Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 80
NACH REDAKTIONSSCHLUSS
4 Mitgliedsbeiträge und Bezugskosten von "Sterne und Weltraum" (VdS-Vorstand)
4 Hinweise zur Beitragsrechnung für das Kalenderjahr 2022 (VdS-Vorstand)
5 VdS-Tagung und Mitgliederversammlung 2021 (Gallus Astrid)
6 VdS-Medaille 2021 - deutscher Preis für Amateur-Astronomie (VdS-Vorstand)
7 Neue Fachgruppe Remote-Sternwarten gegründet (Klug Andreas)
8 Bundesverdienstkreuz für Andreas Hänel (Schomann Michael)
SPT/STERNFREUNDE VERREISEN
9 Einleitung zum Schwerpunktthema Sternfreunde verreisen (Schomann Michael)
10 Sierra-Nevada-Tour 1984 (Filzinger Olaf)
14 Mit Freunden im Schatten des Mondes (Ludwig Marco A.)
19 Nicht nur Sonnenfinsternis - Abenteuer Sternhimmel im Westen der USA (Hänel Andreas)
25 Der besondere Reiz des südlichen Sternhimmels - oder: Ist eine Reise ins südliche Afrika auch partnertauglich? (Detken Kai-Oliver)
29 Viareggio in Italien - Astrourlaub im hellen Kunstlicht (Güths Torsten)
32 Von der Waldesruh in die Milchstraße blicken (Fischer Manfred W. K.)
35 Erlebnis Sternenhimmel im Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide (Kahrmann Marina)
36 Mecklenburg-Vorpommern - ein Sternenparadies im Nordosten Deutschlands (Danielides Michael)
40 Von Köln über die Eifel nach La Palma und bis nach Namibia (Kopp Karsten)
46 Der größtmögliche Planetenwanderweg (Gährken Bernd)
48 Mit dem Zug zur tanzenden Lady - von Peine nach Kiruna und wieder zurück (Meirich Wolfgang)
52 Ein hindernisreicher Ausflug zur partiellen Sonnenfinsternis mit ISS-Transit (Hildebrandt Johannes)
ASTROFOTOGRAFIE
59 Neues aus der FG Astrofotografie (Riepe Peter)
60 Gemeinschaftsprojekt Medusa-Nebel - Experiment mit unterschiedlichen Optiken und Filtern (Detken Kai-Oliver)
63 Animationen in der Sonnenfotografie - mein Weg zu ersten Ergebnissen (Siepmann Udo)
67 Wie ist das Seeing in Mitteleuropa eigentlich? - Betrachtungen aus Sicht eines Amateurastrofotografen (Winkler Patrick)
ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
72 Zaghafte Wiederöffnung der Sternwarten für den Besucherbetrieb (Steinmüller Harald)
74 Astronomie und Raumfahrt in der Virtuellen Realität erleben (Meinike Mechthild, Kretschmer Pierre, Schwab Donald)
78 50 Jahre vhs-Sternwarte Neumünster - Astronomie im Herzen Schleswig-Holsteins (Ludwig Marco)
ATMOSPHäRISCHE ERSCHEINUNGEN
82 Zwei Saharastaubereignisse im Februar 2021 (Hinz Claudia, Haußmann Alexander, Schmidt Elmar)
86 Leuchtende Nachtwolken 2021 - zurück zur Normalität? (Hinz Claudia)
88 Von der Küste in die Berge - die VdS-Bilderstrecke "Leuchtende Nachtwolken 2021" (Schomann Michael)
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
94 CCD-Guide 2022 (Bornemann Hartmut)
95 Kreisgrabenanlage Goseck - Mysterium Nordtor (Pilz Uwe, Filling Holger)
DARK SKY
96 Empfehlungen gegen Lichtverschmutzung - im "Lichte" der Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (Hänel Andreas, Frank Sabine, Blank Annegret)
98 Was bringt das neue Naturschutzgesetz gegen Lichtverschmutzung? (Köchling Peter)
DEEP SKY
99 Skyguide 2021 - 4 (Winter) (Zebahl Robert, Merting Rene)
102 Planetarische Nebel in der Leier (Teil 1) (Weis Christian)
105 Deep-Sky-Beobachtungen in Chile (Sawo Mathias)
GESCHICHTE
109 Betrachtungen zur Himmelstafel von Tal-Qadi (Batusch Markus)
114 Messung der tiefen Sonnen- und Mondwenden - eine Machbarkeitsstudie der Archäoastronomie mitten in Berlin (Kaschub Hartmut)
KLEINE PLANETEN
120 Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten (Lehmann Gerhard)
121 Im Gedenken an den Asteroidenforscher Freimut Börngen (1930 - 2021) (Griesser Markus)
124 Die Spur der Vesta (Geiss Alexander)
125 Kosmische Begegnungen (Hohmann Klaus, Ries Wolfgang)
IMPRESSION
127 Der Hantelnebel (Kaltseis Christoph)
KLEINE PLANETEN
128 Die erste Online-Kleinplanetentagung am 29. Mai 2021 (Kandler Jens)
KOMETEN
132 Bedeutende Kometen des 2. Quartals 2021 (Pilz Uwe)
MOND
133 100 Jahre Danjon-Skala (Slansky Peter C.)
SONNE
136 Die Sonne im aufsteigenden Ast zum nächsten Aktivitätsmaximum (Celnik Werner E.)
STERNBEDECKUNGEN
138 Stand der Fachgruppe Bedeckungen (Bredner Eberhard H. R.)
138 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 1. Quartal 2022 (Riedel Eberhard)
VERäNDERLICHE
141 Der Kleinplanet Immo (2373) führte zur Supernova SN 2021hiz (Wenzel Klaus)
VDS-NACHRICHTEN
143 Nachruf: Lutz Clausnitzer (1949 - 2021) - begeisterter Amateurastronom und unermüdlicher Kämpfer für das Schulfach Astronomie (VdS-Redaktion)
144 Nachruf: Erinnerung an Wolfgang Meyer (1947 - 2021) (Hombach Paul)
IMPRESSION
148 Morgenaufgang von Venus (Kiau Manfred)
Textinhalt des Journals 80
Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software.
Der Text ist nicht formatiert, Bildunterschriften sind irgendwo im Text eingefügt.
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Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.
Nach Redaktionsschluss
Mitgliedsbeiträge und Bezugskosten von ,,Sterne und Weltraum"
von Sven Melchert, VdS-Vorsitzender
Die Mitgliederversammlung hat am 13.11.2021 beschlossen, dass die Mitgliedsbeiträge für 2022 bis auf folgende Neuerung unverändert bleiben: Alle Mitglieder, die jünger als 30 Jahre sind, können zu einer kostenlosen Mitgliedschaft wechseln, in der das VdS-Journal aber nur noch als PDF-Datei enthalten ist.
Die Mitgliedsbeiträge für 2022 betragen:
Normalbeitrag Inland und EU
EUR
für Schüler, Studenten und Auszubildende EUR
für Sternfreunde außerhalb der EU
EUR
einmalige Aufnahmegebühr
EUR
40,00 25,00 45,00 7,00
VdS-Mitglieder können die monatlich erscheinende Zeitschrift ,,Sterne und Weltraum" zu deutlich ermäßigten Bezugskosten über die VdS abonnieren. Auch die Abopreise von Sterne und Weltraum ändern sich nicht, wie uns der SpektrumVerlag mitgeteilt hat.
Abo Inland: Abo Inland ermäßigt: Abo Ausland: Abo Ausland ermäßigt:
EUR 93,00 EUR 69,60 EUR 101,40 EUR 78,00
für VdS-Mitglieder: für VdS-Mitglieder: für VdS-Mitglieder: für VdS-Mitglieder:
EUR 70,20 EUR 57,00 EUR 78,60 EUR 65,40
Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 81 ,,Sternwarte Kirchheim" abgeschlossen haben, möchten wir auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen:
,,Sternenparks in Deutschland" in Journal 82 Redaktionsschluss: 01.02.2022, Redakteur: Andreas Hänel, ahaenel@uos.de
,,Sonne" in Journal 83 Redaktionsschluss: 01.05.2022, Redakteur: Andreas Zunker, info@VdS-Sonne.de
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-Fachgruppen-Redakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden. Vorher empfehlen wir, als Hilfestellung die Autorenhinweise zu nutzen (siehe www.sternfreunde.de/ astronomie-fuer-mitglieder/fuer-alle-mitglieder/vdsjournal/autorenhinweise-journal-fuer-astronomie/). Dort finden Sie auch einen Musterartikel als Vorbild und das Artikeldeckblatt zum Eintragen der wichtigsten Daten.
Mit dem Einsenden gibt jeder Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im ,,VdS-Journal für Astronomie". Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion
Hinweise zur Beitragsrechnung
für das Kalenderjahr 2022
von Andreas Klug, VdS-Vorstand
Dieser Ausgabe des Journals ist wieder eine Beitragsrechnung beigefügt. Der Versand des Journals erfolgte in einer Fensterversandtasche, dabei diente das Adressfeld auf der Beitragsrechnung gleichzeitig dem Versand. Wer diese Hinweise liest, hat auch eine Beitragsrechnung erhalten.
Bitte gleichen Sie den Betrag der Beitragsrechnung möglichst umgehend aus. Soweit eine Lastschriftvollmacht vorliegt, ist dies auf der Rechnung vermerkt. Bei Zahlungen geben Sie bitte unbedingt Ihre Mitgliedsnummer an.
Bei SEPA-Überweisungen sind folgende Angaben notwendig: Bank: Sparkasse Starkenburg IBAN: DE79 5095 1469 0000 0117 45 BIC/SWIFT-Code: HELADEF1HEP
Wir bitten Sie darum, uns - wie schon ca. 2.500 Mitglieder - bei der Verwaltungsvereinfachung zu unterstützen und um die Erlaubnis, dass die Beiträge ab 2022 im Lastschriftverfahren eingezogen werden können. Bitte füllen Sie das im unteren Teil befindliche SEPA-Lastschriftmandat aus und übersenden Sie es der Geschäftsstelle. Lastschrifteneinzüge werden dann schon für das Beitragsjahr 2022 ausgeführt.
Um die Beiträge in der Steuererklärung geltend zu machen, bedarf es keiner gesonderten Zuwendungsbestätigung. Bis zu einem Betrag (Beitrag/Spende) von nicht mehr als 200,00 EUR reicht der Zahlungsnachweis in Verbindung mit der auf der Beitragsrechnung abgedruckten Bestätigung.
Bei Fragen im Zusammenhang mit der Beitragszahlung können Sie sich direkt an mich per E-Mail unter schatzmeister@sternfreunde.de wenden oder an die Geschäftsstelle service@sternfreunde.de. Bitte geben Sie dabei eine Telefonnummer an, da sich viele Fragen so schneller klären lassen.
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VdS-Tagung und Mitgliederversammlung 2021
von Astrid Gallus
Die erste reine Online-VdS-Tagung und Mitgliederversammlung der VdS hat am 13.11.2021 erfolgreich stattgefunden! Es war ein Experiment, wie immer bei einem ersten Mal, aber es hat funktioniert. Eine gänzlich neue Erfahrung, die aber den in der Spitze 155 Teilnehmern offensichtlich gefallen hat.
Sven Melchert eröffnete die 35. Mitgliederversammlung und Dominik Elsässer führte nicht nur souverän als Moderator durch die Tagung, sondern hatte auch für das Vortragsprogramm gesorgt: Dr. Nickel berichtete über Tageslicht-Beobachtungen von Beteigeuze, Dr. Geffert bannte die Teilnehmer mit einem spannenden Beitrag über die Beobachtungen Veränderlicher Sterne mit einem kleinen Fernglas. Dr. Detken erläuterte seine Erfahrungen mit CMOS-Farbkameras und Duofiltern. Den Abschluss des Vormittagsprogramms übernahm Michael Schomann mit einem Bericht über die Aktivitäten der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen.
Dr. Molau startete nach der Pause das Nachmittagsprogramm mit einer Erfolgsgeschichte über das von ihm und seiner
Fachgruppe aufgebaute Allsky7 Fireball Network in Europa. Dr. Bredner begeisterte sein Publikum mit Max und Moritz, seinen beiden Teleskopen, die er zur Beobachtung von Sternbedeckungen nutzt.
Ab 15:30 Uhr begann der Einlass zur Mitgliederversammlung. Hierzu gab es im Vorfeld gesondert versandte Einlass-Codes und, ehrlich gesagt, alle waren überrascht, dass es tatsächlich funktionierte! So konnte Sven Melchert pünktlich um 16.00 Uhr die 35. Mitgliederversammlung mit dem Bericht des Vorstandes über die letzten zwei Jahre eröffnen: In dieser Zeit wurde endlich die neue Webseite fertiggestellt. Die Fachgruppen und der Vorstand konnten sich auf ein neues und modernes, aber in der Form ähnliches Logo einigen, eine wirkliche Teamleistung aller! Torsten Güths hat für die VdS in dieser Zeit ein Einsteigerbrevier geschrieben. Dieses fand auch seinen Einzug auf die neue Webseite unter der Rubrik ,,Einsteiger". Dr. Klug, unser Schatzmeister, kündigte die Gründung einer Fachgruppe zur Verwirklichung eines Remote-Teleskops für die VdS an (siehe Beitrag auf Seite 7).
Die danach vom Schatzmeister vorgelegten Zahlen überzeugten die Mitglieder, und die beiden Kassenprüfer bestätigten deren Korrektheit. Der Vorstand wurde entlastet. Danach ging es zu den Neuwahlen des Vorstands, der bis auf Torsten Güths und Michael Schomann, die nicht mehr kandidierten, der alte ist. Neu hinzugekommen sind Lucia Härer und Dr. Kai-Oliver Detken als neue Beisitzer. Hier erwies sich das Online-Procedere als viel unkomplizierter als das sonst übliche manuelle Zählen der Stimmen.
Nach dem Pflichtteil begann die Kür, und zwar mit den ersten Botschaftern der VdS: Der Vorstand ernannte Dr. Rolando Dölling, Daniel Fischer, Bernd Gährken und Jost Jahn zu Botschaftern. Sie haben besondere Kontakte in der Astrowelt, sind bestens vernetzt und tätig in den unterschiedlichsten Bereichen der Astronomie. Die Botschafter sind ehrenamtlich tätig und können mit ihrem Bekanntheitsgrad neue Sternwarten, Institutionen und neue Mitglieder gewinnen.
Der Höhepunkt fast jeder Mitgliederversammlung ist die Verleihung der VdS-Medaille! Dr. Eberhard Bredner war der sicht-
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Nach Redaktionsschluss
bar berührte neue Medaillenträger. Ihn hatte zu Hause Dr. Werner Celnik mit Urkunde und Medaille überrascht, der nun auch die Laudatio hielt (siehe Seite 6). Danach ehrten die Teilnehmer den ehemaligen und langjährigen Vorsitzenden der VdS, Otto Guthier, mit der Ehrenmitgliedschaft.
Man muss sagen, dass es eine ereignisreiche und an Informationen nicht arme Tagung und Mitgliederversammlung war. Nur eines wäre schöner gewesen, wenn man
sich hätte persönlich treffen können! Andererseits konnten Mitglieder teilnehmen, denen eine Anfahrt nicht möglich gewesen wäre, und so wurde allen klar, dass die Zukunft mindestens in hybrider Form stattfinden wird.
Dr. Oliver Krause vom Max-Planck-Institut in Heidelberg, Chef des deutschen Teils des ,,James-Webb-Weltraumteleskopes" begeisterte mit einem fulminanten aktuellen Vortrag über die Entstehung, Ent-
wicklung und Überführung des Teleskopes nach Kourou, wo es im Dezember 2021 in den Weltraum startet. Und mit diesem Abendvortrag endete um 21:00 Uhr nach vielen Fragen, die Oliver Krause geduldig beantwortete, die 35. VdS-Tagung.
VdS-Medaille 2021 - deutscher Preis für Amateur-Astronomie
Im Rahmen der VdS-Mitgliederversammlung wurde zum 17. Mal die VdS-Medaille - deutscher Preis für Amateur-Astronomie verliehen. Preisträger in diesem Jahr ist der international bekannte Beobachter von Sternbedeckungen Dr. Eberhard Bredner. Da die Mitgliederversammlung online stattfand, staunte Eberhard Bredner nicht schlecht, als plötzlich Dr. Werner E. Celnik vor seiner Tür stand und ihm die Auszeichnung überreichte.
Wir gratulieren Herrn Bredner sehr herzlich zur VdS-Medaille und wünschen ihm viel Erfolg bei seinen abenteuerlichen Reisen zur Beobachtung von Sternbedeckungen durch Kleinplaneten! Nachfolgend die von Werner Celnik gehaltene Laudatio:
Dr. Eberhard H. R. Bredner aus 59229 Ahlen-Dolberg ist international bekannt als jahrzehntelang (auch heute noch) aktiver, systematisch arbeitender Beobachter von Sternbedeckungen. Da Bedeckungsereignisse wie streifende Sternbedeckungen durch den Mond oder Sternbedeckungen durch Kleinplaneten nur an bestimmten Orten beobachtbar sind, fährt er mit seiner einfachen astronomischen Ausrüstung oftmals in einer Nacht 500 bis 800 Kilometer, um ein bestimmtes Ereignis von nur wenigen Sekunden Dauer zu beobachten.
Eberhard Bredner ist Diplom-Physiker und seit vielen Jahren bereits Pensionär. Er war beruflich tätig als Fachbereichsleiter für Naturwissenschaften an der Volkshochschule in Hamm. Dort rührte er lokal sehr erfolgreich die Werbetrommel für die astronomische Bildung, bot ein astronomisches Vortragsprogramm für die Öffentlichkeit an und führte lange Jahre eine Astronomische Arbeitsgemeinschaft am Ort.
Er engagiert sich seit Jahrzehnten in mehreren astronomischen Organisationen In der International Occultation Timing Association (Europäische Sektion IOTA/
1 Werner E. Celnik überreicht
Eberhard Bredner (rechts) die VdS-Medaille 2021. Foto: Birgit Wickord.
ES e.V.) füllte er viele Jahre lang das Amt des ,,Secretary" aus. In dieser Eigenschaft war er u. a. beteiligt an der Organisation von internationalen ESOP-Tagungen der IOTA in ganz Europa.
Seit den frühen 80er-Jahren ist Eberhard Bredner aktives Mitglied der VdS und seit vielen Jahren Leiter und Redakteur der VdS-Fachgruppe ,,Sternbedeckungen". Er ist regelmäßiger Autor im VdS-Journal für Astronomie, wo er seine Beobachtungsergebnisse vorstellt und gleichzeitig für die Beobachtung von Sternbedeckungen wirbt. Seit Jahrzehnten ist Eberhard Bredner nicht nur auf internationalen Tagungen in ganz
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Europa, sondern auch auf den Tagungen der VdS anzutreffen, und meist mit einem Vortrag: natürlich wie auch in diesem Jahr auf der VdS-Tagung, bei der er sich stets auch in der Mitgliederversammlung unseres Vereins engagiert zu Wort meldet. Aber auch auf der Würzburger Frühjahrstagung und der Bochumer Herbsttagung hält er regelmäßig Vorträge, ebenso wie an Planetarien und Volkssternwarten. Seine unnachahmliche Art des Vortragens hat ihm viele Sympathien eingebracht, und auch zu einem fliegenden Wort geführt, Zitat: ,,Das Bild ist zwar nicht schön, aber es ist von mir!" Einer der aus meiner Sicht fachlichen Höhepunkte seiner Vorträge bestand in einem beeindruckenden Video, das zeigt,
wie der Stern Regulus bei einer streifenden Bedeckung durch den Mond partiell (!) bedeckt wurde.
Eberhard Bredner pflegt intensiv Kontakte zu Sternbedeckungsbeobachtern aus aller Welt, insbesondere in den Niederlanden und in Frankreich. Er organisiert gemeinsame Beobachtungen bestimmter Ereignisse über Ländergrenzen hinweg und koordiniert die Auswertungen. Ich habe selbst erlebt, wie sich an der deutsch-niederländischen Grenze die Beobachter trafen und sich dann über die für streifende Sternbedeckungen bedeutsame Beobachtungslinie verteilten, die Beobachtung durchführten und am Schluss bei einem gemeinsamen
Essen (auch nachts um 3 Uhr!) das Event gemeinsam im intensiven Gespräch abschlossen. Kontakte, die nachhaltig bleiben. Bei allem astronomischen Beobachtungseifer vergisst Eberhard Bredner dabei nie die VdS, für die er stets Mitglieder versucht zu werben.
Eberhard Bredner hat sich mit seinem stetigen und systematischen Engagement in der Amateur-Astronomie in hohem Maße mit den Zielen und dem Satzungsauftrag der Vereinigung der Sternfreunde identifiziert und diese unterstützt. Mit der Verleihung der VdS-Medaille gebührt ihm zu Recht der Preis der deutschen Amateur-Astronomie des Jahres 2021.
Neue Fachgruppe Remote-Sternwarten gegründet
von Andreas Klug
Die Idee einer VdS-eigenen Remote-Sternwarte geisterte schon seit einiger Zeit durch den Vorstand, und nicht erst durch Corona hat auch dieser Teil der Digitalisierungsstrategie erheblich an Bedeutung gewonnen. Öffentliche Beobachtungsabende können unter den aktuellen Bedingungen nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden. Mit Remote-Beobachtungen wird eine Fortführung und Verbesserung der Bildungsaktivitäten der VdS im Bereich Amateurastronomie möglich.
Es gilt, in der Fachgruppe neben der genauen Zielstellung (Anwendungsbereich), die dazu benötigte Technik (insbesondere das Teleskop und die Kamera) und auch den geeigneten Standort für das VdS-RemoteTeleskop zu finden. - Also viel Arbeit für interessierte Mitglieder!
Als Mitglieder der zukünftigen Fachgruppe Remote-Sternwarten wünschen sich die verantwortlichen FG-Leiter Andreas Klug und Kai-Oliver Detken alle diejenigen, die entweder selbst schon Erfahrung in diesem Bereich gesammelt haben und diese gerne
teilen, diejenigen, die sich an dem Projekt beteiligen wollen (Auswahl, Errichtung und Betrieb eines Remote-Teleskopes für die VdS) bzw. diejenigen, die lernen wollen, wie man eine Remote-Sternwarte baut und betreibt. - Bitte schreibt an andreas.klug@ sternfreunde.de und/oder Kai-Oliver. Detken@sternfreunde.de.
Die gute Nachricht ist - durch einen großzügigen Spender aus den Reihen des Vereins hat die VdS die Möglichkeit, in einem finanziellen Rahmen von ca. 100.000 (!) dieses Projekt zu verwirklichen!
Die VdS kann damit eine leicht zugängliche, kostengünstige Möglichkeit der Remote-Beobachtung von Planeten, Sternen, Galaxien und Himmelsereignissen für die Mitglieder errichten und betreiben. Dieses sollte an einem sehr dunklen, aber gut erreichbaren und mit der notwendigen Infrastruktur (Strom, Internet u.a.) ausgestatteten Standort aufgestellt werden, um so den Nutzern attraktive Beobachtungsmöglichkeiten zu bieten, die sie privat nicht oder nur mit großem finanziellen und techni-
REMOTE-STERNWARTE
schen Aufwand möglich machen könnten. - Das ist eine notwendige und sinnvolle zeitgemäße Weiterentwicklung der Beobachtungserfahrung.
Das Projekt wird so einen deutlichen Mehrwert für alle Mitglieder (Fachgruppen, Sternwarten und Einzelmitglieder) schaffen, der sie durch günstige Konditionen aktiviert und motiviert, neue Projekte anzugehen oder sich in einschlägigen Fachgruppen einzubringen, Artikel und Bilder für das VdS-Journal zu generieren, und auch für Nichtmitglieder die Attraktivität der VdS deutlich steigert.
Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie der VdS, die neben einer schon verwirklichten neuen Webseite eine neue Vereinsverwaltungssoftware (SaaS-Lösung) mit Community-Funktionalität umfasst, ist dieses Ziel, den Mitgliedern ein modernes Remote-Teleskop zur Verfügung zu stellen, somit ein Herzstück der Strategie VdS 2.0 digital und innovativ und interaktiv zu sein.
Wir freuen uns auf eine rege Teilnahme!
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Nach Redaktionsschluss
Bundesverdienstkreuz für Andreas Hänel
von Michael Schomann
Bereits im Oktober 2020 erhielt Dr. Andreas Hänel, Leiter der VdS-Fachgruppe Dark Sky, die Auszeichnung vom Bundespräsidenten ,,auf dem Papier". Aufgrund der Corona-Pandemie sollte es dann aber noch fast ein Jahr dauern, bis ihm an seiner alten Wirkungsstätte beim Osnabrücker Planetarium die Ehrung durch die Landrätin Anna Kebschull verliehen wurde.
Es war eine sehr fröhliche Veranstaltung an diesem 19. August 2021, zu der geladene Gäste mit angemessenem Abstand dabei sein konnten. In das Buch der Stadt Georgsmarienhütte schrieb Andreas Hänel die Zeilen: ,,Mit dem Dank für die hohe Auszeichnung mit dem Verdienstkreuz am Bande verbinde ich den Wunsch, dass auch in Zukunft die Nacht durch eine nachhaltige künstliche Beleuchtung geschützt wird!"
1 Andreas Hänel erhält das Verdienstkreuz am Bande mit Urkunde.
Foto: Michael Schomann.
Das vielfältige Engagement von Andreas Hänel wurde von den vielen Rednern aus Politik, Wissenschaft und Weggefährten von Sternenparks gewürdigt. Seine Frau und Familie wie auch die Sternfreunde aus Osnabrück haben ihn dabei immer unterstützt. Zum Schluss sagte er, dass es eigentlich ganz einfach ist, Lichtverschmutzung zu vermeiden.
Mit Blick auf die Politiker in der ersten Reihe schlug er einen Rundgang am Schölerberg vor, um die guten und nicht so guten Beispiele zu zeigen. Die Ehrung für Andreas Hänel ist auch eine Auszeichnung für alle Menschen, die sich für eine natürliche Nacht zum Schutz von Mensch und Umwelt einsetzen.
Dafür einen herzlichen Dank an Andreas Hänel von unserer Vereinigung der Sternfreunde.
2 Sabine Frank aus der
Sternenstadt Fulda war eine der Lobrednerinnen. Foto: Michael Schomann.
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Einleitung zum Schwerpunktthema
Sternfreunde verreisen
von Michael Schomann
1 Skifahren in der Sierra Nevada im
Frühsommer 1994 mit dem Autor im Bild. (Fotografin: Grieteke Bosma)
Jeden Sommer ging es früher mit der Familie und dem Auto in den Urlaub, meistens an das Meer. Im Frühsommer 1971 war das Ziel ein Haus in Marbella. Drei Tage hatte die Fahrt gedauert, doch ich vergesse nie den Anblick der Alhambra vor der schneebedeckten Sierra Nevada im Süden Spaniens. Es sind die schönen Erinnerungen und die Abenteuer, derentwegen wir gerne verreisen.
So auch Olaf Filzinger, der über seine Sierra-Nevada-Tour 1984 berichtet, oder Marco Ludwig, der seine alte Gastfamilie auf einer Farm in den USA zur totalen Sonnenfinsternis 2017 wiedersah. Natürlich steht für uns als Sternfreunde das Erlebnis, unter einem besonderen Himmel zu stehen, im Vordergrund. Davon berichten Andreas Hänel mit ,,Abenteuer Sternhimmel im Westen der USA" oder Kai-Oliver Detken zum ,,Reiz des südlichen Sternhimmels". Bei Kai-Oliver Detken und dem nachfolgenden Artikel von Torsten Güths geht es auch um partnertaugliche Reisen. Daher verbrachte Torsten Güths seinen Urlaub in
der Toskana bei aufgehelltem Himmel, jedoch zum Vergnügen für beide Seiten.
Doch man muss nicht weit fahren, um das Besondere auch hierzulande zu erleben. Manfred Fischer, Marina Kahrmann und Michael Danielides berichten jeweils über ihre ,,Sternenparadiese" in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Überhaupt stehen Sternenparks oder Regionen mit natürlich dunklem Nachthimmel im Vordergrund vieler Exkursionen. Bei Karsten Kopp ging es ,,von Köln über die Eifel, nach La Palma und bis nach Namibia". Noch weiter reist - zumindest in Gedanken - Bernd Gährken, der kurzerhand den längsten Planetenwanderweg auf der Erde erfindet. Der derzeitige Rekordhalter für Planetenwege steht in Schweden mit dem nördlichsten Punkt in Kiruna. Genau dahin hat es auch unseren Autor Wolfgang Meirich verschlagen, der für eine Woche von Niedersachsen mit dem Zug zur ,,tanzenden Lady" fuhr. Gemeint hat er damit die Polarlichter bei klirrender Kälte.
Hiermit sind wir gedanklich wieder bei der schneebedeckten Sierra Nevada angelangt, die ich persönlich ein zweites Mal 1994 auf einer Andalusien-Rundfahrt mit Freundin besuchte (Abb. 1). Dass wir dort im Frühjahr auf 2.800 Meter Höhe einen Tag Skifahren konnten, wäre uns im Traum nicht eingefallen. Manchmal passieren Dinge auf Reisen, mit denen man vorher nicht gerechnet hat. Daher allen reisefreudigen Sternfreunden allseits eine gute Tour, am Himmel wie auf Erden.
Hinweis: Auf den Seiten 53-57 haben wir den durch die Corona-Pandemie gebeutelten astronomischen Reiseanbietern eine kostenfreie Werbefläche eingeräumt. Möge es für sie im neuen Jahr 2022 besser laufen.
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Sternfreunde verreisen
Sierra-Nevada-Tour 1984
von Olaf Filzinger
Angeregt durch einen Artikel in der Zeitschrift ,,Sterne und Weltraum", reisten drei Mitglieder der Sternwarte Hofheim in die andalusische Sierra Nevada, um dort den Sternhimmel zu beobachten und zu fotografieren. Beeindruckende Schilderungen des Nachthimmels dort, die schlechten astronomischen Bedingungen des RheinMain-Gebiets sowie eine gewisse Abenteuerlust veranlasste sie, diese anstrengende Reise mit dem Auto und einem kleinen Anhänger zu unternehmen. Man schrieb das Jahr 1984.
Wer erinnert sich noch an 1984? Es ist schon faszinierend zu rekapitulieren, welche heutigen Errungenschaften der Technik damals noch nicht existent waren. Viele inzwischen selbstverständliche Alltagsgeräte machen uns heute das Leben so viel einfacher, auch in der Amateurastronomie. Es gab 1984 weder Mobiltelefone noch Internet, keine Digitalkameras oder Laptops, also auch keine Planetariumsprogramme. ,,Autoguiding" erfolgte mit dem Auge am Fadenkreuzokular, und Amateurteleskope waren meist klein und sehr teuer. Halbwegs günstige Flüge in die dunklen Regionen der Welt gab es übrigens auch noch nicht, ebenso wie es keinen Euro gab und auch keinen Schengen-Raum.
Im Januar 1984 erschien ein Artikel in Sterne und Weltraum [1], der uns (Rene Purwin, Stefan Thiele und Olaf Filzinger) beim abendlichen Sternwartentreffen gleich restlos begeisterte: Fünf Amateurastronomen waren in die Sierra Nevada nach Andalusien gefahren und hatten unter beeindruckenden Bedingungen fantastische Bilder erstellt. Nun ist man als Student mit Anfang 20 sehr begeisterungsfähig, hat oft wenig Geld, aber Zeit, Abenteuer- und Reiselust sowie viele vermeintlich gute Ideen. Nach ein paar Bier war uns klar: Das wollen wir sehen, das machen wir auch!
1 Drei Personen mit Gepäck, Kameras, Stativen, Teleskopen und Lebensmitteln für
eine Woche - um das alles verstauen zu können, mussten wir einen kleinen Anhänger mitnehmen. (Bild: Olaf Filzinger)
Tatsächlich fanden wir einen Termin im Juni 1984, an dem wir die zweiwöchige Reise durchführen wollten. Zur Sommersonnwende ist es, anders als in Deutschland, auf 37 Grad Nord nachts durchaus mehrere Stunden lang dunkel. Wir planten, unweit des Pico Veleta (3.400 m) und des Mulhacen (3.482 m) auf großer Höhe eine Woche lang zu zelten - Hotels gab es dort nicht -, zu beobachten und Fotos zu machen. Für Hinund Rückreise war eine knappe Woche vorgesehen. In Südspanien gab es damals noch keine Autobahnen, und wir mussten auf der Hin- und Rückreise je zwei Grenzen passieren.
Es blieben wenige Monate der Vorbereitung. Das höchste Gebirge der Iberischen Halbinsel war auch damals schon Landschaftsschutzgebiet, und wir brauchten eine Genehmigung des entsprechenden Ministeriums in Spanien, um dort zelten
zu dürfen. Die Genehmigung wurde uns problemlos erteilt. Heute befindet sich dort ein Skigebiet mit Liften und anderer touristischer Infrastruktur.
Wir haben die Monate auch genutzt, Sponsoren für unsere Reise zu finden. So hat uns Nissan Deutschland einen Geländewagen für die Reise zur Verfügung gestellt. Aus Wetzlar bekamen wir leihweise einige Leica-Kameras und Objektive. Für unser umfangreiches Gepäck liehen wir uns einen kleinen Anhänger aus unserem privaten Umfeld, der die insgesamt 5.700 km lange Reise problemlos bewältigte, unsere Marschgeschwindigkeit aber auf 80 km/h limitierte (Abb. 1).
Wir entschieden uns für den Anstieg in die Sierra Nevada von Norden aus, da die Straße zum Pass am Pico Veleta von Süden her nicht befestigt war. Der Pass ist übrigens mit
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Sternfreunde verreisen
3.367 m Höhe die höchste befahrbare Straße Europas, höher als jeder Alpenpass. Allerdings ist diese Straße seit 1999 nur noch für Fahrräder und Wanderer offen. Und so standen wir am Nachmittag des 21. Juni 1984 auf gut 3.000 m Höhe im Orkan bei 5 Grad am Rande eines Schneefeldes. Der Pass unerreichbar, die Straße völlig zu mit meterhohem Schnee. Sie wurde Tage später geräumt, und wir waren in diesem Jahr die Ersten, die den Pass dann überquert hatten (Abb. 2). Bis dahin blieb uns allerdings nur, querfeldein einen geeigneten Platz zu finden und ein Notlager einzurichten (Abb. 3), die Zelte gegen Wegfliegen am Auto festzuzurren und zu sichern, die Nacht an die Zeltstangen geklammert zu verbringen und auf besseres Wetter zu hoffen.
2 Auf etwa 3.300 m, kurz vor der Passhöhe bei der Überfahrt über den höchsten
befahrbaren Pass Europas. Die Schneefräse hatte unmittelbar vorher den Durchstich durch 5 m mächtige Schneemassen geschafft. (Bild: Olaf Filzinger)
Das bessere Wetter folgte dann, und wir konnten sechs Nächte unter ganz hervorragenden Bedingungen bei Windstille und Bodenfrost verbringen. Unser Lager befand sich auf etwa 3.000 m Höhe knapp oberhalb einer Inversionsschicht, und hier war die Luft unvorstellbar klar und trocken. Jeden Abend bildete sich ein farblich sehr intensiver Dämmerungsbogen, während wir unsere Ausrüstung aufbauten (Abb. 4). Wenn es dann vollständig dunkel war, zeigte sich ein fantastischer Sternhimmel. Erstmals konnten wir das Zodiakallicht in enormer Breite sehen, und der Andromedanebel passte nicht in das Gesichtsfeld unseres 11 x 80-Feldstechers. M 33, bei uns im Teleskop eher zu ahnen als zu sehen, war freiäugig leicht sichtbar, im Feldstecher grandios, genau wie zahlreiche Sternhaufen und Gasnebel in der Milchstraße. Leider endete unser Horizont im Schützen, da im Süden der Pass war. Dies hat allerdings unserer Begeisterung keinen Abbruch getan, und wir haben mit teils selbst gebastelter Nachführausrüstung (Abb. 5) einige schöne Sternaufnahmen machen können (Abb. 6-8), die sich allerdings in ihrer Qualität nicht mit
3 Unser Notlager am Rande eines Schneefelds. Links die Universitätssternwarte
Granada mit ihren zwei Kuppeln, rechts das 30-m-IRAM-Radioteleskop für Millimeterwellen (Bild: Olaf Filzinger)
den heute möglichen Ergebnissen vergleichen lassen.
Tagsüber konnten wir dann mit einem Celestron-8-Teleskop die Sonne beobachten und haben uns dabei fürchterliche Sonnenbrände geholt. Die UV-Strahlung war schon enorm in dieser Höhe um 3.000 m, die durch die Schneefelder der Umgebung
noch verstärkt wurde. Neben der Sonnenbeobachtung hatten wir tagsüber viel Zeit, konnten den Pico Veleta und den Mulhacen erwandern, uns die Alhambra in Granada anschauen und auch das nahe gelegene IRAM-Radioteleskop (Institut für Radioastronomie im Millimeterbereich) besuchen. Die Wissenschaftler dort waren sehr freundlich, und wir durften das 30-m-
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4 Abendstimmung in der Dämmerung bei der Vorbereitung unserer
nächtlichen Beobachtung (Bild: Olaf Filzinger)
Teleskop auch ohne Termin besichtigen. Genauso wie die Universitätssternwarte Granada, die sich unmittelbar in der Nähe unseres Lagers befand. Wir haben auch hier, ohne einen Termin zu haben, einfach angeklopft. In den zwei Kuppeln konnten wir tagsüber das dortige 24-Zoll- und das 30-Zoll-Teleskop besichtigen.
Auf der Rückfahrt haben wir dann das damals noch recht neue Observatorium auf dem Calar Alto besucht. Wieder ohne Termin, bekamen wir spontan eine sehr freundliche Führung und durften sogar das damals brandneue 3,5-m-Teleskop in seiner Kuppel bestaunen sowie in die Kuppeln des 1,25-m- und des 2,2-m-Teleskops gehen.
Weitere Highlights der Rückfahrt waren dann noch das Dali-Museum in Figueres sowie ein Abstecher in die Camargue. Alles zusammen in zwei Wochen anstrengender Reisezeit.
Im Nachgang haben wir dann auch den einen oder anderen Bericht über unsere Reise veröffentlicht [2, 3] und viele Dia-Abende im Freundeskreis bei spanischem Rotwein gehalten. Auch wurden von anderen Autoren weitere Reiseberichte veröffentlicht [4, 5, 6], die zeigen, dass wir nicht die Einzigen waren, die für ihre Reise durch
5 Selbst gebaute Nachführeinrichtung auf Basis einer Celestron-
8-Gabelmontierung. Für die Nachführkontrolle wurde ein Kosmos-E68Refraktor verwendet. Hiermit konnten vier Kameras mit kurzen Brennweiten nachgeführt werden. (Bild: Olaf Filzinger)
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den ursprünglichen Artikel inspiriert und dann vor Ort mit einem exzellenten Sternhimmel belohnt wurden.
Es sind mittlerweile sehr viele Jahre vergangen seit unserer Reise. Ich habe inzwischen einige dunkle Orte dieser Welt im Rahmen astronomischer Reisen kennenlernen dürfen sowie Polarlicht- und Sonnenfinsternisreisen unternommen. Aber wenn ich zurückdenke, dann ist es bis heute diese abenteuerliche, anstrengende, trotzdem unbeschwerte und manchmal chaotische Reise in das andalusische Hochgebirge, an die ich immer zuerst denke, wenn ich nach astronomischen Reisen gefragt werde!
Literaturhinweise: [1] W. E. Celnik, P. Riepe, H.-G. Weber, 1984:
,,Astrophotographie in der Sierra Nevada", Sterne und Weltraum 1/1984, S. 37-39 [2] R. Purwin, 1985: ,,Astrofotografie - Erlebnisse in der Sierra Nevada", Leica Fotografie 6/1985, S. 10-13 [3] O. Filzinger, R. Purwin, S. Thiele, 1986: ,,Milchstraßen-Off-Road", OFFROAD 3/1986, S. 12-18 [4] H. Groß, S. Grundler, B. Rafflenbeul, D. Panczyk, 1987: ,,Astrophotographie und Planetenbeobachtung in Südspanien", Sterne und Weltraum 11/1987, S. 642643 [5] M. Stürner, J. Kertzscher, 1996: ,,Visuelle Deep-Sky Beobachtungen in der Sierra Nevada", Interstellarum 1/1996, S. 24-26 [6] W. E. Celnik, B. Brinkmann, P. Svejda, 1996: ,,Sierra Nevada - visuell", Interstellarum 3/1996, S. 24-30
6 Die Sommermilchstraße im Schützen, Schild
und Adler, aufgenommen mit 35 mm Brennweite. Der helle Punkt ist Jupiter. Die Bilder sind mit Kodak-Ektachrome-400-Film aufgenommen worden. (Bild: Olaf Filzinger)
7 Nördlicher Schwan mit Nordamerikanebel,
aufgenommen mit 90 mm Brennweite (Bild: Olaf Filzinger)
8 Ein heller Teil der sommerlichen Milchs traße
ist im Sternbild Schild (Scutum) zu finden. Das Bild wurde mit 90 mm Brennweite aufgenommen. (Bild: Olaf Filzinger)
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Sternfreunde verreisen
Mit Freunden im Schatten des Mondes
von Marco A. Ludwig
Um im Schatten des Mondes zu stehen, nehmen viele Amateur-Astronomen lange Reisen auf sich. Wer dieses absolut außergewöhnliche Naturschauspiel am eigenen Leib erfahren hat, wird vielleicht auch sagen: Das muss man einmal im Leben gesehen haben! Die ,,Great American Eclipse", die 2017 in den USA zu sehen war, erwies sich für den Autor und seinen Begleiter als genau jene außergewöhnliche Lebenserfahrung.
Die Idee, diese totale Sonnenfinsternis ausgerechnet in Oregon zu beobachten, war zuvor schon lange gereift. Die Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis 1999 wurde damals leider in letzter Sekunde von Regenwolken verhindert, weshalb die Beobachtung der verdeckten Sonne schon seit vielen Jahren auf meiner Agenda stand.
1 In der Nacht zeigte sich auf den umliegenden Hügeln bei Madras das Ausmaß
der Waldbrände.
