jetzt abgeschlossen. Man sollte aber trotzdem hinterfragen, ob die erhaltene Lichtkur-
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Kleine Planeten
ve überhaupt ,,sinnvoll" ist. Auch wenn wir unseren Vergleichsstern bereits nach verschiedenen Gesichtspunkten vorausgewählt hatten, kann er trotzdem für eine Helligkeitsbestimmung ungeeignet sein. Er muss nämlich, zumindest für die Dauer der Belichtungsserie, eine möglichst konstante Helligkeit besitzen!
Um jetzt nicht umständlich in den Tabellenwerken zu bereits bekannten Veränderlichen suchen zu müssen, kann man dies in der Praxis recht einfach dadurch herausfinden, dass man die Helligkeit des Vergleichssterns mit den Helligkeiten der verschiedenen
9 Die von Prof. R. Behrend veröffentlichte Lichtkurve des Kleinplaneten (87) Sylvia.
(C) R. Behrend
8 Die Lichtkurven verschiedener Ver-
gleichsstern/Prüfstern-Kombinationen. Aus Platzgründen werden von den (bei neun verwendeten Sternen) insgesamt 36 verschiedenen Möglichkeiten hier nur die acht Kombinationen gezeigt, die den Vergleichsstern beinhalten. Fast alle Lichtkurven zeigen dabei eine mehr oder weniger deutlich ausgeprägte Variabilität. Von den hier gezeigten kommen daher nur die blaue und die braune Sternkombination für die spätere Auswertung in Frage.
Prüfsterne vergleicht. Zeigen sich hierbei ebenfalls relative Helligkeitsänderungen, ist mindestens einer der beiden Sterne veränderlich. Welcher der beiden Sterne dabei der Veränderliche ist, zeigt dann der Vergleich mit den anderen Prüfsternen.
Dieser Vergleich kann direkt in MuniWin erfolgen, indem man im ,,Light Curve"Fenster über das Pulldown-Menü einen anderen anzuzeigenden Wert für die y-Achse auswählt. ,,V" steht dabei für den Kleinplaneten bzw. Veränderlichen, ,,C" ist der Vergleichsstern und ,,K(x)" bezeichnet die verschiedenen Prüfsterne. Weil MuniWin hierbei alle angezeigten Kurven immer maximal auf die Fenstergröße skaliert, ist ein Vergleich oftmals schwierig. Zumindest muss dabei genau auf die Skalierung der yAchse geachtet werden (siehe Abb. 8).
Deutlich einfacher ist der Vergleich mit Hilfe einer Tabellenkalkulation, wie z. B. MS Excel oder dem zu OpenOffice gehörenden Programm Calc. Hierzu werden die von MuniWin gemessen Helligkeitswerte zunächst in eine Textdatei exportiert. Nach Import in die Tabellenkalkulation können die Messwerte dann statistisch ausgewertet werden.
Wir schauen uns dabei jeweils die Differenzen zwischen maximalem und minimalem Messwert aller möglichen Lichtkurvenkombinationen der Vergleichsterne an. Die Lichtkurven mit den kleinsten Differenzen kommen dabei in die engere Auswahl und werden noch einmal in MuniWin angeschaut. Genommen wird am Ende die Sternkombination, die nicht möglichst gleichhell ist und zudem noch das geringste Rauschen aufweist. Über die Funktion ,,Change selected stars" wird dann der hellere Stern dieser Kombination als neuer Vergleichsstern und der andere Stern als alleiniger Prüfstern festgelegt. Alle anderen Prüfsterne werden gelöscht.
Von den dann aus MuniWin exportierten Messwerten interessieren jetzt nur noch die ersten drei Spalten: das Julianische Datum der Messung, die gemessene Helligkeitsdifferenz Kleinplanet/Vergleichsstern und der von MuniWin berechnete Fehler der Helligkeitsmessung. Die vier anderen Spalten (die Helligkeitsdifferenz Kleinplanet/ Prüfstern bzw. Vergleichsstern/Prüfstern sowie deren jeweilige Messfehler) können mit einem so genannten Spalteneditor wie z. B. Crimson Editor oder Notepad++ gelöscht werden.
98 | Journal für Astronomie Nr. 82
Kleine Planeten
1 0 Anhand zweier Beobachtungsnächte findet PerAnSo als wahrscheinlichste Rotationszeit von (87) Sylvia einen Wert von 0,21612 d,
was auf weniger als 4 s mit dem von R. Behrend publizierten Wert übereinstimmt.
Und dann? Wir leiten unsere Messungen für die professionelle Auswertung an Prof. Raoul Behrend in Genf weiter, daher erhält die so editierte Datei im nächsten Schritt noch einen Header. Dieser beinhaltet neben der Objektbezeichnung auch Angaben zu Beobachter und Sternwarte sowie die verwendete Belichtungszeit.
Von Prof. Behrend werden in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen die neu berechneten kombinierten Lichtkurven auf seiner Webseite veröffentlicht (siehe Abb. 9). Neu bestimmte Rotationszeiten werden hierdurch auch automatisch in anderen offiziellen Lichtkurvendatenbanken eingetragen.
Liegen von einem Kleinplaneten Lichtkurven aus mehreren Oppositionen und ggf. auch Durchmesserbestimmungen aus Sternbedeckungen vor, eignet sich dieser für die Berechnung eines 3D-Modells. Werden solche Modelle in Form eines Artikels in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publiziert, erscheinen oftmals auch die Ersteller der zugrunde liegenden Lichtkurven als Mitautoren auf dem Paper. Bei uns war dies z. B. bei den Untersuchungen von (185) Eunike [8] der Fall.
Eigene Auswertungen Hat man ein Objekt bereits in mehreren Nächten beobachtet, kann man auch selbst versuchen, eine Lichtkurve zu erstellen und daraus die Rotationszeit abzuleiten. Hierzu verwenden wir am TSO das Programm PerAnSo [9].
Die von dem Belgier Tonny Vanmunster geschriebene Software erlaubt u. a. den direkten Import der mit MuniWin gemessenen Lichtkurvendaten. Mit Hilfe der bereits 1989 von A. Harris beschriebenen FALCFourier-Analysemethode [10] kann dann über eine grafische Benutzerschnittstelle nach der Rotationsperiode gesucht werden. Die wahrscheinlichsten Rotationsperioden werden dabei im Periodensuchfenster als Minima dargestellt. Die finale Bewertung der so gefundenen möglichen Rotationszeiten erfolgt letztendlich aber durch den Benutzer, indem er die beobachteten Helligkeitswerte mit der betreffenden Rotationsperiode falten lässt (siehe Abb. 10).
Literatur- und Internethinweise (Stand 19.02.2022): [6] A. Martin, 2022: ,,Die Bestimmung
von Rotationslichtkurven von Kleinplaneten (Teil 1)", VdS-Journal für Astronomie 81 (2/2022), S. 81-83 [7] C-Munipack project: http:// c-munipack.sourceforge.net/ [8] F. Pilcher, R. Behrend, L. Bernasconi, F. Lorenzo, K. Hills, A. Martin,
,, J. C. Ruthroff, 2014: A comprehensive photometric investigation of 185 Eunike", Minor Planet Bulletin 4/2014 (41), p. 244-250, https://ui.adsabs.harvard.edu/ abs/2014MPBu...41..244P/abstract [9] Light Curve and Period Analysis Software (PerAnSo): www. cbabelgium.com/peranso/ [10] A. W. Harris, J. W. Young, E. Bowell, L. J. Martin, R. L. Millis, M. Poutanen, F. Scaltriti, V. Zappala, H. J. Schober, H. Debehogne, K. Zeigler, 1989: ,,Photoelectric observations of asteroids 3, 24, 60, 261, and 863", Icarus 77, p. 171-186, www. sciencedirect.com/science/article/ pii/0019103589900158 [11] Interactive service for asteroid models: http://isam.astro.amu.edu.pl/
Journal für Astronomie Nr. 82 | 99
Kometen
Bedeutende Kometen des 4. Quartals 2021
von Uwe Pilz
Am meisten erwartet wurde die Erscheinung von C/2021 A1 (Leonard). Hierzu gibt es einen eigenen Aufsatz hier im Heft.
67P/Churyumov-Gerasimenko erreichte zum Jahresende das Helligkeitsmaximum von etwa 8,5 mag. Damit wurde er zum Fernglaskometen. Die Abbildung 1 zeigt den Vorübergang an den offenen Sternhaufen Messier 35, NGC 2158 und IC 2157.
Die Sichtbarkeit von 29P/Schwassmann-Wachmann wird nicht durch die Perihele gesteuert, sondern durch Ausbrüche. In diesem Herbst erlebten wir eine sehr starke Freisetzung von Gas und Staub, der Komet war so hell wie lange nicht (10 mag). Die zentrale Kondensation war nicht stern- oder kreisförmig, sondern eher dreieckig, was sich auch auf die Koma übertrug. Die Zeichnung (Abb. 2) zeigt den inneren Bereich der Koma mit diesen Eigenheiten.
Auch 19P/Borrelly wurde im letzten Quartal zum Fernglaskometen. Gerald Rhemann konnte einen so genannten Gegenschweif nachweisen (Abb. 3). Dieser wird sichtbar, wenn die Erde nahe der Bahnebene des Kometen steht.
C/2019 L3 (ATLAS) ist seit Langem beobachtbar. Auch dieser Komet erreichte im letzten Quartal das Helligkeitsmaximum von 9 mag und war damit im Fernglas sichtbar (Abb. 4).
1 67P/Churyumov-Gerasimenko, 16.10.2021, 02:29 Uhr UT.
60 min belichtet am 8-Zoll-Teleskop f/3,2 mit Canon-Kamera (Bild: Norbert Mrozek)
2 29P/Schwassmann-Wachmann, 07.10.2021, 3 Uhr UT,
gesehen am 12-Zoll-Teleskop f/4,5 bei 144x (Bild: Uwe Pilz).
100 | Journal für Astronomie Nr. 82
Kometen
3 19P/Borrelly, 27.11.2021, 10:40 Uhr UT, 54 min belichtet am
12-Zoll-Teleskop f/3,6 mit CMOS-Kamera (Bild: Gerald Rhemann)
4 C/2019 L3 (ATLAS), 16.10.2021, 00:35 Uhr UT, 16 min
belichtet am 4-Zoll-Teleskop f/5,8 mit Canon-Kamera (Bild: Steffen Fritsche)
Sternschnuppe über Sternwarte
Impression
Helle Feuerkugel über der Sternwarte Gahberg des Astronomischen Arbeitskreises Salzkammergut, hoch über dem Attersee, Oberösterreich. Aufnahme vom 13.03.2022 um 23:46 Uhr MEZ, Remote-Kamera Nr. 5 (Canon 1000D), Objektiv Peleng 8 mm, 60 s belichtet bei ISO 800 und hellem Dreiviertelmond. Blick von Osten nach Süden zum Höllengebirge. Bildautor: Erwin Filimon.
Journal für Astronomie Nr. 82 | 101
Kometen
Der spannende Komet C/2021 A1 (Leonard)
von Uwe Pilz
Der Komet C/2021 A1 (Leonard) wurde am Anfang des Jahres 2021 von der Catalina-Himmelsüberwachung entdeckt. Schon rasch nach den ersten Messungen wurde klar, dass wir ein knappes Jahr später eine prachtvolle Erscheinung erwarten durf-
ten und dass der Komet möglicherweise für das freie Auge erreichbar würde (Abb. 1). Hauptgrund dafür war, dass der Komet kurz vor dem Perihel (q = 0,61 AE, 3. Januar 2022) der Erde sehr nahe kam (r = 0,23 AE, 12. Dezember 2021). Die Bahngeome-
trie bevorzugte die Nordhalbkugel bis zum 12. Dezember, also bis zur größten Erdnähe. Der Komet stand in dieser Zeit am Morgenhimmel. Danach rückte er flach an den Abendhimmel. Beobachtungen vom mitteleuropäischen Sprachraum aus waren
1 Lichtkurve aus Messungen in der COBS-Datenbank
2 10.01.2021, 09:06 Uhr UT, 21 min, 18 Zoll Öffnung, f/6,4,
CCD-Kamera (Bild: Mike Olason)
3 30.05.2021, 23:05 Uhr UT, 55 min, 16 Zoll Öffnung, f/3,3,
modifizierte Canon-EOS-Kamera (Bild: Roland Fichtl)
102 | Journal für Astronomie Nr. 82
4 09.10.2021, 4 Uhr UT, 28 min, 4 Zoll Öffnung, f/5,8, Canon-Kamera
(Bild: Steffen Fritsche)
Kometen
5 29.10.2021, 02:22 Uhr UT, 32 min, 14 Zoll Öffnung, f/4,2,
modifizierte Nikon-Kamera (Bild: Michael Jäger)
6 07.11.2021, 04:10 Uhr UT, 11 min, 8 Zoll Öffnung, f/4,5,
Sony-Kamera (Bild: Thorsten Böckel)
7 23.11.2021, 03:30 Uhr UT, gesehen im 12-Zoll-Teleskop, f/4,5,
bei 80x (Bild: Uwe Pilz)
8 16.11.2021, 01:20 Uhr UT, 42 min, Teleobjektiv 1:4 / 300 mm,
Canon-Kamera (Bild: Helmut Dannbauer)
schwierig. Unsere Fachgruppe konnte ihn aber bis über das Perihel hinaus von den Kanaren und von Namibia aus beobachten. Die Lichtkurve zeigt, dass der Zeitraum der wirklich glanzvollen Erscheinung kurz war: Ab Anfang November war der Komet gut sichtbar im Teleskop, ab Anfang Dezember
ein einfaches Fernglasobjekt. Sichtungen mit dem freien Auge waren für den deutschen Sprachraum nicht möglich, da die steigende Helligkeit mit einem geringeren Horizontabstand kombiniert war. Von den Kanaren aus war die Beobachtung mit dem freien Auge ab dem 6. Dezember möglich.
Mike Olason aus Arizona fühlt sich unserer Fachgruppe zumindest nahe und schreibt fleißig im VdS-Forum. Von ihm stammt die erste Amateuraufnahme des Kometen, bereits eine Woche nach der Entdeckung (Abb. 2). Die Helligkeitsentwicklung war seinerzeit noch nicht völlig klar. Umso
Journal für Astronomie Nr. 82 | 103
Kometen
9 25.11.2021, 04:30 Uhr UT, 30 min, Teleobjektiv 1:2,8 / 135 mm, modifizierte
Nikon-Kamera (Bild: Michael Jäger)
1 0 28.11.2021, 11:50 Uhr UT, 25 min, 11 Zoll Öffnung,
f/6,4, CCD-Kamera (Bild: Mike Olason)
1 1 Links: 29.11.2021, 05:20 Uhr UT,
10 min, 8 Zoll Öffnung, f/3,2, CanonKamera, bearbeitet mit Larsen-Sekanina-Filter (Bild: Norbert Mrozek)
1 2 28.11.2021, 01:38 Uhr UT,
5 min, Teleobjektiv 1:2,8 / 200 mm, Fuji-Kamera (Bild: Uwe Wohlrab)
wichtiger war es, dass die quasi-visuellen Messungen unserer Fachgruppe starteten. Am 16. März 2021 bestimmte Thomas Lehmann auf diese Weise 18,4 mag.
