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Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 81

NACH REDAKTIONSSCHLUSS
  4 Bericht aus dem Vorstand (Gallus Astrid)
  5 Neue Software für VdS-Mitglieder: "easyVerein" (Melchert Sven)

SPT/STERNWARTE KIRCHHEIM
  6 Der Weg zur VdS-Sternwarte (Guthier Otto)
  8 30 Jahre VdS-Sternwarte Kirchheim (Schulz Jürgen)
  16 Neue Teleskopsteuerung der Sternwarte Kirchheim (Westerhoff Thomas)
  18 Vom 50-mm-Bastelrefraktor ans Kirchheimer 300-mm-Spiegelteleskop (Rucks Peter)
  22 25 Jahre Gastbeobachter in Kirchheim (Wulff Andre)
  24 BAV-Beobachtungswochen 2004 bis 2021 an der VdS-Sternwarte in Kirchheim (Flechsig Gerd-Uwe)
  26 38 Jahre Veränderlichen-Beobachtung in Kirchheim (Rätz Manfred, Rätz Kerstin)
  30 Transit-Messungen für die ESA an der Sternwarte Kirchheim (Teil 1) (Wenzel Bernhard)
  34 Astroreisen nach Kirchheim 2021 (Harder Christian)
  37 Eine 360 Grad -Nacht in Kirchheim (Schomann Michael)
  42 Treff der Fachgruppe Kometen im September 2021 an der VdS-Sternwarte Kirchheim (Pilz Uwe)

AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
  43 Die Sternwarte Brentenriegel (Mandl Wolfgang)

ASTROFOTOGRAFIE
  50 Neue Astrofotos (Riepe Peter)
  56 CMOS-Farbkameras mit Duofilter - eine echte Alternative zur Monochrom-Kamera? (Detken Kai-Oliver)
  60 Ein paar Tage Ferien auf der Sternwarte Gönnsdorf (Lauenstein Tim)

ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
  62 Die neue Sternwarte Lübeck (Paulien Oliver)
  ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
  64 Lösungen des Dreikörperproblems - Die Lagrange-Punkte L1 bis L3 (Pilz Uwe)
  65 Simulation der Auswirkung von Asteroideneinschlägen (Rohde Klaus)
  69 Die Farbe unserer Sonne - und warum gibt es keine grünen Sterne? (Tomsik Harald)

IMPRESSION
  72 Thors Helm (Beisser Jürgen)

DEEP SKY
  73 Die Galaxie Calar Alto 1 (Wenzel Klaus)
  76 Planetarische Nebel in der Leier (Teil 2) (Weis Christian)
  79 Skyguide 2022 - 1 (Frühling) (Zebahl Robert, Merting Rene)

KLEINE PLANETEN
  82 Kosmische Begegnungen (Hohmann Klaus, Ries Wolfgang)
  85 Die Bestimmung von Rotationslichtkurven von Kleinplaneten (Teil 1) (Martin Axel)

KOMETEN
  88 Vor 25 Jahren: Hale-Bopp schmückte den Nachthimmel (Seeger Karlheinz)
  89 Bedeutende Kometen des dritten Quartals 2021 (Pilz Uwe)

MOND
  91 VdS-Bilderstrecke: Eindrücke vom Mond (Riepe Peter)

PLANETEN
  95 Der Jupiter-Impakt vom 13.09.2021 (Libert Maciej)
  97 Vermessung der Marsbahn mit einer Weitwinkelkamera - das erste Mars-Analemma (Hebbeker Thomas)

SONNE
  101 Butterfly Morning - das Wiedererwachen des Schmetterlingsdiagramms (Möller Michael)

STERNBEDECKUNGEN
  102 Stand der Fachgruppe Sternbedeckungen (Bredner Eberhard H. R.)
  103 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 2. Quartal 2022 (Riedel Eberhard)
  VERäNDERLICHE
  105 Zwei Ausbrüche (Nova oder Zwergnova) im Oktober 2021 im Bereich des Andromedanebels (Wenzel Klaus, Hambsch Franz-Josef (Josch), Celnik Werner E., Freudenberg Ronny)

IMPRESSION
  107 Jupiter und seine Monde (Melchert Sven)
  VERäNDERLICHE
  108 Fotometrische Beobachtungen von V509 Cassiopeiae und W Virginis im UBVRI-System (Sblewski Martin)

VDS-NACHRICHTEN
  111 Wir begrüßen neue Mitglieder (VdS-Geschäftsstelle)
  112 In Memoriam 2021 (VdS-Geschäftsstelle)
  112 Spenden an die Vereinigung der Sternfreunde e.V. (Klug Andreas)

BEOBACHTERFORUM
  117 Der Astronomietag 2021 in Bad Tölz (Kohlhauf Franz Xaver)
  118 Atemberaubendes Himmelsspektakel - Polarlichter (Wehle Nicole)
  121 Ein denkwürdiges Objekt: EGB 4 (Riepe Peter)

IMPRESSION
  122 Der Schleiernebel (Gastinger Erwin)

REZENSION
  123 Poster "Das Astronomische Jahr" (Pilz Uwe)

IMPRESSION
  124 Aschgraues Mondlicht (Melchert Sven)

Textinhalt des Journals 81

Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software. Der Text ist nicht formatiert, Bildunterschriften sind irgendwo im Text eingefügt.
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Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.



Nach Redaktionsschluss

Bericht aus dem Vorstand
von Astrid Gallus, Schriftführerin

An dieser Stelle berichtet der Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e.V. über seine Arbeit der letzten drei Monate.

Einsteigerbrevier Das angekündigte Einsteigerbrevier der VdS ist fertig und kann sofort in Augenschein genommen werden: Unter der Bezeichnung ,,Astronomie - Ihr neues Hobby" ist es gleich auf unserer Webseite zu finden. Einfach anklicken und herunterladen. Die gedruckte Ausgabe ist, wenn Sie dieses Journal in den Händen halten, ebenfalls erhältlich. Die VdS kann mit dem Einsteigerbrevier nunmehr ihre eigene Einführung in die Astronomie anbieten, eine wichtige Lücke wurde damit geschlossen. Ein großes Dankeschön an Torsten Güths als Autor und Sven Melchert, der das Layout gestaltet hat.

Neue VdS-Broschüre Ebenfalls auf der VdS-Webseite präsentiert der Vorstand die neue VdS-Broschüre. Zehn Jahre hat die alte Broschüre durchgehalten, nun war es an der Zeit, auch im Zusammenhang mit unserem neuen Logo und drei neuen Fachgruppen eine frische Version auf den Markt zu bringen. Sie heißt ,,Die Vereinigung der Sternfreunde - das größte Netzwerk der Amateurastronomie", ist 24 Seiten stark und präsentiert die VdS und ihre 19 Fachgruppen in anschaulichster Gestalt! Jeder Fachgruppe wird gleich viel Platz geboten, durch die neuen Logos, die geschickte Aufteilung und die vielen

Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 82 ,,Sternenparks in Deutschland" abgeschlossen haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen:
,,Sonne" in Journal 83 Redaktionsschluss: 01.04.2022 Redakteur: Andreas Zunker, redaktion-sonne@sternfreunde.de
,,Astroprojekte für Jugendliche" in Journal 84 Redaktionsschluss: 01.07.2022 Redakteur: Michael Schomann, michael.schomann@sternfreunde.de
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-FachgruppenRedakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden. Vorher empfehlen wir, als Hilfestellung die Autorenhinweise zu nutzen (siehe www.vds-astro.de/ index.php?id=307). Dort finden Sie in der rechten Randspalte auch einen Musterartikel als Vorbild und das Artikeldeckblatt zum Eintragen der wichtigsten Daten.
Mit dem Einsenden gibt der Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im ,,VdS-Journal für Astronomie" und zur Veröffentlichung auf den Webseiten der VdS. Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion

erklärenden Bilder sowie mit der VdS-Mitgliedssternwarten-Karte auf der Rückseite wird sie in Ihnen bestimmt die gleiche Begeisterung hervorrufen, wie es dem Vorstand selbst erging. Ein ganz großes Lob und Dankeschön an Michael Schomann, Sven Melchert und unserer Gestalterin Bettina Gessinger, für die gelungene Arbeit.
Neue VdS-Flyer und -Rollups Auch der VdS-Flyer sowie die 19 Fachgruppen-Flyer werden in das neue Gewand gesteckt und inhaltlich aktualisiert. Dieser Akt wird gerade vom Vorstand in Zusammenarbeit mit den Fachgruppen realisiert. Natürlich werden danach auch die Neugestaltung der Rollups für den VdS-Messestand sowie für die Fachgruppen und last but not least einige Werbe-Utensilien folgen.
Tagungen Die diesjährige Würzburger Frühjahrstagung findet auf jeden Fall am 30.04.2022 online statt; Dominik Elsässer als Organisator hofft, dass er die Veranstaltung auch parallel als eine Präsenzveranstaltung anbieten kann. Auf jeden Fall jedoch sind wir zuversichtlich, dass wir mit ,,Alle nach Halle!" vom 28. - 30.10.2022 die erste VdSTagung in einem geraden Jahr ausrichten können und vor Ort sein werden! Hierzu finden Sie mehr in einem Beitrag von Michael Schomann auf Seite 113, der die VdSTagung für die FG Astronomische Vereinigungen ausrichtet.
Sie sehen, bei der VdS ist immer etwas los! Es grüßt Sie bis zum nächsten Mal - Ihre VdS

4 | Journal für Astronomie Nr. 81

Nach Redaktionsschluss

Neue Software für VdS-Mitglieder: ,,easyVerein"
von Sven Melchert, Vorsitzender

Liebe Mitglieder, wer kennt das nicht: man sitzt morgens in der Bahn, bearbeitet am Computer Astroaufnahmen oder beobachtet einen schwachen Kometen. Plötzlich schießt es einem durch den Kopf: ,,Ich bin ja umgezogen und habe der VdS noch gar nicht meine neue Adresse mitgeteilt!" Ab jetzt können Sie sich entspannen, das Handy zücken oder den Browser öffnen und Ihre Adressdaten selbst online aktualisieren.

Sie müssen aber nicht erst umziehen, um von der neuen Software für Mitglieder zu profitieren: ,,easyVerein" bietet neben der Online-Stammdatenverwaltung und vielen Funktionen für unsere Geschäftsstelle auch einen eigenen Mitgliederbereich, den Sie nach der Anmeldung nutzen können:

Persönliches Profil als digitale Geschäftsstelle mit Ihren Daten. Hier können Sie auch ein Porträtfoto von sich hoch- oder eine Mitgliedschaftsbescheinigung herunterladen.
Terminkalender für alle Veranstaltungen innerhalb und außerhalb der VdS mit der Möglichkeit, seine eigene Teilnahme anzugeben.
Dateiarchiv mit allen Ausgaben des VdSJournals, den Protokollen der Mitgliederversammlungen und was in Zukunft sonst noch für Mitglieder wichtig ist.
Diskussionsforum zum schnellen Austausch untereinander oder um in der VdS an Projekten mitzuarbeiten.
App für iOS und Android: Neben der Benutzung über einen Browser steht auch eine App für das Smartphone zur Verfügung.
Was die Software sonst noch so bietet, können Sie unter easyVerein.com nachlesen.

Selbstverständlich ist die Sicherheit der Mitgliederdaten gemäß der DSGVO gewährleistet und der Anbieter betreibt seine Geräte mit 100% Ökostrom aus Wasserkraft.
Wie funktioniert die Teilnahme? Um Sie zu easyVerein einladen zu können, benötigen wir Ihre E-Mail-Adresse. Von rund der Hälfte unserer Mitglieder ist die E-Mail-Adresse vorhanden - Sie erhalten Anfang April, bei Erscheinen dieses Heftes, automatisch eine E-Mail von easyVerein und können sich dann anmelden.
Wer uns noch keine E-Mail-Adresse genannt hat oder sich nicht sicher ist oder sie aktualisieren möchte, dem steht auf unserer Webseite www.sternfreunde.de ein Formular zur Übermittlung zur Verfügung. Wir werden die eingehenden Adressen so schnell wie möglich in easyVerein übertragen und Ihnen dann von dort aus die Einla-

dung zukommen lassen, aber geben Sie uns dafür bitte ein paar Tage Zeit.
Der Vorstand und die VdS-Geschäftsstelle haben easyVerein in den letzten Wochen ausgiebig getestet. Wir sind begeistert und freuen uns sehr, den Mitgliedern dieses neue Angebot machen zu können!
Hinweis
Korrektur zur Information im VdS-Journal 80, Seite 4: Um die Beiträge in der Steuererklärung geltend zu machen, bedarf es keiner gesonderten Zuwendungsbestätigung. Bis zu einem Betrag (Beitrag/Spende) von nicht mehr als 300,00 EUR reicht der Zahlungsnachweis in Verbindung mit der auf der Beitragsrechnung abgedruckten Bestätigung.

Journal für Astronomie Nr. 81 | 5

Sternwarte Kirchheim

Der Weg zur VdS-Sternwarte
von Otto Guthier

Den Wunsch nach einer eigenen Sternwarte haben sicherlich viele Amateur-Astronomen. Auch für die Vereinigung der Sternfreunde (VdS) war dies schon vor etlichen Jahrzehnten bereits ein Thema. In den 70er- und 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts beschäftigten sich die VdS-Vorstände mit einem solchen Projekt. Konkrete Überlegungen bestanden bereits 1983, als auf der damaligen VdS-Tagung ein Gelände in Orbetello, nahe Grosseto, in Italien favorisiert wurde. Es kam sogar zu einer Grundsteinlegung auf dem Monte Argentario, einem rund 500 Meter über dem Meer gelegenen Vorgebirge der Toskana. In den Folgejahren tat sich allerdings wenig.
Erst als mit einer im Bau befindlichen Sternwarte in Aniane, in der Nähe von Montpellier eine echte Alternative vorgeschlagen wurde, kam wieder Bewegung in das Projekt. Dort hatten die französischen Sternfreunde nach 1964 mit dem ,,Observatoire Astronomique d´Aniane" eine Sternwarte errichtet, die 1976 eingeweiht und von der bekannten französischen Astro-Zeitschrift Ciel et Espace unterstützt wurde. Die Anlage befand sich in den 80er-Jahren in Erweiterung, und der VdS bot sich dadurch die Möglichkeit, eventuell ein eigenes Teleskop mit Kuppelgebäude aufzustellen.
Ein neuer Vorstand, der 1987 auf der VdS-Tagung in Bochum gewählt wurde, entschied, beide Standorte nach astronomischen Gesichtspunkten eingehend zu prüfen. Es galt aber auch die Infrastruktur und die Erreichbarkeit der Standorte mit zu berücksichtigen. Peter Riepe, damals für das Projekt verantwortlich, stellte die Kontakte zur Sternwarte in Aniane (Entfernung von Frankfurt 1.030 Kilometer) her, und im Jahr darauf sollte eine kleine Exkursion die Gegebenheiten vor Ort prüfen. Der Empfang der kleinen VdS-Delegation durch die französischen Kollegen war sehr herz-

lich. Vor Ort konnten sich die Teilnehmer von den guten Bedingungen, dem dunklen Sternenhimmel und der Infrastruktur des Observatoriums überzeugen.
Im Jahr darauf sollte eine weitere Exkursion unter der Leitung von Werner E. Celnik den Alternativstandort Orbetello (Entfernung von Frankfurt rund 1.150 Kilometer) in Augenschein nehmen. Die Ergebnisse erwiesen sich als sehr ernüchternd, da unter anderem über dem Gelände die Einflugschneise des römischen Flughafens Fiumicino lag und in der Nacht ständiger Flugverkehr herrschte.
Die Ergebnisse beider Standorte wurden auf der Mitgliederversammlung 1989 in Berlin den anwesenden Mitgliedern zusammen mit einer Mitgliederbefragung, die vom Autor dieser Zeilen durchgeführt wurde, vorgestellt. Ein Resultat dieser Umfrage offenbarte unter anderem, dass ein Großteil der interessierten Sternfreunde nicht bereit war, solche großen Anfahrtswege in Kauf zu nehmen. (Der Astrotourismus mittels Flugzeug nach Namibia war damals noch keine Option.) Auf der Mitgliederversammlung wurde ob der beiden Standorte sehr heftig und lange diskutiert; das Ergebnis blieb offen und das Thema wurde erneut vertagt.
Mit der Wende kam die Wende Nach dem Fall der Mauer sollten sich völlig neue Ansatzpunkte für eine VdS-Feriensternwarte ergeben. In der ehemaligen DDR gab es eine Reihe von gut ausgerüsteten und sehr aktiven Sternwarten, die von Amateur-Astronomen organisiert und betrieben wurden. Folglich wurden Kontakte in die neuen Bundesländer geknüpft. Die Aufgabe wurde dem Autor dieser Zeilen, damals neu im Vorstand, übertragen. Im September 1990 kam es dann zu einer Erkundungsfahrt, die u. a. nach Kirchheim in Thüringen, nach Apolda und später auch

nach Drebach im Erzgebirge führte, um die Möglichkeit einer Kooperation mit einer der Sternwarten zu erkunden.
Dabei war das erste Zusammentreffen mit Jürgen Schulz, dem Leiter der Volkssternwarte Kirchheim, sehr angenehm und freundschaftlich. Die großzügige Einrichtung der Sternwarte Kirchheim [1] bestand unter anderem aus einer Kuppel, die ein 500-mm-Teleskop beherbergte und einer weiteren Schiebedachsternwarte mit verschiedenen Instrumenten. Außerdem gab es Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Gelände, die Gastbeobachtern ideale Möglichkeiten für Beobachtungsaufenthalte boten.
Auf der Mitgliederversammlung 1991, die in Wuppertal stattfand, unterbreitete Jürgen Schulz, inzwischen Mitglied in der VdS, den Mitgliedern und der VdS das Angebot, die Sternwarte Kirchheim auch als Feriensternwarte für VdS-Mitglieder zu nutzen. Auf Beschluss des damaligen VdS-Vorstandes wurde das Angebot angenommen und in die Tat umgesetzt.
VdS-Mitglied Gerhard Bußjäger, von Hause aus Jurist, und der Autor übernahmen die Aufgabe, einen Nutzungsvertrag zu entwerfen, der die Zusammenarbeit regeln sollte. Ziel der Kooperation war die ,,Errichtung einer Feriensternwarte der VdS an der Volkssternwarte Kirchheim, die allen VdS-Mitgliedern die Möglichkeit geben sollte, an leistungsfähigen Teleskopen mit modernen Zusatzinstrumenten zu beobachten" [2]. Der Vertrag wurde am 20. Juni 1992 von Jürgen Schulz für Kirchheim und Werner E. Celnik und dem Autor für die VdS unterzeichnet.
In den folgenden Jahren entwickelte sich daraus eine erfolgreiche und fruchtbare Zusammenarbeit, die vielen Sternfreunden die Möglichkeit eröffnete, als Gastbeobach-

6 | Journal für Astronomie Nr. 81

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ter ein umfangreiches Instrumentarium im Herzen von Deutschland zu nutzen. Vor allem die Möglichkeit, an der Sternwarte auch zu übernachten, wurde von vielen Sternfreunden angenommen. Etliche VdSFachgruppen kamen an der Sternwarte zu Tagungen zusammen und auch der VdSVorstand nutzte regelmäßig die Einrichtung für Vorstandssitzungen und Treffen mit den Fachgruppenverantwortlichen. Die VdS bedankt sich bei den Kirchheimer Sternfreunden um Jürgen Schulz für die in 30 Jahren gewachsene Kooperation und für die freundschaftliche und gute Zusammenarbeit.
Literaturhinweise: [1] J. Schulz, 2008: ,,30 Jahre Volksstern-
warte Kirchheim - 15 Jahre VdSSternwarte", VdS-Journal für Astronomie 25 (I/2008), S. 6 [2] J. Schulz, 2005: ,,VdS-Sternwarte Kirchheim - Bilanz und Ausblick", VdS-Journal für Astronomie 18 (III/2005), S. 92

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Sternwarte Kirchheim

30 Jahre VdS-Sternwarte Kirchheim
von Jürgen Schulz

Am 20. Juni 2022 jährt sich zum 30. Male die feierliche Unterzeichnung des ,,Vertrags über eine VdS-Sternwarte" zwischen dem damaligen Vorsitzenden der VdS, Dr. Werner E. Celnik, und dem Vorstand der Volkssternwarte Kirchheim. Im $ 1 wurde das Ziel dieser Kooperation klar formuliert: ,,Mit der Errichtung einer Feriensternwarte der VdS an der Volkssternwarte Kirchheim soll allen VdS-Mitgliedern die Möglichkeit gegeben werden, an leistungsfähigen Teleskopen mit modernsten Zusatzgeräten zu beobachten." Dieses bevorstehende Jubiläum ist ein passender Anlass, wieder einmal Bilanz zu ziehen. Seither haben sich die Rahmenbedingungen dramatisch verändert: Zahllose Raumfahrtmissionen haben uns Bilder unseres Sonnensystems geliefert, die alles von der Erde aus Beobachtbare in den Schatten stellen. Aufnahmen von Hubble und den Großteleskopen zeigen die

fantastische Vielfalt kosmischer Strukturen in atemberaubender Schönheit. All das ist jederzeit und von jedem Ort der Erde aus über das Internet verfügbar. Die weltweiten Hochgeschwindigkeitsnetze ermöglichen den Remote-Betrieb eines Teleskops an einem optimalen Beobachtungsort am anderen Ende der Welt. Ist angesichts dieser Entwicklung eine Feriensternwarte der VdS überhaupt noch zeitgemäß? Am Ende meines Beitrages werde ich versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu geben. Doch beginnen wir mit den Ergebnissen und Erfahrungen, die wir in all den Jahren gesammelt haben.
An dieser Stelle wurde mehrfach über die VdS-Sternwarte berichtet. Eine erste Bilanz ist im Heft III/2005 zu finden [1], im Heft I/2008 war sie erstmals Schwerpunktthema unseres Journals [2]. In diesen Beiträ-

gen finden sich alle wichtigen Fakten zur Vorgeschichte und zum rechtlichen Status unserer Einrichtung, dem verfügbaren Instrumentarium, der Infrastruktur sowie zu vielfältigen Aktivitäten in den stürmischen Jahren der fototechnischen Revolution - weg vom ,,analogen" hypersensibilisierten chemischen Film, hin zur digitalen CCDKamera. Unvergessen sind die jährlichen CCD-Tagungen mit dem lebendigen Wettbewerb und Erfahrungsaustausch der ,,Kamera-Selbstbauer".
Dieser Beitrag schildert die weitere Entwicklung der VdS-Sternwarte Kirchheim seit 2008. Im Rahmen eines Dorferneuerungsprogramms konnten wir über unsere Gemeinde als Eigentümer der Liegenschaft Fördermittel für die Sanierung der Dächer und die Neugestaltung des Geländes einwerben. Das Ergebnis zeigt ein Luftbild

1 Luftbildaufnahme der Sternwarte Kirchheim, geschossen von unserem Drohnenpiloten Wolfgang Grimm
8 | Journal für Astronomie Nr. 81

Sternwarte Kirchheim

(Abb. 1). Mit Leuchtsteinen eingefasste Wege leiten nun unsere Besucher nachts zu den Observatorien. Eine begehbare analemmatische Sonnenuhr zieht insbesondere Kinder magisch an.

Mit Dorferneuerungsmitteln konnten wir im letzten Jahr auch eine lange gehegte Idee in die Tat umsetzen - ein Planetenweg von der Sternwarte zum geografischen Mittelpunkt Thüringens. Große Schautafeln präsentieren die wichtigsten Informationen zu jedem Himmelskörper (Abb. 2). Planetenmodelle (Edelstahlkugeln) und -abstände sind dabei im gleichen Maßstab 1:1.392.000.000 realisiert. Das macht die Größenverhältnisse und die schiere Leere unseres Sonnensystems für unsere Besucher im wahrsten Sinne des Wortes ,,begreifbar". Die 1-m-Sonnenkugel aus milchig-transparentem schlagfestem Polyurethan steht auf unserem Gelände und kann bei öffentlichen Veranstaltungen über die im Zentrum eingebaute dimmbare LEDBeleuchtung zum ,,Strahlen" gebracht werden (Abb. 3). Der Planetenweg ist zu einer richtigen Attraktion unserer Region geworden und führt manchen neuen Besucher zur Sternwarte.

2 Schautafel des Saturn am Planetenweg von der Sternwarte Kirchheim zum
geografischen Mittelpunkt Thüringens

Ein neues, drittes Observatorium entstand im Jahre 2010 (Abb. 4). Es hat eine ganz besondere Geschichte. Das Schiebedach stammt von der ehemaligen Sternwarte in Molsdorf, nur sechs Kilometer Luftlinie von uns entfernt. Diese Sternwarte musste mit dem Bau des Industriegebietes Erfurter Kreuz in den 90er-Jahren ihren Betrieb einstellen. Als sie schließlich abgerissen wurde, hoben wir in einer Hauruck-Aktion das 5 m x 8 m große abfahrbare Dach mit einem großen Autokran komplett vom Gebäude und fuhren es mit Polizeieskorte zu unserer Sternwarte. Zwei Jahre später konstruierten und bauten wir in Eigenleistung das passende Gebäude dazu - eine Heraus-

3 Die leuchtende Sonne - Startpunkt des Planetenweges

forderung, musste doch das Mauerwerk auf den Millimeter genau zum Dach passen. Dieses Observatorium beherbergt heute das Juwel unserer Sternwarte - eine Montierung DDM-160 der Firma ASA mit Direkt-

antrieb und Präzisionsencodern. Sie trägt ein 60-cm-Spiegelteleskop der Fa. Philipp Keller (Abb. 5). Im Cassegrainfokus hat es ein Öffnungsverhältnis von f/8 und kann visuell und fotografisch genutzt werden.

Journal für Astronomie Nr. 81 | 9

Sternwarte Kirchheim
4 Das neue Schiebedach-Observatorium beherbergt unsere zwei 60-cm-Teleskope.
5 Unser Flaggschiff, das 60-cm-Teleskop der Fa. Philipp Keller
auf einer Direktantrieb-Montierung DDM-160 von ASA
6 Historisches Bamberger
60-cm-Cassegrain-Teleskop nach der Installation in Kirchheim
10 | Journal für Astronomie Nr. 81

Mit wenigen Handgriffen lässt es sich zur f/3-Primärfokus-Astrokamera umrüsten. Ein Korrektor sorgt für ein nutzbares Bildfeld von 60 mm x 60 mm. Standardmäßig ist dort unsere SBIG-STL-6303 mit Filterrad adaptiert. Die Beiträge von Fam. Rätz [3] und Bernhard Wenzel [4] in diesem Journal belegen die Leistungsfähigkeit dieses Teleskops am Beispiel anspruchsvoller Transitbeobachtungen von Exoplaneten. Dieses Observatorium bietet auf zwei Ebenen Platz für zwei Teleskope. Geplant war die Aufstellung einer historischen Montierung mit Gewichtsantrieb und Fliehkraftregler. Da kam überraschend eine Anfrage von Prof. Heber von der Uni-Sternwarte Bamberg, ob wir an einem 60-cm-CassegrainTeleskop f/18 auf Zeiss-VIII-Montierung aus dem Jahre 1946 interessiert seien. Ein Vereinsausflug nach Bamberg war schnell organisiert. Nach eingehender Inspektion wurde der Entschluss gefasst, diesen ,,Oldtimer" nach Kirchheim zu holen, in der Gewissheit, eine Präzisionsmontierung aus Jena vor der Verschrottung zu retten und unseren Instrumentenpark sinnvoll zu erweitern. Vor der Installation musste aber erst einmal eine neue Säule gebaut werden, denn die originale Glockensäule verblieb in Bamberg und trägt heute ein modernes Goto-Teleskop für die Studentenausbildung. Mittlerweile steht dieses historische Teleskop in unserer Sternwarte (Abb. 6) und soll nach Erneuerung der Verspiegelung seiner Optik den Betrieb aufnehmen.
Neben diesen neu installierten Teleskopen steht unseren Gastbeobachtern auch weiterhin der Teleskopkomplex in unserer 6-m-Kuppel zur Verfügung. Dort sind ein 500 mm/2.500 mm-Newton-Teleskop mit parallel montiertem Zeiss-Refraktor 200 mm/3.000 mm sowie eine Zeiss-GroßfeldAstrokamera 300 mm/900 mm (Kühn-Slevogt-System) auf einer Zeiss-VIII-Montierung nutzbar (Abb. 7). Am Refraktor kön-

Sternwarte Kirchheim
7 Zeiss-VIII-Montierung in
der 6-m-Kuppel mit 50-cmNewton-Teleskop + Refraktor AS 200 mm/3.000 mm, aplanatischer Kühn-SlevogtKamera 300 mm/900 mm + Refraktor AS 110 mm/ 1.650 mm
8 Altes Schiebedach-
Observatorium mit 30-cmCassegrain, Zeiss-Refraktor AS 110 mm / 1.650 mm, Takahashi TOA-130 und Lichtenknecker-Schiefspiegler 250 mm/5.000 mm
Journal für Astronomie Nr. 81 | 11

Sternwarte Kirchheim

9 Sonnenfleckengruppe AR 12880 am 02.10.2021 am AS
110 mm/1.650 mm mit Herschel-Prisma + Baader-Solarkontinuum-Filter, aufgenommen mit ASI 290 MC, bearbeitet mit Planetary System Stacker, Verwendungsrate 5% von 2.000 Frames

1 0 Protuberanz am 02.10.2021 mit Solarscope-50 am Takahashi
TOA-130 + Reducer, aufgenommen mit ASI 290 MC, bearbeitet mit Planetary System Stacker, Verwendungsrate 5% von 2.000 Frames

nen auch Sonnenbeobachtungen mit einem 0,5-Å-H-Filter durchgeführt werden.
Im alten Schiebedach-Observatorium stehen ein Cassegrain 300 mm/4.500 mm, ein Zeiss-Refraktor AS 110 mm/1.650 mm, ein Takahashi TOA-130 sowie ein Lichtenknecker-Schiefspieger 250 mm/5.000 mm für die Gastbeobachter bereit (Abb. 8). Auch hier kann die Sonne im Weißlicht und mit H-Filter (Solarscope D = 50 mm / 0,7 Å Halbwertsbreite) beobachtet werden.
Neben den Großinvestitionen haben wir aber auch viel Kraft und Geld in die Modernisierung der älteren Teleskope sowie in Kameratechnik und IT gesteckt. Unser Chefelektroniker Thomas Westerhoff berichtet in diesem Heft über seine Teleskopsteuerung mit PEC-Funktion sowie den Einsatz hochauflösender Encoder zum präzisen Positionieren [5]. Eine CCD-Kamera ST-8 sowie die schon erwähnte STL-6303, beide mit Filterrad, stehen jedem Gastbeobachter zur Verfügung. Unsere neuesten Errungenschaften sind eine ASI 290 MC, vorrangig eingesetzt für ,,Lucky Imaging" an Planeten, Sonne und Mond (Abb. 9 und 10), sowie unser neues Flaggschiff QHY

600 M mit Filterrad. Beide Kameras haben moderne BSI-CMOS-Sensoren (BSI = Back Side Illuminated = über die Chiprückseite beleuchtet), deren extrem hohe Empfindlichkeit und Dynamik bei sehr geringem Rauschen das Herz jedes Astrofotografen höher schlagen lässt. Die vielen kleinen Pixel erfordern aber auch leistungsfähige Rechner mit USB-3, viel Arbeitsspeicher und schneller SSD, will man die Performance voll ausschöpfen. Also haben wir auch in die IT kräftig investiert.
Gesponsert durch die VdS wurde im letzten Jahr mit Unterstützung von Sirko Molau eine Meteorüberwachungskamera als Teil des Allsky7 Fireball Network Europe installiert. Seither liefert sie rund um die Uhr Bilder des Himmels über Kirchheim.
Unsere Gäste sollen aber nicht nur gute technische Voraussetzungen für ihre astronomischen Projekte vorfinden, sie sollen sich auch wohlfühlen und erholen. Dazu gehört der Komfort einer guten Ferienwohnung. Hier haben wir die Gunst der Stunde nach einer vom Freistaat Thüringen mit einer ,,Hochzeitsprämie" geförderten Fusion Kirchheims mit der Nachbargemein-

de Amt Wachsenburg genutzt. Im Haushalt 2019 wurden auf unseren Antrag hin Mittel für die Modernisierung von Küche und Bad, den Ausbau eines weiteren Gästezimmers mit eigenem Bad sowie für neue Liegen und Tische eingestellt. Die Arbeiten haben wir wie in der Vergangenheit in die eigenen Hände genommen. Nur die Klempner-, Fliesenleger- und Elektroarbeiten wurden an Fachfirmen vergeben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Unsere Gäste sind des Lobes voll für die moderne, voll ausgestattete Küche und die schicken Bäder (Abb. 11 und 12). Sie schätzen das schnelle Internet (50/5 MBit) und das grandiose 65-Zoll-Bild unseres 4K-TV (Abb. 13). Über Letzteren laufen auch alle Präsentationen bei Tagungen, Seminaren und unserer Öffentlichkeitsarbeit. Denn wir sind in erster Linie eine Volkssternwarte mit wöchentlichen Öffnungszeiten neben Schüler-Arbeitsgemeinschaften und vielen Sonderveranstaltungen.
All die beschriebenen Fortschritte waren nur möglich dank der anhaltenden großzügigen Spendenbereitschaft der Mitglieder unseres Kirchheimer Vereins ,,Volkssternwarte Kirchheim e.V." und der durch unser

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Sternwarte Kirchheim

1 1 Die neue, voll ausgestattete Küche der Sternwarte

1 2 Neues Bad im Haupthaus der Sternwarte

Team geleisteten entgeltlosen Betreuung der Gastbeobachter. Deren Unkostenbeiträge dienen vorrangig der Deckung der Betriebskosten (Wasser, Strom usw.). Der Rest, wie auch die sporadischen Zuschüsse der VdS, fließen in die Rücklage unseres Vereins für Investitionen. Die geschilderten Projekte konnten aber nur durch zusätzliches Einwerben von Fördermitteln des Freistaats Thüringen und der Europäischen Union finanziert werden. Als gemeinnütziger Verein haben wir mehrere Anträge im Rahmen des EU-Programmes zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes erfolgreich verteidigt. All diese Fördertöpfe kann man aber nur anzapfen, wenn man mindestens 35% der Gesamtkosten an Eigenmitteln beisteuert.
Würden wir hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigen, müssten die Gebühren für Gastbeobachter drastisch angehoben werden. Dann wäre das Angebot nur noch für gut betuchte Gäste interessant und nicht mehr für alle VdS-Mitglieder, was im Wi-

1 3 Vortrags- und Aufenthaltsraum mit 65-Zoll-4K-TV

derspruch zu unserem am Anfang meines Beitrags zitierten Vertrag stünde. Wir, das Team der Sternwarte Kirchheim, stehen weiter zu unserem Wort und scheuen auch in Zukunft die Mühen des VdS-Sternwartenbetriebes nicht, lernen wir doch immer wieder neue Sternfreunde kennen, mit

denen wir uns fachlich austauschen und an deren Beobachtungserfolgen wir mit Freude teilhaben können.
Richten wir noch den Blick auf einige statistische Daten der zurückliegenden fast 30 Jahre VdS-Sternwarte. Die Abbildung

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Sternwarte Kirchheim

1 4 Gesamtüber-
sicht zur Nutzung und zum Betreuungsaufwand der VdS-Sternwarte 1992-2021

1 5 Belegungstage
der VdS-Sternwarte 1992-2021

14 zeigt die Gesamtübersicht zur Nutzung und zum Betreuungsaufwand. Von den 4.063 Anmeldungen gingen ca. 90% von VdS-Mitgliedern aus, denen 25% Nachlass auf den Unkostenbeitrag gewährt wird. Im Mittel war die Sternwarte pro Jahr an 100 Tagen belegt. Multipliziert man jeden Belegungstag mit der jeweiligen Anzahl anwesender Gäste, so ergibt sich die Zahl der ,,Personen-Tage". Betrachten wir die zeitliche Entwicklung (Abb. 15 und 16), so ist die überdurchschnittliche Nutzung in den 90er-Jahren unübersehbar. Das war die Zeit der großen CCD-Tagungen und Gruppen-

aufenthalte astronomischer Vereine. Da war die Sternwarte oft voll belegt. Ab der Jahrtausendwende kommen öfter Einzelbeobachter, und Tagungen finden seltener statt. 2019 war das Jahr der umfangreichen Modernisierungsarbeiten, in dem wir die Sternwarte zeitweise schließen mussten.
Nach dem Corona-Lockdown konnten wir 2021 mit einem strengen Infektionsschutzkonzept den VdS-Sternwartenbetrieb wieder hochfahren und eine erfreuliche Anzahl von Sternfreunden begrüßen.

Neben individuellen Gastbeobachtern nutzen immer wieder Fachgruppen die Sternwarte für Veranstaltungen. Auch der VdSVorstand trifft sich gern zu Beratungen in der Mitte Deutschlands (Abb. 17).
Fazit Zurück zu meiner eingangs gestellten Frage: Ist das gemeinsame Projekt VdS-Sternwarte noch zeitgemäß? Ich denke ja, das Angebot wird noch immer rege genutzt. In einer lauen Sommernacht am Fernrohr die Schönheit des Sternenhimmels beim Gesang der Nachtigall zu genießen, wird im-

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Sternwarte Kirchheim
1 6 Gewichtete
Belegungstage (Personen-Tage) der VdSSternwarte 1992-2021

1 7 Häufigkeit der
Buchungen durch Gastbeobachter, VdSFachgruppen und den Vorstand 1992- 2021

mer eine große Faszination ausüben. Eine Remotebeobachtung vermag dieses Erlebnis nicht zu ersetzen. Mit Gleichgesinnten in gemütlicher Runde bis tief in die Nacht entspannt zu fachsimpeln, voneinander zu lernen, das genießen unsere Gäste. Von Lichtverschmutzung geplagte Städter wissen den ländlichen Sternhimmel und die Ruhe an unserer Sternwarte zu schätzen. Und wer mit einem anspruchsvollen Beobachtungsprogramm nach Kirchheim kommt, findet im breiten Spektrum unserer leistungsfähigen Technik mit Sicherheit das geeignete Instrument.

In diesem Sinne möchte ich alle Sternfreunde, die den Weg zur VdS-Sternwarte noch nicht gesucht haben, herzlich zu einem Astrourlaub ins Grüne Herz Deutschlands einladen. Auch für nicht astro-affine Familienangehörige bietet Thüringen eine Menge kulturelle Highlights. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Literaturhinweise: [1] J. Schulz, 2005: ,,VdS-Sternwarte
Kirchheim - Bilanz und Ausblick", VdS-Journal für Astronomie 18, S. 92 [2] J. Schulz, 2008: ,,30 Jahre Volksstern-

warte Kirchheim - 15 Jahre VdSSternwarte", VdS-Journal für Astronomie 25, S. 6 [3] K. Rätz, M. Rätz, 2021: ,,38 Jahre Veränderlichen-Beobachtung in Kirchheim", VdS-Journal für Astronomie 81, S. 26 [4] B. Wenzel, 2021: ,,Transit-Messungen für die ESA an der Sternwarte Kirchheim", VdS-Journal für Astronomie 81, S. 30 [5] T. Westerhoff, 2021: ,,Neue Teleskopsteuerung der Sternwarte Kirchheim", VdS-Journal für Astronomie 81, S. 16

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Sternwarte Kirchheim

Neue Teleskopsteuerung der Sternwarte Kirchheim
von Thomas Westerhoff
Die Volkssternwarte Kirchheim ist seit Jahren als VdS-Sternwarte bekannt und wird regelmäßig von Gastbeobachtern besucht. Über viele Jahre verrichteten an unseren Montierungen, abgesehen von der modernen ASA DDM-160, Steuerungen des Typs FS-2 sicher und zuverlässig ihren Dienst. Wenngleich diese Steuerungen sehr robust und zuverlässig sind, so liegt deren Entwicklung doch schon viele Jahre zurück und es fehlen Funktionen, die man von einer modernen Steuerung heutzutage erwartet. Insbesondere der Verlust der PEC (Periodic Error Correction) bereitete uns immer wieder Probleme, wenn Gastbeobachter nach Ende ihrer Beobachtung nicht die ,,PEC Save"-Funktion der FS-2 ausführten, sondern diese einfach ausschalteten. So war ständiges Neuanlernen der PEC eine sehr lästige Aufgabe. Der Drang nach etwas Neuem, Moderneren wurde immer stärker. Gleichzeitig stieg natürlich auch durch die Erfahrungen mit der ASA DDM-160 das Verlangen nach modernen Features wie GPS, Internetanbindung und Unterstützung präziserer Encoder.

1 Steuerung und
Handcontroller mit 2,42-Zoll-Display und beleuchteten Tasten
2 Unten: Innenleben
der entwickelten Steuerung

Wir wurden im Internet auf ein OpenSource-Teleskopsteuerungsprojekt aufmerksam: Howard Dutton hatte Ende 2017 damit begonnen, eine sehr modulare Teleskopsteuerung mit dem Namen ,,OnStep" als Open-Source-Projekt zu entwickeln und hierzu eine Gruppe gegründet [1]. Von Beginn an wurde dieses System so konzipiert, dass es aus am Markt verfügbaren Einzelkomponenten (Developer-Boards) ohne viel Aufwand zusammengebaut werden konnte. Die Steuerung verfügt über mehrere Mikrocontroller für unterschiedliche Aufgaben im Gesamtsystem, so dass eine Art Arbeitsteilung erreicht wird. Als Schrittmotortreiber kommen standardisierte ,,Pololu"-Module zum Einsatz, die heutzutage für 3D-Drucker verwendet werden und preiswert bei Ebay oder Amazon

gekauft werden können. Die Firmware lässt sich für die unterschiedlichsten Mikrocontroller kompilieren, so dass dem Anwender eine Vielzahl an Plattformen zur Verfügung steht. Sogar der Einsatz von fertigen 3DDrucker-Boards wie SKR1.4, RAMPS oder MKS-GEN L ist möglich. Anpassungen in der Firmware sind ebenfalls leicht möglich, wovon wir regen Gebrauch gemacht haben. Zwar gibt es für die OnStep diverse fertig entwickelte Ausführungen, jedoch waren deren Anschlüsse nicht mit denen der FS-2 kompatibel, weshalb der Einsatz von Adaptern nötig gewesen wäre, um sie an unseren Montierungen zu betreiben. Dies hätte aber eventuell später zu Kontaktproblemen

geführt. Zudem gab es weitere technische Einschränkungen, die einen Einsatz an unseren betagten Montierungen schwierig gestalteten. Insbesondere in der kleinen Schiebedachhütte, wo die Deklinationsachse zweigeteilt ist, sich Ost und West unabhängig voneinander bewegen lassen und auf jeder Seite ein unterschiedlicher Tangentialtrieb sowie je ein Encoder verfügbar ist, erwies sich der Einsatz der originalen OnStep-Steuerung als schwierig. Da jedoch die Schaltpläne öffentlich zugänglich sind, hatte ich mich entschlossen, ein eigenes Platinenlayout gemäß unserer Anforderung zu entwickeln. Dabei wurden auch ein Verpolungsschutz und eine Überspan-

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Sternwarte Kirchheim

3 AS37-H39B-Encoder
mit Adapterplatine und Akku

nungsschutzschaltung integriert. Im Original kann die OnStep bis zu fünf Schrittmotorstufen ansteuern. In unserer Schaltung habe ich mich auf vier beschränkt, da wir neben Rektaszension (Stunde) und Deklination lediglich noch einen Treiber für einen Fokussierer und einen in Reserve benötigen. Letzterer kann z. B. für einen zweiten Fokussierer verwendet werden. Aufgrund unserer deutschen Montierungen besteht kein Bedarf für einen Bildfeldrotator. Das Gehäuse wurde mit einem 3D-Drucker gedruckt (Abb. 1).
Neben einem leistungsstarken ARMHauptprozessor mit 180 MHz ist für die Internet-Ankopplung per WiFi ein zusätzlicher ESP8266/ESP32 verbaut. Letzterer übernimmt auch das Auslesen der Inkremental-Encoder. Im Gegensatz zur FS-2 werden diese jedoch nicht per Polling zyklisch abgefragt, was bei uns gelegentlich zu Aussetzern führte, wenn das Teleskop zu schnell manuell geschwenkt wurde, sondern per Interrupt. Hierdurch gehen keine Encoderschritte mehr verloren. Der dritte Mikrocontroller vom Typ ESP32 mit 240 MHz befindet sich im Handcontroller und übernimmt hier weitere Aufgaben. Alle Mikrocontroller kommunizieren intern über ein deutlich erweitertes LX200-Protokoll mit 115.200 Baud. Weiterhin ist in der Steuerung ein akkugepuffertes GPS-Modul mit externem Antennenschluss verbaut, welches die exakte Position, Höhe und vor allem die genaue Zeit des Beobachtungsortes liefert. So ist auch die interne Berechnung der Planetenpositionen sehr genau. Als Schrittmotortreiber wurden vier Trinamic TMC5160A-Module verbaut, die einen Strangstrom von 3 A (4,4 A Peak) bei einer Motorspannung von bis zu 60 V liefern können. Der Treiber verfügt über eine Microstep-Auflösung bis zu 256 Steps und ist zudem kurzschlussfest (Abb. 2).