Tatsächlich hatte ich das Glück, im Rahmen eines Schüleraustausches im Jahr 2003 in einer Kleinstadt namens Scappoose auf die Familie Wentz zu treffen. Die Amerikaner mit deutschen Vorfahren wurden schnell zu meiner zweiten Familie, und es folgten in fast 20 Jahren unzählige Besuche auf beiden Seiten. Zufällig war es mir bei früheren Besuchen sogar vergönnt, Sonnenund Mondfinsternisse zu beobachten, die in Europa unbeobachtbar waren. Als mir bewusst wurde, dass in diesem wunderschönen US-Bundesstaat eine totale Sonnenfinsternis zu sehen sein sollte, war der nächste Urlaub fast schon gebucht.
Dabei blieben meine Pläne natürlich nicht geheim. Zudem ergab sich inzwischen eine große Hürde für mich. Aufgrund eines Gendefektes war bei mir eine Augenkrankheit ausgebrochen, die meine Sehfähigkeit auf nur 10% beschränkt, was Autofahren nun unmöglich machte. Glücklicherweise waren meine Sternfreunde in Neumünster gerne hilfsbereit und boten mir bei mobilen
2 Ein benachbarter
Farmer hat auf dem Highway die Zentrallinie aufgemalt und auch eine passende Sitzgelegenheit bereitgestellt.
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3 Das internationale Fotogra-
fenteam, bestehend aus dem US-Amerikaner Jeff Grabhorn und den Neumünsteraner Sternkiekern Stefan Bruns und Marco Ludwig.
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4 Beim Diamantring-Effekt wird der Mond scheinbar von der Sonnenkorona umgeben, während am Rande schon wieder
ein Stück unseres Heimatsterns aufblitzt.
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Sternfreunde verreisen 16 | Journal für Astronomie Nr. 80
Sternfreunde verreisen
6 Eine Collage der verschiedenen Phasen der totalen Sonnenfinsternis. Markus Bruhn hatte
dem Team für diese Bilder einen Williams-APO-Refraktor mit 430 mm Brennweite geliehen.
Einsätzen immer wieder eine Mitfahrgelegenheit an. Speziell mit Stefan Bruns hatte ich in den vergangenen Jahren viele außergewöhnliche Events und so z. B. den Venustransit auf Usedom oder Polarlicht an der Fehmarnsundbrücke erleben dürfen. Nun schlug er vor, mich bei der Sonnenfinsternis in den USA begleiten zu dürfen. Als Team wollten wir von nun an das Projekt ,,US-Eclipse" angehen.
In Vorbereitung unserer Mission mussten aber auch Experten zu Rate gezogen werden. Da lag es nahe, den Hamburger Sonnenfinsternisexperten Hartwig Lüthen in die Sternwarte Neumünster einzuladen. Begeisterte SoFi-Fans aus ganz SchleswigHolstein lauschten seinen Ausführungen und Ratschlägen zur professionellen SoFiBeobachtung. Außerdem zeigte sich, dass gefühlt jeder zweite Astronom in unserem Umfeld eine Expedition in die USA plante. Noch zu klären war für uns jedoch, wo genau in Oregon wir im Schatten des Mondes stehen wollten. Scappoose lag weit außer-
5 Linke Seite: Eine Mehrfachbelichtung
der totalen Sonnenfinsternis in den USA. Deutlich ist die Bewegung des Mondes vor der aufgehenden Sonne zu erkennen.
halb der Totalitätszone. Die Kleinstadt Madras wurde uns immer wieder empfohlen, aber eine Zeltstadt mit mehreren hunderttausend Besuchern war eigentlich nicht unser Traumziel. Familie Wentz jedoch zog noch ein Ass aus dem Ärmel. Sie nahmen Kontakt mit einer anderen Familie in Scappoose auf, die eine eigene Farm in Madras besaß, Familie Grabhorn. Wie sich herausstellte, lag ihre Farm gerade einmal einen Kilometer neben der Zentrallinie. Konnte man noch mehr Glück haben? - Konnte man! Familie Grabhorn hatte auch einen Sohn namens Jeff, der am gleichen Schüleraustausch wie ich teilgenommen hatte. Er kannte Neumünster und war unglaublicherweise selbst Amateurastronom!
In Scappoose angekommen, erwarteten uns zunächst ein paar entspannte Urlaubstage bei Familie Wentz. Allerdings lag etwas in der Luft: An jeder Ecke war die spannende Vorfreude auf das bevorstehende Großereignis zu spüren. Im Radio und im Fernsehen wurde rund um die Uhr berichtet. Die Wetterberichterstattung drehte sich einzig und allein um Prognosen, wo die Sonnenfinsternis am besten zu sehen sein dürfte. Und natürlich gab es auch Waldbrände wie immer um diese Jahreszeit, die die Sicht auf die Sonne trüben konnten. Prognosen über
ein bevorstehendes Verkehrschaos rund um Madras trieben uns ganze drei Tage vor der Sonnenfinsternis gen Westen. Mein Gastvater Donald Wentz, der beim Chiphersteller Intel arbeitet, stattete uns noch mit einigen technischen Spielereien wie GoPro-Videokameras und Tablets aus. Zur Sicherheit luden wir unser Auto mit rund 100 Litern Wasser voll, falls wir eine Panne haben sollten.
Mit unserem Mietwagen steuerte Stefan vom Pazifik über Berge und durch Urwälder bis auf den Mount Hood. Das Wahrzeichen Oregons beherbergt auf einer Höhe von 1.830 Metern die Timberline Lodge, wo wir einen unvergleichlichen Ausblick über das Land genießen konnten. Durch karge, wüstenähnliche Landschaften, vorbei an Waldbränden (Abb. 1), ging es dann weiter bis nach Madras. Bei bestem Wetter und fast 40 Grad C Lufttemperatur traf uns fast der Schlag, als wir an der Grabhorn-Farm ankamen. Im Haus, wie es bei Amerikanern üblich ist, konnten wir kühle, wohl temperierte Luft genießen. Als Gäste der Familie Grabhorn lernten wir nun die Umgebung kennen. Auf der Fahrt in die nahe gelegene Stadt überfuhren wir eine quer zur Fahrtrichtung verlaufende Linie (Abb. 2). Tatsächlich hatte ein benachbarter Farmer die
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Sternfreunde verreisen
7 Die Multnomah Falls in Oregon
zählen zu den berühmtesten Wasserfällen unseres Planeten.
suchern nur wenige Meilen entfernt ohne lokale Bevölkerung stattfand.
Als der Schatten des Mondes sich näherte, hatten wir wohl alle schon eine Gänsehaut. Gemeinsam mit dem Mondschatten reiste eine Armada von Flugzeugen über den Himmel. Als die Sonne verschwand (Abb. 4-6), schrien einige Beobachter vor Begeisterung. Während unsere Kameras am laufenden Band Bilder schossen, rauschten auch die Jubelrufe der begeisterten Menge der Starparty über uns hinweg. Nach viel zu kurzer Zeit war alles vorbei und die Begeisterung grenzenlos. Während am benachbarten Highway schon die ersten Fahrzeuge gen Heimat fuhren, erfreute das deutschamerikanische Astronomengespann sich noch an der partiellen Phase. Danach ging es auch für uns wieder zurück nach Scappoose.
Zentrallinie auf den Highway gemalt und daneben zwei spezielle Sitzgelegenheiten bereitgestellt. Stefan und ich nutzen die Gelegenheit und ließen uns bei einer Sitzung auf der Zentrallinie ablichten.
In Madras schauten wir uns den lokalen Flugplatz und das dazugehörige Luftfahrtmuseum an und erkundeten dann auch regelmäßig ein lokales Fastfoodrestaurant. Letzteres hatte leider nichts mit kulinarischen Genüssen, sondern eher mit dem kostenlos bereitgestellten WLAN-Zugang zu tun. Letztlich hatten wir in der etwas abseits gelegenen Farm kein Internet, und es galt, noch einige technische Herausforderungen zu meistern. So kooperierte die Kamerasoftware auf den Tablets nicht mit unseren Kameras. Stefan als hauptberuflicher IT-Experte versuchte bei vielen Tassen Kaffee, die Probleme zu lösen. Als dann der Tag der Wahrheit kam, wurden unsere Nerven dennoch strapaziert.
Leider zeigte sich am Morgen des 21. August wohl erstmals seit Wochen eine leichte Bewölkung. Außerdem zogen leichte Rauchschwaden von Waldbränden, die nur einige Kilometer entfernt waren, vorbei. Sollte uns vielleicht doch der Blick auf die Korona verwehrt bleiben? Wir versuchten, Ruhe zu bewahren und brachten alle Gerätschaften in Stellung (Abb. 3). Während unsere Technik lief, zerbrach leider Jeffs 8-Zoll-Glassonnenfilter. Aber auch dafür waren wir gerüstet. Mit ein wenig Sonnenfilterfolie bastelte Stefan schnell einen Ersatz, und Jeff konnte nun doch sein C 8 zum Einsatz bringen.
Zur partiellen Phase zeigte sich die Sonne dann fast makellos. Der Dunst hatte sich doch verzogen bzw. war dünn genug für gute Beobachtungen. Nach und nach trudelten auch immer mehr Besucher auf der Grabhorn-Farm ein. Es hatte sich herumgesprochen, dass Astronomen die SoFi auf der Farm beobachteten, während die große Party mit mehreren hunderttausend Be-
Noch auf der Fahrt wurden die ersten Fotos und Videos geprüft. Ein paar Verkehrsstaus verschafften uns dafür die nötige Ruhe. Auch die Heimat wurde umgehend mit Informationen und Bildmaterial versorgt. Zurück in Scappoose ging es weiter mit der Bildbearbeitung und dem heiß ersehnten Feierabendbier. Wir hatten wirklich Grund zum Feiern und stießen gemeinsam mit Familie Wentz auf eine erfolgreiche Sonnenfinsternis an. Bevor wir wenige Tage später zurück in die Heimat starten mussten, konnten wir doch noch ein paar Tage Urlaub genießen. Besuche am Pazifik sowie bei den berühmten Multnomah-Falls (Abb. 7), die wohl zu den berühmtesten Wasserfällen unseres Planeten gehören, rundeten diese Expedition ab. Mitnehmen durften wir nicht nur unsere beeindruckenden Bilder, sondern auch die Erinnerung an ein außergewöhnliches Naturschauspiel, das wir zusammen mit Freunden erleben konnten. (Alle Bilder wurden von Marco Ludwig und Stefan Bruns aufgenommen)
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Nicht nur Sonnenfinsternis
- Abenteuer Sternhimmel im Westen der USA
von Andreas Hänel
Eine Sonnenfinsternisexpedition ist immer ein riskantes Unternehmen, reist man für wenige Minuten Tausende Kilometer weit und steht dann womöglich unter einer Wolkenschicht. Erfreulicherweise habe ich auf meinen fünf Reisen so ein Pech noch nicht erleben müssen.
Nachdem eine Gruppe Osnabrücker Sternfreunde erfolgreich die Sonnenfinsternis 2006 in der Türkei beobachten konnte, sollte die ,,große amerikanische" Sonnenfinsternis am 21. August 2017 wieder ein relativ leicht erreichbares Reiseziel sein. Die Wetterprognosen waren für die Zentralzone in den Rocky Mountains günstig, und da im Nordwesten der USA auch die dunkelsten Regionen zu finden sind, war klar, dass die Beobachtung des Sternhimmels neben der Finsternis ein wichtiges Ziel sein sollte. Da die Übernachtungspreise auf der Zentralzone exorbitant waren, entschieden wir uns für einen Standpunkt außerhalb in der Stadt Twin Falls im Staat Idaho mit der Option, je nach Wetterprognose zur Finsternisbeobachtung gen Nordwesten, Norden oder Nordosten zu fahren. Die Gruppe bestand aus 12 Personen, die noch von zweien verstärkt wurde, die eigenständig auf eine Reise durch den Westen unterwegs waren.
Die Tage und Nächte vor dem Tage X der Finsternis nutzten wir, um mögliche Beobachtungsplätze für die Finsternis im Voraus zu erkunden, aber eben auch den Sternhimmel zu beobachten. Die möglichen Plätze wurden vorab sorgfältig ausgesucht, was bezüglich der Nachthimmelsqualität sehr gut mit lightpollutionmap.info, bezüglich der lokalen Infrastruktur mit Google Maps und Street View sehr gut geht. Manchmal sind auch topografische Karten, z. B. der App US Topo Maps, oder aber auch Open Street Maps, z. B. mit der App OsmAnd, sehr hilfreich.
1 Die beeindruckten Beobachter der ersten Nacht unter der Milchstraße
am Salmon-Creek-Stausee (Bild: Gerold Holtkamp)
Nach einer 500 Kilometer langen Anreise von Portland bis Twin Falls suchten wir in der ersten Nacht ein leicht erreichbares Ziel an einem Stausee des Salmon Fall Creeks etwa 30 km südlich unseres Hotels. Hier sollte der Himmel schon nahezu natürlich dunkel sein und kaum waren die ersten aus den Autos ausgestiegen, waren auch schon Erstaunensschreie über den fantastischen Sternhimmel zu vernehmen. Nach wenigen Minuten waren die Augen so adaptiert, dass die Milchstraße über den ganzen Himmel ins Auge stach und dank der südlichen Breite - wir waren etwa auf der geografischen Breite der Pyrenäen - das Milchstraßenzentrum besonders gut zu sehen war
(Abb. 1). Die Luft war sehr klar, der Beobachtungsort lag ja immerhin auf etwa 1.500 m Höhe. Die Himmelshelligkeit wurde mit einem Sky Quality Meter SQM-L gemessen und mit der Software Sky Quality Camera von einer Fischaugenaufnahme abgeleitet und lag bei 21,75 Größenklassen/Quadratbogensekunde (mag/arcsec2) (Abb. 2).
Nachdem die Augen vollkommen adaptiert waren, erschien der Himmel etwas verschleiert und die Auswertung der Fotos zeigte dann die charakteristische grüne Färbung durch das Nachthimmelsleuchten, das Airglow (Abb. 3). Wie riskant so ein gedrängtes Reiseprogramm ist, wurde auf der
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Sternfreunde verreisen
2 Fischaugenaufnahme aus den Sawtooth Mountains (am 19.08.2017) mit Sigma-Objektiv 1:3,5 / 8 mm, Canon 6D, ISO 3200,
180 s belichtet. Rechts eine mit der Software Sky Quality Camera abgeleitete Karte in Himmelshelligkeiten. (Bild: A. Hänel)
3 Fischaugenaufnahmen des Nachthimmels an den dunklen Beobachtungsplätzen mit den gemessenen Himmelshelligkeiten
in mag/arcsec2, aufgenommen mit den gleichen Belichtungsdaten wie Abb. 2. Deutlich sind die unterschiedlichen Airglow-Aktivitäten mit der grünen Färbung zu erkennen. Von oben links: Salmon Falls Dam am 18.08.2017, Sawtooth Mountains am 19.08., Pike Mountain am 20.08., Fountain Flat Drive, Yellowstone, am 22.08., Hebgen Lake Road am 24.08. (Bild: A. Hänel)
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Rückfahrt zum Hotel klar, als ein Fahrer offenbar am Steuer einschlief und von der Fahrbahn abkam - erfreulicherweise ohne weitere Folgen.
Am nächsten Morgen besuchten einige zunächst das lokale Herret Center for Arts & Science (Abb. 9) mit dem Faulkner-Planetarium und der Centennial-Sternwarte mit einem 24-Zoll-Ritchey-Chretien-Teleskop, die uns der Astronom Chris Anderson zeigte.
Nachmittags ging es dann Richtung Norden in den Sawtooth National Forest. Ein kurzer Zwischenstop wurde im Ort Ketchum eingelegt, der im Vormonat als International Dark Sky Community von der International Dark Sky Association IDA anerkannt worden war. Er hat 2.700 Einwohner und ist, wie der Nachbarort Sun Valley, vor allem als Wintersportort beliebt. Im Ort fallen die voll abgeschirmten Leuchten auf, die für eine Anerkennung Voraussetzung sind (Abb. 4). Ketchum liegt am Rande der Sawtooth National Recreation Area, die als erste International Dark Sky Reserve Zentral-Idahos später im Jahr anerkannt wurde und damit die erste in den USA ist. Im Unterschied zu einem International Dark Sky Park, der ein öffentlich
4 Solarbetrieben voll abgeschirmte Leuchte in der
International Dark Sky Community Ketchum (Bild: A. Hänel)
5 Die südliche Milchstraße über den Sawtooth Mountains. Canon 6D, Wallimex 1:2,8 / 12 mm, 120 s, ISO 3200. (Bild: A. Hänel)
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Sternfreunde verreisen
6 Airglow über dem Yellowstone-Park. Aufnahme mit Canon 6D, Wallimex 1:2,8 / 12mm, 30 s, ISO 12800 (Bild: A. Hänel)
7 Die Milchstraße über dem Hebgen Lake, der Vordergrund ist durch eine gelbe Straßenanzeigeleuchttafel aufgehellt.
Aufnahme mit Canon 6D, Wallimex 1:2,8 / 12 mm, 60 s, ISO 6400 (Bild: A. Hänel)
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(C) Tjefferson / fotolia
zugängliches Schutzgebiet ist, besteht eine Reserve aus dunklen Zonen und besiedelten Gebieten, die aber zum Schutz der Dunkelheit ihre Beleuchtung entsprechend so gestalten müssen, dass das Licht nur auf die Nutzfläche gelangt und nicht in den Himmel strahlt. Die deutschen Sternenparks Naturpark Westhavelland und Biosphärenreservat Rhön sind solche Reserves, da es hier ebenfalls dunkle Gebiete und Ortschaften gibt. Am nördlichen Rande liegt das kleine Örtchen Stanley mit gerade 70 Einwohnern, das vor allem im Sommer von Naturliebhabern angesteuert wird. Dieser Ort mit seinem typischen Wild West Flair war unser Ziel, da er in einem sehr dunklen Gebiet auf 2.140 m Höhe liegt. Nachdem wir uns in einem der Saloons gestärkt hatten, sollten wir dann etwas südlich von dem Ort die dunkelste und eindrucksvollste Nacht unserer Reise erleben. Offenbar gab es in dieser Nacht kein Airglow und die Milchstraße war sehr kontrastreich zu sehen (Abb. 5). Es war Freitagabend und für das Wochenende, aber auch wegen der
Finsternis, deren Zentralzone über den Ort zog, reisten laufend Campmobile an, die mit ihren Lichtern gelegentlich störend wirkten.
Für die nächste Nacht war dann eine Exkursion auf den lokal höchsten Berg geplant, der etwa 30 Kilometer südsüdöstlich von Twin Falls im südlichen Teil der Sawtooth Mountains liegt. Dessen 2.340 Meter hoher Gipfel sollte nach dem Kartenstudium über eine Piste befahrbar sein und einen guten Rundumblick bieten, was sich dann vor Ort auch bestätigte. Im Winter ist es ein regional beliebtes Wintersportgebiet, das aber keine größere Bebauung aufweist, wie andere Skigebiete in den Rocky Mountains. Im Norden waren die Lichter der Orte (einschließlich Twin Falls) längs des Snake Rivers zu sehen, gen Süden war es dunkel und selbst eine Lichtglocke des etwa 250 km entfernten Salt Lake City war nicht auszumachen. Die Airglow-Aktivität war wiederum hoch, zudem zogen Wolken auf, so dass die Beobachtung abgebrochen wurde.
Der nächste Tag wurde für letzte Tests für die Sonnenfinsternisbeobachtung, die Erkundung der unmittelbaren Umgebung von Twin Falls und etwas Erholung genutzt. Denn in der nächsten Nacht sollte die Fahrt zum ursprünglich geplanten Beobachtungsort etwa 300 km nordöstlich von Twin Falls gehen, da die Wettervorhersagen für den Ort recht günstig waren. Dabei passierten wir in der Nacht das Craters of the Moon National Monument, wo auch noch eine Messung der Himmelshelligkeit mit dem SQM-LU gewonnen werden konnte. Die Messung war sogar dunkler als die Werte, die im Antrag für die Anerkennung als International Dark Sky Park angegeben sind. Die Anerkennung erfolgte übrigens auch im selben Jahr. Auf dem weiteren Weg stoppten wir nochmals, um zu beobachten, wie die chinesische Weltraumstation über den Himmel zog - auf der Breite Deutschlands war sie nicht zu beobachten. Die Sonnenfinsternis verfolgten wir dann bei den Vulkankratern Menon Buttes bei bestem Wetter, darüber wurde in [1] berichtet.
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8 Die Messungen eingetragen in
der Lichtverschmutzungskarte von Falchi u. a. (2016). (Bild: A. Hänel)
9 Das Herret Center for Arts & Science in Twin Falls mit dem Faulkner-Planetarium
und der Kuppel der Centennial-Sternwarte. (Bild: A. Hänel)
westlich von West Yellowstone. An diesem Abend war die Airglow-Aktivität deutlich geringer, der Beobachtungsplatz wurde allerdings durch ein beleuchtetes Baustellenschild aufgehellt (Abb. 7).
Die letzten Tage unserer Reise waren dann dem Mount Saint Helens, der Pazifikküste und der Stadt Portland gewidmet. Es zeigte sich, dass der Westen der USA sehr dunkle und leicht erreichbare Beobachtungsorte bietet, die zudem oft klare Nächte aufweisen (Abb.8). Das konnte ich im November 2018 nochmals auf dem Colorado-Plateau erleben, wo ich in wenigen Nächten ebenfalls sehr dunkle Himmel an verschiedenen Orten bewundern konnte. Da verwundert es nicht, dass im Staate Utah immer mehr Sternenparks ausgezeichnet werden und im Astrotourismus eine neue Einnahmequelle gesehen wird: Ausgaben von 5,8 Mrd. US$ und Unterstützung für 113.000 Stellen in den nächsten 10 Jahren auf dem Colorado-Plateau [2]. Bei der Weite des Landes ist auch nicht zu befürchteten, dass es schnell zu einem ,,Overtourismus" kommt, zumindest, wenn man nicht grade in der Hauptsaison dorthin fährt.
Am Tag nach der Finsternis ging es dann zu unserem nächsten Ziel am Westeingang des Yellowstone-Nationalparks. Und da die Nacht wiederum klar war, während für die folgenden Nächte weniger gutes Wetter angesagt war, fuhren wir noch in den Nationalpark, wo wir am Fountain Flat Drive eine freie Fläche ausgesucht hatten. Doch der Himmel erschien milchig und die ersten Bilder zeigten, dass er grün war, verursacht durch eine starke Airglow-Aktivität. So war der Himmel bei Weitem nicht so dunkel, wie er eigentlich hätte sein sollen, im Zenit wurde eine Helligkeit von 21,45 mag/arcsec2 gemessen, zu erwarten gewesen wären 22 mag/
arcsec2. Selbst die umliegenden weißen Salzflächen erscheinen auf den lang belichteten Fotos grün eingefärbt (Abb. 6). Müde und von dem hellen Himmel etwas enttäuscht kehrten wir bald an unseren Standpunkt zurück. Wir ließen es uns aber nicht nehmen, den Beobachtungsort am nächsten Tag nochmals zu inspizieren, und mussten sehen, dass die Gegend als Weidegrund von Bisons genutzt wurde - ob die in der Nacht zuvor auch bereits dort waren?
Erst die übernächste Nacht klarte es wieder auf und wir starteten nur zu zweit an den dunklen Hebgen Lake etwa 20 km nord-
Literaturhinweise und Internetlinks (Stand 19.08.2021): [1] A. Hänel, 2017: ,,Die Great American
Eclipse' vom 21.08.2017: Expedition zur totalen Sonnenfinsternis in den USA", Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 42/42, S. 17-28, ONM [2] Certified Dark Sky Parks in Utah, 2021: www.visitutah.com/places-togo/dark-sky-parks [3] The International Dark-Sky Association and Utah Office of Tourism Celebrate Declaration of Dark Sky Month, 2021: www.darksky.org/utahdeclares-april-dark-sky-month/
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Der besondere Reiz des südlichen Sternhimmels
oder: Ist eine Reise ins südliche Afrika auch partnertauglich?
von Kai-Oliver Detken
Amateur-Astronomen stehen gerne in sternenklaren Nächten unter dem Himmelszelt und beobachten oder fotografieren interessante Deep-Sky-Objekte. Das wird allerdings in unseren Breitengraden immer schwieriger, weil die Lichtverschmutzung nicht nur Mensch und Tier zu schaffen macht, sondern auch unser Sternenhimmel dadurch immer mehr verschwindet. So erleben beispielsweise über 90% der Menschen in Europa und Nordamerika keine richtig dunkle Nacht mehr und 80% der Kinder in diesen Gebieten haben noch nie den Anblick der Milchstraße kennengelernt.
Deshalb weichen Amateure immer häufiger in weniger bewohnte Gebiete aus. Ein wahres Paradies für Beobachter und Fotografen ist dabei u. a. Namibia (Südafrika), welches als optimaler Standort für den Südsternhimmel angesehen wird. Um sich davon einmal selbst zu überzeugen und die beworbene Partnertauglichkeit der Astrofarm Kiripotib [1] zu testen, machte ich mich daher mit meiner Frau eine Saison vor Corona auf den Weg dorthin.
Der Astro-Tourismus wird in Namibia hauptsächlich von den drei Astrofarmen Hakos [2], Tivoli [3] und Kiripotib betrieben. Inzwischen ist noch eine vierte mit dem Namen DeepSkySafaris [4] hinzugekommen. Kiripotib wurde ausgewählt, weil mir nur positive Rückmeldungen vorlagen und weil die Farm explizit auch die Partner anspricht, die meistens dem Astro-Hobby nicht gleichermaßen verfallen sind. Zudem ist sie relativ gut von Windhoek aus erreichbar, aber trotzdem ausreichend weit entfernt, um der Lichtglocke der Hauptstadt Namibias zu entfliehen. Die Farm selbst ist sehr geschmackvoll gestaltet, was auch für die Wohnräume gilt, und die Gastgeber Claudia und Hans Georg von Hase sowie das Personal sind sehr nett. Hinzu kommt, dass sich oftmals sofort ein Team mit den anderen Astrofotografen zusammen bildet. Da alle Gäste der gleichen Leidenschaft nachgehen und Amateur-Astronomen, einem Vorurteil nach, immer nette Zeitgenossen sind, rissen die Gesprächsthemen nie ab. Von daher fühlten wir uns während unseres Aufenthalts fast wie zu Hause. Auf Kiripotib hat man sich verschiedene Stand-
1 Astroplattformen von Kiripotib, etwas
außerhalb von der Astrofarm gelegen, mit gut sichtbar angelegten Wegen, die man auch ohne Taschenlampe im Sternenlicht erkennen kann
beine geschaffen (Gästefarm, Segelfliegen, Safaris, Kunst, Astronomie), um die Farm erfolgreich betreiben zu können. Obwohl ab August 2019 keine Astro-Gäste mehr empfangen werden konnten, wird die Farm wohl auch die Corona-Krise überleben.
Kiripotib bietet etwas abseits der Farmgebäude verschiedene Astroplattformen an, die mit unterschiedlichen Geräten gemietet und auf fest markierten Wegen nachts gut gefunden werden können (Abb. 1). Die Inbetriebnahme erfolgt mit einem festen Betreuer vor Ort, der das vorher bestellte Equipment herausgibt, auf evtl. Schäden achtet und auch während der nächtlichen Beobachtung ggf. Hilfestellungen gibt. Die Betreuer sind ebenfalls Amateure aus Deutschland, die bereits einige Erfahrungen vorweisen können, wie z. B. der be-
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2 Observatorium Hasenschanze auf der Kiripotib-Farm mit der Milchstraße im Hintergrund, Einzelbildaufnahme, Kamera: Canon 700Da,
Objektiv: Sigma 1:2,8 / 10 mm EX DC Fisheye HSM bei offener Blende, Filter: OWB-Astronomik-Filter, ISO 6400, Belichtungszeit: 37 s, Stativ, ohne Nachführung. Aufnahme am 30.05.2019
kannte Blogger Frank Sackenheim [5]. Mit dem Betreuer bezieht man dann seine gemietete Astroplattform, auf der bereits eine perfekt eingesüdete Montierung betriebsbereit auf einen wartet. Das ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Astrofarm-Anbietern, die teilweise nur das Equipment herausgegeben und auf das Handbuch des Montierungsherstellers verweisen. Ein weiterer Vorteil ist, dass alle unterschiedlichen Montierungen mit einer FS2-Handsteuerung ausgestattet sind, so dass die Betreuer nicht verschiedene Varianten bedienen müssen. Zudem ist die Einsüdung nicht wirklich einfach, weil die Sterne im Sternbild Octans sehr lichtschwach sind und man sich erst einmal am südlichen Sternhimmel neu orientieren muss. Ich hatte eine ältere GP-DX-Montierung von Vixen reserviert, die aber grundüberholt
war und tadellos funktionierte. Trotzdem ist man erst einmal damit beschäftigt, alle notwendigen Teile für die Befestigung des Teleskops zusammenzusuchen und die FS2-Handsteuerung zu begreifen, um ab der ersten Nacht sofort startklar zu sein. Dabei ist es auch hilfreich, wenn man vor dem Besuch der Astrofarm bereits den notwendigen Abstand zum Flattener/Reducer ermittelt und die notwendigen Abstandshülsen selber mitbringt, denn nichts ist ärgerlicher, als wenn man vor Ort feststellt, dass die entsprechenden Teile fehlen. Hier half der technische Betreuungsleiter Rolf Scheffer im Vorfeld, so dass ich bereits meinen fertigen ,,Imaging Train", bestehend aus eigenen Abstandshülsen und meiner Filterschublade, mitbringen konnte. Hinzu kam vor Ort, dass man sich auch innerhalb der Gruppe hervorragend weiterhalf.
In den Sommer-Monaten ist die Luft besonders trocken und manchmal kann es auch recht kalt werden, weshalb unbedingt auf warme Kleidung geachtet werden sollte. Die beste Strategie ist es daher, sich in Zwiebeltechnik einzukleiden, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Zudem ist das Zentrum der Milchstraße in diesem Zeitraum sehr gut im Zenit am Nachthimmel zu beobachten, was in unseren Breitengraden nicht möglich ist. Die erste Testaufnahme konnte bereits am ersten Abend mit meiner mitgebrachten Reisemontierung AstroTrac angefertigt werden. Die Milchstraßenstrukturen begeisterten dabei bereits auf den Einzelbildern (siehe Abb. 2). Auch soll die Milchstraße in Namibia sogar so hell sein, dass sie Schatten wirft. Das konnten wir bei Neumond selbst erleben. Meine Frau kam mich in den
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nächtlichen Beobachtungszeiten häufiger besuchen und war anfangs auch von dem Anblick der Milchstraße sowie der Kleinen und Großen Magellanschen Wolke (KMW/ GMW) begeistert (s. GMW in der Abb. 3). Die Dunkelwolken der Milchstraße verglich sie beispielsweise mit einer laufenden Giraffe. Und in der Tat konnte man dunkle Bereiche bereits mit bloßem Auge erkennen. Die Ureinwohner Australiens haben diese Dunkelwolken Emu genannt, nach einer flugunfähigen Vogelart aus der Gruppe der Laufvögel. Ich schätzte daher die Himmelsqualität mittels Bortle-Skala auf 1 (bedeutet: extrem dunkel unter Wüstenbedingungen). Besser konnte man den Sternenhimmel nicht bekommen, was sich auch an der Strichspuraufnahme in der Abbildung 4 erahnen lässt. Trotzdem ließ die Begeisterung meiner Frau nach der ersten Woche nach und hielt verständlicherweise pro Nacht auch nicht so lange an wie bei den astro-infizierten Teilnehmern. Das Interesse konnte aber wieder geweckt werden, als sogar mit der lichtstarken Kompaktkamera meiner Frau mittels Stativ Aufnahmen der Milchstraße ermöglicht wurden.
Neben den Sternbeobachtungen in der Nacht, wurde aber auch ab und zu tagsüber etwas unternommen. Das war für die Partnertauglichkeit natürlich wichtig, aber auch für Erstbesucher von Afrika einfach ein Muss. So nahmen wir unter anderem an einer Fütterung der Geparden teil, die auf der Farm in einem abgetrennten Bereich untergebracht waren. Schließlich wollte man den Tieren nicht nachts beim Beobachten zufällig begegnen. Auch wurden Tiere in freier Wildbahn beobachtet, mit anschließendem ,,Sundowner". Dazu fuhr man auf so genannten ,,Game Drives" über das große Farmgelände und konnte in der Tat alle möglichen Wildtiere wie Antilopen, Wasserbüffel, Erdferkel, Gemsböcke (Oryx) und Zebras beobachten. Am Ende
3 Große Magellansche Wolke (GMW), Kamera: Canon 700Da, Zoom-Objektiv
Sigma 70-200 mm F2,8 EX DG OS HSM, Brennweite 128 mm, Blende 4, ohne Filter, ISO 800, Belichtung 55 x 3 min, Auto-Guiding mit Lacerta M-GEN V2, Nachführung mit Vixen GP-DX, Aufnahme am 26.05.2019
der Kleinsafari freuten wir uns auf eine Abkühlung mit einem Glas Wein. Dabei genossen wir den Sonnenuntergang über der Steppe, der auch eine gewisse Einmaligkeit in Namibia besitzt, da er sich meistens sehr farbenreich präsentiert. Der hauseigene Pool auf dem Farmgelände lädt ebenfalls zum Entspannen ein, was auch nach den langen Nächten häufiger guttat. Kiripotib organisiert auf Wunsch auch Fahrten nach Windhoek, Flüge über die Steppe (beide Gastgeber sind selbst Piloten) oder individuelle Safaris. Es werden teilweise auch Astrobeobachtungen mit Safaris kombiniert, was einmal im Jahr durch den bekannten Astrofotografen Stefan Seip [6] begleitet wird. Dieser hilft dann auch bei der Bildbearbeitung der erstellten Astro- oder Safaribilder.
Auf jeden Fall hat der Südsternhimmel neben den eindrucksvollen Zwerggalaxien KMW und GMW viele interessante Objekte zu bieten, die man in der Nordhemisphäre nicht beobachten kann. Dazu gehören u. a. der Eta-Carinae-Nebel
(NGC 3372), das ,,Kreuz des Südens" mit der Kohlensack-Region, der Tarantelnebel (NGC 2070) in der GMW, die Radiogalaxie Centaurus A (NGC 5128), der Gabriela-Mistral-Nebel, Omega Centauri (NGC 5139) und der Running Chicken Nebula (IC 2944). Zudem lassen sich hier südliche Messier-Objekte (wie z. B. der Trifidnebel M 20 oder die Feuerrad-Galaxie M 83) optimal im Zenit betrachten. Während des Aufenthalts tauschte man sich außerdem permanent mit den anderen Astrofotografen aus und besuchte nachts die benachbarten Astroplattformen. Dadurch entstanden interessante Diskussionen und man wurde auf neue Objekte aufmerksam, die man noch gar nicht auf der eigenen Beobachtungsliste hatte. Letztere sollte möglichst vorab zusammengestellt werden, um optimal vorbereitet zu sein. Die Suche vor Ort nach neuen Objekten wurde nämlich oftmals durch extrem langsamen InternetVerkehr ausgehebelt. Die Beobachtung des Himmels sollte bei aller Liebe zur Fotografie ebenfalls nicht zu kurz kommen. Mit einem eigenen Fernglas im Liegen (die ent-
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4 Strichspuraufnahme über Namibias Steppe, Kamera: Canon 700Da, Objektiv: Sigma 1:2,8 /
10 mm EX DC Fisheye HSM, Blende 2,8, ohne Filter, ISO 1600, Belichtungszeit: 80 x 30 s, Stativ, ohne Nachführung, Aufnahme am 28.05.2019
sprechenden Stühle werden bereitgestellt) die Milchstraße zu durchwandern, ist in Südafrika einfach ein Genuss. Falls visuelle Beobachter auf anderen Astroplattformen vor Ort sind, sollte man auch diese einmal um einen Blick durch die Okulare bitten. Die meisten Astrokollegen ermöglichen dies sehr gern und teilen ihre Erlebnisse bereitwillig. So konnte ich durch holländische Gäste, die sich einen 20-Zoll-Dobson ausgeliehen hatten, einige fotografierte Objekte mit eigenen Augen sehen. Dabei kam der Tarantelnebel der GMW fast wie auf einer Fotografie heraus und beim Eta-CarinaeNebel waren die Dunkelwolken einfach ein Genuss.
Als Fazit konnte man festhalten, dass der Besuch einer Astrofarm in Namibia auf jeden Fall eine Reise wert ist. Es entstanden viele neue Eindrücke, und der Himmel offenbarte sich in einer bisher nie gekannten Schönheit. Dies hat allerdings den Nachteil,
dass man sich zu Hause erst einmal an den Anblick der Milchstraße wieder gewöhnen muss, denn auch unter optimalen Bedingungen kommen bei uns die Dunkelwolken nicht ansatzweise identisch heraus. Manch einer soll dabei sogar die Lust an der Astrofotografie in den eigenen Breitengraden verloren haben. Diesen Effekt konnte ich bei mir aber nicht feststellen. Meiner Frau hat die Reise ebenfalls gut gefallen, auch wenn sie jede Nacht alleine in unserem Apartment verbringen musste. Denn es kam bei ihr jüngst sogar die Frage auf, ob wir nicht noch einmal nach Südafrika fahren sollten, um dann doch etwas mehr vom Land kennenzulernen. Man kann daher zumindest für Kiripotib feststellen, dass eine gewisse Partnertauglichkeit gegeben ist.
Internethinweise (Stand 19.08.2021): [1] Webseite der Astrofarm Kiripotib:
www.kiripotib.com [2] Webseite der Astrofarm Hakos: www.
hakos-astrofarm.com [3] Webseite der Astrofarm Tivoli:
www.tivoli-astrofarm.de [4] Webseite der Astrofarm DeepSky
Safaris: www.deepskysafaris.com [5] Homepage von Frank Sackenheim:
www.astrophotocologne.de [6] Homepage von Stefan Seip:
www.photomeeting.de
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Viareggio in Italien
- Astrourlaub im hellen Kunstlicht!
von Torsten Güths
Astrourlaub! Das heißt tolles Wetter, ein dunkler, natürlicher und prachtvoller Sternenhimmel tief im Süden, so dass im Sommer die Nächte lang sind und viele neue Deep-Sky-Objekte sichtbar werden!
Verbindet da jemand ein Lichtermeer mit blassem Nachthimmel?
Wenn man als Paar in den Urlaub fährt, muss man Kompromisse eingehen, ist der Partner nicht ebenfalls vom Astrovirus infiziert. Da wir beide Individualreisen in Ferienhäusern den Hotels vorziehen und gerne eine ruhige, halbwegs natürliche idyllische Umgebung lieben, konnte ich gut den ,,normalen" Paarurlaub mit astronomischen Tätigkeiten kombinieren.
So sucht meine Partnerin häufig die Unterkünfte aus und ich sage dann, nachdem ich die astronomische Eignung vom grünen Tisch aus beurteilt habe, ja oder nein.
Die Bedingungen Nun sollte es nach Italien in die Toskana gehen. Es gibt da schon recht ansprechend dunkle Gegenden, doch erschien kein Ob-
jekt mit toller Aussicht, am besten natürlich Meeresblick, in der gewünschten Zeit buchbar. Die Ausnahme war ein Häuschen östlich von Viareggio, einem bekannten und leider auch hell erleuchteten Urlaubsort nördlich von Pisa.
Die Webseite Lightpollutionmap.info zeigte anhand der 2015er World-Atlas-Daten einen Wert von 19,8 mag/arcsec2 an, also deutlich heller als die maximalen 20,7 mag/ arcsec2 des heimischen Balkons. Überhaupt stellt diese Quelle eine recht zutreffende Information über die zu erwartende regionale Nachthimmelshelligkeit dar [1].
Immerhin kündigte der astronomische Seeingmonitor von Meteoblue [2] häufig ganz hervorragende Seeingwerte an! Vermutlich ist die Lage auf einer Anhöhe an einer Westküste mit laminaren Luftschichten gesegnet. Das in Kombination mit immerhin 6 Grad Gewinn an Höhe der astronomischen Objekte im Vergleich zur RheinMain-Region ließ den Besuch doch recht attraktiv erscheinen, denn zur Urlaubszeit 2018 stand der Mars der Erde sehr nahe und in südlichen Deklinationen.
1 Der Ausblick am Tag ist faszinierend.
Also gut: Ab ins Licht! Die astronomische Ausrüstung bestand aus einem 120-mmED-Halbapochromaten (f/7,5) von Skywatcher auf einer EQ-5-Montierung. Mit dieser 2017 erworbenen Optik hatte ich bislang nur bei mäßigem Seeing beobachtet. Dort sollte sie zeigen, was sie kann.
Die Anfahrt erfolgte mit dem PKW und wir benötigten eine Nettofahrzeit von rund 12 Stunden für die knapp 1.000 km lange Strecke. Wir hatten allerdings mit Staus zu kämpfen und sind über den Sankt-Gotthard-Pass gefahren. Die Übernachtung am Comer See erleichterte die Hinfahrt immerhin.
Der Urlaub Wie so häufig erlebt, brachten wir auch diesmal wieder ,,schlechtes" Wetter mit. Ist ja klar - fahre mit Fernrohr in eine Gegend außer Chile, Namibia oder Australiens Outback, schon ist schlechtes Wetter.
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2 In der Nacht lässt das helle Stadtlicht den Himmel verblassen.
Immerhin hatten in dem heißen Sommer 2018 die Gäste in den Vorwochen Temperaturen von über 35 bis 40 Grad C gehabt. Das klingt nicht gut für uns nicht so hitzeresistente Leute. Die ,,kühleren" Temperaturen gingen leider auch mit feuchterer Luft einher und das sorgte für Dunst, Schleier oder auch ordentliche Gewitter. Ich konnte den theoretischen Wert der Webseite Lightpollutionmap.info mit meinem SQM-L bestä-
tigen. Die Milchstraße war nur blass sichtbar und der Sternenhimmel wirkte doch sehr ,,aufgeräumt" mit Sternen von 5 bis knapp 5,5 mag. Sollten Sie allerdings in einer Großstadt leben, dann kann dieser Himmel durchaus eine Steigerung darstellen. Unter uns breitete sich ein gut 70 km langer hell beleuchteter Küstenstreifen aus! Nichtsdestotrotz ein faszinierender Anblick.
Alternative Objekte im Teleskop waren mal das 5 km entfernte, nachts beleuchtete Riesenrad oder der 35 km entfernte Hafen von La Spezia, dazu jeden Abend in der Ferne ein Feuerwerk. Hauptsache, ich konnte durch ein Fernrohr schauen. Und die hellen, höher am Himmel gelegenen Messierobjekte gingen durchaus auch.