Im Mai war auf den Bildern bereits ein kleiner Schweif erkennbar (Abb. 3). Ende Oktober war auf den Fotografien gut zu erkennen, dass wir es mit einem gasreichen Kometen zu tun haben (Bild 5). Die erste visuelle Sichtung von 10,3 mag der Fachgruppe gelang Christian Harder am 2. November mit einem 12-Zöller.
Ab dem 15. November verlief die Helligkeitsentwicklung langsamer als mit dem Potenzgesetz prognostiziert. Es wurden Stimmen laut, ein Zerfall des Kometen stünde bevor. Dies wurde befeuert durch eine Eigenheit der Koma: Sie war eine Zeit lang nicht rund, sondern dreieckig oder tropfenförmig (Abb. 7-12 und 19-21). Der Komet ist nicht zerfallen: Bei jedem hellen Kometen wollen sich Beobachter und Auswerter dadurch hervortun, sehr zeitig einen Zerfall vorherzusagen. Dies führt zu wilden Spekulationen. Jede kleine morphologische
Veränderung oder eine gerade messbare Veränderung der Gasentwicklung werden zu nicht haltbaren Prognosen ausgebaut. Spätestens ab Mitte Dezember sah die Koma wieder völlig normal aus.
Ein Höhepunkt war die Passage am Kugelsternhaufen Messier 3. Zeitweise wurde der Haufen von der Koma überdeckt. Fast überall im deutschen Sprachraum war gutes Wetter, so dass diese Begegnung viel fotografiert und beobachtet wurde (Abb. 13-18).
104 | Journal für Astronomie Nr. 82
Kometen
1 3 - 1 7 Von links oben nach rechts
unten: 03.12.2021, 01:00 Uhr UT, gesehen im 4-Zöller bei 36x (Bild: Christian Harder)
03.12.2021, 03 Uhr UT, gesehen im 25x150-Fernglas (Bild: Jürgen Breitung)
03.12.2021, 03:08 Uhr UT, 200 s, 80 mm Öffnung, f/7, CMOS-Kamera (Bild: Walter Kutschera)
03.12.2021, 03:15 Uhr UT, 50 min, 8 Zoll Öffnung, f/4, Astronomik-UV/IR-Cut-Filter (Bild: Thomas Schmidt)
03.12.2021, 04:10 Uhr UT, 42 min, 8 Zoll Öffnung, f/2, CMOS-Kamera (Bild: Martin Nischang)
Journal für Astronomie Nr. 82 | 105
Kometen
1 8 03.12.2021, 04:55 Uhr UT, 40 min, 4 Zoll Öffnung, f/6,4,
CMOS-Kamera (Bild: Reiner Guse)
1 9 06.12.2021, 04:25 Uhr UT, 72 mm Öffnung, f/6, CMOS-Kamera
(Bild: Thorsten Zilch)
2 0 08.12.2021, 03 Uhr UT, 63 min, 55 mm Öffnung, f/5,5
(Bild: Bernhard Hubl)
2 1 09.12.2021, 04:37 Uhr UT, 13 min, 6 Zoll Öffnung, f/2,8,
modifizierte Canon-Kamera (Bild: Kamila Cymorek)
Die erste freisichtige Beobachtung meldete Jan Hattenbach am 6. Dezember von La Plama aus. Unter den guten Bedingungen dort konnte er den nur 6,2 mag hellen Nebelflecken erkennen und im Fernglas 1,7 Grad Schweif nachweisen.
Am 8. Dezember kreuzte der Komet die Erdbahn. Bei staubreichen Kometen ist oft ein Gegenschweif zu sehen. Bei Leonard aber nicht, ein weiterer Hinweis auf einen sehr gasreichen Kometen (Abb. 22).
Werner E. Celnik hat am 9. Dezember eine sehr interessante Entdeckung gemacht: Die Koma des Kometen besteht aus zwei Schalen (Abb. 23). Um dies im Bild sichtbar zu machen, war eine umfangreiche Bildbearbeitung nötig.
106 | Journal für Astronomie Nr. 82
Kometen
2 2 08.12.2021, 04:20 Uhr UT, 40 min, 8 Zoll Öffnung, f/2, modifizierte
Nikon-Kamera (Bild: Michael Jäger)
Er schrieb (gekürzt): Ich habe versucht, Strukturen in der Koma nachzuweisen: a) Subtraktion eines vom Kern aus in radialer Richtung weichgezeichneten Bildes, welches kreisförmige Strukturen innerhalb der Koma hervorhebt. Bild stark entrauscht. b) Subtraktion eines in Kreisen um den Kern herum weichgezeichneten Bildes, welches Strukturen in radialer Richtung hervorhebt. Bild ebenfalls stark entrauscht. c) Kombination von a) und b) Es sind zwei ineinander geschachtelte Schalen erkennbar. Das Bild mit den radialen Strukturen zeigt natürlich den Kometenschweifansatz bis direkt zum False Nucleus hin. Vom False Nucleus ausgehend gibt es hier eine bandförmige Struktur in Richtung 7 bis 8 Uhr, d. i. auf der der Sonne zugewandten Seite des Kometen, die Struktur setzt sich nicht als Sternstrichspur fort. Ob dies tatsächlich ein ,,Jet" ausströmender Staubmaterie ist, sei dahingestellt. Die innere Schale hat einen Radius von ca. 0,85 Bogenminuten = 3.750 km, die äußere Schale von 2,02 Bogenminuten = 8.950 km.
Am selben Morgen beobachtete Werner die Passage des Kometen an SAO 101575 (8,2 mag), kleinster Abstand 6 Bogensekunden. Sehr sehenswert (Abb. 24).
2 3 09.12.2021, 05:14 Uhr UT, 25 min, 14 Zoll Öffnung, f/7,7, CMOS-Kamera, nachbearbeitet
mit Subtraktion einer radial weichgezeichneten Bildversion, lässt Schalenstruktur erkennen (Bild: Werner E. Celnik)
Nach dem Perihel war der Komet vom deutschen Sprachraum aus nur flach am Abendhimmel sichtbar. Die sehr knappe Höhe über dem Horizont änderte sich für
2 4 09.12.2021, 06:05:18 bis 06:06:31 Uhr UT, je 2 s im Zeitabstand 4 s, 14 Zoll Öffnung, f/7,7, CMOS-Kamera, Vorübergang in 6`` Abstand
an SAO 101575 (Bild: Werner E. Celnik)
Journal für Astronomie Nr. 82 | 107
Kometen 108 | Journal für Astronomie Nr. 82
etliche Tage fast nicht. Aus diesem Grund konnte ich bereits am 10. Dezember (als der Komet noch am Morgenhimmel zu finden war) einen Versuch der Sichtung unternehmen. Mit dem 7x50-Fernglas war nichts zu finden. Der Komet befand sich im schon von der Dämmerung erhellten Himmel in 5 Grad Höhe. Die 5-mag-Sterne im Kopf der Schlange waren mit Mühe zu sehen, so dass der diffuse, aber etwa gleich helle Komet keine Chance bot. Bemerkenswert ist hingegen die Aufnahme vom 21. Dezember am Abendhimmel: Stefan Binnewies gelang es als Einzigem, den Kometen in dieser Beobachtungsperiode von Deutschland aus nachzuweisen (Abb. 27). In der Zeit der größten Helligkeit entstanden einige stimmungsvolle Aufnahmen mit Normalobjektiven und leichten Teleobjektiven, die den Kometen zusammen mit der Landschaft am Beobachtungspunkt zeigen (Bilder 2527).
Am 16. Dezember berichteten mehrere Beobachter von einem erneuten Helligkeitsausbruch. Belegt wurde dieser durch eine stark gestiegene Wasserproduktion (Faktor 3), gemessen an zwei Radioteleskopen. Im Erscheinungsbild sichtbar wurde
2 5 11.12.2021, 05:40 Uhr UT, 100 s,
Normalobjektiv 1:2,5 / 50 mm, CanonKamera (Bild: Norbert Mrozek)
2 6 15.12.2021, 18:20 Uhr UT, 182 s,
Normalobjektiv 1:4 / 50 mm, CanonKamera, Ort: Teneriffa (Bild: Otto Guthier)
2 7 21.12.2021, 16:55 Uhr UT, 100 s,
Teleobjektiv 1:4 / 200 mm, Canon-Kamera, Ort: Nutscheid, Rhein-Sieg-Kreis, NRW (Bild: Stefan Binnewies)
Kometen
2 8 Links: 21.12.2021, 19:28 Uhr UT, 18 min, 8 Zoll Öffnung, f/3, CMOS-Kamera,
remote (Bild: Gerald Rhemann)
2 9 Rechts oben: 22.12.2021, 19:51 Uhr UT, 7,5 min, Teleobjektiv 1:3,5/200 mm,
Canon-Kamera (Bild: Norbert Mrozek)
3 0 Rechts unten: 26.12.2021, 20:00 Uhr UT, 2 min, Normalobjektiv 1:4/50 mm
(Bild: Jan Hattenbach)
Journal für Astronomie Nr. 82 | 109
Kometen 110 | Journal für Astronomie Nr. 82
Kometen
3 1 26.12.2021, 19:40 Uhr UT, 8 Zoll Öffnung, f/3, CCD-Kamera, remote (Bild: Michael Jäger)
dies durch einen Knoten im Schweif (Abb. 28-31). Die Aufnahme von Jan Hattenbach belegt eine Schweiflänge von 25 Grad! Auf Bildserien zeigt sich die Drehung des Schweifs um die Längsachse: Offenbar rotiert die Koma in dieser Orientierung (Abb. 32 und 33).
Der Komet hat das Perihel überlebt. Diese Aussage war nicht ganz sicher, da er sich auf der ,,Zerfalls-Seite" der so genannten ,,Bortle-Überlebensgrenze" befand. Dies ist eine Abschätzung, welche die absolute Größe (anhand der absoluten Helligkeit) mit der Perihel-Distanz vergleicht.
Komet Leonard bot für alle etwas: Für die visuellen Beobachter war er auch mit kleinen Instrumenten zugänglich, für die Fotografen erreichbar selbst mit normalen Fotoobjektiven und für die Ergründung der Kometenphysik bot er viele Anhaltspunkte.
Anmerkung der Redaktion: In der nächsten Ausgabe des VdS-Journals für Astronomie präsentieren wir noch einige Kometenbilder aus unserer Leserschaft.
3 3 02. und 03.01.2022, 19:50 Uhr UT, Teleobjektiv 200 mm, Norden rechts
(Bild: Jan Hattenbach)
3 2 Linke Seite: Datum v.o.n.u. 25.12.,
27.12., 28.12.2021 und 01.01.2022, 12-ZollTeleskop, f/3,6, CMOS-Kamera, remote (Bild: Gerald Rhemann)
Journal für Astronomie Nr. 82 | 111
Kometen
Zeichnungen von C/2020 F3 (NEOWISE)
von Mathias Sawo
Im Juli 2020 besuchte uns der Komet C/2020 F3 (NEOWISE) und lieferte uns ein beeindruckendes Himmelsschauspiel. Zum Glück war es Sommer und gutes Wetter, so dass ich ihn oft beobachten konnte. Selbst bei nicht optimalen Bedingungen, wie z. B. von meinem Wohnort am Rande von Erfurt, begeisterte mich dieser Komet. Die schönsten Sichtungen hatte ich allerdings in der Rhön, ich fertigte Zeichnungen an, die ich hier präsentieren möchte.
Die erste Zeichnung war auf der Hohen Geba (Rhön) mit meinem Fernglas 8 x 42. Recht tief und bei Mondlicht zeigte sich der Komet aber bereits sehr eindrucksvoll mit einer Aufspaltung im vorderen Bereich (Abb. 1). Wenige Tage später dann in der Langen Rhön und bei astronomischer Dunkelheit und deutlich höher am Himmel wirkte er nochmal deutlich spektakulärer. Die zweite Zeichnung zeigt den fast 10 Grad langen Schweif, den man freisichtig sehen konnte. Auf der Zeichnung sind auch die vier Kastensterne vom Großen Wagen zu sehen, was die Ausdehnung gut zeigt (Abb. 2). Im Fernglas, in meiner dritten Zeichnung dargestellt, war von der Aufspaltung nichts mehr zu sehen, aber dafür eine Art Bugwelle an der nordwestlichen Seite vom Kopf, außerdem war recht gut ein zweiter Schweif zu erkennen (Abb. 3). (Alle Bilder: M. Sawo)
1 NEOWISE am 11.07.2020 um 23:45 Uhr im Fernglas 8 x 42
2 NEOWISE am 22.07.2020 um 00:15 Uhr, freisichtig
112 | Journal für Astronomie Nr. 82
3 NEOWISE am 22.07.2020 um 01:00 Uhr, Fernglas 8 x 42
Planeten
Online-Treffen der Fachgruppe Planeten
von Paul Hombach
Die VdS-Fachgruppe Planeten lebt! Auf der Mailingliste (planeten@planeten-liste.de) des Arbeitskreises der Planetenbeobachter wird so intensiv diskutiert wie selten. Neben der Präsentation hervorragender Planetenbilder geht es um Themen, die sehr tief in die Details von Aufnahmetechniken
einsteigen, die Beiträge hierzu sind auf hohem Niveau. Als Beispiel seien hier die Diskussionen über eine sinnvolle Verwendung von Filtern und bestimmten Kameratypen in Abhängigkeit von ihrer spektralen Empfindlichkeit genannt. Deutlich wird, dass es nicht um bloßes Vorzeigen der eigenen
1 Einige Teilnehmer des Zoomtreffens
vom 25. Januar 2022
Bilder geht, sondern dass der fachliche Austausch gesucht wird. Dabei geht es natürlich primär um Planeten, aber die mitschreibenden Planetenfans sind vielfach auch in
2 Georg Dittie präsentiert seine Vergleichsaufnahmen des Mondes.
114 | Journal für Astronomie Nr. 82
Sternbedeckungen
der Kometen- und Sonnenfotografie aktiv. Hier entsteht gerade eine Ansammlung von Best-Practice-Wissen, die einige Aktive dazu bewogen hat, die Erkenntnisse zu bündeln und übersichtlich zugängig zu machen. Der Umgangston der hier versammelten Sternfreunde untereinander ist übrigens ausgesprochen kollegial.