Um das spezielle Setup der geteilten Deklinationsachse in der kleinen Schiebedachhütte in den Griff zu bekommen, musste zusätzlich eine Umschaltbox entwickelt werden, die nicht Bestandteil des OnStep-Projektes ist. Mit dieser kann zwischen der Ost- und West-Seite der Montierung umgeschaltet werden. Die Motoren werden dabei über Relais und die Encodersignale über einen Digitalmultiplexer umgeschaltet. Zudem ist ein PEC-Sensor in Form eines Hall-Sensors an der Schnecke verbaut. Über diesen wird ein Indexsignal erzeugt, wenn die Schnecke eine definierte Position erreicht hat. Dieses Indexsignal ist der Startpunkt für die PEC, die nun selbst nach Ausschalten der Steuerung immer sicher startet, wenn das Indexsignal die korrekte Schneckenposition anzeigt. Die Tangentialtriebe der Deklinationsachsen, die nur einen begrenzten Verfahrweg ermöglichen, wurden jeweils mit Lichtschranken versehen. Diese liefern ein Signal, wenn sich der Tangentialtrieb im Mittelpunkt seines Arbeitsbereiches befindet. Die Steuerung bietet die Möglichkeit, den Tangentialtrieb vor jeder Beobachtung automatisch in diese Mittelposition zu verfahren. Auch sind die Bewegungslimits der Tangentialtriebe in der Steuerung abgespeichert, so dass die Tangentialtriebspindel sich nicht versehentlich aus der Mutter herausdrehen kann.
Wie bereits erwähnt, werden die Signale der Inkremental-Encoder von einem separaten

Mikrocontroller vom Type ESP8266 erfasst. Hierzu gibt es eine Pegelanpassungsschaltung, die die 5-V-Signale gängiger Encoder auf die 3,3 V des Controllers anpasst. Im Zuge des Umbaus wurde der an der Stundenachse befindliche Encoder mit 2.048 Schritten Auflösung durch einen Präzisionsencoder mit 10.000 Schritten Auflösung ausgetauscht, wodurch in der Stundenachse die Genauigkeit der Nachführung nochmals deutlich erhöht wurde. Neben der Bedienung über einen Handcontroller, der mit sieben Tasten und einem 2,42 Zoll großen OLED-Display ausgestattet ist, kann die Steuerung auch über USB 2.0 bedient werden. Der ARM-Hauptcontroller stellt hierbei über USB drei virtuelle COM-Ports zur Verfügung, die für unterschiedliche Anwendungen genutzt werden können. Es existiert sowohl ein ASCOM- als auch ein INDI-Treiber jeweils für die Steuerung (ASCOM-Telescope) als auch für den Fokussierer (ASCOM-Focuser). Somit ist die Anbindung moderner Astronomieprogramme wie TheSkyX, StarryNight, Stellarium, N.I.N.A. usw. problemlos möglich. Alternativ kann per Internet remote auf die Steuerung zugegriffen werden, da der ESP8266/ ESP32 einen WiFi-Webserver zur Verfügung stellt, der über den Router geleitet werden kann. Über diesen Webserver kann zum Beispiel auch per Smartphone oder Tablet gearbeitet werden. Ein standardisierter Autoguider-Anschluss ist ebenfalls vorhanden.

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Sternwarte Kirchheim

Nachdem nun in der Schiebedachhütte die Steuerung problemlos lief, wurde ein baugleiches Modell auch in der Kuppel an unserer großen Zeiss-VIII-Montierung installiert. Da hier die Deklinationsachse nicht geteilt ist, konnte auf die ,,Umschaltbox" verzichtet werden. Jedoch wollten wir hier eine weitere Idee mit der neuen Steuerung umsetzen - den Anbau von AbsolutEncodern (bzw. Inkremental-Encodern, die mit einem kleinen Trick als AbsolutEncoder arbeiten können). Möglich wurde dies, da im ESP8266/ESP32 die Auswertung der Encoderimpulse softwaremäßig erfolgt und seitens der Hardware zwei Leitungen (A und B) zur Verfügung standen. Warum sollte man da nicht einfach Absolut-Encoder adaptieren können, die seriell über das BISS-C-Protokoll arbeiten und hierfür ebenfalls nur zwei Leitungen benötigen (SLO und MA)? Nötig wurde hier nochmals eine kleine preiswerte Adapterplatine zwischen Encoder und Steuerung,

die schnell aufgebaut war. Gemeinsam mit Howard Dutton konnten auch die nötigen Änderungen in der Firmware implementiert werden. Da Howard jedoch nicht über die passenden Encoder verfügte, erfolgte bei uns der Betatest. Unsere Wahl fiel auf zwei Encoder vom Typ Broadcom AS37H39B, welche über eine Gesamtauflösung von 39 Bit verfügen (Abb. 3). Dabei stehen 23 Bit pro Umdrehung und 16 Bit für die Anzahl der Umdrehungen zur Verfügung. Wir haben im Zuge der Umrüstung auch die alten Gummireibräder, die häufig Probleme machten, durch Aluminiumräder ersetzt, die auf den Achsen auf geschliffenen Flächen laufen. Bei einer theoretischen Auflösung von 23 Bit pro Umdrehung liefern die Encoder 8.388.608 Positionen pro Umdrehung, was bei unserer mechanischen Untersetzung einer Auflösung von 0,308 Bogensekunden pro Encoderschritt entspricht. Die hohe Auflösung der Encoder ist jedoch nicht das einzige Feature, was

diese Lösung zu einem Highlight macht. Echte Absolut-Encoder sind extrem teuer. Obwohl es sich technisch gesehen beim AS37 um Inkremental-Encoder handelt, können sie über einen Akku gepuffert werden. Sie vergessen dadurch nicht mehr die aktuelle Position und fungieren so de facto als Absolut-Encoder. Sie erkennen durch die Akkupufferung sogar Positionsänderungen, wenn die Steuerung selbst gar nicht in Betrieb ist. So ist es möglich, nach dem Einschalten unserer betagten Montierung ohne Referenzieren sofort mit der Beobachtung zu beginnen, da die Steuerung durch die neuen Encoder und das verbaute GPS alle Informationen hat und die Teleskopposition am Himmel kennt. Dies ist ein deutlicher Präzisions- und Zeitgewinn für uns und unsere Gastbeobachter.
Internethinweis: [1] Open-Source-Projekt OnStep: https://
onstep.groups.io/g/main/wiki

Vom 50-mm-Bastelrefraktor ans Kirchheimer 300-mm-Spiegelteleskop
von Peter Rucks

Im Jahr 1980 machte ich erstmalig Bekanntschaft mit der Sternwarte Kirchheim, und zwar im Rahmen eines unter der Schirmherrschaft des Kulturbundes der DDR organisierten astronomischen Jugendlagers [1]. Viele spannende Vorträge, praktische astronomische Beobachtungen, Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten und sogar Exkursionen zur heutigen EGA-Sternwarte Erfurt und zur heutigen Thüringer Landessternwarte Tautenburg erwarteten mich dort. Ich war begeistert, es gab so viele Anregungen zur Beobachtung, zur Fotografie, zum Fernrohrbau, und vor allem hatte ich erstmalig Kontakt zu Jugendlichen, die genauso begeistert von der Astronomie waren wie ich selbst (Abb. 1). Es war einfach toll!
Aus heutiger Sicht war die Sternwarte mit ca. 35 km Entfernung von meinem Wohnort Ilmenau ,,fast um die Ecke". Jedoch war

ich als Lehrling damals auf den Bus bzw. mein einfaches Fahrrad angewiesen. Beide waren für spontane Kurzbesuche ungeeignet. Allerdings bekam ich von den Kirchheimern das Angebot, gerne ein paar Tage Urlaub in der Sternwarte zu machen. Das ließ ich mir nicht entgehen, und so war ich im Sommer 1981 wieder dort [2], diesmal alleine und mit so viel Fotoausrüstung, wie mein Fahrrad eben noch sicher tragen konnte. Da genau zu dieser Zeit über Sibirien eine totale Sonnenfinsternis stattfand, war Jürgen Schulz gerade unterwegs und ich wurde von Gunter Freydank herzlich in der Sternwarte empfangen. Er zeigte und erklärte mir alle wichtigen Sachen, dann bekam ich einen Sternwarten-Schlüsselbund und nun ,,mach mal". Wir kannten uns vom vergangenen Jahr aus dem Jugendlager, aber so viel Vertrauen und Offenheit waren aus meiner Sicht nicht selbstverständlich. Ich hatte schon einige schöne Sternwarten

kennengelernt, wo ich mehr vor verschlossenen Türen als in einer geöffneten Kuppel gestanden hatte. In Kirchheim war das von Anfang an anders. Die Sternwarte geht ursprünglich auf reine Privatinitiative zweier astronomiebegeisterter Schüler zurück. Jürgen Schulz und Gunter Freydank hatten gemeinsam begonnen, den Himmel zu beobachten und zu fotografieren. Es hat angefangen mit einfachen, kleinen Fernrohren, die schnell immer größer wurden und dann eine richtige Beobachtungsstation und Sternwarte erforderten. So entstand die Sternwarte Kirchheim aus ganz viel Eigeninitiative und mit der Unterstützung vieler fleißiger Helfer. 1981 war das Kuppelgebäude (Abb. 2) bereits fertig, jedoch noch weitestgehend leer. Im Erdgeschoss war eine improvisierte Dunkelkammer eingerichtet, Wasser musste damals noch von draußen an einem Wasserhahn geholt und gegebenenfalls temperiert werden. Die Ein-

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Sternwarte Kirchheim

1 Astronomisches Jugendlager 1980 - Gruppenbild in der Beobachtungshütte

richtung selbst ließ für mich kaum Wünsche offen, bis Format 40 x 50 cm2 konnten Schwarzweißbilder entwickelt werden. Für astronomische Beobachtungen stand die Beobachtungshütte (Abb. 1 und 3) mit dem 300-mm-Cassegrain-Spiegelteleskop, einem 140-mm-Refraktor und einigen sehr guten Teleobjektiven zur Verfügung. Zu Hause besaß ich nur einen 50-mm-Bastelrefraktor. Da hatten die Kirchheimer schon größer gebaut, es erschien mir wie das Paradies für einen Hobbyastronomen. Ich durfte das alles einfach so benutzen, bekam ein paar Tipps und dann ging's los. So hatte ich Gelegenheit, meine eigenen Erfahrungen zu machen. Natürlich musste ich dabei erst lernen und diverse Fehler machen, aber das funktionierte wunderbar und machte unheimlich viel Spaß. Es war, wie wenn sich der Himmel ein Stückchen weiter für mich geöffnet hätte. Insbesondere bei der Astrofotografie ergaben sich fantastische Möglichkeiten, die aus heutiger Sicht wahrscheinlich eher belächelt werden (Abb. 4). Zur Übernachtung diente damals der klei-

2 Kuppelgebäude der Sternwarte Kirchheim 1981

ne Nebenraum in der Beobachtungshütte. Insgesamt war es ein bisschen wie Camping mit einem Dach über dem Kopf. Weil mir diese Art Urlaub so gut gefiel, kam ich in den kommenden fünf Jahren immer wieder für 1-2 Wochen im Sommer um die Neumondzeit nach Kirchheim. Von Jahr zu Jahr hatten die Kirchheimer Amateuras-

tronomen wieder ein Stück weiter an ihrer Sternwarte gebaut. Sie wurde schöner und schöner, 1986 konnte das große Teleskop im Kuppelgebäude genutzt werden, und in einem Jugendlager wurde das Vortragsgebäude mit Gästezimmern errichtet. Damit erreichte Kirchheim den ,,Status" einer Feriensternwarte. Alles war jetzt bequemer,

Journal für Astronomie Nr. 81 | 19

Sternwarte Kirchheim

3 Beobachtungshütte der
Sternwarte Kirchheim 1981

größer und es gab noch bessere Beobachtungsmöglichkeiten.
Nach der ,,Wende" hat sich Kirchheim zur VdS-Ferien-Sternwarte weiterentwickelt [3]. Es wurde und wird immer weiter gebaut und modernisiert. Man kann zu Recht sagen, dass sich die Sternwarte mit ihrer Gerätetechnik am Stand der Technik orientiert. Trotzdem hatten diese ersten Jahre auch ihren eigenen, ganz besonderen Charme der Einfachheit, was ich nicht missen möchte.

Literaturhinweise: [1] J. Schulz, G. Freydank, M. Vlahosz,
P. Grosse, F. Schubert, 1981: ,,Astronomisches Jugendlager Kirchheim 1980", Astronomie und Raumfahrt 19 (1/1981), S. 28 [2] P. Rucks, 1982: ,,Ferien in der Sternwarte Kirchheim", Astronomie und Raumfahrt 20 (2/1982), S. 60 [3] J. Schulz, 2005: ,,VdS-Sternwarte Kirchheim - Bilanz und Ausblick", VdS-Journal für Astronomie 18 (3/2005), S. 92

4 M 31, aufgenommen 1982 in Kirchheim mit Objektiv Sonnar 1:4/300 mm,
30 min belichtet auf ORWO-NP27-Film

IMPRESSUM
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY | Tel: +496252 787154 | Fax: +496252 787220 service@sternfreunde.de | www.sternfreunde.de Redaktion: Dietmar Bannuscher, Dr. Werner E. Celnik, Otto Guthier, Sven Melchert, Peter Riepe, redaktionelle Mitarbeit der VdS-Fachgruppen-Redakteure und VdS-Mitglieder Bearbeitung von Bildern und Grafiken: Dr. Werner E. Celnik und die Autoren

Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin Anzeigen: Kullmann & Matic GbR, anzeigen@sternfreunde.de Druck: Raff & Wurzel Druck GmbH, Riederich Vertrieb: Werner Teutsch GmbH, Laudenbach Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitgliedsbeitrag von 40,- E (EU) und 45,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten. Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe Seite 126 und unter www.sternfreunde.de). Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169, 64629 Heppenheim, E-Mail: service@sternfreunde.de.

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Sternwarte Kirchheim

25 Jahre Gastbeobachter in Kirchheim
von Andre Wulff

Kurz nach der Wende machte bei uns Sternfreunden die Sternwarte Kirchheim die Runde. Angetrieben durch die VdS wurde sie als Angebot an uns herangetragen, zugleich mit der Bitte, diese dann auch einmal persönlich kennenzulernen. Dass daraus dann eine inzwischen schon seit 25 Jahren bestehende Regelmäßigkeit wurde, konnte man zu der Zeit nicht ahnen.

Mein Astroverein hatte damals als größtes Instrument einen Newton von 35 cm Öffnung zu bieten, und die Aussicht, einmal mit noch größerer Öffnung beobachten zu können, war für einen Großstadtbeobachter natürlich ein reizvolles Angebot. Schon damals interessierten mich hauptsächlich Kometen und Galaxien, und so war ich gespannt, was wohl auf mich zukommen würde.

1 19.10.2014, Kirchheim bei Nacht, Kamera Canon 5D, 68 Sekunden, ISO 800,
Weitwinkelobjektiv 28 mm (Bild: A. Wulff)

1995 war es dann soweit. Christian Harder und Manfred Holl waren ebenfalls mit von der Partie, und so ging es dann an einem Sommerwochenende los. Ich konnte aus beruflichen Gründen erst am Samstag starten, während meine beiden Mitbeobachter schon vorher dort aufschlugen. Bei bestem Sommerwetter ging die Reise nach Thüringen los. Ganz entspannt kam ich nach ca. fünf Stunden in der Sternwarte Kirchheim an.
Die Mitbeobachter empfingen mich in einem relativ einfach gehaltenen Gebäude. Aber wir wollten ja auch beobachten, und dazu braucht man relativ wenig Luxus. Es war alles vorhanden, was wir benötigten, interessant war nur der rückwärtige Zeitsprung. Das möchte ich keineswegs negativ verstanden wissen, alleine der Aufenthaltsraum mit seinen Zeitschriften und Büchern war schon sehr beeindruckend, und so gab es Lesestoff bis zum Abwinken. Sehr spannend war es auch mit dem vorhandenen Instrumentarium. Unsereins war ja so auf

neumodische Produkte aus der Riege Celestron, Meade und Vixen eingestellt, doch hier war die erste Wahl natürlich Zeiss. Mit dem neumodischen Kram aus dem Westen hatte man noch keine so große Freundschaft geschlossen, und ich muss sagen, das tat auch gar nicht Not. Wir konnten alles, was wir beobachten wollten, ganz problemlos auffinden und den Anblick genießen.
Wir fanden dort auch ein durchaus tolles Instrumentarium vor: In der Kuppel einen 50-cm-Newton auf einer stabilen ZeissMontierung, dazu huckepack noch einen 200 mm/3.000 mm-AS-Zeiss-Refraktor. Bei Teleskopen dieser Größenordnung war gerade bei zenitnaher Beobachtung eine gewisse Astrogymnastik angebracht. Der Okularauszug des Refraktors war dann schon bedenklich in Bodennähe, und zum Okularauszug des Newton musste man damals noch auf einer recht wenig schwingungsbefreiten Leiter auf rund drei Meter Höhe steigen und sollte dann doch frei von Höhenangst sein. Auch war die Tau-

kappe des Refraktors so lang, dass sie beim Durchschlagen des Teleskops schon einmal unfreiwilligen Kontakt mit dem Motor des Kuppelspaltes aufnahm. Die Kuppel selbst wurde seinerzeit in totalem Selbstbau hergestellt. Eine tolle und durchdachte Konstruktion, besonders der Motor für die untere Klappe der Kuppel hat einen sehr speziellen Sound. Auch kam es schon mal vor, dass bei zu wildem Betätigen der Taster die Sicherung einer Phase rausflog. Aber diesen Charme der Kuppel mochten wir auch nie missen, der gehörte auch irgendwie einfach dazu.
Weiterhin gab es an der Sternwarte noch eine Hütte mit abfahrbarem Dach. Diese Hütte hatte es aber in sich. Die dort drin befindliche Eigenbau-Montierung trug einen Cassegrain 300 mm/4.500 mm mit SitallSpiegeln von LOMO sowie einen Lichtenknecker-Schiefspiegler 250 mm/5.000 mm. Neben dem Refraktor in der Kuppel wurden diese Instrumente hauptsächlich zur Planetenbeobachtung eingesetzt.

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Sternwarte Kirchheim

Der nahe Thüringer Wald sorgt leider bei Westlagen für eine Beeinträchtigung des Seeings, bei Ostlagen ist es in der Regel deutlich besser. In der Anfangszeit haben wir hauptsächlich visuell beobachtet. Fotografie fand noch ,,analog" statt, die Filme wurden selbst entwickelt. Später dann begann der Einstieg in die CCD-Technik mit zahlreichen Workshops, in denen wir mit den Kameras von Frank Fleischmann unsere ersten Gehversuche unternahmen. Auch wassergekühlte Kameras wurden ausprobiert, wo dann Kühlwasser per Aquariumstechnik zur Kamera gepumpt wurde. Heutzutage besitzt die Sternwarte hochmoderne CCD-Kameras, mit denen ich zum Beispiel gerne den Kometen nachstelle.
Die Anfänge in Kirchheim waren beim Beobachten durch die Gegebenheiten geprägt. Da ein bisschen Wissen zur Himmelsmechanik und Beobachtung grundsätzlich nicht schaden kann, kam es hier auch gleich einmal zur Anwendung. Der große Newton hatte in der Anfangszeit nicht einmal einen Sucher, und die Teilkreise bei der ZeissMontierung waren doch recht grob. Aber der Zeiss-Refraktor und der Newton waren sehr gut zueinander justiert, und so ging es mit Stundenwinkel und Starhopping doch recht gut von der Hand. So ergaben sich unzählige Beobachtungsstunden mit diesen schönen Instrumenten.

2 Komet 103P/Hartley 2 am 08.10.2010, Kamera Canon 20D, 113 Sekunden, ISO 800,
Teleobjektiv 135 mm (Bild: A. Wulff)

Dann und wann kam doch recht viel Staub auf, wenn die Bauern auf den umliegenden Feldern ihre wohlverdiente Ernte einbrachten. Da sind himmlische Genüsse durchaus auch mal zweitrangig. Später haben wir dann auch einmal eine Kamera am Okularauszug befestigt.

Zur Jahrtausendwende wirkte für einige Zeit eine bezahlte Arbeitskraft in der Sternwarte mit und hat sehr viel Positives bewirken können. Innerhalb und außerhalb der

3 Komet 2P/Encke am 02.10.2013, Kamera ST-8, 20 x 90 Sekunden,
Newton 500 mm/2.500 mm (Bild: A. Wulff)

Journal für Astronomie Nr. 81 | 23

Sternwarte Kirchheim

Gebäude tat sich jetzt sehr viel, es wurden Leitungen verlegt, digitale Teilkreise installiert, und es gab einen richtigen Sprung in die moderne Zeit. Computergesteuert, teilweise aus eigenen Beobachtungsräumen, wurden die Teleskope jetzt betrieben. Die Montierung hat in Deklination nur einen Tangentialarm. Kam man dort an die Grenzen, dann gab es einen absolut durchdringenden Warnton, bei dem man schnell in die Kuppel eilte, um ihn abzustellen. Auch eine ST-8 von SBIG wurde angeschafft und ausgiebig genutzt.
Nächster Meilenstein war dann die Anschaffung eines 60-cm-Cassegrain der Firma Philipp Keller. Dieses Teleskop kann leicht zum f/3-Primärfokus-Astrografen umgerüstet werden. Es wurde zunächst

in der Kuppel anstelle der aplanatischen Kamera installiert. Das brachte meine Kometenbeobachtungen auf ein ganz neues Level und erhöhte den Anreiz eines Beobachtungsaufenthaltes natürlich enorm. Im Jahre 2010 wurde dann auf dem Gelände ein weiteres Observatorium errichtet, das neben zusätzlichen Schlafplätzen für Gastbeobachter nun den besagten 60-cm-Cassegrain auf einer ASA-Montierung DDM160 beherbergt. Diese Montierung habe ich schon in einer Remote-Sternwarte kennengelernt, und so durfte ich das neue Equipment dankenswerterweise bei meinen Beobachtungsaufenthalten benutzen.
Der Außenbereich der Sternwarte wurde auch noch einmal umgestaltet. Eine Sonnenuhr und selbstleuchtende Steine kamen

hinzu. Befürchtungen der Sternwarte, dass diese Steine beim Beobachten stören könnten, haben sich zum Glück nicht bestätigt. Leider Gottes unterliegt die Sternwarte Kirchheim auch immer mehr der Ausweitung der Lichtverschmutzung. Diverse Gewerbegebiete und Neubauten haben dazu geführt, dass der Himmel über Kirchheim nicht mehr die gleiche Qualität aufweist wie noch zu Beginn des Jahrtausends. Die neu gebaute A 71 stellt dabei zum Glück kein so großes Problem dar.
Ich möchte mich auf jeden Fall bei Jürgen Schulz und dem Verein rund um die Sternwarte recht herzlich für die langjährige Gastfreundschaft und Bereitstellung der Sternwarte bedanken und hoffe noch auf viele schöne Beobachtungsnächte.

BAV-Beobachtungswochen 2004 bis 2021
an der VdS-Sternwarte in Kirchheim
von Gerd-Uwe Flechsig

Seit Mitte der 1980er-Jahre gehört die Astronomie zu meinen Hobbys. Im Jahr 1999 begann ich, mich mit veränderlichen Sternen zu befassen und wurde Mitglied in der Bundesdeutschen Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne e.V. (BAV). Von 2002 bis 2010 war ich auch deren erster Vorsitzender. Nach 2000 hatten sich die Beobachtungsbedingungen bei mir zu Hause erheblich verschlechtert. Glücklicherweise ergab es sich ein paar Jahre später, dass die BAV mit ihren Beobachtungs- und Urlaubswochen zum Thema Veränderliche Sterne in Kirchheim begann. So verbrachten wir erstmals zu viert unter Anleitung von Werner Braune im August 2004 eine sehr schöne Woche [1]. Etliche visuelle Lichtkurven konnten schon beim ersten Mal erhalten werden. In den folgenden Jahren lagen Organisation und Leitung der Veranstaltung dann bei mir.

Seit 2004 hat die BAV insgesamt 16 Beobachtungswochen an der VdS-Sternwarte in Kirchheim durchgeführt. Wie ist diese Veranstaltungsserie entstanden, welche Highlights und Tiefpunkte gab es? Dieser Beitrag gewährt einen Überblick, nicht nur zu den Erfahrungen mit praktischen Übungen und Seminaren zu Veränderlichen Sternen, sondern auch zu einem gut dokumentierten Zeitraum von 17 Jahren sommerlicher Beobachtungsmöglichkeiten in Kirchheim. So können wir belegen, dass es in all den Jahren nicht einmal vorkam, dass keine Beobachtungsergebnisse erzielt werden konnten. Das liegt sicher auch an der Jahreszeit, die von August bis Anfang September recht zuverlässig schönes Wetter bietet.
Die Qualität des Standortes hinsichtlich Durchsicht und Hintergrundhelligkeit kann als gut bewertet werden, das Sky Qua-

lity Meter zeigte in mehr als einem Jahr Werte von besser als 20,5 mag/arcsec2 an. Die Lichterglocken von Erfurt im Norden und Arnstadt im Süden machen sich nur in Horiziontnähe bis ca. 25 Grad Höhe deutlich bemerkbar. Das Seeing wird von den Kirchheimer Sternfreunden häufig bemängelt, ist aber für die Veränderlichenbeobachtung von untergeordneter Bedeutung.
Anfänge und Entwicklung der Veranstaltungsreihe Im Jahr 2003 berieten wir im BAV-Vorstand, ob es nicht wieder gemeinsame nächtliche Beobachtungen wie früher in den 1950er- und 60er-Jahren geben sollte, wo nach dem Motto ,,Vormachen, Mitmachen, Nachmachen" Einsteiger zusammen mit alten Hasen Veränderliche Sterne in Berlin beobachteten. Eine Anfrage beim Astronomischen Jugendcamp wurde ab-

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Sternwarte Kirchheim

schlägig beschieden, da die jungen Leute überwiegend unter sich bleiben wollten. So entschieden wir uns denn für die VdSSternwarte in Kirchheim als Austragungsort eines eigenen Treffens. Mit vier Mann war die Teilnehmerzahl zwar von Beginn an überschaubar, dafür nahmen im Laufe der bisherigen 16 Beobachtungswochen insgesamt 35 verschiedene Sternfreunde teil. Im Durchschnitt waren fünf Teilnehmer vor Ort. Dreimal hatten wir mit acht Teilnehmern eine besonders starke Besetzung. Im Jahr 2018 fanden sich mit Eyck und mir lediglich zwei Leute ein, obwohl in dem Jahr der Termin in enger zeitlicher Nähe zu dem BAV-Treffen in Hartha geplant wurde, um beide Veranstaltungen nacheinander besuchen zu können. Im Mai gibt es jedoch offenbar weniger potenzielle Interessierte als in der langen Sommerferienzeit. Viele Sternfreunde nahmen mehrmals an der Beobachtungswoche teil, am häufigsten waren Eyck Rudolph (12), Rolf Stahr (5) sowie Guido Wollenhaupt und Gerhard Bösch (4) dabei.
Generell ist eine Feriensternwarte mit den üblichen großen Teleskopen und Schutzbauten sowie einem Haupthaus mit Seminarraum, Bibliothek, Küche und Schlafzimmern eine ideale Kombination für Sternfreunde, die selbst nicht über gute Beobachtungsmöglichkeiten verfügen, sei es, weil die Ausrüstung oder die Zeit im Alltag fehlt oder weil der eigene Standort daheim nicht gut geeignet ist. Für längere Beobachtungsveranstaltungen mit Seminaren und nächtlichen praktischen Übungen hat sich die Sternwarte in Kirchheim jedenfalls hervorragend bewährt.

Argelander. Außerdem wurden die Planung einer Beobachtungsnacht sowie das Auffinden und Identifizieren von Veränderlichen und Vergleichssternen regelmäßig behandelt. Unterstützt wurden wir lange Jahre durch Kerstin und Manfred Rätz, die uns nicht nur den Gebrauch verschiedener Atlanten und Vergleichssternkarten zeigten, sondern uns auch in die CCD-Beobachtung einführten. Diese Technik spielte ab 2006 eine schnell wachsende Rolle und dominiert inzwischen die Beobachtungspraxis. Passend dazu wurden auch Themen rund um die Aufstellung, Einnordung und Kalibrierung von Goto-Montierungen sowie die Fotometrie von CCD-Aufnahmeserien immer wichtiger.
Nächtliche Beobachtungen Während anfangs von den geübteren Beobachtern noch bis zu vier Veränderliche mit Teleskopen und Feldstechern parallel geschätzt wurden, erfordern inzwischen die immer ausgefeiltere Elektronik und Software von Montierungen und Kameras unsere volle Aufmerksamkeit, so dass leider nur noch selten visuell geschätzt wird.
In den ersten Jahren wurde mit dem Takahashi TOA-130 der Sternwarte, mobilen C8-Teleskopen der Sternwarte und der BAV sowie Feldstechern beobachtet. Der Trend ging dann immer weiter zu mobilen Geräten der Teilnehmer, die eine gute Gelegenheit fanden, zusammen mit erfahrenen Sternfreunden die Möglichkeiten der eigenen Ausrüstung zu erproben. Bis heute sind natürlich auch die Instrumente der Sternwarte in den zwei Schiebedachhütten und der Kuppel im Einsatz.

vatorium) und Eisenach mit dem Lutherhaus, dem Bachhaus und der Wartburg. Weitere Ausflugsziele waren die Sternwarte Sonneberg und Oberhof.
Kulinarisches Am häufigsten besuchten wir das Hotel Krone im Nachbarort Eischleben. Unsere Ausflüge nutzten wir auch, um in der Gaststätte ,,Scharfe Ecke" in Weimar, beim Italiener in Eisenach, im indischen Restaurant ,,Bombay" in Erfurt sowie am Bratwurststand in Jena nicht nur Rast zu machen, sondern auch kulinarische Highlights zu erleben.
Ausblick Wann immer möglich, werde ich auch in den kommenden Jahren die BAV-Beobachtungswoche abhalten. Eine Mindestteilnehmerzahl ist weiterhin nicht vorgesehen, und auch Last-Minute-Anmeldungen bleiben möglich. Die Kurse und die Betreuung waren und bleiben kostenlos. Lediglich für die Übernachtungen wird ein Kostenbeitrag an den Kirchheimer Verein fällig, der für VdS- und BAV-Mitglieder zudem ermäßigt ist. Abschließend bedanke ich mich sehr herzlich bei den Kirchheimer Sternfreunden für die ausgezeichnete Betreuung in den 17 zurückliegenden Jahren!
Literaturhinweis: [1] R. Obertrifter, 2005: ,,Bericht über die
Veränderlichenbeobachtungswoche an der VdS-Sternwarte in Kirchheim", VdS-Journal für Astronomie 17, S. 125

Seminare Von Beginn an spielten Seminare zu veränderlichen Sternen eine wichtige Rolle. Wichtigstes Thema war in den ersten Jahren die Durchführung und Auswertung visueller Schätzungen von Helligkeiten nach

Ausflüge In den meisten Jahren erfolgten tagsüber Ausflüge nach Erfurt (Krämerbrücke, Dom und Festung), Weimar mit Goethehaus und Schlosspark, Jena/Tautenburg (optisches Museum und Karl-Schwarzschild-Obser-

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Sternwarte Kirchheim

38 Jahre Veränderlichen-Beobachtung in Kirchheim
von Kerstin und Manfred Rätz

Unser alljährlicher Beobachtungsaufenthalt in der Sternwarte Kirchheim gibt uns die Möglichkeit, in dieser Zeit einmal ganz für die Astronomie leben zu können, wo sie doch im Berufs- und Alltagsdasein stets eine Nebenrolle einnehmen muss. So entstehen hier vor allem Nächte füllende Beobachtungsreihen an Veränderlichen Sternen - also sind hier meist Bedeckungssterne in der näheren Auswahl.

In den früheren Jahren führten wir die Beobachtungen visuell durch. Hauptwerkzeug ist hierbei die Argelandersche Stufenschätzmethode. Die Helligkeit des Veränderlichen Sternes wird mit der von anderen Sternen verglichen, von denen man weiß, dass ihre Helligkeit konstant ist (siehe Kasten).

Doch auch bei den Amateurastronomen ist die Verbesserung der Genauigkeit der Beobachtungen ein großes Ziel. Mit Fortschreiten der Technik und der Tatsache, dass geeignete Kameras nicht mehr ganz so unerschwinglich sind wie noch vor Jahren, ist man auch bei der Beobachtung von Veränderlichen Sternen den Schritt von der Schätzung zur Messung gegangen. Mit einer CCD- oder CMOS-Kamera kann man Reihenaufnahmen des Himmelsausschnittes gewinnen, in dem sich der Veränderliche befindet, und diese werden sofort auf dem Computer gespeichert. Dann kann man mit geeigneter Software (beispielsweise MuniWin) die Auswertung in Angriff nehmen. Das Ergebnis ist eine Lichtkurve des Sternes.

1 Minimum von EE Peg am 31.07.2014, Algol-Stern, 6,93-7,51 mag,
P = 2,62821423 d, visuell

Unser jährlicher Aufenthalt in Kirchheim gibt uns nun nicht nur die Zeit, uns mal ausgiebig mit der Astronomie und hierbei wie schon erwähnt mit Veränderlichen und Exoplaneten zu beschäftigen, sondern auch die Möglichkeit, dies mit einem Arsenal an vorhandener Technik zu tun.

2 Abenteuer Veränderlicher Stern! Wie eindrucksvoll ist es, gleich zwei Maxima des
ultrakurzperiodischen Sternes CY Aqr hintereinander zu erleben (visuell, 20.08.2004)! CY Aqr ist ein Pulsationsstern vom Typ SX Phe mit einer Periode von nur 0,061038328 d - also ungefähr ganze 90 Minuten! Die Amplitude beträgt 10,42 bis 11,16 mag.

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Die Stufenschätzmethode nach Argelander
Zur praktischen Durchführung sucht man sich zum zu schätzenden Stern zwei Vergleichssterne, einen helleren und einen schwächeren. Dann versucht man, die Helligkeit quantitativ zwischen beiden einzuordnen. Dies kann beispielsweise nach der Stufenmethode von Friedrich Wilhelm Argelander erfolgen. Traditionsgemäß möge hier der große Astronom selber zu Wort kommen. Betrachtet werden die Sterne a und b:
Stufe 0: ,,Erscheinen mir beide Sterne immer gleich hell oder möchte ich bald den einen, bald den anderen ein wenig heller schätzen, so nenne ich sie gleich hell und bezeichne dies dadurch, dass ich ihre Zeichen unmittelbar nebeneinandersetze, wobei es gleichgültig ist, welches Zeichen vorsteht; sind also die Sterne a und b verglichen, so schreibe ich entweder a b oder b a." [Anmerkung der Verfasser: Heute wird geschrieben a0b oder b0a.]
Stufe 1: ,,Kommen mir auf den ersten Anblick zwar beide Sterne gleich hell vor, erkenne ich aber bei aufmerksamer Betrachtung und wiederholtem Übergange von a zu b und b zu a entweder immer oder doch nur mit sehr seltenen Ausnahmen a für eben bemerkbar heller, so nenne ich a um eine Stufe heller als b und bezeichne dies durch a1b; ist hingegen b der hellere, durch b1a, so dass immer der hellere vor, der schwächere hinter der Zahl steht."
Stufe 2: ,,Erscheint der eine Stern stets und unbezweifelbar heller als der andere, so wird dieser Unterschied für zwei Stufen angenommen und durch a2b bezeichnet, wenn a, hingegen durch b2a, wenn b der hellere ist."
Stufen 3 und 4: ,,Eine auf den ersten Anblick ins Auge fallende Verschiedenheit gilt für drei Stufen und wird durch a3b oder b3a bezeichnet. Endlich bedeutet a4b eine noch auffallendere Verschiedenheit zugunsten von a."
Mehr als 4 Stufen zu schätzen, ist zunehmend problematisch. Bereits fünf Stufen sollten eine Ausnahme bleiben. Je nachdem, welche Vergleichssterne zur Verfügung stehen, kann der Beobachter jedoch gezwungen sein, in Extremfällen noch weiter zu gehen. Die Genauigkeit der Schätzung bleibt dann allerdings zunehmend auf der Strecke. Daher sollte man sich nach zusätzlichen Vergleichssternen umsehen, sobald deren Stufenabstand größer als fünf wird.
Die Argelandersche Methode erfordert nicht die Kenntnis der Vergleichssternhelligkeiten. Stattdessen kann aus den Stufenabständen der Vergleichssterne eine Stufenskala gebildet werden. Zur Feststellung des Helligkeitsminimums oder -maximums reicht dies aus. Gleichwohl kann man bei Kenntnis der Helligkeit sich daran orientieren und die Stufenwerte in Helligkeitsdifferenzen umrechnen [3].

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Sternwarte Kirchheim

Bei unserem ersten Aufenthalt 1983 standen uns nur die Geräte in der kleinen Schiebedachhütte zur Verfügung (30-cmCassegrain und kleine Refraktoren). Da wir zu diesem Zeitpunkt nur visuell mit kleinen Geräten beobachtet hatten, war der 30er für uns ein großes Gerät. Über die Jahre haben wir dann erlebt, wie sich die Technikausstattung weiterentwickelt hat. In den 90er-Jahren hieß für uns die Beobachtung Veränderlicher (an Exoplaneten war noch nicht zu denken) immer noch, visuell die Helligkeit zu schätzen. In der Ruhe von Kirchheim ließen sich Beobachtungsreihen Bedeckungsveränderlicher erzielen, die im Verlaufe des übrigen Jahres schwer zu realisieren waren. Eingesetzt wurden hierbei meist auch die Geräte, die auf der Montierung des 30er-Cassegrain angebracht waren. Das damals größte Gerät der Sternwarte, den 50-cm-Newton nutzten wir, um erste Erfahrung mit der CCD-Technik zu gewinnen. Mit der ST-8 der Sternwarte wilderten wir in verschiedenen Gebieten der Astronomie - Aufnahmen der äußeren Planeten inkl. Pluto [1], Kometen, Sternhaufen, Gasnebel, ...
Schon Anfang der 90er-Jahre waren wir begeistert, welche Genauigkeit Amateure mit der elektronischen Erfassung der Helligkeit von Sternen erreichen konnten. Lange Zeit waren die Kosten für eine solche Ausrüstung für uns außer jeder Diskussion. Im Jahr 1998 bot sich uns dann die Möglichkeit, auch auf diese Technik umzusteigen. Allerdings haben wir solch eine Ausrüstung nur einmal, wobei wir doch zwei Beobachter sind. So kommt es, dass Manfred nur noch CCD-Beobachtungen durchführt, während Kerstin noch immer auf die visuelle Methode zurückgreift.
In Kirchheim sind die Voraussetzungen aber so, dass wir beide mit elektronischen Mitteln Veränderliche beobachten können.

3 Minimum von V 501 Oph am 07./08.06.2016 mit Canon-EOS-Kamera, Algol-Stern,
10,9-11,8 mag (V), P = 0,9679504 d

Einmal gibt es genügend Geräte, und neben unseren eigenen Kameras (anfangs ST-6, später dann die Moravian G2-1600 und Canon-EOS-DSLR) sind auch Kameras an der Sternwarte (z. B. ST-8 und STL-6303) vorhanden. Natürlich wurde hier die Gelegenheit genutzt, auch schwächere Veränderliche zu beobachten.
Seit dem Jahr 2007, ausgelöst durch einen Vortrag an der Uni-Sternwarte Jena, beobachten wir auch Exoplaneten. Exoplaneten kann man als Sonderfall der Veränderlichen Sterne - genau genommen, der Bedeckungssterne - betrachten. Was wir beobachten, sind Vorübergänge eines Planeten vor seinem Stern - vergleichbar etwa mit einem Merkur- oder Venusdurchgang vor unserer Sonne - nur dass diese Sonnen Lichtjahre von uns entfernt sind und auch im größeren Fernrohr nur als schwacher Punkt erscheinen. Die Helligkeitsänderungen durch den Vorübergang sind so gering, dass ein visueller Beobachter keine Chance hat, sie wahrzunehmen. Während das menschliche Auge Größenklassenunterschiede von Zehntelbruchteilen unterscheiden kann, reden wir hier von Hundertsteln, ja Tausendsteln! Hier sind Kamerabeobachtungen mit Computerauswertung unverzichtbar.

Exoplaneten stehen seit 2009 auch bei unseren Ferienaufenthalten an der Sternwarte Kirchheim im Fokus. Anfangs noch mit dem Newton 500 mm/2.500 mm und seit 2015 mit dem ASA-Cassegrain 600 mm/4.800 mm. Parallel dazu werden natürlich weiter Veränderliche beobachtet. Genutzt wird dafür meist der TakahashiRefraktor TOA 130 mm/1.000 mm in der Schiebedachhütte mit der CCD-Kamera SBIG ST-8 der Sternwarte oder auch einer digitalen Spiegelreflexkamera (Canon EOS 500D). Letzteres Teleskop ist wahrscheinlich nicht einmal die optimale Wahl für die Veränderlichen oder Exoplaneten. Der Takahashi besticht zwar durch seine wunderbar scharfe Abbildung, bei den letzten Beobachtungen deutete sich aber an, dass die Auswertung erschwert ist, weil die Abbildung der Sterne zu scharf ist und dadurch die Größenklassenunterschiede nicht so signifikant wirken. Vor allem bei der Beobachtung von Exoplaneten ist das ein Thema! Eine Alternative bestünde in der Nutzung eines anderen Teleskops, z. B. des 30-cm-Cassegrain-Spiegelteleskops, oder aber einer leichten Defokussierung beim Takahashi-Refraktor. Eine dieser Varianten bei unserem letzten Beobachtungsaufenthalt zu testen, verhinderte leider das Wetter. Aber selbst wenn das Wetter Astronomie

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Sternwarte Kirchheim

am Himmel nicht zulässt, gibt es genügend Möglichkeiten, seinen Urlaub zu genießen. Welche Urlaubsunterkunft kann schon mit einem 65 Zoll großen 4K-Fernseher punkten. Recherchen im Internet, Bilder von Hubble oder den großen terrestrischen Teleskopen wirken auf einem solchen Bildschirm ganz anders als auf einem PC-Monitor. Und sollte man mal die Muße haben, sich einen Film oder eine Dokumentation anzusehen, hat man fast das Gefühl, im Kino zu sein.