Interessen und Aktivitäten So gut wie hier habe ich die Planeten mit meinem Refraktor noch nicht sehen können! Saturn stand kompromisslos klar und ruhig mit seiner Cassiniteilung bei 260-facher Vergrößerung im Okular. Jupiter war zwar nur in der helleren Dämmerung sichtbar, aber auch sehr gut strukturiert.
Mars war später in der Nacht wunderschön. In der Vergangenheit stand ich häufig auf Kriegsfuß mit dem überstrahlend hellen und mit nur blassen Strukturen versehenen
3 Sinus Iridum tritt bei passendem Sonnenstand auf dem Mond im Refraktor besonders plastisch hervor.
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Planeten. Im Refraktor stand er endlich ruhig und recht kontrastreich da, ähnlich den bekannten Bildern. Auch wenn das theoretische Auflösungsvermögen des Instruments meinen größeren Newtonspiegeln unterlegen ist, zeigt er einfach ein ästhetischeres Bild.
4 Die Planeten Mars,
Jupiter und Saturn boten visuell im 5-ZollHalbapochromaten einen prachtvollen Anblick.
Die Technik der Aufnahmen mag den Puristen erschaudern lassen: Eine Sony-DSCRX100-Digitalkamera im HD-Videomodus und mp4-Videoformat. Für die Software RegiStax muss ich dieses Video in jpg-Einzelbilder zerlegen und von 1.000 Bildern 150 selektieren lassen. Also mehrere bildqualitätsmindernde Bearbeitungsschritte, von Rohformat keine Spur! Das Ganze wurde als afokale Projektion per Zoom durch ein 7-mm-Nagler-Okular aufgezeichnet, optische Systeme, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Dafür sollten die Ergebnisse ganz passabel sein, zumal ich nicht der ,,Bildbearbeiter vor dem Herrn" bin.
Was gibt es sonst zu berichten? Wir wurden ziemlich stark von Mücken malträtiert. Es empfiehlt sich, einen entsprechenden Mückenschutz für die Steckdose und zum Einreiben mitzunehmen. Die Toskana ist bekannt für ihre vielen Sehenswürdigkeiten, die wir innerhalb von Tagestouren besichtigen konnten: Lucca, Pisa, San Gimignano, Volterra.
Sogar ein kleines Observatorium, Osservatorio Astronomico di Libbiano [3], hatten wir per Zufall abseits des Wegs nach San Gimignano gefunden. Es existiert sogar eine ganze Liste von Observatorien im Internet [4].
Sicherlich bot unser Aufenthalt keine ,,Power astronomie" unter dunkelstem Himmel, doch verbrachten wir gemeinsam eine wunderschöne Zeit mit interessanten Beobachtungen und einfach einen unbeschwerten Urlaub.
Internethinweise (Stand 19.08.2021): [1] Light Pollution Map, Information über die regionale Nachthimmelshelligkeit:
www.lightpollutionmap.info/ [2] astronomischer Seeingmonitor von Meteoblue: www.meteoblue.com/de/
wetter/outdoorsports/seeing/43.923N10.295E296_Europe%2FRome [3] Centro Astronomico di Libbiano (Peccioli, Pisa): www.astrofilialtavaldera.it/ [4] Osservatori astronomici in Toscana: http://toscanago.com/firenze/
articoli/412-osservator-astronomici-in-toscana
INSERENTEN
152 APM Telescopes, Sulzbach/Saar 73 astronomie - DAS MAGAZIN, Hamburg 39 astronomie.de, Neunkirchen U4 Baader Planetarium, Mammendorf 71 Gerd Neumann jr. Entwicklung und Herstellung feinmechanischer & optischer Instrumente 23 Kosmos Verlag, Stuttgart U3 Optical Vision Limited, UK
113 SPACE 2022 - Verein zur Förderung der Raumfahrt 45 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Spektrum der Wissenschaft 77 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Sterne und Weltraum U2 Vesting e. K. Fachhandel für Astronomie, Hamburg
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Von der Waldesruh in die Milchstraße blicken
von Manfred W. K. Fischer
Als Hobby-Astronom mit Rollstuhl hat man mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Eine davon ist, zum Teleskop fahren zu können, um einen bequemen Einblick ins Okular zu bekommen. Die meisten Teleskop/Stativ-Kombinationen sind so ausgelegt, dass man stehend guten Einblick hat. Vom Sitzen aus ist dies weit schwieriger.
Bei meinem eigenen Teleskop - ein Celestron Nexstar 6SE - hat ein geschickter Freund das Stativ so angepasst, dass ich es problemlos nutzen kann.
Für den Urlaub sucht man natürlich lichtarme, dunkle Gegenden, wo man Planeten, Sterne und Milchstraße in ihrer ganzen Pracht genießen und beobachten kann. Notwendig sind dort barrierefreie Unterkünfte für Rollstuhlfahrer und barrierefreie Zugangsmöglichkeiten zu Beobachtungsinstrumenten. Ich fragte mich, ob es diese Kombination überhaupt gibt.
1 Das Ferienhaus Großtrappe mit Treppe und einem stufenlosem Zugang für
Menschen im Rollstuhl. (Bild: Liane Zemlin)
Nach längerer Suche und Recherche im Internet wurde ich schließlich auf den Sternenpark Westhavelland und die dortige Ferienhausvermietung von Liane Zemlin aufmerksam. Der Sternenpark liegt etwa 100 Kilometer westlich von Berlin. Die Gegend ist eine der dunkelsten Regionen Deutschlands und zum Beobachten des nächtlichen Himmels ein Paradies.
Unterkunft in der Waldesruh Wir hatten bei der Ferienhausvermietung Zemlin eine barrierefreie Unterkunft in Ferchesar gebucht. Das Ferienhaus liegt an einem sehr dunklen Platz - in der Waldesruh. Desweiteren stellt der Vermieter zur Himmelsbeobachtung astronomische Ausrüstung zur Verfügung. Diese kann nach Einschulung oder unter Anleitung verwendet werden.
Die barrierefreie Ausstattung lässt keine Wünsche offen. Stufenlos mit großzügigen Bewegungsflächen kann ich mich mit meinem Rollstuhl hindernisfrei bewegen (Abb. 1).
Der Tag ist zu kurz Der Tag sollte etwas mehr Stunden haben - gerade für einen Stern-Gucker, der seinen Urlaubsort auch kulturell erkunden will. Tagsüber sind Ausflüge in die Umgebung und am Abend und nachts ist der Blick in den Himmel angesagt. Wann soll man da noch schlafen?
Wir einigten uns darauf, am Morgen und den Vormittagen keine Hektik aufkommen zu lassen, d. h. später aufzustehen und dann in einer kleinen Bäckerei in der Nähe Frühstücksgebäck zu besorgen. Unsere Söhne erkundeten die Umgebung und die 300 Meter entfernte Naturbadestelle am Lochower See.
Erkunden der Umgebung - Brandenburg und Potsdam Der Tag gehörte dem Kennenlernen der Gegend. Mit dem Auto durchstreiften wir die Havellandschaft. Die Havel schlängelt sich durch die Landschaft und kann mit barrierefreien Flussschiffen selbstständig befahren werden.
Ziele wurden spontan festgelegt. So gingen wir etwa auf die Jagd nach außergewöhnlichen Ortsnamen und kamen nach Knoblauch, Wassersuppe und Kotzen.
Unser Vermieter bietet ein ,,Erlebnispaket Natur und Sterne" an. Das enthält ein Großfernglas mit Stativ, Sternkarten für die Nacht und Bestimmungskarten für Tiere und Pflanzen für den Tag. Damit entdeckten wir die Vogelwelt des Naturparks Westhavelland.
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Auf der Suche nach den Waldmöpsen Brandenburg ist eine malerische Stadt mit vielen roten Ziegelbauten, durch die sich die Havel schlängelt. Hier wurde der deutsche Humorist Viktor von Bülow geboren - besser bekannt als Loriot. Wer kennt nicht seinen Film ,,Pappa ante Portas", in dem er als frischer Pensionist seine private Umgebung mit Vorschlägen zur Neuorganisation täglicher Abläufe zur Verzweiflung bringt?
Er ersann auch immer wieder Fantasie-Tiere, wie die ,,Steinlaus", die sogar Eingang in das Medizin-Lexion Pschyrembel fand, oder den ,,Waldmops" - ein Mops mit kurzen, kräftigen Hörnern. Beim Schlendern durch die Stadt begegnet man diesen Möpsen als Bronze-Figuren immer wieder.
2 Das Teleskop mit 150 mm Durchmesser ermöglicht mir den problemlosen Einblick vom
Rollstuhl aus. Herr Zemlin erklärt mir bei Tag die Bedienung. (Bild: Manfred Fischer)
Potsdam mit Schloss Sanssouci Potsdam ist die Hauptstadt des Landes Brandenburg und hat etwa 170.000 Einwohner. Hauptanziehungspunkt ist das Schloss Sanssouci, eines der bekanntesten Hohenzollern-Schlösser. Der preußische König Friedrich II. ließ es zwischen 1745 und 1747 errichten. Es liegt in einer wunderschönen, weitläufigen Parkanlage und zählt zum Weltkulturerbe.
Warten auf die Dunkelheit Die Abende und Nächte bis ein oder zwei Uhr gehörten dann dem Himmel. Es galt, zuerst die umfangreiche Beobachtungsausrüstung kennenzulernen. Von Astrogroßferngläsern bis zu einem Dobson-Teleskop mit 300 mm Durchmesser war alles vorhanden.
Im Rollstuhl konnte ich das XLT-Teleskop von Celestron mit 150 mm Durchmesser bequem nutzen. Das Okular war so tief angelegt, dass ich vom Rollstuhl aus problemlos hineinsehen konnte (Abb. 2).
Klarer Himmel - Sternenführung Am zweiten Abend war der Himmel klar und vielversprechend. Herr Zemlin hatte verschiedene Teleskope bereitgestellt. Für die Bewohner der Feriensiedlung war eine Sternenführung angesagt. Dabei wurden Sternbilder und auffällige Sterne gezeigt und beschrieben. Alle erkannten den ,,Großen Wagen", aber dann war mit den Himmelskenntnissen meist Schluss.
Sterne zu beobachten, heißt für mich, sich Zeit nehmen, entschleunigen und Ruhe einkehren lassen. Das menschliche Auge braucht etwa 30 Minuten, bis es sich an die Dunkelheit angepasst hat. In dieser Zeit erkennt der Beobachter immer mehr Sterne. So war es auch an diesem Abend. Immer mehr Sterne tauchten vor unseren Augen auf. Mit ihrer Anzahl steigerte sich die Anzahl der Fragen der Besucher: Wo ist der Polarstern? Welcher Stern ist das? Sieht man das Sternbild Jungfrau? Herr Zemlin beanwortete die Fragen der Reihe nach. Auch ich konnte mein Wissen unter die Leute bringen.
Langsam zeichnete sich das ,,Nebelband" der Milchstraße am Himmel ab. Es spannte sich von Westen nach Osten. Die Sternbilder Schwan, Adler und Leier waren zu erkennen. Blickte man mit dem Fernglas in die Milchstraße, faszinierte die scheinbar unendliche Anzahl glitzernder Lichtpunkte. Jeder für sich eine Sonne wie die unsere. Man konnte auch die interaktive Sternbrille ,,Univers2go" ausprobieren. Sie verbindet über ein Smartphone den realen Sternenhimmel mit der digitalen Welt. Am Display werden jene Himmelsobjekte angezeigt, in deren Richtung man blickt. Dazu erscheinen Informationen zum Objekt, wie sein Name, dessen Entfernung, seine Größe, das Sternbild, zu dem es gehört, und vieles mehr. Man braucht nicht ständig in Büchern oder Sternatlanten nachzuschlagen, sondern hat die Infos im Blickfeld - faszinierend!
Mit dem 150-mm-Teleskop konzentrierte ich mich auf den an diesem Abend knapp über dem Horizont zu sehenden Planeten
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3 Auch ein
300-mm-Dobson bietet mir Einblick für horizontnahe Objekte. (Bild: Manfred Fischer)
Saturn. Seine Ringe durch ein Teleskop zu sehen, ist ein besonderes Erlebnis. Es verursacht ein Kribbeln im Bauch - zumindest bei mir - wenn ich mir vorstelle, dass sich der Planet in einer Entfernung von 1,2 Milliarden Kilometern befindet. Sein Licht braucht zur Erde etwa 46 Minuten.
Danach ging es in den ,,Deep Sky"-Bereich - etwa zum Kugelsternhaufen M 13 im Herkules. Er gehört zur Milchstraße und ist dennoch 25.000 Lichtjahre weg. Viele Sterne ballen sich dort auf kosmisch engem Raum zusammen.
Ein ,,Besuch" bei der Andromeda-Galaxie war ebenfalls angesagt. Sie ist eine Galaxie wie unsere Milchstraße und befindet sich in etwa 2,2 Millionen Lichtjahren Entfernung. Schaurig ist der Gedanke, dass sie auf uns zurast und mit der Milchstraße in einigen Milliarden Jahren kollidieren wird. Wie gerne würde ich das erleben.
Jedermann/frau konnte an diesem Abend die Herrlichkeiten des Himmels entdecken und bekam mit, was Nacht für Nacht über unseren Köpfen zu sehen wäre. Aber un-
nötige Lichtverschmutzung durch zu viel und falsch ausgerichtete Beleuchtung verhindert dies leider vielerorts. In einem Sternenpark wie dem des Westhavellandes ist es jedoch möglich.
Am Beobachtungsplatz lernten wir zwei Astronomen der Sternwarte in BerlinSpandau kennen, die ihre eigenen Teleskope aufgestellt hatten. Ihr Wissen und ihre Ausrüstung sollten uns am nächsten Tag helfen.
Westhavelland - wir kommen wieder Der Sternen- und der Naturpark Westhavelland sind eine Reise wert, auch für Menschen im Rollstuhl. Kulturelle Schätze und dunkler Himmel laden dazu ein. Gerade für Menschen mit Rollstuhl ist dies besonders zu empfehlen. Die barrierefreie Unterkunft in Ferchesar garantiert einen stressfreien Urlaub. Ist man an Astronomie interessiert, kann die vor Ort angebotene Ausrüstung genutzt werden. Es ist auch eine Möglichkeit, als behinderter Mensch in den Sternenhimmel einzutauchen.
Internethinweise (Stand 19.08.2021) [1] Brandenburg Barrierefrei:
www.barrierefrei-brandenburg.de/ home/ [2] Sternenpark Westhavelland: www.sternenpark-westhavelland.de/ [3] Ferienhausvermietung Liane Zemlin: www.ferienhaus-zemlin.de/
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Erlebnis Sternenhimmel
im Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide
von Marina Kahrmann
1 Bequeme Liegen laden zur entspannten
Himmelsbeobachtung ein.
Der Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide in der Mecklenburgischen Seenplatte ist um eine Attraktion reicher, genauer gesagt um zehn Attraktionen: Genau so viele Sternenbeobachtungsplätze wurden hier eingerichtet und nun an die Gemeinden übergeben.
Mit diesen besonderen Plätzen möchte der Naturpark darauf aufmerksam machen, dass Dunkelheit ein beachtenswertes Qualitätsmerkmal dieser Region ist - sowohl für den Menschen als auch für nachtaktive Tiere. Was für die Menschen der Region Alltag ist, ist für den Großstädter Erholung pur. Fernab vom Großstadttreiben und Industrieanlagen bietet der Naturpark neben faszinierenden Lebensräumen, erholsamer Stille auch noch einen unbeschreiblichen Nachthimmel, während weltweit die Lichtverschmutzung zunimmt. Um diesen Nachthimmel erlebbar zu machen und den Wert der Dunkelheit zu vermitteln, hat der Naturpark mit Hilfe von LEADER-Fördermitteln und der NUE (Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung) Sternenbeobachtungsliegen an Plätzen aufgestellt, die einen möglichst weiten Horizont haben, dunkel und gut erreichbar sind. Zu der Ausstattung gehören neben der bequemen Liege auch eine Informationstafel und zwei Pulttafeln, manche Plätze verfügen über
eine Plattform oder einen Stromanschluss. Trotz des ähnlichen Inventars hat jeder Ort seinen besonderen Charme. Manchmal ist es eine schöne Sichtachse, z. B. über den Krakower Obersee, eine besondere Atmosphäre auf einer Waldlichtung, wie in Bossow, oder die Möglichkeit, sein Zelt aufzustellen, ein Feuer anzuzünden und sich die Fledermäuse um die Ohren fliegen zu lassen, wie am Sternenbeobachtungs-
platz Kirch Kogel. Manchmal gibt es auch etwas zu entdecken, z. B. ein Modell zur Entstehung der Jahreszeiten oder ein Modell, welches die Verteilung der Sterne im Bereich vom Kleinen Wagen demonstriert. Auch ein von einem Meteoriteneinschlag verändertes Gestein (Suevit und Impactit) gibt es als Ausstellungsstück am Sternenbeobachtungsplatz Ortkrug zu bewundern. Jedem Platz wird auf der Informationstafel
2 Auf den Hinweistafeln mit Sternkarten der vier Jahreszeiten können sich Besucher
über den Sternenhimmel informieren.
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ein Thema zugeordnet. So erfährt man z. B. etwas über die Sonne, den Mond, die Planeten, unsere Galaxis, Kometen und Meteore, Lichtverschmutzung und nachtaktive Tiere.
Außerdem finden die Gäste zur Orientierung auf den Pulttafeln eine Karte mit den wichtigsten Sternbildern des Winter- und des Sommerhimmels, die uns dankenswerterweise von der Vereinigung der Sternfreunde e.V. zur Verfügung gestellt wurde. Gleichzeitig enthalten die Tafeln viele Hin-
weise, die zur Beobachtung astronomischer Phänomene oder Himmelskörper mit dem bloßen Auge anregen.
Spektakulärer wird die Entdeckung natürlich mit einem Fernglas, das im Karower Meiler zu den Öffnungszeiten ausgeliehen werden kann. Ob am Tage zur Information und mit einem Picknickkorb ausgerüstet oder bei Nacht mit einem Gläschen Rotwein, Fernglas und einem kostenlosen 25-minütigen Hörerlebnis (Smartphone
und App für QR-Code notwendig), erlebt man einen neuen Aspekt im Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, dazu beizutragen, dass es auch in Zukunft dunkel bleibt.
Internethinweis (Stand 19.08.2021): [1] Netzwerk Sternenpark Nossentiner/
Schwinzer Heide: http://sternenpark. nossentiner-schwinzer-heide.de
Mecklenburg-Vorpommern
- ein Sternenparadies im Nordosten Deutschlands
von Michael Danielides
Der Nordosten Deutschlands ist vielen als ein erstklassiges Badeparadies bekannt. Viele Menschen tummeln sich rund ums Jahr an den Stränden der Ostseebäder. Wenn es nicht für Sonnenbräune reicht, dann werden Bernsteine gesucht und die vielen Kunst- und Heimatstuben besucht. Wenige Besucher kennen überhaupt die Fluss- und Seenlandschaft MecklenburgVorpommerns. Die ruhigen und idyllischen Landstriche sind geprägt von einer einzigartigen Naturschönheit. Überall findet der Besucher die Spuren vergangener Epochen. Sanfte satte Hügel, Hunderte Seen und mächtige Findlingsbrocken zeugen von gewaltigen Naturkräften, die diese idyllische Gegend einst erschufen. Heute ist daraus eine weite Kulturlandschaft geworden. Herzöge, Adel und Kirche haben ihren Fingerabdruck mit Alleen und Chausseen, Residenzstädten, Herrenhäusern, Wäldern und Gutsdörfern hinterlassen. Die Landwirtschaft prägt in weiten Teilen des Landes das Antlitz der Landschaft und während Adel und Fürsten fast Vergangenheit sind, sind die ländlichen und bäuerlichen Traditionen lebendig. Diese sorgen auch dafür, dass weite Landstriche ohne weitere Auszeichnungen einfach einen natürlichen Nachthimmel behalten haben.
1 Eine Lichtverschmutzungskarte Nordostdeutschlands. Das Bundesland Mecklenburg-Vor-
pommern ist durch eine rote Linie gekennzeichnet. Größere Städte wie Berlin, Hamburg und Stettin (Polen) sind rötlich/lila gefärbt, was für eine erhöhte Lichtverschmutzung steht. Die eher blauen Regionen sind die nicht lichtverschmutzten Gegenden. Für Mecklenburg-Vorpommern sind vier Regionen hervorgehoben: 1) Mecklenburger ParkLand, 2) Demminer Land nahe der Astronomiestation Demmin, 3) der Kummerower See und die mittlere Seenplatte sowie 4) die südliche Seenplatte rund um das Ferienparadies Mirow nahe Neustrelitz. (Quelle: Dr. Michael Danielides & http://www.sternenpark-mv.de)
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Wo anderen Ortes Sternfreunde um einen kleinen Flecken dunklen Landes kämpfen und diesen langwierig zertifizieren lassen, sagt der Mecklenburger zum Pommern: ,,Dat ganze Land is en Steern-Paradies." Seit der Fertigstellung des ersten astronomischen Lehrpfades des Landes 2020, im Mecklenburger ParkLand südlich von Rostock, wurde dies zum Slogan. Aus diesem Slogan wächst nun eine neue Kultur.
Insbesondere nach den Einschränkungen der Coronajahre 2020/21 fragen sich auch Sternfreunde aus ganz Deutschland, in welches Sternenparadies noch einfach gereist werden kann oder darf. Orte wie Namibia und selbst La Palma auf den Kanarischen Inseln scheinen, durch die diversen Reiseeinschränkungen und Lockdowns, immer schwieriger plan- und erreichbar zu sein. Es wird erwartungsvoll auf ein altes Normal gewartet. Ob das so ohne Weiteres wiederkehrt, vermag wohl keiner zu sagen. Obwohl das Reisen im eigenen Land auch nicht immer ohne Auflagen möglich ist, hat es schon 2020/21 viele Sternfreunde aufs Land gezogen. Sie stammen besonders aus den lichtverschmutzten Ballungszentren und finden auf nachhaltig betriebenen ,,Alternativ-Campingplätzen" in Mecklenburg-Vorpommern fantastische Beobachtungsorte. Andere nutzten die Möglichkeit, ihre Telearbeit zur Untermiete auf dem Bauernhof oder zu Gast auf einem Gutshof mit dem Hobby zu verbinden. Eine prädestinierte Region des Landes liegt im Landkreis Rostock südöstlich des Flughafens Rostock-Laage. Dort wurden schon vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie Pläne für einen Sternenpark geschmiedet. Die Region nennt sich das Mecklenburger ParkLand und ist eine gepflegte Kulturlandschaft, die inmitten vieler wunderbar erhaltener Gutshäuser und Schlösser zu finden ist. Der Zusammenschluss einiger Gemeinden zum Mecklenburger ParkLand
e.V., rund um Walkendorf [1], war schon vor rund 10 Jahren eine Initiative von Dr. Heinrich Graf von Bassewitz, der auch Vorsitzender des selbigen Vereins ist. Unter seiner Leitung wurden die Alleinstellungsmerkmale der Region analysiert. Wie sich herausstellte, galt es viele Elemente eines kultivierten Tourismusangebots aufzubauen. Eines jedoch hatte und hat die Region schon seit eh und je. Das ist ihr vollkommen unverschmutzter Sternenhimmel. Dies wurde in Mecklenburg-Vorpommern zuerst um die Gruppe des Grafen von Bassewitz thematisiert und angegangen. Erst viel später sprang das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie auf das fertig gezäumte Pferd. Heute versuchen diverse Naturparks im Land, den Sternentourismus zu ihrem Portfolio hinzuzufügen. Tatsache ist allerdings, dass es eine fast unbegrenzte Auswahl an astronomisch geeigneten Beobachtungsmöglichkeiten in Mecklenburg-Vorpommern gibt.
Das Wetter ist im nordöstlichsten Bundesland sicherlich nicht besser oder schlechter für die Astronomie geeignet als in anderen
2 Ein ,,De Sternkieker"-
Schild mit dem Gutshaus in Dalwitz im Hintergrund. (Bild: Maibritt Olsen)
Regionen Deutschlands. Allerdings gilt es ein attraktives Umfeld für den Sternfreund zu finden. Immerhin möchte dieser nicht langwierig auf eine abgelegene Lichtung in einen Wald fahren müssen, sondern wünscht sich eine Beobachtungsmöglichkeit direkt von seiner Urlaubsunterkunft aus. Am Tage gilt es zudem, ein attraktives Programm zu bieten, welches auch für die Reisebegleitung ansprechend ist. Dies findet man zum Beispiel rund um den Urlaubsort Mirow in der südlichen Mecklenburger Seenplatte. Der Biber FerienHof [2] bietet neben einem reichhaltigen kulturellen Angebot auch astronomische Aktivitäten an. Wem Camping und Glamping nicht zusagen, den wird es sicherlich rund um die Ortschaft Walkendorf ziehen. Dort gibt es exquisite Unterkünfte in Gutshäusern und kleinen Schlössern. Die Abbildung 1 gibt einen allgemeinen Überblick über die beliebtesten Regionen für Sternfreunde.
Mit Unterstützung des Landschaftspflegeverbandes Mecklenburger Agrarkultur e.V., der Regionalförderung Region Rostock und unter fachlich wissenschaftlicher
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3 Einer der Polarstern-Pfeiler.
(Bild: Michael Danielides)
Beratung des Autors, wurde ein Konzept für einen offenen Sternenpark entwickelt und in den Jahren 2019 bis Anfang 2021 umgesetzt. Das Besondere am offenen Sternenpark rund um Walkendorf und das FerienGut Dalwitz ist eine private Umsetzung ohne die üblicherweise kommunalen oder schon bestehenden Naturparkstrukturen zu nutzen. Die rund um Walkendorf entstandenen Beobachtungsstationen und astronomischen Dienstleistungen bereichern den Aufenthalt eines Sternfreundes und werden auf einer neu entstandenen Internetpräsenz [3] dargestellt. Sie soll dem interessierten Besucher einen aktuellen Überblick zum nordöstlichsten Sternenparadies Deutschlands bieten. Beschrieben werden unter anderem die sechs eigenständigen Beobachtungsstationen des Mecklenburger ParkLands. Bei ihrer Planung waren neben einem lichtunverschmutzten Ort vor allem die Erreichbarkeit und die Nä-
he zu einem Feriendomizil ausschlaggebend. Die Stationen sind durch ein lustiges Männchen kenntlich gemacht. Es zeigt ,,De Sternkieker" (Abb. 2), Plattdeutsch für ,,der Sternenkucker". Man findet es als kleines Metallschild an vielen Orten nahe der Beobachtungsstationen.
Ähnlich wie auf der spanischen Atlantikinsel LaPalma wird jede Beobachtungsstation durch einen Polarsternpfeiler (Abb. 3) mit einem Schild, das in Richtung des Polarsterns zeigt, geschmückt. Der Pfeiler besitzt eine vereinfachte drehbare Sternkarte, welche die Zirkumpolarsternbilder der Region darstellt. Was eher wie ein Sportgerät anmutet, ist als Ellenbogen-Abstützhilfe gedacht (Abb. 4). Diese soll dem Besucher ermöglichen, seinen Feldstecher etwas länger auf eine Region am Himmel ausrichten zu können, ohne zu ermüden. Diese recht nette Idee führte leider dazu,
4 Sommerlicher Anblick der Station in Wesselstorf. Neben dem Polarstern-Pfeiler sind die Info-Tafel, die Armstützen und der
Sternkucker-Sessel abgebildet. (Bild: Michael Danielides)
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5 Die Sternscheibe von Dalwitz. (Bild: Michael Danielides)
dass die Stromversorgung und ein abblendbares Pult für einen Notebook-PC nicht aufgestellt wurden. Da es sich bei diesen Beobachtungsstationen um Orte handelt, die auch für astronomische Laien von Mehrwert sein sollen und hoffentlich auch Mitmenschen für das Thema Astronomie begeistern, wurden sie nicht primär als Orte für die Belange von Amateur-Astronomen ausgebaut. Dafür können die Besucher einer astronomischen Beobachtungsstation im Mecklenburger ParkLand es sich so richtig bequem machen. Jede der Stationen ist mit einem Sterngucker-Sessel für zwei Personen ausgelegt (Abb. 4).
Wer denkt, dass es im ParkLand nichts Einzigartiges gibt, der hat sich geirrt. Auf dem FerienGut Dalwitz hat sich der Gutsherr, Graf von Bassewitz, eine riesige Sternscheibe gewünscht. Als Hauptinitiator des offenen Sternenparks Mecklenburger ParkLand stand ihm dies natürlich zu. So gibt es jetzt eine rund drei Meter im Durchmesser große Sternscheibe aus Cortenstahl zu betrachten (Abb. 5). Im Zentrum der Sternscheibe ist der Polarstern. Um ihn herum sind die hellsten Sterne der Zirkumpolarsternbilder dargestellt und in den Erklärungen am Rande der Scheibe beschrieben. Damit der Besucher nachts von dieser riesigen Scheibe nicht geblendet wird, sind darunter kleine dimmbare LED-Lämpchen eingelassen, die diesem vom Autor entworfenen astronomischen Kunstwerk ein besonderes Antlitz verleihen.
Die anderen astronomischen Beobachtungsstationen überraschen den Besucher mit einer Vielzahl von interessanten und künstlerischen Auslegungen astronomischer Sachverhalte. Auch sind die Standorte noch exotischer als die bisher vorgestellten. Die vielen anderen astronomischen Orte des Landes sind auf einer Webseite des Heimatverbandes Mecklenburg-Vorpommern gut und übersichtlich dargestellt [4]. Hier findet der interessierte Sternfreund eine Vielzahl von Urlaubsaktivitäten.
Internethinweise (Stand 19.08.2021): [1] Mecklenburger ParkLand e.V.: www.plmv.de [2] Biber Ferienhof: www.biberferienhof.de [3] Sternenpark M-V: www.sternenpark-mv.de [4] Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern, Orte der Astronomie in MV:
www.heimatverband-mv.de/unsere-themen/landschaft-natur-und-umwelt/ orte-der-astronomie
Von Köln über die Eifel, nach La Palma und bis nach Namibia
von Karsten Kopp
Als Kölner hat man es nicht wirklich leicht, wenn es um den Blick zu den Sternen geht. Mond, Planeten und auch die Sonne sind da nicht das große Problem. Da ich aber in erster Linie im Bereich Deep Sky, egal ob visuell oder astrofotografisch, unterwegs bin, ist dies auf Dauer nicht wirklich zufriedenstellend. Auch wenn so manches hier, trotz der Lichtverschmutzung, mit diversen Filtern möglich ist und ich dies auch heute noch gerne bei mir auf dem Balkon oder bei uns als Mitglied der Volkssternwarte Köln mit dem wesentlich besseren Equipment nutze. Dennoch ist dunkler Himmel einfach nicht zu ersetzen. Und so kam es dann auch, dass mich ein Vereinskollege, mit dem ich schon viele Nächte unter dem schon recht dunklen Eifelhimmel verbracht habe, fragte, was unsere Reiseziele wären, wenn wir einen Astrourlaub planen wollten.
Die Deutschlandkarte, so verlockend doch einige Regionen sind, haben wir schnell
wieder beiseite gelegt. Nach einer intensiven Recherche von Lichtverschmutzungskarten, Wetterseiten und Astroforen, ist die Wahl schlussendlich auf die Kanareninsel La Palma gefallen. Das GranTeCan mit seinem 10,4 Meter großen Spiegel steht ja, neben vielen anderen Teleskopen, nicht umsonst dort. Auch ist, neben dem sehr dunklen Himmel, das Seeing dort oft exzellent. Nachdem wir uns eine schöne Finca mit Pool auf knapp 600 Meter Höhe auf der eigentlich sonnensicheren Westseite im September gemietet hatten, hieß es jetzt nur noch zu warten und die Ausrüstung hier und da zu optimieren.
Ohne zusätzliches Gepäck konnte ich alles Wichtige ohne Probleme mitnehmen. Meine DSLR, Guidingkamera, meine Celestron AVX, ein leichtes Berlebachstativ, ein Vixen VMC 110, Sucher, kleinen Laptop, Okulare, Bücher, Kabel und vieles Weitere. Es war sogar noch gut Platz für alles andere, aber
1 Strichspuraufnahmen um den Himmels
südpol während meiner Beobachtung mit dem 24-Zoll-Dobson auf Kiripotib. Die Strichspuraufnahme wurde von kleineren Wolkenfeldern unterbrochen. Der helle Teil rechts im Bild ist der Bereich um das Zentrum der Milchstraße. Einzelaufnahme mit 2 h 40 min Belichtungszeit bei ISO 800 und einer Brennweite von 18 mm bei f/5,6 mit einer Canon 1000D.
die verfügbare Gepäckmenge wurde wirklich bis zum Äußersten ausgereizt.
Was man schnell nach der Ankunft mit dem Mietwagen merkt, wenn man von der Ostseite auf die Westseite fährt, dass man hier sehr viele Höhenmeter macht und man keine Scheu vor den ständigen Serpentinen haben darf. Es kann aber auch mitunter viel Spaß machen. Leider hat sich in der Woche das Wetter nicht wirklich an seine bisherigen Statistiken gehalten und es regnete auch an mehreren Tagen, und wenn nicht, dann war es recht stark bewölkt. Natürlich kann man in der Zwischenzeit die faszinierende Insel erkunden, und nicht nur für Hobbyastronomen ist der Besuch der Großteleskope
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2 Manchmal können 100
oder 200 Meter Höhenunterschied entscheidend sein. Blick von unserer Terrasse von der Finca 2017.
nahe dem Gipfel des 2.426 Meter hohen Roque de los Muchachos sehr zu empfehlen. Aus astronomischer Sicht war leider nur wirklich eine Nacht top und zwar die letzte. Dort habe ich mich neben einer Aufnahme vom Saturn dann nur noch der visuellen Astronomie hingegeben.
Vom Saturn, um das Seeing nochmals anzusprechen, konnte ich von einer Aufnahme mit 1.000 Bildern später mit der Software AutoStakkert 800 verwenden. Visuell war Barnards Zwerggalaxie mein Highlight, auch wenn in dem kleinen Teleskop nicht so viel zu sehen war, aber allein dass ich sie einwandfrei beobachten konnte, hatte was. Erschreckend ist es übrigens, wenn man nachts wieder zu Hause landet und sehr deutlich feststellen muss, was der Unterschied ist zwischen Großstadthimmel und wirklich dunklem Himmel. Für uns stand zum Abschluss fest, wir wollen wieder kommen.
Gesagt getan, und mit derselben Reisegruppe haben wir 2017 im September wieder eine Woche Astrourlaub auf La Palma gebucht. Was hat sich geändert? Die Finca, diesmal nochmals knapp 200 Meter höher, und etwas ganz Entscheidendes: Auf dem ATT 2016 hatten wir einen kleinen, fast unscheinbaren Stand entdeckt, wo neben einem 20-Zoll-Dobson noch eine Schautafel von der Insel La Palma zu sehen war. Das Projekt Athos stellte sich hier vor und wir waren direkt begeistert. Mietteleskope, Montierungen, Okulare, Filter, Kameras und vieles mehr. Alles was man als Hobbyastronom so braucht, egal, ob man visuell oder astrofotografisch unterwegs ist. Perfekt für uns, weil man dort teils wirklich hochwertige Ausrüstung mieten kann, was natürlich Gewicht bei der Anreise spart oder die eigene Ausrüstung vervollständigt. Man kann sogar, wenn man denn möchte, sich auf dem zugehörigen Areal direkt eine
3 Astrozeichnung von einem Teil des Cirrusnebels.
Finca mieten, plus Beobachtungsplattformen oder gar eine komplette Sternwarte. Wir haben jedoch nur einige Geräte gemietet, und das für mich wichtigste war dann auch ein 20-Zoll-Dobson.
Leider spielte das Wetter auch diesmal nicht wirklich mit, denn auch hier hatten wir bis auf zwei Tage wirklich Pech, da gerade Calima herrschte (Abb. 2). Trotzdem konnten wir wenigstens bei leicht diesigen Bedingungen die zwei Nächte teils bis morgens um 6 Uhr nutzen. Ich habe mich dann eigentlich nur noch auf den 20-Zoll-Dobson konzentriert und konnte am Ende 24 Erstsichtungen verbuchen, wobei für mich auch einige echte Perlen darunter waren,
wie zum Beispiel der ferne Kugelsternhaufen NGC 7006. Dieser ist 130.000 Lichtjahre entfernt. Aber schon einen Tag später, mit ein paar Kugelsternhaufen, welche zur Andromeda-Galaxie gezählt werden, ging es noch weiter hinaus. Auch der recht große und helle Kugelsternhaufen M 22, welcher im 20-Zoll-Dobson ein absoluter Genuss ist, begeisterte, und dann noch mein persönliches Highlight, NGC 6992. Ein Teil vom Cirrusnebel, welcher in Verbindung mit einem [OIII]-Filter so schön und auch detailreich zu beobachten war, dass ich hier nun auch endlich mal wieder eine Astrozeichnung anfertigte (Abb. 3). Auch hier musste man nach einer Woche sagen, beim Wetter war noch Luft nach oben, aber
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Lodges mit vergleichbaren Angeboten, der Stand auf der Messe war jedoch schon klar ausschlaggebend. Dass wir auch über die Lodge eine geführte Safari über sechs Tage nach unseren Bedürfnissen buchen konnten, war ein weiterer Pluspunkt. Acht Monate vor dem geplanten Reisezeitraum konnte ich auch noch aus fast allen verfügbaren Geräten aussuchen. Ein 90-mm-TS-Apo für vier Tage und mein persönliches Highlight, ein 24-Zoll-Dobson für drei Tage. Das Gesamtangebot war nicht ganz so reichhaltig wie bei Athos, aber absolut ausreichend.
Was man hier aber klar im Hinterkopf behalten muss, ist, dass man sich hier fernab irgendwelcher Einkaufsmöglichkeiten befindet. Daher sollte man, was Kabel, Akkus, Speicherkarten etc. angeht, möglichst Ersatz dabei haben. Was die Sache wieder sehr schön gestaltet hat, war, dass zu jeder Neumondphase ein Astrobetreuer vor Ort ist, welcher die Geräte ein wenig wartet und auch für viele Fragen und Probleme da ist. Bei uns handelte es sich um den in der Astroszene schon recht bekannten Frank Sackenheim, der wie wir aus Köln kommt. Kleine Welt. Was auch noch sehr schön war, dass es jede Nacht einen Mitternachtssnack gab, und vielleicht noch wichtiger, dass man das Frühstück auch später zu sich nehmen konnte.
4 Barnards Galaxie NGC 6822, bei der auch ganz leicht galaktische Zirren zu erkennen sind.
Aufnahme mit einer Canon 700Da an einem 90-mm-TS-Apo (f/6,6). 6 x 10 min bei ISO 800. Bildbearbeitung mit Astroart 7, Siril und Gimp.
das Projekt Athos und die beiden letzten Nächte waren das, was einen Astrourlaub für uns ausmacht. Und die Reise war für meine Frau und mich noch nicht zu Ende, denn ein Jahr später wollten wir zu unserer Silberhochzeit noch ein weiteres Highlight hinzufügen: Namibia.
Da wir auch von der Tierwelt Afrikas schon immer sehr angetan waren, war dies unser perfektes Reiseziel. Auch hier sind wir auf dem ATT schon einige Jahre vorher auf eine Lodge aufmerksam geworden, die sich mit dem Astrotourismus, ein weiteres Standbein aufgebaut hat. Kiripotib sollte es werden. Natürlich gibt es auch noch einige andere
Was man, bevor ich zu meinen Astrohighlights komme, auch nicht außer Acht lassen sollte, ist, dass die beste Astrozeit in Namibia sich im südlichen Herbst und Winter abspielt. Also im Zeitraum ab Mai bis Ende September. Mitunter kann es dann auch mal, weil man sich ja am Rande der Kalahari-Wüste befindet, nachts in den Minusbereich reingehen. Unsere kälteste Nacht war -7 Grad C, zum Glück vor der Safari, welche wir als Erstes unternommen haben. Ansonsten lagen wir aber immer gut im Plusbereich. Tagsüber geht es immer klar über 20 Grad C. Also Augen auf, was noch alles ins Gepäck muss. Tipps dazu erhält
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man zum Glück schon auf der Homepage der Lodge. Astrofotografisch konnte ich 11 Objekte aufnehmen, und hier waren der Katzenpfotennebel NGC 6334, Barnards Zwerggalaxie NGC 6822 (Abb. 4), ein Teilausschnitt von der Kleinen Magellanschen Wolke, der Omega-Centauri-Kugelsternhaufen (Abb. 5) und der Eta-Carinae-Nebel (Abb. 6) meine Favoriten.
Visuell habe ich 120 Objekte beobachten können, und auch hier waren einige darunter, welche mir bis heute noch in sehr guter Erinnerung geblieben sind. Dazu zählt der Marsmond Deimos, der Trifidnebel M 20, welcher wie auf Astrofotos anzusehen war, nur halt nicht in Farbe, der visuell extrem coole Omega-Centauri-Kugelsternhaufen und zum Schluss die Große Magellansche Wolke, hier ganz speziell der Tarantelnebel NGC 2070. Er zählt zu den größten Emissionsnebeln in der Lokalen Gruppe. Während meiner Beobachtungen habe ich mich gefragt, wie er wohl in nur 5.000 Lichtjahren am Himmel zu sehen sein würde und nicht mit seinem Abstand von 163.000 Lichtjahren?
Ein weiteres Highlight war für uns auch ganz ohne Teleskop herausragend, das Band der Milchstraße. Hier in Namibia steht das Zentrum im Zenit und so schön und strukturiert haben wir dieses noch nie gesehen. Dass die Milchstraße dann auch noch so hell ist und einen Schatten werfen kann, war für uns atemberaubend schön. Es war auf jeden Fall in jeglicher Hinsicht eine Traumreise, und wir sind uns einig, dass wir wiederkommen wollen.
5 Der Kugelsternhaufen Omega Centauri (NGC 5139). Aufnahme mit Canon 700Da
am 90-mm-TS-Apo (f/6,6). 22 x 5 min bei ISO 800. Bildbearbeitung mit Astroart 7, Siril und Gimp.
Generell kann man sagen, dass man die Möglichkeit eines Astrourlaubs am besten mit vor Ort gut gewartetem Equipment nutzen sollte. Es lohnt sich. Am Reiseziel sollte man, wenn möglich, das Land und die Leute ein wenig kennenlernen, denn das rundet den Astrourlaub perfekt ab.