Da seit einiger Zeit Tagungen des Arbeitskreises in Präsenz nicht möglich sind (zuletzt traf man sich im Sommer 2019 in Bonn), braucht es andere Formate, dieses Miteinander zu pflegen. Maciej Libert, der neue Leiter der Fachgruppe, schlug daher einen Stammtisch per Zoom-Kon-
ferenz vor. Die Idee fand großen Anklang und wurde am 25. Januar 2022 erstmals realisiert. Die Zoom-Plattform stellte die VdS zur Verfügung, und 15 Teilnehmer schalteten sich zu. Maciej hatte eine kleine Agenda vorbereitet, legte den Fokus des zweistündigen Treffens ansonsten aber bewusst auf den geselligen Austausch. Ein Hauptprogrammpunkt war die Vorstellung der Aufnahmesoftware FireCapture in der neuesten Version 2.7beta. Der Entwickler des Programms, Torsten Edelmann, übernahm selbst per Screensharing einen virtuellen Rundgang durch die Feinabstimmungen seiner Software. Das Programm wird von Torsten im Dialog mit der Community
kontinuierlich weiterentwickelt. Das erklärt die Vielzahl an nützlichen und praxisnahen Tools, die das Programm bereithält, sowie die problemlose Einbindung der aktuellen Kameramodelle. Für ein weiteres Highlight sorgte Georg Dittie mit einem Kurzbeitrag zum Thema Größenvergleich des Mondes. Jeweils rund um die Vollmondphase hatte er den Erdtrabanten mit gleicher Brennweite abgelichtet, mal in der Nähe des Perigäums, mal in Erdferne.
Der Auftakt des virtuellen Planetenstammtisches ist gelungen, die Resonanz positiv. Weitere Termine werden folgen. (Alle Screenshots vom Autor)
Streifende Sternbedeckungen durch den Mond
im 3. Quartal 2022
von Eberhard Riedel
Karte mit den Grenzlinien der 4 Streifungsereignisse
Im 3. Quartal dieses Jahres einschließlich des Monats Oktober kommen Beobachter in fast allen Landesteilen Deutschlands in den Genuss der Beobachtung von vier interessanten streifenden Bedeckungen von Sternen durch den Mond. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse, die der mittlere Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns bereits in einem kleinen bis mittleren Fernrohr zu verfolgen. Alle Streifungen finden am unbeleuchteten Nordrand des Mondes in ausreichendem Abstand zum hellen Mondterminator statt und sind daher relativ leicht zu beobachten. In allen Fällen ist der Mond abnehmend, weshalb die Beobachtungen nur in der 2. Nachthälfte zu verfolgen sind.
Allgemeines Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden. Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze
Journal für Astronomie Nr. 82 | 115
Sternbedeckungen
Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerun-
gen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter Berücksichtigung der Höhe optimiert werden, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch in eine Google-Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
Die Software kann kostenlos unter www. grazprep.com heruntergeladen und ins-
talliert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.
Ereignis 1: 22.08.2022
Am frühen Morgen des 22. August nähert sich der Mond dem 7,0 mag hellen Stern SAO 77900. Auf einer Linie von Aachen über Jülich, Grevenbroich, Düsseldorf, Castrop-Rauxel, Seevetal und Bergedorf bis nach Lübeck streift der raue Nordrand des nur zu 23% beleuchteten Mondes den Stern in ausreichender Höhe über dem östlichen Horizont.
Die Abbildung 1a zeigt die scheinbare Sternbahn (blauweiß gestrichelte Linie mit Minutenangaben) für die geografische Länge 10 Grad Ost, wie sie bei einer Beobachtung von der vorhergesagten Grenzlinie verläuft. Diese Grenzlinie bezieht sich auf das mittlere Mondniveau. Das Mondrandprofil ist 12-fach überhöht dargestellt, weshalb auch die Krümmung der scheinbaren Sternbahn grafisch erforderlich ist. Die engste Annäherung zum mittleren Mondrand (weiß gepunktete Linie) findet in ausreichender Entfernung zum Terminator statt, so dass die Mondhelligkeit die Beobachtung nicht stören kann. Wegen der Absenkung des Mondterrains wäre von dieser Position allerdings keine Sternbedeckung zu verfolgen. Die roten Begrenzungslinien zeigen den
1 a Die scheinbare Sternbahn von SAO 77900 (blauweiß gestrichelte Linie) bei Beobach-
tung von der vorhergesagten Grenzlinie, mit 12-facher Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 m
Versatz der scheinbaren Sternbahn bei einer Ortsänderung von 3.000 Metern in nordwestlicher bzw. südöstlicher Richtung senkrecht zur Bewegungsrichtung des Mondschattens.
Die Abbildung 1b zeigt die scheinbare Sternbahn von einer Beobachtungsstation knapp 1.400 Meter südöstlich der vorherigen. Von dieser Stelle kommt es ab 03:43 Uhr MESZ innerhalb von 50 Sekunden zu 10 oder sogar mehr Kontakten zwischen
Stern und Mondrand (ungefähre Zeiten s. Inset), d. h. der Stern verschwindet fünfmal nacheinander. Aber auch innerhalb des von den roten Grenzlinien gekennzeichneten +- 600 Meter breiten Streifens kommt es zu mehrfachen Bedeckungsereignissen mit jeweils ganz unterschiedlichen Kontaktzeiten.
Einen Einfluss auf die zu beobachtenden Kontakte hat auch die Höhe des Beobachtungsortes, für die die aufzusuchende
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Beobachtungsposition korrigiert werden muss (zur Software s. Haupttext).
SAO 77900 ist nicht als Doppelstern bekannt. Nicht selten wurden allerdings bei Sternbedeckungen durch ein zeitversetztes Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns Doppelsterne entdeckt.
Sternbedeckungen
1 b Die scheinbare Sternbahn von SAO 77900 bei einer Beobachtung knapp 1.400 Meter
südöstlich der vorhergesagten Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 600 m
Ereignis 2: 16.10.2022
Zwei Stunden nach Mitternacht kommt es am Sonntag, dem 16. Oktober, zu einer streifenden Bedeckung des 6,7 mag hellen Sterns SAO 78196, vorausgesetzt, man ist in der Nähe eines Streifens, der von Karlsruhe über Tauberbischofsheim, südlich von Würzburg, Coburg, Schmölln und Riesa bis Cottbus reicht. Bei einem Beleuchtungsgrad von 65% liegt der helle Terminator in genügendem Abstand zur Streifungszone.
Auch in diesem Fall muss man ein ganzes Stück nach Süden ausweichen, damit der Mond mit möglichst vielen unbeleuchteten Strukturen den Stern bedecken kann. Die Abbildung 2 gibt die ungefähren Kontaktzeiten eines 7-maligen Verschwindens und Wiedererscheinens des Sterns zwischen 02:03:53 und 02:06:17 Uhr MESZ wieder, wie man es ca. 1.200 m südöstlich der Vorhersagelinie beobachten kann.
Die Zeiten gelten für die in der Grafik angegebene geografische Position von 10 Grad
2 Die scheinbare Sternbahn von SAO 78196 bei Beobachtung ca. 1.200 m südöstlich der
Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung; rote Begrenzungslinien bei +- 1.000 m
östl. Länge und weichen an anderen Längen entlang der von West nach Ost verlaufenden Streifungslinie naturgemäß ab. Die roten Begrenzungslinien zeigen einen Versatz am Erdboden von +- 1.000 m. Das Mondrandprofil ist 12-fach überhöht dargestellt.
SAO 78196 ist ein sehr enger Doppelstern, dessen Verschwinden und Wiedererscheinen am Mondrand jeweils nicht schlagartig erfolgt. Dieses Phänomen ist aber nur bei einer Verwendung von Aufzeichnungstechniken mit sehr hoher zeitlicher Auflösung feststellbar und visuell nicht erkennbar.
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Sternbedeckungen
Ereignis 3: 17.10.2022
Knapp 24 Stunden später in der Nacht auf den 17. Oktober wird der 5,8 mag helle Stern 47 Geminorum streifend bedeckt. Das Ereignis findet auf einer Linie beginnend in Saarlouis über Bingen am Rhein, Wiesbaden, Friedewald, Sondershausen, Bad Belzig und Berlin bis Bad Freienwalde (Oder) statt.
Der Mond ist noch zu 56% beleuchtet, der Terminator aber erneut nicht störend. Die Abbildung 3 zeigt 8 Kontakte zwischen Mondrand und Stern bei einem Verlassen der Vorhersagelinie um 1.600 m in südöstlicher Richtung. Die Kontakte können bei der Länge von 10 Grad Ost ab 01:43:20 Uhr MESZ während knapp 2 Minuten beobachtet werden. Die roten Begrenzungslinien zeigen erneut einen Versatz am Erdboden von +- 1.000 m. Das Mondrandprofil ist 12-fach überhöht dargestellt.
3 Die scheinbare Sternbahn von 47 Geminorum bei Beobachtung ca. 1.600 m südöstlich
der Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung; rote Begrenzungslinien bei +-. 1.000 m
47 Geminorum ist nicht als Doppelstern bekannt.
Ereignis 4: 17.10.2022
Am frühen Morgen des gleichen Tages liegt auch der 7,0 mag helle Stern SAO 79286 auf der Bahn des nördlichen Mondrandes. Wenn man sich irgendwo auf einer Linie von Leer (Ostfriesland) über Zeven, Hanstedt, Lüneburg und Wittstock/Dosse bis Schwedt/Oder befindet, kann dort ab 06:14 Uhr MESZ das mehrfache Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns verfolgt werden.
In diesem Fall stört der helle Terminator, so dass die ersten Kontakte zwischen Mond und Stern nicht sichtbar sind. Um dennoch möglichst viele Kontakte zu sehen und gleichzeitig einen größtmöglichen Abstand vom Terminator zu haben, bietet es sich an, tief in das lunare Terrain ,,einzutauchen". Die Abbildung 4 zeigt die scheinbare Sternbahn erneut bei Länge 10 Grad Ost bei einer Ablage ca. 2.200 m südlich der Vorhersagelinie. Von dieser Position streift der Mond mit einer langen fla-
4 Die scheinbare Sternbahn von SAO 79286 bei Beobachtung ca. 2.200 m südöstlich der
Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung; rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 m
chen Talstruktur ab 06:17 Uhr MESZ den Stern für gut 39 Sekunden.
artig erfolgt. Visuell wird dieses aber nicht erkennbar sein.
SAO 79286 ist ein sehr enger Doppelstern, dessen Verschwinden und Wiedererscheinen am Mondrand jeweils nicht schlag-
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Veränderliche
OW Geminorum
- ein langperiodischer Bedeckungsstern 2022
von Dietmar Bannuscher
Der sehr langperiodische Bedeckungsstern OW Gem zeigt Anfang September eines seiner raren Minima. Mit einer Periode von 1.258,581 Tagen steht er neben Epsilon Aur und VV Cep an dritter Stelle der Rangfolge in dieser Kategorie.
Ein kleinerer, weißer Stern wird von einem sehr viel größeren, gelborangenen Partner bedeckt. Die Helligkeit sinkt dann von 8,2 auf ca. 10 mag, eine deutliche Helligkeitsminderung. Trotz dieser sehr großen Amplitude wurde der Stern erst 1988 von dem AAVSO-Beobachter Dan H. Kaiser auf Überwachungsfotos entdeckt. Die große Plattensammlung der Harvard-Universität zeigte dann im Nachhinein die Periode, welche nach den letzten Bedeckungen noch einmal leicht korrigiert werden konnte [1]. Diese Erscheinung selbst dauert rund zwei Wochen und das nächste Minimum (die Mitte der Bedeckung, genauer gesagt) ist für den 6. September 2022 vorausgesagt. Somit sollte der geneigte Beobachter bereits Mitte August nach dem Stern in den Zwillingen Ausschau halten. Das ist nicht ganz einfach, muss das Wintersternbild doch am Morgenhimmel aufgesucht werden. Mitte/ Ende August sind die Nächte wieder etwas länger, so dass eine Sichtung schon gelingen kann. Wegen der langen Periode fallen die Minima (alle 3,44 Jahre) häufig nicht in die ideale Beobachtungszeit für den Veränderlichen, sie laufen durchaus auch unsichtbar für uns ab.
1 OW-Gem-Vergleichssternkarte der AAVSO, mit freundlicher Genehmigung
Umso mehr sollten wir dieses schmale Zeitfenster für eine Beobachtung nutzen. Viel Freude bei der Beobachtung, berichten Sie von Ihren Sichtungen.
OW Geminorum
Literaturhinweis: [1] A. Viertel, 2012: ,,Der Bedeckungs
veränderliche OW Geminorum", BAV Rundbrief 3-2012, S. 156 ff.
Rektasz. Dekl. (2000.0)
06h 31m 41,77s + 17 Grad 04` 56,3``
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Veränderliche
Transit-Messungen für die ESA an der Sternwarte Kirchheim (Teil 2)
von Bernhard Wenzel
Der erste Teil dieses Beitrags erschien im VdS-Journal für Astronomie 81 ab Seite 30.
6. August 2021: 60-cm-Cassegrain mit TrES-5b und 30-cm-Newton mit DY PEG: Diesmal lief alles glatt. Vom Einschalten und Kalibrieren des Cassegrain bis zur Aufnahme dauerte es ca. 15 Minuten. Dann kamen die ersten Daten des Exoplaneten TrES-5b herein (Abb. 7 und 8). So wie man es sich von fix aufgestellten Teleskopen wünscht: Einschalten - GOTO - Aufnahme! Die Auswertung war ein Erfolg! TRESCA und ExoClock haben die Messung akzeptiert (Abb. 9 und 10)!
Der 12-Zoll-Newton wurde mit Justierlaser am Nachmittag eingestellt und austariert. Dann wurde wieder der Delta-Scuti-Stern DY PEG angefahren. Es ist immer gut Vergleichsmessungen mit bekannten Sternen zu machen, wenn eine neue Teleskop-Ka-
7 Es kommen die ersten Daten von TrES-5b
herein. Nun kann man sich zurücklehnen und den Transit genießen. Sieht man doch ,,live" einem Lichtjahre entfernten Planeten beim Tanz um den Heimatstern zu!
mera-Kombination ihre fotometrische Arbeit aufnimmt. Diesmal lief alles perfekt! Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Und wieder eine Einreichung bei HADS und der BAV (Abb. 11)!
Am Ende der Messung von TrES-5b war noch Zeit. Also wurde der Delta-ScutiStern BL CAM aufs Korn genommen (Abb. 12). Auch hier sind die Messpunkte im Millimag-Bereich, die Kurve verläuft ohne merkliche Streuung. Da sieht man schon die Stärken eines 60-cm-Cassegrains!