Auch die Umgebung hat einiges zu bieten. Für Wanderungen im Umkreis der Sternwarte bietet sich natürlich der neue Planetenwanderweg an. Ebenso lohnt eine Wanderung zu einer der ,,Drei Gleichen" und der Thüringer Wald ist auch nicht weit. Nicht zu vergessen die Städte Erfurt, Gotha, Weimar, Jena oder Eisenach, die mit dem Auto in recht kurzer Zeit zu erreichen sind. Ich könnte hier noch viel mehr Ausflugsziele nennen, denn Thüringen ist immer eine Reise wert.

Zum Schluss noch eine Bemerkung. Bei allem Fortschritt - es sei gemahnt, die Ursprünge nicht zu vergessen. Gerade ein Urlaub in Kirchheim bietet die Möglichkeit, zu den Wurzeln zurückzukehren. Ist es nicht wundervoll, mit wenigen Mitteln, vielleicht sogar mit bloßem Auge oder einem Feldstecher, ein Ergebnis in Form einer Lichtkurve zu erzielen? Dies könnte auch ein Einstieg für Jugendliche sein, bei Interesse für die Astronomie ohne große Technik zu Ergebnissen zu kommen. Oder aber man nimmt sich die Zeit, einfach mal mit der Handy-Kamera Astronomie zu betreiben.
Für uns gilt weiterhin: Nach Kirchheim ist vor Kirchheim! Vielleicht werden wir beim nächsten Mal mit einer Schönwetterperiode belohnt und können dann neue Erkenntnisse und noch bessere Ergebnisse mit nach Hause nehmen!

4 Transit des Exoplaneten TrES-3 b vom 14.08.2009,
gemessen am 50-cm-Newton mit CCD-Kamera SBIG ST-L 6303e (Belichtungszeit pro Bild 120 s; Manfred Rätz). Erste Beobachtung eines Exoplanetentransits an der Sternwarte Kirchheim, ausgewertet mit dem Algorithmus der Exoplanet Database [2]

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Sternwarte Kirchheim

Literatur- und Internethinweise (Stand 01.12.2021): [1] K. Rätz, M. Rätz, 2008: ,,Veränderliche
Sterne und noch viel mehr ...", VdSJournal für Astronomie 25 (I/2008), S. 29 [2] S. Poddany, L. Brat, O. Pejcha, 2010: "Exoplanet Transit Database. Reduction and processing of the photometric data of exoplanet transits", New Astronomy 15, pp. 297-301 (arXiv: 0909.2548v1), http://var2.astro.cz/ ETD/index.php [3] D. Bannuscher, 2015: www.bav-astro. de/index.php/beobachtungspraxis/ beobachtungsmethoden

5 Abendstimmung Sternwarte Kirchheim (Bild: K. Rätz)

Transit-Messungen für die ESA
an der Sternwarte Kirchheim (Teil 1)
von Bernhard Wenzel

Bereits 2019 und 2020 habe ich erste Exoplaneten-Transits mit meinem alten 8-ZollNewton (Brennweite 900 mm) detektieren können. Ein weiteres Highlight war die Einreichung und Akzeptanz einiger Transit-Messungen beim Projekt ,,TRansiting ExoplanetS and CAndidates" (TRESCA) bzw. der ,,Exoplanet Transit Database" (ETD) der ,,Variable Star and Exoplanet Section of Czech Astronomical Society" [1, 2]. Während bei der ETD bisher fast alle meine Transits (Noten 2 bis 4) akzeptiert wurden, ist die ESA mit dem Projekt ,,ExoClock" mit der Datenauswertung weit strenger [3].
Bei der BAV-Woche 2021 wollte ich mit dem größten und besten Teleskop der Sternwarte Kirchheim die Grenze des Möglichen, Machbaren und Nachweisbaren erkunden. Meine Anfrage dahingehend wurde positiv beantwortet. Auch die empfindliche gekühlte CCD-Kamera STL-6303 von SBIG mit 16 Bit sollte mir einen Boost liefern. Vordergründig wollte ich in Kirchheim (der Himmel hat eine Bortle-Skala 4) jene Exoplaneten beobachten - die von Wien aus wegen der Licht-
verschmutzung (Bortle-Skala 6-8) zu schwach sind,

- die von meiner Balkonsternwarte aus nicht erreichbar sind,
- die für einen 8-Zoll-Newton zu lichtschwach sind,
- und am wichtigsten: die die ESO mit Priorität ,,hoch" eingestuft hat! Diese sind für kleinere Teleskope meist nicht erreichbar und daher zu wenig beobachtet.
Die am 60-cm-Teleskop erwartete höhere Genauigkeit der Messungen im Milli-magBereich sollte auch die Qualität der Ergebnisse verbessern!
Der Vorteil, an der Sternwarte nächtigen zu können, liegt auf der Hand: In der Morgendämmerung nach ,,Teleskop zu" ist der Weg zum Kopfpolster nicht weit, das eingenordete mobile Teleskop kann stehen bleiben, und damit geht das Star-Alignment für das GOTO für die nächste Nacht nicht verloren - also ein Effektivitätsgewinn und mehr Zeit für die Beobachtung! Dies alles sollte die 700 km lange Anreise von Wien nach Kirchheim/Thüringen rechtfertigen!
Ein weiteres Lieblingsprojekt, welches ich zeitgleich mit den großen Teleskopen der Sternwarte Kirchheim durchführen woll-

te, ist das ,,High Amplitude Delta Scuti" (HADS) von der belgischen ,,Vereniging for Sterrenkunde", geleitet von Patrick Wils und Josch Hambsch [4 - 6]. Hier wird auf Perioden- oder Amplitudenänderungen bzw. die Form der Kurve geachtet. Daraus lassen sich Rückschlüsse über den Entwicklungszustand der Sterne ziehen. Wer auf dem NASA-ADS-Server nach ihren Namen und ,,Delta Scuti Stars" sucht, wird hier fündig [7-10].
Der Vorteil bei Delta-Scuti-Sternen ist, dass sie immer aktiv sind. Man schaut vorher im ,,The International Variable Star Index" (VSX) der AAVSO unter ,,Ephemeris" nach, wann das nächste Maximum kommt [11]. Es reichen meist 1-3 Stunden Beobachtung, um ein Maximum zu erhalten. HADS ist besonders praktisch, wenn durch etwaige technische Schwierigkeiten oder eben Wolken der Transit nicht mehr machbar ist. Wenn dann die Nacht noch 2-3 Stunden dauert, schaut man einfach nach, wann der nächste Delta-Scuti dran ist.
Dann war da noch das Testen meines neuen 12-Zoll-Newtons. Mir ist gebraucht ein Gerät mit 1,2 m Brennweite von Orion Optics

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Sternwarte Kirchheim

1 Der 12-Zoll-Newton aufgebaut,
mit Laptop in der WäscheboxKiste als Witterungsschutz, und im Hintergrund der 60-cmCassegrain der Sternwarte

UK, der VX-Serie in Leichtbauweise, in die Hände gefallen! Der Tubus hat mit Holzschellen und Prismenschiene nur sagenhafte 15 kg Gesamtgewicht! Der Spiegel hat eine Genauigkeit von /6. Die Canon EOS 200D hat nur 0,5 kg. Das Guiding-Leitrohr mit einer CMOS-Kamera ZWO ASI 120MM ca. 1,5 kg. Die Montierung AZEQ6-Pro hat eine Tragkraft von 20 kg, das ist einen Versuch wert! Der Plan war, in der Nacht beide Teleskope zu betreuen (Abb. 1).

Um die Wetterunsicherheit zu minimieren, hatte ich zwei Wochen in Kirchheim eingeplant.

Der Empfang auf der Sternwarte war wie immer sehr freundlich und zuvorkommend. Das muss einmal gesagt werden. Ich kenne ja viele Sternwarten, jede hat so ihre eigenen Regeln. Aber so unkompliziert und hilfsbereit war bisher keine! Bei dem dortigen Ambiente mit Gästezimmer, Küche, Bad und moderner IT-Infrastruktur einen Astronomie-Urlaub (na ja - Arbeits-Urlaub) zu verbringen, ist einzigartig [12].

2 Der 60-cm-Cassegrain der Sternwarte (24 Zoll) gegen den Nachthimmel gerichtet.
Welche Sternen-Photonen werden wohl heute Nacht den Detektor treffen?

5. August 2021: 60-cm-Cassegrain mit TrES-2b und 20-cm-Newton mit DY PEG Am 60-cm-Cassegrain der Sternwarte habe ich den Exoplaneten TrES-2b eingestellt (Abb. 2 und 3). Das Teleskop hat im Primärfokus 1.800 mm Brennweite und ein Öffnungsverhältnis von 1:3. Der Korrektor garantiert ein ebenes Bildfeld von 60 x 60 mm2. Das ist für mich perfekt, da ein größeres Bildfeld mit passenden Vergleichssternen besser ist. Und die Belichtungszeit sinkt ebenfalls. Thomas Westerhoff hat es freundlicherweise gleich für mich umgebaut. Die CCD-Kamera von SBIG-STL-6303 ist mit minus 10 Grad C für mich mehr als perfekt eingestellt. Ich nehme immer im MuniWin-Live-Modus auf (danke an Manfred Rätz, für diesen

wertvollsten aller BAV-Tipps). Man wertet die ersten 3 bis 5 Bilder komplett fertig aus, dann sagt man MuniWin ,,mache die restlichen Bilder wie eben diese". So kann man dem Transit quasi live via neuer Datenpunkte am Monitor zusehen, bei dem der Planet - Lichtjahre entfernt - vor dem Stern vorbeizieht und dessen Licht abdunkelt. Kommen hingegen keine Datenpunkte rein, so sieht man sofort, dass irgendwo ein Fehler vorliegen muss, und kann ihn beheben, bevor der Transit verloren ist.
Nachdem der Kirchheimer 60-cm-Cassegrain lief, widmete ich mich meinem Neuzugang. Der 30-cm-Newton hat natürlich in der ersten Nacht Probleme gemacht. Es war kein Stern zu sehen! Fokussieren war

nicht möglich. Seltsam, irgendwann habe ich dann mal in den Tubus hineingeschaut und das Problem sofort erkannt: Der Fangspiegel hatte sich durch die lange Autofahrt gelöst und baumelte vor sich hin. Gut, alles neu einjustieren war mir bei fortgeschrittener Nacht zu viel. Ich habe schnell auf den 8-Zoll-Newton gewechselt und den Delta-Scuti-Stern DY PEG per Starhopping eingestellt. Guiding wurde mit einem gebrauchten Leitrohr 70 mm/400 mm versucht. Als Guiding-Kamera wurde die CMOS-Kamera ZWO ASI 120MM eingesetzt. Fotos wurden mit einer alten Canon EOS 1100D mit 14 Bit gemacht.
Nachdem die Aufnahmeserie am 8-ZollNewton lief, bin ich wieder zum 60-cm-


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3 TrES-2b in MuniWin. Deutlich sind die Lücken wegen
des Kameraausfalls und der Wolken zu sehen. Ob das noch was wird?
Cassegrain gegangen. Leider - oh Schreck - war die Kamera abgestürzt, zwar nicht auf den Boden, aber dafür der Computer-Treiber. Schon nach ca. 30 Minuten hatte die Kamera gestoppt (Abb. 3). Gut, es war schon ein wenig verwegen von mir, mit einem neuen und unbekannten Teleskop gleich in der ersten Nacht sofort brauchbare Ergebnisse erzielen zu wollen. Die Kamera wurde neu gestartet, ich habe den Transit gerade noch im Abstieg erwischt. Leider wurde die Nacht dann schlechter, Wolken zogen auf. Zwischen den Teleskopen hin und her laufend habe ich die Messungen gegen drei Uhr morgens zu Ende gebracht. Die spätere Auswertung war davon aber nicht betroffen. Der Transit wurde sogar von der ESA akzeptiert, da alle wichtigen Parameter vorhanden waren - der Mathematik und Statistik sei Dank (Abb. 4 und 5)! DY Peg wurde bei HADS und bei der BAV eingereicht (Abb. 6). (Fortsetzung folgt)

Literatur- und Internethinweise (Stand 01.11.2021): [1] TESCA - TRansiting ExoplanetS and CAndi-
dates, http://var2.astro.cz/EN/tresca/index. php?lang=en [2] ETD - Exoplanet Transit Database, http://var2. astro.cz/ETD/ [3] ExoClock - a project to monitor the ephemerides of transiting exoplanets by the ARIEL Ephemerides Working Group, www.exoclock.space/ [4] Vereniging for Sterrenkunde, www.vvs.be/ [5] High Amplitude Delta Scuti-sterren (HADS),
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4 TrES-2b in der ETD beim Projekt TESCA eingereicht. Mit mathematischem Fit
konnten trotz der Lücken Transit-Tiefe, -Dauer sowie An- und Abstieg bestimmt werden!

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www.vvs.be/werkgroepen/ werkgroep-veranderlijke-sterren/ over-werkgroep-veranderlijkesterren/de-werkgroep/hads [6] HADS-waarnemingen in 2021, http://wvs-obs.vvs.be/vvs_wvs_ HADSproject2.php [7] NASA-ADS-Server, https://ui.adsabs. harvard.edu [8] P. Wils et al, 2009: ,,Photometric Observations of High-Amplitude Delta Scuti Stars", https://ui.adsabs.harvard.edu/abs/2009IBVS.5878....1W/ abstract [9] P. Wils et al, 2010: ,,Maxima of High-Amplitude Delta Scuti Stars", https://ui.adsabs.harvard.edu/ abs/2010IBVS.5928....1W/abstract [10] P. Wils et al, 2014: ,,Photometry of High-Amplitude Delta Scuti Stars in 2014", https://ui.adsabs.harvard. edu/abs/2015IBVS.6150....1W/ abstract [11] The International Variable Star Index (VSX), www.aavso.org/vsx [12] VdS-Sternwarte Kirchheim, www.sternwarte-kirchheim.de

5 Auch ExoClock hat den Transit akzeptiert! O-C ist mit (2,3 +- 0,9) Minuten
ganz gut getroffen.

6 Der Delta-Scuti Stern DY PEG mit dem 8-Zoll-Newton und einer Canon EOS 1100D fotometriert. Die Kurve streut praktisch überhaupt nicht,
und die Amplitude (Min zu Max) wurde auch nahe dem Katalogwert gemessen.

Sternwarte Kirchheim

Astroreisen nach Kirchheim 2021
von Christian Harder

Nach der zwangsläufigen Corona-Pause reiste ich in diesem Jahr (2021) zweimal nach Thüringen. Ich besuche die Sternwarte nun schon seit 1995. Die folgenden Beschreibungen stammen von meinem 17. und 18. Aufenthalt. Zwei vom Wetter her durchweg begünstigte Fahrten bleiben mir in Erinnerung.

Erstmalig fuhr ich im Juni (11.-18.) gen Süden. Die dabei ,,gewonnenen" knappen drei Breitengrade machten sich nicht nur an den vor Ort weniger ausgeprägten weißen Nächten, sondern auch an den tiefstehenden Sommersternbildern Skorpion und Schütze deutlich positiv bemerkbar.

Zum einen konnte ich von Kirchheim aus den kompletten ,,Teapot" sichten und zum anderen die beiden über den Horizont schrammenden offenen Sternhaufen M 6 und M 7 bewundern. Selbst der Stachel des Skorpions war in Nächten mit guter Durchsicht erkennbar. An Instrumenten hatte ich meinen Eigenbau-12-Zoll-Reisedobson (Abb. 1) sowie mein Fernglas 8 x 44 im Gepäck.

1 Der 12-Zoll-Dobson am 17.06.2021

In den ersten Nächten war es lausig kalt, bei einstelligen Temperaturen zum Morgen hin. Ich hatte keine dickeren Klamotten eingepackt, da die Tage vor der Anreise sehr warm waren. Neben Pullovern zog ich auch Hosen und Strümpfe doppelt übereinander mit dem Ergebnis, dass ich umhüllt von meiner dünnen Windjacke trotzdem fror. Dankenswerterweise brachte mir Jürgen eine gefütterte Arbeitsweste vorbei, so dass die letzte kommende kalte Nacht nun halbwegs erträglich war.

2 Skorpion/Schütze-Region am 14.06.2021 um 01:15 Uhr MESZ, Aufnahme mit Canon 500D,
Objektiv 1:4,5 / 18 mm, Belichtungszeit 20 s bei ISO 3200

Der Sommer zeigte sich fortan nicht nur am Tage von seiner sonnigen Seite, sondern auch nachts mit milden Temperaturen. Nachdem die schmale zunehmende Mondsichel untergegangen war, kam bei fort-

schreitender Nacht allmählich die Milchstraße zum Vorschein. Ich ,,klapperte" nun viele Messier-Objekte ab. Dabei begann ich im Sommerdreieck und arbeitete mich über den Schlangenträger hinab bis zur besagten

tiefstehenden reizvollen Skorpion/Schütze-Region (Abb. 2). Mein mitgenommener ,,Pocket Star Atlas" lieferte erneut gute Dienste. Mit seiner Hilfe hangelte ich mich via Starhopping zu den begehrten Objekten.

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Sternwarte Kirchheim

Leider waren für mich als Kometenfan nur zwei Kometen beobachtbar. Entschädigt wurde ich aber am Tage von reichlich Aktivität auf unserer Sonne. Neben Sonnenflecken waren auch jede Menge Protuberanzen und Filamente im H-Licht zu bewundern. Die Sternwarte bietet für dieses Beobachtungsfeld verschiedene Instrumente an. So arbeitete ich in der Schiebedachhütte am Takahashi TOA-130 im H sowie am mit einem Herschelprisma bestückten Zeiss-Refraktor AS 110 mm/1.650 mm im Weißlicht. Das Seeing war phasenweise recht ruhig, so dass ich mich am Zeichnen eines Sonnenflecks versuchte. In der Kuppel wurde der Zeiss AS 200 mm/3.000 mm eingesetzt. Mit einem Rotfilter auf 100 mm Öffnung abgeblendet, zeigte er mit dem DayStar-Filter bei gutem Seeing grandiose Protuberanzen. So eine wunderbare Woche geht leider viel zu schnell vorüber, aber es sollte einen Nachschlag geben ...

3 Der 21-Zoll-Dobson am 07.10.2021

Erneut wurde der Wagen beladen, diesmal aber mit meinem 21-Zoll-Dobson (Abb. 3), in der Hoffnung auf lange klare Herbstnächte in der Zeit vom 3.-11. Oktober. Am Nachmittag konnte ich bei angenehmen +23 Grad C kurz die mit einer schönen, großen Protuberanz staffierte Sonne beobachten. Es war fortan Geduld gefragt, denn die ersten Nächte waren durchweg bewölkt. Endlich klarte es zur Wochenmitte hin auf. Alle folgenden Nächte waren mehr oder weniger nutzbar. Ich platzierte meinen Dobson neben der Kuppel auf dem Weg. Das neue Schiebedachgebäude lag links quer ab, so hatte ich von hier aus freie Südsicht.

Während dieses Aufenthaltes konnte ich insgesamt sieben Kometen mit meinem Teleskop einstellen, davon zwei erstmalig. Besonders angetan hatte es mir aber der Komet 29P/Schwassmann-Wachmann (Abb. 4). Nicht nur, dass er in meiner Heimatstadt Hamburg entdeckt wurde, nein,

4 Komet 29P/
SchwassmannWachmann. Im Zeitraum vom 06.11.10.2021 habe ich den Kometen am 21-Zoll-Dobson gezeichnet. Vergrößerungen von 215x und 298x kamen zum Einsatz.

Sternwarte Kirchheim

er hatte just vor Antritt der Reise mal wieder einen Helligkeitsausbruch. Dieser ließ ihn so hell werden wie seit 40 Jahren nicht mehr! Den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko konnte ich mit schönem Schweif dokumentieren (Abb. 5). Die langen klaren Nächte waren, trotz teilweise auftretendem Frost, im Thermoanzug gut auszuhalten.

Neben den Kometen waren natürlich Jupiter und Saturn die Objekte meiner Begierde. Am Freitag, dem Vereinsabend der Kirchheimer Sternfreunde, zog Hochnebel auf. Wir hatten daher einen längeren Abschnitt mit sehr gutem Seeing. Selbst im 21-Zöller waren feinste Details auf Jupiter zu sehen. Ins Auge sprang ein dunkelbrauner Barren, auch mehrere weiße Ovale waren erkennbar. Interessant war für mich das Vergleichsbild am 10-Zoll-Schiefspiegler, den Jürgen Schulz mit einem Bino-Ansatz bestückt hatte, und dem von Gunter Freydank aktivierten 8-Zoll-Zeiss-Refraktor. Das Bild erschien in beiden Optiken viel dunkler, aber besagte Details waren auch erkennbar.
Leider spielte das Seeing außer an besagtem Abend nicht mit, und meine Zeichenschablonen nahm ich daher unbenutzt mit heim. So konnte ich mich dann aber voll und ganz den Deep-Sky-Objekten widmen. Wie schon im Sommer war ich begeistert von den hier höher stehenden südlichen Stern-

5 Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko am 06.10.2021 um 03:20 Uhr MESZ
im 21-Zoll-Dobson mit Vergrößerung 111x

bildern. Ich konnte im Fernglas 8 x 44 das gesamte Sternbild Südlicher Fisch betrachten - bei uns im Norden ein Ding der Unmöglichkeit. Im Dobson zeigte sich neben dem Helix-Nebel auch die ,,SilberdollarGalaxie" NGC 253 mit vielen Details. Ich ,,sammelte" zum Morgen hin einige tiefstehende Galaxien in der Cetus/EridanusRegion ein. Sie brachten mein laufendes NGC-Projekt, das Auffinden aller 7.850 Einträge, ein Stückchen weiter. Am Mor-

gen der vorletzten Nacht staunte ich nicht schlecht, zeigte sich doch ein ausgeprägtes Zodiakallicht, welches bis in die Region Krebs/ Zwillinge hoch reichte.
Tagsüber schien häufig die Sonne. Neben der H-Beobachtung nutzte ich das gute Seeing zum Anfertigen einiger Zeichnungen eines schönen Sonnenflecks (Abb. 6). Wie schon im Juni verstrich auch diese gehaltvolle Woche wie im Fluge.

6 Über mehrere Tage hinweg zeichnete ich den Sonnenfleck AR 2882 am Zeiss AS 110 mm / 1.650 mm; links: 07.10.2021, 14:05 MESZ, 127x;
Mitte: 09.10.2021, 13:10 MESZ, 110x; rechts: 10.10.2021, 11:05 MESZ, 110x
36 | Journal für Astronomie Nr. 81

Eine 360 Grad -Nacht in Kirchheim
von Michael Schomann

Sternwarte Kirchheim
1 Die Sternwarte Kirch-
heim als ,,Little Planet" in der Abenddämmerung

Wer in letzter Zeit einmal nach einer modernen Wohnung Ausschau gehalten hat, konnte sicherlich vorab im Internet einen 360-Grad-Rundgang machen. Das informiert nicht nur gut, sondern macht auch richtig Laune, den Wohnraum zu entdecken. Mein Plan war es, dies mit der Sternwarte Kirchheim zu machen, die ich bis dahin noch nie besucht hatte.

Anfang September 2021 war es so weit, dass ein Termin zum Besuch der Sternwarte Kirchheim bei gutem Wetter gefunden wurde. Meine Frau begleitete mich, und so kamen wir mit dem Auto gegen Mittag an. Jürgen Schulz, die gute Seele der Sternwarte, begrüßte uns. Nachdem unsere Sachen in dem Wohngebäude verstaut waren, zeigte er uns die gesamte Sternwarte. Die erste große Überraschung war die Anzahl

der Teleskope. Parallaktische Montierungen haben immer klassisch die Fernrohre auf der einen Seite und auf der anderen ein Gegengewicht. Letzteres bestand hier ebenfalls aus Teleskopen, die gut ausbalanciert montiert waren.
Nach einem Einkauf im nächsten Supermarkt, bei dem wir für eine Nacht natürlich zu viel eingekauft hatten, wollte ich alle


Sternwarte Kirchheim

38 | Journal für Astronomie Nr. 81

2 Collage inkl. Text aus 15 Fotos zum Besuch der Sternwarte Kirchheim

Sternwarte Kirchheim
3 Sphärisches Panorama des Kirchheimer Geländes bei Tag im Verhältnis 2 zu 1
4 Panorama in der kleinen Rolldach-Sternwarte bei Tag
5 Panorama in der kleinen Hütte bei Nacht an genau der gleichen Position wie am Tag. Dadurch ist eine digitale Überblendung der Fotos möglich.

Sternwarte Kirchheim

6 Panorama in dem großen Rolldachgebäude bei Nacht mit dimmbarem Rotlicht

fotografischen Geräte aufbauen. Doch das musste erstmal warten, da das benachbarte Kornfeld gemäht wurde mit unglaublich viel Staubentwicklung. Dies sollte die halbe Nacht noch in der weiteren Umgebung passieren. Wie in einem postapokalyptischen Science-Fiction-Film waren die riesigen Mähdrescher mit Flutlicht unterwegs. Dadurch war der Himmel in dieser Nacht leider nicht so perfekt, wie er hätte sein können.

Der Plan für die Fotos sah zum einen vor, eine DSLR mit Fisheye-Optik die ganze Nacht für einen Fulldome-Zeitraffer zu betreiben, den man auch in einer Planetariumskuppel abspielen kann. Mit einer zweiten, baugleichen Kamera auf einem selbstgebauten Nodalpunktadapter wurden jeweils drei Aufnahmen alle 120 Grad aufgenommen. Diese ließen sich mit einer Panorama-Software zu Dreiviertel-Kugelbildern zusammenfügen. Das untere Viertel wurde nicht belichtet, denn da stand ja auch das Stativ. Nachträglich kann diese Fläche einfach in schwarz aufgefüllt werden, um ein sphärisches Panorama im Seitenverhältnis 2:1 zu erzeugen. Für diese Panoramen wurde eine Reihe von Punkten in und außerhalb der Sternwartengebäude markiert. Eine dritte Kamera mit einem Zoom 24-70 mm übernahm das normale Rechteckformat.

7 Allsky-Foto des Sternwartengeländes bei Tag mit einem 8-mm-Fisheye und Vollformat-
DSLR für den Fulldome-Zeitraffer

40 | Journal für Astronomie Nr. 81

Sternwarte Kirchheim

Doch die Sternwarte war nur der eine Teil der ,,Fotosafari", hat doch die Gemeinde Kirchheim seit Dezember 2020 auch einen Planetenwanderweg. Auf den werde ich hier nicht eingehen, doch er lohnt sich. Dieser wurde sowohl bei Tag als auch in der Nacht besucht. Bei jeder Station wurden wieder drei Punkte für die Stativbeine markiert. Die Idee dabei war es, bei Tag und Nacht ein identisch verortetes 360 Grad -Foto zu erstellen, um eine Überblendung zu machen. Was auf dem Sternwartengelände noch funktionierte, ging bei den Planetenstationen nicht mehr auf. Hatte ich doch einfach zwei kupferne Cent-Stücke für die

hinteren Beine des Stativs und ein Messing10-Cent-Stück für das vordere Bein ausgelegt. Das war dann wie bei Hänsel und Gretel mit den Brotkrumen, die waren einfach weg oder konnten nicht mehr gefunden werden.
Nachdem die Tageslichtaufnahmen im Kasten waren und das Abendessen auf dem schönen Gelände der Sternwarte verspeist worden war, ging es in die Dämmerung. Jürgen war wieder zurück, und so konnten auch alle Lichter in der blauen Stunde angeschaltet werden. Später wurde mit dem dimmbaren Rotlicht und auch ohne die-

ses, nur mit dem Licht der Sterne, fotografiert. Es war eine mondlose Nacht mit den oben genannten Einschränkungen durch die Landwirtschaft. Dadurch konnte die Milchstraße nicht in voller Pracht belichtet werden. Zu späterer Stunde betrat dann der Jupiter die himmlische Bühne, und langsam setzte Taubeschlag ein. Der Akku für die Taukappenheizung beim Zeitraffer setzte leider durch einen Defekt aus, wodurch die Aufnahmeserie beendet werden musste. Damit ergab sich ein Zeitfenster für einige Stunden Schlaf.
Am Morgen hatte sich eine durchgehende Bewölkung breit gemacht. Zeit für eine letzte Runde mit dem Nodalpunktadapter, das Wohnhaus wieder herrichten und den Wagen packen. Dank Annehmlichkeiten wie Dusche und Kühlschrank fühlten wir uns frisch und gestärkt. Ein paar Bilder wurden vor Ort ausgewählt und im Notebook als Panorama schon einmal erstellt. Als Jürgen dann zur Schlüsselübergabe kam, war ein erster Blick auf den 360 Grad -Rundgang möglich. Die 24 Stunden in Kirchheim haben uns viel Freude bereitet und den Einblick in ein einzigartiges Sternwartengelände gewährt. Herzlichen Dank an Jürgen Schulz und seine Sternfreunde. Er erzählte uns einige interessante Stories zur Geschichte der Sternwarte. Doch das steht auf einem anderen Blatt. Klar ist, dies war nicht der letzte Besuch der VdS-Feriensternwarte in Kirchheim. Wir kommen wieder!

Mit Erscheinen dieses Berichtes im Heft 81 sind bereits alle 360 Grad -Fotos auf der VdSWebseite der Sternfreunde zu finden. Einfach den QR-Code scannen oder folgenden Link eingeben: https://sternfreunde.de/astronomie-alshobby/astronomie-in-360-grad/

8 Allsky-Foto wie in Abb. 7, jedoch in der Nacht aufgenommen

Journal für Astronomie Nr. 81 | 41

Sternwarte Kirchheim

Treff der Fachgruppe Kometen
im September 2021 an der VdS-Sternwarte Kirchheim
von Uwe Pilz

1 Gruppenbild der Fachgruppe
Kometen 2021 an der Sternwarte Kirchheim

Der letzte Treff unserer Fachgruppe lag einige Jahre zurück. Schon lange war ein Treffen geplant, aber das Versammlungsverbot und auch Schwierigkeiten mit Tagungsorten haben ein Treffen verzögert. Im September hat es nun geklappt: Wir waren zu Gast in der VdS-Sternwarte Kirchheim. Ganz am Anfang möchte ich mich für die wirklich gute Betreuung dort bedanken, insbesondere Jürgen Schulz war ein hervorragender Organisator und bewies sein Organisationstalent, als er den coronabedingten Ausfall zweier Pizzadienste überbrückte.
Am Freitagabend gab es ein gemütliches Beisammensein. Wir hatten uns alle lange nicht gesehen und es gab viel zu berichten. Fast alle Teilnehmer waren schon am Freitag da. Das Vortragsprogramm des Samstags war weit gefächert. Zwei Vorträge waren der Auswertesoftware AIRTOOLS gewidmet, mit der sich visuell-ähnliche Helligkeiten aus fotografischen Kometenaufnahmen gewinnen lassen. AIRTOOLS ist das einzige Programm weltweit, welches das zuverlässig leistet. Thomas Lehmann und Steffen Fritsche erzeugen damit etwa

die Hälfte der in der internationalen Datenbank gespeicherten Gesamthelligkeiten!
Erwin Schwab hat die Möglichkeit, nicht genutzte Beobachtungszeit von Großteleskopen auf Teneriffa und am Calar Alto für die Wiederentdeckung von Kometen zu nutzen. Mit dieser Arbeit hat er sich zum erfolgreichsten Wiederentdecker emporgearbeitet.
Maik Meyer beschäftigt sich schon seit Langem mit den Bahnen von Kometen und deren Zusammenhängen. Es ist ihm gelungen, die Identität mehrerer Kometen zu belegen, deren Beobachtung viele Hundert Jahre zurückliegt. Der Schlüssel dazu war ein umfangreiches Quellenstudium und natürlich auch ein rechnerisches Geschick: Die alten Belege sind ja keine Koordinaten im heutigen Sinn.
Michael Jäger berichtete kurz über die Möglichkeit, mit der bekannten Software Astrometrica Kometen-Gesamthelligkeiten zu bestimmen. Im Anschluss berichtete ich über die Analyse und Prognose der Helligkeitsentwicklung.

Werner Hasubick hat bisher mehr als 1.000 Kometen beobachtet. Sein Rückblick enthielt viele Erinnerungen an Erscheinungen vergangener Tage. Zum Abschluss berichtete Michael Jäger in einem reich bebilderten Beitrag über seine fotografischen Beobachtungen. Diese beiden Vorträge ließen uns allen das Herz aufgehen und waren ein schöner Abschluss unserer Tagung.

42 | Journal für Astronomie Nr. 81

Amateurteleskope/Selbstbau

Die Sternwarte Brentenriegel
von Wolfgang Mandl

Das Burgenland ist das östlichste und kleinste Bundesland Österreichs am Übergang von den Alpen in die pannonische Tiefebene. Im Gegensatz zu Rest-Österreich gibt es hier keine besonderen Erhebungen, einer der höchsten Berge ist der 603 m hohe Brentenriegel. Er kann zwar betreffend Himmelsqualität mit hochalpinen Top-Lagen nicht ganz mithalten, hat aber einen recht dunklen Südhorizont. Eine Diplomarbeit am Institut für Astrophysik der Uni Wien weist den Brentenriegel als eine der besten astronomischen Lagen des Burgenlandes mit einer Hintergrundhelligkeit bis 21,5 mag/arcsec2 aus. Es ist daher nicht verwunderlich, dass an diesem Standort eine Sternwarte steht (Abb. 1). Sie wurde 1989 von Josef Pratl ausschließlich aus privaten Mitteln im Eigenbau errichtet. 2010 wurde der ebenfalls rein private Verein ,,Sternwarte Brentenriegel" gegründet, in welchen der ursprüngliche Eigentümer alle Güter einbrachte. Der Verein betreibt die Warte bis heute und hat Ende 2018 beschlossen, die Warte an den Stand der Technik heranzuführen.
Die Ausgangssituation Vor dem Umbau war die Sternwarte mit einem klassischen Newton mit Gitterrohrtubus auf einer massiven Gabelmontierung (Österreichische Präzisions-Fernrohrmontierung, ÖPFM nach Ing. Pressberger) ausgerüstet. Alle Elemente waren auf 600-mmÖffnung ausgelegt, aber provisorisch mit einem 400-mm-Spiegel f/4,5 bestückt (Abb. 2). Der Schutzbau ist eine klassische 4-m-Kuppel mit einem Skelett aus StahlFormrohren, holzbeplankt und mit einer Außenhülle aus Kupferblech. Kuppel und Teleskop sind ausschließlich manuell bedien- und positionierbar. Der Stundenantrieb erfolgte über Schneckengetriebe, zwar motorisch, aber mit veralteter Motor- und Steuerungstechnik. Ein Tangentialarm in Deklination ermöglichte nur ein Schwen-

1 Sternwarte Brentenriegel mit Franz Gruber und Wolfgang Mandl
Neues aus der Fachgruppe Amateurteleskope/Selbstbau
Im Moment ist es sehr ruhig geworden, und es gibt von daher leider nichts wirklich Neues zu berichten. Eine anfänglich eingerichtete Mailingliste brachte nicht den ersehnten Erfolg. Die VdS hat ein eigenes Forum, auch unter anderem speziell für den Bereich Amateurteleskope/Selbstbau: https://forum.vdsastro.de/viewforum.php?f=43
Auch hier ist leider nicht viel los. Darum möchte ich alle am Selbstbau von Teleskopen, Montierungen und Zubehör interessierten Sternfreunde dazu aufrufen, Verbesserungsvorschläge für das Forum zu machen, damit es wieder mit Leben erfüllt wird. Hierzu dürft Ihr gerne Kontakt aufnehmen unter: https://sternfreunde.de/astronomie-als-hobby/die-vds-fachgruppen/ amateurteleskope-selbstbau oder http://selbstbau.vdsastro.de
Auch über Selbstbauberichte würden wir uns selbstverständlich sehr freuen. Es müssen nicht unbedingt Berichte über anspruchsvolle Projekte sein. Es sind meist die einfachen Projekte, die zum Nachahmen anleiten und die dann auch neue Ideen bringen. In diesem Sinne, bleibt gesund und nutzt die nicht klaren Tage zum Basteln.
Euer Andreas Berger
erreichbar über die Webseite http://selbstbau.vdsastro.de

Journal für Astronomie Nr. 81 | 43

Amateurteleskope/Selbstbau

2 Teleskopischer Ausgangszustand

3 Anlieferung des Teleskops

5 Einbringung der Gabel

4 Polhöhenwiege mit Stundenachslager

ken um wenige Grad in beide Richtungen. Im Laufe der Zeit haben wir einige moderate Verbesserungsmaßnahmen ergriffen, nach dreißig Jahren Betrieb war die Sternwarte aber dennoch langsam ins Alter gekommen und entsprach nicht mehr dem Stand der Technik.
Der 22. November 2018 Der Beschluss, die Sternwarte an den Stand der Technik heranzuführen, bedeutete im Einzelnen:
a) Elektromechanische Adaptierung des Teleskops - Ersatz der Motoren für die Nachführung

durch moderne hochpräzise Schrittmotoren - Ersatz des Tangentialarms in der Deklinationsachse durch ein Reibrad (600 mm), womit das Teleskop auch in dieser Achse um volle 180 Grad motorisch schwenkbar wird - Ersatz des Schneckenantriebes in Stunde ebenfalls durch einen 600-mm-Reibradantrieb
b) Optische Adaptierungen - Ersatz des 400-mm-Spiegels durch einen 600-mm-Spiegel von Alluna Optics, Deutschland - Verlängerung der Teleskopbrennweite

von 1.800 mm auf 2.100 mm - 3-Zoll-Okularauszug mit Komakorrektor Big Paracorr von Televue
c) Änderungen in der Kuppel und im Außenbereich - Elektrischer Antrieb der Kuppel und des Kuppelspaltes mit automatischer Nachführung - Anbau und Einrichtung einer kleinen ,,Monitorhütte" - AllSky-Kamera - Errichtung von drei Montierungssäulen außerhalb der Kuppel - Befestigung des Vorplatzes

44 | Journal für Astronomie Nr. 81

Amateurteleskope/Selbstbau

Die Teleskopsteuerung wurde konsequent digitalisiert, um das Teleskop remote zu steuern. Dazu wurde es Anfang 2019 am Brentenriegel vollständig abgebaut und in der Werkstatt wieder aufgebaut. Der Tubus wurde um 300 mm verlängert, die Reibräder und Antriebsmotoren angebaut sowie eine mit Linearmotoren betriebene Staubschutzklappe für den Spiegel entwickelt. Parallel dazu wurden auch die o. g. Arbeiten im Außenbereich durchgeführt.

6 Geschafft! Gabel, Tubus und Antriebe sind montiert

Anfang Juni 2020 war das Teleskop elektromechanisch fertig. Die entwickelte Steuerungssoftware war so weit ausgetestet wie unter Werkstattbedingungen möglich. Das Teleskop wurde nochmals in alle Einzelteile zerlegt, die Metallteile sandgestrahlt und neu in mattschwarz pulverbeschichtet. In der Zwischenzeit wurden die Antriebe für den Spaltschieber, die Spaltklappe und der Azimut der Kuppel montiert. Die Versorgung der Antriebe erfolgt über eine 24-V-Batterie. In der Parkposition wird sie über Schleifkontakte geladen. Die Steuerbefehle werden drahtlos über WLAN vom Steuerrechner des Teleskops zu einem Mikrocontroller in der Kuppel (Node MCU) übertragen.
Am 10. Juli 2020 wurde das runderneuerte Teleskop auf den Brentenriegel geliefert (Abb. 3) und 1,5 Jahre nach der Demontage am Brentenriegel wieder aufgebaut. Das Lager der Stundenachse wurde montiert (Abb. 4) und die Gabel über den Kuppelspalt eingebracht (Abb. 5). Abends konnte der montierte Tubus bereits präsentiert werden (Abb. 6). Am nächsten Tag folgten der 60-cm-Hauptspiegel (Abb. 7), der Okularauszug und der Steuer-PC.
Es folgten umfangreiche Justierarbeiten der Feinmechanik, dazu Soft- und Hardwaretests von der Nachführelektronik des Teleskops über die Kuppelantriebe, die Fokussierung bis hin zum Öffnen und Schließen

7 Montage der Spiegelzelle
der Staubschutzklappen. Anfang Oktober wurden nach langer Schlechtwetterperiode die Kollimation der Optik und die Einnordung des Teleskops vorgenommen. Nach einigen ,,gefühlvollen" Drehungen an den massiven M14-Feingewindeschrauben der Polhöhenwiege konnte softwaregestützt ein Einnordungsfehler von 20 Bogensekunden erreicht werden. Somit konnten wir am 21. November 2020 ,,First Light" feiern.
Leider folgte zunächst eine kleine Enttäuschung - die defokussierten Sterne zeigten ,,Ausfransungen" außerhalb des Fokus und Abflachungen innerhalb des Fokus. Das Standardwerk ,,Star Testing Astronomical Telescopes" von Harold Richard Suiter brachte die Erkenntnis: Seeing-Verschlech-

terung durch Wärmeströmung im Tubus (engl.: Tube currents). Durch Wärmeausgleich zwischen Spiegel und Umgebung sollte das Problem behebbar sein. Es war allerdings hartnäckiger als erwartet und sollte uns noch länger Kopfzerbrechen bereiten.
In der Folge konnte anhaltendes Schlechtwetter genutzt werden, um in der Werkstatt wichtige Begleitmaßnahmen weiterzutreiben, etwa den Bau einer Flatfieldbox mit Elektrolumineszenzfolie. Die Folie ist nur 0,4 mm stark und wurde zwischen zwei weißen Plexiglasscheiben eingeklemmt. Die beleuchtete Fläche ist ca. 800 mm x 800 mm groß und damit ausreichend für die 600-mm-Öffnung des Teleskops.

Journal für Astronomie Nr. 81 | 45

Amateurteleskope/Selbstbau

8 AllSky-Aufnahme vom 14.08.2021
mit Perseid südlich des Sternbilds Cassiopeia

Dann galt die Aufmerksamkeit der AllSky-Kamera. Wir haben uns für die ZWO ASI120MM-S Mono mit Fisheye (1,5 mm) entschieden. Zur Kamerasteuerung und Anbindung an das Internet wird ein Einplatinen-Mikrocomputer (Raspberry Pi) ver-

wendet. Um die Plexiglashaube beschlagfrei zu halten, ist auch noch ein kleines Heizelement mit Thermostat eingebaut. Die Abbildung 8 zeigt ein Einzelbild der Allsky-Kamera vom August 2021 mit Perseid.