6 Seite 42: Der Eta-Carinae-Nebel NGC 3372. Aufnahme mit Canon 700Da
am 90-mm-TS-Apo (f/6,6). 10 x 10 min bei ISO 800. Bildbearbeitung mit Astroart 7, Siril und Gimp.
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Der größtmögliche Planetenwanderweg
von Bernd Gährken
In den letzten Jahren hat die Idee der Planetenwanderwege eine weite Verbreitung gefunden. Es gibt sie in unterschiedlichen Ausstattungen und Größen in fast allen Industriestaaten, aber auch in abgelegenen Weltregionen. Selbst in Afrika wurden schon einige gesehen.
Wie groß wäre eigentlich der größtmögliche Planetenwanderweg der Welt? Um ihn aufzubauen, würde ein Großkreis der gesamten Erde benötigt. Idealerweise läge der Großkreis in Äquatornähe, da der Erddurchmesser am Äquator etwas größer ist als an den Polen. Sämtliche Stationen des Großkreises sollten sich an Land befinden, denn es ist ja ein Planetenwanderweg und kein Schwimmweg.
Um zu testen, ob der Spaß überhaupt eine denkbare Lösung hat, wurde einfach der heimische Globus verwendet. Ein Streifen Papier, der am Ende mit einem Stück Gummiband zu einem Ring verbunden wurde, leistete nützliche Dienste (Abb. 1). Auf dem Papierstreifen wurden die Planetenpositionen markiert. Durch die Beschränkung auf das Planetensystem fallen Sonne und Neptun auf die gleiche Position.
Das größte Problem ist der Sprung über den Pazifik. Logischerweise muss hier auch der größte Sprung zwischen den Planeten angesiedelt werden, also die Distanz zwischen Uranus und Neptun. Der Rest ist dann ein Geduldsspiel, um auch die restlichen Planeten auf das Festland zu bringen.
Eine Lösung gibt es mit einem Startpunkt östlich von Quito in Ecuador bei 0 Grad n.Br. und -78 Grad ö.L. Der gesuchte Großkreis hat einen nördlichen Wendepunkt bei 12 Grad w.L. und 14 Grad n.Br. Die Sonne liegt dabei auf dem Äquator, was das Rechnen etwas vereinfacht. Uranus ist 19,2 und Neptun 30,1 Astronomische Einheiten (AE) von der Sonne entfernt [1]. Bei 40.000 km Erdum-
fang entspricht eine AE ca. 1.330 km. Der Sprung Uranus-Neptun kommt mit 10,9 AE also auf etwa 14.500 km. Damit lässt sich von Quito aus exakt der östliche Zipfel von Papua-Neuguinea erreichen.
Die restlichen Planeten sind unkritisch. Die inneren Planeten verteilen sich auf den Dschungel zwischen Kolumbien, Venezuela und Guyana. Jupiter schafft gerade eben den Sprung über den Atlantik zur senegalesischen Hafenstadt Ziguinchor. Saturn fällt in die Nähe der Stadt Gonder im Norden Äthiopiens.
Zum Ausmessen der Entfernungen hat sich die Webseite von Stephan Georg als nützlich erwiesen [2]. Dort kann man sich den Großkreis des Planetenwanderwegs mit [3] anzeigen lassen.
Für einen Eintrag ins Buch der Rekorde würde vermutlich die Aufstellung von neun Schildern reichen. Je ein Schild für die acht Planeten und ein Schild für die Sonne. Es wäre jedoch schöner, die Sache auszuschmücken. Falls man für jeden Planeten ein Modell aufstellen wollte, wäre die Sonne die größte Herausforderung.
Der Neptun ist von der Sonne 4.504 Mio. km entfernt [1]. Auf den Erdumfang heruntergerechnet schrumpft die Sonnengröße von 1,4 Mio. km auf 12,5 km. Jupiter schrumpft auf 1,25 km. Selbst Merkur wäre noch über 40 m groß. In diesem Maßstab kann man schlecht etwas bauen. Aber vielleicht lassen sich natürliche Formationen finden, die sich als Modell eignen.
Alternativ wäre es denkbar z. B. für den Jupiterdurchmesser eine eigene Strecke von 1,25 km abzustecken. Das Gedankenspiel mit den natürlichen Formationen hätte aber den Reiz, dass man zumindest aus dem All den Planetenwanderweg nachvollziehen könnte. Ein Astronaut könnte ihn beim
Blick aus dem Fenster in etwa 90 min abfahren, sofern sein Raumschiff eine passende Bahnneigung besitzt.
Das Gedankenspiel zum maximalen Planetenwanderweg lässt sich sicher noch weitertreiben, je nachdem, wie man das Planetensystem und den Begriff ,,Wanderweg" definiert. Mit der Definition über den Erdumfang sind Wasserwege unvermeidlich. Falls man nur über Land wandern möchte, führt der längstmögliche Planetenwanderweg von Accra in Ghana über die Landenge von Suez nach Qingdao am Gelben Meer. Diese Strecke wäre aber nur 12.300 km lang [4]. Andere Lösungen wie z. B. in Amerika über die Landenge von Panama wären entweder kürzer oder würden von der geraden Linie abweichen.
Internethinweise (Stand August 2021): [1] Planeten - Entfernungen berechnen
online: https://rechneronline.de/ planeten/ [2] Stephan Georg, Entfernungsrechner: www.luftlinie.org [3] wie [2], www.luftlinie.org/0.0,78.0/+14+12.0/0.0,+102.0/-14,168.0/0.0,-78.0 [4] wie [2], Lösung auf dem Landweg: www.luftlinie.org/Qingdao, Shandong,CHN/Accra,GreaterAccra,GHA [5] Bernd Gährken, Homepage: https:// astrode.de/planetenwanderung.htm
Rechte Seite:
1 Globus mit den ermittelten Planetenposi-
tionen auf dem Großkreis mit dem Wendepunkt bei 12 Grad w.L. und 14 Grad n.Br.
2 Lage der Sonne und der inneren
Planeten im südamerikanischen Dschungel
3 Weltkarte des Großkreises mit den
Positionen der Gasplaneten
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Mit dem Zug zur tanzenden Lady
- von Peine nach Kiruna und wieder zurück
von Wolfgang Meirich
Eine Woche vor Abreise waren es minus 31 Grad in Kiruna. Ein Temperaturunterschied von rund 30 Grad zu unserem beschaulichen Ilsede in Niedersachsen. Was nehme ich nur zum Anziehen mit? Diese Frage stellen sich nicht nur Frauen! Von jetzt an schaue ich täglich auf die Wetterprognosen. Langsam, ganz langsam klettert das Thermometer Richtung minus 20 Grad. Naja, mal abwarten, wie es tatsächlich wird!
06.02.2019 Koffer und Fotorucksack sind gepackt. Fahrkarten, Pass, Kreditkarte, Tabletten und etwas schwedisches Bargeld (500 SEK) sind fertig zur Abreise.
09.02.2019 In Kiruna angekommen, treffen wir im Hotel eine Gruppe Jugendlicher, die erzählen, dass sie in den letzten Tagen in der Zeit von 21:00 bis 22:00 Uhr einige Male Polarlichter sehen konnten. Das hört sich schon mal vielversprechend an. Obwohl am Abend ein guter KP-Wert von knapp über 3 herrscht, also elektrisch geladene Teilchen reichlich in die Hochatmosphäre der Erde eindringen, können wir keine Polarlichter sehen. Der Himmel ist zugezogen und es schneit etwas. Der Schneefall verstärkt sich in der Nacht. Einige Zentimeter Neuschnee liegen am nächsten Morgen vor unserem Quartier.
07.02.2019 Meine Frau fährt mich mit dem Auto zum Peiner Bahnhof. Die Abenteuerreise in den hohen Norden, rund 2.500 km und 30 Stunden Zugfahrt, beginnt pünktlich in Peine. Reinhard, ein früherer Berufskollege und auf dieser Tour mein Reisekollege, erwartet mich schon im Hannover Hbf. Wir steigen in den ICE nach Hamburg ein, der mit drei Minuten Verspätung in Hannover abfährt. In Hamburg geht es dann mit dem Eurocity, einem Wagenpark der Dänischen Staatsbahn, weiter nach Kopenhagen, unserem ersten Etappenziel. Wo geht ein Sterngucker in Kopenhagen hin? Natürlich dorthin, wo die Astronomie zu sehen und zu fühlen ist, zum Rundetårn (runder Turm). Bis 1861 wurde das Observatorium von der Universität Kopenhagens genutzt und ist heute das älteste funktionsfähige Observatorium Europas. Der Turm ist rund 35 m hoch und hat einen Durchmesser von 15 m. Nach dem Frühstück geht es mit dem Schnellzug weiter nach Stockholm, wo wir am Abend in den Zug nach Kiruna einsteigen. Es liegen 15 Stunden Fahrt durch die schwedische Nacht vor uns, die wir in einem 3-Bett-Schlafwagenabteil verbringen.
10.02.2019 Am Vormittag erkunden wir etwas die waldreiche Gegend. Diese ist teilweise mit gespurten Loipen durchzogen. Zahlreiche Skilangläufer kreuzen unsere Wege und einige können es sich nicht verkneifen und weisen uns in Englisch eindringlich darauf hin, dass wir Fußgänger bloß nicht in die Loipen treten sollen. Die Loipen sind alle durch hohe Laternen ausgeleuchtet. Keine Chance auf Himmelsbeobachtung. Aber dann, gar nicht so weit entfernt von unserem Quartier finden wir einen einigermaßen ,,dunklen" Platz, wo wir evtl. Polarlichter fotografieren können. Keinerlei Beleuchtungsmittel sind in der Umgebung zu sehen. Gegen Abend wird der Wetterbericht eingehend gecheckt. Es soll aufklaren und der KP-Wert für Polarlichtbeobachtung liegt wieder bei 3. Hoffnung! Wir packen unsere Ausrüstung und gehen um 19 Uhr raus in die minus 14 Grad ,,kühle" Luft. Schreck lass nach!
Es ist eigentlich unfassbar, wie viel Licht hier in Kiruna gen Himmel geschickt wird. Lichtkanonen bestrahlen lichtsäulenmäßig den Himmel. Laut Wetterbericht soll die Bewölkung ab 20:00 Uhr abnehmen und
1 Überfrorene Kamera mit Objektiv und
Heizmanschette auf Stativ
die Sicht auf Polarlichter ermöglichen. Die Polarlichtkarte zeigt um 21:07 Uhr, dass wir mittendrin sind im Sichtfeld und die Bewölkung zurückgehen sollte. Aber in der Wirklichkeit sieht es so aus, dass die Bewölkung über uns kaum zurückgeht und es sogar leicht anfängt zu schneien. Ärgerlich! Wir warten noch bis ca. 22:00 Uhr, doch es tritt keine Wetterbesserung ein. Mit kalt gefrorenen Füßen gehen wir dann zurück in unser Quartier. Dort durchforsten wir die Polarlichtwebcams und siehe da, ca. 3 Stunden südlich, in Jokkmokk, ist klarer Himmel und leichtes Polarlicht zu sehen, ebenso ca. 2,5 Stunden nördlich entfernt, im Abisko Nationalpark. Nur in Kiruna nicht! Gegen 23:00 Uhr klart der Himmel allerdings auch auf, Sterne sind zu sehen, doch vom Polarlicht keine Spur. Hoffnung ist weiterhin da und für Montagabend klarer Himmel ab 21:00 Uhr vorhergesagt. Am Dienstag soll es sogar ab Mittag klaren Himmel und Sonnenschein geben mit einem KP-Wert über 3. Also Daumen drücken!
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11.02.2019 Der heutige Tag beginnt mit einer frühmorgendlichen Lichtsäule, minus 20 Grad und am gegenüberliegenden Horizont zeigen sich die Sonnenstrahlen am schneebedeckten Berg.
Die Wetter- und Polarlichtaktivitätsprognose zeigt sich von einer sehr positiven Seite. Ab 21:00 Uhr klarer Himmel und ein KP-Wert wieder über 3 wird prognostiziert. Sollte es heute Abend gelingen, die tanzende Lady einzufangen? Immer noch auf der Suche nach einem besseren Beobachtungsplatz, wandern wir am Vormittag durch die angrenzende ,,Wildnis" und siehe da. Es gibt tatsächlich noch bessere Plätze zum Fotografieren des Polarlichtes. Am Abend wissen wir mehr.
Abends gehen wir dann frühzeitig um 19:00 Uhr zum Beobachtungsplatz.
Der Himmel ist noch ziemlich zugezogen, der Mond eingehüllt von Wolken. Die Aurora-App sagt, dass momentan nichts los ist, also wieder zurück ins warme Quartier. Um 19:30 Uhr, die Aufregung muss irgendwie beseitigt werden, gehen wir wieder raus. Schon nach ca. 100 m sehen wir etwas, was wir noch nie live gesehen hatten.
Die tanzende Lady.
Endlich, ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Erst zeigt sie sich ganz zart, tief über dem Horizont, dann wird es immer intensiver. Ein traumhafter Anblick! Vielleicht klappt es ja am Dienstag noch einmal?
12.02.2019 Der Tag beginnt wieder mit dem Checken der Wetterprognose. Für heute werden ein klarer, sonniger Tag und eine klare Nacht vorhergesagt. Tatsächlich ist es tagsüber zumeist weit über 50% bewölkt, wenig Sonne
zu sehen. Am Abend sieht es nicht besser aus, im Gegenteil, der weitaus größte Himmelsteil ist eingehüllt in Wolken. Der Mond blinzelt hinter den Wolken hindurch. Die Polarlichtvorhersage am Abend ist auch nicht berauschend. Die Temperaturen fallen auf minus 12 Grad. Wir beobachten das Wetter vom ,,Sofa" aus. Ab und zu gehen wir kurz raus mit einem prüfenden Blick zum Himmel.
Gegen 20:30 Uhr ziehen wir uns, um unser Gewissen zu beruhigen, warm an und begeben uns mit unserer Fotoausrüstung zum Beobachtungsplatz. Dort bauen wir unsere Kameras auf und machen ein ,,Mal schauen, was am Himmel zu sehen ist"-Bild! Die Wolkenlage erscheint im unteren Himmelsbereich ziemlich durchlässig und ganz unten links ist tatsächlich etwas Grünes zu sehen.
Im Verlauf der weiteren Stunde wird es mal mehr, mal weniger bewölkt und es zeigen sich unterschiedlich helle Polarlichter. Wir sind zufrieden. Nachdem sich fast eine halbe Stunde gar nichts mehr tut - es ist bereits weit nach 23:00 Uhr und minus 13 Grad - schimmert es wieder etwas durch, wird immer stärker, intensiver, schneller, zieht über den kompletten Himmel. Es brennt ein Feuerwerk, ein Polarlichtfeuerwerk, ab. Vor lauter Staunen vergesse ich in der ersten Zeit, den Auslöser der Kamera zu bedienen.
Die tanzende Lady tanzt über das Himmelsparkett!
Was sich innerhalb einiger Minuten abspielt, können Fotos bei Weitem nicht wiedergeben. Der Eindruck dieses fantastischen Himmelsschauspieles bleibt auf der ,,Festplatte Gehirn" aber für alle Zeiten gespeichert. Unsere Reise zur Aurora Borealis, zur tanzenden Lady, hat am 12.02.2019
gegen 23:00 Uhr ihren bisherigen absoluten Höhepunkt. Ein grandioses Himmelsschauspiel!
13.02.2019 Einen Tag vor Abreise. Positiv gestimmt gehen wir wieder um 20:45 Uhr zu unserem Beobachtungsplatz. Wir stehen rund 90 Minuten im Schnee, der Himmel klart immer mehr auf, die Sterne werden zusehends zahlreicher, aber es tut sich nichts in Sachen Polarlicht. Die Aurora-App zeigt auch immer weniger Chancen an. Ob man sich auf die allerdings verlassen kann? Oft ist es ja so, wenn man die Hoffnung schon fast aufgegeben hat, dann passiert etwas. So auch an diesem Abend. Urplötzlich wird es im Nordosten etwas grün, immer stärker und stärker und mit einem Mal zündet der Himmel vor uns von West über Nord nach Ost so intensiv sein Polarlichtfeuerwerk. Unglaublich! Die tanzende Lady tanzt wieder und wie sie tanzt! Diesmal sogar mit violetten Farben. Die Lichter rollten von Ost nach West, es hört nicht mehr auf. Unglaublich!
Fast zwei Stunden schauen wir fasziniert zu und fotografieren. Die Kamera ist mittlerweile mit Eis überzogen. Meine Nachbarn links und rechts von mir können gar nicht mehr fotografieren, weil die Optik zugefroren ist. Ich hatte wohlweislich eine Heizmanschette um das Objektiv gelegt und keinerlei Probleme. Die Kamera funktioniert auch mit Eis überzogen und die Linse bleibt beschlagsfrei. Um 00:10 Uhr wird das Polarlicht schwächer, wir gehen total durchgefroren und glücklich ins Hotelzimmer zurück. Es waren minus 14 Grad. Drei Nächte hintereinander Polarlichter zu sehen, ein wahnsinniges Erlebnis! Eine äußerst erfolgreiche Polarlichtreise neigt sich dem Ende zu. Nun müssen nur noch die Züge nach Hause fahren. Es bleibt spannend!
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2 Mein erstes Polarlicht
14.02. 2019 Tag der Abreise. Unser Zug, mit dem wir nach Hause fahren wollen, steht seit vier Stunden in Boden. Er muss noch bis Narvik fahren, dort wenden und dann geht es auf die Reise gen Süden, mit Halt in Kiruna, wo wir einsteigen werden. Alles einfacher gesagt als getan. Gegen Mittag hat der Zug schon sechs Stunden Verspätung Richtung Narvik. Dann, gegen 16:00 Uhr, heißt es, der Zug von Narvik bis Kiruna fällt aus. Aber von Kiruna soll er um 18:32 Uhr abfahren. Das müsste bedeuten, dass der Zug nach Narvik heute in Kiruna endet. Wir gehen gegen 17 Uhr zum Bahnhof. Ein Weg von ca. 40 Minuten zu Fuß und es tobt gerade ein gewaltiger Schneesturm
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durch die Straßen. Durch tiefen Schnee stapfen wir mit unseren Koffern zum Bahnhof. Der Schnee peitscht uns ins Gesicht. Die kleine Bahnhofswartehalle ist gut gefüllt mit Menschen. Die meisten wollen wie wir nach Stockholm. Auf der Anzeigetafel wird unser Zug gelistet. Die Spannung steigt. Wird er tatsächlich fahren? Ja, er fährt. Um 19:20 Uhr fahren wir mit rund 50 Minuten Verspätung ab nach Stockholm ...
3 Polarlichter in
unterschiedlichen Formen und Farben
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Ein hindernisreicher Ausflug zur partiellen Sonnenfinsternis mit ISS-Transit
von Johannes Hildebrandt
Besondere Ereignisse erfordern eine lange detaillierte Vorplanung - und haben dann meist zur Folge, dass man irgendwo im strömenden Regen unter einer geschlossenen Wolkendecke steht. Oder man gibt dem Ganzen eine weniger große Bedeutung und denkt sich: ,,Dieses Mal - ohne Stress - ganz gemütlich im Garten, was sind schon 7% Bedeckung ..."
Ja, tatsächlich war es so geplant. Mein Auto hätte um 9 Uhr in der Werkstatt sein sollen und ich danach einfach mit dem Dobson im Garten. Zu dumm, dass ich schon vor dem Klingeln meines Weckers wach war und aus irgendeinem Grund online die kommenden ISS-Transite checkte ..., aber Moment mal, heute, während der Sonnenfinsternis? Und die Zentrallinie ist nur gute 30 km weit weg? Und die ISS maximal nah, sprich: richtig groß?
testgehend zusammengebaut ins Auto geschmissen und dann nichts wie los.
Nervenkitzel pur, langsame LKWs, jede Menge Blitzer und Polizeikontrollen und zuletzt auch noch eine Baustellenampel - immer die Ankunftszeit im Blick.
Als dann der Schatten der ISS endlich durch das Display huschte, und die Datei auch tatsächlich auf der Speicherkarte war, konnte ich endlich tief durchatmen. Aber hey, einfach kann doch jeder? Soviel zum Thema ,,Bloß kein Stress". ;-)
Und am Ende kam das Auto dann auch noch in die Werkstatt.
Von da an musste es dann schnell gehen. Werkstatttermin verschieben, Beobachtungsort online auskundschaften, Auto laden, hinfahren. So weit, so gut, die eigentliche partielle Finsternis war ab da nur noch Nebensache. So kam ich schon nach dem ersten Kontakt am geplanten Platz an, baute auf und versuchte, erste Fotos zu machen. Und was dann? Klar: Wolken! Zunehmend dichter werdend, schwanden die Chancen, etwas zu sehen immer mehr. Doch was tun? Von der idyllischen Anhöhe hatte ich einen schönen Blick über das Tal und sah in westlicher Richtung mehr blauen Himmel und Sonnenschein. Es wurde ein neuer Standort gesucht, gefunden und irgendwie war er auch erreichbar. Mir war es mittlerweile egal, wo der war. Notfalls auch direkt neben der Straße.
Für die knapp 20 km Luftlinie sollte ich etwa eine halbe Stunde brauchen - Ankunft dann laut Navi weniger als 10 Minuten vor dem Ereignis. Das Equipment wurde wei-
1 Die ISS vor der partiell verfinsterten Sonne am 10.06.2021 um 12:51:30 Uhr MESZ,
Ort: Heudorf (Scheer) in Baden-Württemberg/Oberschwaben, Teleskop: 8-Zoll-Dobson, Sonnenfilter: Baader AstroSolar OD 5.0, Kamera: Sony 6300 (4K-Video). Es wurde ein Video in 4K-Auflösung gefilmt, daraus die einzelnen Bilder überlagert.
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Astrofotografie
Neues aus der FG Astrofotografie
Derzeit (August 2021) werden auf unserer Mailingliste folgende Schwerpunkte lebhaft diskutiert: - Deep-Sky-Fotografie, - Sonnen- und Mondfotografie, - Planeten, aktuell vorrangig Jupiter, - Kometen, wenn vorhanden, - nächtliche Stimmungsfotografie.
Die Deep-Sky-Fotografie ist und bleibt allerdings das beliebteste Betätigungsfeld. Neben den rein objektorientierten Aufnahmen werden aber auch immer wieder gern astronomische Ereignisse im Bild festgehalten, so galaktische Novae und extragalaktische Supernovae (Abb. 1).
Die Astrofotografie in Kombinationen aus (L)RGB-Aufnahmen mit schmalbandig gefilterten Fotografien wird immer beliebter. Sie wird aber bei den Kollegen ziemlich individuell gehandhabt. Von daher erscheinen die Bildresultate oft recht unterschiedlich und auch relativ willkürlich. Es wird mit verschiedenen schmalbandigen Filterkombinationen experimentiert, wobei Filter für H, [OIII] und [SII] der Normalfall sind. Allerdings ist der blaue Spektralbereich bei uns noch nicht durch Schmalbandfilter ,,erschlossen", aber ganz allmählich wird der Wunsch nach einer breiteren Palette an Schmalbandfiltern deutlich. Es gab bereits erste positive Einsätze eines HFilters. Da die Schmalbandfilter durchweg aber nur sehr enge Spektralbereiche um die Emissionslinien durchlassen, werden (L) RBG-Aufnahmen durch Beimengen von Schmalbanddaten nur in ganz bestimmten Wellenlängen verstärkt. Solche Kombinationen werden deshalb völlig zu Recht als ,,Falschfarbenaufnahmen" bezeichnet.
Die Bildbearbeitung zur Mischung von (L) RGB-Aufnahmen mit Schmalbandaufnahmen unterliegt keinem Standardverfahren in puncto Farbgewichtung, also anders als
1 SN 2021rhu am Kern von NGC 7814, 19.07.2021 um 01:46 Uhr UT, 340-mm-Hypergraph,
f = 1.096 mm, Kamera QHY268m-PH, 7 x 30 s, 2x2-Binning, Bild: Oliver Schneider.
bei der RGB-Astrofotografie, bei der eine Farbkalibrierung auf die Sterne hin erfolgt - entweder nach G2-Typ oder noch besser nach dem Farbindex B-V. Es kam jedoch wiederholt der Wunsch auf, solche Verfahren auch für die Schmalbandfotografie zu entwickeln. Die Sache ist noch längst nicht entschieden, denn dazu werden kompetente Astrofotografen gebraucht, die im Projektrahmen mitarbeiten. Wer sich dafür interessiert und mitarbeiten möchte, wende sich bitte an die Fachgruppenleitung. Momentan ist es so, dass die meisten Anwender nach wie vor Freunde des Experimentierens sind. Ich werde jedoch als Fachgruppenleiter nie müde, allen stets ins Gedächtnis zu rufen: Die Astrofotografie bedeutet nicht
allein den Einsatz interessanter Software zur willkürlichen Bildbearbeitung mit dem Ziel ,,pretty pictures". Software-Entwickler und Anwender sollten sich immer darüber im Klaren sein, dass diese Programmroutinen auch an den astronomischen Fakten orientiert sein müssen. Es ist nicht immer gerechtfertigt, allein den persönlichen Geschmack in den Vordergrund zu stellen.
So stellt sich generell die Frage, ob Falschfarbenaufnahmen unbedingt an RBG-Aufnahmen angepasst werden sollten, nur weil sie dann ,,natürlicher" wirken. Falschfarbenaufnahmen etwa nach der Hubble-Palette sind inzwischen gängig und akzeptiert, weil die Zielsetzung dieser Filtermethode
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darin besteht, die Formenvielfalt der Emissionsnebel zu belegen und im Nebel die Verteilung der chemischen Elemente zu zeigen (Abb. 2).
Peter Riepe, fg-astrofotografie@sternfreunde.de
2 Sh2-101 gemäß Hubble-Palette,
Sommer 2018 und 2019, Lacerta-Newton 250 mm/1.000 mm, ZWO ASI 1600 Pro, Ha: 61 x 3 min, [OIII]: 137 x 3 min, [SII]: 53 x 3 min, Bild: Axel Rau.
IMPRESSUM
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS). Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS), Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY Telefon: +496252 787154 | Fax: +496252 787220, service@sternfreunde.de | www.sternfreunde.de Redaktion: Dietmar Bannuscher, Dr. Werner E. Celnik, Otto Guthier, Sven Melchert, Peter Riepe. Redaktionelle Mitarbeit der VdS-Fachgruppen-Redakteure und VdS-Mitglieder Bearbeitung von Bildern und Grafiken: Dr. Werner E. Celnik und die Autoren Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin Anzeigen und Herstellung: Kullmann & Matic GbR, anzeigen@sternfreunde.de Druck: Raff & Wurzel Druck GmbH, Riederich Vertrieb: Werner Teutsch GmbH, Laudenbach Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitgliedsbeitrag von 40,- E (EU) und 45,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten. Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe Seite 150 und unter www.sternfreunde.de). Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169, 64629 Heppenheim, service@sternfreunde.de.
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Astrofotografie
Gemeinschaftsprojekt Medusa-Nebel
- Experiment mit unterschiedlichen Optiken und Filtern
von Kai-Oliver Detken
Gemeinsam belichtete Objekte des Sternhimmels bereichern das Hobby der Astrofotografie und ermöglichen tiefere Darstellungen. Denn durch mehr Belichtungszeit verbessert sich das Signal/Rausch-Verhältnis, wodurch mehr Details erkannt werden können. Wenn dabei allerdings verschiedene Brennweiten und Optiken zum Einsatz kommen, ist das Zusammenbringen der Bildergebnisse nicht mehr trivial [1, 2]. Hinzu kommt, dass auch gerne unterschiedliche Filter verwendet werden, um eine bestimmte Darstellung zu erreichen oder der Lichtverschmutzung ein Schnippchen zu schlagen. Auch dieser Umstand macht sich in einem höheren Bildverarbeitungsaufwand bemerkbar. In der Fachgruppe Astrofotografie ist zufällig, ohne vorherige Absprache, dasselbe Objekt belichtet worden. Daher versuchten die drei Astrofotografen, ihre Aufnahmen anschließend zu einem Endergebnis zu vereinen, um mehr Tiefe und deutlichere Nebelstrukturen zu erreichen. Ob dies von Erfolg gekrönt war und ob sich dieser Aufwand immer lohnt, soll in diesem Beitrag geklärt werden.
Zwischen Februar und April 2021 nahmen die drei den Medusa-Nebel (Abell 21) mit ihrem jeweiligen Equipment auf. Dabei war die Herangehensweise sehr unterschiedlich, da zum einen zwei Monochrom-Kameras (CMOS/CCD) und eine Farb-Kamera (CMOS) zum Einsatz kamen. Zum anderen wurden Schmalbandfilter, RGBFilter und Duofilter verwendet. Auch die Brennweite variierte von 560 mm bis 800 mm. Da die Bilder ohne vorherige Abstimmung aufgenommen wurden, war es erst einmal fraglich, ob man die Bildergebnisse nachträglich vereinen kann, auch wenn ein Artikel zu einem weiteren Gemeinschaftsprojekt dies bereits bewiesen hatte [2]. Denn die verwendeten Newton-Teleskope verursachen normalerweise Spikes an helleren Sternen, die bei verschiedenen Fa
brikaten oder Positionierung der Fangspiegelstreben durchaus unterschiedlich ausgerichtet sein können. Zum anderen war die Nutzung unterschiedlicher Filtertypen ein Problem, denn jeder Astrofotograf verfolgte ein anderes Ziel bei seinen Aufnahmen. Alle Aufnahmedaten lassen sich in der Tabelle nachlesen. Trotzdem wollten wir uns einmal an diesem Gemeinschaftsprojekt versuchen, und so wurden unterschiedliche Methoden der Bildverarbeitung ausprobiert, um zu einem gemeinsamen Endergebnis zu kommen.
Abell 21 selbst ist ein ausgedehnter Planetarischer Nebel (PN) mit geringer Flächenhelligkeit im Sternbild Zwillinge. Seinen Namen verdankt er den schlangenartigen Gasfilamenten, die an das Haar der Medusa erinnern. Der den Nebel verursachende Stern befindet sich in einem späten Entwicklungsstadium eines Sterns von einer Sonnenmasse. Als Ergebnis des thermonuklearen Prozesses im Inneren des Sternes wurde seine äußere Hülle vor ca. 6.800 Jahren in den umgebenden Raum abgestoßen. Der zurückbleibende Weiße Zwerg besitzt eine extrem hohe Oberflächentemperatur von 140.000 K und strahlt dadurch sehr viel ultraviolettes Licht aus, welches das Gas des Nebels zum Leuchten anregt. Der PN wurde 1955 gleichzeitig durch George Ogden Abell am Mount-Palomar-Observatorium und Hugh M. Johnson im Rahmen des Yerkes-McDonald-Asteroid-Survey entdeckt. Beide fanden den Nebel auf fotografischen Platten ihrer jeweiligen Himmelsdurchmusterungen.
In astronomischen Katalogen taucht Abell 21 bzw. A66 21 noch unter den Bezeichnungen Sh2-274, PK 205+14.1 und PN G205.1+14.2 auf. Die letztgenannte Bezeichnung ist die neueste und von der Profiastronomie empfohlene. Die Entfernung des Medusa-Nebels war längere Zeit umstrit-
ten. Mit einer spektroskopischen Methode nach Shklovskii wurde die Entfernung 1992 noch mit 782 Lichtjahren angegeben. Erst die Weltraumsonde Gaia erlaubte mittels Bestimmung der Zentralsternparallaxe eine direkte Entfernungsmessung. Diese wurde dann 2020 zu 1.730 +-15 Lichtjahren bestimmt. Auch das Alter des Nebels konnte durch die Gaia-Mission mit 16.582 Jahren genauer ermittelt werden. Wegen seines filamentartigen Aussehens hatte man ihn lange Zeit für einen Supernova-Überrest gehalten. Genauere Messungen der Expansionsgeschwindigkeit und die spektrale Zusammensetzung seines Lichts ergaben dann jedoch Werte, die für einen PN typisch sind. So dominieren das rote Licht der Wasserstofflinie H und das türkisfarbene Licht des zweifach ionisierten Sauerstoffs [OIII] bei diesem Nebel gleichermaßen.
Bei meinen Aufnahmen wurde der Duofilter L-eXtreme der Firma Optolong verwendet. Dieser Filter ermöglicht Schmalbandaufnahmen, indem er gleichzeitig zwei 7-nm-Bandpässe in H (656 nm) und [OIII] (501 nm) durchlässt, wodurch Nebelregionen mit mehr Kontrast und mit der lokal unterschiedlichen Verteilung der beiden Elemente Wasserstoff und Sauerstoff in einer Aufnahme eingefangen werden können. Durch die Schmalband-Eigenschaften ist dieser Filter auch in lichtverschmutzten Gebieten vorteilhaft einsetzbar. Er wurde speziell für Farbkameras entwickelt, sollte aber auch bei Monochrom-Kameras funktionieren, um zeitsparend zwei Wellenlängen gleichzeitig aufnehmen zu können. Hier wurde er mit der CMOS-Farbkamera ZWO ASI071MCpro im APS-C-Format verwendet, um H und [OIII] gleichermaßen abbilden zu können. Dass dies gelang, kann man in der Abbildung 1 (linkes Bild) bereits gut erkennen. Für zwei Stunden konnte dabei eine beachtliche Tiefe erreicht werden, was an der Lichtstärke des
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Astrofotografie
1 Abell 21, Einzelbilder von Kai-Oliver Detken, Kai Wicker und Jürgen Beisser (Aufnahmedaten s. Tabelle 1)
C11-HyperStar liegt, und der [OIII]-Anteil wurde zudem nicht von H dominiert. Sternfarben lassen sich hingegen kaum noch ausmachen. Hierfür hätte man eine separate RGB-Aufnahme anfertigen müssen. Bei dieser Aufnahme stand daher im Vordergrund, welches Ergebnis eine Farbkamera mit Duofilter an einem Planetarischen Nebel erreichen kann.
Die Lichtverschmutzung machte Kai Wicker in Bremen zu schaffen. Trotzdem verzichtete er auf Schmalbandfilter und nahm mit seinem selbstgebauten 10-Zoll-Newton-Astrografen [3], der in der Basiskonfiguration ein Öffnungsverhältnis von 1:2,8 und eine Brennweite von 741 mm besitzt, und seiner monochromen CCD-Kamera Atik 490EXm reine RGB-Aufnahmen auf. Wegen der Lichtverschmutzung wurde mit 2x2-Binning nur 2 Minuten pro Bild belichtet. Neben den RGB-Aufnahmen wurde noch eine S/W-Luminanzaufnahme angefertigt, was sich auszahlen sollte. So entstand eine Gesamtbelichtung von 4 Stunden und 42 Minuten. In der Abbildung 1 (mittleres Bild) sieht man, dass der Nebel kräftigere Farben besitzt und die Sternfarben gut herauskommen.
Bei Jürgen Beissers Aufnahme stand die Kombination von RGB- mit Schmalbandaufnahmen im Vordergrund. Aufgenommen wurde jeweils mit schmalbandigen Interferenzfiltern im Licht des ionisierten Wasserstoffs (rötliche Nebelbereiche) und des zweifach ionisierten Sauerstoffs (bläuliche Nebelbereiche), kombiniert mit Aufnahmen des umgebenden Sternfeldes in
natürlichen Farben. Mit der CMOS-Monochrom-Kamera musste RGB einzeln aufgenommen und hinzugefügt werden. In R, G und B wurde jeweils 3 Minuten pro Bild belichtet, für die Schmalbandaufnahmen 5 Minuten. Als Teleskop kam bei ihm erstmals (First Light) ein Newton des Herstellers Orion zum Einsatz, der mit einem Öffnungsverhältnis von 1:4,4 zwar deutlich hinter dem HyperStar und auch Kai Wickers Newton-Optik lag, der aber immer noch als lichtstark bezeichnet werden kann. In seiner Aufnahme (Abb. 1, rechtes Bild) sieht man den Nebel noch deutlicher vor dem Sternhintergrund hervortreten. Die Nebelstruktur kommt ebenso heraus wie im linken Bild. Durch die 800 mm Brennweite ist die Auflösung allerdings besser.
In der Zusammenführung der Aufnahmen sah man sich nun folgenden Herausforderungen gegenüber. Zuerst einmal musste aus den Rohbildern eine einheitliche Summenaufnahme entstehen und in PixInsight die drei Ergebnisse der unterschiedlichen Brennweiten mit der Funktion ,,Dynamic Alignment" zusammengeführt werden. Über ,,Dynamic Crop" wurde dann ein Summenbildausschnitt herausgeschnitten, da die Bilder an den Rändern nicht mehr optimal zusammenpassten. Danach wurden Bildentwicklung und Feintuning in Adobe Photoshop erledigt (z. B. das Entfernen toter Pixel). Dies war notwendig, da nicht bei jeder Aufnahmeserie Dithering angewandt wurde. Ein leichtes Entrauschen wurde abschließend mit Topaz DeNoise AI erledigt. Am problematischsten stellte sich insgesamt die Zusammenführung der
unterschiedlichen Summenbilder heraus, die alle verschiedene Gradienten und Auflösungen durch die verwendeten Kameras enthielten. Auch die Sternfarben zu retten, durch die Verwendung unterschiedlicher Filter, war eine größere Aufgabe.
Das Endergebnis kommt nun auf eine Gesamtbelichtung von 11 Stunden (Abb.2). Ob die Zusammenlegung der Ergebnisse einen Mehrwert gebracht hat, wurde von den Bildautoren allerdings unterschiedlich bewertet. Sicherlich war der Einsatz unterschiedlicher Filter nicht zweckmäßig. Man hätte sich auf eine RGB-Aufnahme in Kombination mit Schmalbandfiltern verständigen können, um eine größere Bildtiefe zu erreichen. Auch wären ähnliche Brennweiten zu empfehlen gewesen. Zudem brachte der Einsatz von Farb- und Monochrom-Kameras noch mehr Variablen ins Spiel. Aber immerhin konnte so nachgewiesen werden, dass auch bei Nutzung völlig unterschiedlicher Teleskope und Kameras ein gelungenes Gemeinschaftsbild entstehen kann. Der Nebel tritt nun deutlicher hervor als auf der relativ kurzen Duoband-Filteraufnahme oder der reinen RGB-Aufnahme. Und auch die Schmalbandfilteraufnahme hat aus meiner Sicht gewonnen, da der Nebel nun in natürlicheren Farben dargestellt wird. Das Gemeinschaftsprojekt hat daher dazu geführt, die Bildergebnisse zu diskutieren, aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und zu bearbeiten sowie sich mit dem Objekt näher auseinanderzusetzen. Also hat sich das Projekt gelohnt, auch wenn man diesen Aufwand sicherlich nicht für jedes Astrofoto betreiben möchte.
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2 Gemeinschaftsbild von Kai-Oliver Detken, Kai Wicker und Jürgen Beisser (Aufnahmedaten s. Tabelle 1)
Literaturhinweise: [1] W. E. Celnik, K. Möller, B. Flach-Wilken, 2018: ,,Der Dreiecksnebel M 33 - in Kombination von drei verschieden großen
Teleskopen", VdS-Journal für Astronomie 64 (I-2018), S. 78-83 [2] K.-O. Detken, 2021: ,,Das M64-Gemeinschaftsprojekt oder aller guten Dinge sind 23", VdS-Journal für Astronomie 76 (I-2021), S. 70-73
[3] K. Wicker, 2021: ,,10''-Astrograph. Die Himmelspolizey", Vereinszeitschrift der Astronomischen Vereinigung Lilienthal e.V., Aus. 04/21, Nr. 64, S. 21-31, www.avl-lilienthal.de/files/AVL/pdf/hipo2020_04.pdf
Tabelle 1
Aufnahmedaten der drei Astrofotografen
Astrofotografen Teleskope Montierungen Brennweiten Autoguiding Öffnungsverhältnis Kameras Filter
Dithering Einzelbelichtung Bildanzahl Gesamtbelichtungszeit Ort Aufnahmedatum
Kai-Oliver Detken Celestron C11 SC XLT (HyperStar) iOptron CEM60 560 mm Lacerta M-GEN V3 1:2 ZWO ASI071MCpro Schmalband-Nebelfilter Optolong 2" L-eXtreme Ja 5 min 26 2 Stunden Grasberg 02.04.2021
Kai Wicker Eigenbau-Newton Avalon Linear Fast Reverse 741 mm PHD-Guiding 1:2,8 Atik 490EXm Baader-RGB-Filter
Jürgen Beisser Newton Orion 182 mm/800 mm 10 Micron GM 1000 HPS 800 mm kein 1:4,4 ZWO ASI1600MM Astrodon-RGB-, H-, [OIII]-Filter
Nein 2 min RGB: 90, Luminanz: 51 4,5 Stunden Bremen 13.02.2021
Nein 3-5 min RGB: 24, H: 19, [OIII]: 24 4,8 Stunden Lilienthal 12. und 13.02.2021
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Astrofotografie
Animationen in der Sonnenfotografie
- mein Weg zu ersten Ergebnissen
von Udo Siepmann
Mein zweiter ,,Umbau" Vor zehn Jahren wagte ich mich erstmals an eine Adaption des ,,schwarzen Kastens" eines Coronado PST an einen Refraktor mit 1.000 mm Brennweite. Fotografisch befriedigte mich dieser Umbau zum HTeleskop mit langer Brennweite nicht. Zufällig stieß ich dann im Herbst 2020 auf einen Dresdener Anbieter (Oliver Smie, Beloptik), der sich auf H-Ausrüstung spezialisiert hat. Ein bereits vorhandener und kaum genutzter Achromat mit 102 mm Öffnung und 1.000 mm Brennweite und ein B1200-Blockfilter von Lunt bildeten die Ausgangspunkte für meinen zweiten Umbau. So entstand zum Frühjahr 2021 mein neues H-Teleskop mit diesen Komponenten: Vor dem Objektiv des Achromaten befindet sich ein ,,Energy Rejection"-Filter, ein D-ERF. Am Okularauszug folgen eine 3-fache Telezentrik, dann ein PST-Etalon und schließlich der B1200-Blockfilter, der auch an einem Lunt LS 60 immer noch gute Dienste leistet. So also ist es dank der 3-fachen Telezentrik ein H-Teleskop mit 3.000 mm Brennweite geworden (Abb. 1). Als Kamera setze ich nun eine ZWO ASI174MM ein. Mit ihrer Sensordiagonalen von 13,4 Millimetern übertrifft sie leicht, aber kaum störend, die Öffnung des Blockfilters. Um die bei H-Aufnahmen mit CMOS-Kameras berüchtigten Interferenzen zu vermeiden, wird die Kamera mit einem Tilter - zu Deutsch: Neigeflansch - leicht verkippt.