8. August 2021: 60-cm-Cassegrain mit HAT-P-37 und 30-cm-Newton mit TrES-3b: Aus HAT-P-37 sollte leider nichts werden. Anfänglich lief alles gut, und ich habe mich mit dem 12-Zöller TrES-3b gewidmet. Wer glaubt, ein Sternwarten-Teleskop hat keine Abstürze oder läuft problemfreier als die eigenen Geräte, sollte eines Besseren belehrt werden. Leider war wieder die CCDKamera vom 24-Zöller abgeschmiert. Der Transit war nicht mehr zu retten. Dafür war TrES-3b, diesmal mit der Canon 200D, ein Erfolg (Abb. 13 und 14). Man muss eben in der Nacht doch öfter hin- und herlaufen
8 MuniWin: Die Lücken von Abb. 7 lassen sich mit einer genaueren Auswertung mit Darks und Flats noch verbessern,
wie man sieht. Hat man einmal ein Bild wie dieses, so ist ein Erfolg bei ExoClock und TRESCA garantiert!
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Veränderliche
9 TrES-5b bei der ETD. Die Datenqualität
hat Note 2 und die Genauigkeit liegt bei tollen S = 3,1 mmag. ,,Original data" sind meine Rohwerte. Die Kurve kann auch bei hoher Luftmasse schief sein. Die graue Kurve mit ,,Trend removed" ist der Fit der ETD.
und immer wieder prüfen, ob alles läuft. Da habe ich mir die CCD-Kamera vom Cassegrain einmal genauer angesehen: Das lange RS232-Kabel war locker. Die Stecker habe ich fest zusammengepresst, dann lief die CCD-Kamera wieder. Gut, das sind Erfahrungswerte ...
Ich habe ja mein Lieblingsprojekt HADS (High Amplitude Delta Scuti)! Der DeltaScuti V536 PEG hatte eine gute Vorhersage und hatte mir dann auch ein perfektes Maximum beschert. Das Teleskop lief bis zur Morgendämmerung zuverlässig durch (Abb. 16)!
9. August 2021: 60-cm-Cassegrain mit Wasp-60 und 30-cm-Newton mit KPS-1b: Diesmal war Wasp-60 beim 24-Zöller dran. Da der Transit über vier Stunden dauerte, war die Kurve anfänglich schwer zu erkennen. Einige Wolken zogen durch, und erst nach Entfernen der gröbsten Ausreißer war die Transit-Lichtkurve da (Abb. 15). Die Einreichung bei ExoClock steht noch aus. Mein 12-Zöller mit KPS-1b hatte da weniger Glück. Die Wolken zogen genau beim Mid-Transit vor den Stern. Die Auswertung bei ExoClock verlief schwierig und wurde vorerst abgelehnt. Erst die vierte Version mit anderen Vergleichs- und Checksternen führte zum Erfolg. Die Abweichung bei ExoClock darf nicht mehr als 10 Minuten von der Vorhersage betragen, sonst wird die Messung nicht akzeptiert. Hier geht es darum, den Transit zu retten und nicht die beste Messung zu haben. Bei Schönwetter hat man solche Probleme nicht. Ziehen Wolken genau im Transit durch, tut sich die ExoClock-Software natürlich schwer. Dann müssen die Vergleichs- und Checksterne perfekt gewählt werden (Abb. 17).
1 0 TrES-5b bei ExoClock. Observed - Calculated: O-C liegt bei -1,9 min mit einer Genauigkeit
von +- 0,7 Minuten. Eine perfekte Messung! Unten bei STD sind die Residuen oder die Streuung bzw. Genauigkeit der Messwerte angegeben. STD = 3,3 Promille sind ganz gut.
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Veränderliche
1 1 DY PEG am 30-cm-Newton. Es sind nahezu zwei Maxima zu sehen. Die Fehlerbalken sind noch kleiner als beim 20-cm-Newton vom
Vortag. Lediglich eine kleine Streuung durch Wolken links unten beim Anstieg ist zu sehen. Sie spielt für die Auswertung aber keine Rolle.
Fazit Das Arbeiten mit zwei Teleskopen hat sich bewährt und ist sehr effektiv, erfordert aber die volle Aufmerksamkeit. Einmal musste ich zwei Stunden pausieren, weil durch
Mähdrescher auf den angrenzenden Feldern erzeugte Staubwolken in Richtung Sternwartengelände zogen. Als die Wolke weg und die Luft wieder klar war, konnte ich erneut starten (Abb. 18). Doch leider hat
mir dann Windows einen Strich durch den Transit gemacht. Es kam die Meldung ,,Wollen Sie jetzt die Updates machen oder später?" Was für eine Frage. Wenn man mitten im Datensammeln ist, klickt man nicht auf
1 2 Der Delta-Scuti-Stern BL CAM mit dem 60-cm-Cassegrain fotometriert. Auch hier sind die Messpunkte im mmag-Bereich,
die Kurve zeigt keine merkliche Streuung. Da zeigt sich die Stärke eines 60-cm-Casseg rains!
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1 3 TrEs-3b am 30-cm-Newton. Daten-
qualität DQ = 3 und die Genauigkeit mit 7,7 mmag ist zufriedenstellend. Unten in der Box sind die Dauer (Duration) und die gemessene Transittiefe (Depth) angegeben.
,,jetzt", sondern auf ,,später". Doch ,,später" ist wohl eine Definitionssache - Stunden? Minuten? ... Als ich das nächste Mal zum Teleskop kam, wurde Windows gerade neu gestartet und spielte eine Stunde die Updates ein. Die Teleskopsteuerung sowie die CCD-Kamera waren natürlich abgestürzt. Mir wurde dann gesagt, die Kirchheimer trennen bei sensiblen Beobachtungen den Steuerrechner vom Netz, damit das nicht passiert. Ich brauche aber diverse Web-Seiten wie HADS, AAVSO-VariableS tarPlotter (VSP) beim Beobachten [13].
Mein 12-Zoll-Newton hat gut funktioniert. Die AZ-EQ6-Pro und das Guiding haben mit dem Gewicht keine Probleme gehabt. Es muss eben alles gut austariert sein, da die Motoren kein großes Drehmoment aufbringen. Wind gab es in Kirchheim in der Nacht glücklicherweise nicht, nur am Tage. Jetzt, wo ich das gerade schreibe, läuft bei mir am Balkon Wasp-28 mit dem 12er. Es geht voll der Wind. Gut, ich brauche keine 5 min Belichtung. Normal knipse ich Transits alle 60 s ohne Pause (auch DeltaScuti-Sterne können 1-2 min Pause dazwischen haben). Bei Wind müssen eben 30-s-Frames reichen bzw. man wählt ei-
1 4 TrEs-3b bei ExoClock. O-C muss
immer unter 10 Minuten sein, um von der ESA akzeptiert zu werden, hier also kein Problem. Die hellblaue Kurve ist die Vorhersage, die rote Kurve die von mir gemessene. Die Standardabweichung als Maß für die Genauigkeit liegt bei 7,8 Promille (ähnlich zu 7,7 mmag von der ETD ermittelt).
Veränderliche Journal für Astronomie Nr. 82 | 123
Veränderliche
1 5 Wasp-60 mit dem 60-cm-Cassegrain. So wie die Lichtkurve in MuniWin aussieht, wird auch diese ein Erfolg werden!
nen Stern, wo das Signal-to-Noise (SNR) bei 30 s eben reicht. Wenn einige Frames nichts werden, so ist das nicht schlimm bei der Menge. Somit kann ich sagen, für mei-
ne fotometrischen Anwendungsfälle ist die Windfangfläche nicht tragisch. Wer keine 12-Zoll-Newtons mit EQ6-R (ebenfalls 20 kg Tragekraft) verkauft bekommt (Zitat ei-
nes Verkäufers: ,,Nein, ohne EQ-8 geht das nicht."), bestellt eben bei Orion-Optics in UK die VX-Leichtbau-Newtons mit 15 kg Eigengewicht (Suchmaschine: ,,Orion Op-
1 6 Der Delta-Scuti V536 PEG hat die Nacht beim Cassegrain gerettet. Die Messwerte lagen wieder im unglaublich guten mmag-Bereich!
Die Kurve ist super stabil ohne Streuung.
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Veränderliche
tics UK Teleskop N 300/1200 VX12 OTA"). Die Brennweite von 1,2 m ist auch perfekt für die Fotometrie. Viel größer würde ich nicht nehmen, da bei längerer Brennweite immer weniger passende Vergleichssterne im Bildfeld sind. Die Apertur f/4 hat den Vorteil, dass ich mit 1 min Belichtung in 90% der Fälle auskomme. Auch ein teurer Carbon-Tubus ist nicht erforderlich. Wir stellen sowieso etwas unscharf ein, damit sich das Sternenlicht über mehrere Pixel verteilt. Das macht die Messungen genauer und besser. Hat man also eine temperaturbedingte Fokusdrift vom Tubus oder dem Fangspiegel, so ändert sich lediglich der Fehlerbalken einer Messung. Dieses sind die unkomplizierten Sachen bei der Veränderlichen-Beobachtung.
Ich bedanke mich an dieser Stelle bei der Sternwarte Kirchheim für die freundliche Aufnahme und die Ermöglichung der Benutzung des besten Teleskops! Der Wis-
senschaft und auch meiner Freude wurden damit mehr als gedient. Tja und wenn man schon von Freude spricht, es ist gerade am 26. Oktober 2021 die ESO-Publikation über aktuelle Transit-Ephemeriden herausgekommen: ,,ExoClock project II: A largescale integrated study with 180 updated exoplanet ephemerides" [14]. Es ist ein Ge-
1 7 KPS-1b mit dem 30-cm-Newton wartet
noch auf das Ergebnis. Hier ist eine vorläufige Einreichung bei ExoClock, die erst geprüft werden muss. Oft reicht es aus, den Abstieg und ausreichend viele Messwerte in der Transittiefe zu haben, damit die Messung ein Erfolg wird.
1 8 HAT-P-6b mit dem 30-cm-Newton, leider nur der halbe Transit, weil davor einige Mähdrescher das Gelände in Staub gehüllt hatten ...
Wolken der unangenehmeren Art, müsste man doch danach den Spiegel putzen. Auch dieser Transit muss erst fertig bearbeitet werden.
Journal für Astronomie Nr. 82 | 125
Veränderliche
1 9 Der Autor vor dem Juwel
der Sternwarte, dem 60-cmCassegrain-Teleskop. Danke, Kirchheim!
meinschafts-Paper von 105 Beobachtern. Soweit ich gesehen habe, stehen von der BAV Manfred Rätz und meine Wenigkeit mit drauf. Doch das sind noch viel zu wenige, das Projekt braucht weitere Beobachter! Dies ist auch durch die Sternwarte Kirchheim möglich gemacht worden. Die einfachen Transits mache ich daheim, die schweren Brocken waren die 700 km lange Reise mehr als wert. DANKE, Verein Kirchheim (Abb. 19)!
Ausblick und Einladung Ja, liebe Sternfreunde, wenn der eine oder die andere mitmachen möchte, die ETD hat derzeit ca. 1.300 Beobachter. Das ESA-Projekt ExoClock hat dagegen mit Stand Ende Oktober 2021 nur ,,133 Observer" gelistet. Da ist noch Luft nach oben! Denn wenn der
Satellit ARIEL startet, müssen alle Transits genau bestimmt sein [15] (Abb. 20)! ExoClock hat ein CHAT-Tool namens SLACK [16]. Dort kann man eigentlich immer Fragen stellen.
Aber auch die BAV oder der Emailverteiler forum@bav-astro.eu freuen sich auf Anfragen. Ebenso das VdS-Forum/Rubrik Veränderliche.
Projekt Datamining Andromeda CC AND Ich rate allen Interessierten, zunächst einen leichteren Bedeckungsveränderlichen oder Delta-Scuti-Stern als Einstieg zu fotometrieren. Diese haben Amplituden von 0,5 bis 3 mag. Wer die Andromeda-Galaxie schon geknipst hat, kann den Delta-Scuti CC AND versuchen auszuwerten. Man gibt CC AND in den AAVSO-VSP ein, wählt ein passendes Gesichtsfeld, lädt MuniWin herunter und liest die ältere, aber schnellere Einführung vom BAV-Kollegen Erik
2 0 ExoClock-Berechnungen der Transit-Durchgänge von TrES-2b. Schwarz sind Literatur-
messungen der Berufsastronomie. Rot sind aktuelle Transits von ExoClock. Die graue Linie, welche den blauen Bereich 2029 trifft, ist gut mit +- 9 Minuten bestimmt. Leider sind nicht alle Exoplaneten so genau bestimmt bzw. müssen die nächsten Jahre weiterhin auf Abweichungen überprüft werden. Wir brauchen noch Leute, die mitmachen!
Wischnewski [17-19]. Oder man geht auf die Seite von Zooniverse [20]. Die Projektseite hat tolle Grafiken und Videos! Eine Fundgrube ist auch der BAV Rundbrief [21] in digitaler Form!
Literatur- und Internethinweise (Stand 1.11.2021): [13] AAVSO VariableStarPlotter (VSP):
https://app.aavso.org/vsp [14] A. Kokori et al., 2021: ,,ExoClock
project II: A large-scale integrated study with 180 updated exoplanet ephemerides", https://arxiv.org/ pdf/2110.13863.pdf [15] Universität Wien, Institut für Astrophysik, 2020: ,,ESA gibt Startschuss für das Weltraumteleskop ARIEL", https://news.univie.ac.at/presse/ aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/esa-gibt-startschussfuer-das-weltraumteleskop-ariel/ [16] ExoClock SLACK Web-Chat: https://exoclock.slack.com/ [17] E. Wischnewski, BAV Rundbrief 2011: ,,DSLR.Photometrie mit MuniWin", https://www.bav-astro.eu/rb/ rb2011-4/270.pdf [18] E. Wischnewski: ,,Digitalbilder photometrieren", AstronomieTelevision 77, www.youtube.com/ watch?v=eN400Gf8mi8 [19] E. Wischnewski: ,,Photometrie mit MuniWin": Astronomie-Television 79, www.youtube.com/ watch?v=xgofdT3Uuk0 [20] Zooniverse, ,,Planet Hunters NGTS", www.zooniverse.org/projects/ mschwamb/planet-hunters-ngts/ about/research" [21] BAV Rundbriefe, www.bav-astro.eu/ index.php/veroeffentlichungen/bavrundbrief/beitraege-finden
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Veränderliche
Die 16. Veränderlichen-Beobachtungswoche der BAV an der VdS-Sternwarte in Kirchheim
von Oliver Domann
Die 16. Veränderlichen-Beobachtungswoche der BAV fand vom 7. bis 15. August 2021 an der VdS-Sternwarte Kirchheim in Thüringen statt. Teilgenommen haben Gerhard Bösch, Oliver Domann, GerdUwe Flechsig, Maxim Frizler, Eyck Rudolph, Axel Thomas, Bernhard Wenzel und Volker Wickert. Die Teilnehmergruppe bestand aus vielen ,,alten Hasen" mit einem großen Erfahrungsschatz, aber auch aus Einsteigern, die neugierig auf das Thema der Beobachtung von veränderlichen Sternen sind.