Nach weiteren intensiven Arbeiten an Soft- und Hardware konnten ab Anfang März 2021 die wesentlichen Elemente der Sternwarte über eine VPN-Verbindung und Remote-Desktop bereits ferngesteuert werden. Das mündete in das erste astrofotografische Projekt, welches vollkommen remote durchgeführt wurde. Das erfreuliche Ergebnis ist ein sehr tiefes, detailreiches Bild des Galaxienpaares Messier 65 und 66 im Löwen mit unzähligen Hintergrundga-
9 Erstes astrofotografisches Projekt,
M 65/66, 06. bis 16.03.2021, Kamera SBIG STL-11000, 31 x R, 24 x G, 33 x B (je 300 s), Bildbearbeitung PixInsight

46 | Journal für Astronomie Nr. 81

Amateurteleskope/Selbstbau

1 0 Hantelnebel M 27, 8. bis 13.09.2021, Kamera SBIG STF-8300M, je 10 x 300 s RGB, 9 x 900 s H, 5 x 900 s [OIII], Nachbearbeitung PixInsight

laxien (Abb. 9). Auch der Hantelnebel M 27 dokumentiert, was an Tiefe erreichbar ist (Abb. 10). Weitere Aufnahmen rund um M 82 mit Belichtungszeiten bis 20 min zeigten einige tausend Hintergrundgalaxien bis zu einer Grenzgröße von 21 mag. Diese Detailtiefe spricht nicht nur für die Optik des Teleskops, sondern auch für den sehr guten Standort am Brentenriegel.
Wermutstropfen bleibt bei all den erfreulichen Ergebnissen das bereits oben erwähnte Problem der Wärmeströmung im Tubus. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, führt kein Weg um weitere Wärmedämm- und Klimatisierungsmaßnahmen herum. Diese wurden ab Frühsommer 2021 in Angriff genommen. Zunächst wurde eine aktive Spiegelkühlung auf Basis von vier handelsüblichen Peltierelementen à ca. 60 W

sowie zehn PC-Lüftern für die Kälte- und Wärmeabfuhr entwickelt. Schon mit dieser Maßnahme konnte ein deutlicher Effekt erzielt werden. Da sich die Kuppel an heißen Sommertagen aber auf weit über 40 Grad C aufheizte, kamen wir dennoch um weitere Maßnahmen nicht herum. So wurde die Kuppel von innen mit Dämmstoffplatten ausgekleidet, die am Sockel mit Holzbrettern, im Kuppelbereich mit Stoffbahnen verkleidet wurden (Abb. 11). Dies war sehr erfolgreich. An heißen Sommertagen kann die Temperatur in der Kuppel um gute 10 Grad C gegenüber dem ungedämmten Zustand reduziert werden. So gelang es uns, den Temperaturunterschied zwischen Spiegel und Umgebung auf deutlich unter 2 Grad C zu begrenzen. Nach praktischen Erfahrungen sind unter diesem Wert keine Wärmeströmungen im Tubus mehr festzustellen.

Zielsetzungen Neben der Eigennutzung für ,,Pretty Pictures" mit tiefen Aufnahmen von Galaxienhaufen als Schwerpunkt wollen wir die Ergebnisse der Beobachtungen auch im Rahmen von Vortragsabenden in Zusammenarbeit mit den Burgenländischen Amateurastronomen (BAA) präsentieren. In Kooperation mit dem BAA und/oder dem Land Burgenland fanden und finden auch immer wieder Führungen statt (Sternderlschaun). Im Rahmen dieser Führungen, welche auch zahlreich von Kindern und Jugendlichen genutzt werden, wird den Interessierten der Nachthimmel erklärt und es können viele astronomische Objekte auch durch verschiedene Teleskope live beobachtet werden.

Journal für Astronomie Nr. 81 | 47

Amateurteleskope/Selbstbau

1 1 Kuppel mit fertiger Wärmedämmung
Die an der Sternwarte erzielten Ergebnisse sollen auch der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere ist eine nähere Zusammenarbeit mit den Forschungsstellen des Landes Burgenland sowie der Universität Wien, Institut für Astrophysik, geplant. Zudem soll auch die leider immer mehr zunehmende Lichtverschmutzung beobachtet und dokumentiert werden.
Nicht zuletzt haben wir unserem Teleskop einen Namen gegeben: ,,Big Telescope Brentenriegel" (BTB), ist es doch nach unserem Wissen das größte Teleskop im Burgenland.

Danksagung
Zu guter Letzt sei allen Mitgliedern unseres Vereins für ihr Engagement herzlich gedankt:
Josef Pratl, als ursprünglichem Errichter und ,,Vater" der Sternwarte, Franz Gruber, die unermüdliche Triebfeder hinter der Aufrüstung, Christian Liska, unserem Informatiker, der die Mechanik mit seinen Programmen zum Leben erweckt hat, Josef Schwarz, der von der Vorplatzgestaltung bis zur Wärmedämmung alle Baumaßnahmen durchgeführt hat, Johannes Puschitz, unserem Kassier, der da war, wenn helfende Hände notwendig waren, und schließlich Wolfgang Mandl, Obmann, der in seiner Werkstatt für alle elektromechanischen Arbeiten vom Schweißen bis zu den Mikrocontrollern zuständig ist.

48 | Journal für Astronomie Nr. 81

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NAEBLYS / GETTY IMAGES / ISTOCK

Astrofotografie

Neue Astrofotos
zusammengestellt von Peter Riepe

Es geht gar nicht anders: Viele schöne Astroaufnahmen wurden eingeschickt, sie müssen dann auch hier gezeigt werden! Die Bilder stammen sowohl von unseren Fachgruppenmitgliedern als auch von befreundeten Astrofotografen. Gelungene Astrofotos sollen a) informieren über das, was heutzutage machbar ist und mit welchen Mitteln, b) Anreiz sein zum Nachmachen, vielleicht sogar neue Ideen liefern, c) sie sollen letztlich auch das nahebringen, was uns alle hier verbindet: die wundervollen Objekte des Himmels. Wer Fragen an die Bildautoren hat (z. B. zur Bildbearbeitung),

wende sich bitte per E-Mail an die Fachgruppenleitung: fg-astrofotografie@vdsastro.de.
Am 10.10.2021 machte Bernd Gährken einen Kurzurlaub auf La Palma. Natürlich war der Vulkan Cumbre Vieja ein astrofotografisches Motiv. Hier ein Ausschnitt aus einer Aufnahme mit einem Fisheye-Objektiv (f = 6,5 mm). Beim Blick nach Süden stand senkrecht über dem Vulkan eine hell leuchtende Rauchwolke. Um 22:20 Uhr UT war rechts der steil untergehende Schütze zu sehen, direkt über dem Vulkan das bei

uns weniger bekannte Sternbild Kranich. Mit einer Canon EOS M wurde 5 x 30 s bei ISO 1600 belichtet (Abb. 1).
In seiner Heimatstadt Chemnitz nahm H. Ingo Strauß am 01.10.2021 eine Time-Lapse-Serie des Herbsthimmels auf. Kamera war eine Nikon D750 mit Weitwinkeloptik Nikon 17-70 mm. Bei 19 mm Brennweite und f/3 wurden die Einzelbilder je 6 Sekunden bei ISO 6400 belichtet (Abb. 2). Erst später beim Durchsuchen der Bilder bemerkte unser Bildautor den Schnappschuss mit der Feuerkugel zwi-

1 Sternstrichspuren über dem Vulkan Cumbre Vieja auf La Palma. Aufnahmedaten im Text. Bild: Bernd Gährken
50 | Journal für Astronomie Nr. 81

Astrofotografie

schen Plejaden und Hyaden. Oben links der Perseus.
Jens Perkiewicz nahm am 30.5.2021 in Brüggen am Niederrhein den Zentralteil des Schwans auf (Abb. 3). Sehr schön erscheinen die zahlreichen HII-Regionen: Nordamerika- und Pelikannebel, die Nebel um Gamma Cygni, dazwischen ausgeprägte Dunkelwolken, unten links der Cirrusnebel, ein Supernovarest. Kamera war eine Canon EOS 6Da mit einem Objektiv EF 1:1,8/85 mm, abgeblendet auf f/5,6. Bei ISO 800 wurde insgesamt 60 x 120 s belichtet.

Die HII-Region Sh2-129 wird durch den Stern HD 202214 (Spektraltyp O9,5) ionisiert, er hat auch den riesigen, blauen Nebel namens Outters 4 erzeugt (Abb. 4). Ungeklärt ist, ob es sich um einen PN oder um einen bipolaren Ausstoß handelt. Jan Beckmann und Julian Zoller nahmen das Objekt in Heidelberg auf. Teleskop: TS Hypergraph 150 mm/420 mm, Kamera: QHY-9S und QHY-294m, alles auf einer Skywatcher-Montierung AZ-EQ6. Belichtet wurde [OIII]: 24 h, H: 13,2 h, L: 5,7 h, RGB je 2,4 h, also ein Belichtungsmarathon von insgesamt 50,1 h.

Rolf Werder nahm an der Sternwarte Neanderhöhe Hochdahl e.V. die HII-Regionen IC 1848 und IC 1805 auf (Abb. 5). Kamera war eine Atik 16200 sw mit Objektiv Canon 70-200 Tele bei 200 mm auf einer MeadeMontierung LXD75. Belichtungszeit: 32 x 10 min bei Blende 2,8 mit H-Filter (7 nm von Baader). Das Autoguiding lief über den MGEN und einen Skywatcher EVOguide 50ED. Die tiefe H-Aufnahme zeigt auch die lichtschwachen Nebelausläufer nach Norden hin.

2 Helle Feuerkugel am Herbsthimmel,
Aufnahmedaten im Text. Bild: H. Ingo Strauß

3 Nächste Seite links: Milchstraße
und HII-Regionen im Schwan, Aufnahmedaten im Text. Bild: Jens Perkiewicz

4 Nächste Seite rechts: HII-Region Sh2-
129 mit dem bipolaren Nebel Outters 4, Aufnahmedaten im Text. Norden ist rechts. Bild: Jan Beckmann und Julian Zoller

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Astrofotografie 52 | Journal für Astronomie Nr. 81

Astrofotografie Journal für Astronomie Nr. 81 | 53

Astrofotografie

5 Links:
H-Aufnahme von IC1848 und IC1805, Aufnahmedaten im Text. Bild: Rolf Werder
6 Links unten:
Propellernebel Simeis 57, Aufnahmedaten im Text. Bild: Karsten Möller
7 + 8 Rechte Sei-
te: oben Positiv- und unten Negativdarstellung Supernovarest G110.3+11.3, Aufnahmedaten im Text. Bild: Stefan Binnewies, Frank Sackenheim und Josef Pöpsel

Im August 2020 fotografierte Karsten Möller den Propellernebel (Simeis 57) mit einem Skywatcher ED 80 plus Flattener bei f = 515 mm. Sein Ziel war das erste Bild in H mit einer debayerten Canon 650Dm und Optolong H-Filter (12 nm Halbwertbreite). Im September kamen RGB-Aufnahmen von 42 x 600 s bei ISO 800 mit der bewährten Canon EOS 400Da hinzu, außerdem weitere 42 x 600 s HBelichtungen mit der EOS 650Dm und dem bereits genannten Filter bei ISO 1600 (Abb.

6). Eingebunden wurde das sternlose HBild mit der ,,EmissionLineIntegration" in PixInsight. Die H-Strukturen wurden mit dem debayerten Chip natürlich viel signalstärker abgebildet als mit der Farbkamera.
Ein selten gezeigtes Motiv: Der Supernovarest G110.3+11.3 im Cepheus. Stefan Binnewies, Frank Sackenheim und Josef Pöpsel zeigen ihn hier, von Much (Bergisches Land) remote aufgenommen am Capella Observatory in der Eifel mit dem 600-mm-

Hypergraphen ,,Ganymed" im Primärfokus (f = 1.815,9 mm). Das LHGB-Komposit entstand im September 2018 mit einer CCD-Kamera SBIG STL-11000M (Abb. 7). Belichtung: 6 x 300 s (L), 18 x 600 s (H), G und B je 6 x 300 s, alles ohne Binning, Filter von Baader, LRGB und H (Halbwertbreite 13 nm). Die invertierte schwarzweiße Bildversion (Abb. 8) zeigt den Supernovarest noch deutlicher in Filamente aufgelöst.

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Astrofotografie Journal für Astronomie Nr. 81 | 55

Astrofotografie

CMOS-Farbkameras mit Duofilter
- eine echte Alternative zur Monochrom-Kamera?
von Kai-Oliver Detken

Gekühlte Farbkameras erfreuen sich bei Hobbyastronomen immer größerer Beliebtheit. Dies liegt zum einen daran, dass bei einem Wechsel von der DSLR-Farbkamera dies ein logischer Schritt ist, und zum anderen daran, dass viele Astrofotografen das umständlichere (L)RGB-Aufnahmeverfahren bei Monochrom-Kameras scheuen. Zudem werden CMOS-Farbkameras immer leistungsfähiger - speziell, wenn sie mit entsprechender Filtertechnik genutzt werden. Hier sind im Besonderen die Duo- und Tribandfilter zu nennen, die mit neuentwickelten Transmissionsbereichen ähnliche Ergebnisse ermöglichen sollen, wie Monochrom-Kameras mit Schmalbandfiltern. Die Firma Optolong hat zwei von ihnen im Programm, die in diesem Artikel miteinander verglichen werden sollen: L-eNhance- und L-eXtreme-Filter. Was für Vorteile sie bringen und ob sie Monochrom-Kameras obsolet machen, soll in diesem Beitrag diskutiert werden.
Bei einer Monochrom-Kamera wird mit der größtmöglichen Empfindlichkeit ein Bild aufgenommen, da ihr Sensor nicht durch eine Bayer-Matrix eingeschränkt wird. So lassen sich hier beliebige Filter nach Bedarf vor die Kamera setzen, während bei dem Sensor einer Farbkamera vor jeweils vier im Quadrat angeordneten Pixeln RGB-Filter liegen (25% Rot, 50% Grün, 25% Blau). Daher waren Monochrom-Kameras bei anspruchsvollen Astrofotografen bislang immer gesetzt. Seit einigen Jahren geht der Trend zu Farbkameras, was zum einen an den immer empfindlicheren und rauschärmeren CMOS-Chips liegt und zum anderen auch an modifizierten Filtertechnologien: den so genannten Duo- bzw. Tribandfiltern. Damit werden bestimmte Wellenlängen bevorzugt aufgenommen, während andere Bereiche des optischen Spektrums geblockt werden. Durch die Nutzung dieser Filtertechnik mit OSC-Kameras (One Shot

1 Transmissionskurven der Filter L-eNhance und L-eXtreme von Optolong [1, 2]

Color) kann Zeit bei der Bildaufnahme sowie bei der Bildbearbeitung gegenüber monochromen Aufnahmen mit Schmalbandfiltern eingespart werden, denn es werden mit einer einzelnen Aufnahme die Bänder von zwei bzw. drei Elementen gleichzeitig erfasst und wiedergegeben.
Um das Zusammenspiel von OSC-Kamera mit Schmalbandfiltern zu testen, wurde exemplarisch mit zwei Filtern von Optolong [1, 2] fotografiert und deren Eigenschaften miteinander verglichen: der Tribandfilter L-eNhance und der Duobandfilter L-eXtreme. Der erstgenannte Filter wurde speziell für OSC-Kameras entwickelt und kam 2019 auf den Markt. Er lässt dabei die Emissionslinien H (656 nm), H (486,1 nm) und [OIII] (501 nm) während der Belichtung gleichzeitig durch. Dieses Licht wird

dann auch auf alle Pixel der Bayer-Matrix verteilt: Bei einer OSC-Kamera registrieren die rotempfindlichen Pixel während der Belichtung das H-Licht nur im Rotkanal, H nur im Blaukanal und [OIII] nur im Grünkanal. Dadurch kommt man laut Hersteller sehr nah an die Auflösung einer Monochrom-Kamera heran, denn in einer Aufnahme bekommt jeder der drei RGBKanäle jeweils Licht einer Nebellinie mit. Im Gegensatz dazu würde die Bayer-Matrix etwa bei reinem einfallenden H-Licht nur zu 25% genutzt, d. h. 75% der Pixel tragen nicht zum Bild bei. Obwohl der L-eNhance-Filter zuerst als Duobandfilter beworben wurde, gehört er aus meiner Sicht zu den Tribandfiltern, da er die genannten drei Wellenlängen durchlässt (Abb. 1, oben).

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Astrofotografie

2 HII-Region Sh2-199 mit ZWOptical ASI071MCpro und L-eNhance-Filter, Celestron C11-HyperStar f/2, 560 mm Brennweite,
Gesamtbelichtungszeit 3,5 Stunden

Anders verhält es sich mit der Weiterentwicklung, dem L-eXtreme-Filter von Optolong, der 2020 auf den Markt kam (Abb. 1, unten). Er enthält zwei 7-nm-Bandpässe und lässt ausschließlich die Linien von H und [OIII] durch. Das heißt, der Filter isoliert die stärksten Nebel-Emissionslinien, generiert dadurch mehr Kontrast zum Himmelshintergrund und verbessert so das Signal-/Rauschverhältnis. Dadurch ist er zusätzlich noch sinnvoller in lichtverschmutzten Gegenden einsetzbar. Laut Hersteller sollen dabei detailreiche Aufnahmen sogar bei Vollmond möglich sein. Auch der Einsatz mittels Monochrom-Kamera wäre möglich, damit man zwei Spektralbereiche mit einer Aufnahme zeitsparend aufnehmen kann. Zwar wird dann eine H-[OIII]-Mischaufnahme erstellt, die dann aber durch Software-Tools wie Astro Pixel Processor (APP) [3] oder SiriL [4] voneinander getrennt werden können. Bei der Aufnahme soll zudem nahezu ungehindert (99% Transmission) der jeweilige Spektralbereich durchgelassen werden.

Neben Optolong bieten auch Hersteller wie STC [5] und ZWOptical [6] diesen neuen Duoband-Filtertyp an, beide weisen ähnliche Transmissionskurven auf.
Erste Tests mit dem L-eNhance-Filter offenbarten bereits in den Rohbildern mehr sichtbare Nebelstrukturen. Die Abbildung 2 zeigt den Nebel Sh2-199 nach dreieinhalb Stunden Belichtungszeit. Da sich bei dem Bild mit der verwendeten ASI071MCpro alle drei Transmissionsbereiche auf die drei RGB-Kanäle verteilen, gestaltete sich die Bildverarbeitung entsprechend einfach und äquivalent zu einer reinen RGB-Bearbeitung. Dass die Sternfarben nicht komplett verloren gingen, auch wenn sie natürlich nicht mit der Realität übereinstimmen, ist der Tatsache geschuldet, dass der Optolong-L-eNhance-Filter einen breiteren Transmissionsbereich von ca. 24 nm bei [OIII] und 10 nm bei H hat (es gibt leider keine exakten Herstellerangaben) und damit eigentlich kein typischer Schmalbandfilter ist. Dies zeigte sich auch in einer Auf-

nahme um NGC 2264, den ,,Weihnachtsbaum-Sternhaufen" im Sternbild Einhorn. Er ist eingebettet in die riesige HII-Region Sh2-273 mit Reflexionsanteilen und Dunkelwolken wie dem Konusnebel (Abb. 3).
Anfang 2021 wurde dann der zweite Optolong-Filter L-eXtreme getestet. Dabei kam die erste Aufnahme bei schlechteren Bedingungen bei nahezu Vollmond (92,6%) zustande, bei der der Mond auch noch ungünstig in die Optik hineinschien. Entgegen dem L-eNhance-Filter zeigt der LeXtreme-Filter auch bei diesen schlechten Bedingungen noch zahlreiche Strukturen. Trotzdem war dieses Bild keine Offenbarung und konnte mit den versprochenen Ergebnissen des Herstellers nicht ganz mithalten. Bei besseren Bedingungen im März 2021, ein paar Tage nach Neumond, entstanden weitere Vergleichsaufnahmen mit beiden Filtern. Dieses Mal wurde die Nebelregion Sh2-236 im Sternbild Fuhrmann aufgesucht (Abb. 4). Darin lassen sich zwei Molekülwolkenreste erkennen (Sim 129

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Astrofotografie
3 Konusnebel und Weihnachtsbaum-Sternhaufen NGC 2264 mit ZWOptical ASI071MCpro und L-eNhance-Filter, Celestron C11-HyperStar
f/2, 560 mm Brennweite, Gesamtbelichtungszeit 4 Stunden
4 Sh2-236 mit ZWOptical ASI071MCpro und L-eXtreme-Filter, Celestron C11-HyperStar f/2, 560 mm Brennweite,
Gesamtbelichtungszeit 3 Stunden
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Astrofotografie

5 Abell 21 mit ZWOptical ASI071MCpro, Celestron C11-HyperStar f/2, 560 mm Brennweite, links: L-eNhance-Filter,
Gesamtbelichtungszeit 4,5 Stunden, rechts: mit L-eXtreme-Filter

und Sim 130), deren Form an Kaulquappen erinnert. Der Kontrast fällt dabei mit dem L-eXtreme-Filter stärker aus. Diesen Kontrastgewinn erkauft man sich allerdings mit einem gänzlichen Verlust der Sternfarben. Wenn man diese ebenfalls abgebildet haben möchte, sollte eine RGB-Aufnahme nachgelegt und diese anschließend mit der Schmalbandaufnahme verarbeitet werden. Hinzu kommt, dass sich um hellere Sterne Höfe bilden und sogar doppelt auftreten. Dieser bekannte optische Effekt liegt an der Qualität der Filterbeschichtung und wird anscheinend durch die hohe Quanteneffizienz moderner CMOS-Sensoren noch verstärkt.
Ein weiterer Test an Abell 21 (= Sh2-274) offenbarte dann noch einen anderen Unterschied zwischen den Filtern. Abell 21 ist ein ausgedehnter Planetarischer Nebel (PN) mit geringer Flächenhelligkeit im Sternbild Zwillinge. Seinen Zusatznamen ,,MedusaNebel" verdankt er den schlangenartigen Gasfilamenten, die ans Haar der Medusa erinnern. Das Interessante an dem Nebel sind dabei die rötlichen und bläulichen Nebelbereiche, die jeweils durch ionisierten Wasserstoff und Sauerstoff zustandekommen. An diesem Objekt konnte man nun sehr gut die Fähigkeit beider Filter testen, wie sie H und [OIII] wiedergeben. Der LeNhance-Filter war dabei in der Lage, den Nebel klar vom Himmelshintergrund ab-

zuheben (Abb. 5 links). Auch erkennt man die abgestoßene Gashülle, sie lässt sich auch im größeren Abstand erahnen. Allerdings sind kaum Blauanteile auf dem Bild auszumachen. Ganz anders im rechten Teil der Abbildung 5. Zwar kam die Aufnahme nur in der Hälfte der Zeit zustande, jedoch kann eindeutig zwischen H- und [OIII]-Signal unterschieden werden. Der L-eXtreme-Filter scheint durch seine engere Halbwertsbreite diese Bereiche exakter voneinander trennen zu können. Allerdings lassen sich die schwächeren PN-Außenbereiche nicht mehr so gut nachweisen.
Im Vergleich haben daher beide OptolongFilter im Zusammenspiel mit OSC-Kameras ihre Berechtigung. Beide Filter liefern schon mit relativ kurzen Belichtungszeiten sehr gute, aber je nach Objekt unterschiedliche Ergebnisse. Der L-eNhance-Filter spielt seine Vorteile bei reinen HII-Regionen aus und zeigt - wenn auch nicht natürliche - Sternfarben. Auch wirkt der Kontrast durch das breitere Band weicher und die Halos um die hellen Sterne fallen weniger auffällig aus. Der L-eXtreme-Filter hingegen ist in der Lage, [OIII] und H gleichermaßen wiederzugeben und kann als echter Schmalbandfilter auch bei Mondlicht bis nahezu Vollmond genutzt werden. Durch die gleichzeitige Aufnahme von beiden Elementen lässt sich Aufnahmezeit einsparen. Der Einsatz beider Duo-

bandfilter mit OSC-Kameras kann daher in jedem Fall als Gewinn ausgemacht werden. Ob man dadurch auf den Einsatz von Monochrom-Kameras verzichten kann, muss jeder Astrofotograf für sich entscheiden. Sicherlich bekommt man nach wie vor eine etwas bessere Auflösung und Tiefe bei solchen Kameratypen, aber der Abstand ist gegenüber OSC-Kameras geschrumpft. Der Zeitgewinn bei der Aufnahme und der Bildbearbeitung sprechen daher aktuell bei vielen Astrofotografen für den Einsatz einer Farbkamera.
Internethinweise (Stand: September 2021): [1] Optolong L-eNhance-Filter:
www.optolong.com/cms/document/ detail/id/16.html [2] Optolong L-eXtreme-Filter: www.optolong.com/cms/document/ detail/id/100.html [3] Stacking-Software Astro Pixel Processor: www.astropixelprocessor. com [4] Stacking-Software SiriL: www.siril.org [5] Astro Duo-Narrowband Filter von STC: https://stcoptics.com/en/ astro_duo_narrowband/ [6] ZWO Duo-Band Filter: https:// astronomy-imaging-camera.com/ product/zwo-duo-band-filter

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Astrofotografie

Ein paar Tage Ferien auf der Sternwarte Gönnsdorf
von Tim Lauenstein

Zurzeit studiere ich in München, verbringe die Semesterferien aber in Dresden, meiner Heimat. Dort ist die Sternwarte Gönnsdorf ein ganz besonderer Ort, an den es mich immer wieder hinzieht. So war es auch in der Zeit vom 2. bis zum 9. September 2021. Ich bekam die Gelegenheit, viel Zeit in der Sternwarte zu verbringen und das Gönnsdorfer Hauptinstrument, ein 16-zölliges Schmidt-Cassegrain-Teleskop auf einer Montierung Meade LX 200, visuell und fo-

tografisch zu nutzen. Diese Zeit war wie ein wunderschöner Kurzurlaub. Meine Verpflegung konnte ich in den umliegenden Supermärkten einkaufen. In den Nächten hatte ich immer Gesellschaft von anderen Mitgliedern der Sternwarte, manchmal bis in die Morgenstunden. So verging die Zeit wie im Flug.
Mein Augenmerk in dieser Woche lag zunächst auf NGC 7129. Dieser Reflexions-

nebel liegt im Sternbild Kepheus, einige Grad entfernt vom Irisnebel NGC 7023. Seltsamerweise sieht man ihn trotz seiner fotografisch günstigen Lage nur selten auf Bildern. Der Nebel passte sehr schön in das Gesichtsfeld des 16-Zöllers. So beschloss ich, diesen Nebel als erstes Deep-Sky-Objekt aufzunehmen (Abb. 1). Für die letzten zwei der insgesamt sechs Nächte habe ich mich auf die Feuerwerksgalaxie NGC 6946 konzentriert. Ihre Ausdehnung war für den

1 NGC 7129, Meade ACF-SC 406 mm / 4.064 mm, 3-zölliger Flattener/Reducer 0,7x von Explore Scientific, Kamera: ZWO ASI1600MC Pro
(gekühlt), am 2., 3., 4. und 7. September 2021 insgesamt 12 h belichtet bei Einzelbildern in RGB von jeweils 70 s.

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Astrofotografie

2 NGC 6946, Teleskop und Kamera wie in Abb. 1, am 5.
und 8. September 2021 insgesamt 7,5 h belichtet bei Einzelbildern in RGB von jeweils 75 s
16-Zöller nahezu perfekt, und so wurde sie mein zweites fotografiertes Deep-Sky-Objekt (Abb. 2). Diese Impressionen wollte ich der VdS einmal zukommen lassen, dazu noch ein stimmungsvolles Bild von unserer Sternwarte am Rande von Dresden (Abb. 3). Ich finde, besser als in einem Observatorium kann man die Ferien gar nicht verbringen. Dem Sternwartenvorstand danke ich hiermit ganz herzlich.
3 Sternstrich-
spuren über der Sternwarte Gönnsdorf

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Astronomische Vereinigungen

Die neue Sternwarte Lübeck
von Oliver Paulien

2 Die Kuppel wird mit einem Kran auf den
Turm gehoben. (Bild: Sternfreunde Lübeck)

Nach 59 Jahren Betrieb schloss die alte Sternwarte Lübeck im Dezember 2016. Sie war untergebracht in der alten JohannesKepler-Realschule im Stadtteil Eichholz. Die Schule mitsamt der Sternwarte musste einem Neubaugebiet weichen. So wurde leider auch der Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck e.V, der die Sternwarte ehrenamtlich betrieb, heimatlos. Der Verein gab aber nicht auf und versprach den Lübecker Bürgern: ,,Wir kommen wieder!" Nach nur 4 Jahren, 10 Monaten und 5 Tagen ohne eine Sternwarte in Lübeck ist es dem ASL e.V. gelungen, am 5. November 2021 zusammen mit der Hansestadt Lübeck erneut eine städtische Sternwarte unter der Leitung des Vereins zu eröffnen. Die Sternwarte liegt jetzt im Süden der Hansestadt und ist in der Grundschule ,,Grönauer Baum" untergebracht. Sie ist mit dem Bus, mit dem Rad und zu Fuß gut erreichbar.
Während des ganzen Planungsprozesses der neuen Sternwarte wurde der Verein mit ins Boot geholt und konnte somit viele hilfreiche Tipps und Anregungen für einen sinnvollen Neubau geben. Die Gesamtkosten des Projektes beliefen sich immerhin auf 436.000 Euro. Davon bewilligte die Bür-

1 Oben: Die neue Sternwarte Lübeck Ende
Oktober 2021 (Bild: Michael Schomann)
gerschaft der Hansestadt Lübeck 203.000 Euro. Die noch fehlende und nicht unerhebliche Summe von 233.000 Euro wurde dem Verein allerdings als Hausaufgabe mitgegeben. In kurzer Zeit jedoch gewann der ASL ein offenes Ohr bei der Gemeinnützigen Sparkassenstiftung Lübeck. Nach einer kleinen Präsentation über die Tätigkeit als Amateurastronomen und zu dem Neubauprojekt der Sternwarte vor dem gesamten Vorstand der Stiftung, entschloss sich die Stiftung, dem Verein die kompletten Fördermittel zu gewähren! Das gab es so noch nie in der Geschichte dieser Stiftung.
Die Fördermittel wurden an die Stadtkasse Lübeck überwiesen und damit konnten die Planungen und der Bau der Sternwarte Lübeck beginnen.
Auf dem neuen Beobachtungsturm wurde eine neue 3,2-Meter-Kuppel von Baader Planetarium installiert. Der Turm hat eine Höhe von 12 Metern. In der Kuppel stehen auf einer El-Capitan-3600-Montierung von

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Astronomische Vereinigungen

3 Glückliche Bauherren (Bild: Sternfreunde Lübeck)
AstroPhysics ein 20-Zoll-CDK und ein 140-mm-TEC-Refraktor zur Beobachtung des Sternenhimmels über Lübeck zur Verfügung.
Am 5. November 2021 fand die feierliche Einweihung der neuen Sternwarte statt. Nun kann der ASL e.V. mit aktuell 133 Mitgliedern sein Programm wieder aufnehmen. Weitere Infos zur Sternwarte sind unter www.sternwarte-lübeck. de zu finden.

4 Teleskope auf der
Montierung in der Kuppel (Bild: Sternfreunde Lübeck)

5 Die Sternwarte bei Nacht (Bild: Sternfreunde Lübeck)

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Astrophysik & Algorithmen

Lösungen des Dreikörperproblems
Die Lagrange-Punkte L1 bis L3
von Uwe Pilz

Die Bewegung zweier Körper umeinander lässt sich durch eine geschlossene Gleichung beschreiben - die so genannte Kepler-Gleichung [1]. Obwohl sie nur durch Näherungsverfahren gelöst werden kann, stellt sie doch eine geschlossene physikalische Theorie dar. Sobald ein dritter Körper hinzukommt, lässt sich der Bahnverlauf nicht mehr formelmäßig so angeben, dass das Verhalten des Systems für alle Zeit beschrieben wird.
Für die praktische Astronomie, also die Ortsbestimmung im Sonnensystem, macht man sich zunutze, dass die meisten Bahnen fast der Zweikörpertheorie folgen, da die Sonne mit ihrer großen Masse die Umläufe maßgeblich bestimmt. Die Wirkungen der anderen Planeten werden dann als so genannte Störungen berücksichtigt. Dieses Herangehen ist anwendbar, allerdings sind die Störungsterme nicht für alle Zeit gültig: Es ist keine geschlossene Theorie.
Die Astronomen haben sich seit Langem der Frage zugewandt, ob es im Dreikörperproblem allgemeine Lösungen zumindest für stark vereinfachte Konstellationen gibt. Joseph-Louis de Lagrange hat fünf solcher Lösungen angegeben. Die ersten drei werden in diesem Aufsatz besprochen.
Im Sonnensystem gibt es auf der geraden Linie durch Sonne und Planet drei Punkte L1 bis L3, welche ein weiterer Körper mit derselben Umlaufzeit einnehmen kann. Bezüglich des Planeten würden solche Körper ruhen. Ähnliches gilt für Körper im System Erde - Mond.
Um das Prinzip zu verstehen, kann man weiter vereinfachen: Der Planet möge die Sonne auf einer Kreisbahn umlaufen, und der dritte Körper soll masselos sein. Für die Lagrange-Punkte L1 bis L3 sind diese Einschränkungen nicht zwingend, das heißt,

1 Skizze zur den Lagrange-Punkten L1 bis L3 im System Sonne - Jupiter
(nicht maßstabsgerecht). Der Koordinatenursprung liegt im Schwerpunkt S.

man kann auch Positionen dreier massebehafteter Körper auf Ellipsenbahnen finden. Aber die Berechnung ist aufwändiger und damit weniger klar.
Sowohl Sonne als auch Planet umlaufen den gemeinsamen Massenschwerpunkt S. Diesen kann man aus dem Abstand r Sonne - Planet berechnen (Variablen gemäß der Abb. 1):
xS = - x1 = r · mP / (mP + mS) (1)
Hierbei sind mS und mP die Massen für Sonne und Planet. Die Umlaufzeit kann mit dem dritten Kepler-Gesetz berechnet werden
2 = G · ( mP + mS ) / r3 (2)
Hier ist G die Gravitationskonstante. Ein masseloser Körper in einem der Gleichgewichtspunkte muss dieselbe Umlaufzeit haben und ebenfalls auf einer Kreisbahn laufen. Die Umlaufzeit einer Kreisbahn ist dadurch festgelegt, dass die resultierende Kraft aus Schwerkraft und Zentrifugalkraft Null ist. Die Beschleunigungen müssen sich also kompensieren. Die Schwerebeschleunigung, hervorgerufen durch den ersten Körper (die Sonne), ist
(3)

Hier ist xL die Lage des betrachteten Lagrange-Punktes, der zweite Bruch kümmert sich nur um das Vorzeichen, es ist der Einheitsvektor in Kraftrichtung. Die durch den Planeten hervorgerufene Schwerebeschleunigung ist:
(4)
Die Zentrifugalkraft ist
a = 2 · xL (5)
Für die Lage eines Lagrange-Punktes muss gelten:
a1 + a2 + a = 0 (6)
Das beiliegende Programm berechnet nach Vorgabe der Massen und des gegenseitigen Abstandes die Lage der drei LagrangePunkte. Hierbei kommt ein so genanntes Halbierungsverfahren [2] zum Einsatz, welches in jedem Schritt das Intervall, in welchem der gesuchte Punkt liegt, halbiert. Eingestellt sind, wie im Beispiel, die Bahndaten von Sonne und Jupiter.
Die Ergebnisse können in das Simulationsprogramm zur Berechnung des Sonnensystems [3] eingesetzt werden: Bezüglich Sonne und Jupiter verändert ein Körper seine Lage nicht. Dies wird noch anschaulicher in

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Astrophysik & Algorithmen

einem mitrotierenden Koordinatensystem. Letzteres wird im nächsten Heft gemeinsam mit den Lagrange-Punkten L4 und L5 vorgestellt.
Literatur- und Internethinweise (Stand 4.1.2022): [1] U. Pilz, 2018: ,,Simulationen zur Bahn-
bewegung von Planeten", VdS-Journal für Astron omie 66, S. 57 [2] U. Pilz, 2020: ,,Das Halbierungsverfahren zur Bestimmung von Nullstellen", http://fg-astrophysik.vdsastro.de/ algHalbierungsverfahren.html [3] U. Pilz, 2020: ,,Das Mehrkörperproblem in der Astronomie", VdS-Journal für Astronomie 73, S. 91

Programm
from math import * def sq(x): return x*x
G = 6.67408e-11
# Sonne - Jupiter m1=1.988475415966536e+30 # Masse Sonne m2=1.898568695e+27 # Masse Jupiter r=7.7835e11 # Abstand für Kreisbahn
x1=-m2*r/(m1+m2) # Koordinate ... x2=m1*r/(m1+m2) # ...vom Schwerpunkt omega=sqrt(G*(m1+m2)/r/r/r) v1=omega*x1 # Bahngeschwindigkeit v2=omega*x2 print("x1=",x1,"v1=", v1) print("x2=",x2,"v2=",v2)
def beschl(xL,x1,x2): # effektive Beschleunigung a1=G*m1/sq(xL-x1)*(x1-xL)/abs(x1-xL) a2=G*m2/sq(xL-x2)*(x2-xL)/abs(x2-xL) aw=sq(omega)*xL a=a1+a2+aw return a
for L in range(1,4): # alle drei Lagrangepunkte if (1==L): xL1=0.001*x2;xL2=0.9999999*x2 if (2==L): xL1=1.0001*x2; xL2=2*x2 if (3==L): xL1=-2*x2; xL2=-1.0001*x1
# Berechnung des Lagrangepunktes mit dem Halbierungsverfahren a1=beschl(xL1,x1,x2) a2=beschl(xL2,x1,x2) for i in range(60):
xL=(xL1+xL2)/2 aL=beschl(xL,x1,x2) if (aL>0): xL2=xL;a2=aL else: xL1=xL; a1=aL
print("L",L,": xL=",xL, "vL=", omega*xL)

Simulation der Auswirkung von Asteroideneinschlägen
von Klaus Rohe
Die Erde hat in ihrer Vergangenheit viele Einschläge von Asteroiden erlebt. Die Spuren der meisten sind nicht mehr erkennbar. Nur bei Einschlägen, die geologisch gesehen nicht weit zurückliegen, sind die Krater noch erkennbar, wie der Barringer Krater in Arizona, der vor ca. 50.000 Jahren entstanden ist, und das Steinheimer Becken und Nördlinger Ries, welche ca. 15 Millionen Jahre alt sind. Je nach Größe des Impaktors hatten diese Einschläge enorme Auswirkungen auf die Umwelt der näheren und weiteren Umgebung des Einschlagpunktes. Wer sich dafür interes-

1 Screenshot Earth Impact Effects:
Eingabeparameter

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Astrophysik & Algorithmen

Die Abbildung 1 zeigt das Eingabeformular mit den Werten für die Parameter. In den Abbildungen 2 bis 4 sind die Ergebnisse der Simulation zu sehen. Sie können nicht in einem einzigen Screenshot dargestellt werden.

2 Screenshot Ausgabe: Eingabeparameter, Energiefreisetzung und globale Effekte

In der Abbildung 2 werden nochmals die numerischen Werte der Eingabeparameter dargestellt. Für das Ries-Ereignis geht man von einem Asteroiden mit ca. 1.500 m Durchmesser aus, der mit einer Geschwindigkeit von 20 km/s in einem Winkel von 30 Grad zur Horizontalen eingeschlagen ist. Die Dichte des Impaktors wird zu 2.700 kg/m³ angenommen und die Dichte des Materials, in das er eingeschlagen ist, 2.750 kg/m³, kristalliner Felsen. Bei dem Einschlag wird eine Energie freigesetzt, die der Explosion von 228.000 Megatonnen TNT entsprechen bzw. 1.824.000 ,,Hiroshima-Bomben" mit einer Sprengkraft von 12,5 Kilotonnen TNT. Ein Impakt dieser Größe ereignet sich ca. alle 1,5 Millionen Jahre auf der Erde. Änderungen der Erdbahnparameter sind vernachlässigbar.

siert, wie diese Auswirkungen von Größe, Geschwindigkeit, Einfallswinkel und Zusammensetzung des Impaktors, um nur einige Einflussgrößen zu nennen, abhängen, findet im Internet eine Seite mit dem Titel ,,Earth Impact Effects Program", unter der URL https://impact.ese.ic.ac.uk/Impact Earth/ImpactEffects/. Sie ermöglicht es, die Effekte von Asteroideneinschlägen auf die Erde näherungsweise zu simulieren.

3 Screenshot
Ausgabe: Kraterdimensionen und thermische Effekte
Die Webseite ist nur in Englisch verfügbar. Zur Demonstration wurde eine Simulation durchgeführt, welche die Effekte des Asteroideneinschlags im Nördlinger Ries vor ca. 15 Millionen Jahren in einer Entfernung von 110 km berechnet. Dies ist ungefähr die Entfernung des Einschlagortes zum Zentrum von München.

In der Abbildung 3 sind die Größe des Übergangskraters und des finalen Kraters zu sehen sowie die thermischen Effekte in einer Entfernung von 110 km.
Die Abbildung 4 zeigt die seismischen Effekte, die Auswurfprodukte und die Druckwelle, die zu erwarten sind. Die Tabelle 1 (Seite 68) fasst die Eingabeparameter und zu erwartenden Effekte noch einmal zusammen. Die mathematischen Modelle, die bei den Berechnungen benutzt werden, sind ausführlich in [1] und [2] beschrieben, welche über Links auf der Webseite zum Download bereitstehen. Es wird auch ausführlich dargestellt, welche Vereinfachungen gemacht wurden, damit die Simulation auf einer Webseite durchgeführt werden kann. Man kann mit dem ,,Earth Impact

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Astrophysik & Algorithmen

Effects Program" sehr schön die Auswirkungen der Änderung der Eingabeparameter wie Größe, Dichte, Geschwindigkeit und Anflugwinkel des Impaktors untersuchen. Die Berechnungen benötigen nur Bruchteile von Sekunden. Eine Anregung für den Leser ist es, den Einschlag zu simulieren, der zur Entstehung des Steinheimer Beckens geführt hat, Durchmesser des Asteroiden 100 bis 150 m, sonst die gleichen Eingabeparameter wie für die Entstehung des Nördlinger Ries. Wer sich ausführlicher mit dem Thema befassen möchte, sei auf [3] und [4] verwiesen.

4 Screenshot Ausgabe: seismische Effekte, Auswurf und Druckwelle

Literaturhinweise: [1] G. S. Collins, H.J. Melosh, R. A. Marcus, 2005: "Earth Impact Effects Program: A Web-based computer program for
calculating the regional environmental consequences of a meteoroid impact on Earth", Meteoritics and Planetary Science 40, Nr. 6, p. 817-840 [2] G. S. Collins, E. Lynch, R. McAdam, Th. M. Davison, 2017: "A numerical assessment of simple airblast models of impact airbursts", Meteoritics and Planetary Science 52, Nr. 8, p. 1542-1560 [3] H. J. Melosh, 1989: "Impact Cratering A Geologic Process", Oxford University Press [4] H. J. Melosh, 2011: "Planetary surface processes", Cambridge University Press

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Astrophysik & Algorithmen

Tabelle 1

Eingabeparameter und Auswirkungen des Asteroideneinschlags in 110 km Entfernung

Eingabeparameter: Durchmesser des Asteroiden Dichte des Asteroiden Geschwindigkeit des Asteroiden Einschlagswinkel gegenüber der Horizontalen Dichte des Zielmaterials (Bodenmaterial Nördlinger Ries)

1.500 m 2.700 kg/m3
20 km/s 30 Grad
2.700 kg/m3

Freigesetzte Energie, Häufigkeit eines solchen Ereignisses und Einfluss auf die Erdbahnparameter:

Kinetische Energie des Impaktors

9,54 1020 J

Sprengkraft in Megatonnen TNT

228.000

entspr. Anzahl ,,Hiroshima-Bomben" (Sprengkraft je 12,5 Kilotonnen TNT)

1.824.000

Häufigkeit eines solchen Ereignisses

ca. alle 1,5 Millionen Jahre

Einfluss auf die Erdbahnparameter

vernachlässigbar

Kraterdimensionen: Dimensionen des Übergangskraters: Durchmesser Tiefe

13 km 4,6 km

Dimensionen des endgültigen Kraters: Durchmesser Tiefe Volumen des ausgeworfenen, geschmolzenen oder verdampften Materials mittlere Dicke der im Krater verbliebenen Schmelze

18 km 400 m 4,2 km³ 32 m

Hitzeeffekte in 110 km Entfernung:

Radius des sichtbaren Feuerballs

19 km

Thermischer Energiefluss

3,5 107 J/m2

Dauer der thermischen Belastung

4,3 Minuten

das bedeutet:

Kleidung entzündet sich

große Teile des Körpers erleiden Verbrennungen dritten Grades

Sperrholz wird entflammt

usw.