Erste Versuche und Guiding Erste Versuche mit dieser Ausrüstung gelangen mit der Aufnahme-Software Sharp Capture 3.1 recht gut. Da ich Teleskop und Montierung - eine Skywatcher EQ6 - nicht fest installiert habe, stellte sich alsbald das Problem der exakten Ausrichtung auf den Himmelspol und damit auch der Nachführgenauigkeit. Insbesondere bei längeren Aufnahmesequenzen, die zu einer Animation führen sollen, ist die Nachführgenau-
1 Mein H-Teleskop mit D-ERF, 3-facher Telezentrik, PST-Etalon und B1200-Blockfilter
igkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor. Was ich bis dato gar nicht wusste: Es gibt einen leistungsfähigen Solar Guider, den ,,Hinode" von Hutech. Er gewährleistet stundenlanges zuverlässiges Autoguiding auch bei nur grober Ausrichtung des Teleskops in Richtung Himmelspol.
Mein Workflow zur Animation Eine Animation ist eine rasche Abfolge von Einzelbildern, ähnlich einem Film. Sie wird gern genutzt, um im Zeitraffer eine Entwicklung, zum Beispiel einer aktiven Region auf der Sonnenoberfläche oder einer Protuberanz, zu veranschaulichen. Mein Ziel war es, den Zeitaufwand für Routineabläufe bei der Erstellung einer Animation zu minimieren.
Mein Workflow beginnt mit dem Starten des Autoguidings, nachdem die Sonne im Okular zentriert ist. Der Hinode-Guider funktioniert auch als Sonnensucher und
gibt LED-Signale, die anzeigen, wie gut die Sonne zentriert ist. Sobald die Sonne im Okular sichtbar ist, wird dieses gegen die Kamera ausgetauscht und das Fokussieren beginnt. Nach meiner Erfahrung gelingt dies nur, wenn man sich mit einem dunklen Tuch vor den Bildschirm setzt und die Fokussierung mit einem Motor durchführt. Dabei sollte das Etalon - in meinem Fall das PST-Etalon - schon so eingestellt sein, dass es den höchsten Kontrast liefert.
Erster Schritt: die Aufnahme Hilfreich für das Fokussieren ist in der Software Sharp Capture das Autostretching. Wenn man es aktiviert, verbessert es den Kontrast am Bildschirm automatisch. Es verändert aber nicht die Aufnahme selbst. Um die Belichtungszeit und den Gain richtig einzustellen, sollte man den Autostretch nach dem Fokussieren wieder deaktivieren. In Sharp Capture lässt sich die Anzahl der Frames pro Sequenz und die Anzahl
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Astrofotografie
2 Image Post Processing (Imppg) im Einsatz
der Videos aller geplanten Sequenzen voreinstellen. Auch die Pausen zwischen den einzelnen Videos kann man festlegen. Mit einem wolkenfreien Himmel und laufendem Autoguiding lässt sich so über mehrere Stunden Video um Video ganz entspannt produzieren. Wichtig ist allerdings, vorab für hinreichend Speicherplatz auf der Festplatte oder - besser noch - auf der Solid State Disk (SSD) zu sorgen. Bei schlechtem Seeing empfiehlt es sich, den Bildausschnitt auf die ,,Region des Interesses" (engl.: Region Of Interest = ROI) zu beschränken. Man nutzt dabei den Kamerasensor nur zum Teil, um hohe Frameraten mit kurzen Belichtungszeiten zu generieren. 1.500 oder 2.000 Frames entstehen so in wenigen Sekunden. Alternativ könnte der Gain erhöht werden, was sich aber nachteilig auf das Bildrauschen auswirkt. Bei der partiellen Sonnenfinsternis am 10. Juni 2021 habe ich so um die 70 Videos in rund zwei Stunden erzeugen können. Wer Flats benötigt, um
etwaige Interferenzstreifen oder Staubpartikel zu beseitigen, kann dies während der Aufnahmeprozedur gleich mit erledigen. Ein Masterflat kann mit defokussierter Kamera, einer ,,milchigen" Plastiktüte oder einer Milchglasscheibe vor dem Objektiv erzeugt werden.
Zweiter Schritt: Alignment und Stacking Im nächsten Schritt geht es um die weitere Verarbeitung dieser Video-Dateien. Dazu gehört das Alignment, also das Ausrichten der Frames eines jeden Videos. Dann folgt die Festlegung, wieviel Prozent der nach ihrer Qualität geordneten Frames man in das nachfolgende Stacking einbeziehen möchte. Den Prozess beschließt das Stacking, das am Ende ein Ergebnisbild, üblicherweise im TIF-Format, liefert. Ich habe mich bei diesem Prozess für das Progamm AutoStakkert entschieden, weil es eine sehr übersichtliche und in jedem Be-
arbeitungsschritt transparente Nutzeroberfläche hat. AutoStakkert bietet auch eine Batchverarbeitung an. Mit dem Eingangsbefehl ,,OPEN" lässt sich die komplette Liste der aufgenommenen und abzuarbeitenden AVI- oder SER-Dateien markieren. Zu Beginn dieses Batchlaufes arbeitet man prototypisch eine dieser Dateien ab, indem man die wichtigen Parameter einmal festlegt. Die im Qualitäts-Ranking der Frames sichtbaren Unterschiede sind seeingbedingt, von durchziehenden Wolken, Nachführ- oder Fokusproblemen einmal abgesehen. Für den Stacking-Prozess setze ich die einheitliche Verwertung der besten 20 Prozent der Frames an. So verzichtet man zwar bei den besonders guten Videos mit geringen Seeing-Problemen auf eine mögliche bessere ,,Ausbeute". Wer damit nicht zufrieden ist, kann den Batch-Prozess anschließend noch einmal mit einer anderen Qualitätsauswahl ablaufen lassen. Auch das lässt sich in AutoStakkert ,,vorprogram-
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Astrofotografie
mieren." Man kann AutoStakkert auch die Arbeit des Schärfens überlassen. Daran gefällt mir aber nicht, dass der Schärfungsprozess überhaupt nicht beeinflusst werden kann. AutoStakkert liefert mir in meinem Workflow am Ende für jedes Video somit ein ungeschärftes Ergebnisbild, und zwar im TIF-Format.
Dritter Schritt: Schärfen und Alignment der Ergebnisbilder Bei der Deep-Sky-Fotografie rückt man dem Seeing mit ,,Deconvolution" zu Leibe. Und das Seeing ist die Herausforderung schlechthin, wenn man sich an H-Aufnahmen mit langer Brennweite und großer Öffnung heranwagt. Sonnenfotografen greifen zur Schärfung besonders gern zu dem Programm Imppg (Image Post Processing). Denn gerade bei Sonnenaufnahmen liefert dessen Deconvolution (nach Lucy Richardson) und die zusätzliche Schärfung mit unscharfer Maske gute Ergebnisse (Abb. 2). Imppg bietet zudem ein sehr leistungsstarkes Stretching-Werkzeug. So lassen sich Schärfe und Kontrast in einem Akt bearbeiten. Auch inverse Darstellungen, zum Beispiel der Sonnenoberfläche, entstehen in guter Qualität. Zu den Vorteilen von Imppg gehört die Batch-Verarbeitung. Wenn man einmal die Parameter für die Schärfung festgelegt hat, kann man diese als ,,Setting" abspeichern. Dieses Setting wird dann zu Beginn der Batch-Verarbeitung geladen und man muss nur noch das Ausgabeformat für das verarbeitete Bild eingeben, in meinem Fall ist es wieder das 16-bit-TIF-Format.
Die Ergebnisse sind - wenn man kein zu stark streuendes Seeing in den ursprünglichen Videos hatte - gut verwertbar. Ich gestehe gern zu, dass es auch gelegentliche Ausreißer gibt. Das ist der Preis der automatisierten Verarbeitung. Zwar liefert das Guiding Bilder, die nur wenig ,,Versatz" zu-
3 Aktive Region 12822 am 09.05.2021
4 Aktive Region 12825 am 30.05.2021
einander zeigen. Eine Animation ist jedoch nur dann angenehm anzuschauen, wenn die Bilder nicht auf und ab hüpfen. Denn das Ziel einer Animation sollte ja der Eindruck einer kurzen flüssigen Filmsequenz sein. Imppg löst auch dieses Problem sehr effizient. Es gibt einen Alignment-Prozess für die soeben geschärften Bilder im TIFFormat.
Noch nicht am Ziel An dieser Stelle wähnte ich mich schon fast am Ziel zur Vorbereitung der Animation. Aber dann fiel mir noch eine ,,Kleinigkeit" ein: die richtige Bildorientierung. Wenn man die Kamera mit etwas Überlegung in den Blockfilter (der B1200 ist ein Zenitspiegel mit Filtereinsätzen) einsteckt, dann erspart man sich schon einmal eine Bilddre-
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hung um 180 Grad. Es bleibt dann noch die horizontale Spiegelung, die zur richtigen Bildausrichtung führt. Für die horizontale Spiegelung aller Bilder nutze ich Affinity Photo. Wer möchte, kann die Stapelverarbeitung gleich noch zur Einfärbung der in Graustufen vorliegenden Bilder und zur Umwandlung in das JPEG-Format nutzen.
Der letzte Schritt: die Animation Mit einiger Übung lassen sich mit Adobe Photoshop aus den JPEG-Fotos sehr gut Animationen im GIF-Format erzeugen. Ich habe meine ersten Versuche jedoch mit PhotoLapse gemacht, weil es selbsterklärend ist. Es produziert die Animation als recht große AVI-Datei. Positive Erfahrungen habe ich mit Panolapse gesammelt. Man kann die Bildserie ,,entflackern" und Animationen Speicherplatz sparend in den
5 Partielle Sonnenfinsternis am 10.06.2021
Formaten MOV oder MP4 erzeugen. Im Internet findet man kostenlose Angebote zur Konvertierung in verschiedene Ausgabeformate, zum Beispiel von GIF in das MP4- oder MOV- Format. Nützlich kann auch eine Komprimierung für anschließende Präsentationen auf Websites sein. Meine ersten Animations-Versuche waren zwei aktive Regionen auf der Sonnenoberfläche (Abb. 3 und Abb. 4) und die partielle Sonnenfinsternis am 10. Juni 2021 (Abb. 5). Inzwischen nutze ich das mächtige Programm Time Lapse Tool.
Fazit: Vieles geht automatisch Mein Fazit: Der Aufwand für eine SonnenAnimation bleibt vertretbar, wenn man
möglichst viele Abläufe im Batch-Verfahren automatisiert. Zwar schert man dann qualitativ unterschiedliches Ausgangsmaterial quasi ,,über einen Kamm", aber die so verbleibende qualitative Streuung der für die Animation verwendeten Bilder fällt im Ablauf der Animation nicht allzu sehr auf. Denn immerhin sollten es mindestens 20 Bilder pro Sekunde sein, um den Eindruck eines Filmes zu vermitteln. An Einzelaufnahmen würde ich andere Maßstäbe anlegen, aber dann reden wir auch über einen nur vergleichsweise geringen Zeitbedarf für die Bearbeitung.
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Astrofotografie
Wie ist das Seeing in Mitteleuropa eigentlich?
- Betrachtungen aus Sicht eines Amateurastrofotografen
von Patrick Winkler
Oftmals hört man in Gesprächen, dass das Seeing in Mitteleuropa nur äußerst selten besser ist als zwei Bogensekunden (ab hier: 2''). Und auch, dass es sich eigentlich ,,gar nicht lohnt", mit größeren Teleskopen zu fotografieren. Ähnlich lautende Aussagen findet man auch auf der einen oder anderen Webseite, z. B. ,,Typische Werte für Sternwarten am europäischen Festland liegen bei 1,5 bis 2 Bogensekunden" [1]. Oder: ,,In Deutschland liegen die Seeing-Werte meistens um 2''. Da bereits ein 6-Zoll-Teleskop ein Auflösungsvermögen von etwa 0,8'' besitzt, wird klar, wie schwierig es ist, solch ein Gerät in Deutschland bei Langzeitbelichtungen auszureizen. [2]"
So stellte sich mir die Frage: Treffen diese eher pauschalen Aussagen zu oder sollte man sie nicht einmal überprüfen? Genau das habe ich dann mit meinen Messungen aus der rein praktischen Sicht eines Amateurastrofotografen durchgeführt und stelle die Ergebnisse hier vor.
1 Rolldachsternwarte mit Seeingmonitor
Was ist Seeing? Der Begriff Seeing bedeutet in der Astronomie ,,das Sehen" oder etwas freier ,,die Sichtbedingungen". Man sagt: Heute ist gutes (oder schlechtes) Seeing. Will man das Seeing quantifizieren, so wird für fotografische Aufnahmen gern der FWHM-Wert als Maß der Luft(un)ruhe und somit auch der erreichbaren Bildschärfe verwendet. Das ist aber nicht ganz korrekt, weil der FWHMWert nicht allein die Luftunruhe als bildverschlechternden Faktor berücksichtigt, sondern auch weitere Faktoren, die den Sternscheibchendurchmesser vergrößern. Das sind z. B. Fehler der Optik oder Ungleichmäßigkeiten im Teleskoplauf. Auch wird gern vergessen, dass der FWHM-Wert zusätzlich durch eine nicht exakte Fokussierung verschlechtert wird.
2 Detailaufnahme des Seeingmonitors ,,Cyclope" der Fa. Alcor
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Astrofotografie
3 Häufigkeitsverteilung der Seeingmesswerte im gesamten Beobachtungszeitraum
(Mittelwert Sg = 1,83'')
4 Detailaufschlüsselung aller Seeingmesswerte in Seeingkategorien
5 Häufigkeitsverteilung der Messwerte bis 2,0'' (inkl. Mittelwert und Streubreiten)
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Fallen die letztgenannten Punkte nicht ins Gewicht, weil die Optik übers gesamte Bildfeld sauber abbildet, die Nachführung präzise läuft und der Fokus ideal getroffen ist, dann (und nur dann) darf man den FWHM-Wert als Maß für die Luftturbulenzen ansehen. Allerdings gilt der FWHMWert, wenn er aussagekräftig sein soll, nicht nur für das bestgelungene Einzelbild der Serie, sondern für die Summenaufnahme. Und er sollte auch nicht nur die Messung des Sterns mit dem besten (d. h. kleinsten) Seeingscheibchen) darstellen, sondern das Mittel aus mehreren auf dem Bild vermessenen Sternen.
Luftturbulenzen ereignen sich in den jeweiligen Luftschichtungen an einem gegebenen Standort. Hier gilt es drei Schichtungsbänder und deren Einflussvariablen zu unterscheiden. Turbulenzen in bodennahen Luftschichten (bis 50 m Höhe) entstehen zumeist durch Wind, der über Kuppen oder Hindernisse strömt und dabei Luftbereiche ungleicher Temperatur im Bereich um etwa 30 cm Durchmesser erzeugt. Auch Wärme, die vom Boden oder von benachbarten Gebäuden abstrahlt, erzeugt konvektiv variable Durchmischungen der Luft. Ein nicht abgekühltes Teleskop lässt zusätzlich noch bildverschlechterndes ,,Instrumenten-Seeing" entstehen. Dagegen sind Turbulenzen in höheren Luftschichten meist kleinzelliger (Bereiche zwischen 10-15 cm) und stark
Tabelle 1
Statistische Häufigkeit von Seeingwerten
unter und über 2 Bogensekunden im Messzeitraum
Seeingwert
< 2,00'' 2,01'' Gesamt
Häufigkeit
7633 4910 12543
Prozent
60,9 39,1 100,0
Astrofotografie
durch das Wetter beeinflusst. Für Turbulenzen in hohen Luftschichten (8-12 km) ist vor allem der Jetstream als die maßgebliche Einflussgröße auf das Seeing zu nennen. Die meisten Bedingungen sind zwar durch den Beobachter oder Fotografen nicht beeinflussbar, einige Parameter jedoch lassen sich sehr wohl gestalten, der wichtigste ist die Wahl des Teleskopstandortes.
Zum Standort Meine Rolldachsternwarte (Abb. 1) befindet sich im steirischen Joglland in der Nähe von Birkfeld (Steiermark, Seehöhe 760 m), ca. 45 km nordöstlich von Graz bzw. 105 km südwestlich von Wien. Der Seeingmonitor steht etwas abseits der Sternwarte auf einer 1,7 m hohen Stahlsäule - also an einem Standort, der weder sonderlich abgelegen noch selektiv ist.
Seeingwerte des Erhebungszeitraumes Nov. 2020 Gerade der Spätherbst und Winter gelten in Europa - einmal von der Wetterinstabilität abgesehen - nicht unbedingt als Jahreszeiten mit wahnsinnig gutem Seeing. Zumeist sind das Frühjahr und die Sommermonate in Mitteleuropa seeingbezogen deutlich besser, teilweise sogar gut. Hier kann ich derzeit nur aus langjähriger Erfahrung sprechen, die sich mit Berichten anderer Astrofotografen deckt. Daher war es umso interessanter, sich einmal Messdaten (erhoben mittels Seeingmonitor, Modell Alcor Cyclope [3], s. Abb. 2) anzusehen und näher auszuwerten. Die Auswertung erfolgte mittels IBM SPSS Statistics 27. Der Messzeitraum ging dabei vom 08.11.2020 bis zum 01.12.2020 mit insgesamt 21 Messnächten und 12.543 erfassten Seeingmesswerten. Jeder Seeingmesswert setzt sich wiederum aus 3.000 gemittelten Einzelmesswerten zusammen. Die Abbildungen zeigen in Histogrammform die Verteilung der erhobenen Seeingmesswerte im oben
6 Seeingwerte in 3 Nächten: oben 14./15.11.2020, Mitte 18./19.11.2020,
unten 30.11./01.12.2020
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Astrofotografie
7 Unkalibriertes Einzelbild von NGC 1333, 14.11.2020, L-Filter, 180 s belichtet,
Aufnahmehöhe +66,6 Grad , 16-Zoll-RC-Teleskop f/8 (ASA), ZWO ASI 6200MM Pro
genannten Zeitraum. Über den gesamten Messzeitraum lag der Seeingmittelwert Sg bei 1,83'' (s. Abb. 3). Schlüsselt man diese erhobenen Werte weiter auf, liegen rund 61% aller Seeingwerte bis 2'' (vgl. Tab. 1). Eine weitere Detailbetrachtung zeigt, dass 3,3% der Messwerte im Subarcsec-Bereich liegen, also kleiner als 1'' sind. Weitere 31,6% liegen in einem Bereich von 1,01'' bis 1,59'' und 25,9% in einem Bereich zwischen 1,6'' bis 2,0'' (vgl. Abb. 4).
Da es aus astrofotografischer Sicht um die Nächte mit gutem Seeing bis 2'' geht, soll nun dieser Bereich ausführlicher betrachtet werden. Zieht man diese Obergrenze zur Betrachtung heran (Abb. 5), so liegt der Mittelwert des Seeings bei Sm = 1,51'' mit einer Streuung 2 = 0,091. Dabei lag der niedrigst gemessene Seeingwert bei 0,63''. Nun ist es nicht damit getan, sich lediglich alle gemessen Werte anzusehen. Viel interessanter ist ja die Frage, wie viele Nächte dabei sind, in denen das Seeing im Mittel besser als 2'' ist. Und wie sieht bei diesen Nächten die Seeingverteilung aus, vor allem im Hin-
blick auf die Stabilität des Seeings? Die Gesamtanzahl der Nächte mit einem Seeingmittelwert von unter 2'' belief sich auf neun (von 21), also fast 43% der Messwertenächte. Beispielhaft greife ich drei Nächte illustrativ heraus (Abb. 6) und auch eine Einzelaufnahme von NGC 1333 (Abb. 7) sowie die zugehörige FWHM-Messung (Abb. 8). In diesen Nächten konnten Seeingmittelwerte von zweimal 1,51'' sowie 1,56'' ermittelt werden. Von den übrigen sechs Nächten der Vollständigkeit halber hier auch die Seeingmittelwerte: 1,62'', 1,71'', 1,84'', 1,57'', 1,84'' und 1,83''.
Was lässt sich nun aufgrund dieser Daten und Erfahrungen über die Jahre zum Seeing in Mitteleuropa sagen? Ich denke, dass das Seeing und der Himmel in Mitteleuropa oftmals unterschätzt werden. Das bestätigen meine persönlichen Erfahrungen (an mehreren Standorten), Gespräche mit Astrofotografie-Kollegen (die ihre Sternwarten auch an tiefer gelegen Standorten haben) sowie die erhobenen Daten. Vielmehr entscheidend ist - sowohl bei der
Errichtung einer fixen Sternwarte als auch in der mobilen Astrofotografie oder Beobachtung - die Auswahl eines geeigneten Standortes. Einen guten Standort zeichnet, abgesehen von einem möglichst dunklen Himmel und wenig Lichtverschmutzung, vor allem seine Lage und das Zustandekommen einer laminaren Strömung (d. h. ohne Turbulenzen vor Ort) aus. Weitere Punkte sind:
- Ist der Standort möglichst hoch gelegen (Seehöhe)?
- Ist der Standort auf einer Kuppe gelegen (und nicht an den Flanken eines Hügels oder Berges)?
- Ist im Umkreis wenig bis nichts an Wärmespeicherfläche vorhanden (Asphalt, Gebäude o. ä.)?
Darüber hinaus gibt es noch einige mögliche Maßnahmen, die man vor dem Bau einer Sternwarte zur Seeingverbesserung in Betracht ziehen sollte: z. B. die Höhe des Teleskops über dem Erdboden, die Durchlüftung der Sternwarte, Ventilatoren zum
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Astrofotografie
Luftaustausch im Teleskop, gerade über dem Spiegel. Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Punkt ist die optisch-mechanische Qualität des verwendeten Teleskops (optische Eigenschaften, Steifigkeit von Tubus und Spiegelzelle u. v. m.) und die Kollimation. Ich möchte gar nicht weiter in die Tiefe gehen, sehr vereinfacht gesagt, bringt man das atmosphärische Seeing nur dann auch auf den Sensor, wenn die ,,Einheit Teleskop" und die ,,Einheit Sternwartengebäude" dies auch zulassen. Natürlich kann Mitteleuropa - gerade vom Wetter, der Wetterstabilität als auch beim Seeing nicht mit den besten Standorten der Welt (Chile, Namibia, usw.) konkurrieren. Aber so schlecht, wie der Himmel im Europa oft geredet wird, ist er nachweislich nicht. Eine Vielzahl toller Bilder mit kleinen wie größeren Teleskopen bestätigt das. Und abgesehen davon bietet der Nordhimmel eine Fülle an wunderbaren Objekten, für die sich die eine oder andere sinnvolle ,,Schaffenspause" lohnt, wenn das Seeing einfach nichts hergibt.
8 Sternmessung im Einzelbild mittels MaxIm DL (1,272'')
Literatur- und Internethinweise (Stand März/April 2021) [1] Wikipedia: ,,Seeing", https://de.
wikipedia.org/wiki/Seeing [2] M. Weigand, Webseite: www.skytrip.
de/seeing.htm [3] Alcor System, 2020: Cyclope and mi-
cro/µ-cyclope seeing monitor System, www.alcor-system.com/common/ MiniCyclop/Mini_Cyclop_Doc_en.pdf
[4] G. Baudat, 2016: ,,Astronomical Seeing", in: Northeast Astro-Imaging Conference, 7. und 8.4.2016, www.innovationsforesight.com/wpcontent/uploads/2016/04/ Astronomical-seeing-NEAIC-2016_ FullVersion.pdf
[5] C. E. Coulman, 1985: ,,Fundamental and applied aspects of astronomical seeing", Ann. Rev. Astron. Astrophys. 23, p. 19-57
[6] S. Hippler, M. Kaper, 2004: ,,Dem Seeing ein Schnippchen schlagen", Sterne und Weltraum 10/2004, S. 32-42
[7] P. Martinez, J. Kolb, M. Sarazin, A. Tokovinin, 2010: ,,On the difference between Seeing and image quality: when the turbulance outer scale enters the game," The Messenger 141, p. 5-8
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Astronomische Vereinigungen
Zaghafte Wiederöffnung der Sternwarten
für den Besucherbetrieb
- eine Einschätzung
1 Vorführungen im Außenbereich bei
von Harald Steinmüller
zunehmender Dämmerung. Bild: AVSO
Nach siebenmonatiger Corona-Zwangspause konnte die Allgäuer Volkssternwarte Ottobeuren am 04.06.2021 erstmals wieder für einen, wenn auch eingeschränkten, öffentlichen Besucherbetrieb öffnen. Während im Norden Deutschlands die Inzidenzwerte schon wesentlich niedriger waren, unterschritt der Landkreis Unterallgäu die 100er-Marke erst Ende Mai.
Die Inzidenzen im Blick hatten wir unsere Vorbereitungen rechtzeitig gestartet. Erstmals umfassten die Vorschriften die 3GRegel (geimpft, genesen, getestet), zu deren Überprüfung wir gegenüber unseren Besuchern verpflichtet waren.
Zur Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten konnten wir die ,,Luca"-App verwenden und sparten damit die papiermäßige Erfassung von Besucherdaten.
Ebenfalls eine Neuerung war die Einführung eines Reservierungssystems zur Online-Anmeldung. Nachdem sich im letzten Jahr die Anmeldung per E-Mail oder Telefon als zu aufwändig herausgestellt hatte, erwies sich die Online-Reservierung von Anfang an als der richtige Schritt.
Die Besucher hatten keinerlei Probleme mit Online-Anmeldung, Testnachweis oder Registrierung. Diese Vorgehensweisen waren
zu diesem Zeitpunkt bereits in der Gastronomie üblich. Der 3G-Nachweis war ohnehin nur bis Mitte Juni nötig. Danach sank die Inzidenz auf unter 50 und es trat (zumindest in Bayern) eine weitere Lockerungsstufe in Kraft.
So konnten wir unsere Führungen im Außenbereich wie im letzten Jahr durchführen. Und mit dem angepassten Hygienekonzept sehen wir uns auf der sicheren Seite, alles Erforderliche getan zu haben, um unsere Führungen für beide Seiten (Besucher und Führungspersonal) so sicher wie möglich zu machen.
Natürlich profitieren wir hier auch von unserer Größe und der vorhandenen Außenanlage, die es uns ermöglicht, 30 Personen aufzunehmen. Kleinere Sternwarten mit ohnehin beengten Platzverhältnissen tun sich da sehr schwer. Dies war dann auch Hauptthema der jüngsten Videokonferenz der süddeutschen Sternwarten am 24.6.2021.
2 Vorführung eines Schnurmodells zu den Abständen der Planeten. Bild: AVSO
Zu diesem Zeitpunkt herrschten beispielsweise in Baden-Württemberg noch strengere Regelungen als in Bayern, die eine Öffnung noch nahezu unmöglich machten. Einen Tag später beschloss die Landesregierung von Baden-Württemberg weitere Lockerungsschritte, so dass hier die formalen Öffnungshürden auch fielen.
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Astronomische Vereinigungen
Dennoch, so scheint es, herrscht unter den Volkssternwarten immer noch (Stand: Anfang Juli 2021) weitgehend Verunsicherung, ob eine Öffnung für den Besucherverkehr angestrebt werden soll oder nicht.
Der späte Sonnenuntergang im Juni/Juli ist sicher für einige ein Grund, vorläufig noch geschlossen zu halten. Dazu kommt noch die Unsicherheit, ob durch steigende Inzidenzzahlen in den kommenden Monaten nicht doch wieder zumindest mit einem Teil-Lockdown gerechnet werden muss.
Aber Sternwarten, die sich teilweise oder vollständig durch Besucherverkehr finanzieren, sollten sich genau überlegen, ob sie finanziell noch eine Saison durchhalten und sich nur mit Spenden über Wasser halten wollen. Finanzielle Hilfen für ver-
12-2021 VdS Magazin.qxp_Layout 1 30.11.21 16:15
eins- und ehrenamtlich betriebene Sternwarten gibt es so gut wie überhaupt nicht.
Hier kann ich nur raten, dass jene Sternwarten, die aus irgendeinem Grund noch unsicher sind, wieder zu öffnen, sich innerhalb der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen mit den anderen austauschen. Jeder macht seine Erfahrungen und gibt sie gerne weiter.
Gerade in Zeiten, in welchen das Bildungswesen durch Distanzunterricht und mangelhafte Online-Betreuung großen Schaden nimmt, können die Volkssternwarten mit ihren Veranstaltungen einen wichtigen Teil zur Volksbildung beitragen oder aber zumindest ihren Gästen ein interessantes Alternativprogramm zu den täglich verkündeten Inzidenzzahlen und Corona-Warnungen bieten.
Seite 1
3 Empfangsbereich mit Handdesinfektions-
mittel, Kasse (Weltkugel), Laptop und QR-CodeScanner (rechts neben dem Bildschirm), Bild: AVSO
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Vor fast drei Jahren haben wir ein neues Magazin speziell für die Amateurastronomie ins Leben gerufen. Achtmal im Jahr erscheint ein Heft mit jeweils 100 Seiten voller spannender Artikel über visuelles Beobachten, Astrofotografie und Nightscape. Wir testen Equipment, teilen praktische Erfahrungen, vermitteln Hintergrundwissen und berichten aus der Astroszene. Zudem gibt es in jeder Ausgabe ausführliche Tipps zu Deep-Sky-Beobachtungen und Beiträge zu den Objekten unseres Sonnensystems.
Das Magazin ist im Zeitschriftenhandel erhältlich oder im Abonnement direkt vom Verlag. Das Einzelheft kostet 9,80 und das Jahresabo mit acht Heften inkl. der Versandkosten 69,80 . Mehr über den Inhalt des aktuellen Hefts, Abonnements und Einzelheftbestellungen unter
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Astronomische Vereinigungen
Astronomie und Raumfahrt in der Virtuellen Realität erleben
von Mechthild Meinike, Pierre Kretschmer und Donald Schwab
Durch die Pandemiebestimmungen haben Planetarien und Sternwarten seit Monaten geschlossen. Die Aktivitäten haben sich auf Meeting-Plattformen und auch in die Virtuelle Realität (VR) verschoben.
Die Frage war, wie man die Virtuelle Realität für die Wissensvermittlung so nutzen könnte, dass das räumliche Setting und die Interaktionsmöglichkeiten ein Eintauchen in eine andere Welt ermöglichen. So sind auf Raumfahrt und Science-Fiction basierende Themen geradezu prädestiniert, als virtuelle Welten erschaffen zu werden.
Der Zufall wollte es, dass sich im letzten Jahr drei VR-Enthusiasten und an Astronomie interessierte Menschen über die Facebook-Gruppe ,,Oculus Quest Rift Germany Community" in der Virtuellen Realität wiederfanden. Alle drei Akteure haben sowohl im Beruf als auch im Ehrenamt Erfahrungen in der Wissensvermittlung.
1 Die VR-Community verfolgte am 18.03.2021 die Landung des Rovers im
AltspaceVR-Gruppenraum.
Der Initiator der Facebook-Gruppe ,,Oculus Quest Rift Germany Community", Pierre Kretschmer, hatte bereits 2020 auf der Social-VR-Plattform ,,AltspaceVR" eine Treffpunktwelt als kommunikativen Ort geschaffen, an dem regelmäßige Meetings und Vorträge stattfinden. Der User kann in einer solchen Treffpunktwelt mit Hilfe eines VR-Headset über seinen Avatar mit anderen sprachlich und gestenbasiert interagieren. Eine weitere Zugangsmöglichkeit für User ohne VR-Headset besteht über die Anwendung der 2D-App von ,,AltspaceVR" über den PC-Desktop.
Bei den Community-Treffen im virtuellen Gruppenraum stellte sich heraus, dass sich ein Teil der User für astronomische Themen interessiert. Einige outeten sich gar als Teleskopbesitzer. Da lag es nahe, die Planetariumsarbeit in die Virtuelle Realität zu verlegen. Den Anlass lieferte die für Mitte Februar
2021 geplante Landung des Rovers ,,Perseverance" auf dem Mars. Aber wie kann man mit diesem Thema didaktisch in der Virtuellen Realität umgehen? So wurde von der Autorin dieses Beitrages ein Konzept entworfen, welches eine räumlich visualisierte Marslandschaft mit Interaktionsmöglichkeiten vorsah. Über 3D-Modelle sollten zukünftige Besucher der virtuellen Welt mehr über die Erforschung des roten Planeten erfahren können. Das Ziel dieses Projekts sind Führungen zu den Forschungsarbeiten zum Planeten Mars, die unter der Leitung der Autorin stattfinden. Aber auch das unabhängige Erkunden der Welt sollte möglich sein. Dafür müssen zusätzliche Informationen, z. B. durch den imaginären Triggerstrahl der Controller über Fragezeichensymbole, abrufbar sein. Aber auch die Weite und die Einsamkeit der Marsoberfläche sollen audiovisuell erfahr- und spürbar sein.
Aus einem 360-Grad-Foto vom Gale-Krater, dem Landeort des Rovers ,,Curiosity", wurde von Pierre Kretschmer mit der Entwicklungsumgebung ,,Unity" eine begehbare virtuelle Umgebung mit 3D-Objekten für die Nutzung auf der Plattform ,,AltspaceVR" entwickelt. Die NASA stellt über eine Internetdatenbank 3D-Modelle zur Verfügung. In der virtuellen Marsumgebung wurden alle hochaufgelösten 3D-Modelle der erfolgreich gelandeten Rover implementiert. Hinzu kamen weitere 3D-Objekte, wie z. B. Habitat und Langstreckenfahrzeug, die in die Zukunft der Marsforschung weisen. Aus dem so genannten WorldEditor von ,,AltspaceVR" wurden weitere 3D-Objekte und einige Informationstafeln in die virtuelle Marswelt integriert. Innerhalb von ca. 4 Wochen war das gesamte Set konzipiert und zusammengesetzt. Die erste Test-Führung mit 30 User-Avataren fand in
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Astronomische Vereinigungen
der virtuellen Marswelt am 20.03.2021 statt. Die User wurden mehrheitlich über die bereits genannte Facebook-Gruppe akquiriert. Das überaus positive Feedback der User-Avatare zur ca. 45-minütigen Veranstaltung motivierte zum Ausbau der Welt und zur Verknüpfung mit weiteren passenden Themen.
Zu den regelmäßigen Besuchern der Community-Gruppentreffen gehört auch der langjährige Hobbyastronom und Funkamateur Donald Schwab. Er schuf eine gigantische und futuristisch anmutende Ausstellungswelt in der Dimension von 200 virtuellen Metern im Durchmesser mit dem Titel ,,Steph1finder's Exhibition Dome". In einem transparenten Dome und unter dem Band der Milchstraße präsentiert er seine über viele Jahre entstandenen Astrofotos. Aber nicht nur das, denn 3DModelle der Teleskope, mit denen die Astrofotos entstanden sind, ergänzen die Ausstellung und zeigen gleichfalls die typischen optischen Prinzipien.
2 Testführung am 20.03.21 an den beiden Rover-Modellen
von Spirit und Opportunity
Virtuelle Welten können mittels so genannter Teleporter untereinander verbunden werden. Das ermöglicht den Usern, durch das Betreten der blau schimmernden Teleportersäulen von einer Welt in eine andere Welt ,,hinüberzubeamen". So stand schnell die Idee im Raum, den Astronomietag 2021 frei von Covid-19 mit kostenlosen Führungen und Vorträgen in der virtuellen Marswelt und der Astrofotografiewelt durchzuführen.
Am 20.03.2021 war es dann so weit. Die interessierten UserAvatare fanden sich auf dem virtuellen Mars ein und erlebten eine Führung, in der es schwerpunktmäßig um die Aufgaben der Rover, aber vor allem um die menschlichen Faktoren ging, die bei der Erforschung durch Astronauten eine Rolle spielen. Danach teleportierten sich die User-Avatare in die Astrofotografiewelt von Donald Schwab. In der Veranstaltung für Einsteiger hielt er einen mit 3D-Modellen unterstützten Vortrag über die verschiedenen Fernrohrtypen und diverse optische Probleme. Fachkundig beantwortete er viele Fragen von zukünftigen Teleskopbesitzern.
3 Ein Habitat
Führungen und Vorträgen in virtuellen Welten haben ihre ganz eigene Atmosphäre - sowohl für die Teilnehmenden als auch die Referenten. Zuschauer und Referenten können sich z. T. frei im Raum - also auch in der Höhe - bewegen, damit eine
4 Avatare von Pierre Kretschmer
und Mechthild Meinike
Journal für Astronomie Nr. 80 | 75
Astronomische Vereinigungen
5 Steph1finder's Exhibition Dome 7 In der Ausstellung während des Astronomietages
6 Avatar Donald Schwab
optimale Sichtposition gefunden werden kann. Wenn die Avatare in 360-Grad um einen herumschweben, ist dies aus der Perspektive des Referenten etwas gewöhnungsbedürftig, da man sonst das Publikum in einer Ebene oder in einer Hörsaalsituation anders wahrnimmt.
Die andauernde Pandemiesituation mit den Kontaktbeschränkungen schuf das Bedürfnis für den Austausch mit anderen Menschen auf anderen Wegen. Die Virtuelle Realität, die zusammengefundenen Interessen und das Engagement von Pierre Kretschmer, Donald Schwab und Mechthild Meinike machten die Umsetzung dieses einzigartigen Projektes möglich. Für einen Moment waren sowohl Zuschauer als auch Referenten an einem anderen Ort und haben für diese Zeit die negativen Umstände der weltweiten Pandemie vergessen können.
Die virtuellen Welten ,,Rover-Missions and Humans on Mars" und die Astrofotografie-Ausstellung ,,Steph1finder's Exhibition Dome" können jederzeit und ohne Anmeldung und kostenlos besucht werden. Sie sind über die Favorisierung innerhalb der ,,AltspaceVR"-Anwendung frei zugänglich und sollen langfristig erhalten und weiter ausgebaut werden. Mehr als 800 User-Avatare aus aller Welt haben den virtuellen Mars und die Astrofotografie-Ausstellung bereits besucht.
8 Teleporter auf dem virtuellen Mars als Verbindung
in zwei andere Welten
9 Teleporter in der Welt ,,Steph1finder's Exhibi-
tion Dome" als Verbindung in drei andere Welten
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50 Jahre vhs-Sternwarte Neumünster
- Astronomie im Herzen Schleswig-Holsteins
von Marco Ludwig
Neumünster hat eine Sternwarte? Viele Hobby-Astronomen in Neumünster haben diese Frage sehr häufig gehört. Warum das Observatorium so lange ein Schattendasein geführt hat, lässt sich aus heutiger Sicht kaum erklären. Die Situation hat sich inzwischen aber grundlegend geändert. Im Herbst 2021 feiert das größte Observatorium Schleswig-Holsteins bereits sein 50-jähriges Bestehen.
Die vhs-Sternwarte ist eine Institution der Volkshochschule Neumünster und besteht
bereits seit November 1971. Seit diesem Zeitpunkt finden auf dem Verwaltungsgebäude der DRK-Fachklinik Hahnknüll professionelle Himmelsbeobachtungen, Volkshochschulkurse, Tagungen und viele andere Aktivitäten für Jung und Alt rund um das Thema Astronomie statt.
Die größte Sternwarte in Schleswig-Holstein befindet sich im Besitz der Stadt, wird jedoch ausschließlich ehrenamtlich betreut und über Spenden der Neumünsteraner Bürger und Firmen finanziert. Zusätzlich
wird die vhs-Sternwarte durch den gemeinnützigen Förderverein Sternwarte Neumünster e.V. unterstützt.
Seit der Gründung des Fördervereins im Jahr 2009 ist es dem Verein und den ehrenamtlichen Sternwartenmitgliedern gelungen, die vhs-Sternwarte zu einer sehenswerten öffentlichen Bildungseinrichtung auszubauen. Mit viel Engagement und der Unterstützung vieler lokaler Handwerker konnte 2010 ein Seminarraum für bis zu 25 Personen gebaut werden. 2011 gelangen sogar die Renovierung der Sternwartenkuppel und die Installation eines neuen (gebrauchten) Hauptinstrumentes. 2019 konnte die vhs-Sternwarte einen Besucherrekord von über 1.500 Besuchern aufstellen.
Im gleichen Jahr wurde zudem die Leistung der Neumünsteraner Sternfreunde sogar durch die Internationale Astronomische Union (IAU) mit der Benennung eines Kleinplaneten auf den Namen (342000) Neumunster gewürdigt.
Wie die Mondlandung Neumünster eine Sternwarte brachte Das 50. Jubiläum der Mondlandung war 2019 besonders für die Neumünsteraner Sternenfreunde ein Grund zur Freude. Ohne das damalige amerikanische Mondlandeprogramm hätte es in Neumünster vermutlich keine Sternwarte gegeben.
Als am 20. Juli 1969 Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond landeten, wurde dies auch intensiv von Neumünsteraner Hobby-Weltraumforschern verfolgt. Der Wettlauf zum Mond zwischen den USA und der Sowjetunion hatte auch in Schles-
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1 Sternstrichspuren mit der Kuppel der
vhs-Sternwarte Neumünster auf einem ehemaligen Flakturm, Bild: Marco Ludwig
Astronomische Vereinigungen
2 Eine Besuchergruppe unter der sanier-
ten Sternwartenkuppel mit dem Lübecker 19-Zoll- Fernrohr, Bild: Achim Banck
wig-Holstein viele Menschen in seinen Bann gezogen. Einige so sehr, dass sie selber nach den Sternen griffen. Alles begann in den 1960er-Jahren mit einem Volkshochschulkurs ,,Praktische Astronomie".
Ein eigenes Fernrohr hatte die Gruppe jedoch nicht. Fernrohre waren in den 60erJahren fast unerschwinglich. Alles änderte sich jedoch im Jahr der Mondlandung, als Karstadt der Gruppe ein eigenes kleines Teleskop spendete. Nun wollte man dafür auch einen festen Standort finden. Dipl.Ing. Horst Bender dachte dabei an die ehemalige Marinefunkstation Hahnknüll.
Auf dem dortigen Hauptgebäude, das zu jener Zeit als städtisches Seniorenheim genutzt wurde, gab es einen Flakturm, der ideal für astronomische Beobachtungen schien. Die Stadt stimmte zu und erteilte die Genehmigung zum Betrieb der ,,Sternwarte der Volkshochschule Neumünster". Im November 1971, als das Apollo-Programm der USA immer noch auf Hochtouren lief, konnte die Sternwarte endlich eingeweiht werden.
himmel auftauchte, befestigten sie mit Hilfe von Klebeband eine Dachlatte an dem großen Fernrohr, um am Ende der Dachlatte eine Kamera mit Weitwinkelobjektiv zu befestigen. So konnten sie nachgeführte Aufnahmen mit mehreren Minuten Belichtungszeit gewinnen.