Auch diese BAV-Woche 2021 wurde unter den Rahmenbedingungen abgehalten, welche uns die Corona-Pandemie auferlegte. Doch alle Teilnehmer sind gesund an- und auch wieder abgereist.
In den insgesamt vier sternenklaren Nächten wurden die eigenen mitgebrachten Teleskope auf dem zentralen Platz der Sternwarte aufgebaut, ausgerichtet und die verschiedenen Aufnahmeserien gestartet.
Einige Teilnehmer haben auch ihr neues Equipment ausprobiert oder die Teleskope der Sternwarte benutzt.
Besonders erwähnenswert ist die letzte Nacht vom 14. auf den 15. August 2021. Hier kündigte sich schon tagsüber gutes Beobachtungswetter an. Doch während der Dämmerung starteten mehrere Mähdrescher ihre Arbeit und fuhren die Ernte der umliegenden Felder ein. Dies wirbelte so viel Stroh-Staub auf, dass ganz Kirchheim eingenebelt wurde und nur noch die Kirchturmspitze aus der Dunstschicht herausragte (Abb. 1). Gegen Mitternacht beendeten die Mähdrescher ihr Werk, und es kehrte wieder die gewohnte nächtliche Ruhe ein.
Tagsüber wurden wertvolle Erfahrungen ausgetauscht, die nachts erstellten Fotoserien ausgewertet und verglichen sowie Seminare abgehalten. In einem Seminar wurde das Autoguiding-Programm PHD vorgestellt, um den gewählten Himmels-
ausschnitt über die gesamte Aufnahmeserie gut positioniert zu halten. In einem anderen Seminar wurde der weitere Verarbeitungsweg von der Lichtkurve eines PulsationsVeränderlichen bis zu den gesuchten Maximum-Zeitpunkten nebst zugehörigem Fehlerbetrag vorgestellt und diskutiert.
Seit letztem Jahr ist Kirchheim um eine Attraktion reicher geworden. Ein Planetenwanderweg führt von der VdS-Sternwarte Kirchheim (Abb. 2) bis zur Mitte Thüringens, wo die Schautafel mit dem Neptun steht. Die einzelnen Tafeln zur Sonne und zu den Planeten sind sehr übersichtlich und interessant gestaltet, lehrreich und hochwertig.
Für das Jahr 2022 ist wieder eine BAV-Beobachtungswoche geplant, auf die ich mich schon sehr freue.
Bei allen Beteiligten, welche die Beobachtungswoche 2021 ermöglicht haben, möchte ich mich ganz herzlich bedanken!
1 Kirchheim im Mähdrescher-Dunst am 14. August 2021
2 Startpunkt des neuen Planetenwanderweges an der
VdS-Sternwarte Kirchheim
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Veränderliche
V1166 Her
- Beobachtungen des d-Scuti-Sterns von Mai - Juli 2021
von Matthias Kolb
V1166 Her ist ein High-Amplitude-DeltaScuti-Stern (HADS), über den ich bisher wenige Informationen in der astronomischen Literatur gefunden habe. Im VSX (Variable Star Index) [1] der AAVSO finden sich die Basisdaten (aus der ASAS-Durchmusterung, Pojmanski 2002 [2]), s. Kasten 1. Dabei gibt es einen kleinen Widerspruch zur Periode im GCVS (General Catalogue of Variable Stars) [3], der ebenfalls Pojmanski 2002 zitiert, aber für die Periode 0,108157 angibt, entsprechend einer Frequenz von 9,24582 d-1.
Es scheint noch keine detailliertere Analyse des Sterns ausgearbeitet worden zu sein, außer der Periode aus den Katalogen habe ich keine Arbeit gefunden, die eventuelle andere Moden oder Amplitudenschwankungen beschreibt. Ziel meiner kleinen Beobachtungskampagne war es also, herauszufinden, ob sich solche Hinweise ergeben oder ob der Stern tatsächlich hautsächlich in einer Mode pulsiert.
1 V1166 Her - Powerspektrum der Fourieranalyse der Beobachtungsdaten
Zwischen dem 23. Mai und 22. Juli 2021 habe ich den Stern in 15 Lichtkurven (teilweise nicht vollständig) aufgenommen (s. Absatz unten: Technische Details). Mein kleiner Refraktor mit DSLR ist in diesem Bereich nahe an seiner Leistungsgrenze hinsichtlich Fotometrie, dementsprechend sind die Lichtkurven teilweise nicht besonders ,,glatt" und einige deutliche Ausreißer treten auf. Dennoch lässt sich insgesamt eine vernünftige Auswertung der Perioden der Pulsation durchführen. Dazu verwende ich, wie bei der im BAV-Rundbrief 2/2021 [4] gezeigten Auswertung des HADS-Sterns VZ Cancri, das Programm VStar (AAVSO) [5]. Dabei werden die Helligkeiten als Funktion der Beobachtungszeit einer Fourieranalyse unterworfen. Als Ergebnis erhält man ein so genanntes Powerspektrum der Frequenzen, die in der Fourier-Zerlegung der Lichtkurve die größten Anteile haben.
2 V1166 Her - Powerspektrum der Fourieranalyse der Residuen
(nach Abzug der Modellberechnung)
Basisdaten
Die Abbildung 1 zeigt solch ein Spektrum der Frequenzen. Man sieht, dass der höchste Peak in der Mitte eine Frequenz von 9,2455 d-1 (0,108161 d) aufweist, in guter Übereinstimmung mit der o. g. Literatur. Der Beitrag dieser Frequenz zur Semiamplitude der Schwingung wird mit 0,2317
von V1166 Her
Periode:
entspricht einer Frequenz von:
0,10818 Tage = 2,596 Stunden
9,2439 / d
V-Helligkeit: 12,5 - 13,3 mag
mag berechnet. Rechts und links daneben
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Veränderliche
3 V1166 Her - Beobachtungsdaten und Modell als Phasendiagramm
sind Frequenzen zu sehen, die nach außen jeweils an Intensität verlieren. Die Abstände betragen jeweils 1 d-1. Es handelt sich dabei wohl um Artefakte der Fourieranalyse aufgrund der Vielzahl fehlender Beobachtungsdaten im Gesamtzeitraum. Man muss sich vergegenwärtigen, dass in diesem Zeitraum von 60 Tagen etwa 550 Zyklen auftraten, von denen gerade mal 15, also 2,7 %, in die Auswertung eingehen. Im nächsten Schritt wird ein Modell auf Basis dieser Frequenz (und zweier Obertöne) berechnet und die Residuen zwischen den mit diesem Modell berechneten Werten und den Messwerten einer neuen Fourieranalyse unterworfen. Damit soll geprüft werden, ob sich weitere Pulsationsfrequenzen zeigen (wie beim bereits oben genannten VZ Cnc, siehe BAV Rundbrief 2/2021). Die Auswertung in der Abbildung 2 zeigt zwei Verteilungen an, eine zentriert um 13,9690 d-1, die andere um 4,7222 d-1. Allerdings tragen beide nur wenig zur Amplitude der Oszillation bei: 0,0395 bzw. 0,0328 mag.
Daher ist die Interpretation dieser Frequenzen auch eher spekulativ. 4,722 ist ziemlich genau die Hälfte von 9,2455, daher vermute ich auch hier ein Artefakt der Fourieranalyse. Das Verhältnis 9,2455/13,969 ist etwa
0,68 - nahe an dem Faktor von etwa 0,69, den man für den Quotienten aus der radialen Fundamental- und der zweiten radialen Oberschwingung erwarten würde. Dementsprechend wäre also die Hauptfrequenz die radiale Fundamentalschwingung. Ob das so ist, muss aber offenbleiben, da bei HADS-Sternen eigentlich zumeist eine radiale Oberschwingung vorherrscht. Wie dem auch sei, es bleibt festzustellen, dass meine Messergebnisse keine signifikanten Beiträge einer anderen Schwingungsfrequenz als die in den Datenbanken erfasste erkennen lassen.
Das würde auch vermuten lassen, dass die Amplituden nicht sehr schwanken. In dem Phasenplot (Abb. 3) sind alle Messwerte als Funktion der Phase zwischen 0 und 1 aufgetragen, die sich aus der berechneten Periode von 0,108161 ergibt. Man sieht natürlich Variationen der Minima und Maxima, die sich im Rahmen der Literaturwerte von 12,5 bis 13,2 mag bewegen. Die Lichtkurven als solche zeigen aber keine dramatischen Unterschiede in den Amplituden, wie dies bei VZ Cnc der Fall ist. Da die Minima der einzelnen Lichtkurven nur schwer genau zu lokalisieren sind (da ist meine Ausrüstung an der Leistungsgrenze), habe ich keine sta-
tistische Auswertung der Amplituden vorgenommen.
Beifang: V1165 Her und V656 Ser Direkt in der Nähe von V1166 Her befindet sich V1165 Her. Eigentlich würde er sich prima als Vergleichsstern eignen, aber da er selbst - wie der Name ja schon sagt - variabel ist, fällt er aus dieser Rolle heraus. Aber wenn man schon mal ein paar Hundert Aufnahmen gemacht hat, auf denen der Stern immer abgebildet ist, lohnt es sich natürlich, auch mal eine fotometrische Auswertung zu machen.
Nun handelt es sich bei diesem Stern um einen Veränderlichen vom RS-CanumVenaticorum-Typ. Dabei geht es um Bedeckungsveränderliche, bei denen der dunklere Stern eine großen ,,Sonnenfleck" aufweist.
Die Daten aus dem VSX-Katalog: Helligkeit im V-Band 10,2-10,6 mag, Periode 1,437 Tage, also etwa 13-mal länger als V1166 Her. Dementsprechend hat man in einem Beobachtungslauf von V1166 Her nur einen geringen Helligkeitsverlauf bei V1165 Her zu erwarten. Eine vollständige Lichtkurve ist daher noch nicht aufgenommen,
Journal für Astronomie Nr. 82 | 129
Veränderliche
4 V1165 Her - Beobachtungsdaten und Modell als Phasendiagramm
aber die bisherigen Daten zeigen eine recht breite Streuung und ein Maximum der Helligkeit bei 10,22 und ein Minimum bei 10,5 mag mit einer Periode von 1,4404 Tagen in ordentlicher Übereinstimmung mit den VSX-Daten. Auch zu diesem Stern gab es in der Datenbank der AAVSO (AID) bisher keine Einträge.
fälligen ,,Wahl" des Beobachtungsfensters zu treffen. Umso erfreuter war ich, dass das Zentrum der Bedeckung in meinen Daten auftaucht (Abb. 5). Die V-Magnituden sind für mein Setup extrem grenzwertig, daher
auch die recht große Streuung, aber insgesamt eine schöne Überraschung. Wiederum fanden sich bisher keine Beobachtungsdaten in der AID.
Man sieht in der Abbildung 4, dass sich zwei Maxima/Minima andeuten. Das liegt daran, dass neben der normalen Bedeckungsvariabilität eine Modulation der Lichtkurve durch die Rotation des Sonnenfleckes mit dem Stern erzeugt wird (siehe die Untersuchung am Stern GSC 02038-00293 von Rodda et. al., 2012) [6].
In einer der Beobachtungsnächte habe ich einen Fehler gemacht, der dazu führte, dass ich außerhalb des Bereiches meines Zielsternes lag. Eine Suche im GCVS ergab einen interessanten Treffer im aufgenommenen Himmelsbereich: V656 Ser, ein Bedeckungsveränderlicher vom Algol-Typ. Periode ist 4,748383 d nach VSX, Magnituden V zwischen 12,7 und 13,8. Nun kann man bei einer Beobachtungsdauer von 3,2 Stunden nur knapp 3% der Lichtkurve abdecken, es ist also recht unwahrscheinlich, ausgerechnet die Bedeckung bei einer zu-
5 Minimum der Bedeckung von V656 Ser
130 | Journal für Astronomie Nr. 82
VdS-Nachrichten
Technische Details Die Aufnahmen wurden mit einem 500-mm-Refraktor f/5,6 und einer DSLRKamera Canon 450D erstellt und - von einigen Ausnahmen abgesehen - jeweils 10 Aufnahmen à 15 Sekunden mit ISO 200 gestackt und mittels IRIS ausgewertet. Die erhaltenen Rohdaten (instrumentelle Magnituden) wurden dann verwendet, um anhand von drei Vergleichssternen die mittlere absolute Magnitude der grünen Pixel zu berechnen. In einigen Fällen waren nicht alle drei Vergleichssterne auf der Aufnahme zu sehen. Die Fehlerbalken geben die Standardabweichung der ermittelten Magnituden auf Basis jeweils eines der drei Vergleichssterne wieder. Mittels der instrumentellen Magnituden der blauen Pixel wurden für die jeweilige Aufnahmeserie die so genannten Transformationskorrekturen berechnet, die allerdings kaum ins Gewicht fallen. Insgesamt zeigen die Werte also etwa das, was man mit einem Johnson-V-Filter
messen oder visuell sehen würde, wobei natürlich die Absolutwerte der Helligkeit nicht wirklich wichtig für diese Analyse sind.
Danksagung This research has made use of the International Variable Star Index (VSX) database, operated at AAVSO, Cambridge, Massachusetts, USA.