Seismische Effekte, ausgeschleudertes Material und Druckwelle in 110 km Entfernung:

Ankunft der Erdbebenwelle nach Einschlag

22 Sekunden

Stärke des Erdbebens:

auf Mercalli-Skala

VII - VIII

auf Richterskala

ca. 6,5

d. h.

leichte Schäden an Gebäuden in guter Bauweise,

große Schäden an Gebäuden in unzureichender Bauweise

Ausgeschleudertes Material, Größe und Menge: Das ausgeschleuderte Material kommt an nach hat einen mittleren Durchmesser von ca. und es bildet sich eine Schicht in einer Dicke von

ca. 2,5 Minuten 9 cm
ca. 19 cm

Druckwelle: Die Druckwelle kommt an nach mit einem Spitzenüberdruck von und einer max. Windgeschwindigkeit von dies bedeutet, dass z. B.

ca. 5,6 Minuten 13.500 Pa 30 m/s
Glasscheiben zerbersten

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Astrophysik & Algorithmen

Die Farbe unserer Sonne
- und warum gibt es keine grünen Sterne?
von Harald Tomsik

Bei der Beobachtung unserer Sonne und der Sterne fallen mir zwei Besonderheiten auf: In der Vielfalt aller vorstellbaren Sternfarben hat unsere Sonne die ,,spezielle" Farbe Weiß, grüne Farbtöne kommen bei Sternen nicht vor. Wieso ist das so? Welche sinnesphysiologisch plausiblen Hypothesen könnten dafür eine Erklärung bieten? Hochspekulativ könnte man auch noch fragen: Welche Extrapolationen bieten sich daraus für eine Farbwahrnehmung unter anderen Sternen an?

Farben Als physikalische Eigenschaft weist monochromatisches Licht eine reproduzierbar messbare Wellenlänge auf, also eine physikalische Größe, bestehend aus einer Längen-Maßeinheit (nm) und einer Maßzahl. Zumeist haben wir es jedoch mit Licht aus einem mehr oder weniger breiten Wellenlängenbereich zu tun. Dieses so genannte Spektrum besitzt dann eine wellenlängenabhängige Intensitätsverteilung, wie in der Abbildung 1 für idealisierte thermische Strahlungsquellen mit verschiedenen Temperaturen dargestellt.

1 Emissionsspektrum einer idealisierten thermischen Strahlungsquelle (Schwarzkörper)
bei unterschiedlichen Temperaturen [6]. Die Spektren realer Sterne weisen einen ähnlichen temperaturabhängigen Verlauf auf, sind aber u. a. überlagert durch Absorptions- und/oder Emissionslinien.

Zu der aus der Sinnesphysiologie stammenden Eigenschaft ,,Farbe" gelangt Licht erst in einem mehrstufigen Prozess durch die Wahrnehmung in einem menschlichen Auge einschließlich der Verarbeitung in einem menschlichen Gehirn: Zuerst reagieren die drei Farbrezeptortypen für langwelliges, mittelwelliges und kurzwelliges Licht im Augenhintergrund. Anschließend werden deren Signale im Gehirn weiterverarbeitet und als eine rote, grüne oder blaue Farbe bewertet oder als eine daraus resultierende Mischfarbe wie z. B. Türkis für eine Mischung aus Grün und Blau oder Rotbraun aus Rot + Grün + Blau (Abb. 2).
Dabei ist es überhaupt keine zwingende biologische Notwendigkeit, dass wir Men-

2 Dargestellt werden in der Punktspalte
rechts Hellgrau, Dunkelgrau und Weiß sowie die Mischfarben Türkis und Rotbraun als additive Überlagerung aus den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau inkl. deren Intensitäten im 8-bit-Zahlenraum

schen im Verein mit den meisten Affenspezies ein auf drei Grundfarben beruhendes (trichromatisches) Sehen aufweisen. Die meisten Säugetiere verfügen nicht über mittelwellige Rezeptortypen und können

somit nur auf zwei Grundfarben basiert (bichromatisch) sehen. Dagegen gibt es bei Insekten und vielen Vögeln noch einen zusätzlichen, vierten Rezeptortyp für ultraviolettes, also noch kürzerwelligeres Licht,

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3 In jeder Spalte wurde von unten nach oben die aus der seitlich angegebenen
Temperatur resultierenden Farbe aufgetragen, wobei die mittlere Spalte das aus unserer Evolution unter der 5.772 K heißen Sonnenoberfläche resultierende Farbensehen wiedergeben soll und links wie rechts davon Sinneseindrücke von hypothetischen Spezies, die unter einem Gestirn mit einer Oberflächentemperatur von 12.000 K bzw.3.000 K ihre Entwicklung durchliefen. Da das gedankliche Prinzip des Weißabgleichs bei diesem Schaubild Thema ist und keine exakte, quantifizierende Abhandlung der Farben realer Sterne, wird für diese Illustration vereinfachend mit den Intensitäten punktuell an den Maxima der Empfindlichkeit der drei menschlichen Farbpigmente gerechnet, unter Zuhilfenahme des Planckschen Strahlungsgesetzes für Schwarze Körper. Weitere Einflüsse auf Sternfarben, wie Metallizität, Oberflächenschwerkraft sowie Absorptions- und Emissionslinien wurden nicht berücksichtigt. Die Abbildungshelligkeit wurde jeweils so gewählt, dass der hellste der drei Farbkanäle im 8-bit-Format den Wert 255 erhielt. Weiterhin wird zu Illustrationszwecken angenommen, dass die Grenzen der visuellen Frequenzbänder für Rot, Grün und Blau der hypothetischen Beobachter mit denen von Homo sapiens übereinstimmen - wofür es jedoch keine evolutionäre Notwendigkeit gibt.

wodurch das resultierende mit vier Grundfarben arbeitende (tetrachromatische) Sehen eine Grundlage für wohl noch weitergehendere Farbdifferenzierungen bietet.
Farbensehen bei Frauen und Männern Folgende Ausführungen zur Sinnesphysiologie der Farben sind inhaltlich wahrscheinlich korrekt, wenn auch geschlechtsdiskriminativ (lateinisch discrimen = Unterschied [1]). Insbesondere männliche Mitglieder der Spezies Homo sapiens leiden gelegentlich bis oft darunter, dass sie von ihrer besseren und statistisch gesehen somit zumeist weiblichen Hälfte zu hören bekommen, eine von ihnen gewählte Kleidungskombination ,,sieht nicht aus". Außer demutsvoller Verzweiflung können diese männlichen Homos (lateinisch homo: Mensch, Mann [1]) jetzt eine sinnesphysiologische Erklärung ihrem Gegenüber und vor allem sich selbst anbieten: Gemäß G. Jordan et al. [2] weisen 12% der europäi-

schen Frauen einen zusätzlichen anomalen lang- oder kurzwelligen Zapfentyp auf und können somit wohl tetrachromatisch sehen - und diese seherische Gabe können Männer einfach nicht haben. Zudem weisen 6% aller Männer einen anomal reagierenden lang- oder mittelwelligen Rezeptor auf, was zu einem abweichenden trichromatischen Sehen und der gelegentlichen Bemerkung führt: ,,Du guckst ja nicht richtig!" 2% aller Männer sind sogar rotgrünblind durch genetisch bedingtes Fehlen des langwelligen oder mittelwelligen Rezeptors - und können dann wohl gar nicht mehr (qualifiziert) zuhause bei der farblichen Wohnraumgestaltung mitreden ...
Die Farbe Weiß Auch wenn wir großzügig über die Frage hinweggehen möchten, ob Grau oder Weiß überhaupt im strengen Sinne Farben sind monochromatisch graues oder weißes Licht gibt es nicht. Vielmehr sind alle Abstufungen von Grau bis zum maximalen Weiß ein

Resultat unserer additiven Farbwahrnehmung: Sie sind der Sinneseindruck einer Summe von lang-, mittel- und kurzwelligem Licht jeweils gleicher Intensität.
Bei Dunkelgrau würden unsere drei Rezeptortypen jeweils gleichstark, aber schwach gereizt, was in dem auch in der Astrofotografie gut bekannten Farbraum aus drei je 8-bit-Farbkanälen z. B. mit R = 100, G = 100 und B = 100 kodiert werden könnte (Abb. 2). Hellgrau entspräche einer in den drei Farbkanälen intensiveren, gleichstarken Reizung, entsprechend z. B. R = 200, G = 200 und B = 200. ,,Richtiges" Weiß resultiert aus in den drei Farbbereichen ebenfalls gleichen, jetzt aber maximal möglichen Rezeptorantworten, entsprechend R = 255, G = 255 und B = 255.
Die Farbe unserer Sonne Bei unseren Wahrnehmungsorganen macht es auch aus evolutionsbiologischen Überlegungen Sinn, dass die intensivsten in

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Astrophysik & Algorithmen

unserer natürlichen Umwelt vorkommenden Sinneseindrücke, die auch während der Hunderttausende bis Millionen von Jahren andauernden Evolution vorkamen, am obersten Rand der noch differenzierbaren Phänomene stehen.
Zum Beispiel wird es etwas Lauteres als einen direkt nach einem Blitz auftretenden Donnerknall kaum gegeben haben. Aber es war wertvoll, den Donner über nahezu sein gesamtes Frequenzspektrum zu differenzieren: Ein lauter, aber im Ton noch als hell zu differenzierender Donner zeigte Gefahr in größerer Nähe an als ein zwar ebenfalls lauter, aber dumpfer Donner in weiter Entfernung. Noch lautere Phänomene akustisch differenzieren zu können, machte während der Evolutionsgeschichte keinen Vorteil aus, da sie kaum vorkamen. Und wenn ein singulärer, genetisch bevorzugter Urahn einen nochmals deutlich lauteren Asteroideneinschlag als ganz nah hätte akustisch klassifizieren können, hätte das bezüglich der Weitergabe dieser genetischen Besonderheit - aus ,,nahe"liegenden Gründen - keinen Vorteil mehr erbracht ...
Die bis auf die kurzen und wenigen Momente eines Blitz- oder Asteroideneinschlags hellste Lichtquelle während unserer Evolution war unsere Sonne mit ihrem Spektraltyp G2V. Und es hatte naheliegende evolutionäre Vorteile, auch während der hellsten Mittagsstunden z. B. das im langwelligen Sonnenlichtbereich reflektierte helle Rot einer reifen Frucht gegenüber einem gleichzeitig hellen grünen Blätterwald oder hellen blauen Himmelshintergrund farblich zu erkennen. Somit erscheint es in evolutionsbiologischer Hinsicht sinnvoll, dass die maximalen spektralen Intensitäten der im Zenit stehenden Mittagssonne zur jeweils oberen Grenze des abstufbaren lang-, mittel- und kurzwelligen Sehbereiches von Homo sapiens wurden; ausgedrückt im

Farbraum aus drei je 8-bit-Farbkanälen: R = 255, G = 255 und B = 255 - oder nochmals anders ausgedrückt: weiß.
Sicherlich kann eine Plasmaentladung während des Niedergang eines großen Asteroiden in unmittelbarer Nähe eines Beobachters hellere Lichtemissionen erzeugen als unsere Mittagssonne. Aber evolutionäre Vorteile hätte eine auf diesen Intensitätsbereich ausgedehnte Farbwahrnehmung wegen der Seltenheit dieses Ereignisses (und wegen der unmittelbaren Konsequenzen für den nahen Beobachter, s. o.) nicht erbracht. Ähnliche Überlegungen mögen für extrem helle Blitze in unmittelbarer Umgebung gelten. Somit definiert die Sonne die oberen Intensitätsgrenzen unserer spektral zu differenzierenden Farbwahrnehmung - und hat somit ihre Farbwahrnehung beim Homo sapiens auf weiß getrimmt oder geeicht.
Warum keine grünen Sterne? Das auf der Erdoberfläche empfangene Sonnenspektrum hat sein Strahlungsintensitätsmaximum etwa im Bereich der maximalen Empfindlichkeit unserer Rezeptoren für mittelwelliges Licht. Die Sonne wäre somit ohne unseren evolutionär geprägten sinnesphysiologischen Weißabgleich ,,eigentlich" ein grüner Stern. Erst durch unsere spektrale Weiß-Eichung wurde für Homo sapiens aus unserer Sonne - und damit auch aus allen anderen Sternen mit grünem Strahlungsintensitätsmaximum ein weißer Stern.
Hypothesen zur Evolution des Farbensehens bei Heimatgestirnen mit anderer Farbe In Analogie zu diesen Überlegungen könnte es sein, dass eine hypothetische trichromatische Spezies mit ähnlichen spektralen Rot-, Grün- und Blau-Rezeptoren, die ihre Evolutionszeit in der Umlaufbahn eines

für Homo sapiens blauen Sterns mit einer Oberflächentemperatur von 12.000 K (entsprechend dem Spektraltyp B) verbracht hätte, diesen als weiß empfinden, noch heißere O-Sterne als blau, unsere G-Sonne gelblich, noch kühlere Sterne mit 3.000 K Oberflächentemperatur (Spektralklasse M) als orange und Braune Zwerge mit 750 K Oberflächentemperatur (Spektralklasse T) als rötlich. Andererseits würde wohl eine weitere hypothetische Spezies, die ihre Evolutionszeit in der Umlaufbahn eines für uns orangenen Sterns mit der Oberflächentemperatur von 3.000 K und dem Spektraltyp M verbracht hätte, diesen als weiß empfinden, unsere G2-Sonne als blau, heißere O-Sterne dunkelblau und erst noch kühlere Braune Zwerge der Spektralklasse L als orange (Abb. 3).
Über die Farbpalette einer hypothetischen tetrachromatischen extraterrestrischen Spezies mit sicherlich dann auch von uns völlig abweichenden Spektralbereichen der einzelnen Farbkanäle mögen findigere Autoren nachdenken ...
Nachtrag In ihrem 2021 erschienenen Artikeln ,,Digital color codes of stars" [3] sowie ,,Die Farben der Sterne" [4] erläutern Harre und Heller, dass die meisten Menschen die Sonnenscheibe im Zenit nicht als ,,ideal weiß" empfinden, sondern ihr einen leicht gelblichen Eindruck zuschreiben. Das könnte daran liegen, dass der oben als Hypothese formulierte (also nicht naturwissenschaftlich bewiesene) Eichmechanismus unserer Farbwahrnehmung aus welchen Gründen auch immer nicht komplett auf den Punkt genau gegriffen hat. Vielleicht haben die Millionen von Jahren noch nicht ausgereicht oder rötliches Höhlenlicht hat zu einer Verschiebung des Weißpunktes geführt?

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Vielleicht ist auch ein astrophysikalischer Vorgang beteiligt: Gemäß Hans-Heinrich Voigt in ,,Abriss der Astronomie" [5] hat sich unsere Sonne bereits etwas von der Hauptreihe entfernt, ihre Oberflächentemperatur ist dabei etwas niedriger und ihre Farbe somit leicht gelblicher geworden. Vorstellbar wäre, dass die Farbe der Sonne während ihres länger währenden Zeitraums auf der Hauptreihe unseren Weißpunkt geprägt hat und der derzeitige, leicht gelbliche Eindruck aus der beginnenden Abwanderung der Sonne vom Hauptast resultiert.
Schlusswort Ob diese evolutionär-sinnesphysiologischen Hypothesen den beobachtbaren Weißpunkt tatsächlich erklären können oder ob andere Effekte mehr zur Weiß-Eichung des Homo sapiens beigetragen haben, möge eine zukünftige Diskussion vielleicht ergründen.

Literatur- und Internethinweise (Stand 17.02.2022): [1] H. Schmelzer: ,,Lateinisch Deutsches Wörterbuch", 2. Auf-
lage 1948, B. Kühlen Kunst- und Verlagsanstalt Mönchengladbach [2] G. Jordan, S. Raphael, H. Le Sueur: «Tetrachromacy Project», https://research.ncl.ac.uk/tetrachromacy/thescience/ [3] J.-V. Harre, R. Heller 2021: "Digital color codes of stars", Astron. Nachr. 342, p. 1-10, https://doi.org/10.1002/ asna.202113868 [4] J.-V. Harre, R. Heller 2021: ,,Die Farben der Sterne", Sterne und Weltraum 60 (5/2021), S. 18-21 [5] Hans-Heinrich Voigt: ,,Abriss der Astronomie", 6. Auflage 2012, Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, S. 461 und 472. [6] Spektren eines Schwarzkörpers bei verschiedenen Temperaturen: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzer_Körper

Impression

Thors Helm

NGC 2359 (,,Thors Helm"), ASA-500-Newton f/3,9 der chilenischen Remote-Sternwarte El Sauce im Januar 2022, Kamera FLI PL16803, H: 9 x 600 s, [OIII]: 6 x 600 s, beide 3 nm HWB, R: 6 x 300 s; G, B je 3 x 300 s (Astrodon), alle ungebinnt. Zuordnung: H (R), [OIII] (G), [OIII] (B), farbkalibrierte RGB-Sterne in das sternlose H/[OIII]/ [OIII] hineinkopiert. Bildautor: Jürgen Beisser

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Die Galaxie Calar Alto 1
von Klaus Wenzel

Mitte 1975 ging das 1,23-m-Zeiss-Teleskop auf dem spanischen Berg Calar Alto in der Sierra de los Filabres, nördlich von Almeria, als erstes Teleskop in Betrieb (Abb. 1). Erster Direktor der Sternwarte, die gemeinsam vom MPI für Astronomie in Heidelberg und spanischen Kollegen betrieben wird, war Kurt Birkle (1939-2010), der zusammen mit Kurt Völker im Januar 1970 auch den Calar Alto als astronomischen Standort entdeckte.

Ein frühes Beobachtungsprojekt des 1,23-m-Teleskops war im Herbst 1975 die Suche nach Infrarotquellen im Bereich der Milchstraße innerhalb des Sternbilds Schwan. An der Suche beteiligt waren neben Kurt Birkle noch Hans Elsässer, der Direktor des MPI, sowie Ronald Weinberger und M. Beetz. Unter den aufgespürten Objekten befanden sich auch zwei Galaxien, die zunächst als Objekt 1 und 2 bezeichnet wurden. Diese Bezeichnung wandelte man dann in Calar Alto 1 und 2 um.

1 Das 1,23-m-Zeiss-Teleskop auf dem Calar Alto bei meinem Besuch auf der Sternwarte im
September 2010

Das Objekt Calar Alto 1 oder PGC 66592 (21h 20m 42s, +44 Grad 24' 05'' (2000.0)), welches ich hier vorstellen möchte, wurde zunächst von den Beobachtern des MPI Heidelberg mit der Galaxie Maffei 1 in der Cassiopeia verglichen, die sich ja bekanntlich mit einer Entfernung von rund 10 Millionen Lichtjahren nur knapp außerhalb der Lokalen Gruppe befindet [1].
Doch schon kurz nach der Entdeckung von Calar Alto 1 wurde von S. Grandi, D. Osterbrock und M. Philips am 3-m-ShaneTeleskop des Lick-Observatoriums auf dem Mount Hamilton in Kalifornien ein Spektrum gewonnen. Aufgrund dieser Ergebnisse zeigte es sich, dass es sich bei Calar Alto 1 nicht, wie zunächst vermutet, um eine relativ nahe Galaxie wie Maffei 1 handelt, sondern um eine elliptische Galaxie, die in einer Entfernung von etwa 190 Millionen Lichtjahren postiert ist [2].

Im Frühherbst 2007 lernte ich Kurt Birkle im Rahmen des Scan-Projektes auf der Landessternwarte in Heidelberg kennen. Bei diesem Projekt, an dem Birkle nach seiner Pensionierung maßgeblich mitarbeitete, wurden die historischen Platten der Landessternwarte und des Calar-Alto-Observatoriums digitalisiert [3]. Da ich damals noch ein reiner visueller Beobachter war, schlug er mir vor, doch einmal eine visuelle Beobachtung dieser Galaxie, die den Namen seines ehemaligen Observatoriums trug, zu versuchen.
Visuelle Beobachtungen Bei der nächsten Gelegenheit startete ich einen ersten Beobachtungsversuch. In der sehr klaren Nacht vom 15.09.2007 beobachtete ich mit meinem Dobson 317 mm/ 1.500 mm in meiner Dachsternwarte. Die Schwierigkeit bestand hauptsächlich darin, sich mittels Starhopping (bei 93-fa-

cher Vergrößerung) in das entsprechende Sternfeld, welches sich im Nordbereich des Nebel Sharples 119, etwa 7 Grad östlich von Deneb, befindet, vorzuarbeiten. Dann musste die exakte Position der Galaxie im Sternengewimmel lokalisiert werden. Bei gesteigerter Vergrößerung auf 207-fach war die Galaxie dann indirekt, zwar schwach, aber eindeutig als leicht ovaler Nebelfleck erkennbar. Die visuelle Helligkeit schätzte ich auf etwa 14,5 mag. Fast genau drei Jahre später, am 04.09.2010, befand sich Calar Alto 1 dann nochmals auf meinem visuellen Beobachtungsplan. Diesmal, bei leider nicht ganz optimalen Bedingungen, benutzte ich meinen neuen Newton 406 mm /1.800 mm bei einer Vergrößerung von 244-fach. Das Ergebnis war ähnlich, indirekt, relativ einfach sichtbarer, schwacher, deutlich ovaler Nebel. Von dieser Beobachtung fertigte ich dann auch eine kurze Skizze an (Abb. 2).

Journal für Astronomie Nr. 81 | 73

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CCD-Beobachtungen Ab 2016 begann bei mir dann neben den visuellen Beobachtungen auch das CCDZeitalter. Allerdings erst am 13.09.2021, also weitere 11 Jahre nach meiner letzten visuellen Sichtung, vervollständigte ich meine Beobachtungen von Calar Alto 1. An meinem Newton-Astrograf 208 mm / 812 mm belichtete ich 10 x 20 Sekunden. Das Ergebnis ist die Übersichtsaufnahme in der Abbildung 3, welche gut als Aufsuchkarte dieser unscheinbaren Galaxie hinter der Milchstraße verwendet werden kann.
2 Skizze von Calar Alto 1 nach visuellen
Beobachtungen vom 04.09.2010 am 16-ZollNewton. Der Bildausschnitt beträgt etwa 8 Bogenminuten.

3 CCD-Aufnahme von Calar Alto 1 vom 13.09.2021 am 8,3-Zoll-Newton. Bei dem etwa 9 mag hellen Stern südwestlich
der Galaxie handelt es sich um GSC 3194 1354. Die Bildgröße beträgt etwa 25` x 15`.
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4 Ausschnitt aus Abb. 3. Im nörd-
lichen diffusen Außenbereich der Galaxie befindet sich ein etwa 16 mag heller Vordergrundstern, der visuell allerdings nicht gesehen werden konnte.
Literaturhinweise: [1] R. Weinberger et al., 1976:
"Another possible nearby galaxy", Astron. Astrophys. 48, p. 327 [2] S. A. Grandi et al., 1976: "The radial velocity of Calar Alto 1", Astron. Astrophys. 51, p. 323 [3] K. Wenzel, K. Birkle, 2010: ,,Astronomische Schätze heben", Sterne und Weltraum 3/2010, S. 68
02-2022 VdS Magazin.qxp_Layout 1 25.02.22 17:06 Seite 1
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Planetarische Nebel in der Leier (Teil 2)
von Christian Weis

Im ersten Teil des Beitrags [11] wurden vier vom Autor erfolgreich beobachtete Planetarische Nebel (PN) vorgestellt. Dort findet man auch eine Tabelle mit relevanten Daten zu den vorgestellten PN und eine Übersichtskarte. In diesem zweiten Teil folgen die Ergebnisse der visuellen Beobachtungen der restlichen PN im Sternbild Leier.

NGC 6765 NGC 6765 wurde am 27. Juni 1864 von Albert Marth mit William Lassells 48-Zoll-Reflektor entdeckt [1] und 1946 von Rudolph Minkowski als PN identifiziert [2]. Auch hier gibt es Messungen der GAIA-Mission, der Abstand lässt sich mit dem DR3 auf ein Intervall von etwa 9.200 Lj bis 6.500 Lj angeben. Auch wenn die Spannweite groß erscheint: Die Parallaxe des Zentralsterns von NGC 6765 entspricht der Ausdehnung eines Mondkraters mit einem halben Meter (nicht Kilometer!) Durchmesser gesehen von der Erde.

1 NGC 6765, 18-Zoll-Newton, 283x, Feld ca. 15`, Norden oben, Westen rechts

Im Mai 2011 konnte ich den PN mit 18 Zoll (= TYC 3120 184, d. i. ca. 9' südl. des etwa nicht stellar. Bei 678x erscheint ein heller

von den österreichischen Alpen aus beob- gleich hellen Sterns SAO 67696) sehr leicht Punkt im Nebel, es bleibt unklar, ob dies

achten. Der Nebel erschien hierbei deutlich finden. Die mit GAIA gemessene Parallaxe der Zentralstern ist - die Vermutung liegt

in Nord-Süd elongiert mit etwas hellerem lässt eine Distanz von weit über 30.000 Lj jedoch nahe. Auch scheint der Nebel im

Zentrum. Der Zentralstern selbst konnte vermuten, jedoch ist der Standardfehler der Zentrum etwas heller, hier ist jedoch nicht

nicht zweifelsfrei gesehen werden, blinkte Messung fast so groß wie die gemessene Pa- klar, ob dies eine Fehlinterpretation ist oder

aber möglicherweise mehrmals auf. Die rallaxe selbst, so dass eine sinnvolle Aussa- real. Leider konnte ich keine Angaben zur

Reaktion auf Filter war gering. Die neblige ge hier nicht möglich ist. Ein Abstand von Helligkeit des Zentralsterns finden. Eine

''

Stelle in der Zeichnung (östlich des Nebels) etwa 19.000 Lj liegt ebenso innerhalb der Nachbeobachtung von Stephenson 4-1 mit

erwies sich im Nachgang als Anhäufung Messgenauigkeit wie ein Abstand von über 25 Zoll aus der Eifel heraus bestätigt trotz

mehrerer unaufgelöster Sterne.

350.000 Lj - was aus naheliegenden Grün- schlechterer Bedingungen diese Beobach-

den natürlich nicht realistisch ist.

tung.

Stephenson 4-1

Die Entdeckung dieses PN wurde 1985 Dieses Objekt konnte ich im Oktober 2014 Strigl 1-2

vom amerikanischen Astronomen Charles von zu Hause bei guten Bedingungen mit Richtige Detektivarbeit bietet der PN Strigl

Bruce Stephenson verkündet [3]. Hierzu 18 Zoll beobachten (Abb. 2). Das Aufsu- 1-2, denn es findet sich keine Originalver-

wurden Fotografien verwendet, welche mit chen ist, wie schon erwähnt, sehr leicht, öffentlichung zur Entdeckung dieses Ob-

dem 24-Zoll-Burrell-Schmidt-Teleskop auf die Identifikation mittels UHC oder [OIII] jektes. Die erste Erwähnung dieses sehr

dem Kitt Peak in Arizona aufgenommen ebenfalls, da der Nebel sehr gut auf diese schwachen PN erfolgt in Lubos Kohouteks

worden waren. Dieses Objekt lässt sich Filter anspricht. Bei sehr hoher Vergröße- umfangreicher Liste galaktischer Plane-

durch die unmittelbare Nähe (ca. 40'' süd- rung wirkt der schwache Nebel etwas grö- tarischer Nebel [4]. Hier wird auf die Ent-

lich) zum 9,5 mag hellen Stern BD +38 Grad 3390 ßer als der Stern BD +38 Grad 3390, er ist also deckung durch eine Person namens Strigl

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verwiesen und als Entdeckungsjahr 1996 angegeben. Allerdings gibt es in der entsprechenden Tabelle keine Referenz zu einer Originalveröffentlichung. Durch weitere Nachforschungen konnte ich als Entdeckerin Frau Gisela Strigl ausfindig machen, welche freundlicherweise die folgenden Informationen bereitgestellt hat.

Das Objekt wurde auf Kopien der POSS-IIPlatten entdeckt, deren Originale mit dem Oschin-Schmidt-Teleskop aufgenommen wurden. Frau Strigl hat zwischen 1992 und 2002 bei der ESO am POSS-II mitgearbeitet. Ihre erste Entdeckung (Strigl 1-1) ist vermutlich ein Komet, der allerdings mangels Nachverfolgungskapazitäten verloren gegangen ist.

Die äquatorialen Koordinaten von Si 1-2 sind lt. SIMBAD: 19h 06min 07s und +27 Grad 12' 57'' (2000.0). Sofern der Stern Gaia EDR3 2036937138344084480 der Zentralstern dieses relativ großen PNs ist, liegt der mithilfe der Parallaxe ermittelte Abstand zu diesem Objekt zwischen etwa 9.500 Lj und 16.800 Lj.
Strigl 1-2 ist ein sehr anspruchsvolles Objekt. Negative Beobachtungen mit 10 Zoll [5] und 16 Zoll [6] mögen hierfür als Indiz und Warnung zugleich gelten. Mir selbst gelang es nicht, Si 1-2 mit 25 Zoll aus der Eifel bei brauchbaren, aber nicht optimalen Bedingungen (fst 6,3 mag) zu erblicken. Positive visuelle Beobachtungen sind mir nicht bekannt. Ein Blick auf den DSS zeigt aber ein Objekt, welches zumindest im Roten gut sichtbar ist. Fein ausgerüstete Astrofotografen dürften hier eine realistische Chance haben, den PN erfolgreich abzulichten.
ETHOS 1 ETHOS 1 wurde ,,gezielt entdeckt". Während früher besonders rotempfindliche

2 St 4-1, 18-Zoll-Newton, 283x, Feld ca. 15`, Norden oben, Westen rechts

Platten die Entdeckung genügend großer und heller PN per visueller Platteninspektion ermöglichten, so fielen stellare und ausgedehnte flächenlichtschwache PN üblicherweise durch das Raster. Um kompakte PN zu entdecken, wurden beim ETHOSSurvey rote, grüne und blaue Bildkanäle hochaufgelöster Scans (SuperCOSMOS Sky Survey, SSS, siehe [7]) zu einem Komposit übereinandergelegt. Die gesuchten PN verraten sich hier durch ihre starke Türkisfärbung. Dies erklärt auch das Akronym: ETHOS steht für Extremely Turquoise Halo Object Survey [8]. Noch während der Designphase wurde ETHOS 1 im Jahre 2009 entdeckt und im Anschluss spektroskopisch als PN bestätigt. Der PN ist in folgender Hinsicht interessant: Der Zentralstern ist ein Doppelstern, dessen Partner sich gegenseitig bedecken und der eine Amplitude von etwa 0,8 mag aufweist. Dies ist die zweithöchste bekannte Amplitude eines

doppelten Zentralsterns eines PN. Zwei Jets kommen aus dem PN hervor, dies ist eine Bestätigung für die Annahme, dass Doppelsterne in einem PN zu Jets führen. Viele Aufnahmen - auch von Amateurastronomen - sind geradezu spektakulär.
Leider zeigt sich dies nicht bei der visuellen Beobachtung. Bei mittelmäßigen Bedingungen (fst 6,3 mag) konnte ich den PN mit 25-Zoll-Öffnung nicht eindeutig sehen, sondern nur mehrmals vermuten. Dies reicht nach meinen persönlichen Kriterien aber nicht dafür aus, von einer erfolgreichen Beobachtung zu sprechen. Bei besseren Bedingungen werde ich es auf jeden Fall noch einmal versuchen. Erfolgreiche Beobachtungen mit 48 Zoll, 27 Zoll und 22 Zoll spornen an. Die Grenze scheint bei etwa 20-Zoll-Teleskopen zu liegen, hier gibt es sowohl positive als auch negative Beobachtungsmeldungen im Cloudynights-Forum

Journal für Astronomie Nr. 81 | 77

Deep Sky

[9]. Die dort angegebenen Koordinaten sind 19h 16min 31,49s, +36 Grad 09' 47,9'' (2000.0).
Kronberger 61 Dass nicht nur Profiastronomen Objekte entdecken, ist weitläufig bekannt. Insbesondere die Deep Sky Hunters haben hier einige Entdeckungen der jüngeren Zeit vorzuweisen. Einer dieser Amateurastronomen ist der Österreicher Matthias Kronberger, der im Januar 2011 auf digitalisierten Platten einen PN im Sternbild Leier entdeckt hat, welcher später als ,,Soccer Ball Nebula" nicht nur in Fachkreisen bekannt werden sollte [10]. Die äquatorialen Koordinaten lt. Wikipedia sind: 19h 21min 38,94s und +38 Grad 18' 57,2'' (2000.0), d. i. etwa 34' nördlich des offenen Haufens NGC 6791. Die mit GAIA bestimmte Parallaxe des vermutlichen Zentralsterns lässt auf eine Distanz von etwa 23.500 Lj schließen, jedoch ist der Standardfehler fast so groß wie die Parallaxe selbst, so dass dies nur ein sehr grober Anhaltswert sein dürfte. Astronomen des Gemini Observatory, welche sich intensiv mit diesem Objekt beschäftigt haben, geben einen Abstand von grob 13.000 Lj an.
Kronberger 61 gilt bislang gemeinhin als visuell unmöglich. Die Flächenhelligkeit liegt bei schwächer als 25 mag/arcsec2. Positive visuelle Beobachtungen sind mir nicht bekannt, auch ich selbst stieß mit 25 Zoll bei mittleren Bedingungen auf Granit. Erschwerend hinzu kommt ein 10 mag heller Stern in unmittelbarer Nähe zum Nebel. Aus dem Fenster lehnend halte ich eine visuell erfolgreiche Beobachtung für erfahrene Beobachter mit Öffnungen ab 40 Zoll und alpinen Bedingungen für möglich.
Ausblick Noch 1985 resümierte Stephenson, dass die Bestandsaufnahme Planetarischer Nebel in dieser Himmelsrichtung im Wesentlichen

abgeschlossen sei, da alle gefundenen Planetarischen Nebel deutlich über der Detektionsgrenze der damaligen Mittel lagen. Er bezog sich dabei auf stellare PN [3]. Bis dahin waren sechs PN in der Leier bekannt (die inzwischen anderweitig kategorisierten Objekte nicht mitgezählt). Als Steine 2002 das Ziel verfolgte, alle PN in der Leier zu beobachten, waren sieben PN bekannt. Inzwischen kennen wir neun PN in der Leier, neue ausgedehnte und flächenlichtschwache Objekte sind im Laufe der Jahre dank besserer technischer Möglichkeiten hinzugekommen. Dabei müssen nicht unbedingt neue Aufnahmen notwendig sein. Auch alte digitalisierte Aufnahmen können mit modernen Auswertemöglichkeiten erfolgreich durchforstet werden. Man darf gespannt sein, wie viele weitere PN allein in der Leier im Laufe der nächsten Jahrzehnte hinzukommen werden. Nimmt man die bisherige Entdeckungsrate als Basis, dann sollte in den nächsten 30 Jahren mindestens ein weiterer PN gefunden werden.
Danksagung Für Informationen zur Entdeckungsgeschichte des Objektes Si 1-2 bedankt sich der Autor ganz herzlich bei Frau Gisela Strigl.
Literatur- und Internethinweise (Stand 05.01.2022): [1] K. Wallace, 2017: "Visual Observa-
tions of Planetary Nebulae", Webb Deep Sky Society [2] R. Minkowski, 1946: "New Emission Nebulae", Publ. Astron. Soc. Pac. 58, p. 305ff [3] C. B. Stephenson, 1985: "Two planetary-like Nebulae, including the Remnant of Nova Delphini 1967", Publ. Astron. Soc. Pac. 97, p. 930f [4] L. Kohoutek, 2001: "Version 2000 of the Catalogue of Galactic Planetary

Nebulae", Astron. Astrophys. 378, p. 843ff [5] M. Steine, 2002: "Planetary Nebulae in Lyra", Journal Roy. Astron. Soc. Canada 96, No. 4, p. 144 [6] D. Restemeier, U. Glahn: Internetpräsenz, www.pn-visuell.de [7] SuperCOSMOS Sky Survey: www-wfau.roe.ac.uk/sss/index.html [8] B. Miszalski et al., 2010: "ETHOS 1: A high latitude planetary nebula with jets forged by a post common envelope binary central star", Monthly Notices Roy. Astron. Soc. 413, p. 1264ff [9] Cloudynights-Forum: www. cloudynights.com/topic/332824ethos-1 [10] Gemini Observatory: "Gemini Image Captures Elegant Beauty of Planetary Nebula Discovered by Amateur Astronomer", www.gemini. edu/node/11656, aufgerufen am 29.5.2021 [11] C. Weis, 2022: "Planetarische Nebel in der Leier (Teil 1)", VdS-Journal für Astronomie 80, S. 102

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Skyguide 2022 - 1 (Frühling)
von Robert Zebahl und Rene Merting

Unsere Himmelstour bewegt sich dieses Mal im Sternbild Bärenhüter (lat. Bootes). Der Hauptstern Arktur ist dabei der dritthellste Stern des Himmels. Der Bärenhüter gehört zu den alten Sternbildern und ist seit der Antike bekannt. Es gibt etliche Mythen und Geschichten, auf welche hier nicht weiter eingegangen werden soll. Da der Bärenhüter weitab vom Milchstraßenband liegt, findet man kaum Sternhaufen oder Gasnebel. Dafür hält er etliche Doppelsterne, aber auch einige schöne Galaxien bereit (Abb. 1).
Zuerst wollen wir in unmittelbarer Nähe von Arktur beginnen, wo sich das Sternmuster Picot 1 befindet. Es besteht aus 7 Sternen mit Helligkeiten zwischen 9,5 mag

und 10,6 mag und kann bereits unter städtischen Bedingungen mit einem mittelgroßen Fernglas beobachtet werden (Abb. 2). Aufgrund der Form ist es auch unter dem Namen ,,Napoleons Hut" bekannt, wobei die Hutspitze Richtung Nordwesten zeigt. Doch es muss nicht zwingend ein Hut sein. Beschreibung von Robert Zebahl mit einem 16x70-Fernglas unter Stadthimmel: ,,Recht auffälliges Sternmuster, welches in der Tat als Hut interpretiert werden kann. Die Hutkrempe Richtung Südwesten wirkt dabei verkürzt aufgrund eines schwächeren Sterns. Ich sehe hier eher einen kleinen Berg. Insgesamt ein durchaus ansehnliches Sternmuster."

Rene Merting beschreibt Picot 1 in seinem 12,5-Zoll-Dobson unter dunklem Landhimmel wie folgt: ,,Hier fällt auf, dass im Umfeld nicht viel mehr Sterne als in kleinen Öffnungen sichtbar dazu kommen, das Muster steht ziemlich allein - der Gedanke an eine Made, die zum gelbgoldenen Apfel Arktur robbt, gefällt mir besser als der Hut." Ob Hut, Berg oder Made, die Freude beim Beobachten war gewiss.
Weiter nördlich kommen wir zu einem weiteren, sehr speziellen Sternmuster. Es trägt den Namen ,,Normans Passing Pair" (NPP) und wurde erst im Jahr 2018 durch den deutschen Amateurastronomen Nor-

1 Aufsuchkarte
2



Arp 199





1 1 25





CrB










5







1




Boo
NGC 5466


M 3 9

45

NPP 12

STF 1884 1

Picot 1

6



Journal für Astronomie Nr. 81 | 79

Erstellt mit Cartes du Ciel

Deep Sky

2 Picot 1 (Napoleons Hut),
Quelle: DSS, gemeinfrei

bewegung kann sehr gut erkannt werden, wenn man die beiden Aufnahmen in der Abbildung 3 miteinander vergleicht. Das Bild links ist dabei eine ältere DSS-Aufnahme der ersten Version. Fotografisch und visuell kann die Eigenbewegung auch im Laufe einiger Jahre gut erkannt werden. Für eine erste Beobachtung genügt bereits ein 16x70-Fernglas. Bei einem flüchtigen Blick erscheinen die drei Sterne eher als länglicher Nebel, bei genauerem Hinsehen sind diese aber klar getrennt. Für den Nachweis der Eigenbewegung empfiehlt sich natürlich ein Teleskop.

man Görlitz beschrieben. Auf den ersten Blick handelt es sich um drei mittelhelle Sterne, welche recht auffällig sind, da sich keine helleren Sterne im näheren Umfeld befinden (Abb. 3 links). Die Besonderheit ist, dass die beiden westlichen Sterne ein

physikalisches Paar des Mehrfachsystems BU 1442 bilden, welches sich mit recht hoher Eigenbewegung von etwa 1,37 Bogensekunden pro Jahr Richtung Südosten bewegt. Der östliche der drei Sterne ist lediglich ein Hintergrundstern. Die Eigen-

Als nächstes besuchen wir zwei Doppelsterne und fangen mit einem Klassiker an: Epsilon Bootis (Izar). Mit einem Winkelabstand von ca. 2,8 Bogensekunden und einer Helligkeitsdifferenz der Komponenten von etwas mehr als zwei Größenklassen lässt er sich wunderbar in nahezu jedem Teleskop beobachten. Aufgrund der Gesamthellig-

3 NPP (Normans Passing Pair) - Quelle: DSS, gemeinfrei
80 | Journal für Astronomie Nr. 81

Deep Sky

keit ist er selbst unter aufgehelltem Himmel schnell gefunden. Die Hauptkomponente erscheint Beobachtern gelblich bis orange, der Begleiter grau oder blau. Besonders bei kleinen Teleskopen sind sehr hohe Vergrößerungen förderlich, da der schwächere Begleiter dann bereits mit dem ersten Beugungsring der Hauptkomponente verschmilzt. Das ist gut in Abbildung 4 erkennbar.
Südlich von Epsilon Bootis liegt der Doppelstern STF 1884. Mit 6,6 mag und 7,5 mag bei einem Winkelabstand von 2,1 Bogensekunden sollte er noch gut in kleineren Teleskopen ab etwa 80 mm Öffnung trennbar sein. In noch kleineren Teleskopen ist genaue Beobachtung erforderlich, bei etwa 100 mm Öffnung ist er bei 160-facher Vergrößerung einfach zu trennen. Ein sehenswerter Doppelstern, wenn auch farblich nicht sonderlich auffällig.

für die Trennung beider Galaxien voneinander eher hohe Vergrößerungen notwendig sind. Mit 8 Zoll Teleskopöffnung unter dunklem Landhimmel (Bortle 4) ist das Paar keineswegs einfach, aber auch nicht herausfordernd für den geübten Beobachter. Die Formen beider Galaxien sind bei 150-facher Vergrößerung gut zu sehen, die Trennung der Galaxien ist dagegen recht schwierig.
Zum Abschluss wünschen wir viel Freude bei der Beobachtung.