Als Sternwartenleiter Horst Bender dies sah, betitelte er die beiden Fotografen als ,,Klebebandastronomen". Ihre Bilder von Komet West wurden jedoch umgehend von
einer Fachzeitschrift publiziert. Seither ist die Astrofotografie ein wichtiger Aufgabenbereich der Neumünsteraner Sternkieker.
Modernisierung nach 25 Jahren Im November 1996 konnte man mit einigem Stolz auf 25 Jahre Sternwarte zurückblicken. Allerdings war auch ein technischer Stillstand eingetreten, der durch Modernisierungsmaßnahmen behoben werden sollte. Sternwartenleiter Horst Bender initiierte eine Spendenaktion, an der
Die Klebebandastronomen Die moderne und leistungsstarke Beobachtungstechnik unter der Neumünsteraner Sternwartenkuppel zog Anfang der 1970erJahre viele Amateurastronomen an. Gerade die jüngeren unter ihnen waren gerne bereit, sich mit einem 10-Zoll-Newton und einer 8-Zoll-Schmidt-Kamera ganze Nächte um die Ohren zu schlagen. Dazu gehörten die begabten Hobbyfotografen Franz Haar und Bernd Schatzmann.
Da die Astrofotografie das wohl Schwierigste ist, was man mit einer Kamera anstellen kann, mussten die beiden bei ihren Fotoprojekten ein gewisses Improvisationstalent mitbringen. Als 1976 völlig überraschend der helle Komet West am Morgen-
3 Komet West im
Jahr 1976, aufgenommen aus der Kuppel der vhs-Sternwarte von Bernd Schatzmann und Franz Haar
Journal für Astronomie Nr. 80 | 79
Astronomische Vereinigungen
4 Regelmäßig trifft sich der Volkshochschulkurs ,,Sternkieker -
Astronomie-AG" an der vhs-Sternwarte zwecks Training und gemeinsamer Fortbildung. Bild: Marco Ludwig
5 Auch Gastdozenten, wie Dr. Erik Wischnewski, halten immer
wieder Vorträge an der vhs-Sternwarte. Bild: Carsten Jonas
sich zahlreiche Neumünsteraner Unternehmen beteiligten.
Mit Hilfe dieser Spenden war es möglich, die Optik für ein neues Hauptinstrument, einen 16-Zoll-Newton-Reflektor, zu beschaffen. Zudem wurde in eine der ersten astronomischen Digitalkameras, eine SBIG ST-7, investiert, was damals extrem fortschrittlich war. Für Beobachtungen erwies sich die neue 16-Zoll-Optik aus dem Hause Pegasus als sehr gut. Bei Fotografien zeigten sich jedoch Unschärfen, die wohl auf die Überlastung der Montierung zurückzuführen waren. Der Spiegel wurde daher nach einem Jahr abgebaut und als mobiles Dobson-Teleskop weiterverwendet.
Der steinige Weg ins 21. Jahrhundert Der neue Sternwartenleiter Erhard Schmidt hatte sich ab 2002 einigen Herausforderungen zu stellen, denen er zusammen mit einer AG Sternwarte begegnen wollte. Mitgliederschwund, Nachwuchssorgen, fehlende Angebote für die Öffentlichkeit und ein fast schon desolater Zustand von Räumen und Technik erschwerten seine Arbeit. Um zumindest die finanzielle Situation der Sternwarte zu verbessern, war die Gründung eines Fördervereins geplant, die damals leider nicht realisiert werden konnte. Im Sommer 2008 gab er seinen Rücktritt bekannt. In einer denkwürdigen Sitzung
der Astronomie-AG musste die Leiterin der Volkshochschule die dauerhafte Schließung der Sternwarte verkünden. Nach intensiven Diskussionen wurde dann Marco Ludwig zum neuen Sternwartenleiter ernannt. Es war jedoch klar, dass zur Rettung der Sternwarte Kraftanstrengungen von allen Beteiligten erwartet wurden. Künftig sollte es ein erweitertes Kursangebot, Öffentlichkeitsarbeit und renovierte Räumlichkeiten geben. 2009 konnte endlich der ersehnte Förderverein gegründet werden, und mit den ersten Spenden brachen tatsächlich neue Zeiten an.
Ein Neuanfang auf allen Ebenen Aus der AG Sternwarte wurde die Astronomie-AG. Die Mitglieder nennen sich ganz offiziell ,,Sternkieker". Auch die Sternwarte bekam nun einen neuen Namen: die ,,vhsSternwarte Neumünster". Mit Unterstützung des neu gegründeten ,,Fördervereins Sternwarte Neumünster" sollte nun auch das erste große Projekt in Angriff genommen werden: Nach dem Abriss diverser Provisorien entstand 2010 mithilfe vieler Förderer ein neuer Seminarraum für bis zu 25 Besucher. Fortan nahmen die Aktivitäten an der vhs-Sternwarte weiter Fahrt auf.
Regelmäßig waren seither Besuchergruppen wie Schulklassen oder Kindergärten in der Sternwarte anzutreffen. Doch das nächste
Projekt stand schon in den Startlöchern. An der Sternwarte Lübeck sorgten die Spenden zweier Stiftungen für ein neues Hauptfern-
Das Buch
vhs-Sternwarte Neumünster
Astronomie im Herzen Schleswig-Holsteins
von Sternwartenleiter Marco A. Ludwig
108 Seiten, gebunden, mit vielen beeindruckenden Fotografien des Nachthimmels über Neumünster, 24,80 , erhältlich bei der vhs-Sternwarte Neumünster. E-Mail: buch@sternwarte-nms.de, Telefon: 0162 2137065 Weitere Informationen unter: www.sternwarte-nms.de
80 | Journal für Astronomie Nr. 80
Astronomische Vereinigungen
rohr. Das alte Gerät, ein Newton-Spiegelteleskop mit 19 Zoll Hauptspiegeldurchmesser und einem Gewicht von rund einer Tonne, wurde nicht mehr gebraucht. Der Lübecker Torsten Lohf schlug vor, das Gerät nach Neumünster zu geben. Er war der Auffassung, das Gerät wäre in der größten Sternwarte des Landes perfekt aufgehoben.
Zu einem Freundschaftspreis, der von einem anonymen Stifter übernommen wurde, veräußerten die Lübecker Kollegen das eindrucksvolle Großfernrohr. Die Neumünsteraner nahmen die Gelegenheit zum Anlass, auch gleich den Innenraum der Sternwartenkuppel von Grund auf zu sanieren. Am 5. November 2011 fanden die Einweihung des neuen Fernrohrs und die Feier zum 40-jährigen Bestehen der vhsSternwarte statt.
Ein Tor zu den Sternen Seit über 50 Jahren werfen Amateurastronomen auf dem Gelände der heutigen DRK-Fachklinik Hahnknüll einen Blick auf die unendlichen Weiten des Weltalls. Inzwischen haben mehrere Generationen von Sternkiekern ihre Spuren auf dem einstigen Flakturm der Marinefunkstation Hahnknüll hinterlassen.
6 Der Venustransit wurde 2012 auch gemeinsam mit Lübecker Astronomen beobachtet.
Bild: Marco Ludwig und Stefan Bruns
Um erfolgreich Bildung zu gestalten, braucht es aber mehr als nur Räume und Technik: Es braucht engagierte Ehrenamtliche, die für ihre Sache brennen und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse gerne weitergeben möchten. Immer seltener hören
die Sternkieker daher heute die Frage, ob Neumünster eine Sternwarte habe. Wenn sie dennoch zu hören ist, antworten viele von ihnen gerne: ,,Ja, und der Besuch lohnt sich!"
Zweifellos galt es dabei auch, viele Herausforderungen zu meistern. Die drohende Schließung im Sommer 2008 hat dazu geführt, dass die vhs-Sternwarte nun als öffentliche Bildungseinrichtung arbeiten kann. Inzwischen engagieren sich rund 30 Sternkieker aus ganz Schleswig-Holstein in der Astronomie-AG. Die vhs-Sternwarte fungiert nicht mehr nur als einfache Beobachtungsstation, sie ist zu einem bedeutenden Kompetenzzentrum auf dem Gebiet der Astronomie im Lande geworden. Inzwischen haben zahlreiche engagierte Sternkieker und viele Neumünsteraner Betriebe für eine passende Ausstattung gesorgt.
7 Trotz der Lichtver-
schmutzungsproblematik lassen sich besondere Himmelsereignisse, wie hier das Auftauchen des Kometen PanSTARRS bei M 31, gut beobachten. Bild: Marco Ludwig und Andreas Rex
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Atmosphärische Erscheinungen
Zwei Saharastaubereignisse im Februar 2021
von Claudia Hinz, Alexander Haußmann und Elmar Schmidt
Der Februar war einer der spannendsten Wettermonate der letzten Jahre. Er brachte nicht nur Hochwinter und Vorfrühling, sondern überraschte mit einer außergewöhnlichen Temperaturspanne von oft über 40 Grad C und extremen Temperaturwerten, was an zahlreichen Messstationen zu neuen Monatstemperaturrekorden führte. In der ersten Dekade dominierte eine markante Grenzwetterlage, die die sehr milden Luftmassen über dem Süden von Dauerfrost
über dem Norden trennte. Im weiteren Verlauf sorgte ein sogenannter Arctic Outbreak für eine hochwinterliche Wetterlage. Der Polarwirbel hatte sich gespalten und war durch den weit in den Süden fragmentierten Jetstream instabil geworden. Dadurch konnten Kältezungen bis in südliche Breiten vordringen und sorgten unter anderem in den USA für eine arktische Kältewelle mit Ausfällen der Strom- und Wasserversorgung. Im russischen Hoch mit einem Kern-
druck von 1065,7 hPa wurden in Ojmjakon und Werchojansk an 10 Tagen Höchstwerte unter -50 Grad C mit einer Tiefsttemperatur von -55,4 Grad C gemessen, was selbst für sibirisches Kontinentalklima nicht alltäglich ist. Auch Deutschland wurde zum Ende der ersten Dekade in Schnee gehüllt und anschließend tiefgefroren. Ein Schneetief mit Schneemengen bis 40 cm und örtlich stundenlangem Glatteisregen stürzte so manche Großstadt in ein Winterchaos.
1 06.02.2021, auf den Alpenwebcams präsentierte sich eine Stimmung wie auf dem Mars (hier: Aletschgletscher (links)
und Schwarzwald (rechts)), Quelle: foto-webcam.eu
2 Der Saharastaub am 06.02. auf dem Satellitenbild (links, Quelle: SAT24.com) und der Staubkarte (rechts, Quelle: SKIRON
University of Athens)
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Atmosphärische Erscheinungen
Zwei außergewöhnlich starke Saharastaubeinschübe sind ebenfalls auf die ungewöhnliche Lage des Jetstream zurückzuführen. Er verlief von Nordafrika über Südwesteuropa bis nach Skandinavien und konnte dadurch Saharastaub in der Höhe bis nach Nordeuropa transportieren. Der erste Sandtransport erreichte uns im Warmluftsektor der ersten Februardekade und ging dann ab 09.02. zusammen mit dem Schnee als medien-gehypter Blutschnee zu Boden. Der zweite Saharagruß kam zusammen mit dem Frühling in der dritten Monatsdekade und sorgte vor allem für starken Sichtrückgang und teilweise Wolkenbildung.
Am 6. Februar zog das Tief TRISTAN vom südlichen Mitteleuropa zu uns herein und prallte dort auf die sehr kalte Festlandsluft des über dem Nordmeer und Skandinavien liegenden Hochs GISELA. Durch die straffe Südströmung wurde der Saharastaub aus Nordwestafrika in etwa 5 km Höhe bis in die Mitte Deutschlands getragen. Man konnte dies besonders gut auf den Alpenwebcams verfolgen und erlebte eine Stimmung wie auf dem Mars (Abb. 1, 2). An den Sandkörnern kondensierte Wasserdampf,
so dass sich (unvorhergesagt) Wolken bildeten und es zudem außerordentlich (gelblich-) trüb war.
Durch die stark gefilterte Sonne stiegen die Temperaturen nicht so stark an wie berechnet. Das hatte zur Folge, dass sich die Luftmassengrenze weniger markant und etwas diffuser weiter im Süden ausbildete und sich der befürchtete Blizzard wie in der Silvesternacht 1978/1979 nicht wiederholte. Die größten Schneehöhen (bis 30 cm) gab es in einem Streifen vom Niederrhein über das Sauerland und Thüringen bis nach Leipzig, wobei der starke Wind auf freien Flächen für Schneetreiben mit eingeschränkten Sichtweiten sorgte.
Mit dem Schneefall gab es auch intensive Ablagerungen von Saharasand, welche die Presse gern als Blutschnee betitelt (Abb. 3). Diese sind außerhalb der Alpen sehr selten, da eine straffe Südströmung gewöhnlich Warmluft mit sich bringt, die eher für Regen als für Schnee sorgt. Das letzte derart intensive und ausgedehnte Ereignis gab es am 21.02.2004.
Alexander Haußmann hat am 07.02. in Hörlitz in der Niederlausitz etwas Schnee zum Einschmelzen eingesammelt, den verbliebenen Staub nach Abziehen des Wassers bzw. Trocknenlassen auf Papier aufgebracht und unter dem Mikroskop untersucht (Abb. 4). Nach seinen eigenen Beobachtungen und der Sichtung der Fotos aus anderen Gebieten schlussfolgerte er, dass es auch bereits auf regionaler Skala (also im Bereich von ca. 50 km) Unterschiede bei der Menge des abgelagerten Saharastaubs gab. In der unmittelbaren Umgebung seines Wohnorts war nämlich der Schnee nur schwach bräunlich verfärbt. Auch zeigen Bilder aus stärker betroffenen Regionen den Saharastaub als eine mehr oder weniger abgegrenzte Schicht im Schnee. Das bedeutet, die Hauptmenge des Staubs ist dort in kurzer Zeit gefallen, möglicherweise in Form eines in den allgemeinen Schneefall eingebetteten Schauers. Dieser kann regional unterschiedlich stark ausgefallen sein und fehlte möglicherweise in Hörlitz fast ganz, so dass nur die über das ganze Schneevolumen verteilte, schwache ,,Hintergrundkonzentration" zum Tragen kam und die ausgeprägte Schicht fehlte. Für
3 Saharasandablagerungen in Neuhaus am Rennweg (links, Bild: Carsten Kundt) und im Dresdner Elbtal (rechts, Bild: Sabine Wächter)
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Atmosphärische Erscheinungen
4 Saharastaub unter dem Mikroskop, Bilder: Alexander Haußmann
5 Der Saharastaub am 23.02.2021 auf dem Satellitenbild (links, Quelle: SAT24.com) und der Staubkarte (rechts, Quelle: ZAMG)
eine definitive Aussage hätte man aber die Schichtstruktur an verschiedenen Orten genauer und mit einheitlichen Methoden untersuchen müssen.
Optisch relevanter war der Saharastaubtransport ab dem 22.02. Auf der Ostseite einer Tiefdruckzone über West- und Südwesteuropa, die sich zeitweise bis nach Nordafrika erstreckte, gelangte durch eine südliche Höhenströmung der Saharasand erneut über Deutschland bis nach Skandinavien (Abb. 5).
Diesmal war der Saharastaub allerdings weniger dicht und befand sich in einer grö-
ßeren Höhe von 8-10 km, so dass es statt dickem ,,Einheitsgrau" verbreitet den Ring von Bishop gab. Er entsteht, wenn das Sonnenlicht an den unzähligen Staubpartikeln der Atmosphäre gebeugt wird. Der Radius des Rings variiert dabei stark mit der Partikelgröße. Bei Saharastaub hat er meist einen Sonnenabstand von 10-20 Grad . Bei feinerem Staub oder winzigen schwefelhaltigen Vulkanaerosolen in der höheren Atmosphäre wurden jedoch auch schon Bishop'sche Ringe mit Radien von 30-45 Grad beschrieben. Der Namensgeber dieser Erscheinung ist Pastor Sereno Edward Bishop. Er beschrieb solch einen Beugungsring nach dem legendären Ausbruch des indonesischen Inselvulkans
Krakatau, bei dem mehr als 18 Kubikkilometer Gestein und Asche bis zu 80 km in die Höhe geschleudert wurden. Durch die hohe Dichte an Kondensationskeimen, an denen sich Wasserdampf absetzt, bildete sich zudem verbreitet eine dünne Wolkendecke. Diese war nur 5.000-6.000 Meter hoch, bestand aber zumindest teilweise aus Eiskristallen, was an zarten Halos erkennbar war. Und es gab natürlich die charakteristischen gelblich-trüben Sonnenauf- und -untergänge (Abb. 6).
Elmar Schmidt hat am 24.02.2021 die Staubaureole als Funktion des Sonnenabstands fotometriert (Abb. 7). Die Leucht-
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Atmosphärische Erscheinungen
6 Ring von Bishop am 23.02.2021 und gelblich-trüber Sonnenuntergang über Schwarzenberg. Bilder: Claudia Hinz
dichte in Sonnennähe erwies sich dabei mit über 300.000 cd/m2 als etwa zehnmal höher als von einem gewöhnlichen und staubfreien Blauhimmel, auf dessen Leuchtdichte die Kurve erst in 90 Grad Sonnendistanz einschwenkt. Hierin zeigt sich die enorme Streuwirkung des Saharastaubs, welche die diffuse Beleuchtungsstärke vom Himmel ungefähr verdreifacht, indem sie dem direkten Sonnenlicht etwa 20% an Intensität abzieht und in die gleißende, große Streuscheibe umverteilt. Das Auftreten eines Rings von Bishop wird allerdings durch den monotonen Abfall der mit einem fallenden Potenzgesetz über dem Sonnenabstandswinkel sehr gut anzufittenden Leuchtdichte etwas in Frage gestellt. Auf Fotos, welche für diesen Ring stehen, scheint es sich eher um einen Farbkontrasteindruck vom Übergang zwischen dem gelblichen Staubhof und dem Himmelsblau zu handeln.
Durch die Wolkenfreiheit während der zweiten Saharastaublage konnten auch die Dämmerungserscheinungen dokumentiert werden (Abb. 8). Selbst in der bürgerlichen Dämmerung fielen sie ziemlich farbarm aus.
In der Dämmerungshelligkeit drückte sich das aber nur geringfügig aus. Es blieb in einer morgendlichen Messung bei dem bekannt sig-
7 Mittägliche Himmelsleuchtdichte in Abhängig-
keit vom Sonnenabstand in der Saharastaublage vom 24.02.2021. Messung und Anpassung: Elmar Schmidt, Bad Schönborn
8 Bürgerliche Morgendämmerung am 24.02.2021, 06:50 - 07:12 - 07:24 MEZ, Bilder: Elmar Schmidt, Bad Schönborn
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Atmosphärische Erscheinungen
moiden Verlauf der Leuchtdichte mit einer Zunahme um einen Faktor von ca. 100.000 von der astronomischen Dämmerung bis zum Sonnenaufgang (Abb. 9). Erst bei genauem Hinschauen (da die logarithmische Skala diese Unterschiede unterdrückt) war die Staubdämmerung anfangs der nautischen und bürgerlichen Dämmerung doch 1,5- bis 2-mal heller als eine ungestörte, offenbar eine Folge der Streuung der noch unter dem Horizont stehenden Sonne.
Literatur- und Internethinweise (Stand 24.08.2021): [1] Wetterblog Fichtelberg: https://
fichtelbergwetter.wordpress.com/ [2] Forum des Arbeitskreises Meteore
e.V.: https://forum.meteoros.de/ [3] ,,Saharastaubklimatologie aus
Ceilometermessungen", GAW-Brief des DWD Nr. 77, März 2021, herausgegeben vom Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg [4] Univ. Athen: ,,Messungen von Staub-
9 Leuchtdichte (15o über dem Sonnenaufgangspunkt) für eine sahara
staubgestörte und eine ungestörte Dämmerung als Funktion des Sonnenstands, Messungen: Elmar Schmidt, Bad Schönborn
konzentration und Höheströmungen von Skiron", https://forecast.uoa.gr/ en/forecast-maps/dust/europe [5] Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG): www.zamg. ac.at/cms/de/umwelt/ luftqualitaetsvorhersagen/ schadstofftransport [6] EUMETNET, e-profile: https:// e-profile.eu/ [7] VENTUSKY: www.ventusky.com/
[8] D. C. B. Whittet, M. F. Bode, P. Murdin, 1987: "The extinction properties of Saharan dust over La Palma", Vistas in Astronomy, Vol. 30, Part 2, pp. 135-144
[9] N. Ajtai, H. Stefanie, A. Mereut, A. Radovici and C. Botezan, 2020: "Multi-Sensor Observation of a Saharan Dust - Outbreak over Transylvania, Romania in April 2019", Atmosphere 2020, 11, 364
Leuchtende Nachtwolken 2021
- zurück zur Normalität?
von Claudia Hinz
Nach mehreren Jahren mit Leuchtenden Nachtwolken (NLC), bei denen ein Rekord den nächsten jagte [1] und nicht nur einmal bis in die mittleren Breiten Süd-NLC beobachtbar waren, scheint das Jahr 2021 zurück zur Normalität zu finden. Die hellen Hammerdisplays der letzten Jahre fehlten. Zwar gab es auch in dieser Saison in 43 Nächten NLC-Displays [2], aber diese hohe Ausbeute ist nicht zuletzt der zunehmenden Anzahl an Beobachtern und Webcams zu verdanken, die jede noch so kleine Lücke und selbst schwache NLC festhalten.
Zudem werden auch die Sensoren der Kameras immer empfindlicher und zeigen Strukturen, die für das Auge unsichtbar sind. Insofern war auch das erste in der Nacht vom 21./22. Mai in Leipzig entdeckte Display ,,nur" fotografisch nachweisbar
und in den Folgenächten waren die Helligkeiten ebenfalls recht mager. Hinzu kam das wechselhafte Wetter, welches NLCSichtungen zum Glücksspiel machten. Zum Ende der Saison erschwerten zunehmende Aerosolschichten (überwiegend von den riesigen Waldbränden in Kanada, den USA und Russland) die Beobachtungen. Auffallend waren in diesem Jahr mehrere Displays, die erst nach Süden hin richtig hell wurden und bis nach Südspanien und Israel reichten (siehe Höhepunkte weiter unten). Auch ein eigenes Display am 03./04.07. in Schwarzenberg war äußerst ungewöhnlich, denn nur 40 Minuten nach Sonnenuntergang zeigten sich Leuchtende Nachtwolken nicht wie gewohnt im Norden, sondern hoch am Westhorizont bis tief in den Süden! Die Hochsaison endete bereits am 04./05.07., danach nur noch schwä-
chere Displays im Norden und der Mitte Deutschlands. Nachfolgend einige Höhepunkte: - 20./21.06.: Mäßig helle (meist Wolken-
lücken-)NLC über Deutschland, helles ausgedehntes Display am Calar-AltoObservatorium in der Sierra de los Filabres im Süden Spaniens (37 Grad 13' n. Br.). - 21./22.06.: NLC mit geringer Helligkeit im Norden und zunehmender Intensität im Süden. Südlichster Nachweis in Europa in Israel, was ein neuer Südrekord sein dürfte. - 23./24.06.: Im Norden schwach sichtbar, nach Süden hin heller werdend, südlichster Nachweis in Deutschland auf der Zugspitze und in Europa am Calar Alto, wo das Display erneut hell und großflächig sichtbar war. - 24./25.06.: Eines der wenigen ausge-
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Atmosphärische Erscheinungen
1 03.07.2021, 21:20 Uhr MEZ, Canon EOS 600D, Fish-Eye-Objektiv 1:3,5/8 mm, ISO 200, Belichtung 5 s, Ort: Schwarzenberg/Erzgeb.,
das Haus in der Bildmitte ist Süden! Das war die südlichste Ausdehnung in 25 Jahren NLC-Beobachtung! Bild: Wolfgang Hinz
dehnten und zumindest im Norden sehr hellen Displays des Jahres. Erneut bis weit in den Süden (43o n. Br.: katalanische Pyrenäen) sichtbar. - 28./29.06.: Schwache NLC in Deutschland (meist in Wolkenlücken), hellere NLC am Mittelmeer bis 43. Breitengrad. - 29./30.06.: Erneut in Deutschland kaum sichtbare NLC, die nach Süden hin heller wurden und wiederholt bis zum 37. Breitengrad (z. B. Calar Alto, Pico de Veleta) reichten. - 03./04.07.: Vor allem im Südosten und Süden sehr helles und eindrucksvolles NLC-Display, welches bis weit in den Süden reichte (nach eigener Beobachtung bis 45 Grad über Südhorizont) - 04./05.07.: Letztes helles und ausgedehntes Display in ganz Deutschland und Österreich, in Hamburg im Südosten bis auf unter 30 Grad Höhe herabreichend (M. Theusner).
2 03.07.2021, 21:40 Uhr MEZ, Canon EOS
80D, Objektiv Tamron 18-400 mm bei 18 mm Brennweite, Blende 3,5, ISO 400, Belichtung 1 s, Ort: Schwarzenberg/Erzgeb., Blickrichtung Westen, die Ausdehnung betrug an diesem Abend von 180 Grad bis 330 Grad . Sehr hell! Bild: Claudia Hinz
Literatur- und Internethinweise (Stand 24.08.2021): [1] C. Hinz, 2021: ,,2019 und 2020 - Zwei ungewöhnliche Jahre mit Leuchtenden
Nachtwolken", VdS-Journal für Astronomie 77 (II-2021), S. 68 [2] NLC-Forum des AKM e.V.: https://forum.meteoros.de/viewforum.php?f=34 [3] M. Theusner, 2021: ,,Höhenbestimmung Leuchtender Nachtwolken aus Amateur-
aufnahmen", VdS-Journal für Astronomie 76 (I-2021), S. 90
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Atmosphärische Erscheinungen
Von der Küste in die Berge
- die VdS-Bilderstrecke ,,Leuchtende Nachtwolken 2021"
zusammengestellt von Michael Schomann
Bild 1 (Gotthard Stuhm): Die besten Plätze für NLC sind natürlich an den Küsten im Norden. Doch häufig reichen sie bis in den Zenit und werden so bis in den Alpenraum beobachtbar. Gotthard Stuhm konnte sie im dänischen Svendborg nur für eine gute Stunde zwischen 23:00 und 24:00 Uhr
sehen. Dann verblasste das spektakuläre Display. Aufnahmedaten: Nikon D 7200 mit Sigma 18-300 mm bei f/4. Für die NLCs passen ISO 400 oder 800. Bei Blenden zwischen 5 und 8 ergeben sich Belichtungszeiten zwischen ca. 1 Sekunde bei Beginn der Dämmerung und etwa 5 Sekunden, wenn der Himmel dann ,,dunkel" ist.
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Atmosphärische Erscheinungen
Bild 2 (Jürgen Rendtel): Aufnahme vom 4. Juli 2021. An diesem Abend deuteten sich bereits in der Dämmerung Leuchtende Nachtwolken an. Das Foto entstand um 22:25 Uhr MEZ mit einer Canon EOS 6D II; Objektiv Tamron 28-300 mm bei Brennweite 28 mm, Blende 6,3, belichtet 3,2 s bei ISO 3200. Beobachtungsort war der Schlänitzsee nordwestlich von Potsdam, dessen spiegelglatte Oberfläche Jürgen Rendtel geradezu zum Fotografieren einlud. Am Übergang zum Erdschatten (,,oberer Rand") ist ein rötlicher Saum infolge des langen Lichtweges durch die Atmosphäre zu erkennen.
Bild 3 (Stefan Binnewies): Stefan Binnewies gesteht, dass er Nachtleuchtende Wolken tatsächlich bis zu diesem Foto noch nie gesehen hat. Er schreibt dazu: Das Event vom 18./19. Juni habe ich verpasst, obwohl ich da schon in Lübeck weilte. Danach wurde im Norden das Wetter unbeständig, dennoch habe ich die Kameras in vier Nächten aufgebaut und auf Wolkenlückenastronomie gesetzt. Blickrichtung war immer nach Nordosten über die Flensburger Förde nach Dänemark. Am Morgen des 24.06.2021 hat es dann geklappt. Hier die Daten: 03:10 Uhr MESZ mit der EOS 600Da bei 24 mm, Blende 5,6, belichtet 2 s bei ISO 800.
Bild 4 - Seite 90 (Werner E. Celnik): Werner E. Celnik schreibt: In unserem Urlaub an der deutschen Nordseeküste gegenüber der Insel Langeoog hatten wir eine nahezu klare Nacht vom 24. zum 25. Juni. Bei Dunkelheit stieg ich aus dem Wohnmobil, um mal zu schauen - und bin fast umgefallen. Also Stativ und Kameratasche geschnappt und zum nahen Strand gelaufen. Die Mitternachtsdämmerung war mit kräftigen Farben zu sehen, darüber die bläulichweißen, sehr hellen und kontrastreichen Nachtwolken, die sich in einem Bogen von etwa Nordwest bis nach Nordost zogen. Das Sternbild Fuhrmann hatte gerade die untere Kulmination hinter sich. Dazu die Spiegelung auf der ruhi-
gen Meeresoberfläche. Prächtig anzusehen! Der Mond in niedriger Südstellung störte eigentlich gar nicht. Die Bildsequenz zeigt die kurzzeitigen, großräumigen Veränderungen in den Wolkenstrukturen. Kamera Canon 5D MkII auf Stativ bei Blende 4 und ISO 400, v.o.n.u.: 01:28 MESZ, Brennweite 20 mm, Belichtung 6 s; 01:41, 24 mm, 4 s; 02:04, 15 mm, 13 s; 02:14, 8 mm, 30 s.
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Atmosphärische Erscheinungen
Bild 5 (Manfred Kiau): Diese Nachtleuchtenden Wolken nahm Manfred Kiau in der Nacht vom 04. auf den 05.07.2021 in DuisburgBaerl auf. Aufnahmedaten: Canon EOS 7DMII mit dem Canon EF 70-200 1:4L bei 111 mm Brennweite, Arbeitsblende 4, Belichtung 5 s bei ISO 640. Er notiert dazu: Es war meine 4. Sichtung in diesem Jahr und die deutlich intensivste und hellste, mit schönen, fischgrätenartigen Strukturen. Leider konnte ich erst relativ spät belichten, da ein Wolkenband durch die Szenerie driftete, aber kurz vor dem Verschwinden der Wolken waren mir ein Blick auf die NLCs und einige Fotos vergönnt.
Bild 6 (Kai-Oliver Detken): An der Ostsee bei Kühlungsborn hat Kai-Oliver Detken Leuchtende Nachtwolken (NLC) aufgenommen. Das Foto entstand am 2. Juli 2021 um 0:52 Uhr, auch wenn immer wieder normale Wolken die Sicht behindert haben. Als Zugabe flog oben links ein Flugzeug durch das Bild. Es entstand ein Zeitraffer, in dem auch ein Meteor zu sehen ist. Siehe QR-Code. Die Bilddaten: ISO 3200, Belichtung: 0,6 s, Canon 90Da auf Stativ, Brennweite 50 mm, Blende 2,8.
Journal für Astronomie Nr. 80 | 91
Atmosphärische Erscheinungen
Bild 7 (Oliver Schneider): In Ostwestfalen-Lippe war an dem Abend des 24. Juni 2021 gegen 23:00 Uhr für kurze Zeit auch etwas sichtbar. Beim Hundespaziergang konnte Oliver Schneider zumindest mit dem Smartphone ein Bild machen.
Bild 8 (Michael Schomann): Am 2. Juli 2021 gab es ein gutes NLC-Display Richtung Norden. Die Aufnahme entstand aus dem Fenster um 23:33 Uhr. Kamera Canon EOS 6D und Objektiv Canon EF 24-70mm bei 50 mm Brennweite, 2 s Belichtung bei Blende 2,8 und ISO 400. Bereits am 9. Juni 2021 in den späten Abendstunden waren Richtung Nordwesten von Hannover aus Leuchtende Nachtwolken zu sehen. Für mich waren es die Ersten in der Saison 2021. Man siehe auch das Video bei Vimeo mit dem QR-Code.
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Atmosphärische Erscheinungen
Bild 9 (Sabine Mauer): Sabine Mauer hatte am Sonntag, dem 6. Juli 2021, auch noch einmal Glück. Kamera Canon 6d Mark II unmodifiziert, Objektiv Canon 16-35 f/4 L IS USM, Blende 8, Brennweite 35 mm, Belichtung 2,5 s bei ISO 1600.
Bild 10 (Franz Schmalz): Am 25. Juni konnten im mittleren Schwarzwald (Kinzigtal bei Wolfach) eindrucksvolle Displays leuchtender Nachtwolken (NLCs) beobachtet werden. Die Aufnahme wurde um 22:41 Uhr MESZ getätigt, Brennweite 24 mm, Kamera EOS RP, Belichtung 6 s bei Blende 4,5 und ISO 160. Foto von Franz Schmalz, Wolfach.
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Astrophysik & Algorithmen
CCD-Guide 2022
von Hartmut Bornemann
Im VdS-Journal für Astronomie 58 (III2016) erschien der erste Artikel zum CCDGuide-Bildarchiv, das vom Astronomischen Arbeitskreis Salzkammergut erstellt und vertrieben wird. Seit 2018 wurde aus dem CCD-Guide durch neue Bausteine ein Paket für den Amateurastronomen, mit dem sich weitere Aufgaben bei der Suche und Identifikation von Objekten im Deep Sky lösen lassen. Das Paket nutzt jetzt das Internet mit astronomischen Diensten sowie die Bilderdatenbank des Arbeitskreises.
Wichtige Ziele für den neuen CCD-Guide sind (Auswahl): - Bildanalyse mittels Objekt-Identifika-
tion und Kartierung - Automatisierte Bereitstellung der Bilder
mittels Download - Bild- und objektbasierte Integration über
Programmgrenzen - Update-Service für alle Programme
- Internet-Dienste für Objekte und Bilder, Astrometrie und Wetterbericht, Horizontsuche für Standorte in Österreich
- Benutzerfreundlichkeit und hohe Leistungsfähigkeit
Programmübersicht Die Hauptfunktionen übernehmen jetzt ein Browser, ein Expert für die Objektplanung, der ObjectTracker für die Höhenberechnung, der ObjectMarker mit Plate-Solve-Funktion und grafischer Markierung von Bildern sowie der ObjectViewer als Bildbetrachter mit astrometrischer Unterstützung.
Der Bild- und Objekt-Browser ist vermutlich das meistgenutzte Programm in diesem Paket. Es stehen über 7.000 Bilder zur Verfügung. Fast alle besitzen jetzt ein WCS (World Coordinate System). Die Bilder wurden also astrometriert, was für weite-
re Aufgaben von unschätzbarem Wert ist. Antworten auf mögliche Beobachtungszeiten an einem Tag oder über einen Zeitraum von 1-12 Monaten liefert der ObjectTracker. Das Programm macht Aussagen über die Beobachtbarkeit, abhängig vom Mond, der Sonne und örtlichen Hindernissen. Der aktuelle Wetterbericht kann eingeblendet werden.
Die Aufbereitung von Deep-Sky-Bildern für Vorträge und Publikationen ist mit dem ObjectMarker schnell gemacht, welcher das Beschriften von Bildern vereinfacht.
Der Bildbetrachter ObjectViewer hat eine Lupe, zeigt Koordinaten, misst Winkelabstände und kann jede Position an Simbad oder NED für weitere Informationen übertragen. Das Programm ist im WebShop erhältlich: www.ccdguide.com
1 Aufnahme des Krebsnebels mit einer Detailvergrößerung
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Astrophysik & Algorithmen
Kreisgrabenanlage Goseck
- Mysterium Nordtor
von Uwe Pilz und Holger Filling
Im vorigen Heft wurde die astronomische Bedeutung des so genannten Sonnenobservatoriums in Goseck untersucht. Wahrscheinlich dienten die beiden südlichen Tore als Visiervorrichtung für die Beobachtung des Sonnenauf- und untergangs am Tag der Wintersonnenwende. Das prominenteste Tor der Anlage ist das nördliche Tor. Es ist etwas breiter als die beiden südlichen Tore, dies sieht man besonders, wenn man in der Anlage steht. Das Azimut der Blickrichtung durch das nördliche Tor hat einen Wert von 6,5 Grad, dargestellt in der Abbildung des vorherigen Teils [1].
Weder die Sonne, der Mond oder die Planeten erreichen den erforderlichen Wert der Deklination, um dort aufgehen zu können. Und auch als ,,Nordzeiger" ist das Tor ungeeignet. Wenn auch dieses Tor eine Visiervorrichtung war, dann konnte hier nur der Aufgang eines hellen Sterns beobachtet worden sein. Wir wissen natürlich nicht, ob dieses Tor wirklich eine astronomische Be-
deutung hatte. Dennoch möchten wir die Ergebnisse unserer Analyse vorstellen.
Sterne, welche so weit nördlich aufgehen, verfehlen das Zirkumzenital-Kriterum > 90 Grad - gerade eben. Für Goseck beträgt = 51,2003 Grad. Wir müssen die Sterne betrachten, welche zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlage eine Deklination geringer als +38,8 Grad besaßen. Es gibt gegenwärtig am nördlichen Himmel nur 10 Sterne mit einer Helligkeit > 1,5 mag, die dafür überhaupt in Frage kommen (Tab. 1). Die Präzession der Erdachse führt zu einer Änderung der Deklination. In 6.800 Jahren kommt da einiges zusammen. Für die Umrechnung gibt es zwei Formelsätze im ,,Meeus" [2]. Den genaueren haben wir in ein kleines Python-Programm verwandelt, welches auf der Webseite der Fachgruppe [3] unter ,,Programme" liegt. Außerdem hat Holger ein Excel-Programm geschrieben, welches die gesamte Rechnung enthält. Auch dieses findet sich auf unserer Webseite.
Nach Tabelle 1 kommt als Stern Deneb in Betracht. Man muss nun beachten, dass die Sterne der atmosphärischen Extinktion unterliegen. Die Kometenfreunde benutzen hierzu Tabellen [4], welche die Extinktion für verschiedene Zenitdistanzen und Höhen des Beobachtungsplatzes über dem Meeresspiegel angeben. Unsere Berechnungen gehen von der trockenen winterlichen Atmosphäre aus, das ist die geringste Extinktion in diesen Tabellen. Paul Ahnert [5] gibt übrigens noch geringere Werte an. Die gegebenen Werte beziehen sich auf wahre Zenitdistanzen bzw. wahre Höhen. Infolge der Refraktion beobachtet man die Sterne in einer größeren Höhe, was korrigiert werden muss. Die Formel für die Berücksichtigung der Refraktion ist im vorigen Heft mit angegeben. Die Tabelle 2 enthält diese Daten bis hinab zum scheinbaren Aufgang (h0 = 0 Grad ). Wegen der Refraktion befindet sich das bereits sichtbare Objekt noch ein halbes Grad unter dem Horizont. Am Aufgangspunkt muss man also mit
Tabelle 1
Deklination und Aufgangspunkte (Azimut A in Grad) für Sterne heller 1,5 mag im Jahr -4800
Stern
Arktur Wega Kapella Procyon Beteigeuze Atair Aldebaran Pollux Deneb Regulus
mag
-0,1 0,0 0,1 0,34 0,50 0,8 0,8 1,2 1,2 1,3
Dekl. (J2000)
19,17 38,78 45,99 5,22 7,41 8,87 16,51 28,02 45,28 11,97
Dekl (J-4800)
52,99 50,60 15,32 4,35 -17,48 16,96 -15,38 13,12 37,91 19,67
A (h = 0 Grad )
zirkumpolar zirkumpolar
64,26 99,23 117,83 61,44 114,25 67,99 6,73 56,65
A (h = 2 Grad )
zirkumpolar zirkumpolar
67,35 99,08 121,09 64,60 117,40 70,99 19,23 59,96
A (h = 5 Grad )
zirkumpolar zirkumpolar
71,46 103,10 125,89 68,77 122,00 75,02 28,49 64,28
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Dark Sky Tabelle 2
Extinktion E (Winteratmosphäre) in Größenklassen (mag) für verschieden hoch gelegene Beobachtungspunkte, aus [4]. Zum Vergleich: Angaben von Ahnert [5]
Wahre Höhe
5 Grad 4 Grad 3 Grad 2 Grad 1 Grad 0 Grad -0,5 Grad
scheinbare Höhe
5,2 Grad 4,2 Grad 3,2 Grad 2,3 Grad 1,5 Grad 0,5 Grad 0 Grad
E (h = 0)
2,5 3,0 3,7 4,7 6,5 9,8 12,1
E (h = 500 m)
2,2 2,6 3,2 4,1 5,6 8,5 10,5
E (Ahnert, h = 100 m)
1,7 2,0 2,5 3,1 4,0 5,5 6,4
E (h = 172 m)
2,4 2,9 3,5 4,5 6,2 9,3 11,5
einer Extinktion von etwa 9 mag rechnen. Damit man den direkten Aufgang eines Gestirns sehen kann, muss es also wenigstens -3 mag hell sein, wenn eine Grenzhelligkeit von 6,0 mag angenommen wird. Selbst wenn man der Ahnert-Tabelle Glauben schenken möchte, muss ein Stern etwas heller als 0 mag sein, um direkt am Horizont sichtbar zu sein. Für Deneb trifft das nicht zu.
Ob es unseren Vorfahren genügt hat, den Stern erst in 2 bis 3 Grad Höhe zu sehen? Wir wissen es nicht. Der Aufgangspunkt
rutscht dann auch aus der Visierlinie heraus. Vielleicht diente das Tor auch einem ganz anderen, profanen Zweck. Vielleicht war es der Zugang vom Dorf aus? Solche Fragen müssen die Archäologen und Historiker beantworten. Wir als Astronomen können jedoch die mathematisch-astronomischen Grundlagen aufbereiten.