Literatur- und Internethinweise (Stand 21.02.2022): [1] VSX (Variable Star Index):
www.aavso.org/vsx [2] G. Pojmanski, 2002: "The All Sky Au-
tomated Survey. Catalog of Variable Stars I. 0h-6h Quarter of the Southern Hemisphere", Acta Astronomica 52, 397, https://adsabs.harvard.edu/ full/2002AcA....52..397P [3] N. N. Samus, E. V. Kazarovets, O. V. Durlevich, N. N. Kireeva, E. N. Pas-
tukhova, 2017: "General Catalogue of Variable Stars: Version GCVS 5.1", Astronomy Reports, Vol. 61, No. 1, pp. 80-88, https://ui.adsabs.harvard. edu/abs/2017ARep...61...80S/ abstract [4] M. Kolb, 2021: "VZ Cnc - Beobachtungen des d-Scuti-Sterns Februar/ März 2021", BAV Rundbrief 2/2021, S. 75 ff., https://bav-astro.eu/sfs/ rundbrief/BAVRb_2021_2.pdf [5] VStar, www.aavso.org/vstar, D. Benn, 2012, "Algorithms + Observations = VStar", JAAVSO, v40, n2, pp.852-866 [6] T. Rodda et.al., 2012: "An investigation of GSC 02038-00293, a suspected RS CVn star, using CCD photometry", https://arxiv.org/abs/1206.0363
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
21466 Strube
Jens
21467 Obstfelder
Jürgen
21468 Niemann
Heinrich
21469 Gastinger
Erwin
21470 Siebert
Matthias
21471 Briel
Finn
21472 Mayer
Petra
21473 Fischl
Kathrin
21474 Jankowski
Peter
21475 Piehler
Georg
21476 Wulf
Jürgen
21477 Junius
Martin
21478 Mohrholz
Felix
21479 Neumann
Günter
21480 von Wiecki-Wiertz Beate
21481 Ingwersen
Jan
21482 Roos
Werner
21483 Petz
Peter
21484 Schindel
Peter
Mitgl.-Nr. Name
21485 Katholing 21486 Emig 21487 Beerheide 21488 Geyer 21489 Bauer 21490 Schmidt 21491 Knopf 21492 Hauk 21493 Dorfberger 21494 Huszar 21495 Albin 21496 Jahn 21497 Schneider 21498 Grüne 21499 Lehmann 21500 Keller 21501 Gehlert 21502 Link 21503 Sarakatsanis
Vorname
Hans-Joachim Thomas Fabian Robert Armin Florian Matthias Christian Markus Zoltan Thomas Georg Bernd Stefan Fritz Albert Peter Marco Achilleas
Mitgl.-Nr. Name
21504 Bröker 21505 Knuth 21506 Bernauer 21507 Schätzl 21508 Köhlmann 21509 Bongartz 21510 Jungkeit 21511 Nowak 21512 Krieger 21513 Luther 21514 Schmitz 21515 Scholz 21516 Habier 21517 Diecke 21518 Gillner 21519 Kropp 21520 Eisenmenger 21521 Monico 21522 Hohnsbehn
Vorname
Bendix Roland Elias Philipp Enrico Wolfgang Luca Michael Matthias Martin Alois Tobias Horst Maximilian Martin Jörg-Reinhardt Harald Matteo Marc
Journal für Astronomie Nr. 82 | 131
VdS-Nachrichten
Jubiläen 2022
Der Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e.V. gratuliert folgenden Mitgliedern zu der Ehrenmitgliedschaft oder der 20-jährigen, 30-jährigen, 40-jährigen, 50-jährigen und 60-jährigen Mitgliedschaft in der VdS sehr herzlich und bedankt sich für Ihre Treue!
70-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
10059 Herrmann
Joachim
50-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
12022 Mahlmann
Wolfgang
12025 Ludacka
Richard
12058 Reddmann
Thomas
12069 Görze
Ulrich
40-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
13245 13246 13250 13253 13256 13260 13266 13267 13272 13274 13275
Niechoy Helms Jahn Kemmerer Hofberger Postler Götz Kohl Kraus Delp Friedrich
Detlev P. Gregor Jost Jürgen Martin Peter Martin Harald Torsten Andreas Susanne
30-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
11367 15212 15214 15216 15217 15218
15219 15222 15225 15236
15237
Ehring
Norbert
Zimmermann Peter
Brosche
Peter
Nitzl
Martin
Whitson
Bruce
Vereinigung Krefelder Sternfreunde e.V.
Demuth
Ewald
Boxdörfer
Sigurd
Peters
Josef
Nürnberger Astronomische Arbeitsgemeinhschaft.e.V., Regiomontanus-Sternwarte
Strömich
Norbert
60-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
10893 10917 10930
10942
Marx
Harald
Mollerus
Bernd
Sternwarte Frankfurt/ Physikalischer Verein
Heimann
Gerd
Mitgl.-Nr. Name
12075 Keßler 12085 Ortner 12104 Kriegler 12108 Vay
Vorname
Thomas Hans Peter Andreas Kurt
Mitgl.-Nr.
10963 10970 10971 10981 11005
Name
Klebert Spatenka Häring Liesmann Reichert
Mitgl.-Nr. Name
12129 Bitzer 12135 Unger
Vorname
Klaus Heinz-Peter Ernst Werner Jürgen
Vorname
Rolf Hartmut
Mitgl.-Nr. Name
13276 Kolb 13279 Kaltenhäuser 13280 Schwab 13286 Martini 13290 Sienel 13297 Lieser 13312 Fischer 13316 Staude 13317 Laepple 13332 Sternwarte 13333 Walther
Vorname
Ulrich C. Peter Franz Dieter Ludwig Alfons Peter Hans Jakob Lutz Huchenfeld Gerhart
Mitgl.-Nr. Name
13335 Wörner FRAS 13336 Zimmer 13337 Costantino 13340 Froehlich 13345 Bastl 13360 Göcking 13370 Stöver 13376 Eisensteger 13381 Speckmann
Vorname
Markus Hilmar Ralph W. Mario Hans-Jürgen Josef Klaus-Dieter Eric Karl Michael
Mitgl.-Nr. Name
15246 Franke 15250 Rose 15254 Zillessen 15257 Jaenicke 15258 Kotthoff 15259 Trittelvitz 15266 Flechsig 15268 Müller 15270 Johann 15274 Schmidbauer 15275 Pluskwa 15276 Schabacker 15278 Bensch 15279 Bott
Vorname
Nils Jochen Volker Rolf Klaus Martin Gerd-Uwe Manfred Heinz Georg Michael Günter Hans-Joachim Wilhelm
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
15280 Stolze
Detlef
15285 Neumann Gerd
15286 Lüthen
Hartwig
15287 Jahns
Helmut
15294 Freitag
Uwe
15298 Sauer
Josef
15299 Hummel
Willy
15305 Schäfer
Johannes-Georg
15309 Müller
Harald
15310 Volkssternwarte A. Diesterweg
15311 Sterngucker Weimar e.V.
15314 Schirra
Günter
15318 Knödlseder Jürgen
15323 Renschen
Claus
132 | Journal für Astronomie Nr. 82
VdS-Nachrichten
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
15326 Christophersen Jörg
15327 Schettler
Jürgen
15330 Hofmann
Michael
15333 Dimopoulos Alexander
15334 Schulte
Torsten
10355 Sutor
Werner
15341 Benz
Karl
15343 Dirschl
Franz
15348 Braune-Steininger, M.A. Franz
15352 Sasse
Heiner
15354 Hinkelbein
Knut
15361 Popp
Harald
15364 Ott
Thomas
15365 Klauer
Ulrich
15368 Kretschmer
Michael
15373 Bescherer
Reinhard
Mitgl.-Nr. Name
15377 Bach 15357 Frank 15358 Tute 15359 Squarra 15392 Zwick 15405 Hornisch 15413 Vohla 15425 Landwehr 15431 Engicht 15433 Fehse 15434 Cerny 15441 Leithoff 15538 Gielsdorf 15417 Selbmann 15418 Pavlicek 15419 Bodenmüller
Vorname
Wolfgang Peter Axel Olaf Magnus Bernd Frank Wilfried Joachim Oliver Wolfgang Gerhard Helmut Arno Uwe Herbert Wolfgang
20-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
18107 Stark
Franz
18108 Christian-Jutz-Volkssternwarte Berg e. V.
18111 Dehning
Andreas
18113 Krahn
Martin
18115 Ebert
Thomas
18119 Rüsselsheimer Sternfreunde e.V.
18125 Bronold
Jörg
18128 Schröter
Horst
18130 Rudolf
Manfred
18131 IG Astronomie Crimmitschau e.V.
18133 Hoffmann
Reinhard
18134 Astronomische Vereinigung Bodensee e.V.
18136 Kriz
Andreas
18137 Früh
Dietmar
18140 Astronomische Arbeitsgemeinschaft Aalen e.V.
18143 Pisarek
Ralf
18149 Weinedel-Liebau Ralf
18150 Fiedler
Kerstin
18151 Astronomiefreunde 2000 Waghäusel e.V.
18154 Dziuba
Dieter
18158 Bolduan
Franz
18160 Hombach
Paul
18167 Bachleitner
Johannes
18175 Reim
Thomas
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
18177 Rieth
Ulrich
18191 Gasparini
Frank
18229 Jäger
Michael
18239 Buettner
Udo
18307 Laegel
Claus
18169 Reinecke
Norbert
18171 Brandl
Frank
18172 Rörig
Andreas
18173 Nakott
Ralf
18179 Erhardt
Egon
18182 Heseler
Michael
18184 Ulmer
Rainer
18185 Specht
Gerd
18193 Schendel
Rainer
18195 Astronomische Arbeitsgemeinschaft Rheingau e.V.
18197 Weisflog
Rudi
18198 Ennulat
Frank
18199 Brendel
Holger
18200 Franken
Günter
18203 Hammer-Kruse Michael
18222 Lehnberg
Werner
18223 Gährken
Michael
18240 Metzler
Günter
18264 Rutten
Harrie G. J.
18213 Boll
Lars
18215 Kronig
Raimund
18220 Paleske
Harald
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
15421 Bommersheim Hermann
15430 Vahle
Dirk
15432 Rütting
Frank
15439 Thomanek
Jan
15447 Stahr
Daniel
15448 Lehmann
Ulrich
15449 Kusterer
Karsten
15459 Wierdeier
Wolfgang
15461 Berberich
Werner
15463 Leibeling
Rolf
15469 Remmel
Peter
15471 Albers
Johann
15472 Opitz
Armin
15473 Nawrath
Georg
15490 Stadelmaier
Rolf
Mitgl.-Nr. Name
18221 Engelmann 18224 Georgi 18227 Hemmler 18228 Held 18231 Schupke 18232 Khbeis 18235 Walter 18237 Schinze 18238 Rahner 18245 Scheuermann 18249 Kuntsche 18250 Kiau 18253 Helle 18260 Frank 18263 Schmunkamp 18272 Wegener 18280 Guerin 18267 Roth 18268 Herold 18275 Kalmbach 18285 Klug 18296 Bastian 18302 Ott 18306 Theede 18309 Wälder 18311 Stegert 18313 Jacob
Vorname
Justina Thomas Ralph Christoph Hubert Halim Frank Hans-Jörge Kurt Michael Claus Manfred Sebastian Herbert Hans Ingolt Elisabeth Andreas Thomas Martin Andreas Yves Tobias Frank Bernhard Jörg S. W. Reinhard
Journal für Astronomie Nr. 82 | 133
KLEINER LÖWE
Deneb
DRACHE
PEGASUS
FÜCHSCHEN
DELFIN FÜLLEN
PFEIL Atair
WASSE RM AN N
SCHWAN
Wega
LEIER Albireo
ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)
HERKULES
NÖRDL. KRONE
Gemma
SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER
GROSSER BÄR JAGDHUNDE
BOOTES Arktur
HAAR DER BERENIKE
LÖWE
JUNGFRAU
Saturn STEINBOCK SÜDOST
Pluto
Sternkarte exakt gültig für 15. Juli 2022 23 Uhr MESZ
Mondphasen im Juli 2022
SCHILD SCHÜTZE
SKORPION WAAGE
Antares
WOLF
SÜD
Spica
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Erstes Viertel 7.7.
Vollmond 13.7.
Ereignisse im Juli
01 00:47 RR Lyr Maximum
01. 23:01 U Oph Minimum
02. 22:09 AI Dra Minimum
03. bis 00:47 Io mit Schatten vor Jupiter
04. 8h
Erde im Aphel, 152,1 Mio. km
05. 00:01 RR Lyr Maximum
06.
Mond Libration 8,8 Grad SO, PoWi 130 Grad
06. 01:22 RZ Cas Minimum
06. bis ca. Mond bedeckt Vir (2,8 mag), genaue Zeit abh.
19:01 v. Standort
06. 23:47 U Oph Minimum
07. 03:14 Erstes Viertel
07. 22:30 Mond 3,6 Grad NO Spica (1,1 mag)
08. 22:01 AI Dra Minimum
08. 23:14 RR Lyr Maximum
10. ab 01:46 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 02:41
10. 23h
Mond 2,9 Grad NW Antares (1,1 mag)
11. 00:48 RZ Cas Minimum
13. 10:04 Mond erdnah, 33,4'
13. 19:38 Vollmond
14. 21:52 AI Dra Minimum
15. 23:05 Mond 4,8 Grad SO Saturn (0,5 mag, 18,5'')
16. ab 23h Perseiden-Meteorstrom, erste Exemplare
17. ab 03:38 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 04:34, Dämmerung!
18. 00:14 RZ Cas Minimum
18. 00:54 RR Lyr Maximum
18. 1h
Saturn (0,5 mag, 18,5'') 1,4 Grad NW Cap (2,9 mag), Saturn-
bew. verfolgen
Letztes Viertel 20.7.
Neumond 28.7.
18. 01:30
Kleinplanet (324) Bamberga (10,7 mag) vor der Galaxie NGC 772 (10,3 mag, 7,5'), Sternbild Widder
18.
Mond Libration 9,2 Grad NW, PoWi 307 Grad
19. 3h
Mond 2,8 Grad SO Jupiter (-2,6 mag, 43,3'')
20. 3h
Zwergplanet (134340) Pluto (14,5 mag, 0,1'') in Opposition
zur Sonne (Entf. 5019 Mio. km), Sternbild Schütze
20. 15:18 Letztes Viertel
21.
Mars (0,3 mag, 7,9''), Sommeranfang auf Südhalbkugel
22. 00:08 RR Lyr Maximum
22. 00:30 Kleinplanet (9) Metis (9,6 mag) 12,5' N 62 Sgr (4,5 mag)
22. 2h
Mond 4,7 Grad O Mars (0,3 mag, 7,9''), O-Himmel
22.
Kleinplanet (192) Nausikaa (9,4 mag) in Opposition zur
Sonne, Sternbild Schütze, 3,2 Grad SO 62 Sgr (4,5 mag)
23. 23:40 RZ Cas Minimum
24. 3h
Mond 6,5 Grad N Aldebaran (1,0 mag)
25. ab 23:56 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 00:55
26. bis 00:58 Ganymed vor Jupiter
26. 03:30 Mond 5,8 Grad NW Venus (-3,9 mag, 10,9''), NO-Horizont
26. 11:22 Mond erdfern, 29,4'
27. 0h
Pluto (14,5 mag) zieht zwischen den Sternen SAO 188756
(8,9 mag) und SAO188736 (8,7 mag) hindurch, Sternbild
Schütze
28. 18:55 Neumond
29. 13h
Jupiter wird rückläufig, Sternbild Walfisch
29. 22:35 RR Lyr Maximum
29. 23:05 RZ Cas Minimum
30. 00:19 U Sge Minimum
30. ab 03:01 Europa mit Schatten vor Jupiter, bis 03:10, Dämmerung!