4 Epsilon Bootis - invertierte Bleistiftzeichnung von
Robert Zebahl an einem 60-mm-Refraktor (f/10) bei V = 193x

Unser Spaziergang führt nun zu zwei Kugelsternhaufen, welche in ihrer Erscheinung sehr unterschiedlich sind. Messier 3 (6,4 mag) erscheint sehr hell und stark kondensiert, während sich NGC 5466 (9,1 mag) dagegen deutlich schwächer ohne nennenswerte Helligkeitszunahme zum Zentrum zeigt. Während Messier 3 bereits einfach unter aufgehelltem Himmel im kleinen 8x40-Fernglas als kompakter Nebel zu sehen ist, benötigt NGC 5466 recht dunklen Landhimmel, ist dann aber aufgrund seiner Winkelausdehnung von knapp 10 Bogenminuten auch in einem mittelgroßen Fernglas erreichbar.

Letztes und schwierigstes Objekt ist das interagierende Galaxienpaar Arp 199, bestehend aus NGC 5544 und NGC 5545. Die Angaben zur Gesamthelligkeit variieren je nach Quelle sehr. Die maximale scheinbare Winkelausdehnung der Galaxien beträgt höchstens 1 Bogenminute, so dass

5 NGC 5544 und 5545 - Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei

Journal für Astronomie Nr. 81 | 81

Kleine Planeten

Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries

Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war (vgl. Tabelle 1).
Im Jahr 2017 verwendeten wir zum ersten Mal ein Bild von Harald Kaiser aus Karlsruhe. Damals war er ein begeisterter Anfän-

ger in Sachen Astrofotografie. Die Begeisterung ist geblieben und so wurde neben seiner Erfahrung auch sein Equipment umfangreicher. Eins seiner Lieblingsmotive sind Kometen. Fotografiert wird vom heimischen Balkon mit einem 10-zölligen Newton auf einer schweren Montierung. Für besondere Motive packt Harald aber leichteres Equipment ein und fährt an dunklere Standorte, um zu fotografieren. Für diese Ausgabe stellte er uns zwei Aufnahmen zur Verfügung, die auf seinem Balkon entstanden sind. Die erste Aufnahme (Abb. 1) zeigt die Begegnung des Kometen C/2020 R4 (ATLAS) mit der Galaxie NGC

4314 am 8. Mai 2021 [1] und die zweite die viel beachtete Begegnung vom Kleinplaneten (3) Juno mit dem Kugelsternhaufen M 10 am 18. Juni 2021 [2].
Der Komet C/2020 R4 wurde am 12. September 2020 vom robotischen Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System (ATLAS) entdeckt. Das Suchprogramm ist Namenspatron von einigen Kometen. Im Frühling 2021 erreichte C/2020 R4 (ATLAS) eine Helligkeit um die 8 mag und war auch in kleineren Instrumenten visuell mit kurzem Schweif sichtbar. Auf seiner langperiodischen Bahn kam er bis auf 1,03 AE

1 Der Komet C/2020 R4 (ATLAS) und die Galaxie NGC 4314, aufgenommen von Harald Kaiser an einem 10-zölligen Newton f/4 und einer
ASI ZWO 071-Kamera mit CLSCCD-Filter am 8. Mai 2021
82 | Journal für Astronomie Nr. 81

Kleine Planeten

an die Sonne heran und wird erst in ca. 940 Jahren wieder zu ihr zurückkehren. Zum Aufnahmezeitpunkt war der Komet ca. 110 Mio. Kilometer von der Erde entfernt und befand sich im Sternbild Haar der Berenike. Dort begegnete er scheinbar der Balkenspirale NGC 4314. Sie ist 10,5 mag hell und hat einen scheinbaren Durchmesser von ca. 4 Bogenminuten am Himmel. Der tatsächliche Durchmesser beträgt ca. 55.000 Licht-

jahre und sie ist rund 43 Mio. Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.
Kometen bewegen sich meist sehr schnell am Himmel. Um keinen zu einer Strichspur verzerrten Kometen zu erhalten, produzierte Harald eine Serie kurz belichteter Aufnahmen, um einen gut definierten Kometen zu erhalten, und eine Serie länger belichteter Aufnahmen, um eine gute Tiefe

bei der Galaxie zu erreichen. Beide kombinierte er gekonnt, um sowohl Kometen als auch das Deep-Sky-Feld perfekt abzubilden.
Harald hatte im letzten Juni eine längere Schönwetterphase, so dass er die Annäherung vom Kleinplaneten (3) Juno an den Kugelsternhaufen M 10 über 5 Nächte dokumentieren konnte. Ein Kompositbild über diesen Zeitraum wurde im VdS-Jour-

2 Der Kleinplanet (3) Juno und der Kugelsternhaufen M 10, aufgenommen von Harald Kaiser an einem 10-zölligen Newton f/4 und einer
ASI ZWO 071-Kamera mit CLSCCD-Filter am 18. Juni 2021
Journal für Astronomie Nr. 81 | 83

Kleine Planeten

nal für Astronomie 79 auf Seite 50 abgedruckt. Das hier gezeigte Bild (Abb. 2) dokumentiert die Begegnung am 18. Juni 2021 und damit die engste Annäherung, die Harald damals aufnehmen konnte. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, wieder einmal darauf hinzuweisen, dass die abgedruckten Beobachtungsvorschläge ungefähr die engste Begegnung zwischen KP und DS-Objekt angeben. Je nach Gesichtsfeld des Equipments können eventuell auch Nächte davor und danach genutzt werden, um eine kosmische Begegnung zu fotografieren.
Der Kleinplanet (3) Juno wurde als dritter Asteroid am 1. September 1804 von Karl Ludwig Harding an der Sternwarte Liliental bei Bremen entdeckt. Als Optik kam damals ein ,,Riesenteleskop" zum Einsatz. Es hatte eine Öffnung von ca. 50 cm und eine Brennweite von ca. 8,25 Metern. Einen Nachbau dieses mit gemauertem Beobachtungsturm ca. 20 Tonnen schweren Fernrohrs kann man in Liliental bewundern. Für die Bedienung brauchte es einige Helfer. Man kann John Dobson nicht genug für seine Innovation danken ;-).
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Asteroiden als vollwertige Planeten gewertet, aber die steigenden Entdeckungszahlen machten eine Degradierung nötig. Benannt wurde der neue ,,Planet" nach Juno, die Gemahlin des Jupiter und damit die höchste weibliche römische Göttin war. Als ca. 200

km x 300 km großer Hauptgürtelasteroid zieht sie ihre Bahn zwischen Mars und Jupiter. Für eine Umrundung der Sonne benötigt sie ca. 4,36 Jahre. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war sie 348 Mio. Kilometer von der Erde entfernt und ca. 10,1 mag hell [3]. Der Kugelsternhaufen M 10 ist 6,6 mag hell und wurde 1764 von Charles Messier entdeckt. Seine Winkelausdehnung am Himmel wird mit bis zu 20 Bogenminuten angegeben. Mit rund 200.000 Sonnenmassen ist er ein eher durchschnittlicher Kugelsternhaufen. Dass er so eindrucksvoll am Himmel erscheint, ist seiner Nähe geschuldet. Denn M 10 ist ca. 25.000 Lichtjahre von uns entfernt und hat einen tatsächlichen Durchmesser von ca. 82 Lichtjahren [4].
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [5]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals mit

Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwartealtschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht, das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Literatur- und Internethinweise (Stand 05.01.2022): [1] Komet C/2020 R4 (ATLAS) bei
der Galaxie NGC 4314: www. sternwarte-altschwendt.at/ATLAS_ NGC4314_20210508_HaraldKaiser_ HP.jpg [2] Kleinplanet (3) Juno bei Kugelsternhaufen M 10: www.sternwartealtschwendt.at/Juno_%20 M10_20210618_HaraldKaiser_HP.jpg [3] Kleinplanet (3) Juno: https://de. wikipedia.org/wiki/(3)_Juno [4] R. Stoyan, S. Binnewies, S. Friedrich, 2006: ,,Atlas der Messier-Objekte", Oculum-Verlag, ISBN 3938469072 [5] Kosmische Begegnungen, Homepage: http://astrofotografie.hohmannedv.de/aufnahmen/kosmische. begegnungen.php

Tabelle 1

Datum
07.04.2022 28.04.2022 06.05.2022 28.05.2022 02.06.2022 26.06.2022

Ausgewählte interessante Begegnungen zwischen Kleinplaneten und Deep-Sky-Objekten im 2. Quartal 2022

Uhrzeit
23:00 22:00 23:00 24:00 23:00 23:00

Kleinkörper

mag

(947) Monterosa

14,8

(1278) Kenya

15,0

(228) Agathe

15,1

(692) Hippodamia 14,4

(97) Klotho

12,8

(1703) Barry

13,8

Objekt

Art

M 61

Gx

NGC 4754/62

Gx

IC 972

PN

M 62

GC

NGC 6539

GC

NGC 6445

PN

mag
9,3 10,5/10,1
13,9 6,4 8,9 11,23

Abstand
6' 3' 10' 5' 10' 3'

Abkürzungen: Gx - Galaxie, OC - Offener Sternhaufen, GC - Kugelsternhaufen, PN - Planetarischer Nebel

84 | Journal für Astronomie Nr. 81

Kleine Planeten

Die Bestimmung von Rotationslichtkurven von Kleinplaneten (Teil 1)
von Axel Martin

Das Turtle Star Observatory (TSO) ist eine im Jahr 1995 gegründete Privatsternwarte in Mülheim-Ruhr. Unser hauptsächliches Interesse galt dabei von Anfang an den Kleinkörpern unseres Sonnensystems. Seit Januar 1997 werden von uns vor allem Kleinplaneten astrometrisch beobachtet und deren Positionen an das Minor Planet Center (MPC) in den USA gemeldet.

Mit Stand vom 31.05.2021 wurden von uns so insgesamt fast 10.000 Positionen bestimmt. In den Jahren 2002 bis 2016 gelang es uns hierbei sogar, 17 neue Kleinplaneten zu entdecken [1], wobei uns aber leider nur in fünf Fällen später auch die tatsächlichen Entdeckerrechte nach den jeweils gültigen Regeln des MPC zugesprochen wurden.
Während bis etwa zur Jahrtausendwende auch mit kleineren Amateurteleskopen in diesem Betätigungsfeld für die Forschung interessante Daten gewonnen werden konnten, haben professionelle Suchprogramme inzwischen dafür gesorgt, dass die astrometrisch interessanten Objekte nur noch selten heller als 20 mag sind. Aufgrund unseres aufgehellten Himmels sind wir aber trotz ausgeklügelter Beobachtungsmethoden wie z. B. ,,Track & Stack" [2] bzw. ,,Synthetic Tracking" [3] der Eigenbewegung eines Kleinplaneten leider nur selten in der Lage, solche lichtschwachen Objekte überhaupt sicher vermessbar zu erreichen.
Seit dem Jahr 2007 haben wir unsere Tätigkeiten daher mehr und mehr auf die Bestimmung der Rotationslichtkurven von Kleinplaneten umgestellt. Im Folgenden soll unsere Vorgehensweise bei diesen Beobachtungen vorgestellt werden.
Vorweg etwas Theorie Aktuell (1. Juni 2021) sind Rotationszeiten von nur knapp 35.000 der mehr als 1 Mio. bekannten Kleinplaneten publiziert. Dies

1 Ein Lichtwechsel entsteht, wie hier am Beispiel des später auch in der Praxis beobach-
teten Kleinplaneten (87) Sylvia gezeigt, meist dadurch, dass aufgrund der Rotation eine unterschiedliche große beleuchtete Fläche des Himmelskörpers in Richtung Erde zeigt. Im Normalfall erfolgt die Rotation dabei nur um eine Achse - es könnten aber theoretisch auch Rotationen um zwei oder gar alle drei Raumachsen (auch mit unterschiedlichen Rotationszeiten) vorkommen. Weitere Gründe für Lichtwechsel sind neben einer lokal stark unterschiedlich reflektierenden Oberfläche auch die gegenseitige Bedeckung bei Doppelasteroiden oder das Vorhandensein eines Asteroiden-Mondes, der vom Hauptkörper bedeckt wird. Bild: (C) Interactive service for asteroid models (http://isam.astro.amu.edu.pl/)

liegt hautsächlich daran, dass nur wenige Kleinplaneten überhaupt so hell werden, dass sie sinnvoll fotometriert werden können. Je nach Rotationszeit kann die Erstellung einer kompletten Lichtkurve aber auch sehr zeitaufwändig sein, so dass sich nur wenige Profiastronomen mit dem praktischen Teil dieses Forschungsgebietes beschäftigen können. Meist sind es Amateurastronomen, die dank ihrer frei einteilbaren Beobachtungszeit das Datenmaterial auch über mehrere Nächte hinweg sammeln und (vor-)auswerten. Die Profis übernehmen dann die theoretische Interpretation der Datensätze (s. Abb. 1).
Die eigentliche Helligkeitsbestimmung erfolgt im Amateurbereich überwiegend durch differenzielle Fotometrie, d. h. die

Helligkeit des Zielobjektes wird relativ zur Helligkeit eines oder mehrerer im gleichen Bildfeld befindlichen Vergleichssterne bestimmt. Weil die Lichtkurven fast aller Kleinplaneten über den gesamten visuellen Wellenlängenbereich sehr ähnliche Eigenschaften aufweisen, müssen hierbei nicht zwangsläufig die vielleicht aus anderen Bereichen der Fotometrie bekannten UBVRI-Filter mit ihren genormten spektralen Durchlassbereichen verwendet werden. Dies spart nicht nur Kosten, sondern hat auch noch den Vorteil, dass mehr Licht auf den Aufnahmesensor gelangt. Obwohl also prinzipiell auch ganz ohne Filter gearbeitet werden könnte, verwenden wir am TSO aufgrund unserer Lage inmitten einer Großstadt einen leicht kontrasterhöhend wirkenden LPR-Filter.

Journal für Astronomie Nr. 81 | 85

Kleine Planeten

2 Mit abnehmender Helligkeit steigt die Zahl der zu einer be-
stimmten Zeit (hier: der 30.04.2021) beobachtbaren Kleinplaneten exponentiell an. Es ist jedoch zu beachten, dass dies die Zahl aller Objekte am kompletten Himmel ist! Aufgrund der im Text genannten ,,technischen" Auswahlkriterien kommen meist nur knapp 25% dieser Objekte für die fotometrische Beobachtung in der betreffenden Nacht in Frage. Grafik: Axel Martin

Bevor jetzt die eigentliche Bildgewinnung starten kann, muss aber zunächst einmal ein passender Kleinplanet ausgewählt werden (s. Abb. 2). Hierbei spielen verschiedene Gesichtspunkte eine Rolle: - Der Kleinplanet sollte in der betreffen-
den Nacht möglichst lange am Stück zu beobachten sein. Je länger hierbei die einzelnen Bildsequenzen sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass bereits die Beobachtungen eines Abends erste aussagekräftige Rückschlüsse auf die Rotationsdauer zulassen. - Der Kleinplanet sollte auf jeder der Einzelaufnahmen ein S/N-Verhältnis von >100 erreichen, weil sich hieraus die spätere Genauigkeit der Messung ergibt. Als Faustregel gilt: S/N = 10 > Fehler = 0,1 mag S/N = 100 > Fehler = 0,01 mag S/N = 1000 > Fehler = 0,001 mag - Aufgrund ihrer Eigenbewegung können lichtschwache Kleinplaneten jedoch nicht beliebig lange belichtet werden, um das o. g. S/N-Verhältnis zu erreichen. Nach unserer Erfahrung sollte die Belichtungszeit deshalb maximal so gewählt werden, dass der Kleinplanet nicht mehr als im Verhältnis 1:1,5 in die Länge gezogen wird. Bei ,,normalschnellen" Kleinplaneten ( 1''/s) wird dies je nach Abbildungsmaßstab der Teleskop-/ Kamera-Kombination bei Belichtungszeiten von max. 2 bis 3 Minuten der Fall sein. Was sich zunächst wie ein genereller Nachteil anhört, sorgt andererseits aber

auch dafür, dass die Lichtkurve selbst bei schnell rotierenden Objekten nicht zu grob abgetastet wird. - Ganz anders verhält es sich bei hellen Kleinplaneten: Hier wird die maximal mögliche Belichtungszeit durch den linearen Arbeitsbereich des Aufnahmesensors begrenzt. Während dieser bei CCD-Chips ohne Anti-Blooming in der Regel bei ca. 90% der Full-Well-Kapazität liegt, liegt er bei CMOS-Sensoren und CCD-Chips mit Anti-Blooming üblicherweise nur bei ca. 75 % bis 80 % der Full-Well-Kapazität. Hierbei ist zu beachten, dass diese Angaben immer nur für den Betrieb im 1x1-Binning gelten! Bei Verwendung anderer Binning-Modi kann der lineare Arbeitsbereich deutlich kleiner sein.
Achtung: Die hier genannten Werte für die maximale Sättigung beziehen sich immer auf ein unkalibriertes Rohbild!
Theoretisch wäre es zwar möglich, sehr helle Objekte auch noch mit entsprechend kurzen Belichtungszeiten zu fotometrieren, in der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass bei unserer Teleskop-/Kamera-Kombination und Belichtungszeiten unter 10 Sekunden meist nicht mehr ausreichend viele Vergleichssterne auf den Bildern vorhanden sind. Von dem bei solch schnellen Belichtungsfolgen entstehenden gigantischen Datenvolumen einmal ganz abgesehen.

Meist kann schon alleine aufgrund dieser chnischen Überlegungen die Zahl der möglichen Zielobjekte auf deutlich unter 50 heruntergedrückt werden. Doch bei welchem dieser Objekte ist die Erstellung einer Lichtkurve nun am sinnvollsten? Am TSO gehen wir dabei so vor, dass wir die betreffenden Objekte zunächst einmal in den bekannten Lichtkurven-Datenbanken [4, 5] im Internet suchen. Sind bereits eine oder gar mehrere Lichtkurven zu einem Objekt publiziert worden, interessieren uns vor allem folgende Dinge: - Welche Lichtwechselamplitude wurde
bisher gemessen? Auch wenn die Amplitude aus den o. g. Gründen variieren kann, kann zumindest abgeschätzt werden, ob mit den zur Verfügung stehenden Geräten überhaupt ein Lichtwechsel nachgewiesen werden kann oder ob dieser im Messfehler untergeht. - Welche Rotationszeit wurde bisher gemessen? Vor allem dann, wenn die Rotationszeit relativ nah an einem Vielfachen von 12 Stunden liegt, schaut man in den folgenden Nächten fast wieder genau auf den gleichen Teilbereich der Lichtkurve. Im Extremfall kann es so passieren, dass ein Einzelbeobachter gar keine komplette Lichtkurve aufzeichnen kann! - Von wann stammen die bereits publizierten Lichtkurven? Aufgrund der relativen Bahnverhältnisse von Erde und Kleinplanet schauen wir immer aus anderen Blickwinkeln auf den Kleinplaneten, was dazu führt, dass sich die Lichtkurven von

86 | Journal für Astronomie Nr. 81

Kleine Planeten

Opposition zu Opposition geringfügig unterscheiden. Innerhalb einer Oppositionsperiode ist dieser Effekt zwar auch vorhanden, aber meist nur minimal ausgeprägt. Falls also bereits eine Lichtkurve aus der aktuellen Oppositionsperiode vorliegt, ist eine weitere Verfolgung dieses Objektes momentan nicht sinnvoll. - Sind Lichtkurven aus mehreren Oppositionen vorhanden und wenn ja, führten diese alle zur Bestimmung derselben Rotationszeit? Nicht selten ist es der Fall, dass lückenhafte und/oder stark verrauschte Lichtkurven zu einer komplett falschen Abschätzung der Rotationszeit geführt haben.
Ist von einem der möglichen Kleinplaneten bisher noch keine Lichtkurve publiziert worden, ist er prinzipiell natürlich ein sehr interessantes Ziel! Doch auch wenn hier sicherlich ,,Ruhm und Ehre" der Erstvermessung locken, sollte auf jeden Fall bedacht werden, dass die Beobachtung eines solchen Objektes auch zu viel Zeitaufwand und ggf. auch Frust führen kann. Man weiß schließlich noch gar nichts über ihn, so dass prinzipiell der erste und/oder der zweite der oben genannten Punkte zutreffen könnten.
Unsere Sternwarte Das TSO verfügt aktuell über einen optisch und mechanisch optimierten 14-ZollNewton f/4,6 der Firma Orion UK, dessen Öffnungsverhältnis mit Hilfe eines 0,73xKomakorrektors der Firma ASA auf f/3,4 vergrößert wird. Als Aufnahmekamera dient eine ST-10-XME-CCD-Kamera der Firma SBIG, die im 1x1-Binning betrieben wird. In den letzten zwei Jahren hat sich dabei gezeigt, dass dieses Setup sowohl mechanisch als auch thermisch so stabil ist, dass außer nach einem Hardware-Umbau nur ein oder zwei Mal pro Jahr nachfokussiert werden muss.

Das Teleskop ist seit Anfang 2021 auf einer parallaktischen Montierung des Typs 10Micron GM2000 aufgestellt. Diese wird zusammen mit der 3-m-ScopeDome-Kuppel via Remote-Desktop bequem von der Wohnung aus ferngesteuert (s. Abb. 3).
Zur Vereinfachung der späteren Bildreduktion haben wir uns im Laufe der Zeit eine Korrekturbild-Bibliothek mit StandardBelichtungszeiten angelegt. Diese sind von 30 s bis 210 s mit t = 30 s gestaffelt. Da die ST-10 XME über eine geregelte Kühlung verfügt, wurde diese Belichtungsreihe jeweils für Temperaturen zwischen 0 Grad C und -20 Grad C mit T = 5K erstellt. Weil die Kamera permanent am Teleskop verbleibt, reicht uns ein (bereits mit einem passendem Dunkelbild korrigiertes) Master-Flat aus. Alle hier genannten Korrekturbilder sind dabei Sigma-Mittelungen aus jeweils 50 Einzelbelichtungen.
Die Bildgewinnung Zu Beginn einer Beobachtungsnacht wird die Kameratemperatur in den o. g. Temperaturstufen so eingestellt, dass eine Kühlleistung von <85 % benötigt wird. Nachdem der Kleinplanet angefahren wurde, kann dann über die Kamera-Software eine Bildserie programmiert werden.
Hierzu wird aus den Standard-Belichtungszeiten diejenige ausgewählt, bei der das hellste Pixel des Kleinplaneten etwa 50 % bis 60 % der maximal möglichen Sättigung des Aufnahmesensors erreicht. Da ja zu Beginn der Messung nicht klar ist, ob sich der Kleinplanet im Minimum oder Maximum seiner Lichtkurve befindet, ist auf diese Weise fast immer gewährleistet, dass der lineare Empfindlichkeitsbereich des Sensors nicht im Laufe der Aufnahmeserie verlassen wird.

3 Das 14-Zoll-Newton-Teleskop des
Turtle Star Observatory. Bild: Axel Martin
Wie nun aus den so erstellten Bildern die gesuchte Lichtkurve ermittelt wird, erfahren Sie im zweiten Teil dieses Artikels, der sich mit der Datenauswertung und der anschließenden Publikation der Messergebnisse beschäftigt.
Internethinweise (Stand 05.01.2022): [1] Kleinplaneten-Entdeckungen am Turt-
le Star Observatory: www.turtlestar. de/entdeckungen.htm [2] Software ,,Astrometrica": www. astrometrica.at [3] Software ,,Tycho Tracker": www.tycho-tracker.com [4] Asteroid Lightcurve Database (LCDB): https://minplanobs.org/MPInfo/php/ lcdb.php [5] Courbes de rotation et de luminosite d'asteroïdes et d'etoiles variables: http://obswww.unige.ch/~behrend/ page_cou.html

Journal für Astronomie Nr. 81 | 87

Kometen

Vor 25 Jahren: Hale-Bopp schmückte den Nachthimmel
von Karlheinz Seeger

Nachdem in den USA die Hobbyastronomen Thomas Bopp und Alan Hale den Kometen in der Nacht vom 22. auf 23. Juli entdeckt hatten, gab die IAU ihm die Bezeichnung C/1995 O1 Hale-Bopp. Durch seine Bahndaten und die weitere Helligkeitsentwicklung zeigte sich dann, dass er ab Frühsommer 1996 mit Feldstechern und ab Spätsommer 1996 allmählich fürs freie Auge zu beobachten war. Ich selbst konnte ihn bei meinem damaligen Urlaub auf Lanzarote mit dem Feldstecher Mitte August 1996 erstmals beobachten. Danach beobachtete ich den Kometen regemäßig weiter. Zusätzlich fing ich ab dem 13. Oktober auch an, Hale-Bopp zu fotografieren (Gerät: Nikon FE).

1 Komet Hale-Bopp
am 28. März 1997, Kamera: Nikon FE, 50-mm-Objektiv, Diafilm

Nach dem vorübergehenden Verschwinden des Kometen vom Abendhimmel erschien er dann wieder im Januar 1997 gut mit bloßem Auge sichtbar am Morgenhimmel. Das Beobachten und Fotografieren führte ich ab da im Wechsel durch von zu Hause in Nagold (BW) und meiner Außenstelle, dem 625 m hohen Egenhäuser Kapf (westlich von Nagold). Während dieser Beobachtungen bei teilweise bitterster Kälte bemerkte ich allmählich am Kometen die Ausbildung eines zweiten Schweifes (Plasmaschweif). Mitte März war es dann soweit: Komet Hale-Bopp war am Morgen- und Abendhimmel gleichzeitig zu sehen (größte Erdnähe am 22.03. mit 1,31 AE). Wegen Mondeinfluss ergab der Komet abends zunächst kein gutes Bild.

2 Komet Hale-Bopp am 8. Mai 1997, Kamera: Nikon FE, 50-mm-Objektiv, Diafilm

Am Karfreitag, dem 28. März 1997, war der Himmel milchig bewölkt. Während der Abenddämmerung löste sich das auf. Jetzt war der Komet in herrlichster Pracht über unserem Nagolder Hausberg - dem Schlossberg mit Burgruine - zu bewundern (Abb.1). Weiter über Ostern 1997 und die weitere Zeit im April konnte ich den Kometen optimal beobachten und fotografieren.

Das Perihel durchlief er am 1. April mit 0,914 AE. Um den 7. April herum kam er auch auf die optische Maximalhelligkeit von -0,7 mag, verbunden mit der größten Schweifentwicklung von mindestens 20 Grad.
Am Ende des Monats erschien Hale-Bopps Schweif breitgefächerter und der blaue

Plasmaschweif war kaum noch sichtbar. Er wanderte bis Anfang Mai abends weiter Richtung West/Südwest immer tiefer zum Horizont. Letztmals konnte ich ihn am 8. Mai sehen (Abb. 2). Danach stand der Komet von der Erde aus gesehen zu nah an der Sonne. Die rasche Wiederentfernung war nur von der Südhemisphäre zu verfolgen.

88 | Journal für Astronomie Nr. 81

Kometen

Bedeutende Kometen des dritten Quartals 2021
von Uwe Pilz

Ab dem Monat Juli konnte der Komet 4P/Faye beobachtet werden. Die Helligkeit lag zunächst bei 13 mag, stieg aber im Lauf des Quartals auf 10,5 mag an. Da der Komet gut kondensiert war, war er kein schweres Ziel für visuelle Beobachter. Schwierigkeiten bereiteten eher die Bahnelemente des Minor Planet Center, welche den Kometen zeitweise ein Grad neben der wirklichen Position anzeigten. Visuell war ein Schweifansatz sichtbar, Fotografen konnten den Schweif auf 1,5 Grad Länge verfolgen (Abb. 1).

67P/Churyumov-Gerasimenko wurde beim letzten Perihel ausgiebig untersucht. Auch bei dieser Sonnenannäherung war er ein lohnendes Objekt. Unsere Fachgruppe beobachtete ihn ab Anfang August. Auch dieser Komet war gut kondensiert bei etwa 11 mag Helligkeit. Der ein halbes Grad lange Staubschweif war deutlich gekrümmt, die Koma gasreich und erschien damit grün, ein schöner Kontrast (Abb. 2).

Während ich diese Zeilen schreibe, erwarten wir mit Spannung die Sonnennähe vom C/2021 A1 (Leonard). Ab September war der Komet visuell erreichbar, 12 mag hatte er zum Quartalsende. Der noch recht kleine, staubreiche Schweif war weit gefächert (Abb. 3).

1 4P/Faye am 15. August 2021 um 01:50 Uhr UT, 15 min belichtet
mit einer CMOS-Kamera an einem 16-Zoll-Instrument (Bild: Roland Fichtl)

2 67P/Churyumov-Gerasimenko am 19. September 2021 um 02:51
Uhr UT, 15 min belichtet mit einer Canon-EOS-Kamera an einem 8-Zoll-Instrument (Bild: Helmut Dannbauer)

3 C/2021 A1 (Leonard) am 04. Oktober 2021 um 03:05 Uhr UT
(wenige Tage nach Quartalsende also), 17 min belichtet mit einer Nikon-Z6-Kamera an einem 12-Zoll-Instrument (Bild: Michael Jäger)

Journal für Astronomie Nr. 81 | 89

Mond

90 | Journal für Astronomie Nr. 81

1 Unterwegs mit dem Wohnmobil nahm
Jörg R. Kropp seine komplette Ausrüstung mit: eine Montierung HEQ5 mit einem Celestron 8 und einem Apochromaten 71 mm / 360 mm samt Kameras. In der Nähe von Almeria hatte er dann von einem Campingplatz aus die Gelegenheit, am Celestron mit seiner Kamera QHY485 ein Mosaik vom zunehmenden Mond aufzunehmen. Hier das Ergebnis: ein Mosaik aus sechs Aufnahmen. Für jede wurden 10% von 1.000 Videobildern mit AutoStakkert!3, dann mit Affinity Photo zusammengesetzt und mit AstroArt6 bearbeitet. Beherrschend das Mare Crisium, ein Einschlagsbecken. Unterhalb das Mare Foecunditatis mit dem Krater Langrenus, weiter nach Süden Petavius mit doppelter Kraterwand, einem markanten Zentralberg und einer noch gut erkennbaren Steilstufe im Inneren.

VdS-Bilderstrecke: Eindrücke vom Mond
zusammengestellt von Peter Riepe
Innerhalb der FG Astrofotografie ist die Fotografie des Mondes und seiner Oberflächendetails sehr beliebt, auch bei den Neueinsteigern. Hier in dieser Rubrik ,,Mond" besteht für alle die Gelegenheit, ihre Ergebnisse dem VdS-Leserkreis und damit einer großen Menge von interessierten Amateuren vorzustellen. In dieser Ausgabe sind sieben gelungene Mondfotos zu sehen.
Viel Spaß bei der ,,Mondbeobachtung".

Mond

2 Das Mare Crisium war auch
Ziel dieser Mondaufnahme von Manfred Gentsch. Er nahm von seiner Gartensternwarte in Mittelsten-Thüle allerdings den abnehmenden Mond auf, dazu durch Wolkenlücken. Das SER-Video entstand an einem Celestron EdgeHD 9.25 mit einer ZWO ASI178MM plus IR-Filter. Von insgesamt 5.000 Einzelbildern wurden 30% mit AutoStakkert!3, Registax 6, Adobe Lightroom und Photoshop weiter bearbeitet. Nördlich des Mare Crisium liegt der etwa 105 km messende Krater Cleomedes. Links im Bild (westlich) liegt das Mare Tranquillitatis. Im Mare Crisium erstreckt sich ganz im Osten, schon nahe am Terminator, ein langer Faltenzug.
3 Jens Perkiewicz aus Brüggen am Niederrhein nahm am 18.05.2021 das Umfeld des Kraters Maurolycus auf, gegen 19 Uhr MESZ noch weit
vor Sonnenuntergang. Teleskop war ein Celestron EdgeHD 800 auf einer Skywatcher-Montierung HEQ5 mit 2-facher TS-Barlowlinse. Die Kamera war eine Farbkamera ZWO ASI120MC-S, gesteuert mit EQMod. Die Aufnahmesequenz erfolgte mit ASICAP, jeweils als Video von 90 Sekunden Dauer mit ca. 28 Bildern/s. Von diesen rund 2.500 Einzelbildern je Video wurden die besten 10% in AutoStakkert!3 gestackt und dann mit PixInsight und Adobe CameraR AW nachbearbeitet. Das Bild zeigt zahllose feine Kleinstkrater über die gesamte Landschaft verteilt.
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Mond
4 Zentral auf der Mondscheibe liegen die großen Krater Albategnius, Ptolemäus, Alphonsus und Arzachel. Bemerkenswert sind
die vielen kleinsten Sohlenkrater in Ptolemäus, der zerklüftete Ring von Arzachel und die Geländestufe namens ,,Lange Wand" unten links nahe dem Kleinkrater Birt. Berndt Dörfeldt nutzte einen TS RC 250 mm / 2.000 mm mit Baader FFC, der die Brennweite von 2 auf 6 Meter verlängerte. Als Kamera kam die ASI 178 Mono zum Einsatz und 15% aus 3.000 Aufnahmen einer AVI-Datei wurden verwendet. Es herrschte ziemlich starker Wind. Trotzdem ist es ein sehr schönes Bild geworden, das erste einer kompletten Terminator-Tour.
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Mond
5 Das Mare Humorum war Ziel von Bernd Gährken. Die Aufnahme entstand am 31.10.2021 um 4:34 Uhr UT am 10-Zoll-Refraktor (f/16)
der Volkssternwarte München, als Kamera diente eine ZWO ASI1600. Es wurden 122 von 1.201 Bildern mit AutoStakkert selektiert und addiert. In der oberen Bildhälfte dominiert das flache, runde Mare Humorum. Am nördlichen Rand sitzt der Krater Gassendi, er besitzt zahlreiche Rillen auf dem Boden. Rings um den Innenrand des Mare zeigen sich weitere Krater, deren Wälle zum Teil im Mare Humorum versunken sind. Südlich des Mare ist der mit ca. 185 km Durchmesser riesige Krater Schickard zu erkennen, sein Boden ist fleckig. Unten rechts am Terminator tritt der längliche Krater Schiller hervor, sein Boden liegt hier völlig im Schatten. Der östliche Teil von Schillers Kraterrand ist nur in den Spitzen sonnenbeleuchtet.
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Mond

6 Links: Das Zentrum des Mare Orientale liegt bei 95 Grad West, d. h. 5 Grad jenseits des lunaren Westrandes und damit auf der Mondrückseite.
Die Aufnahme entstand am Lunar Reconnaissance Orbiter und zeigt das Mare Orientale in direkter Draufsicht (Image Credit: NASA / GSFC / Arizona State University). Die schwarzen Striche sind Artefakte. Das Mare Orientale zeigt eine mehrfache konzentrische Ringstruktur, der Gebirgsring ganz rechts außen heißt Montes Cordillera. Rechts: Ende Oktober 2021 fiel eine optimale Südlibration mit einer optimalen Westlibration zusammen. Das nutzte Bernd Gährken, um am Morgenhimmel des 31.10.2021 möglichst weit ins Mare Orientale hineinzufotografieren. Seine entzerrte Aufnahme von 5:00 Uhr UT ist der überlagerte Einschub. Zackig heben sich die Berge des Mondrandes ab. 10-Zoll-Refraktor (f/16) der Volkssternwarte München, Kamera ZWO ASI1600.

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7 Am 28.10.2021 gab es (wie auch bei der Abb.
6) eine günstige Librationsstellung des 21,7 Tage alten Mondes (also fast Halbmond), was die Sichtbarkeit des Mare Orientale begünstigte. Daher richtete um 04:27 Uhr UT Werner E. Celnik in Rheinberg sein Celestron 14 EdgeHD mit 0,7xReducer zu einem planetarischen ,,First Light" auf den Mond. Mit einer Infrarot-modifizierten Canon 6D mit IDAS-Filter nahm er bei einer Brennweite von 2.737 mm und einer Belichtung von je 1/250 s bei ISO 400 sechs Einzelbilder des gesamten Mondes auf. Drei davon waren für einen Stack mit Autostakkert3! verwendbar. Aus dem Ergebnis sehen wir einen Ausschnitt aus dem Mond-Südwesten mit der Region um das Mare Orientale. Der dunkle Krater am oberen Bildrand ist Grimaldi, der mit 46 km kleinere dunkle Krater nahe der Bildmitte ist Crüger. Links das Originalbild, in der SW-Version rechts wurde in Photoshop um den Mondhorizont ein Kreisbogen gelegt. An der Stelle des Mare Orientale ist eine tiefe Einsenkung zu erkennen, was den Charakter des Mare Orientale als Einschlagbecken belegt.

Planeten

Der Jupiter-Impakt vom 13.09.2021
von Maciej Libert

Der Gasriese Jupiter ist für seine Schutzschild- und Staubsaugerfunktion in unserem Sonnensystem bekannt. Seine enorme Masse übt eine Anziehungskraft aus, in deren Bann auch immer wieder Objekte wie Kometen und Asteroiden geraten. Manche von ihnen werden dadurch von ihrer Bahn abgelenkt und beschleunigt, andere hingegen geraten unwiderruflich in den Sog seiner Gravitation und schlagen schließlich auf ihm ein. Das wohl bekannteste Beispiel solch eines Impakts ist das spektakuläre Ereignis von 1994, als der Komet Shoemaker-Levy 9 in mehreren Fragmenten auf dem Gasriesen einschlug und für Wochen sichtbare Narben auf seiner Oberfläche hinterließ.
Gelegentlich werden Impakt-Ereignisse auch von Amateurastronomen beobachtet. Vermutlich hat sich jeder Planeten- und Mondbeobachter schon einmal gewünscht, während seiner Beobachtung bzw. seinen Aufnahmen einen Einschlag live zu erleben. Am 13.09.2021 ging mir dieser Wunsch in Erfüllung.
Der Abend des 13.09.2021 versprach für Bremerhaven relativ günstige Bedingungen, um Jupiteraufnahmen zu machen. Der Planet wies 24 Tage nach der Opposition mit 48 Bogensekunden scheinbarem Durchmesser immer noch eine stattliche Größe auf, zusätzlich passierte in der Nacht der Mond Io samt Schatten das Planetenscheibchen. Abgesehen von der in dieser Saison niedrigen Kulminationshöhe von maximal 21 Grad , war dies Grund genug, um eine Aufnahmeserie zu starten.
Mein Beobachtungsplatz ist ein Balkon in der zweiten Etage einer Altbauwohnung mit Blickrichtung nach Süden. Hier habe ich dauerhaft eine G11-Montierung von Losmandy aufgebaut, auf der ein Celestron C14 montiert ist. Die Bedingungen sind eigentlich eher als suboptimal zu bezeich-

1 Aufnahme des Jupiter-Impakts am 13.09.2021 um 22:39 Uhr UT von Jose Luis Peirera mit
einem Newton-Teleskop von 275 mm Öffnung, Kamera QHY5III462C. (Mit freundlicher Genehmigung des Bildautors)

nen: es herrschen beengte Verhältnisse, der Straßen- und Bahnverkehr verursacht merkliche Vibrationen und es gibt reichlich Wärmequellen im Umfeld, die das Seeing ungünstig beeinflussen können. Dennoch bietet auch dieser Standort immer wieder Momente, an denen dank Lucky Imaging gutes Bildmaterial gewonnen werden kann - wenn man nur beharrlich genug ist.
Die Bedingungen in dieser Nacht erwiesen sich zunächst als wenig brauchbar und waren ein weiterer Test für das Beharrungsvermögen. Das Livebild des Planeten auf dem Laptop-Bildschirm war unruhig und verschwommen, lediglich im IR-Kanal konnte man die feineren Strukturen der Wolkenbänder erkennen. Ich machte dennoch einige IR-RGB-Aufnahmereihen, um den Io-Transit zu dokumentieren. Nach einer beendeten Sequenz gegen 00:30 Uhr lokaler Zeit holte ich mir einen Kaffee zum Aufwärmen und kehrte damit an den Bildschirm zurück.
Und dann passierte es: Für etwa zwei Sekunden lang sah ich wie in Zeitlupe ein deutliches, helles Aufblitzen in der Ebene des Jupiter-Äquators! Mir ist fast der Kaffee aus der Hand gefallen - das

konnte nur ein Einschlag gewesen sein! Im Wechselbad der Gefühle zwischen der Freude des gerade Erlebten und dem Ärger darüber, dass ich keine Aufnahme gestartet habe, setzte ich direkt über Facebook eine Meldung der Beobachtung ab - mit der Bitte um Bestätigung. Facebook hat eine sehr aktive und rasch reagierende Planetenbeobachter-Community, doch die Bestätigung blieb erstmal aus.
Ich fertigte anschließend weitere IR-RGBSequenzen sowie ein Bild im Methanband an, um eventuelle Spuren des Impakts aufzuspüren, konnte jedoch keine merklichen Änderungen feststellen. Als der Jupiter für mich durch einen Baum verdeckt wurde, beendete ich die Aufnahmesession und ging mit Fragezeichen im Kopf ins Bett.
Die Bestätigung kam am nächsten Tag über die Mailingliste der VdS-Fachgruppe ,,Planeten". Dort bekam ich zunächst den Hinweis auf eine weitere Beobachtung und Bildmaterial von Harald Paleske aus Deutschland, der ebenfalls direkt nach seiner Beobachtung eine Meldung über die Foren ,,Astrotreff " und ,,Cloudy Nights" gemacht hatte.