Literatur- und Internethinweise (Stand Juli 2021): [1] U. Pilz, H. Filling, 2021: ,,Die astrono-
mische Bedeutung des ,Sonnenob-
servatoriums' Goseck", VdS-Journal für Astronomie 79, S. 63-64 [2] J. Meeus, 1998: ,,Astronomical Algorithms", Willmann-Bell-Verlag, Virginia, S. 134 [3] Fachgruppe Astrophysik und Algorithmen: http://fg-astrophysik. vdsastro.de [4] Extinktionstabellen http://fg-kometen. vdsastro.de/Publ/Extinktion.jpg [5] P. Ahnert, 1983: ,,Kleine praktische Astronomie", J.-A.-Barth-Verlag, Leipzig
Empfehlungen gegen Lichtverschmutzung
- im ,,Lichte" der Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes
von Andreas Hänel, Sabine Frank und Annegret Blank
Aus Sicht des Sternenparks im UNESCOBiosphärenreservat Rhön und der Fachgruppe Dark sind die Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes positiv zu bewerten, denn schon in der Begründung wird als Zielbestimmung die Eindämmung der Lichtverschmutzung besonders hervorgehoben und der Schutz der Nacht zur Pflichtaufgabe [1]. Grundsätzlich schließen die neuen Regelungen für mehr Schutz vor Kunstlicht nicht nur eine wesentliche Lücke im Bereich des Artenschutzes, sondern der Gesetzgeber erwähnt nun erstmals den Begriff der ,,Lichtimmission" als ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Die Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz führen auch dazu, dass Grenzwerte, technische
Anforderungen und Schutzmaßnahmen in einer Verordnung konkretisiert und mit den Bundesländern abgestimmt werden. Es ist zu erwarten, dass sich die Regelungen der Rechtsverordnung an den Ergebnissen entsprechender Publikationen jüngster Zeit wie die des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag [2] und den Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz orientieren [3]. Teilweise wurden sie bereits in Landesumweltgesetzen in Bayern [4] und Baden-Württemberg [5] umgesetzt. Allerdings zeigt sich gerade in Baden-Württemberg erheblicher Widerstand gegen die in den Sommermonaten verbotene Anstrahlung von staatlichen Baudenkmälern (Abb. 1).
Vor dem Hintergrund, dass künstliche Lichtquellen teils direkt durch Blendung, teils durch Streuung in der Atmosphäre oder Reflexion an Wolken eine große Fernwirkung bis in Schutzgebiete hinein haben können, ist jedoch zu kritisieren, dass sich das Verbot künstlicher Lichtquellen nur auf die Schutzgebiete selbst beschränkt, ohne diese Fernwirkung zu berücksichtigen ($ 23 (4)). Der neu eingefügte $ 41 (a) hingegen gilt für alle Beleuchtungen, auch innerhalb von Ortschaften und Städten.
Es sei zudem darauf hingewiesen, dass die jetzige Rechtslage bereits viele rechtmäßige Möglichkeiten enthält, um verbindlich Einfluss auf die künstliche Beleuchtung zu
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Dark Sky
nehmen, was jetzt schon einige Kommunen, u. a. im Landkreis Fulda, durch Festsetzungen aus gestalterischen, landschaftsschutz- oder immissionsschutzrechtlichen Gründen nutzen.
Wegen immer wiederkehrender Nachfragen haben wir in den letzten Jahren verschiedene Informationsmaterialien gegen Lichtverschmutzung erarbeitet.
Zunächst wurden spezielle Planungshilfen für verschiedene Anwendungsgebiete erstellt: - Gewerbe und Industrie - öffentliche Straßen und Parkplätze - Privatleute für Haus und Garten - Sportstätten
Konkreter und zur wirksamen Umsetzung wurden dann noch diese Unterlagen entwickelt, teils juristisch begleitet: - Handlungsempfehlungen zur Reduzie-
rung von Lichtimmissionen - Hinweise zur Berücksichtigung von ver-
bindlichen Vorgaben zur Vermeidung von Lichtimmissionen im Bauleitverfahren und im nachgelagerten Baugenehmigungsverfahren - Muster für kommunale Lichtleitlinien und Beschlussvorlage dafür
In Gesetzen und vielen Empfehlungen wird ,,insektenfreundliche Beleuchtung" gefordert, wobei oft recht unkonkrete Angaben gemacht werden beziehungsweise der Begriff je nach Interessenlage unterschiedlich gedeutet wird. Anlässlich des Weltbienentags 2021 haben wir ausgewertet, was wissenschaftlich über insektenfreundliche Beleuchtung bekannt ist, teilweise mit aktuellen Forschungsergebnissen: - Licht und Insekten - Was ist insekten-
freundliche Beleuchtung?
1 Heidelberg: Die angestrahlte Neckarbrücke zieht vor allem Insekten aus dem Wasser
an und behindert das Fischwandern im Fluss; das Schloss dürfte nach dem BadenWürttembergischen Gesetz im Sommer nicht mehr angestrahlt werden.
Alle Dokumente sind zu finden auf: www.biosphaerenreservat-rhoen.de/ natur/sternenpark-rhoen/ ruecksichtsvolle-beleuchtung/ und bei www.lichtverschmutzung.de
Internethinweise (Stand 25.08.2021): [1] Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung, 2021: ,,Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes", Bundesrat Drucksache 150/21, 12.02.2021 U-AV, www.bundesrat.de/SharedDocs/ drucksachen/2021/0101-0200/ 150-21.pdf?__blob=publication File&v=1 [2] Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), 2020: ,,Ursachen, Ausmaß und Auswirkungen der Lichtverschmutzung", TAB-Arbeitsbericht Nr. 186, 22.07.2020, www.tab-beimbundestag.de/de/aktuelles/ 20200722.html [3] S. Schroer, B. Huggins, M. Böttcher, F. Hölker, 2019: ,,Leitfaden
zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen, Anforderungen an eine nachhaltige Außenbeleuchtung", Bundesamt für Naturschutz, BfN-Skripten 543, www.bfn.de/fileadmin/BfN/ service/Dokumente/skripten/ Skript543.pdf [4] Bayerische Staatskanzlei, Bayern. Recht: ,,$11a des Bayerischen Naturschutzgesetzes", www. gesetze-bayern.de/Content/ Document/BayNatSchG-11a und ,,$9 des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes", www.gesetzebayern.de/Content/Document/ BayImSchG-9 [5] Landesrecht BW Bürgerservice: ,,$21 im Naturschutzgesetz von Baden-Württemberg ,Beleuchtungsanlagen, Werbeanlagen, Himmelsstrahler'", www.landesrecht-bw.de/jportal/ ?quelle=jlink&query=NatSchG+BW& psml=bsbawueprod.psml&max =true&aiz=true#jlr-NatSchGBW201 5V2P21
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Dark Sky
Was bringt das neue Naturschutzgesetz gegen Lichtverschmutzung?
von Peter Köchling
Lange haben sich Umweltschutzverbände, aber auch wir Sternfreunde stark gemacht, dass die Politik der zunehmenden Bedrohung von Mensch und Umwelt durch künstliches Licht Grenzen setzt. Nun stimmte der Deutsche Bundestag am 24. Juni 2021 einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes zu, in dem erstmals der Begriff ,,Lichtverschmutzung" genannt wird.
Die Änderung des Gesetzes ist vor allem auf die Erkenntnis des alarmierenden Rückgangs der Insekten zurückzuführen und wird deshalb auch als ,,Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt" (Bundesdrucksache 19/28182) bezeichnet. Daher hat man sich bei der Beschreibung von Problem und Ziel auf den Schutz von Insekten fokussiert. Neben der Artenvielfalt wird auch der wirtschaftliche Nutzen von Insekten in der Landwirtschaft betont.
In $ 23 (4) werden grundsätzlich Beleuchtungen an Straßen und Wegen sowie beleuchtete Werbeanlagen in Naturschutzgebieten und Nationalparken sowie in Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten verboten oder brauchen eine begründete Sonderzulassung.
Die weiteren neuen Paragraphen $ 41a und $ 54 Absatz 4d umfassen den Schutz von Tieren und Pflanzen vor schädlicher künstlicher Beleuchtung ganz allgemein. So ermöglicht $ 41a Absatz 1 und $ 54 Absatz 4d dem Umweltministerium den Erlass von Rechtsverordnungen, die noch erarbeitet und durch den Bundesrat bestätigt werden müssen. In diesen Rechtsverordnungen müssen für Beleuchtungsanlagen Grenzwerte für Lichtemissionen, konstruktive Schutzmaßnahmen, Vorgaben und Fristen für Um- und Nachrüstpflichten und Umfang der Anzeigepflicht gegenüber Behörden formuliert werden. Möchte also jemand künftig eine Außenbeleuchtung von
Straßen, Wegen, Gebäuden oder Werbeanlagen wesentlich ändern oder neu errichten und braucht für dieses größere Vorhaben aufgrund anderer Rechtsvorschriften eine Zulassung, so muss nach $ 41a Absatz 2 die entsprechende Behörde vorab auch über die Änderung der Beleuchtung informiert werden. Gemäß Absatz 3 müssen Behörden aber auch vorab über Lichtemissionen, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen wild lebender Arten hervorrufen, informiert werden, wenn für das Vorhaben keine Baugenehmigung notwendig ist. In diesem Fall hat die Behörde vier Wochen nach Eingang der Information Zeit, die eingereichten Unterlagen zu prüfen und gegebenenfalls weitere erforderliche Anordnungen zu treffen. Besondere oder ergänzende Rechtsfolgen, also Bußgelder oder Strafen, bei Missachtung dieser neuen Gesetze sind nicht vorgesehen, können aber durch neue Verordnungen festgelegt werden.
Im Folgenden möchte ich dieses neue Gesetz einordnen, bewerten und kommentieren. Dabei bleibt es nicht aus, dass ich bewusst oder unbewusst meine eigene Meinung einfließen lasse. Zuallererst ist zu sagen, dass dieses Gesetz allein keine direkten Auswirkungen auf die Lichtverschmutzung in großen Teilen Deutschlands haben wird, da keine konkrete Vorgaben, Ziele oder Grenzwerte beschlossen wurden. Dieses Gesetz regelt lediglich die Zuständigkeiten und Verfahren zur Freigabe von Beleuchtungseinrichtungen. Hätte die Politik es wirklich ernst gemeint, so hätte sie das Bundesimmissionsschutzgesetz, die Bundesimmissionsschutzverordnung, das Baugesetzbuch oder die Baunutzungsverordnung geändert. Bisherige Regeln fokussieren sich aber auf die Verminderung von Lärm, Luftverschmutzung oder Funkstrahlung. Die mögliche Eingrenzung der Lichtverschmutzung durch Verordnungen liegt
somit in den Händen der Umweltministerien (Bund und Länder) und der ausführenden Behörden (Kommunen), also der Exekutive. Lediglich der Bundesrat wird als quasi-legislative Gewalt einen Blick auf diese Verordnungen werfen.
Inhaltlich ist weiter anzumerken, dass der rechtliche Rahmen der ministerialen Verordnungen eher eng gesteckt ist. Die Verordnungen sollen allein den Schutz von Pflanzen und Tieren umfassen, und hier sind wahrscheinlich vor allem nachtaktive Insekten und Fledermäuse gemeint. Es bleibt also abzuwarten, wie streng die Verordnungen formuliert werden gegen den Druck anderer Lobbygruppen für mehr Licht.
Abschließend bleiben die ministerialen Verordnungen, selbst wenn die Grenzwerte scharf formuliert würden, in den meisten Fällen wahrscheinlich folgenlos, da laut Gesetz die zuständigen Behörden nur vier Wochen Zeit haben, auf eine Mitteilung für eine Änderung einer genehmigungsfreien Beleuchtungseinrichtung weitere Anordnungen zu treffen. Spätere behördliche Anordnungen nach dieser Frist sind dann nicht mehr möglich. Die deutschen Behörden werden wahrscheinlich viele dieser Mitteilungen ungeprüft ignorieren und somit freigeben, da es an kompetentem Personal zum Thema Lichtverschmutzung fehlt. Die Behörden werden somit nur in seltenen Fällen einschreiten, wenn zum Beispiel eine Diskothek einen neuen Skybeamer installiert oder eine Privatperson eine übertriebene Weihnachtsbeleuchtung am Haus zur Schau stellt. Sollte jemand aber die Behörde vorab nicht über die neue Beleuchtung informiert haben, kann diese sehr wohl einschreiten.
Zum Abstimmungsverhalten dieses Gesetzes im Bundestag ist zu sagen, dass die
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meisten Abgeordneten der Regierungsfraktionen dem Gesetz zustimmten. Alle Abgeordneten der Fraktionen der Opposition stimmten dagegen. Gleichzeitig haben dieselben Oppositionsparteien im Bundesrat das Gesetz freigegeben, sofern sie an einer Landesregierung beteiligt sind.
Unabhängig von diesem Gesetz oder weiteren Verordnungen kann sich aber jeder schon jetzt bei seiner Kommune oder seinem Landkreis für eine umweltverträgliche Beleuchtungsverordnung gegen Lichtverschmutzung stark machen. Wir Hobbyastronomen können mit unserer Expertise die Verantwortlichen beraten oder auch
Hinweise zu schädlichen Beleuchtungen geben. Beispielsweise erarbeitete der Landkreis Fulda in Zusammenarbeit mit dem Sternenpark Rhön im Biosphärenreservat Rhön und der Vereinigung der Sternfreunde e.V. strengere Handlungsempfehlungen zur Reduzierung von Lichtimmissionen.
Skyguide 2021 - 4 (Winter)
von Robert Zebahl und Rene Merting
Das Sternbild Stier (lat. Taurus) gehört mit zu den ältesten Sternzeichen und wurde bereits in dem astronomischen Werk des Ptolemäus beschrieben. Es gehört zu den 12 Tierkreiszeichen. Aufgrund der Präzession der Erdachse haben sich Sternbild und
Sternzeichen um etwa 30 Grad zueinander verschoben. Um den Stier gibt es zwei Mythologien: Im 3. Jahrtausend v. Chr. bezeichneten die Sumerer das Sternbild als Himmelsstier, gegen welchen der sagenhafte König Gilgamesch kämpfen musste. Nach der
griechischen Mythologie verwandelte sich Zeus in einen Stier, um Agenors Tochter Europa nach Kreta zu entführen. Abhängig von der Quelle gibt es aber auch andere Interpretationen.
Aufsuchkarte der vorgestellten Objekte im Sternbild Stier
2
M 38
M 36
M 37
16
NGC 1514
Erstellt mit Cartes du Ciel
M 35 1
Lorenzin 1
STF 742
Messier 1
2 1
NGC 1746
NGC 1647
37
NGC 1555
M 45
119
Tau
15 11
1
2 134 90
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Deep Sky
1 Region um Zeta Tauri, Quelle: DSS, gemeinfrei
Bekannt ist der Stier vor allem durch die offenen Sternhaufen Hyaden (Melotte 25) und Plejaden (Messier 45), welche bereits unter aufgehelltem Himmel ein leichtes Ziel für das bloße Auge sind. Die Hyaden stellen dabei den Kopf des Stiers dar und erscheinen V-förmig zusammen mit dem Hauptstern Aldebaran, welcher allerdings nicht zum Sternhaufen gehört. Die Plejaden werden oft auch Siebengestirn oder die ,,sieben Schwestern" genannt. Einige Mitglieder des Sternhaufens tragen Eigennamen, welche der griechischen Mythologie entstammen: Titan Atlas mit seiner Frau Pleione und ihren sieben Töchtern, u. a. Alkyone, Elektra und Merope.
können auch Details innerhalb des Nebels wahrgenommen werden. Durch die Expansion des Nebels sind schon im Laufe
weniger Jahre Veränderungen der Struktur fotografisch erkennbar. Auch wenn er nicht zu den hellsten Messier-Objekten zählt, ist
Ein sehr bekanntes Objekt ist der Krebsnebel (Messier 1). Er ist der Überrest einer Supernova aus dem Jahr 1054. Die Supernova war zum Zeitpunkt des Ausbruchs das zweithellste Objekt am Himmel und konnte sogar am Tage beobachtet werden. Heute ist wenigstens ein Fernglas notwendig, um einen kleinen Nebel zu erkennen. Im Teleskop zeigt sich der Krebsnebel als ovaler Nebel mit einem unregelmäßigen Rand. Bei ausreichender Teleskopöffnung
2 NGC 1514,
Zeichnung von Mathias Sawo an einem 21-ZollDobson
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Deep Sky
er dennoch auch gut unter vorstädtischem Himmel beobachtbar. Gut 0,5 Grad östlich findet man den Doppelstern STF 742. Der Abstand der Komponenten (7,1 und 7,5 mag) beträgt derzeit ca. 4,2 Bogensekunden, so dass auch sehr kleine Teleskope zur Trennung genügen. Bei passender Vergrößerung lassen sich STF 742 und Messier 1 zusammen beobachten (Abb. 1).
Östlich von Zeta Tauri kann man das außergewöhnliche Sternmuster Lorenzin 1 bewundern, welches auch liebevoll Spermatozoon genannt wird. Es handelt sich um eine gut 20 Bogenminuten lange Kette von Sternen bis etwa 10 mag. Der hellste Stern im Osten mit 8,4 mag markiert den Kopf des Spermatozoons, welcher mit zwei etwa 11,0 mag hellen Sternen ein kleines Dreieck bildet. Unter dunklem Himmel lässt sich diese Sternkette mit dem Fernglas gut beobachten.
Wer lieber Details in Planetarischen Nebeln beobachten möchte, sollte sich NGC 1514 genauer anschauen, welcher auf Fotografien interessante Strukturen zeigt. Er ist auch unter dem englischen Namen ,,Crystal Ball Nebula" bekannt. Ein 18x70-Fernglas lässt den Nebel unter Landhimmel als ,,unscharfen Stern" erscheinen, wobei der Zentralstern mit 9,5 mag als erstes auffällt. Ein Teleskop von 8 Zoll Öffnung offenbart bereits die unregelmäßige Form. Nebelfilter helfen bei der Beobachtung. Mit zunehmender Teleskopöffnung werden immer mehr Details innerhalb des Nebels sichtbar, wie die Zeichnung von Mathias Sawo (Abb. 2) zeigt.
3 NGC 1555, Quelle: DSS, gemeinfrei
Eine Herausforderung in Bezug auf die generelle Sichtbarkeit dürfte NGC 1555 (Hinds Veränderlicher Nebel) nördlich der Hyaden sein (Abb. 3). NGC 1555 gehört zu den Herbig-Haro-Objekten, benannt nach George Herbig und Guillermo Haro. Diese kleinen Nebel entstehen bei sehr jungen Sternen, wenn ausgestoßenes Gas des Sterns auf Staubwolken trifft. Die Lebenszeit solcher Objekte ist mit einigen tausend Jahren vergleichsweise kurz. Durch eine unregelmäßige Verteilung von Staub und unterschiedliche Geschwindigkeiten des ausgestoßenen Materials ändern sich Form und Helligkeit dieser Nebel teils in wenigen Jahren. Das macht diese Objekte fotografisch und visuell interessant. In einem Beobachtungsbericht sollte daher unbedingt das Datum der Beobachtung aufgenommen werden. Ein anderes Herbig-Haro-
Objekt ist z. B. Gyulbudaghian-Magakian 1-29 (GM1-29) im Kepheus, welches über einige Jahr selbst mit großer Öffnung kaum beobachtbar war. In den Jahren 2013 bis 2015 gelang die Sichtung schon mit 8 Zoll Teleskopöffnung.
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Planetarische Nebel in der Leier (Teil 1)
von Christian Weis
Wer das Sternbild Leier hört, dem kommt vermutlich als erstes der bekannte Planetarische Nebel (PN) Messier 57 in den Sinn. Weniger bekannt dürfte sein, dass sich in diesem Sternbild noch weitere acht PN aufhalten. Einige davon sind mit Amateurmitteln visuell erreichbar. In diesem ersten Teil werden Ergebnisse der visuellen Beobachtung von vier erfolgreich aufgesuchten PN mitgeteilt, im zweiten Teil folgen die anderen, z. T. nicht erfolgreich beobachteten Nebel.
Das Sternbild Leier Der Himmel verfügt über 41.253 Quadratgrad (deg2), hiervon entfallen auf die Leier nur etwa 286,5 deg2, das Sternbild ist also recht kompakt (Platz 52 von 88). Die Große Bärin beispielsweise ist etwa viereinhalbfach so flächengroß (Platz 3). Durch die Nähe zur galaktischen Ebene ist die Sterndichte in der Leier aber vergleichsweise hoch. Somit ist eine Reihe von Planetarischen Nebeln zu erwarten - der geneigte Beobachter wird nicht enttäuscht. Insgesamt sind derzeit neun PN innerhalb der Grenzen des Sternbildes bekannt, sechs davon konnte ich visuell mit Instrumenten bis 25 Zoll Öffnung erfolgreich beobachten. Die Abbildung 1 zeigt die Positionen der Planetarischen Nebel, hierbei zeigen Quadrate die von mir positiv, Kreise die nicht erfolgreich beobachteten PN. Die Tabelle 1 (S. 105) listet die heute als gesichert geltenden PN in der Leier. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es weitere Objekte in der Leier gibt, welche einmal als PN galten, inzwischen aber einer anderen Objektkategorie zugewiesen werden. Dies sind die Objekte Kohoutek (K) 2-6, PreiteMartinez (PM) 1-292 und PM 1-294 (allesamt heute als Galaxien gelistet) sowie K 4-9 (M-Stern). Weitere, bislang noch nicht als PN bestätigte Objekte, sind LeDû 19 und Raffaeilli 1. Auch zwei protoplanetarische Nebel finden sich in der Leier, nämlich PM 1-300 und BD +37 3183.
Abell 46 George Abells Planetarische Nebel sind in Beobachterkreisen nicht nur berühmt, sondern auch berüchtigt. Oft handelt es sich um ausgedehnte und flächenlichtschwache Objekte, die hohe Anforderungen an die Transparenz des Himmels und die Aufmerksamkeit des Beobachters stellen. In dieser Liste muss man A 46 mit einer Winkelminute Ausdehnung fast schon als kompakt bezeichnen. A 46 wurde von Abell erstmals 1955 als Nummer 34 erwähnt [1], fand aber 1966 in der noch heute verwendeten Liste die endgültige Nummer 46 [2]. Die Parallaxe des recht gut auszumachenden Zentralsternes ist sehr genau mit GAIA vermessen worden, so dass die Distanz zu A 46 mit etwa 7.500 Lj bis 8.700 Lj sehr genau bekannt ist.
1 Planetarische Nebel in der
Leier, Karte erstellt mit Cartes du Ciel (Details s. Text)
Diesen Nebel konnte ich 2011 mit 18 Zoll Öffnung bei sehr guten Bedingungen in den Vorarlberger Alpen erhaschen (Abb. 2). Es zeigte sich bei indirektem Sehen ein mittelgroßes und schwaches, aber mit UHC- und [OIII]-Filter sicher erkennbares Scheibchen ohne Strukturen. Ohne Filter war der Zentralstern einfach sichtbar, mit Filter und 226-facher Vergrößerung erschien der Nebel etwas länglich. Insgesamt ist die Form jedoch schwer zu fassen gewesen, zeitweise hatte ich auch den Eindruck eines dreieckigen Nebels. Der beste Anblick bot sich mir bei 161-fach, aber auch mit 94-fach ist der Nebel als solcher schon erkennbar gewesen.
Kohoutek 3-27 Dieses Objekt wurde von Lubos Kohoutek
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Deep Sky
2 Zeichnung von A 46 mit 18-Zoll-Newton, 161-fach, Feld ca. 32'
3 Zeichnung von K 3-27 mit 18-Zoll-Newton, 226-fach, Feld ca. 14'
mit der 800 mm/1.200 mm-Schmidtkamera der Sternwarte Hamburg-Bergedorf entdeckt, 1965 erstmals veröffentlicht und in dieser Veröffentlichung auch gleich als PN klassifiziert [3].
Die mit GAIA ermittelte Parallaxe ist hier wenig aussagekräftig, erlaubt sie doch Distanzen zwischen gut 17.000 Lj und fast 53.000 Lj.
Visuell ist dieser PN ein hübsches Objekt. Eingebettet in einem Sternenmeer konnte ich dieses Objekt im September 2016 bei etwas dunstigen und eher unterdurchschnittlichen Bedingungen mit meinem 18-ZollTeleskop aus dem heimischen Westallgäu beobachten. Die enorme Sternenmenge macht es schwer, sich dem Objekt per Starhopping zu nähern. Ist es dann aber gefunden, offenbart sich ein kleiner runder Nebel, der eine gute Reaktion auf UHC- und [OIII]-Filter zeigt. Allerdings konnte ich weder Zentralstern noch Strukturen erkennen (Abb. 3).
Messier 57 Der Ringnebel ist das Paradeobjekt des Sternbildes Leier. Es lässt sich darüber streiten, ob M 57 oder der noch beeindruckendere Hantelnebel M 27 im Füchschen häufiger beobachtet wird. Im Gegensatz zum helleren Pendant lässt sich M 57 aber sehr einfach über zwei helle Sterne ( und Lyr) lokalisieren. M 57 wurde im Januar 1779 von Antoine Darquier entdeckt, als dieser den Kometen von 1779 mit einem 2,5-ZollRefraktor beobachtete [4].
Mit der von GAIA sehr genau bestimmten Parallaxe des Zentralsterns (1,27 +- 0,06 mas) lässt sich eine Entfernung von ca. 2.450 Lj bis knapp 2.700 Lj ableiten, während frühere Veröffentlichungen aufgrund theoretischer Überlegungen noch Distanzen von etwa 1.000 bis 2.000 Lj angaben (z. B. [5]).
Dieses Objekt wurde vom Autor zahllose Male visuell beobachtet und mit drei Instrumenten auch gezeichnet. Als einziger PN in der Leier lässt sich der Ringnebel sogar mit einem Fernglas als nichtstellares Objekt
ausmachen. Dies gelingt mit 16-facher Vergrößerung problemlos (Abb. 4). Das Objekt ist mit praktisch jeder teleskopischen Optik eine Augenweide. Ein elliptischer Rauchring hebt sich vor dunklem Hintergrund sehr scharf ab (Abb. 5). Das Innere des Nebels erscheint hierbei nicht so dunkel wie der Hintergrund und erschwert die Sichtung des Zentralsterns (ZS). Mit geeigneten Nebelfiltern verstärkt sich dieser Eindruck noch. Den deutlich schwächeren äußeren Halo konnte ich bislang nicht zweifelsfrei ausmachen, er ist aber bei besonders guten Bedingungen durchaus sichtbar und wurde auch schon mehrfach von anderen visuellen Beobachtern dokumentiert, beispielsweise in [6].
Immer wieder Raum für Diskussion bietet die Frage, ab welcher Öffnung der Zentralstern (ZS) denn sichtbar ist. Dieser weist eine Helligkeit von 15,3 mag auf. Während ich glaubhafte Beobachtungen mit 16 Zoll Öffnung kenne, konnte ich den ZS selbst mit meinem 18-Zoll-Dobson bei guten Bedingungen im Allgäu (Grenzgröße um
Journal für Astronomie Nr. 80 | 103
Deep Sky
4 Zeichnung von M 57 mit 16x70-Fernglas, Feld 4 Grad 5 Zeichnung von M 57 mit 16-Zoll-Newton, 780-fach, Feld ca. 2,5' 6 Zeichnung von M 1-64 mit 18-Zoll-Newton, 452-fach, Feld ca. 10'
Minkowski 1-64 Als einziger der PN in der Leier befindet sich M 1-64 innerhalb der aufgespannten Raute, welche das Sternbild Leier so prägnant ausmacht. Dieses Objekt wurde 1946 erstmals von Rudolph Minkowski auf von W. C. Miller belichteten Fotoplatten eines 10-ZollTeleskops als H-emittierendes Objekt erkannt. Mittels Fotos des 60-Zoll- und des 100-Zoll-Teleskops auf dem Mt. Wilson wurde das Objekt als PN identifiziert [7].
7 mag) nie erkennen. Einschränkend muss ich ergänzen, dass es mit meinen Augen nicht zum Besten bestellt ist. Mit 25 Zoll konnte ich den ZS bei mittelmäßigen Bedingungen (fst 6,3 mag) von der Eifel aus jedoch dauerhaft halten. Mit 32 Zoll von Arizona (Mt Lemmon Sky Center) aus war der ZS hell und auffällig und weitere Sterne im Nebel sichtbar. Neben der Öffnung scheinen sowohl die äußeren Bedingungen als auch die physische Verfassung des Beobachters eine große Rolle zu spielen. Die nicht notwendige manuelle Nachführung bei hoher Vergrößerung am Mt. Lemmon Sky Center dürfte sich zusätzlich positiv ausgewirkt haben.
Die mit GAIA ermittelte Parallaxe (DR3) lässt sich in einen Abstand zwischen etwa 3.100 Lj und 4.700 Lj übersetzen.
Im August 2012 konnte ich dieses Objekt nach längerer Suche bei guten Bedingungen im Westallgäu mit 18 Zoll beobachten und zeichnerisch festhalten (Abb. 6). Das Objekt zeichnet sich durch eine gute Reaktion auf [OIII] aus. Schon bei 94-facher Vergrößerung ist es flächig und erscheint bei hohen Vergrößerungen (450-fach) ohne Filter etwas länglich, mit Filter jedoch annähernd rund. Direkt nördlich des Nebels befindet sich ein schwacher Stern, der bei Einlegen des [OIII]-Filters verschwindet. Einen Zentralstern konnte ich nicht sichten.
104 | Journal für Astronomie Nr. 80
Tabelle 1
Deep Sky
Daten der PN des Sternbildes Leier (sofern bekannt)
Name
Bez. in
PK
Abb. 1
Abell 46
A 46 055+16.1
ETHOS 1
ETHOS 1
Kohoutek 3-27 K 3-27 061+08.1
Kronberger 61 Kn 61
M 57
M 57 063+13.1
Minkowski 1-64 M 1-64 064+15.1
NGC 6765
NGC 6765 062+09.1
Stephenson 4-1 St 4-1 068+14.1
Strigl 1-2
Si 1-2 058+09.1
PN G
Galakt. Galakt. Rektasz. Länge l / Grad Breite b / Grad h min s
Dekl. Hell. Nebel Göße Nebel Hell ZS
/mag
/arcsec /mag
055.4+16.0 55,4134 16,0321 18 31 18 26 Grad 56` 13,8
65 x 57 15,1
068.1+11.0 68,0977 10,9864 19 16 32 36 Grad 09`
19 (Jet 63)
061.0+08.0 61,0943 08,0706 19 14 30 28 Grad 40` 14,1
16
17,2
70,5240 11,0068 19 21 39 38 Grad 18`
90
18,2
063.1+13.9 63,1701 13,9782 18 53 35 33 Grad 01` 8,8
86 x 63 15,3
064.9+15.5 64,9804 15,5201 18 50 02 35 Grad 14` 12,9
17
062.4+09.5 62,4574 09,5574 19 11 06 30 Grad 32` 13,1
41 x 15 16,0
068.7+14.8 68,7857 14,8043 19 00 27 3 8 Grad 21` 13,7
2
058.9+09.0 58,9400 09,0828 19 06 07 2 7 Grad 12`
72
Literaturhinweise: [1] G. Abell, 1955: "Globular Clusters and Planetary Nebulae discovered on the National Geographic Society - Palomar Observatory Sky Survey", Publ. Astron. Soc. Pac. 67, p. 258ff [2] G. Abell, 1966: "Properties of Some Old Planetary Nebulae". Astrophys. J. 144, p. 259ff [3] L. Kohoutek, 1965: "Hamburg Schmidt-Camera Survey of faint Planetary Nebulae", Bull. Astron. Inst. Czech. Vol. 16, No. 4 [4] K. Wallace, 2017: "Visual Observations of Planetary Nebulae", Webb Deep Sky Society [5] S. Kwok, 2001: "Cosmic Butterflies", Cambridge Univ. Press [6] D. Restemeier, U. Glahn, Internetpräsenz: www.pn-visuell.de (abgerufen 29.05.2021) [7] R. Minkowski, 1946: "New Emission Nebulae", Publ. Astron. Soc. Pac. 58, p. 305ff
Deep-Sky-Beobachtungen in Chile
von Mathias Sawo
Im Januar 2020 reiste ich nach Chile zum Daniel Verschatse Observatory. Mitten in den Anden hatte ich perfekte Bedingungen, besonders das Seeing war meist sehr gut. Von den 14 Nächten waren 11 klar, die ich mit einem angemieteten 12,5-Zoll-Dobson für Beobachtungen nutzen konnte. Neben vielen Südhimmelobjekten gelangen auch einige Objekte vom Nordhimmel, die deutlich höher am Himmel standen als vom heimischen Platz aus. Einige dieser Ergebnisse möchte ich hier anhand von Beschreibungen und Zeichnungen vorstellen.
NGC 1977 (12,5 Zoll) Dieser Komplex aus Reflexionsnebeln in der Nähe von M 42 im Orion konnte mich schon beim ersten Blick begeistern. Mit 90-fach waren sofort vier strukturiert und geschwungene Nebel recht einfach zu sehen. Durch die hellen Sterne in Verbindung mit den scharfen Nebelkanten bzw.
1 NGC 1977, Zeichnung von Mathias Sawo
Journal für Astronomie Nr. 80 | 105
Deep Sky
2 NGC 3242, Zeichnung von Mathias Sawo
3 SNGC 1365, Zeichnung von Mathias Sawo
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dunklen Einbuchtungen wirkte das Objekt fast plastisch. Mit etwas Fantasie erkannte ich auch den Hürdenläufer, dieser Nebel wird deswegen auch ,,Running Man Nebula" genannt.
NGC 3242 (12,5 Zoll) In derselben Nacht beobachtete ich diesen Planetarischen Nebel im Sternbild Wasserschlange, der auch Jupiters Geist genannt wird. Ich nutzte mein 2,5-mm-Okular, was das Objekt auf 600-fach vergrößerte. Durch das sehr gute Seeing klappte mir beim ersten Anblick vor Verblüffung die Kinnlade herunter. Der innere Ring, der recht scharf abgebildet war, zeigte drei Knoten/Aufhellungen. Zu beiden Seiten verliefen Kappen, wovon die südöstliche asymmetrisch wirkte. Auch im äußeren Halo konnte ich einiges erkennen und er war in einigen Bereichen zum Rand hin heller. Wirklich Wahnsinn war, dass all diese Details ohne Probleme und gut sichtbar waren. Selbstverständlich war der Zentralstern ebenfalls einfach und ständig direkt zu sehen.
NGC 1365 (12,5 Zoll) Für Galaxienbeobachtung hatte ich exzellente Bedingungen, was einmal an der höheren Lage und der damit verbundenen trockenen Luft sowie der sehr geringen Lichtverschmutzung lag. Ein besonders schönes Exemplar war diese Spiralgalaxie im Sternbild Fornax. Sie hat die markantesten Spiralarme am ganzen Himmel. Ich sah ich sofort die zwei Z-förmig angeordneten Arme und bei genauem Blick auch hellere Bereiche in den Armen. Besonders interessant wirkte das helle Zentrum, das indirekt besehen durch eine dunkle Einbuchtung geteilt war.
NGC 1097 (12,5 Zoll) Ganz in der Nähe und im gleichen Sternbild war diese weitere große Galaxie zu sehen. Zunächst sah ich einen hellen Balken mit einem strahlenden Zentrum. Die zwei Spiralarme waren zwar nicht ganz so einfach zu erfassen wie bei NGC 1365, aber mit indirektem Blick noch gut wahrnehmbar. Die Begleitgalaxie NGC 1097A sah ich hingegen sofort.
M 46 (12,5 Zoll) Während meines Aufenthaltes hatte ich mir auch einige Sternhaufen vorgenommen, darunter M 46, ein sehr schönes und sternreiches Exemplar. Der im Sternbild Puppis ge-
Deep Sky
legene Haufen steigt hierzulande nur auf 15 bzw. 25 Grad über den Horizont. In Chile hingegen bis auf 75 Grad, was einem sehr viel mehr Zeit verschafft, sich genauer damit zu beschäftigen. M 46 hatte ich mir schon in den ersten Nächten staunend angeschaut und war wegen der sehr vielen Sterne aber auch abgeschreckt, ihn zu zeichnen. Ich nahm dann doch allen Mut zusammen und versuchte, die mehr als 350 Sterne möglichst akkurat aufs Papier zu bringen. Dafür gönnte ich mir recht viel Zeit, nämlich eine komplette chilenische Sommernacht (ca. 6 Stunden). Ich nutzte mein 26-mm-Okular, also bei 61-facher Vergrößerung, womit der Sternhaufen in seiner Umgebung noch sehr gut ins Gesichtsfeld passte, um alle Sterne, die direkt sichtbar waren, übertragen zu können. Das kleine Juwel NGC 2438 am nördlichen Rand des Haufens war ohne Filter deutlich zu erkennen und dies auch schon klar als Ring, was mich überrascht hat. Zusammen mit dem reichen Sternhaufen ein sehr spektakulärer Anblick.
NGC 2438 (12,5 Zoll) Natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, den PN in M 46 auch mit 600-facher Vergrößerung zu betrachten, was durchaus gewinnbringend war. Dann konnte ich sehen, dass der Ring nicht perfekt rund war und nordöstlich sowie südwestlich etwas heller erschien. Deutlich schwächer wirkte die nordwestliche Hälfte des Ringes. Interessant waren die im Nebel enthalten Sterne. Während der Zentralstern recht deutlich sichtbar war, sah ich noch einen zweiten schwächeren Stern innerhalb des Ringes. Am südöstlichen Rand des Ringes erschien mit indirektem Blick ein dritter sehr schwacher Stern, recht schwer zu halten und nur zu entdecken, wenn man weiß, wo man hinschauen soll.
4 NGC 1097, Zeichnung von Mathias Sawo
Gruppe um NGC 2074 (12,5 Zoll) Wie bei jeder Reise zum Südhimmel nahm ich mir auch einige Objekte in der Großen Magellanschen Wolke vor. In Chile und um diese Jahreszeit steigt die Zwerggalaxie deutlich höher als bei meinen bisherigen Beobachtungen im Juni in Namibia, was bei den Objekten zu mehr Detailreichtum führte. Ausgesucht hatte ich mir u. a. die Objektgruppe um NGC 2074, direkt in unmittelbarer Nähe zum Tarantelnebel. Dort versammeln sich Sternhaufen und Nebel auf engsten Raum, um die 10 Objekte im gleichen Gesichtsfeld konnte ich erkennen. Besonders gefallen hat mir die Gruppe um NGC 2079, die wie der Abdruck einer Bärentatze wirkte.
5 M 46, Zeichnung von Mathias Sawo
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Deep Sky
6 NGC 2438, Zeichnung von Mathias Sawo
NGC 2359 (12,5 Zoll) Der Anblick dieses Galaktischen Nebels im Sternbild Großer Hund war überwältigend und unbeschreiblich. NGC 2359 wurde das letzte Objekt, welches ich mir in meinem Chile-Urlaub zum Zeichnen ausgesucht hatte. Erst in der letzten Nacht hatte ich mich an die Skizze gewagt. Die Details mit 12,5 Zoll und einem [OIII]-Filter waren erstaunlich gut sichtbar, meist mit direktem Blick. Das Objekt profitierte enorm von dem höheren Stand (um die 70 Grad) und einem perfekten Himmel. Erstaunlich gut zu sehen waren Details der Blase wie z. B der unterschiedlich helle Rand auf der westlichen Seite. Auch die vier schwachen Arme waren in ihrer Form und Ausdehnung gut zu verfolgen. Nur Details innerhalb der Blase waren recht schwer zu erkennen, zumindest bei 92-facher Vergrößerung. Damit war indirekt immer wieder eine längliche Aufhellung auf der nördlichen Seite wahrnehmbar.
7 NGC-2074-Gruppe, Zeichnung von Mathias Sawo
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8 NGC 2359, Zeichnung von Mathias Sawo
Geschichte
Betrachtungen zur Himmelstafel von Tal-Qadi
von Markus Bautsch
Im März 2020 besuchte ich wieder einmal den Sternenpark Westhavelland, um bei Neumond den abendlichen wolkenlosen Nachthimmel zur Tagundnachtgleiche zu bestaunen. Die untergehende Venus stand noch so gleißend über dem westlichen Horizont, dass ihr Licht sogar sichtbare Schatten warf. Sie befand sich nur wenige Tage vor der Passage der Plejaden (dem Siebengestirn) im Sternbild Stier (Taurus). Der Anblick des Goldenen Tors der Ekliptik, in dem die Ekliptiklinie die gedachte Verbindungslinie zwischen dem Kopf des Stieres und den Plejaden kreuzt, war sehr beeindruckend.
In den darauffolgenden Tagen recherchierte ich ein wenig im Internet über die Plejaden. Dabei fand ich zufällig zwei Beiträge des deutschen Archäologen Peter Kurzmann über ,,Die neolithische Sternkarte von TalQadi auf Malta" [1, 2], von der ich schon 1989 bei meinem Besuch der Insel in einem Reiseführer gelesen hatte, dass es sich um die älteste bekannte Darstellung des Sternenhimmels handeln soll. Leider hatte ich damals keine Gelegenheit, sie im Museum in Valletta anzuschauen, und war nun recht erstaunt darüber, dass es im Internet von diesem archäoastronomischen Artefakt kaum brauchbare Bilder oder überhaupt Veröffentlichungen darüber gab.
Kurzmann stellte in seiner Veröffentlichung fest, dass die Darstellung in einem der fünf Winkelsegmente der Kalksteintafel große Ähnlichkeit mit der Darstellung der Plejaden hatte, die er zuvor auf einem keltischen Schwert aus der Eisenzeit untersucht hatte [3]. Ferner erkannte er in einem weiteren Winkelsegment den Kopf des Stieres aus dem Sternbild Stier (Taurus) mit den beiden Hörnern wieder. Die Darstellung eines Bogens im mittleren Winkelsegment identifizierte er mit der konkaven Front des Tempels Tal-Qadi, zu der die Steintafel aus-
1 Himmelstafel von Tal-Qadi im National Museum of Archaeology, Valletta, Malta.
Bild: Matthew Axiak, 27.08.2020, Wikimedia Commons, Stone from Tal-Qadi Temple, National Museum of Archaeology
gerichtet worden sein könnte. Er erwähnt in seiner ersten Veröffentlichung auch, dass er vergeblich die Zusammenarbeit mit Astronomen gesucht hatte, um seine Entdeckung aus archäoastronomischer Sicht zu beleuchten [1].