134 | Journal für Astronomie Nr. 82
ANDROMEDA DREIECK
KEPHEUS
DRACHE
JAGDHUNDE GROSSER BÄR
EIDECH SE
FISCHE Jupiter Neptun
PEGASUS WASSERMANN
Deneb SCHWAN
FÜCHSCHEN
DELFIN FÜLLEN
PFEIL Atair
Wega HERKULES
LEIER Albireo
BOOTES
NÖRDL. KRONE
Gemma
Arktur
HAAR DER BERENIKE
ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)
SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER
JUNGFRAU
SÜDOST
Saturn STEINBOCK
Sternkarte exakt gültig für 15. August 2022 23 Uhr MESZ
Mondphasen im August 2022
SCHILD Pluto SCHÜTZE
SÜD
WAAGE SKORPION
Antares
SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Erstes Viertel 5.8.
Vollmond 12.8.
Letztes Viertel 19.8.
Neumond 27.8.
Ereignisse im August
01.
Mond Libration 7,9 Grad SO, PoWi 139 Grad
02. ab 01:45 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 02:51, ab 01:54
mit Ganymed
02. 3h
Mars (0,2 mag, 8,3'') 1,3 Grad S Uranus (5,8 mag, 3,6''),
O-Himmel
02. 23:58 Kallisto am Jupiter-Südpol
04. 22:31 RZ Cas Minimum
05. 12:07 Erstes Viertel
06. ab ca. Mond bedeckt Sco (2,0 mag), SO-Horizont, genaue
22:48 Zeit abh. v. Standort
07. 21:30 Mond 6,4 Grad O Antares (1,1 mag)
08. 00:15 RR Lyr Maximum
09. ab 00:56 Ganymed-Schatten vor Jupiter, bis 04:01, ab 03:34 bis
04:45 mit Io und Io-Schatten (am Ende Dämmerung!)
10. 18:09 Mond erdnah, 33,2'
10. 21:57 RZ Cas Minimum
12. 00:30 Saturn (0,3 mag, 18,8'') 1,3 Grad N Cap (3,7 mag)
12 02:36 Vollmond
12. 3h
Mond 5,4 Grad S Saturn (0,3 mag, 18,8'')
12. 22h-4h Maximum Meteorschauer der Perseiden, 60 km/s,
bis ca. 100/h
14. 18h Saturn in Opposition zur Sonne (Entf. 1325 Mio. km),
Sternbild Steinbock
15.
Mond Libration 8,3 Grad NW, PoWi 305 Grad
15. 01:56 AI Dra Minimum
15. 4h
Mond 5,7 Grad SW Jupiter (-2,8 mag, 46,9'')
15. 23:00 U Sge Minimum
16. 1h
Kleinplanet (4) Vesta (5,9 mag) 1,8 Grad NW Plan. Neb.
NGC 7293 (Helixnebel), Sternbild Wassermann
16. 21:23 RZ Cas Minimum
17. 22:12 U Oph Minimum
17. 23:48 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 01:08
19. 3h
Mond 4,4 Grad W Mars (0,0 mag, 9,1'') und 6,5 Grad SW Plejaden
19. 05:36 Letztes Viertel
19. 21:56 RR Lyr Maximum
20.
OW Gem: ab jetzt Abstieg z. Langzeit-Minimum
am 06.09. beob.!
20. 3h
Mond 7,1 Grad NW Aldebaran (1,0 mag)
22.
Kleinplanet (4) Vesta (5,8 mag) in Opposition zur
Sonne, Sternbild Wassermann
22. ab ca. Streifende Sternbedeckung Mond - SAO 77900
02:30 (7,0 mag), Linie Aachen - Jülich - Grevenbroich -
Düsseldorf - Castrop-Rauxel - Seevetal - Bergedorf -
Lübeck
22. 22:53 Mond erdfern, 29,5'
23. 01:18 Kleinplanet (1309) Hyperborea bedeckt TYC 5196-
01212-1 (9,6 mag) für 4,2 s, Hell.-Abfall um 6,0 mag,
Sternbild Wassermann, Pfad Mitte Deutschlands
23. ab 23:17 Europa mit Schatten vor Jupiter, bis 00:12
24. 3h
Mond 3,1 Grad SO Pollux (1,2 mag)
25. ab 01:34 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 03:02
26. 3h
Mars (0,0 mag, 9,4'') läuft durch das Planetentor, vgl.
tägl. bis 4.9.
26. 04:30 Mond 4,3 Grad O Venus (-3,9 mag, 10,2''), NO-Horizont
27.
Merkur in größter östl. Elong., 27 Grad , keine Merkur-
sichtbarkeit
27. 09:17 Neumond
27. 23:11 Kallisto am Jupiter-Nordpol
28.
Mond Libration 7,2 Grad SO, PoWi 149 Grad
28. 23:36 RR Lyr Maximum
31. ab 01:33 Europa mit Schatten vor Jupiter, bis 02:46
31. 02:01 RR Lyr Maximum
31. 21:36 Beta Per (Algol) Minimum
Journal für Astronomie Nr. 82 | 135
PERSEUS
Algol
KASSIOPEIA
EIDECHSE
KEPHEUS Deneb
DRACHE
SCHWAN
Wega
HERKULES
BOOTES
NÖRDL. KRONE
Gemma
ANDROMEDA DREIECK WIDDER
CH WALFIS
Uranus Mira
FISCHE Jupiter
Neptun
PEGASUS WASSERMANN
FÜCHSCHEN
DELFIN FÜLLEN
PFEIL Atair
LEIER Albireo
ADLER SCHLANGE (SCHWANZ)
SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER
SÜDOST
Saturn STEINBOCK Fomalhaut SÜDL. FISCH
Sternkarte exakt
gültig für 15. September 2022
23 Uhr MESZ
SÜD
Mondphasen im September 2022
SCHILD
Pluto SCHÜTZE
SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Erstes Viertel 3.9.
Vollmond 10.9.
Letztes Viertel 17.9.
Neumond 25.9.
Ereignisse im September
01. ab 03:19 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 04:57 (am Ende
Dämmerung!)
02. 00:30 U Oph Minimum
02. ab 21:45 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 23:26
03. 19:08 Erstes Viertel
03. 20:30 Mond 2,2 Grad NO Antares (1,1 mag)
05. 5h
Venus (-3,9 mag, 10,0'') 45' N Regulus (1,4 mag),
NO-Horizont
06.
OW Gem Langzeit-Minimum, beob. ab 20.08.!
06. bis 20:03 Ganymed vor Jupiter, bis 21:57, bis 20:03 mit Schatten, zu
Beginn Dämmerung und Horizont nah
07.
Kleinplanet (3) Juno (7,9 mag) in Opposition zur Sonne,
Sternbild Wassermann
07. 03:30 Mars 4,3 Grad N Aldebaran (1,0 mag)
07. ab 03:49 Europa mit Schatten vor Jupiter, Dämmerung!
07. 19:21 Mond erdnah, 32,8'
08. 01:22 AI Dra Minimum
08. 20:30 Mond 6,3 Grad SO Saturn (0,4 mag, 18,6'')
09. ab 23:30 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 01:20
10. 10:59 Vollmond
11.
Mond Libration 7,2 Grad NW, PoWi 314 Grad
11. 21h
Mond 3,3 Grad SO Jupiter (-2,9 mag, 49,5'')
11. 23:05 U Sge Minimum
12. 20:27 AI Dra Minimum
13. 00:38 Beta Lyr Minimum
13. ab 22:34 Ganymed mit Schatten vor Jupiter, bis 00:04
14. ab ca. Mond bedeckt Uranus (5,7 mag, 3,7''), bis ca. 23:30,
22h
genaue Zeit abh. v. Standort
14. 23:44 RR Lyr Maximum
15. 1h
Kleinplanet (3) Juno (8,0 mag) 8,8' SW Galaxie NGC 7416
(12,4 mag, 3,2'), Sternb. Wassermann, vgl. auch 16.09.
16. 4h
Mond 9,4 Grad NW Aldebaran (1,0 mag)
16. 23h
Neptun (7,8 mag, 2,4'') in Opposition zur Sonne (Entf. 4325
Mio. km), Sternbild Wassermann
16. 23:13 RZ Cas Minimum
16. 23:36 Mond 2,9 Grad N Mars (-0,4 mag, 10,8'') und 8,1 Grad NO Aldebaran
(1,0 mag)
17. ab 01:14 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 03:15
17. bis 21:13 Europa mit Schatten vor Jupiter
17. 22:52 Letztes Viertel
18. ab 19:40 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 21:45, zu Beginn
Dämmerung
19. 15:45 Mond erdfern, 29,5'
20. 4h
Mond 2,8 Grad SW Pollux (1,2 mag)
20. 23:18 Beta Per (Algol) Minimum
21. ab 01:49 Ganymed mit Schatten vor Jupiter, bis 04:04
21. 20:38 Kallisto am Jupiter-Südpol
22. 22:39 RZ Cas Minimum
23. 02:04 Herbstanfang, Herbsttag- und -nachtgleiche
23. 5h
Mond 4,3 Grad N Regulus (1,4 mag)
24.
Mond Libration 7,2 Grad SO, PoWi 153 Grad
24. ab 02:57 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 05:10, am Ende
Dämmerung!
24. ab 21:21 Europa mit Schatten vor Jupiter, bis 23:48
25. ab 21:23 Io vor seinem Schatten vor Jupiter, bis 23:39
25. 22:55 Neumond
25. 23:15 Beta Lyr Minimum
26. 21h
Jupiter (-2,9 mag, 49,9'') in Opposition zur Sonne
(Entf. 591 Mio. km), Sternbild Fische
27. 3h
Kleinplanet (324) Bamberga (9,7 mag) 2,5 Grad NW Zentrum
des Californianebels (NGC 1499), Sternbild Perseus
28. ab 05:05 Ganymed mit Schatten vor Jupiter, Horizont nah,
Dämmerung!
28. 20:46 U Sge Minimum
28. 22:05 RZ Cas Minimum
30. 03:49 Kallisto am Jupiter-Nordpol
30. 20:38 RR Lyr Maximum
136 | Journal für Astronomie Nr. 82
Rezension
Eva Hölzelova
,,Sternmythen - Neunzehn unterhaltsame Geschichten, wie das Treiben der Götter an den Sternhimmel versetzt wurde"
Astronomie-Verlag 2020, www.astronomieverlag.de/de/Produkte/Sternmythen, 19,90 Euro
Eva Hölzelova hat in ihrem Buch die Geschichten hinter den Sternbildern zusammengestellt. Im Mittelpunkt stehen die altgriechischen Mythen. Diese historischen Sagen sind miteinander verwoben und umfangreich - in ihrer Gänze zu viel für solch ein Buch. Frau Hölzelova hat sich dazu entschieden, mitten in die Geschichte zu springen, an die Stelle, an welcher der astronomische Bezug beginnt. Eine Kostprobe eines solchen Kapitelanfangs: ,,Der orchomenische König Athamas nahm die Göttin der Wolken, Nephele, zur Frau. Er hatte mit ihr zwei Kinder ..."
Obwohl ich mich als halbwegs gebildet ansehe, kenne ich Athamas und Nephele nicht. Und was orchomenisch ist, musste ich auch nachsehen. Nicht immer ist es derart enigmatisch, aber das Gefühl, mitten in einen Film gesprungen zu sein, das hatte ich bei jedem Kapitel.
In den griechischen Sagen geht es nicht gerade zimperlich zu. Dies wird durch den Schreibstil von Frau Hölzelova auch nicht gemäßigt oder gewertet. Das ist für die heu-
tige Zeit zumindest gewöhnungsbedürftig. Auch hier ein Beispiel: ,,Kronos erklärte sich zum Herrscher der ganzen Welt. Er nahm seine Schwester Rhea zur Frau ... Zur Vorsicht verschlang er alle seine neugeborenen Kinder ..."
Am Ende dieser Erzählungen steht jeweils der Bezug zu dem Sternbild, mit welchem sie verbunden sind. Wenn man bis hierher durchgehalten hat, dann wird man mit einer umfassenden Geschichte belohnt, welche auch den Bezug zu den Nachbarsternbildern erklärt.
Hervorheben möchte ich die Mythen und Legenden anderer Kulturen, welche dasselbe Sternbild und dieselbe Himmelsgegend zum Inhalt haben. Insgesamt ist das Buch schön illustriert mit Abbildungen aus dem Celestial Atlas von Alexander Jamieson. In diesem sind nicht nur die Sterne enthalten, sondern ähnlich wie in der Uranometria auch Zeichnungen der wirklichen SternBilder. Zum Vergleich sind moderne Sternkarten abgedruckt. Das Buch enthält ein Glossar und eine Liste der geografischen
Schauplätze. Hier ist auch Orchomenos verzeichnet. Die griechische und römische Mythologie enthalten viele Parallelen. Als sehr wertvoll empfinde ich die umfangreiche Vergleichs-Namensliste Lateinisch - Griechisch, welche Entsprechungen wie Aphrodite - Venus und Cupidos - Amor enthält, aber auch weniger Bekanntes wie Athene - Minerva oder Uranos - Caelus. Insgesamt sind es etwa 200 Einträge.
Der Einstieg in die Lektüre ist nicht leicht, auch wegen der etwas ungelenken Sprache - Frau Hölzelova ist eben keine deutsche Muttersprachlerin. Je mehr ich mich mit der Materie und dem Buch auseinandergesetzt habe, desto klarer wurde mir die innere Logik und der Umfang des vermittelten Wissens.