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Planeten

2 Abfolge des Einschlags auf Jupiter am 13.09.2021, aufgenommen von Jean-Paul Arnould von der ,,Societe Lorraine d'Astronomie"
aus Frankreich von 22:39:23 Uhr UT bis 22:39:31 Uhr UT. Aufnahme mit einem Celestron C11, 2-fach Barlow, ADC und ZWO ASI120MMC-S. Einzelbilder aus dem Video mit 1.000 Aufnahmen bei 45 Bildern pro Sekunde. (Mit freundlicher Genehmigung des Bildautors)

Kurz danach wurde ich von Marc Delcroix aus Frankreich kontaktiert. Marc hat zusammen mit einer Gruppe weiterer Astronomen aus Spanien unter der Leitung von Ricardo Hueso die Software DeTeCt zur nachträglichen Detektion von Jupiter- und Saturn-Impakten entwickelt [1]. Diese ist mittlerweile für viele Planetenbeobachter - auch dank ihrer denkbar einfachen Handhabung - zu einem Standardverfahren nach einer abgeschlossenen Aufnahmesession geworden. Die gewonnenen AVIoder SER-Dateien werden einfach dem Programm hinzugefügt; der Suchlauf und die Detektion erfolgen völlig automatisch. Danach wird lediglich die erzeugte Zip-Datei per Mail an Marc Delcroix gesendet, der die Auswertung nochmals überprüft.
Genau dieses Verfahren führte zu einer Entdeckung des Einschlags vom 13.09. durch Jose Luis Pereira aus Sao Paulo in Brasilien und letztlich auch zur weltweiten Verbreitung der Nachricht. Durch Aufrufe über diverse Kanäle kamen nach und nach weitere Detektionen und Bildmaterial dazu, die Marc Delcroix auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite zusammengestellt hat [2]. Neben zahlreichen Bildern des Impakts findet man dort auch zwei eindrucksvolle Videos, die den Moment des Einschlags in Echtzeit zeigen. Dieser

Recherche zur Folge haben insgesamt nur fünf Beobachter den Impakt weltweit und unabhängig voneinander registriert.
Nach der momentanen Einschätzung könnte der Aufprall vom 13.09.2021 der hellste sein, der von Amateuren - abgesehen von Shoemaker-Levy 9 im Jahr 1994 - jemals beobachtet wurde. Gleichzeitig war es auch das am besten dokumentierte Ereignis dieser Art. Sichtbare Spuren des Einschlags konnten dennoch nicht nachgewiesen werden, was Rückschlüsse auf die möglicherweise geringe Masse des Impaktors erlaubt. Weitere Eigenschaften, wie z. B. die Dynamik des Aufpralls, die freigesetzte Energiemenge und die physikalischen Eigenschaften des Einschlagkörpers sollen in weiteren wissenschaftlichen Studien anhand der Videos ermittelt werden.
Den aktuellen Schätzungen zur Folge geschehen beobachtbare Jupiter-Impakte deutlich häufiger als vermutet. Demnach sind es durchschnittlich 6,5 Objekte pro Jahr, die bei einem Durchmesser von 10 Metern und mehr gut von Amateurastronomen beobachtet werden können. So wurde bereits knapp einen Monat später, am 15.10.2021, ein weiterer Impakt durch eine Gruppe japanischer Beobachter um Ko Arimatsu von der Universität Kyoto regis

triert. Diese Entdeckung erfolgte mit Hilfe eines automatisierten Überwachungssystems im Rahmen des OASES-Projektes (Organized Autotelescopes for Serendipitous Event Survey). Die Entwicklung der technischen Möglichkeiten, gepaart mit der Verwendung von Detektionsprogrammen wie DeTeCt, haben in den letzten Jahren zu einem stetigen Anstieg der Sichtungen von Einschlägen geführt. Dabei könnte es sich lohnen, auch vergangene Aufnahmesessions mit DeTeCt zu durchforsten: die letzte Entdeckung wurde von Victor PS Ang in seinen Aufnahmen vom 11.08.2020 gefunden. Für mich war die Beobachtung dieses JupiterEinschlags zweifelsfrei ein Highlight meiner astronomischen Erfahrungen. Neben der Freude über das Erlebte sowie der aufregenden Spannung in Erwartung auf die Auswertung dieses Ereignisses erwiesen sich vor allem der Beitrag zur ,,Public Science", der internationale Austausch und die Vernetzung mit den Planetenbeobachtern weltweit als großer Zugewinn.
Internethinweise (geprüft am 19.11.2021): [1] DeTeCt-Software: www.astrosurf.com/
planetessaf/doc/project_detect.php [2] Das Impakt-Ereignis bei Marc Delcroix:
http://astrosurf.com/planetessaf/doc/ impact_20210913.htm

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Planeten

Vermessung der Marsbahn mit einer Weitwinkelkamera
- das erste Mars-Analemma
von Thomas Hebbeker

Viele Amateurastronomen machen tolle Fotos vom Mars, auf denen man die Polkappen und weitere Details sehen kann. In diesem Artikel wird der Planet Mars schlicht als Punkt angesehen, es geht um dessen Bewegung im Sonnensystem, also um die Bestimmung der Marsbahn. Natürlich ist diese längst bekannt, sogar mit der sprichwörtlichen astronomischen Genauigkeit. Trotzdem ist es sehr reizvoll, einmal selbst zu versuchen, eine Planetenbahn zu bestimmen - man lernt eine Menge und erfreut sich an den erzielten Ergebnissen. Schon mit sehr einfachen Mitteln - einer fest installierten Kamera mit Weitwinkelobjektiv - kann man die Bahnelemente mit akzeptabler Genauigkeit bestimmen.

1 Kamera Canon
350D mit Objektiv 18-55 mm auf der Fensterbank. Die Aluminiumfolie schützt vor Sonneneinstrahlung.

Um die Bahnkurve zu bestimmen, muss man die Marsposition als Funktion der Zeit messen. Schon Tycho Brahe hat vor mehr als 400 Jahren die Koordinaten von Himmelskörpern bestimmt, indem er zu einem bestimmten Zeitpunkt die Höhe h über dem Horizont und den Azimutwinkel A gemessen hat.
Für meine Bahnbestimmung habe ich eine digitale Spiegelreflexkamera mit einfachem Zoom-Objektiv (eingestellt auf 18 mm Brennweite) fest vor einem Fenster montiert (auf der Innenseite!) und in südöstliche Richtung ausgerichtet (s. Abb. 1). Sie macht in einem konstanten Zeitabstand (etwa einmal pro Nacht) ein Foto - dann, wenn der Mars sich im Blickwinkel der Kamera befindet. Die Auslösung erfolgt automatisch durch einen geeignet programmierten externen Impulsgeber. Wenn man über viele Monate oder sogar Jahre diese Fotos sammelt und überlagert, bekommt man ein Bild wie in der Abbildung 2 gezeigt. Für jedes Einzelfoto wird dann die Marsposition (in Pixeln) mit einem Bildbearbeitungspro-

gramm bestimmt und anschließend in die Horizontkoordinaten h und A umgerechnet. Den zugehörigen Zeitpunkt (Datum und Uhrzeit) zeichnet die Kamera mit auf. Dann kann man auch die äquatorialen Koordinaten Rektaszension und Deklination berechnen. Füttert man die Orts- und Zeitkoordinaten nun in ein Programm wie find_orb [1] ein, so kann die Marsbahn an diese Daten angepasst und die zugehörigen Bahnparameter so recht genau bestimmt werden. Soweit die grobe Übersicht über meine Methode.
Inspiriert wurde ich durch meine früheren Aufnahmen eines Sonnen-Analemmas [2] und eines Mond-Analemmas [3]. Das griechische Wort ,,Analemma" bezeichnet ursprünglich den Sockel einer Sonnenuhr, wo man auf einer Skala aus dem Schattenwurf eines Stabes die Uhrzeit ablesen kann. Als (Sonnen-)Analemma bezeichnet man auch die Kurve, die man erhält, wenn man ein Jahr lang zur selben Uhrzeit die Sonne am Himmel (automatisch) fotografiert und die Bilder überlagert. Das

Sonnen-Analemma hat ungefähr die Form der Ziffer Acht. In diesem Fall muss man den Zeitgeber, der die Kamera auslöst, auf eine Zeitdifferenz T von genau 24 Stunden = 86.400 Sekunden einstellen. Man kann nun den Begriff des Analemmas auf Aufnahmeserien von anderen Himmelsobjekten ausdehnen: Ein (verallgemeinertes) Analemma definiere ich als die Summe der Fotos eines astronomischen Objektes, dessen Position am Himmel über einen langen Zeitraum mit fester Kameraausrichtung bei konstantem Zeitabstand T aufgenommen wird. Die Zeit T zwischen zwei aufeinanderfolgenden Aufnahmen wird so gewählt, dass die Position des Himmelskörpers auch langfristig möglichst innerhalb des durch den Fotoapparat vorgegebenen Himmelsausschnitts verbleibt, also nicht hinausdriftet. Beim Sonnen-Analemma ist T ein Tag, bei einem Stern ist T ein Sterntag, das sind etwa 86.164 Sekunden. Ein Stern-Analemma ist aber nicht sehr spannend, denn es besteht nur aus einem Punkt, da ein Stern - abgesehen von seiner kleinen Eigenbewegung und der langperiodischen Präzes-

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Planeten

2 Mars-Analemma, aufgenommen in Kelmis in den Jahren 2013 bis 2020.

sion der Erdachse - nach einem Sterntag wieder an genau der gleichen Position am Himmel steht. Interessant sind aber Analemma-Figuren von Mond und Planeten: diese sind gar nicht trivial und erlauben bei quantitativer Auswertung die Bestimmung der Bahnparameter dieser Himmelskörper. Den erforderlichen Zeitabstand T kann

man mit folgender Formel berechnen:
(1)
Dabei ist S ein Sterntag und P die siderische Umlaufzeit des Mondes oder des Planeten. Diese Formel kann man leicht verstehen, wenn man statt der Perioden die zugehörigen Winkelgeschwindigkeiten betrachtet:

(2) Hier ist
(3) Die Erdrotationsgeschwindigkeit
(4) muss um die gegenläufige Planetenbewegung
(5)
korrigiert werden, damit man den Planeten im Blick behält. Bei Sonne, Sternen und Mond funktioniert diese Methode

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Planeten

einwandfrei, denn aus Sicht der Erde bewegen sich diese ungefähr auf Kreisbahnen um unseren blauen Planeten herum. Beim Mars wird es komplizierter, da dieser aus Erdsicht natürlich keineswegs eine Kreisbahn beschreibt. Trotzdem kann man mit obiger Formel die optimale Zeitdifferenz T für zwei aufeinanderfolgende Zeitsignale berechnen - und sorgt so dafür, dass der Mars nicht immer, aber doch häufig im Blickfeld der Kamera ist. Konkret: S = 0,997270 Tage ist die Länge eines Sterntages und P = 686,980 Tage die siderische Umlaufzeit des Planeten Mars.

3 Berechnete Mars-Analemma-Kurve. Die verschiedenen Jahre sind farblich
gekennzeichnet.

Man erhält damit T = 86.289,4 Sekunden. Der Zeitabstand T ist länger als ein Sterntag, da sich der Planet - abgesehen von den Oppositionsschleifen - von West nach Ost relativ zu den Sternen bewegt, also dauert es entsprechend länger, bis er wieder an ungefähr der gleichen Stelle am Himmel steht wie am Vortag. Die Abbildung 2 zeigt das von mir für die Jahre 2013 - 2020 aufgenommene Mars-Analemma. Meines Wissens nach ist eine solche Bahnkurve vorher noch nie aufgezeichnet worden.

Jetzt will ich einige Details der Aufnahmemethode vorstellen. Kamera (vom Typ Canon 350D mit Bildsensor im APS-Format) und Objektiv wurden oben schon vorgestellt und sind in der Abbildung 1 zu sehen. Die Aluminiumfolie dient dem Schutz gegen die Sonne, denn die fest auf einer Fensterbank montierte Optik war jahrelang der Strahlung unseres Tagesgestirns ausgesetzt. Belichtet wurde jeweils 10 Sekunden lang bei ISO 1600 und Blende 8. Die Kamera wurde mit einem Netzteil betrieben. Die einzige technische Herausforderung ist der Timer, denn im Baumarkt findet man keine Schaltuhren mit T = 86.289,4 Sekunden. Ich habe den Taktgeber mit einem schon vor ein paar Jahren im Zusammenhang mit

4 Berechnete Mars-Analemma-Kurve. Berücksichtigung von Dunkelheit und
Bildausschnitt der Kamera.

dem Mond-Analemma gebastelten Mikrocontroller-Schaltkreis realisiert. Dank einer Quarz-Zeitreferenz wurde T sehr genau eingehalten. Heute würde man zu diesem Zweck wahrscheinlich eine Arduino-Plattform oder ein altes Smartphone einsetzen. Ich habe die Mars-Analemma-Fotos vom belgischen Kelmis aus gemacht, einem Ort südwestlich von Aachen. Im Zeitraum vom

14.11.2013 bis zum 25.10.2020 wurden insgesamt 310 brauchbare Bilder aufgenommen - vollautomatisch natürlich. Startzeit war 04:00 UT am ersten Tag, die Auslösezeiten der nachfolgenden Tage ergeben sich aus dem oben berechneten Zeitabstand von T = 86.289,4 Sekunden. Die Überlagerung aller 310 Aufnahmen ergibt - nach Entfernen aller anderen Lichter und Hinzufügen

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Planeten

des Horizontes, der mit der gleichen Kamera nachts von meinem Fenster aus aufgenommen wurde - die Abbildung 2. Die Lücken sind Wolken zu verdanken.
Was für eine Analemma-Kurve erwartet man für die Marsbahn? Diese hat bisher niemand untersucht, daher habe ich ein Programm geschrieben, das auf den Formeln des Astronomen Paul Schlyter aufbaut [4]. Die Abbildung 3 zeigt das sich ergebende komplizierte Mars-Analemma für den Zeitraum 2011 bis 2020 für meinen Standort und meine Auslösezeitpunkte, dargestellt in den Horizontkoordinaten Azimut A und Höhe h. Hier ist angenommen, dass man den Mars Tag und Nacht beobachten kann und dass die Kamera ein sehr großes Bildfeld hat. Schränkt man den Beobachtungszeitraum auf die Nachtstunden ein und beachtet das limitierte Gesichtsfeld der von mir eingesetzten Kamera (trotz Weitwinkelobjektiv), ergibt sich die in der Abbildung 4 gezeigte theoretische Vorhersage.
Um meine Beobachtungsdaten mit der theoretischen Vorhersage vergleichen zu können, habe ich für jedes meiner Einzelfotos des Analemmas mit dem Programm IRIS [5] zunächst die Pixelkoordinaten x und y des Mars-Punktes bestimmt. Bei bekannter Kameraausrichtung und Objektivbrennweite kann man diese in die Horizontkoor-

5 Vergleich der ge-
messenen und berechneten (angepassten) Marspositionen.
dinaten Azimut A und Höhe h umrechnen. Zur Kalibration habe ich für einige MarsFotos die Positionen von ebenfalls abgebildeten helleren Sternen ausgewertet, deren Koordinaten bekannt sind. Die Messgenauigkeit der einzelnen Mars-Koordinaten habe ich zu etwa 0,1 Grad abgeschätzt.
Die Abbildung 5 zeigt den Vergleich meiner gemessenen Koordinaten (schwarze kleine Punkte) mit den für die entsprechenden Auslösezeitpunkte berechneten theoretischen Vorhersagen (farbige Punkte). Bei Letzteren habe ich nicht die bekannten Bahndaten wie große Halbachse und Exzentrizität eingesetzt, sondern ich habe diese als freie Parameter in einer Anpassung der Theorie an die Messdaten bestimmt. So habe ich die Marsbahnparameter aus meinen Weitwinkelaufnahmen bestimmt! Die Übereinstimmung zwischen Theorie und Messung ist gut, wenn auch nicht perfekt. Alternativ habe ich die gemessenen Marspositionen in äquatoriale Koordinaten Rektaszension und Deklination umgerechnet und diese zusammen mit den von der Kamera gemessenen Aufnahmezeitpunkten in das Programm find_orb [1] eingespeist, mit dem man daraus die zugehörige Planetenbahn berechnen kann. Beispiele für die so gemessenen Bahnparameter für unseren Nachbarplaneten sind: Umlaufperiode P = 687,7 +- 1,0 [686,98] (Erd-)Tage

Exzentrizität e = 0,097 +- 0,005 [0,0934] Bahnneigung i = 1,6 Grad +- 0,2 Grad [1,85 Grad ]
Die Zahlen in eckigen Klammern geben die genau gemessenen Bahnelemente an [6]. Man beachte, dass ich zwar für die Berechnung der optimalen Kameraauslösezeitpunkte den Wert für die Umlaufperiode des Mars angenommen habe, aber letztlich sind zur Bestimmung der Bahndaten nur die von mir gemessenen Orts- und Zeitkoordinaten eingegangen, so dass eine von Annahmen unabhängige Messung der Umlaufzeit möglich war. Die erreichte Genauigkeit ist durchaus zufriedenstellend - die Revolutionsperiode eines Planeten wurde mit einer handelsüblichen Kamera auf 0,15 % genau bestimmt!
Fazit Auch mit einfachen Mitteln kann man Astronomie betreiben und quantitative Messungen durchführen. Das erhaltene Muster der Marspositionen über mehrere Jahre stellt das erste veröffentlichte Mars-Analemma dar.
Literatur- und Internethinweise (geprüft am 19.11.2021): [1] Project Pluto, Software "find_orb":
www.projectpluto.com/find_orb.htm [2] T. Hebbeker, 2013: ,,Das Analemma",
Sterne und Weltraum 03/2013 [3] T. Hebbeker, 2015: ,,Mondanalem-
ma", VdS-Journal für Astronomie 52, (I/2015), S. 85 [4] P. Schlyter: "How to compute planetary positions", http://stjarnhimlen.se/ comp/ppcomp.html [5] C. Buil, Software "IRIS": http:// astrosurf.com/buil/us/iris/iris.htm [6] Wikipedia: ,,Mars als Planet", https:// de.wikipedia.org/wiki/Mars_(Planet)

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Sonne

Butterfly Morning
- das Wiedererwachen des Schmetterlingsdiagramms
von Michael Möller

Die aktuelle Version des SONNE-Schmetterlingsdiagramms umfasst die Zeit eines halben Menschenlebens. In den 41 Jahren zwischen 1980 und 2021 haben etwa 20 Beobachter mit weit über 200.000 Positionsmessungen zum SONNE-Positionsnetz beigetragen, deren Beobachtungen bilden die Grundlage dieses etwas seltsam anmutenden Diagramms.
Um das Schmetterlingsdiagramm fortzuführen, messe ich selbst täglich die Fleckenpositionen anhand von HMIIF-Bildern des Solar Dynamics Observatory (SDO). Allerdings kamen diese Messungen zwischen 2015 und 2020 krankheitsbedingt völlig zum Erliegen. Doch im Frühjahr 2021 erlebte das Diagramm ein unerwartetes Wiederaufleben. Zunächst schätzte ich den zeitlichen Aufwand zur Schließung der fast fünfjährigen Lücke auf gute 6 Monate. Nun fiel aber in diesen Zeitraum das Fleckenminimum, weshalb nur relativ wenige Flecken auftraten. Die Messungen im

zweitägigen Rhythmus verringerten ihrerseits den anfallenden Arbeitsaufwand, und mit Unterstützung der hervorragenden Mess-Software WinJupos [1], des schnellen Downloads der SDO-Bilder und eines exorbitanten Arbeitseinsatzes verkürzte sich die Arbeit auf nur eine Woche!
Was aber ist das Geheimnis des Schmetterlingsdiagramms, und was können diese kleinen Punkte über die Sonne verraten? Zunächst ist es die Anordnung der Punkte in einer Form, die an die Flügel eines Falters, sprich Schmetterlings, erinnert, woraus der Name abgeleitet wurde. Dann ist es die Wiederholung der Muster in ungefähr 11 Jahren zeitlicher Distanz, den Sonnenfleckenzyklen entsprechend. Das Diagramm umfasst den 22., 23. und 24. Fleckenzyklus, der 21. und 25. Zyklus sind unvollständig wiedergegeben. Des Weiteren ist ersichtlich, dass die Flecken zu Beginn eines Zyklus in höheren heliografischen Breiten zu finden sind und die

Entstehungsgebiete im weiteren Zeitverlauf näher zum Sonnenäquator wandern. Doch zwischen Beginn und Mitte eines Sonnenfleckenzyklus kann noch eine polwärts gerichtete Wanderung der Flecken festgestellt werden, was leider kaum beachtet wird [2]. Gegen Ende eines Zyklus tauchen bereits die ersten Flecken des neuen Fleckenzyklus auf. Diese befinden sich in heliografischen Breiten von ca. +-30 Grad , während die Flecken des alten Zyklus in Aquatornähe zu finden sind. Eine Auffälligkeit sei zum Schluss noch genannt: Die längere Dauer des Fleckenminimums zwischen dem 23. und 24. Zyklus ist nicht zu übersehen.
Literatur- und Internethinweise (Stand 15.11.2021): [1] G. Hahn: WinJupos 12.0.7.
www.grischa-hahn.homepage. t-online.de [2] P. Völker, M. Möller, 2000: ,,Die Sonnenaktivität", Ahnerts Astronomisches Jahrbuch 2001, S. 74

1 Schmetterlingsdiagramm des Positionsnetzes der VdS-Fachgruppe Sonne aus 231.030 Positionen, 27.12.1979 bis 21.10.2021 (Carrington-
Rotationen 1690 bis 2249), heliografische Breite der gemessenen Fleckengruppen (in Grad) aufgetragen über der Zeit (Grafik: Michael Möller)
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Sternbedeckungen

Stand der Fachgruppe Sternbedeckungen
von Eberhard H. R. Bredner

Im Jahr 2021 wurde der Preis ,,VdS-Medaille - Deutscher Preis für AmateurAstronomie" in Richtung unserer Fachgruppe Sternbedeckungen vergeben, er traf mich. Damit wird auch die über 400-jährige Praxis dieser astronomischen Sparte herausgestellt.

Eigene Beobachtungen von totalen Bedeckungen am Mond sind ein guter Einstieg und eine gute Übung, Zeiten für diese Ereignisse zu messen. Ergebnisse mit Angabe des Standortes können zur Überprüfung an die Fachgruppe per E-Mail geschickt werden. Mit einiger Beobachtungspraxis wäre ein höheres Ziel, eine der von Dr. Eberhard Riedel auch in dieser Ausgabe veröffentlichten streifenden Sternbedeckungen zu beobachten.

Wer einen erhöhten Aufwand für ein herausragendes Ereignis nicht scheut, sollte sich den Termin 7. April vormerken. Wie immer mit der Voraussetzung einer wolkenlosen Nacht lassen sich dann 2 streifende Sternbedeckungen kurz nacheinander am gleichen Standort beobachten. Alles ist möglich im Grenzbereich Niederlande/Deutschland in der Nähe von Lingen (Ems), angedacht ist eine gemeinsame Beobachtung mit holländischen Sternfreunden.
Interessierte Beobachter sollten eine Voranfrage an die Fachgruppe senden, von dort käme dann auch eine genaue Ausarbeitung mit den Beobachtungsbedingungen, berechnet wieder von Dr. Eberhard Riedel.
Wenn Sternfreunde zunehmend mit 6bis 8-Zoll-Optiken beobachten, dann erschließt sich ihnen die Möglichkeit, Bedeckungen durch Kleinplaneten zu verfolgen. Die notwendige, genaue Messung der Kontaktzeiten kann man - wie erwähnt - gut bei totalen Sternbedeckungen am Mond üben.

Ein herausragendes Ereignis findet am 7. April 2022 statt. Es lassen sich 2 streifende Sternbedeckungen kurz nacheinander am gleichen Standort beobachten. Ort: im Grenzbereich Niederlande/Deutschland in der Nähe von Lingen (Ems).

Da jeder Stern eine ,,Sonne" ist, kann man so unter günstigen Bedingungen in einem Jahr mehrfach eine Sonnenfinsternis beobachten. Mögliche Ereignisse im 2. Quartal 2022 wären

10. April 25. April 03. Mai 12. Mai 24. Mai 19. Juni

(235) (441) (1369) (601) (1041) (1754)

Carolina Bathilde Ostania Nerthus Asta Cunningham

gibt immer eine letzte Berechnung, bei der genaueste Daten zu einer Überprüfung herangezogen werden. Deshalb bitte die dazu veröffentlichten Informationen abfragen.
Wer sich hier mit ersten Schritten einübt, kann auf Anfrage weiterführende Informationen erhalten. Lasst Euch begeistern ...

Am 1. Juni kann eine Bedeckung durch (134340) Pluto beobachtet werden, bisher gibt es dazu noch keine Berechnungen, wo das sein könnte. Für alle Ereignisse gilt: Es

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Sternbedeckungen

Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 2. Quartal 2022

von Eberhard Riedel

Die Monate April bis Juni bieten nur eine sehenswerte und einfach zu beobachtende streifende Bedeckung eines Sterns durch den Mond. Die Landkarte zeigt die Grenzlinie dieses Ereignisses über Deutschland, die der mittlere Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Grenzlinien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns bereits in einem kleinen bis mittleren Fernrohr zu verfolgen.

Karte mit der Grenzlinie des Streifungsereignisses

Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden.

Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert.

Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch

1 a Die scheinbare Sternbahn von Ypsilon
Tauri (blauweiß gestrichelte Linie) bei Beobachtung genau von der vorhergesagten Grenzlinie, mit 6-facher Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter

Journal für Astronomie Nr. 81 | 103

Sternbedeckungen

1 b Die scheinbare Sternbahn von Ypsilon Tauri mit 12-facher Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 1.000 Meter

unter Berücksichtigung der Höhe optimiert werden, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch

in eine Google-Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.

Die Software kann kostenlos unter www. grazprep.com heruntergeladen und installiert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.

Ereignis 1: 05.04.2022
Kurz vor Mitternacht des 5. April zieht ab 23:12 Uhr MESZ der erst zu 19% beleuchtete zunehmende Mond mit seinem Nordrand am 4,3 mag hellen Stern Ypsilon Tauri (SAO 76608) vorbei. Die Streifung ist in Niedersachsen, Ostwestfalen, Thüringen und Sachsen zu sehen. Die Linie des mittleren Mondrandes verläuft nördlich der Städte Meppen, Osnabrück, Bielefeld, Göttingen und Erfurt über Weimar bis ins Vogtland.
Die Abbildung 1a zeigt für die Länge 10 Grad Ost in einem Ausschnitt, dass die scheinbare Sternbahn (blauweiß gestrichelte Linie mit Minutenangaben) den mittleren Mondrand (weiß gepunktet), für den die geografische Breite der Streifung berechnet ist, um 23:56 Uhr berührt. Zu sehen ist aber auch, dass es an dieser Beobachtungsposition wegen des abgesenkten Mondterrains zu keiner Sternbedeckung kommen wird. Die roten Begrenzungslinien geben vor, wie sich, bedingt durch die Mondparallaxe, die scheinbare Sternbahn verschiebt, wenn man die vorausberechnete Position um 3.000 Meter nach Norden bzw. Süden verlässt (jeweils senkrecht zur Richtung der Streifungslinie).
In dieser Grafik ist das Mondrandprofil in 6-facher Überhöhung dargestellt, weshalb auch die Krümmung der scheinbaren Sternbahn grafisch erforderlich ist. Auf diese Weise kann besser beurteilt werden, wann und wie viele Bedeckungsereignisse

im Einzelnen zu erwarten sind. Beobachter auf verschiedenen Stationen erleben somit sehr unterschiedliche Kontaktzeiten. Einen weiteren Einfluss auf die zu beobachtenden Kontakte hat auch die Höhe des Beobachtungsortes, für die die aufzusuchende Beobachtungsposition korrigiert werden muss (zur Software s. Haupttext).
Die Abbildung 1b zeigt die voraussichtliche Situation bei einer Ablage von ca. 1.700 m südwestlich der mittleren Streifungslinie. Das Mondrandprofil ist hier 12-fach gedehnt dargestellt. Dort kommt es zwischen 23:55 und 23:57 Uhr MESZ zum mindestens 7-maligen Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns. Die roten Begrenzungslinien zeigen eine Abweichung von der angegebenen Position um +- 1.000 Meter.
Streifungen von Sternen am Nordrand des Mondes sind wegen der dort eher geringeren Höhenunterschiede besonders interessant, weil es zu einer Vielzahl zusätzlicher Kontakte mit dem Mondrand kommen kann.
Ypsilon Tauri ist ein sehr enger Doppelstern mit einem 6,5 mag hellen Begleiter. Visuell werden die Kontakte mit dem Mondrand aber schlagartig erfolgen. Erst eine Videoaufzeichnung dürfte das kurz nacheinander erfolgende Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns auflösen.

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Veränderliche

Zwei Ausbrüche (Nova oder Zwergnova) im Oktober 2021 im Bereich des Andromedanebels
von Klaus Wenzel, F.-J. (Josch) Hambsch, Werner E. Celnik und Ronny Freudenberg

In der Region um den Andromedanebel (M 31) werden immer wieder scheinbar schwache Ausbrüche an Sternen (16 bis 17 mag) entdeckt. Meist handelt es sich um Nova-Ausbrüche in der Andromedagalaxie. Dadurch, dass diese Region intensiv überwacht wird, sind aber auch immer wieder sehr schwache Zwergnova-Ausbrüche unserer Galaxis unter den Entdeckungen. Ein prominentes Beispiel ist hierfür die Nova M 31 N1967-10c, deren wahre Identität erst beim Ausbruch 2020 (AT 2020plo) geklärt werden konnte. Hier handelte es sich nicht um eine Nova in M 31, sondern um eine Zwergnova vom Typ UGWZ unserer Galaxis. Über dieses Objekt wurde bereits ausführlich an dieser Stelle berichtet [1]. Im Oktober 2021 konnten gleich zwei ungewöhnliche Ausbrüche beobachtet werden. AT 2021aaxp im östlichen Bereich und AT 2021aceg etwas abseits südöstlich von M 31.

1 CCD-Aufnahme vom 12.10.2021 um 21:45 Uhr UT mit 8,3-Zoll-Newton bei f/3,9. Diese
Aufnahme entstand 3 Tage nach der Entdeckung durch Itagaki. Die Helligkeit der Zwergnova AT 2021aaxp ist bereits wieder auf 16,6 mag abgefallen. Bildausschnitt ca. 20` x 15` (Bild: K. Wenzel)

Die Zwergnova AT 2021aaxp Dieses Objekt (PNV J00444033+4113068 = AT 2021aaxp) wurde am 09.10.2021 von dem japanischen Supernovajäger Koichi Itagaki im östlichen Bereich von M 31 als schwaches Sternchen mit einer Helligkeit von 16,5 mag entdeckt. Bei weiteren Kontrollbeobachtungen in der gleichen Nacht stieg die Helligkeit rasch auf 15,3 mag an. Itagaki hatte dieses Objekt, das sich als entfernte Zwergnova vom Typ UGWZ unserer eigenen Galaxie entpuppte, direkt im Anstieg erwischt. Auf Archivaufnahmen findet sich hier ein Objekt von etwa 22,5 mag [2].
Diese Zwergnova konnte von Klaus Wenzel (8,3-Zoll-Newton, f/3,9) und Werner E. Celnik (C 11, f/2) beobachtet werden (s. Abb. 1 und 2).
Am 12.10.2021, also drei Tage nach der Entdeckung, konnte Klaus Wenzel sie erstmals auf einer relativ kurz belichteten Überwachungsaufnahme (10 x 40 s) beobachten,

2 Zwei Aufnahmen der Region um AT 2021aaxp mit einem C11 HyperStar. Auf der linken
Aufnahme vom 08.09.2021 ist die Zwergnova noch nicht erkennbar, auf der rechten Aufnahme vom 15. auf 16. 10.2021 sieht man jedoch ein deutliches blaues Sternchen. Bildausschnitt ca. 19,1` x 14,6`. (Bild: W. E. Celnik)

da war die Helligkeit bereits auf 16,6 mag abgefallen und zwei Tage später, am 14.10., lag sie nur noch bei 17,6 mag. Werner E. Celnik konnte sie in der Nacht vom 15. auf den 16.10. auf einer lang belichteten Farbaufnahme (236 x 60 s) klar als schwaches blaues Sternchen abbilden. Auf einer ähn-

lichen Aufnahme etwa einen Monat vorher war erwartungsgemäß noch keine Spur der Zwergnova erkennbar.
AT 2021aceg - Nova oder Zwergnova? Am 25.10.2021 wurde bereits das nächste

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Veränderliche

3 Aufnahme von AT 2021aceg mit einer
Helligkeit von etwa 16,1 mag, etwa einen Tag (26.10.2021, 20:03 Uhr UT) nach der Entdeckung durch das Xingming Observatory. Zusätzlich ist der Quasar IO And auf dieser Aufnahme markiert. Bildausschnitt etwa 25` x 15`. (8,3-Zoll-Newton, f/3,9, K. Wenzel)

4 Lichtkurve
von AT 2021aceg vom 26.10. bis 31.10.2021 nach Beobachtungen von K. Wenzel

Seit Ende 2020 hat Franz-Josef (Josch) Hambsch seine Sternwarte in seinem Garten in Belgien wieder aktiviert. Er beobachtet hauptsächlich remote am Road Observatory in Chile, meist kataklysmische Veränderliche und High-AmplitudeDelta-Scuti-Sterne (HADS), ein Beobachtungsprojekt der belgischen Veränderlichen-Beobachter.

interessante Objekt im Bereich des Andromedanebels aufgespürt. Nur etwa 10' südwestlich des Quasars IO And, etwa 1,8 Grad südöstlich des Zentrums von M 31, entdeckte eine chinesische Beobachtergruppe um Xing Gao am Xingming Observatory ein neues Objekt (PNV J00473256+3938102 = AT 2021aceg) von etwa 16 mag. Aufgrund der Helligkeit (etwa 1 mag heller als eine typische Nova in dieser Entfernung) und der abgeschiedenen Lage von M 31 sprach wieder vieles dafür, dass es sich auch hier um eine Zwergnova unserer Galaxie handeln könnte. Doch hier ist im Gegensatz zu AT 2021aaxp kein Objekt heller als 25 mag auffindbar, welches AT 2021aceg zugeordnet werden könnte. Diese Tatsache spricht dann doch für eine Nova des Andromedanebels, bei der die Helligkeit des Vorläufersterns sicher schwächer als 25 mag zu erwarten wäre. In der VSX-Datenbank der AAVSO (www.aavso.org) wird momentan (31.10.) noch als Typ UG/N (also Zwergnova (UG) oder Nova (N)) angegeben.

mit einer Helligkeit von 15,8 mag beobachten. Zwei Stunden später war AT 2021aceg etwa 0,2 mag schwächer. Die vermeintliche Zwergnova oder Nova zeigte also kurzzeitig Helligkeitsvariationen von etwa 0,2 Größenklassen. Bei weiteren Beobachtungen in den folgenden Nächten konnte dann ein kontinuierlicher Helligkeitsrückgang auf etwa 17,3 mag (31.10.) beobachtet werden (s. Abb. 4).

Am 27.10. wurde er über das BAV-Forum von Klaus Wenzel über den Ausbruch des neuen Sterns nahe an M 31 informiert. Er hatte bereits eine Aufnahmeserie von HADS-Sternen gestartet, da es in Belgien an dem Abend klaren Himmel gab. Josch hielt sofort die Serie an und fügte den Stern in sein Programm ein. Er beobachtete den Stern für ca. 2 Stunden, und es ergab sich eine Lichtkurve, wie bereits oben erwähnt, mit Variationen in der Helligkeit von ca. 0,2 Magnituden (Abb. 5).

Klaus Wenzel konnte dieses Objekt (Abb. 3) erstmals am 26.10.2021 um 17:45 Uhr UT, also etwa 24 Stunden nach der Entdeckung,

5 Lichtkurve vom 27.10.2021 mit Kurzzeitvariationen von 0,2.
Beobachtet von Josch Hambsch in seiner Gartensternwarte.

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Veränderliche

6 Einzelaufnahme von AT 2021aceg mit einer Helligkeit von etwa 16,7 mag (Baader-V-Filter)
vom 27.10.2021 um 21:30 Uhr UT (10-Zoll-SCT, f/6, 1 x 240 s, R. Freudenberg)

Aufgrund der Mail im BAV-Forum wurde auch Ronny Freudenberg auf dieses Objekt aufmerksam und konnte am 27.10. um 21:30 Uhr UT AT 2021aceg mit einer Einzelbelichtung von 240 s an seinem 10-ZollSC-Teleskop (f/6) nachweisen (Abb. 6). Seine Helligkeitsmessungen finden sich in der Tabelle 1.
Quasar IO And Noch ein Wort zu dem Quasar IO Andromedae (Abb. 3). Dieser QSO wurde 1975 von L. Meinunger in Sonneberg entdeckt. Meinunger hielt ihn zunächst für einen Veränderlichen (S10785), deshalb auch

ähnlich wie bei BL Lac oder W Com die offizielle Bezeichnung IO And im GCVS. Anfang der 1990er-Jahre wurde dann anhand der Rotverschiebung (z = 0,134) die extragalaktische Natur erkannt. Wolfgang Steinicke stellte 2002 eine schöne Liste mit Hintergrundinformationen und Aufsuchkarten zu solch zunächst falsch klassifizierten Quasaren zusammen [3]. IO And ist etwa zwischen 15 und 17 mag variabel. Bei der Beobachtung von AT 2021aceg wurde er sozusagen als ,,Beifang" mit beobachtet. Es konnten bei diesen Messungen leichte Variationen zwischen 16,2 und 16,4 mag festgestellt werden.

Literatur- und Internethinweise (Stand 07.01.2022): [1] K. Wenzel, 2021: ,,Seltener Ausbruch
von zwei alten Bekannten (AY Lac; M 31 N1967)", VdS-Journal für Astronomie 78, S. 124 [2] K. Taguchi, A. Maehara, 2021: "Spectroscopic classification of PNV J00444033+4113068 is not a nova in M31 but a dwarf nova in the milky way galaxy", ATel#14962 (10.10.2021) [3] W. Steinicke, 2002: "Extragalactic objects discovered as variable stars", www.webbdeepsky.com/publications/ books/extragalactic-objects
Tabelle 1

Helligkeiten von AT 2021aceg, Ronny Freudenberg

Datum

V-Filter

27.10.2021 16,7 mag

28.10.2021 17,2 mag

29.10.2021 17,7 mag

31.10.2021 18,0 mag

B-Filter
17,4 mag 17,5 mag 17,7 mag 18,1 mag

Jupiter und seine Monde

Impression

Aufnahme vom 28. Oktober 2021 mit einem Takahashi Mewlon 210 und ZWO ASI290MC von Sven Melchert.
Journal für Astronomie Nr. 81 | 107

Veränderliche

Fotometrische Beobachtungen von V509 Cassiopeiae und W Virginis im UBVRI-System
von Martin Sblewski

Der halbregelmäßig Veränderliche V509 Cas (Typ SRd), ein Yellow Hypergiant (YHG), ist seit Sommer 2017 Ziel meiner fotometrischen Beobachtungen. Ein YHG ist ein Hyperriese mit der Spektrallinie von H in Emission und verbreiterten Emissionslinien (im Vergleich zu anderen Hyperriesen) und gehört den Spektralklassen F, G oder K an. Die breiteren Linien stehen in Verbindung mit ausgedehnten Hüllen und pulsationsgetriebenen Massenverlusten.

V509 Cas besitzt eine Masse von 11 Sonnenmassen, die Angaben zur Größe liegen zwischen 390 bis zu 910 Sonnenradien. Die Leuchtkraft beträgt das 180.000- bis 400.000-fache unserer Sonne [1], die relative Helligkeit in V schwankt derzeit zwischen 5,2 und 5,5 mag (eigene Beobachtungen).
Dieser Stern ist auch für die Profiastronomie von besonderem Interesse, da Sterne in diesem Entwicklungsstadium selten sind und ihre Entwicklungswege im Hertzsprung-Russell-Diagramm bisher nicht vollständig erforscht wurden. Sie gelten als Vorgänger zu den Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen (LBV) oder auch als mögliche Supernova in ihrem weiteren Verlauf. Meine Recherchen der Fachliteratur ergaben widersprüchliche Angaben zu einem möglichen Begleitstern von V509 Cas. D. J. Stickland und D. L. Harmer [2] leiteten 1978 aus niedrig aufgelösten Spektren im UV-Bereich das Vorhandensein eines Begleiters vom Spektraltyp B1 V, also eines heißen Zwergsterns, mit einer Umlaufzeit von 4 Jahren und einem Abstand von 8,5 Astronomische Einheiten (AU) ab. Möglicherweise befinden sich beide Sterne in einer sie gemeinsam umgebenden Hülle und der B1-Stern ist verantwortlich für die im optischen Bereich sichtbaren Emissionslinien des Sternspektrums. Klochkova et al. [3] untersuchten 2019 hoch aufgelöste Spektren aus den Jahren 1996 bis 2018 und

1 V509 Cas: Gesamtlichtkurve der Filter U und B

fanden hingegen keinen Hinweis auf eine Doppelsternnatur.
Bereits kurz nach Beginn meiner Aufzeichnungen im Februar 2018 konnte ich beobachten, dass die Helligkeit des U-Kanals plötzlich größer war als die des B-Kanals (im Weiteren als U-Exzess bezeichnet), was für einen Stern dieser Spektralklasse sehr ungewöhnlich ist. Könnte dies möglicherweise ein Hinweis auf den heißen Begleitstern sein, der sich hier durch seine energiereiche Strahlung verrät? Diese Frage zu beantworten, war natürlich nicht möglich, in jedem Fall war es aber Grund genug, die Beobachtungen weiter fortzusetzen. Im folgenden Beobachtungsverlauf fiel die U-

Helligkeit wieder unter die B-Helligkeit ab und nach ca. 390 Tagen war erneut ein UExzess zu beobachten, ein Prozess der sich bis zum heutigen Tag stetig wiederholte (Abb. 1).
Eine Periodenanalyse [4] der einzelnen Filter im März 2021 ergab eine durchschnittliche gemeinsame Periode von ca. 400 Tagen. Die Länge der Periode deckt sich mit der Periode des beobachteten U-Exzesses und somit überwog nun die Wahrscheinlichkeit, dass der U-Exzess Teil des Pulsationsprozesses des Sterns sein könnte.
Nach erneutem Literaturstudium fand ich bei John R. Percy [5] den Hinweis, dass

Tabelle 1
Wellenlängenbereiche des UBVRI-Filtersatzes, zum Vergleich das Johnson-System

Filter
U B V R I

Peak des Filters bei Wellenlänge
370 nm 420 nm 530 nm 600 nm 810 nm

Vergleich Johnson
350 nm 435 nm 555 nm 700 nm 900 nm

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Veränderliche

W-Virginis-Sterne im Verlauf ihrer Pulsationsperiode ebenfalls einen U-Exzess zeigen. Als Erklärung wird eine durch die Pulsation verursachte Schockwelle angeführt, welche die Atmosphärenschichten der Sterne durchläuft, dabei auf von außen nach innen einfallende Schichten trifft und Emissionen von z. B. Wasserstoff auslöst. Leider fanden sich keine näheren Angaben, zu welchen Zeitpunkten der Pulsationsperiode der U-Exzess auftritt.
W Virginis als Namensgeber der Typ-IICepheiden besitzt eine Masse von 0,4 Sonnenmassen, einen Radius von 22 bis zu 52 Sonnenradien und eine Leuchtkraft des 474- bis 1.247-fachen der Sonnenleuchtkraft. Die relative Helligkeit in V schwankt zwischen 9,46 und 10,75 mag bei einer Periode von 17,27134 Tagen [6].
Obwohl sich beide Sterne in ihren absoluten Parametern deutlich unterscheiden, gibt es auch durchaus vergleichbare Eigenschaften. Beide Sterne pulsieren und ihre Atmosphären sind im Verhältnis zu ihrer Masse sehr ausgedehnt. So entstand der Wunsch, W Virginis fotometrisch mindestens in den Filtern U und B während einer Saison zu beobachten und ein Phasendiagramm zu erstellen [7].
Für die Fotometrie verwende ich einen kleinen Refraktor mit 60 mm Öffnung, einen UBVRI-Filtersatz und eine CCD-Kamera mit dem Kodak-Chip KAF-8300. Die geringe Öffnung ermöglicht die Beobachtung relativ heller Sterne und die Größe des Sensors ergibt ein angenehm großes Bildfeld, in dem sich problemlos Vergleichssterne finden lassen. Die einzelnen Filter des UBVRI-Filtersatzes lassen jeweils nur das Licht eines begrenzten Wellenlängenbereiches passieren. Einen Überblick hierzu und einen Vergleich mit dem Johnson-System gibt die Tabelle 1.

2 W Virginis: Phasendiagramm UBVRI auf 2 Phasen gestreckt

An meinem Beobachtungsstandort (Berliner Umland) lässt sich W Virginis nur im Frühjahr und im Frühsommer und dort auch nur kurze Zeit nach Beginn der Dämmerung bis zum Untergang des Sterns am Horizont beobachten. Problematisch ist hierbei die geringe Horizonthöhe des Sterns. Beobachtungen unter 30 Grad Höhe werden für die Fotometrie nicht empfohlen, da die Schwächung des Lichts auf dem Weg durch die Atmosphäre stark zunimmt und zu verfälschten Ergebnissen führt. Teilweise mussten jedoch Beobachtungshöhen von nur noch 20 Grad über dem Horizont in Kauf genommen werden. Die sich hieraus ergebenden größeren Messfehler reichen bis zu 0,2 mag im Filter I (Tab. 2).
Die Bildbearbeitung mit Bias- und Darkkorrektur, dem Ausrichten und Stacken er-

folgte mit der Software MaxIm DL. Für die Blendenfotometrie wurde das von der AAVSO angebotene Programm V-Phot benutzt [8]. Es wurden je Filter 2 bis 3 Vergleichssterne ausgewählt, das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) wurde über das Binning und die Belichtungszeiten gesteuert und sollte mindestens Werte über 50 erreichen. Für den U-Filter, dessen Zentralwellenlänge bei ca. 370 nm liegt, ist die Durchlässigkeit der Erdatmosphäre bereits stark eingeschränkt. Hier musste bei 4-fachem Binning bereits 400 s belichtet werden. Weitere Angaben zu Belichtungszeiten und Aufnahmedaten enthält die Tabelle 2.
In der Zeit von Ende April bis Ende Juni konnte W Virginis an 17 Abenden beobachtet werden. Mit Hilfe der bereits erwähnten Software zur Periodenanalyse [4] wurde

Tabelle 2
Aufnahmen-Anzahl, Belichtungszeiten, Binning und Fehlergrößen der einzelnen Filter

Filter

U

Belichtungszeit 5 x 400 s

Binning

4-fach

Fehlergröße / mag 0,10

B
5 x 90 s 2-fach 0,07

V
5 x 30 s 2-fach 0,16

R
5 x 30 s 2-fach 0,14

I
5 x 30 s 2-fach 0,20

Journal für Astronomie Nr. 81 | 109

Veränderliche

achtungen. Sehr gern hätte ich auch mittels spektroskopischer Aufnahmen die Emissionen und die Linienspaltung beobachtet, in dem zur Verfügung stehenden Zeitfenster war das aber leider nicht möglich.

3 W Virginis: Phasendiagramm U und B, zur besseren grafischen Darstellung
wurden beide Filter mit einer Trendlinie versehen.

die Periode zu 17,264305 Tagen im V-Filter ermittelt und ein gemeinsames Phasendiagramm für alle Filter erstellt (Abb. 2).
Um die eigenen Beobachtungen zu verifizieren, wurde ein Vergleich mit Ergebnissen der Fachliteratur angestellt. M. R. Templeton et al. [9] haben W Virginis 2007 fotometrisch in B, V, R und I untersucht, vergleichend können wichtige Übereinstimmungen gefunden werden: - ,,Die Amplitude ist in B am größten, ge-
folgt von V, R und I". In Ergänzung zeigt meine Beobachtung in U die größte Amplitude. - ,,Die B-Kurve hat einen spitzen Peak, gefolgt von einem kurzen Plateau und danach dem Abstieg zum Helligkeitsminimum, V, R und I steigen direkt zu einem Plateau an, das über den halben Zyklus erhalten bleibt." Die Aussagen zu V, R und I können bestätigt werden, U zeigt in meiner Aufzeichnung einen ähnlichen Verlauf wie B. - ,,Der Farbindex (FI) B-V reicht von 0,4 im Maximum bis 1,1 im Minimum." Auch diese Aussage kann bestätigt werden.
Ergänzend ist für die eigenen Beobachtungen festzustellen, dass der Aufstieg zum Helligkeitsmaximum steil erfolgt und 40% der Phase dauert, während Plateau und Abstieg ca. 60% der Phase für sich beanspruchen. Deutlich sichtbar ist für das Helligkeitsmi-

nimum und -maximum auch der Zeitversatz der einzelnen Filter von U nach I.
T. Barker et al. [10] untersuchten W Virginis auch spektroskopisch, auszugsweise sollen einige die einzelnen Phasenabschnitte betreffenden Ereignisse vorgestellt werden: - ,,Eine Schockwelle repräsentiert zufrie-
denstellend den physikalischen Zustand der Atmosphäre." - ,,Die Wasserstofflinien sind während der Phase von 0,65 bis 0,10 in Emission." - ,,Die Schockfront entsteht in Übereinstimmung mit dem Auftreten der Wasserstoffemissionen bei Phase 0,65. Die Front breitet sich im weiteren Verlauf nach außen aus. Das vor der Schockwelle befindliche Material wird optisch dünn und lässt die Emissionen entstehen." - ,,Bei Phase 0,825 erscheinen doppelte Absorptionslinien. Rot- und blauseitige Absorptionsbestandteile entsprechen Material vor und hinter der Schockwelle." - ,,Im weiteren Verlauf erreicht die Schockfront das vor ihr entstandene vorgeschockte Material und verschlingt dieses. Die rotseitigen Absorptionskomponenten verschwinden nun schrittweise." - ,,Bei Phase 0,10 sind alle Spuren des Materials vor der Schockwelle verschwunden und damit auch die Emissionen vergangen."
Diese auszugsweisen Zitate dienen dem Verständnis der Physik hinter den Beob-

Einen Auszug aus dem Phasendiagramm von W Virginis für die Filter U und B zeigt die Abbildung 3. Sehr deutlich ist der U-Exzess sichtbar, erfasst wurde der Beginn ab der Phase 0,83 bis zum Abklingen bei Phase 0,11. Die Helligkeitsunterschiede des Farbindex von U-B bis zu -0,33 überschreiten deutlich die festgestellte Toleranz aus der Fehlerberechnung, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der von John R. Percy beschriebene U-Exzess mit den eigenen Beobachtungen nachvollzogen werden konnte.
Das zeitliche Auftreten während der Phase ist in guter Übereinstimmung mit den zuvor beschriebenen Erscheinungen, die aus dem Auftreten einer Schockwelle resultieren, welche ihrerseits ihren Ursprung in der Pulsation des Sterns hat.
Können hieraus Rückschlüsse auf das Verhalten von V509 Cas gezogen werden? Die Wahrscheinlichkeit, dass der beobachtbare U-Exzess Teil der Pulsation des Sterns ist, scheint deutlich höher zu sein als die Möglichkeit, den unbekannten B-Stern als Begleiter abgebildet zu haben. Die periodische Entwicklung der U-Helligkeit in der Abbildung 1 mit einem langgezogenen Anstieg zu einem ersten Nebenmaximum, welches noch unter der B-Helligkeit liegt, rasch gefolgt von dem Hauptmaximum, spricht durchaus dafür.
Weiterhin ist die bei W Virginis beschriebene Schockwelle mit den verbundenen spektralen Merkmalen auch bei den YHGs nicht unbekannt, in diesem Zusammenhang erscheint auch hier der U-Exzess als Folge der

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VdS-Nachrichten

Pulsation durchaus wahrscheinlich. Eine wissenschaftlich fundierte Aufklärung der physikalischen Zusammenhänge und der Klärung der Frage zum möglichen Begleitstern von V509 Cas bleibt an dieser Stelle jedoch der Profiastronomie vorbehalten.
Die weitere langfristige Beobachtung von V509 Cas ist geplant, zukünftige Daten werden hoffentlich mehr Sicherheit für die gezogenen Rückschlüsse bringen. Und nicht zuletzt ist V509 Cas ein Beobachtungsobjekt, das trotz seiner derzeit recht ruhigen Phase ein Kandidat ist, bei dem sich in naher oder ferner Zukunft ein heftiger Ausbruch mit ungewissem Ausgang ereignen kann.

Literatur- und Internethinweise (Stand 07.01.2022): [1] V509 Cassiopeiae: Wikipedia,
https://en.wikipedia.org/wiki/V509_ Cassiopeiae [2] D. J. Stickland, D. L. Harmer, 1978: "The Discovery of a Hot Companion to HR 8752", Astron. Astrophys. 70, L53-L56 [3] V. G. Klochkova, E. L. Chentsov, V. E. Panchuk, 2019: "Extended atmosphere of the yellow hypergiant V509 Cas - in 1996-2018", Astrophys. Bull. 74, No. 1 [4] Peranso: "Light Curve and Period Analysis Software", www.cbabelgium.com/peranso [5] J. R. Percy, 2007: "Understanding Variable Stars", Cambridge University Press, ISBN 9780521232531

[6] W Virginis: Wikipedia, https://en. wikipedia.org/wiki/W_Virginis
[7] E. Wischnewski, 2011: ,,Astronomie in Theorie und Praxis", Eigenverlag, 5. Auflage, ISBN-13: 9783000326141
[8] AAVSO, Homepage: www.aavso.org/
[9] M. R. Templeton, A. A. Henden, 2007: "Multicolor photometry of the Type II Cepheid prototype W Virginis", AAVSO, arXXiv:0709.0401v1 [astro-ph] 4 Sep 2007, oder: https:// arxiv.org/pdf/0709.0401.pdf
[10] T. Barker et al., 1971: "Abundance Analyses of Population II Variable Stars I. W Virginis*", Astrophys. J. 165, 67-86

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Karl-August Fred Egon Walter Dieter Andreas Lutz Arnold Karl Thomas Jürgen Wolfgang Klaus-Peter Robert

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18258 18501 18723 18818 19336 19550 19744 19920 20112 20735 20767 20781 20847 21033

Name
Kowalski Lütvogt Gampper Schmidt Schrattenecker Anders Neumann Egeling Kessel Stranzenbach Böjty Mayrhoffer Lebuser Lempka

Vorname
Wolfgang Dirk Gerhard Uwe Franz Horst-Günther Leopold Rüdiger Gerhard Ralf Edmund Erich Michael Leonhardt Anton

Spenden an die Vereinigung der Sternfreunde e.V.
von Dr. Andreas Klug, VdS-Schatzmeister

Im Jahr 2021 erhielt unsere Vereinigung wieder zahlreiche Spenden von Mitgliedern. Der Vorstand bedankt sich bei allen Spendern ganz herzlich, auch bei den vielen ungenannten Mitgliedern, die bei der Überweisung der Jahresrechnung den Betrag aufrundeten. Insgesamt erhielt die VdS Spenden in Höhe von 3.136,22 EUR, die teilweise zweckgebunden für bestimmte Projekte verwendet werden. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Mitgl.-Nr.
11849 11998 12075 12342 12451 12469 12714 12980 13206 13211 13448 13502 13921 14604 15127 16245 16578 16690

Name

Vorname

Tessin

Hartmut

Glitscher

Gunnar

Kessler

Thomas

Walter-Hohmann Sternwarte Essen e.V.

Quester

Wolfgang

Gösser

Wolfgang

Braune

Werner

Hambsch

Franz-Josef

Hengstenberg

Eckart Rudolf

Hosters

Peter

Stuck

Gunter

Frank

Andreas

Kuppers

Stephan

Jonscher

Peter

Quaas

Eberhard

Purwin

Rene

Gahner

Udo

Goretzki

Dieter

Mitgl.-Nr.
16937 17524 17835 17898 17994 18175 18368 18432 19474 19893 20037 20109 20424 20468 20617 21026

Name
König van Kerkhof Geiger Spindler Henze Reim Limbach Kleppinger Hubmann Lorey Levenhagen Wenzel Michalides Ritter Apel Schulte Zimmermann

Vorname
Michael Willem Heike Rolf Werner Thomas Martin Ralf Max Christian Marco Martin Axel Rainer Ingo Walter Peter Gabriele

112 | Journal für Astronomie Nr. 81

VdS-Nachrichten Journal für Astronomie Nr. 81 | 113

HERKULES NÖRDL. KRONE Gemma
SCHLANGE (KOPF)

BOOTES

JAGDHUNDE

Arktur

HAAR DER BERENIKE

JUNGFRAU

GROSSER BÄR

KLEINER LÖWE

LÖWE

Regulus

Capella FUHRMANN

LUCHS
Castor Pollux

ZWILLINGE

STIER

KREBS

ORION Beteigeuze

Procyon

KLEINER HUND

WAAGE SÜDOST

Spica RABE

BECHER

SEXTANT

Alphard

RSCHLANGE WASSE

Sternkarte exakt

gültig für 15. April 2022

23 Uhr MESZ

SÜD

Mondphasen im April 2022

EINHORN
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de

Zusammengestellt von Werner E. Celnik, mit Beiträgen von Dietmar Bannuscher (Veränderliche Sterne), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Kleinplaneten)

Neumond 1.4.

Erstes Viertel 9.4.

Vollmond 16.4.

Letztes Viertel 23.4.

Neumond 30.4.

Ereignisse im April

01. 07:24 05. 5h
05. 21h 05. ab ca.
22:55
07. 20:10 09. 07:48 09. 20:30 10. 23:58 12. 21h 13. 14. 20h
16.
16. 19:55 16. 21h 16. 23:24 19. 16:12 20. 3h 22. 22:50 23. 12:56

Neumond Mars (1,0 mag, 5,3'') 19' S Saturn (0,9 mag, 15,9''), sehr helle Dämmerung Mond 6,8 Grad NW Aldebaran (1,0 mag) Streifende Sternbedeckung Mond - Ypsilon (69) Tauri (SAO 76608, 4,3 mag), Linie Meppen - Bünde - Lemgo - Göttingen - Weimar - Auerbach/Vogtland Mond erdfern, 29,5' Erstes Viertel Mond 3,2 Grad SO Pollux (1,2 mag) RZ Cas Minimum Mond 5,3 Grad NO Regulus (1,4 mag) Mond Libration 8,9 Grad SO, PoWi 138 Grad Merkur (-1,2 mag), Beginn Abendsichtbarkeit, beste d.J., W-Horizont Beginn Maximum Meteorschauer der Lyriden, um 50 km/s, 22-4h Vollmond Mond 5,5 Grad NO Spica (1,1 mag) RZ Cas Minimum Mond erdnah, 32,7' Mond 4,7 Grad NO Antares (1,1 mag) RZ Cas Minimum Letztes Viertel

25. 22-4h 26. 26. 04:30 27. 20:08
28. 04:15
29. 20:30
29. 20:30 30. 21:28

Ende Maximum Meteorschauer der Lyriden, um 50 km/s Mond Libration 8,4 Grad NW, PoWi 322 Grad Mond 4,8 Grad SO Mars (0,9 mag, 5,7''), SO-Horizont Venus zieht in 23'' Abstand an Neptun vorbei, beobachtbar im pazifischen Raum Venus (-4,1 mag) 2,5 Grad SW Jupiter(-2,1 mag), O-Horizont, helle Dämmerung Merkur (0,4 mag, 8,0'') in größter östl. Elong., 21 Grad , beste Abendsichtbarkeit d.J. Merkur 1,4 Grad S Plejaden (M 45) Neumond, partielle Sonnenfinsternis beobachtbar im südl. Südamerika

114 | Journal für Astronomie Nr. 81

SCHWAN LUCHS

LEIER Albireo

Wega HERKULES

GROSSER BÄR

Castor ZWILLINGE Pollux

NÖRDL. KRONE
Gemma

BOOTES

SCHLANGE (KOPF)

Arktur

JAGDHUNDE
HAAR DER BERENIKE

INER LÖWE KLE

KREBS

LÖWE

Regulus

KLEINER HUND
Procyon

SCHLANGENTRÄGER

SÜDOST

SKORPION

JUNGFRAU

WAAGE

Spica RABE

BECHER

Sternkarte exakt

gültig für 15. Mai 2022

23 Uhr MESZ

SÜD

Mondphasen im Mai 2022

SEXTANT

Alphard

RSCHLANGE WASSE
SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de

Quellen: Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]), Berechnungen von Steve Preston (Sternbedeckungen durch Kleinplaneten), Kosmos Himmelsjahr 2022, Kosmos Der Sternenhimmel 2022, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto)

Erstes Viertel 9.5.

Vollmond 16.5.

Letztes Viertel 22.5.

Neumond 30.5.

Ereignisse im Mai

01. 04:15
02. 20:45
04. 21h 04. 21:42 05. 13:45 06. Morgen
06. 23h 09. 01:21 09. ab ca.
19:41 10. 1h 11. 13. ab ca.
02:00 14. 2h 15. 23:50 16. 02:51 16. 05:14
17. 2h 17. 16:26

Venus (-4,1 mag, 16,7'') 20' SO Jupiter (-2,1 mag, 34,8''), O-Horizont, helle Dämmerung Mond 2,6 Grad SO Merkur (0,8 mag, 8,7'') und 5,0 Grad O Plejaden, NW-Horizont Merkur (1,2 mag) Ende Abendsichtbarkeit (ca.) RZ Cas Minimum Mond erdfern, 29,5' Maximum Meteorschauer der Eta-Aquariden, 67 km/s, bis zu 60/h Mond 2,9 Grad SW Pollux (1,2 mag) Erstes Viertel Mond bedeckt Eta Leonis (3,5 mag), bis ca. 21:00, genaue Zeit abh. v. Standort Mond 4,0 Grad N Regulus (1,4 mag) Mond Libration 9,4 Grad SO, PoWi 133 Grad Mond bedeckt Vir (2,8 mag), genaue Zeit abh. v. Standort
Mond 3,6 Grad NO Spica (1,1 mag) U Oph Minimum RR Lyr Maximum Vollmond, totale Mondfinsternis (Größe 1,419) ab 02:31, Monduntergg. vor Finsternismitte Mond 2,9 Grad NO Antares (1,1 mag) Mond erdnah, 33,2'

21. 00:36 22. 02:30 22. 19:43 23. 24. 00:40 25. 03:15
27. 03:38 28. 00:32 29. 3h
30. 00:06 30. 12:30

U Oph Minimum Mond 6,1 Grad S Saturn (0,8 mag, 17,1''), SO-Horizont Letztes Viertel Mond Libration 9,2 Grad NW, PoWi 317 Grad RZ Cas Minimum Mond 4,2 Grad SO Mars (0,7 mag, 6,3'') und 3,8 Grad S Jupiter (-2,2 mag, 36,7''), O-Horizont Mond 1,1 Grad S Venus (-4,0 mag, 14,1''), O-Horizont RR Lyr Maximum Mars (0,7 mag, 6,4'') 38' S Jupiter (-2,2 mag, 37,1''), O-Horizont RZ Cas Minimum Neumond

Journal für Astronomie Nr. 81 | 115

LUCHS

Deneb SCHWAN

DRACHE

FÜCHSC HEN
DELFIN
PFEIL

Albireo

Wega LEIER

HERKULES

NÖRDL. KRONE
Gemma

Atair

ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)

SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER

GROSSER BÄR

JAGDHUNDE

BOOTES Arktur

HAAR DER BERENIKE

JUNGFRAU

LÖWE EINER KL

LÖWE

Regulus

SCHILD
SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. Juni 2022 23 Uhr MESZ
Mondphasen im Juni 2022

SKORPION Antares

WAAGE

Spica RABE

WOLF SÜD

WASSERSCHLANGE

BECHER
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de

Alle Zeitangaben in MEZ, für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben. Zum Umrechnen in MESZ im Zeitraum 27.03.2022, 2:00 Uhr MEZ, bis 30.10.2022, 2:00 MEZ, eine Stunde zu den Zeitangaben addieren. ,,Libration West" bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom westlichen Mondrand (Mond-Osten) befindet.

Erstes Viertel 7.6.

Vollmond 14.6.

Letztes Viertel 21.6.

Neumond 29.6.

Ereignisse im Juni

01. ca.

Saturnbewegung verfolgen, bis 1.9., Saturn pendelt

2,5 O nördl. an den Sternen Cap (2,9 mag) und Cap

(3,7 mag) entlang

01. 03:13 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 04:15, Dämmerung!

02. 02:14 Mond erdfern, 29,4'

02. 22h Mond 5,5 Grad SW Pollux (1,2 mag)

04. 23:00 RR Lyr Maximum

05. 23h Mond 6,2 Grad NW Regulus (1,4 mag)

07. 15:48 Erstes Viertel

08.

Mond Libration 9,4 Grad SO, PoWi 130 Grad

09. ab 02:41 Ganymed wird verfinstert, Dämmerung!

10. 22:58 RZ Cas Minimum

10. 23h Mond 7,3 Grad O Spica (1,1 mag)

13. 02:23 Kleinplanet (1308) Halleria bedeckt TYC 5815-00208-2

(10,0 mag, Doppelstern) für 5,1 s, Hell.-Abfall um

6,3 mag, Sternbild Wassermann, Pfad N-Schweiz -

S-Deutschland - N-Österreich, Dämmerung!

14. 00:40 RR Lyr Maximum

14. 1h

Mond 5,9 Grad O Antares (1,1 mag)

14. 12:52 Vollmond

15. 00:23 Mond erdnah, 33,4'

15. bis ca. Mond bedeckt Sgr (3,3 mag), genaue Zeit abh. v.

23:07 Standort

16. 16h Merkur in größter westl. Elong., 23 Grad , keine Merkur-

sichtbarkeit

17. ab 01:35 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 02:31, Dämmerung!

18. 02:30 Mond 9,6 Grad SW Saturn (0,7 mag, 17,9'')

20.

Mond Libration 9,5 Grad NW, PoWi 311 Grad

20. ab 02:29 Ganymed vor Jupiter, Dämmerung!

21. 04:11 Letztes Viertel

21. 10:14 Sommersonnenwende, Sommeranfang

21. 23:07 RR Lyr Maximum

22. 02:30 Mond 6,3 Grad O Jupiter (-2,4 mag, 39,7'') und 8,8 Grad SW Mars

(0,5 mag, 7,0''), O-Horizont

24. ab 03:30 Io mit Schatten vor Jupiter, Dämmerung!

26. 03:30 Mond 2,3 Grad NW Venus (-3,9 mag, 12,1'') und 4,3 Grad SO

Plejaden, NO-Horizont

29. 03:52 Neumond, erdfern, 29,4'

29.

Neptun wird rückläufig, Sternbild Fische

29. 21:35 RR Lyr Maximum

116 | Journal für Astronomie Nr. 81

Beobachterforum

Der Astronomietag 2021 in Bad Tölz
von Franz Xaver Kohlhauf

Endlich konnten wir in Bad Tölz wieder einen Astronomietag bieten, wie man ihn sich vorstellt. Wir, das sind die Isarwinkler Sternfreunde und das Planetarium Bad Tölz, waren glücklich, endlich einmal wieder im Rahmen eines Astronomietages unsere Teleskope für die Öffentlichkeit unter einem königsblauen Himmel aufstellen zu können. Da die ,,Stargäste" des Abends zu der Zeit relativ tief am südlichen Himmel standen, mussten wir uns nach einem höher gelegenen Standort umsehen. Der war schnell gefunden, denn die neue Terrasse des Tölzer Rathauses ist für Blicke an den südlichen Himmel wie geschaffen und nur 50 Meter vom Planetarium entfernt. Mit der Bitte, die Terrasse für diesen Tag nutzen zu dürfen, rannten wir im Rathaus offene Türen ein. Ebenso wurden wir von dort mit Strom versorgt und die Platzlaternen wurden ausgeschaltet.
Ab 15 Uhr waren wir bereit und die ersten Besucher wagten sich an die Teleskope. Die Sonne hatte sich missverständlicherweise wieder einmal fein herausgeputzt und war daher völlig fleckenfrei, so dass man schon mit Infos zu ihren gewaltigen Dimensionen und ihrer Energieerzeugung aufwarten musste, um ihr beim Beeindrucken zu

1 Astronomietag 2021 in Bad Tölz: die Planeten fest im Blick (Bild: Andi Ringk)

helfen. Da hatte die Venus weniger Probleme. Sie brillierte in den Teleskopen leicht sichelförmig am blauen Himmel und stahl der Sonne glatt die Schau.
Ab 18 Uhr kam dann die Ablösung durch Jupiter und Saturn, und je dunkler es wurde, umso mehr Besucher kamen auf die Rathausterrasse. Diese beiden Planeten sind einfach Superstars unter den Himmelsobjekten. Das Staunen und die ,,Ooohs" und ,,Aaahs" der Besucher zu hören, das ist der schönste Lohn, den man als Sternfreund

beim AT erhalten kann. Kinder wie Erwachsene stellten sich gleich mehrmals an, um weitere Blicke auf diese wundervollen Objekte zu werfen. Den Abschluss des Astronomietages in Bad Tölz bildete der Auftritt des Mondes, über dessen Faszination man nichts mehr schreiben muss. Alles in allem war dieser AT in Bad Tölz eine kugelrunde Angelegenheit, wie auch die Sonne, der Jupiter, der Saturn und der Mond. Die Besucher verhielten sich den Coronaregeln entsprechend und waren höchst interessiert. Petrus und dem Himmel sei Dank!

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BBeeoobbaacchhtteerrffoorruumm

Atemberaubendes Himmelsspektakel
- Polarlichter
von Nicole Wehle

Polarlichter sind vorwiegend in den nördlichen Breiten vorkommende Leuchterscheinungen am Nachthimmel, die Menschen schon seit jeher fasziniert haben. Schon aus dem Altertum gibt es erste Überlieferungen. Sie spielten zunächst vor allem in der Mythologie eine große Rolle und waren in viele Kulturen eher negativ besetzt. So sahen einige Stämme darin Vorboten für bevorstehende Kriege, Hungersnöte oder Seuchen. Die nordischen Völker dagegen, die vor allem in den Wintermonaten an das Spektakel gewöhnt waren, sahen darin eher Kämpfe der Götter oder Tänze von Walküren. So gab es lange Zeit keine wissenschaftlichen Erklärungen für das Phänomen, da grundlegende physikalische Vorgänge erst noch entdeckt werden mussten.
Im Jahr 1600 legte William Gilbert den Grundstein für die Polarlichtforschung, indem er herausfand, dass die Erde von elektrischen und magnetischen Feldern umgeben ist. 1621 wurden die Polarlichter vom französischen Mathematiker und

Astronomen Pierre Gassendi erstmals als ,,Aurora borealis" bezeichnet und bis heute wird diese Bezeichnung dafür verwendet. 1774 stellte der Franzose Jean Jacques D. de Mairan einen Zusammenhang zwischen der Sonnenaktivität und der Erscheinung des Polarlichts am Nachthimmel fest. Es dauerte noch viele Jahre, bis die Entstehung komplett geklärt war. Erst im Jahr 1970 wurde das Modell des magnetosphärischen Teilsturms entwickelt, das bis heute Gültigkeit hat.
Entstehung [1-3] Der Ursprung der Polarlichter ist bei der Sonne zu finden. Diese strahlt durch die ständige Kernfusion Wärme, Licht und Plasma aus. Plasma besteht aus aufgespaltenen Atomen, also z. B. Wasserstoffionen und Elektronen. Diese werden im ganzen Weltall ausgestrahlt. Dieser kontinuierliche Teilchenstrom wird als Sonnenwind bezeichnet. Diese Teilchen haben eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 300500 km/s und sind so von der Sonne zur

1 Verlauf von BZ- und BT-Werte am
01.12.2019 für Dresden. Die Tabellen wurden in der App ,,Aurora" generiert.
2 Polarlicht aus Farstad am 27.09.2017
gegen 03:30 MEZ (Bild: Nicole Wehle)

118 | Journal für Astronomie Nr. 81

Beobachterforum

3 Polarlicht in Tromsø vom 29.09.2017 (Bild: Nicole Wehle)

Erde etwa 2-4 Tage unterwegs. Sie treffen dann zum Glück nicht direkt auf die Erde, sondern stoßen auf das vorhandene Magnetfeld. Dieses wird auf der sonnenzugewandten Seite zusammengedrückt und die Teilchen so abgebremst. Dann werden sie entlang der Magnetfeldlinien Richtung Nord- und Südpol abgelenkt.
Dort stoßen sie mit Sauerstoff- und Stickstoffatomen aus der Erdatmosphäre zusammen und diese werden dabei angeregt oder ionisiert. Durch Abgabe von Energie (Photonen) fallen ihre Elektronen wieder auf niedrigere Niveaus zurück oder werden gar erst wieder eingefangen. Das sehen wir auf der Erde dann als Polarlicht.
Farben des Polarlichts Polarlichter treten in unterschiedlichen Farben (rot, grün, blau und violett) auf. Die Farbe des Lichts ist dabei abhängig davon, mit welchen Elementen in welcher Höhenschicht der Atmosphäre die Teilchen zusammengetroffen sind. Sauerstoff leuchtet dabei rot und grün bei ca. 120 km bis 500 km Höhe. Stickstoff dagegen erscheint blau bis violett bei einer Höhe vom Erdboden zwischen 90 km bis 100 km. Die Lichtintensität von Sauerstoff ist wesentlich höher als die von Stickstoff, so sind Polarlichter

häufiger in den Farben rot bzw. grün zu be- nalen Masseauswürfen können magneti-

obachten. Durch die hohe Empfindlichkeit sche Stürme auf der Erde ausgelöst werden.

des Auges für grünes Licht werden grüne Diese können dann bei entsprechender In-

Polarlichter am häufigsten beobachtet.

tensität zum Ausfall von Stromnetzen oder

Störungen bei Radio- bzw. Funkverbindun-

Auftreten der Polarlichter

gen führen.

Die Pole der Erdrotationsachse und die

der Magnetpole sind nicht identisch, so Vorhersage und Beobachtung der

dass Teilchen in einem schmalen Bereich Polarlichter

in Polnähe in die Atmosphäre eindringen Mittlerweile ist die Technik so weit fort-

können. Diese Zone liegt bei ca. 65 Grad bis 75 Grad geschritten, dass Polarlichter vorhergesagt

jeweils nördlicher und südlicher Breite, in werden können. Über Satelliten können

diesem Bereich ist der Plasmaschweif mit Prognosen für die Intensität des Polarlicht-

der Erde verbunden. Die höchste Polar- ovals erstellt werden. Diese werden anhand

lichtaktivität liegt annähernd kreisförmig verschiedener Indikatoren berechnet und

um den geomagnetischen Pol. In höheren in Tabellen dargestellt. Es gibt mehrere In-

Breiten nimmt die Aktivität wieder ab. Um ternetseiten bzw. Apps, in denen man sich

Polarlichter auch in mittleren Breiten beob- die Ergebnisse dieser Messungen und somit

achten zu können,

braucht es Sonnen- Tabelle 1

stürme mit erheblicher Energie. Dann wird der Plasma-

KP-Index und Polarlichtwahrscheinlichkeit, Vorhersage für Polarlicht in Deutschland

schweifbereich der Erde ausgedehnt und die Teilchen

KP-Index
6

Polarlicht-Wahrscheinlichkeit
fotografisches Polarlicht möglich

können auch in

7

visuelles Polarlicht möglich

geringeren Breiten

8

an den Feldlinien

entlang eindringen.

9

deutlich visuelles Polarlicht helles Polarlicht in ganz Deutschland

Bei starken koro-

JouJronuarlnfaülrfüArsAtrsotnromnoiemNier.N8r1. 81 | 1| 11919

Beobachterforum

4 Polarlicht in Tromsø vom 29.09.2017 (Bild: Nicole Wehle)

die Wahrscheinlichkeit von Polarlichtern anschauen kann. Nun kurz zu den einzelnen Modellen und deren Bedeutung für die Vorhersage.
Flare-Wahrscheinlichkeit: Flares sind die Eruptionen auf der Sonne, bei denen besonders viele Teilchen ausgeworfen werden. Diese Strahlung wird mit Satelliten gemessen und nach ihrer Röntgenstrahlungsenergie unterteilt. Je höher die Intensität ist, umso wahrscheinlicher ist, dass Polarlichter am Nachthimmel sichtbar wird. Jedoch können auch Polarlichter auftreten, ohne dass zuvor Flares gemessen werden konnten.
KP-Index: Dieser Index beschreibt die Stärke des aktuellen geomagnetischen Sturms (vgl. Tab. 1). Je höher der Wert, umso wahrscheinlicher ist die Erscheinung von Polarlichtern. Im Norden Deutschlands ist die Sichtung von Polarlichtern ab einem KP-Index von 5 zumindest möglich, häufig jedoch nur fotografisch, weiter südlich sollte er zwischen 7-8 liegen.
ACE MAG & SWEPAM [4-5]: In diesen Diagrammen, die das Magnetfeld und den Sonnenwind grafisch darstellen,

wird die Stärke des interplanetaren Magnetfeldes (IMF) angezeigt. Die Polarlichtwahrscheinlichkeit ist umso höher, je niedriger der BZ-Wert im negativen Bereich ist und je höher der BT-Wert ist. Der BZ-Wert gibt an, wie das IMF relativ zum Erdmagnetfeld in Nord-Süd Richtung ausgerichtet ist. Je stärker das IMF ausgebildet ist, desto höher ist der BT-Wert. Ein starkes IMF begünstigt die Polarlichtentstehung. In der Abbildung 1 sind beide Datenverläufe für den 01.12.2019 dargestellt, der KP-Index beträgt 2, so dass zu diesem Zeitpunkt zumindest für den Standort Dresden keine Polarlichter wahrscheinlich waren. Bei guten Bedingungen liegt der BZ-Wert unter -20 und der BT-Wert deutlich über 20.
Beobachtungen Fotografisch sind auch in Deutschland mehrmals im Jahr vor allem in den Wintermonaten Polarlichter zu sehen. Ich selbst hatte 2017 das Glück, bei einer Norwegenreise mehrere Nächte in Folge Polarlicht visuell und fotografisch festhalten zu können. Die Abbildung 2 zeigt ein Polarlicht aus Farstad am 27.09.2017 gegen 03:30 MEZ. Dieses war visuell gut sichtbar, die feinen Strukturen zeigten sich jedoch erst fotografisch bei einer Belichtungszeit von mindestens 30 Sekunden.

Das Highlight waren dann die Polarlichter in Tromsø vom 29.09.2017. Tromsø liegt bei 69 Grad nördlicher Breite und ist somit mitten in dem Bereich der höchsten Polarlichtaktivität. Die Polarlichter waren visuell alle sehr gut beobachtbar und durch starke Veränderungen der Erscheinung gekennzeichnet. Die Belichtungszeit liegt hier gerade mal bei 3-5 Sekunden. Vorherrschend war wie auch bei den anderen Orten die Farbe Grün, nur vereinzelt können rote Elemente beobachtet werden. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen das Spektakel gegen 01:00 MEZ über Tromsø.
Internethinweise: [1] A. Wengel, ,,Polarlicht", ARD, Planet
Wissen, www.planet-wissen.de/ natur/polarregionen/polarlicht [2] Wikipedia: ,,Polarlicht", https://de. wikipedia.org/wiki/Polarlicht [3] ZDF, Terra X plus: ,,Wie Polarlichter entstehen", www.youtube.com/ watch?v=gixNSiqdyVU [4] The ACE Science Center: www.srl.caltech.edu/ACE/ASC/ [5] SWEPAM Data from ACE: www.srl. caltech.edu/ACE/ASC/level2/ swepam_l2desc.html

120 | Journal für Astronomie Nr. 81

Beobachterforum

Ein denkwürdiges Objekt: EGB 4
von Peter Riepe

Planetarische Nebel (PNe) sind heiße Sterne (meistens Weiße Zwerge), die von einer leuchtenden Gashülle in Emission umgeben werden. Frank Slotosch, der im Internet gern exotische PNe aufspürt und diese dann in Langzeitbelichtungen fotografiert, stieß auf ein Objekt mit der Katalogbezeichnung EGB 4. Er fand jedoch heraus, dass dieses Objekt verschiedene Bezeichnungen trägt: außer EGB 4 noch 623+71, PK 144+24 Grad 1, BZ Cam und PN G143.6+23.8. Daher zeigte er sein Astrofoto auf der Astrofotografen-Mailingliste (Abb. 1) und fragte, ob man ihm mehr über das Objekt mitteilen könne. Was ist EGB 4 eigentlich? Ein PN? Ein Weißer Zwerg? Ein Veränderlicher?
Nebel oder Galaxien können verschiedene Katalognamen besitzen. Das hängt davon ab, welche Astronomen das Objekt unter jeweils anderen Gesichtspunkten und

mit welchen Methoden untersucht haben (Röntgen-, Infrarot-, Radiowellenlängen, usw.). Auf diese Weise bekommt das Objekt stets auch andere, zusätzliche Katalogbezeichnungen. So auch bei EGB 4. Und das, denke ich, dürfte auch hier im Beobachterforum einmal von Interesse sein, also nicht nur für Astrofotografen.
Die Astronomen G. L. Ellis und Kollegen hatten sich mit der Suche nach PNe im Palomar Observatory Sky Survey befasst und 1984 einen Artikel publiziert [1]. Darin war auch der Stern 0623+71 aufgeführt, der schon drei Jahre zuvor als kataklysmischer Veränderlicher 623+71 bekannt war, bei den B1950-Koordinaten Rektasz. = 06 h 23 min und Dekl. = +71 Grad . Der Stern hatte also schon vor EGB 4 diesen Katalognamen. Auch die amerikanischen Veränderlichenbeobachter (AAVSO) haben dem Stern schon zu Zeiten der Koordinaten 1900.0

die konsequente Standardbezeichnung für Veränderliche gegeben: BZ Cam (d. h. der Veränderliche BZ aus dem Sternbild Camelopardalis). Dieser Veränderliche mit Nebelausstoß bildet also den Zentralstern von EGB 4.
Die drei Buchstaben E, G und B sind die Initialen der drei Autoren, die 4 bedeutet deren viertes Objekt. Neu war: EGB 4 alias 0623+71 wurde mit dem Hinweis versehen ,,Bow-shock nebula". Das ist ein Nebel mit einer gebogenen Stoßfront. Und am Südrand dieses Nebels, so stand es im Artikel, sitzt ein 12-mag-Stern. Mit dem Hinweis auf eine spätere Publikation wurde auch erwähnt, dass sich dieser Stern fotometrisch als ein vorher nicht bekannter novaähnlicher Veränderlicher zeigte. Das könnte nahelegen, dass es sich eher um eine Nebelschale handelt, ausgestoßen bei einem NovaAusbruch, und nicht um einen PN. Als PN-

1 Das Objekt EGB 4 im Sternbild Camelopardalis. Die Aufnahme von Frank Slotosch entstand mit einem 8-Zoll-Newton (f/4) und
einer Kamera Trius 694. Belichtet wurde 106 x 10 min (H), 45 x 10 min [OIII] und je 30 x 30 s für R, G und B.
Journal für Astronomie Nr. 81 | 121

Beobachterforum

Freund fragt man sich eh, weshalb der Zentralstern am unteren PN-Rand liegen kann und nicht in der Mitte. Aber weiter im Text.
Bald stand EGB 4 im Katalog von Perek und Kohoutek als PK 144+24 Grad 1, im StrasbourgESO Catalogue of Galactic Planetary Nebulae als PN G143.6+23.8. In der Folgezeit haben sich sofort andere Astronomen auf ein so exotisches Objekt gestürzt. Krautter und Kollegen verfassten einen Bericht [2], wonach 623+71 spektroskopisch nicht als ehemals ausgestoßener Novarest interpretiert werden könne. Die Natur als PN sei nicht abwegig, zumal es andere PNe mit ähnlicher Morphologie gebe, z. B. Abell 35. Neu war dann, dass man allerdings auch von einer durch Sternwinde des kataklysmischen Veränderlichen erzeugten Blase ausgehen könne.

Die Stoßfront in EGB 4 kann auch daher rühren, dass der Zentralstern mitsamt seinem ausgestoßenen Nebel durch das interstellare Medium ,,pflügt" und dabei die kometarische Form mitbekommt. Schaut man sich die Eigenbewegung an (z. B. in Simbad), dann passt die kometarische Form in Bezug auf die Bewegungsrichtung. Neuere Publikationen gehen gar nicht mehr auf einen möglichen PN ein, sondern beziehen sich nur noch auf den kataklysmischen Veränderlichen BZ Cam und seine Eruptionen [3, 4]. Das Thema PN scheint erledigt zu sein. Was haben Ellis und seine Kollegen also nach heutigem Wissensstand letztlich entdeckt? Dass ein eruptiver Veränderlicher in einem durch Sternwind erzeugten Nebel steckt. Fertig.

Internethinweise (Stand: November 2021): [1] G. L. Ellis, E. T. Grayson, H. E. Bond,
1984: "A search for faint planetary nebulae on Palomar Sky Survey prints", Publ. Astron. Soc. Pac. 96, pp. 283-286 [2] J. Krautter, U. Klaas, G. Radons, 1987: "On the Nature of 623+71: A Cataclysmic Binary Surrounded by a Bow Shock-like Emission Nebula", Astron. Astrophys. 181, pp. 373-377 [3] J. Greiner et al., 2001: "BZ Camelopardalis during its 1999/2000 optical low state", Astron. Astrophys. 376, pp. 1031-1038 [4] R. K. Honeycutt, S. Kafka, J. W. Robertson (2013): "Wind variability in BZ Camelopardalis"; Astronom. J. 145, p. 45

Impression

Der Schleiernebel
NGC 6960 bei 52 Cygni, 8., 11. und 14.09.2021, Aufnahmeort war A-2004 Streitdorf (Gartensternwarte), 10-zölliger Carbon-Newton f/4 mit Nikon D5300 modifiziert und Nikon D5300 normal, Belichtungszeit 5 h 51 min bei ISO 800 bzw. 1600, Bild: Erwin Gastinger.
122 | Journal für Astronomie Nr. 81

Rezension

Poster ,,Das Astronomische Jahr"
Titel: Das astronomische Jahr 2022; Autoren: Susanne Friedrich, Peter Friedrich, Stephan Schurig; Verlag: Astronomie-Verlag GbR, Reichenschwand; Preis (2022) 14,90 EUR

Der Astronomie-Verlag gibt jedes Jahr ein Poster im A1-Format heraus: ,,Das Astronomische Jahr". Es kann gerollt (ohne Knicke) geliefert werden. Die Karten dieses Posters sind für 50 Grad nördlicher Breite und 10 Grad östlicher Länge berechnet und damit im ganzen deutschen Sprachraum benutzbar. Auf den ersten Blick auffallend ist ein Schaubild, welches die Länge der Nacht im Jahresverlauf angibt. In diesem Bild sind die Zeiten für bürgerliche, nautische und astronomische Dämmerung eingetragen. Außerdem sind mondfreie Zeiten hervorgehoben, welche sich besonders für die Beobachtung von Nebelobjekten eignen.
Dieses Schaubild dient auch als Nomogramm. Abgelesen werden können die Aufund Untergangszeiten der Planeten und des Mondes. Wenn man genauer hinschaut, dann erkennt man, dass auch die relativen

Größen der Planeten Venus, Mars, Jupiter und Saturn eingetragen sind! Ich finde insbesondere dieses Bild sehr gelungen. Eine hohe Informationsdichte, dabei übersichtlich und ästhetisch ansprechend. Zusätzlich eingetragen sind herausragende Ereignisse wie Finsternisse, Oppositionen, Konjunktionen im Sonnensystem und Schattendurchgänge der Jupitermonde.
An den ,,Rändern" des sanduhrförmigen Schaubildes sind diese eingetragenen Ereignisse ausführlich erläutert. Teilweise ist dies noch mal mit kleinen Illustrationen versehen, und in manchen Fällen sind Hinweise auf weiterführende Informationen auf der Webseite des Verlages angegeben.
Auf der rechten Seite finden sich Himmelskarten für jeden Monat, ähnlich denen in astronomischen Zeitschriften. Sicherlich

gehört so etwas hier hinein, ich benutze aber lieber eine drehbare Sternkarte. Dazu angegeben sind die vier Haupt-Mondphasen in jedem Monat. In den Karten selbst sind die Bahnbögen der am Nachthimmel sichtbaren Kometen zu sehen. Es ist auch möglich, die Ansicht des Himmels vor oder nach Mitternacht zu entnehmen, die Zeiten stehen über den entsprechenden Karten. Die Planetenpositionen stimmen dann freilich nicht.
Neben dem praktischen Nutzen ist dieses Poster ein wirklich attraktiver Wandschmuck. Besonders Sternwarten empfehle ich dies, weil Anfängern der Sternhimmel anschaulich und auf einfache Weise nahegebracht werden kann. Uwe Pilz

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