Uwe Pilz
Laetitia Rimpau
,,Visionen neuer Wissenschaft - Zur dialogischen Dichtung von Dante Alighieri und Johannes Kepler"
Studien zu Literatur und Erkenntnis, Band 19, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2021, 664 Seiten, gebunden, 98 Euro
Was fällt Ihnen zu Kepler ein? Sicherlich die Keplerschen Gesetze, vielleicht noch die Rudolfinischen Tafeln oder das KeplerFernrohr. Und zu Dante? Wahrscheinlich seine Dichtung ,,Die göttliche Komödie" von 1321. Kaum jemand wird das Umgekehrte vermuten: Poesie bei Kepler und Astronomisches bei Dante. Diese vermeintlich gegensätzlichen Aspekte und deren geschichtlicher Hintergrund sind Thema des 2021 erschienenen Buchs der Berliner Wissenschaftlerin Laetitia Rimpau. Das Jahr ist klug gewählt, gab es doch ein doppeltes Jubiläum zu feiern: Dantes
700. Todestag und Keplers 450. Geburtstag. Gemeinhin werden Naturwissenschaft und Dichtung als getrennte intellektuelle Felder angesehen. Wissenschaftler bevorzugen die rationale Welt aus nüchternen Daten und Fakten, Dichter dagegen die Gefühlswelt mit ihren oft irrationalen Ausprägungen. Keiner scheint sich auf das Terrain des Anderen zu wagen. Doch gibt es bis in die heutige Zeit Gegenbeispiele. Dichter beschrieben, etwa in der Romantik, besondere Himmelsereignisse, wie Finsternisse, Konjunktionen oder Kometen - allesamt physikalische Phänomene. Auf der ande-
ren Seite erliegen Naturwissenschaftler oder Mathematiker bisweilen der Mystik - hoch im Kurs stehen dabei Primzahlen oder Quantenphänomene. Schon Newton, Begründer der mathematischen Physik, war bekanntlich ein glühender Anhänger der Alchemie. Ein klassisches Beispiel ist auch Johannes Kepler (1571 - 1630). Der berühmte deutsche Mathematiker und Astronom hatte einen ausgeprägten Sinn für Weltharmonie. Mehr noch, er versuch-
Journal für Astronomie Nr. 82 | 137
Rezension
te sich in diesem Zusammenhang auch als Literat und Dichter. So beschreibt er im ,,Somnium" (,,Der Traum") von 1609 eine fiktive Reise zum Mond, basierend auf seinen himmelsmechanischen Erkenntnissen - ein frühes Beispiel für Science-Fiction. Der lateinische Text wurde nur von wenigen gelesen, geschweige denn verstanden. Ferner enthalten einige von Keplers astronomischen Werken Gedichte; insbesondere gibt es die ,,Elegie", einen poetischen Nachruf auf seinen Förderer Tycho Brahe.
Der Italiener Dante Alighieri (1265 - 1321) war ein anerkannter Meister der Dichtkunst. Geschrieben in Italienisch waren seine Werke einem breiten Publikum zugänglich. Bei genauerem Hinsehen enthält die ,,Göttliche Komödie" aber eine Fülle mathematischer und kosmologischer Bezüge. Basierend auf antiken Vorstellungen künden sie bereits den Beginn einer neuen Epoche an. Seiner Zeit voraus perfektionierte Dante eine mathematisch- und erkenntnisorientierte Poesie.
Laetitia Rimpau analysiert das Spannungsfeld zwischen Naturwissenschaft und Dichtung anhand vieler historischer Quellen. Dabei stehen Dante und Kepler im Zentrum. Eine derart detaillierte Studie hat es bisher noch nicht gegeben. Das 664-seitige Buch ist ihre Habilitationsschrift - zugegeben, keine einfache Kost.
Mit Dante begann ein Zeitalter des rationalen Aufbruchs. Seine ,,Göttliche Komödie" ist eine mathematische Sphärenharmonie des Kosmos, die weit über das antike Vorbild (Platon) hinausgeht. Der Italiener steht am Anfang einer erkenntnisorientierten Wissenschaftsauffassung, die versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen der platonischen Kosmologie und dem aufkommenden heliozentrischen Weltbild - also im Kern zwischen philosophischer Spekulation und physikalischer Theorie. Durch Kopernikus und Galilei führt die Entwicklung zu bedeutenden neuen Erkenntnissen - trotz des unverändert starken Einflusses der Kirche. Kepler markiert, im positiven Sinn, das Ende dieser Aufbruchsphase. Wissenschaft übernimmt die Deutungshoheit, auch wenn die Kirche dies noch nicht wahrhaben will. Mit Newton wird die Natur schließlich vollends dem mathematischen Kalkül unterworfen. Für Kepler hat die Weltharmonie aber nichts Mystisches, sie ist lediglich eine strukturelle Grundlage,
auf der er seine ,,Astronomia Nova" weiterentwickelt. Was hauptsächlich zählt, sind Beobachtungsdaten (wie die von Brahe bestimmten Planetenpositionen). In mühevoller Kleinarbeit analysiert er sie und leitet daraus Gesetzmäßigkeiten ab, die zu überprüfbaren Vorhersagen führen - das ist moderne Wissenschaft.
Trotz aller Rationalität kommt - wie Rimpau überzeugend aufzeigt - Literatur und insbesondere Dichtung bei der Entwicklung des Weltbildes in Richtung moderne Naturwissenschaft eine zentrale Bedeutung zu. Es geht um Reformideen, eine ausgeprägte Bildungsvision, die Poesie als sprachliche Brücke. Ein wesentliches Stilmittel ist dabei die Allegorie. Ein weiteres die Dialogform, wobei der Autor (Dante bzw. Kepler) einen Part übernimmt, sein fiktives Gegenüber ist in der Regel eine Muse. Dialogische Dichtung stellt zugleich die Bühne für Hypothesen dar, einen Speicher von Hypothesen und einen Verteiler von neuem Wissen.
Gegen die Vorstellungen des ptolemäischaristotelischen Weltbildes, das die apodiktische Lehrmeinung der Kirche ist, beziehen sich die Protagonisten auf die Kosmologie Platons. Dante greift dessen Sphärenlehre als Modell auf, eine Öffnung hin zu möglichen Alternativen. Kepler sieht in ihr den Vorläufer der kopernikanischen Lehre, die letztlich alternativlos ist. Da es sich um einen (geheimen) Unterstrom des Wissens handelt, sind beide angehalten, das unerhört Neue durch allegorische Techniken und die Dialogform vor dem wachsamen Auge der Kirche zu verschleiern. Bekanntlich wählte Kopernikus einen anderen Weg: Er publizierte sein provozierendes Werk erst kurz vor seinem Tod. Dagegen wähnte sich Galilei, ebenfalls die Dialogform nutzend, in Sicherheit - eine folgenschwere Fehleinschätzung.
Dante und Kepler nutzen die Kunst der Allegorie, um den abstrakten Begriff ihrer Wissenschaft bildlich zu gestalten, um verborgenen Sinn zu konstruieren, der entschlüsselt werden muss. Für Dante ist sie ein Ausdrucksmittel, um die Sphärenlehre zu popularisieren. Seine enzyklopädische Poesie beeindruckt durch sprachliche Brillanz, mathematische Komplexität, philosophische Tiefe oder allein als bildgewaltige Unterhaltung. Dagegen nutzt Kepler die Allegorie in seinen Schriften (z. B. im
,,Somnium") oder Gedichten (z. B. in der ,,Elegie") als künstlerisches Verschleierungsverfahren, um abstrakte Begriffe seiner neuen Astronomie so zu chiffrieren, dass sie der kirchlichen Zensur entgehen, vom lateinkundigen Leser aber verstanden werden können. Ein gewagtes Spiel. Für ihn stellt die Allegorie aber auch ein stimulierendes Gegengewicht zum kühlen mathematischen Denken dar. Im Gegensatz zur Sprachgewalt Dantes sind Keplers Bilderfindungen aber kaum inspirierend und bewegen sich nahe am beschriebenen Phänomen. Beide hatten eben ihre Stärken. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass Dante und Kepler vielleicht dadurch so herausragende Denker geworden sind, weil sie philosophische Fragen ins Poetische und Künstlerische transferiert und die Fantasie als Teil ihres wissenschaftlichen Denkens aufgefasst haben. Heute ist diese Art der Wissenschaftspoesie natürlich überholt und spielt nur noch in einzelnen Motiven der Wissenschaft und der Bildenden Kunst eine Rolle. Das Rationale hat das Emotionale erfolgreich verdrängt. Leider erleben wir heute eine gefährliche populäre Gegenbewegung, die auf dreiste Art versucht, etablierte Wahrheit durch persönliche Meinungen zu ersetzen!
In ihrem Buch ,,Visionen neuer Wissenschaft" schlägt Laetitia Rimpau einen weiten Bogen von der Antike bis in die Neuzeit und vermittelt dabei viele Zusammenhänge in Bezug auf Personen, Kulturen und Weltbilder. Dabei ergeben sich mitunter überraschende Einsichten. Ihr Schreibstil ist eine gelungene Synthese aus intellektueller Präzision und fantasievoller Ausschmückung - die passende Art, das Thema ,,Naturwissenschaft und Dichtung" zu präsentieren. Man wird allerdings Zeit und Muße brauchen, das Buch gewinnbringend zu lesen - es eignet sich sicher nicht als Bettlektüre. Literarisches, historisches, philosophisches und naturwissenschaftliches Grundwissen sind von Vorteil. Das makellos publizierte Werk enthält eine Fülle von Tabellen, Abbildungen, Literaturhinweisen und am Ende - zur Entspannung - auch einige Farbtafeln mit historischen Motiven. Leider fehlen ein Stichwort- und Namensverzeichnis. Fazit: ,,Visionen neuer Wissenschaft" ist allen Freunden der Literatur- und Wissenschaftsgeschichte sehr zu empfehlen.
Wolfgang Steinicke
138 | Journal für Astronomie Nr. 82
Rezension
Wolfgang Steinicke
,,William Herschel - Discoverer of the Deep Sky"
Books on Demand (BoD), Norderstedt 2021, 568 Seiten, gebunden, Paperback oder E-Book
Vor 200 Jahren, am 25. August 1822, verstarb im Alter von 83 Jahren William Herschel. Rechtzeitig zum Todestag eines Mannes, der unbestritten zu den bedeutendsten und einflussreichsten Astronomen des 18. und 19. Jahrhunderts zählt, liefert Wolfgang Steinicke eine umfassende Würdigung seines Lebenswerks. Die 568 Seiten starke Schrift ist ganz bewusst nicht als Biografie konzipiert. Zentrales Anliegen ist es vielmehr, Herschels visuelle Beobachtungsarbeit zu dokumentieren und zu analysieren, vor allem die schon zu seinen Lebzeiten als legendär geltenden ,,sweeps", jene teleskopischen Beobachtungstouren, in denen er - tatkräftig unterstützt von seiner Schwester Caroline - Nacht für Nacht systematisch einzelne Himmelsabschnitte durchmusterte.
Einleitend befasst sich das Werk mit den frühen Beobachtungen von William und Caroline. Hier geht es um den Zeitraum von 1774 bis 1783, als die Herschels von Bath und Datchet aus mit ihren ersten Instrumenten den Himmel erforschten - noch ohne groß angelegte Systematik, aber gleichwohl mit Aufsehen erregenden Ergebnissen. So entdeckte William 1781 eher en passant einen Planeten, den er zu Ehren des Englischen Königs ,,Georgium Sidus" taufte, bevor er später - einem Vorschlag von Johann Elert Bode folgend - die Bezeichnung ,,Uranus" erhielt. Weitere Themen des Kapitels sind u. a. Herschels Doppelstern-Kataloge, die Beobachtung roter und variabler Sterne und die Observierungen, die Caroline von 1782 bis 1793 angestellt hat.
In drei Hauptkapiteln, die mit 274 Seiten rund die Hälfte des Gesamtumfangs ausmachen, befasst sich Steinicke sodann mit Herschels ,,Sweep-Kampagnen" (S. 85 - 364). Es geht um die Zeit von Oktober 1783, als Herschel seinen monströs anmu-
tenden 20-Fuß-Reflektor einsetzte, bis hin zu seinen letzten Sweeps der Jahre 1801 und 1802. In jeder klaren Nacht fanden Sweeps statt (insgesamt 1.112) - eine harte Beobachtungsarbeit. Akribisch werden die Jahr für Jahr observierten Objekte dokumentiert. Das klingt auf den ersten Blick wenig spannend und spektakulär, doch die Dokumentation ist alles andere als eine buchhalterische Zusammenstellung der entdeckten Deep-Sky Objekte. Denn Steinicke illustriert und bereichert die Berichte über Herschels Beobachtungen mit unzähligen Abbildungen: Ausschnitte einschlägiger Sternkarten, Objektaufnahmen aus heutiger Zeit, Porträts bekannter Astronomen oder Stiche und Funktionsgrafiken von den verwendeten Instrumenten. Besonders interessant sind die Reproduktionen der handschriftlichen Original-Aufzeichnungen und Skizzen von William und Caroline. Hier zahlt sich aus, dass der Autor - wie seine Mitgliedschaften in astronomischen Vereinigungen des Königreichs und die Dankadressen am Schluss belegen - ,,anglophil vernetzt" ist und ganz offensichtlich Zugang zu einem bedeutenden, bislang unveröffentlichten Dokumentenschatz hat. Der Leser profitiert davon, und zwar nicht nur der historisch interessierte, sondern auch derjenige, der mit eigenen Instrumenten ,,nur" praktische Himmelsbeobachtung betreibt. Manch blasser Nebelfleck im Teleskop, von dem nicht viel mehr als eine Katalognummer bekannt ist, erscheint vor dem Hintergrund seiner illustrierten Entdeckungsgeschichte aus einer völlig neuen Perspektive.
Angesichts der Fülle der Beobachtungsdaten, die William und Caroline jahrelang angesammelt haben, ist es eine fast zwangsläufige Konsequenz, dass das Material aufgearbeitet und analysiert wird. Steinicke erfüllt diese Aufgabe in den abschließenden Kapiteln (S. 381 - 487) in mehrfacher Weise:
Zunächst werden Herschels revolutionäre Ideen über die Struktur der Milchstraße vorgestellt, dann folgt eine moderne Analyse der Methoden und Beobachtungsdaten, erstmals mit der Darstellung der Himmelsabdeckung aller Sweeps und der Anzahl und Verteilung der entdeckten Objekte. Die abschließenden Kapitel behandeln die Überarbeitungen der drei Herschel-Kataloge nichtstellarer Objekte, wie sie Caroline, John Herschel und John Dreyer geliefert haben.
Als ausgesprochen hilfreich erweist sich last but not least der umfangreiche Anhang, der u. a. eine Liste der katalogisierten DeepSky-Objekte mit Verweisen auf ihre Erwähnung im Text enthält. Interessant auch die Liste der von den Herschels verwendeten Instrumente, ebenso eine Zeitleiste, eine Übersicht über Williams Reisen oder über die Gäste, die ihn und seine Schwester besucht haben.
Fazit: Wolfgang Steinicke hat sein ,,Opus Magnum" vorgelegt. Dass es sich mit William Herschel beschäftigt, einem Astronomen, dessen Beobachtungsleistung zu einem Quantensprung in der visuellen und theoretischen Astronomie geführt hat, darf man getrost als einen Glücksfall bezeichnen. Das Buch - mit Sachverstand und Herzblut geschrieben - ist unentbehrlich für jeden, der sich mit der Geschichte der Deep-Sky-Beobachtung auseinandersetzt, letztendlich aber für alle, die der Faszination des Deep Sky erlegen sind, aufschlussreich und lesenswert. Karl-Peter Julius
Journal für Astronomie Nr. 82 | 139
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