Mir fiel in diesem Kontext sofort auf, dass nach dieser Hypothese die drei mittleren Segmente der Himmelstafel genau dem Goldenen Tor der Ekliptik entsprechen, also der Stelle im Sternbild Stier mit und zwischen den beiden offenen Sternhaufen der Hyaden und der Plejaden. Alle sieben Wandelgestirne, die unseren Wochentagen ihre Namen gegeben haben, also Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn passieren im Laufe der Zeiten regelmäßig dieses Tor. Ferner war bemerkenswert, dass sich im Neolithikum vor 4.500 Jahren der Frühlingspunkt dort befunden hatte. Das
2 Markus Bautsch mit maßstäblicher
Buchenholzreplik der Himmelstafel von Tal-Qadi. Bild: Anselm Bautsch, 22.05.2020
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Geschichte
3 Die hellsten Sterne nördlich und südlich der Ekliptik bilden in Richtung der Plejaden
eine Art Trichter (orangefarben), durch den alle Wandelgestirne in das Goldene Tor der Ekliptik (links) eintreten. Bild: Markus Bautsch, 22.12.2020, Wikimedia Commons
Nach einigen Versuchen ergab sich recht zwanglos, dass die Himmelstafel anhand der auffälligsten Sterne der Himmelsregion leicht und zuverlässig so vor die Augen gehalten werden kann, dass sich die Plejaden hinter ihrer Darstellung auf der Steintafel befinden, der helle Rote Riese Aldebaran ( Tauri) an der Einkerbung des halblinken Winkelsegments und der hintere Fuß des Sternbilds Perseus (bei den alten Babyloniern hieß diese Konstellation SU.GI, übersetzt ,,Alter Mann") mit den beiden Sternen und Persei an der Oberkante des halbrechten Plejaden-Segments. Gleichzeitig lag der westlichste Stern des Sternbilds Stier Tauri genau an der Spitze der Tafel, wo die vier Trennlinien der Winkelsegmente
alles machte mich neugierig, und ich fragte mich, was die Neolithiker mit dieser Steintafel angefangen haben könnten.
Nach einigen Experimenten am Computerbildschirm stellte ich fest, dass die lange gerade Kante der Himmelstafel beim Einpassen in den Sternenhimmel mittig und senkrecht zur Ekliptik steht und somit zur Bestimmung der Lage der Ekliptiklinie und sogar zur Messung der ekliptikalen Breite des Mondes eingesetzt werden kann. Der Ekliptikbogen beschreibt von der Erde aus gesehen die Sonnenbahn in Bezug auf den Fixsternhimmel, entlang dem die ekliptikale Länge - üblicherweise vom Frühlingspunkt aus - gemessen werden kann. Die Lage der Wandergestirne kann um bis zu sieben Bogengrad nach Süden oder nach Norden von dieser Linie abweichen. Durch all diese Befunde ermutigt, stellte ich anhand der dürftigen verfügbaren Abbildungen der Himmelstafel eine maßstäbliche Replik aus Buchenholz her, um diese nach der Wiederkunft der Plejaden am Nachthimmel im Sommer in der Praxis auszuprobieren.
4 Mögliche Zuordnung der hellsten Himmelsobjekte zu den im Bereich der eingepassten
Himmelstafel von Tal-Qadi dargestellten Sterne. Bild: Markus Bautsch, 13.07.2020 Wikimedia Commons
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5 Astrofotografie der Himmelsregion um das Goldene Tor der Ekliptik mit Vollmond in der Nacht vom 28. auf den 29.11.2020 mit eingepasster
Himmelstafel von Tal-Qadi und der Ekliptik als rot gepunktete Linie. Bild: Markus Bautsch, 28.11.2020, Wikimedia Commons
6 Astrofotografie der Himmelsregion mit den beduinischen Sternbildern ,,Hände der Thuraya" und ,,Lamm" (grüne durchgezogene Linien).
Der Vollmond befand sich in der Nacht vom 28. auf den 29.11.2020 drei Bogengrad südlich der Ekliptik (rot gepunktete Linie). Bild: Markus Bautsch, 28.11.2020, Wikimedia Commons
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Geschichte
7 In den Sternenhimmel eingepasste Himmelstafel von Tal-Qadi mit Lage der Ekliptik.
Bild: Markus Bautsch, 29.12.2020
und die beiden benachbarten Außenkanten zusammenlaufen. Die Sterne Botein ( Arietis) und Bharani (41 Arietis) im Sternbild Widder (Aries) lagen in der Mitte beziehungsweise am anderen Ende der langen geraden Kante der Tafel.
Die Darstellungen im rechten Winkelsegment passen geometrisch betrachtet gut zu den hellsten Sternen nördlich der Ekliptik, namentlich Mirfak ( Persei) und Algol ( Persei) im Sternbild Perseus, dem östlichsten Stern im Sternbild Andromeda Alamak ( Andromedae) sowie den vier hellsten Sternen des Sternbilds Kassiopeia Schedir ( Cassiopeiae), Caph ( Cassiopeiae), Tsih ( Cassiopeiae) und Ruchbah ( Cassiopeiae). Diese Sterne hatten in Bezug auf geplante Beobachtungen im Goldenen Tor der Ekliptik auf Malta vor 4.500 Jahren eine besondere Bedeutung, da sie am östlichen Himmel vor den Plejaden, den darauffolgenden Hyaden und Aldebaran (arabisch ,,al Dabaran", übersetzt ,,der Nachfolgende") und schließlich dem Sternbild Orion aufgingen.
Die Darstellungen im linken Winkelsegment passen wiederum gut zu den Sternen aus dem Sternbild Orion, namentlich zum sehr auffälligen Roten Überriesen Beteigeuze ( Orionis), zu Bellatrix ( Orionis), zu den drei Gürtelsternen Alnitak ( Orionis), Alnilam ( Orionis) und Mintaka ( Orionis) sowie den sechs Sternen seines Schildes ( Orionis). Im mittleren der fünf Winkelsegmente befindet sich keine sternartige Darstellung, sondern ein D-förmiges Symbol, das zwischen den Hyaden und den Plejaden mitten im Goldenen Tor der Ekliptik liegt. Von der Erdoberfläche aus gesehen hat die Ekliptiklinie in Bezug auf den geraden Horizont immer die Form eines Bogens. Bei der oben beschriebenen Ausrichtung der Himmelstafel kreuzt die Ekliptiklinie dieses in der Mitte der Tafel befindliche D-förmige Symbol. Da der Bogen der Ekliptik über dem geraden Horizont D-förmig dargestellt werden kann, liegt die Vermutung nahe, dass diese Figur ein Symbol für die Ekliptik ist, die mit der Himmelstafel beobachtet werden kann.
Im Laufe der Monate konnte ich in der beschriebenen Konstellation einige astronomische Aufnahmen der Planeten Venus und Mars sowie insbesondere des Vollmondes machen, die belegen, wie die Himmelstafel zu allen Zeiten ohne weitere Hilfsmittel zur groben Bestimmung der jeweils gegebenen ekliptikalen Breite eingesetzt werden konnte. Eine langjährige Beobachtung des Mondes führt zum 19-jährigen Meton-Zyklus. Nach dieser Periodendauer (knapp 6940 Tage) hat nicht nur die Sonne dieselbe ekliptikale Länge erreicht, sondern auch der Mond (254 siderische Monate), und er hat zu diesem Zeitpunkt daher auch das gleiche Mondalter (235 synodische Monate). Da der Mond dann zudem auch noch annährend die gleiche ekliptikale Breite (255 drakonitische Monate) hat, steht er also alle 19 Jahre fast an derselben Stelle des Fixsternhimmels.
Die langfristige Beobachtung der ekliptikalen Breiten des Mondes erlaubt Rückschlüsse auf die Zeitpunkte des Auftretens von Finsternissen. Die phasenweise im 18,6-jährigen drakonitischen Mondzyklus auftretenden Bedeckungen der Plejaden nördlich der Ekliptik beziehungsweise der Hyaden und des Roten Riesen Aldebaran südlich der Ekliptik lassen sich durch eine solche Messung mit der Himmelstafel kurzfristig voraussagen. Im arabischen astronomischen System ,,Manazil al-Qamar" liegen die Mitte der langen Messkante der Himmelstafel im 2. Mondhaus ,,Botein", die Plejaden im 3. Mondhaus ,,Thurayya" (arabisch für die ,,Plejaden") und Aldebaran im gleichnamigen 4. Mondhaus. Nach der Passage des Mondes an der langen Kante der Himmelstafel können bei entsprechender ekliptikaler Breite die Plejaden einen Tag später und die Hyaden sowie Aldebaran zwei Tage später durch die Mondscheibe bedeckt werden.
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Andere Untersuchungen zu den archäologischen Funden in den Tempelanlagen Maltas fanden ebenfalls Indizien dafür, dass sich die neolithischen Bewohner Malta während der Tarxien-Phase der Insel mit der Beobachtung des Mondes und der Erstellung von Mondkalendern auseinandergesetzt haben [4, 5, 6]. Es erscheint allgemein aussichtsreich, in dieser Richtung weitergehende Nachforschungen anzustellen.
Für weitere Schlussfolgerungen wären archäologische Untersuchungen zur Provenienz der Steintafel und detailgenaue Abbildungen der Oberflächen der Himmelstafel von Tal-Qadi hilfreich. Es steht zu hoffen, dass diese der Gemeinschaft der Forschenden bald frei zugänglich zur Verfügung gestellt werden können.
Literatur- und Internethinweise (Stand 26.8.2021): [1] P. Kurzmann, 2014: ,,Die neolithische Sternkarte von Tal-Qadi auf
Malta", www.archaeologie-online.de/artikel/2014/ die-neolithische-sternkarte-von-tal-qadi-auf-malta/ [2] P. Kurzmann, 2016: ,,Weitere Untersuchungen zur neolithischen Sternkarte von Tal-Qadi auf Malta", www.archaeologie-online.de/ artikel/2016/weitere-untersuchungen-zur-neolithischen-sternkartevon-tal-qadi-malta/ [3] P. Kurzmann, 2014: ,,Die Plejaden in Gold auf einem keltischen Schwert", www.archaeologie-online.de/artikel/2014/plejaden-aufeinem-keltischen-schwert/ [4] C. Micallef, 2001: ,,The Tal-Qadi Stone: A Moon Calendar or Star Map", The Oracle, Issue 2, pp. 36-44 [5] F. Ventura, M. Hoskin, 2014: ,,Temples of Malta", in: C. Ruggles (Hrsg.), ,,Handbook of Archaeoastronomy and Ethnoastronomy", Springer, New York, ISBN 978-1-4614-6140-1 [6] T. Lomsdalen, 2015: ,,Can Archaeoastronomy Inform Archaeology on the Building Chronology of the Mnajdra Neolithic Temple in Malta?", in: F. Silva, N. Campion (Hrsg.), ,,Skyscapes: the role and importance of the sky in archaeology", Oxbow Books, Oxford, ISBN 978-1-78297-840-4
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Geschichte
Messung der tiefen Sonnen- und Mondwenden
- eine Machbarkeitsstudie der Archäoastronomie mitten in Berlin
von Hartmut Kaschub
1 Aus Südwesten - Stonehenge,
wie es heute zu sehen ist
Warum beobachten wir Schattenwürfe? Lange vor schriftlichen Aufzeichnungen von Beobachtungen haben Menschen spätestens in der Steinzeit (vor ca. 7.000 Jahren) und vielleicht sogar ihre Vorfahren, die 10.000 Jahre früher in Höhlen lebten, den Himmel beobachtet. Die durch Jahreszeiten und Phasenwechsel auffälligen Läufe von Sonne und Mond waren gewiss das erste, das sie ausführlich studiert und vermessen haben. Immer wieder liest man populärwissenschaftlich, dass Steinkreise wie in Boitin oder Megalith-Zirkel wie Stonehenge möglicherweise zu solchen Kalenderrechnungszwecken benutzt worden sein können. Spekulativere Thesen wie der Manifestation von astronomischem Wissen in den bronzezeitlichen Goldhüten und anderen Grabbeigaben wie Becher, Dolchen und Schmuck machen die Runde (Abb. 1). Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Astronomiegeschichte am Planetarium am Insulaner Berlin beschäftige ich mich schon seit Jahren mit einfachsten Beobachtungen des Jahreslaufes von Sonne und Mond anhand der Skyline von Berlin. Da sie vielleicht als Machbarkeitsstudie für archäoastronomische Anwendungen genutzt werden können, möchte ich sie hiermit vorstellen. Ich präsentiere hier Ergebnisse meiner siebenjährigen Beobachtung von Schattenwürfen des Mondes und der Sonne.
Veränderung der Auf- und Untergangspunkte von Sonne und Mond Im Jahreslauf verschieben sich die Aufund Untergangspunkte der Sonne, wie in der Abbildung 2 gezeigt. Die Mondbahn ist um etwa 5 Grad gegenüber der scheinbaren Sonnenbahn (Ekliptik) geneigt. Im Sommer hat die Sonne einen hohen Tagbogen, während der andere Halbkreis der Ekliptik nachts nur flach über den Horizont gelangt - und der Mond pendelt darum herum, steht mal bis zu 5 Grad tiefer, mal bis zu 5 Grad höher als die Ekliptik.
Im Winter ist es genau andersherum (Tagbogen der Sonne flach, also Vollmondhöhe sehr hoch). Die Halbmonde und Mondsicheln stehen der Sonne nicht genau gegenüber (wie der Vollmond), so dass sie alle möglichen Winkel zwischen dem tiefstmöglichen und dem höchstmöglichen Punkt einnehmen.
Die tiefe Mondwende wird durchlaufen, wenn der Vollmond die kleinstmögliche aller Mondbahnen läuft (was nur im Sommersolstitium möglich ist); die Große Mondwende, wenn er den höchstmöglichen aller Mondpfade nimmt (nur im Wintersolstitium möglich). Das geschieht jeweils ca. alle 19 Jahre gemäß dem so genannten Meton-Zyklus.
Messung der tiefen Sonnenund Mondwenden Sonnen- und Mondstände kann man entweder am Horizont ablesen oder durch Messung des Höchststandes des jeweiligen Gestirns. Schattengeber kann ein Hochhaus sein, der Gnomon einer Sonnenuhr, ein Obelisk - wichtig ist nur, dass es immer dasselbe Objekt ist, das übers Jahr nicht bewegt wird. Hier wurde ein stillgelegter Kran auf der Berliner Halbinsel Stralau (Stadtbezirk Friedrichshain) verwendet. An seinem Sockel ist genug Platz für Messtafeln und Installationen (vgl. Abb. 3).
Die Fotos zeigen den Versuchsaufbau am ,,Blauen Kran" bei Sonnenschein, aber auch der Mond lässt den Kran einen Schatten werfen. Mondbeobachtungen sind knifflig: Bei Vollmond und klarem Wetter ist eine sehr gute Bewertung des Schattenwurfs möglich, aber die leichteste Trübung der Atmosphäre senkt die Genauigkeit. Der Schattenwurf des Mondes ist blasser. Wird er durch leichte Wolkenschleier verwaschen und nicht mehr so kontrastreich, fällt das Ablesen schwer. Der Sonnenschatten ist nicht ganz so empfindlich für Durchsicht und Seeing.
Die Beobachtung des Vollmonds über das Jahr lässt auf die Jahreszeiten schließen: Tief stehende Vollmonde gibt es nur im
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Geschichte
2 Sonne und Mondextreme für Berlin, hervorgehoben ist der Meridiandurchgang.
SSW - Sommersonnenwende, WSW - Wintersonnenwende, TNG - Tagundnachtgleiche
Sommer, hohe Vollmonde nur im Winter. Vollmonde um die Tagundnachtgleichen (TNG) liegen in der Nähe des Himmelsäquators (Abb. 4).
Zur Vergleichbarkeit der Messungen muss stets am exakt gleichen Standort beobachtet werden. Die Menschen in früheren Zeiten orientierten sich an Landmarken, um den Standpunkt genau festzulegen. Mein Messaufbau ist fixiert auf +- 2 Grad Süd. Eine Beobachtung direkt nach Süden, also zur Kulminationszeit (mit Toleranz +- 5 min) hat sich als robust erwiesen, denn in der Kulmination ist die zeitliche Höhenveränderung von Sonne und Mond am geringsten. Bei den Messungen haben sich Abstände des Schattengebers von der Projektionsfläche von ca. 30-80 cm als völlig ausreichend herausgestellt. Mit größerem Abstand erhöht sich die Messgenauigkeit nicht, sondern der Schattenwurf wird (durch Vergrößerung des Halbschattens auf Kosten des Kernschattens) diffuser und kontrastärmer. Die-
3 Messfeld Kran mit Stabdolch und
Mastmessungen im Frühjahr 2020
Journal für Astronomie Nr. 80 | 115
Geschichte
4 Welche Mondgestalt ist im Laufe eines
Jahres mit der tiefen Mondwende verbunden?
5 Beobachtungspunkt Oberbaumbrücke, Mondwende 2017 und Mondwende 2018
6 Mastmessungen im Aug./Sep. 2016 und Ergebnisse mit Stellariumvergleich
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ses Phänomen entsteht auch bei Sonnenuhren.
Mit diesen Grundeinstellungen beobachte ich seit einigen Jahren Sonne und Mond. Zahlreiche Fotos werden auf Facebook gepostet und in den Arbeitsgruppen ,,Mondbeobachter" und ,,Astronomiegeschichte" am Planetarium am Insulaner vorgestellt (Abb. 5).
Sonne und Mond sind keine Punktlichtquellen, sondern haben eine Ausdehnung von etwa 31 Bogenminuten. Dadurch entstehen neben dem Kernschatten eines schlanken Mastes auch Halbschattenbereiche, die die Messung erschweren. Das obere Ende des Kernschattens wird durch die Sonnenoberkante bestimmt. Daher vergleiche ich den Wert der Sonnenoberkante aus Stellarium mit dem gemessenen Wert. Mit Stellarium bestimmen wir die Sonnenhöhe am Beobachtungstag und berechnen die Länge des Schattens, die wir erwarten. Beispielrechnung für den 12.09.2016 (s. Tabelle in Abb. 6):
Sonnenoberkante bei Kulmination
Masthöhe h = Schattenlänge l =
= 41,43 Grad
203,8 cm h / tan = 230,9 cm
Dieser berechnete Wert von 230,9 cm Schattenlänge wird mit dem gemessenen Wert verglichen (229,3 cm) und wir erhalten eine Abweichung von 1,6 cm bzw. 0,7%. Für alle anderen Messungen gilt das ähnlich, d. h. man kann sagen, dass die Bestimmung der Mond- und Sonnenhöhen einen Fehler von weniger als 1% aufweist (Abb. 7).
Als weiteres Beobachtungsergebnis kann ich festhalten, dass der Schattenwurf immer gleich bewertet wird, der Einfluss der Halbschatten-Ungenauigkeit ist gering: Trotz der objektiv großen Ungenauigkeit durch
Geschichte
7 Mini-Stabdolch, 10 cm, Messung bis 45 Grad waagerecht / ab 45 Grad senkrecht
den verwaschenen Schatten schätzt der unbedarfte Beobachter ,,irgendwie" immer an der gleichen Stelle die Schattenkante. Die freiäugige Beobachtung führt also für den einzelnen Beobachter stets zum gleichen Ergebnis, d. h. Ablesefehler sind klein und unterhalb der Wahrnehmungsgrenze.
Tiefe Mondwenden 2014 - 2021 Der Erdtrabant ist durch seine Nähe zur Erde das schnellste Objekt am Himmel mit den größten Deklinationsänderungen von Nacht zu Nacht. Dieser Fakt ist unseren Vorfahren sicher schon aufgefallen. Wenn
man diese Mondbeobachtung noch mit den tiefen Wenden des Mondes kombiniert, wird die Orientierung über das Jahr erheblich genauer. Ein passendes Beispiel ist der Juni-Vollmond, er steht zeitlich immer in der Nähe der tiefen Mondwende (Abb. 8). An diesen Tagen erreicht die Sonne ihren Höchststand des Jahres. Eine taggenaue derartige Konstellation konnte am 20. Juni 2016 beobachtet werden. Im Jahr 2017 stand der Junivollmond 11 Tage eher am Nachthimmel. So läuft der Vollmondtermin permanent durch unseren Kalender.
Im Juni 2017 wurde erstmals eine Kamera auf dem stillgelegten Blauen Kran installiert. Die Synchronisierung der Digitalaufnahmen wird über ein zeitnahes Bild der Internetzeit erreicht, da jede Kamera einen gewissen Zeitunterschied aufweist. Diese Differenz muss ausgeglichen werden.
Die Abbildung 9 wurde nach Auswertung der Bilder dieser Digitalkamera gewonnen: Eingezeichnet ist die Bahn der Wintersonnenwende über dem Horizontprofil des Treptower Parks und die Bahnen des Mondes vom 7.6. bis 14.6.2017; deutlich
8 Links: Projektionsfläche, 167 cm entfernt vom Schattengeber, Juni 2016 mit
Schattenwurfbahnen des Mondes
9 Oben: Videoaufzeichnung vom Kran im Juni 2017, die Höhen des Mondes
wurden am Monitor nachgezeichnet
Journal für Astronomie Nr. 80 | 117
Geschichte
1 0 Saison 2021, die 3 Nächte vor
und nach der Wende des Mondes sind hervorgehoben, deshalb im Winkel dargestellt.
ist ein Umkehrpunkt in der Mondrichtung erkennbar. Zudem fällt auf, dass die tiefe Mondwende im Jahr 2017 deutlich oberhalb der Bahn der Wintersonnenwende liegt, also nicht die tiefstmögliche aller tiefen Mondwenden (Juni-Vollmondbahnen) ist.
In der Abbildung 10 sind die Zeiten der tiefen Wenden (27,5 Tage) in der Senkrechten dargestellt. Die quer durchs Bild laufende Vollmondzeit (29,5 Tage) hat ihre Ursache in der Bewegung der Erde um die Sonne, wir bewegen uns weiter um die Sonne, und der Zeitpunkt gleicher Mondgestalt erscheint für uns auf der Erde verspätet. Aus dem Bild ist zu ersehen, dass die Juliwende 2021 fast mit dem Vollmond zusammentrifft. Diese tiefste Mondwende war mit hoher Wahrscheinlichkeit für vorschriftliche Kulturen bereits eine interessante Kalendermarke.
Beobachtung von Sonnen- und Mondlauf mit Webcams Ursprünglich durch die Häufigkeit von schlechtem Wetter in Berlin motiviert, habe ich nach Webcams gesucht. Mit Foto-Webcams an anderen Orten, deren Aufnahmen man im Internet findet, und zwar ohne vor
Ort zu sein. Das Netzwerk www.fotowebcam.eu von hoch aufgelösten Webcam-Bildern (Canon 1200) kann für Beobachtungen genutzt werden, um Schlechtwetterperioden in Berlin zu überbrücken. Die Bilder der Kamera können mit der Höhe der Wintersonnenwende als Referenzpunkt kalibriert werden. In der Praxis verwende ich dafür eine Folie, die auf dem Monitor des PCs befestigt wird, so kann der Pfad der Sonnenhöhe nachgezeichnet werden. Ein halbes Jahr später wird die Bahn des tiefen Mondes mit der Höhe der Wintersonnenwende verglichen. Zur Kleinen Mondwende Süd (KMWS) im Jahr 2015 stand der Mond 10 Sonnendurchmesser über der Bahn der Wintersonnenwende.
2017 blieb die Mondwende gut 6 Sonnendurchmesser über der Wintersonnenwende. Im Jahr 2019 erreichte die Mondwende fast die Höhe der Wintersonnenwende. Die installierten Kameras sind fest justiert, alle 10 Minuten liefern diese Foto-Webcams ein Bild. Diese Bilder werden gespeichert und können von jedermann eingesehen werden (Abb. 11). Bewährt haben sich für diese Zwecke unter anderen die Webkameras von Wien, Gardasee Torbole und Gahlkow Süd. Seit 2018 gibt es eine tolle Installation am Vierwaldstättersee/Brunnen. Diese Kamera liefert einen fantastischen Panoramablick, fast exakt nach Süden. Noch dazu wird die Wintersonnenwende streifend vom Hausberg verdeckt. Das ist eine ideale
1 1 Webcam Gahlkow (Mai 2021) im Vergleich zum Gardasee/Torbole (Aug. 2018)
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Geschichte
1 2 Komet Neowise, Aufnahmen mit WebCam Ettelsberg vom 12.07. bis 23.07.2020, immer um 3 Uhr
Positionierung der Kamera für meine Zwecke. Zurzeit sind ca. 60 Webkameras im Alpenraum installiert. Angedacht ist auch eine Kamera auf dem Insulaner oder auf dem Dach der Technischen Universität in Berlin. Das wird neue Möglichkeiten der Beobachtung ,,vom Schreibtisch aus" eröffnen.
und werden auf Messtauglichkeit getestet. Die tiefe Mondwende ist mit hoher Wahrscheinlichkeit für vorschriftliche Kulturen bereits eine wichtige Beobachtungsmarke gewesen. In der Vergangenheit gab es zur Großen Mondwende regelrechte Pilgerreisen. Man wollte in den Norden Dänemarks oder Schottlands, um dem Junisommer-
vollmond zu huldigen, denn dort erscheint der Mond zur Großen Mondwende Süd (GMWS) in sehr geringer Höhe. Die ,,Gottheit Mond" streift quasi die ,,Mutter Erde". Mit dieser einfachen Astronomie kommen wir der Gedankenwelt unserer Vorfahren ein Stück näher.
Auch andere astronomische Objekte lassen sich prima mit den Foto-Webcams beobachten. Gahlkow Nord wird zur Nachtwolken-Forschung eingesetzt. Denkbar auch zur Verfolgung von Polarlichtern. Die Abbildung 12 zeigt die Bewegung des Kometen Neowise im Juli 2020, aufgenommen von der Hochheideturm-Kamera im Sauerland, jeweils gegen 3 Uhr.
Anwendungen für die Archäologie Ein Schlüsselerlebnis in meinem Leben war für mich der Fund der Himmelsscheibe, ab diesem Tag war alles Archäologische von Belang. Das war ausschlaggebend für mich, mich mit dem astronomischen Wissen unserer Vorfahren zu beschäftigen (Abb. 13). In der Archäologie gibt es Funde, die, in eine Messeinrichtung eingepasst, zu Messungen dieses astronomischen Faktes taugen. Am Kranmessfeld sind stets Stabdolche und die Raute von Bush Baarow installiert
1 3 Die Goldraute von Bush Baarow als Projektionsfläche in einer Messeinrichtung. GMWS
- Große Mondwende Süd, WSW - Wintersonnenwende, KMWS - Kleine Mondwende Süd
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Kleine Planeten
Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten
von Gerhard Lehmann
Auch wenn diese Zeilen im verregneten Sommer 2021 geschrieben werden, so haben wir jetzt bei tieferen Temperaturen den Winter, und die Nächte sind lang genug, um auch einen Kleinplaneten zu beobachten. Wenn nicht die Astrometrie oder Fotometrie das Ziel der Beobachtung sein soll, so vielleicht die nahe Begegnung mit einem hellen Deep-Sky-Objekt. Unser FG-Mitglied Wolfgang Ries hat für den Winter solche Ereignisse zusammengestellt und ruft zur Beobachtung auf (Seite 125).
Die Corona-Pandemie hat auch die FG Kleinplaneten nicht verschont. Musste die jährliche Kleinplanetentagung deshalb schon im Jahr 2020 ausfallen, so wurde sie im vergangenen Jahr online durchgeführt. Wenn das eine Präsenztagung auch nicht ersetzt hat, so konnte wenigstens am Bildschirm eine Kleinplanetentagung durchgeführt werden. Unser FG-Mitglied Jens Kandler hat dazu einen Tagungsbericht verfasst (Seite 128).
Visuelle Beobachtungen von Kleinplaneten sind selten. Heinrich Wilhelm Olbers hat am 29. März 1807 den Kleinplaneten (4) Vesta entdeckt. Alexander Geiss hat ihn im Frühjahr letzten Jahres visuell im Sternbild Löwe beobachtet. Lesen Sie dazu in dieser Ausgabe seinen visuellen Beobachtungsbericht (Seite 124).
Leider ist unser langjähriges und von allen Mitgliedern hoch geschätztes Fachgruppenmitglied Dr. Freimut Börngen (19302021) im hohen Alter verstorben. Wir werden sein Andenken immer in Ehren halten. Lesen Sie dazu in dieser Ausgabe einen Nachruf von Markus Griesser, dem Leiter der Sternwarte Eschenberg [1] in Winterthur in der Schweiz.
Wenn es die aktuelle Corona-Virus-/COVID-19-Lage erlaubt, wird die FG Kleine
1 Drohnenaufnahme des MPIA-Campus mit dem Haus der Astronomie im Vordergrund, dem
Max-Planck-Institut für Astronomie und der Stadt Heidelberg dahinter. Bild: Dominik Elsässer
Planeten ihre 24. Kleinplanetentagung 2022 am 11./12. Juni 2022 im Haus der Astronomie in Heidelberg [2] durchführen. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der Kleinplanetenseite [3].
[2] Kleinplanetentagung 2022: https:// www.haus-der-astronomie.de/ kleinplanetentagung-2022
[3] Kleinplanetenseite: http:// www.kleinplanetenseite.de/
Wenn Sie Lust bekommen haben, vielleicht auch einmal Kleinplaneten zu beobachten, dann sind Sie herzlich eingeladen. Als Mitglied in der FG Kleine Planeten werden Sie Gleichgesinnte treffen und von den Erfahrungen der anderen profitieren.
Internehinweise (Stand 26.08.2021): [1] Sternwarte Eschenberg:
http://www.eschenberg.ch/
120 | Journal für Astronomie Nr. 80
Kleine Planeten
Im Gedenken an den Asteroidenforscher Freimut Börngen (1930-2021)
von Markus Griesser
Am Abend des 19. Juni 2021 ging an seinem Wohnort Jena-Isserstedt im 91. Altersjahr der Lebensweg des Astronomen Dr. Freimut Börngen sanft zu Ende. Der Berufsastronom und ursprüngliche Galaxienforscher machte sich als einer der erfolgreichsten und bekanntesten Kleinplaneten-Spezialisten im deutschen Sprachraum einen Namen. Er galt aber auch als geschätzter Freund und Förderer vieler Sternfreunde weit über Deutschlands Grenzen hinaus.
Der kleine Astronom mit dem großen Herzen war mit seiner Gattin Barbara und dem immensen Fachwissen immer ein gern gesehener Gast auf vielen Tagungen der Fachgruppe Kleinplaneten der VdS. Unvergessen sind auch seine packenden Erzählungen bei Bier und Wein in den gemütlichen Nachsitzungen jeweils am Sonnabend-Abend dieser Tagungen. Vor allem jüngere Sternfreunde hingen an seinen Lippen. Sie staunten, wie schwierig der ganz normale Alltag selbst eines anerkannten Wissenschaftlers in der vermeintlich so rational durchorganisierten DDR gewesen war. Belastend konnte es besonders für jene werden, die sich als Intellektuelle oder als gläubige Christen nicht einfach so in die Arme der allgegenwärtigen Einheitspartei warfen. Da sie ganz offensichtlich nicht dem hochgejubelten Arbeiter- oder Bauernstand angehörten, erwies sich das allgegenwärtige und wohl überwachende Staatswesen als äußerst erfindungsreich im Aufspüren und in der Disziplinierung von vermeintlichen Abweichlern gerade aus diesen Kreisen. Freimut und auch seine Barbara hatten beide dies sehr persönlich und hart zu spüren bekommen. Verbittert waren sie deswegen aber nicht.
Kulturgeschichte am Asteroidenhimmel Der am 17. Oktober 1930 in Halle geborene und ab 1996 in Jena-Isserstedt lebende
1 Freimut Börngen (1930 - 2021) in jungen Jahren am Blinkkomperator der
Sternwarte Tautenburg, Bildautor unbekannt
Fachastronom Freimut Börngen hat sich nach einem nicht einfachen beruflichen Werdegang, in dem seine Distanz zum DDR-Apparat eine prägende Rolle spielte, vor allem auf dem Fachgebiet der Kleinplaneten einen klingenden Namen gemacht. Bis heute zählt der talentierte Beobachter Börngen mit über 500 Neusichtungen zu den erfolgreichsten Asteroiden-Entdeckern im deutschen Sprachraum. Doch seine eigentliche Fachkompetenz bei den ,,Minor Planets" gründete vor allem in den eindrücklichen und breit gefächerten Namensgebungen. Seine stets nach intensiven Recherchen und mit penibler Sorgfalt ausformulierten Namensvorschläge, die möglichst kompakt und in englischer Sprache beim Committee on Small Body Nomenclature (CSBN) der IAU einzureichen waren, ehren viele Persönlichkeiten aus dem kulturellen, religiösen, musikalischen und wissenschaftlichen Leben. Dazu hob er
auch Städte und Landschaften, namentlich in Deutschland, Österreich und auch in der Schweiz, in den Himmel.
Heimliche Asteroidensuche Dabei lag das eigentliche Auftragsgebiet der DDR-Astronomen in Tautenburg ab der 1960 erfolgten Einweihung der Sternwarte auf dem prestigeträchtigen Gebiet der Galaxienforschung. Doch Börngen, der stets einige ,,inoffizielle" Fachkontakte in den Westen pflegte, erkannte rasch, dass er bei Galaxien im Vergleich zu den wesentlich größeren Instrumenten, namentlich in den USA, wenig ausrichten konnte. Er arbeitete zwar brav und durchaus mit Erfolg die ihm von den Vorgesetzten erteilten Beobachtungsaufträge ab, meist mit mehrstündigen Belichtungen und mit der gerade in frostigen Winternächten äußerst anstrengenden Nachführarbeit am Leitteleskop. Freimut Börngen verbrachte auch mehre-
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Kleine Planeten
re ausgedehnte Forschungsaufenthalte in renommierten Sternwarten der damaligen Sowjetunion, so auch in Selentschuk im Nord-Kaukasus, wo er mit dem dort stationierten, damals weltgrößten 6-Meter-Teleskop jeweils sorgfältig vorbereitete Beobachtungen ausführte. Mehrmals reiste er nach Byurakan, einem in Armenien gelegenen Zentrum für die Erforschung aktiver Galaxien. Doch in der Rückschau beurteilte Freimut Börngen seine angestammte und auch durch zahlreiche Publikationen gut dokumentierte Arbeit in der Galaxienforschung erstaunlich selbstkritisch. Im persönlichen Gespräch mit dem Autor ließ er mehrmals die Bemerkung fallen, dass heute niemand mehr über seine damaligen Beobachtungen rede. Und diese nüchterne Einschätzung war keineswegs von Wehmut geprägt: Selbstmitleid war nie das Ding unseres Freundes!
Zwischen seinen Auftragsarbeiten und auch bei leicht beeinträchtigten Sichtbedingungen suchte Freimut Börngen von Tautenburg aus in ekliptiknahen Himmelsgegenden gezielt nach neuen HauptgürtelAsteroiden, obwohl er dafür keinen Auftrag hatte. Er setzte dafür am 2-Meter-Universal-Teleskop im Schmidt-Modus mit vier Metern Brennweite noch ausschließlich analoge Fototechniken ein und suchte dann zwei jeweils nacheinander belichtete Platten am Blinkkomparator nach bewegten Punkten ab. Deren genaue Positionen wurden dann in aufwändiger Technik mit katalogisierten Sternen in der Umgebung mechanisch und mit hohem Rechenaufwand ausgemessen. Was mit moderner Computertechnik und digitalen Sternkatalogen heute noch einige Sekunden dauert, beanspruchte vor 30 Jahren noch Stunden.
Über 500 Tautenburger Asteroiden - eine stolze Bilanz Nach der Wende arbeitete Börngen bis 1993
2 Freimut Börngen (1930 - 2021) zählt zu
den erfolgreichsten Asteroidenentdeckern im deutschen Sprachraum. Das Foto entstand im Juli 2018. Bild: Markus Griesser
in mehreren Suchkampagnen mit dem Kollegen Dr. Lutz Schmadel (1942-2016) aus Heidelberg zusammen. Bis zu seinem
Übertritt in den Ruhestand im Jahr 1995 kamen so noch zahlreiche weitere ,,Tautenburger Asteroiden" dazu. Mit seiner Pensionierung stellte Freimut Börngen die aktive Beobachtungsarbeit komplett ein, blieb aber dem Institut noch über Jahre hinweg als freier Mitarbeiter verbunden. Die Verfolgung seiner 1995 noch rund 200 unnummerierten Kleinplaneten übertrug er vertrauensvoll einigen Sternfreunden, so schon Mitte der 1990er-Jahre den Kollegen der Volkssternwarte Drebach im Erzgebirge und ab 1999 auch mir auf der Sternwarte Eschenberg in Winterthur in der Nordost-Schweiz. Mit hochempfindlichen CCD-Kameras, solidem Computer-Wissen, raffinierter Software und hochgenauen digitalen Sternkatalogen übertreffen wir engagierte Amateure die klassischen Möglichkeiten selbst viel größerer Teleskope. Und so haben bis heute dank unseren Bahnbogen verlängernden Schubsern bis auf ein paar wenige Restexemplare praktisch alle Tautenburger Asteroiden die letzte Hürde zur Nummerierung und damit für
3 Der Asteroid (3859) Borngen, dokumentiert am 29.04.2005 und hier dargestellt mit dem
Programm ,,Astrometrica" von Herbert Raab. Unten ist mit (7121) Busch der nach dem Satiriker Wilhelm Busch (1832 - 1908) benannte Kleinplanet miterfasst worden, eine sehr sinnträchtige Entdeckung von Börngen aus dem Wendejahr 1989. Bild: Markus Griesser
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Kleine Planeten
einen Namensantrag genommen. Bei mir alleine wurden es rund 140 ,,Tautenburger", deren Bahnbogen ich von unserer Sternwarte Eschenberg aus verlängern konnte ...
Himmlische Kulturgeschichte Unser Freund pflegte nach der Nummerierung für diese neuen Asteroiden innerhalb einer Monatsfrist beim zuständigen IAU-Komitee seine sorgfältig vorbereiteten Namensvorschläge einzureichen. Beim Lesen dieser ,,Citations" staunten wir immer wieder über seine enormen kulturellen, historischen und geografischen Kenntnisse. Mit liebenswürdiger Beharrlichkeit und einem ausgesprochenen Sinn für Gerechtigkeit servierte Freimut den internationalen Wächtern der Asteroidennamen im Komitee auch gerne mal Knacknüsse. So etwa mit den Vorschlägen zur Ehrung von Widerstandskämpfern gegen die Nazi-Diktatur oder mit Namensanträgen aus der christlichen und jüdischen Religionsgeschichte. - Nicht immer drang er damit durch, da politische und auch religiöse Bezüge von einzelnen Komitee-Mitgliedern kritisch bewertet wurden. Ich weiß aber auch, dass Freimut im langjährigen Direktor Brian Marsden (1937-2010) des Minor Planet Centers MPC immer wieder einen verständnisvollen und einflussreichen Fürsprecher hatte, obwohl Brian nicht dem namensgebenden Komitee angehörte.
Späte Anerkennungen Im Frühling 2006 ist Freimut Börngen vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden - eine besondere Ehre für den immer bescheiden gebliebenen Astronomen. Die Direktion der Thüringer Landessternwarte organisierte kurz nach der Verleihung ein Kolloquium zu Ehren ihres so erfolgreichen ehemaligen Kollegen. Dr. Johann Dorschner (19392020) vom Astrophysikalischen Institut Je-
4 Die Kuppel des 2-Meter-Teleskops in Tautenburg: Berufliche Heimat und Wirkungsort
von Freimut Börngen von 1962 bis 1995. Bild: Markus Griesser
na wies in seinem Vortrag mit Dokumenten und in bewegenden Worten auf die Schwierigkeiten hin, die Börngen mit seiner ersten Benennung mit dem Zentralinstitut für Astrophysik (ZIAP) der DDR in Potsdam bekommen hatte. Der völlig unverfängliche Standortname ,,Tautenburg" der Sternwarte wurde 1982 aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt. Nach einem Direktorenwechsel stand unser Freund ein Jahr später beim ZIAP erneut auf der Matte. Diesmal erhielt er grünes Licht, aber mit der ausdrücklichen Ermahnung des neuen Direktors, er möge doch von weiteren Benennungen absehen. Noch im gleichen Jahr wurde Freimut Börngen mit einem weiteren Namensvorschlag in Potsdam vorstellig: Gegen den Namen ,,Lambrecht", zu Ehren des soeben verstorbenen verdienten Direktors der Uni-Sternwarte Jena, Prof. Dr. Hermann Lambrecht, (1908-1983), fand das ZIAP kein stichhaltiges Argument. Damit war der Bann gebrochen: Bald folgten mit den Namen ,,Weimar" und ,,Dornburg" weitere regionale und auch persönliche Bezüge zum geliebten Thüringen. Und mit den Musikernamen ,,Händel" und ,,Franz Schubert" sorgte Freimut Börngen, wie er augenzwinkernd noch in der Fachzeitschrift ,,Die Sterne" schrieb, für ,,Wohlklang am Himmel" ...
Weitere Auszeichnungen Freimut Börngen wurde selbst mit dem vom US-Astronomen Edward Bowell 1987 in Flagstaff entdeckten Asteroiden (3859) Borngen, einem Mitglied der Themis-Familie, geehrt. Im November 2007 erhielt er von der damaligen Landeshauptfrau Gabi Burgstaller den Freundschaftsbecher des österreichischen Bundeslandes Salzburg und von der Stadt Hallein den ersten Franz-Xaver-Gruber-Preis überreicht. Hintergrund der letzteren Auszeichnung: Börngen hatte im März 2004 den Komponisten Franz-Xaver Gruber (1787-1863) des weltbekannten Weihnachtsliedes ,,Stille Nacht" zusammen mit dem Textautor Joseph Mohr (1792-1848) durch die Benennung des Asteroiden (65675) MohrGruber gewürdigt. Auf diesen engen Bezug zum auch ihm so wichtigen Weihnachtsfest war Freimut Börngen immer besonders stolz. Schon 1997 hatte er das ,,Große Ehrenzeichen" der Steiermark erhalten, in Anerkennung seiner rund 40 Asteroidenbenennungen mit Bezügen zu Österreich.
Journal für Astronomie Nr. 80 | 123
Kleine Planeten
Die Spur der Vesta
von Alexander Geiss
Die (4) Vesta ist der einzige Kleinplanet, der freiäugig unter günstigen Bedingungen sichtbar sein kann. Sie sollte sich Anfang 2021 im Sternbild Löwe so schön präsentieren, dass ich das dann unbedingt ohne Fernglas versuchen wollte. Doch ich bemerkte bereits kurz vor Erreichen der Maximalhelligkeit beim Beobachten mit meinem kleinsten Instrument, einem guten Fernglas 6 x 42, dass sich die Szenerie zu einer Sternfeldzeichnung anbot. Vesta präsentierte sich in der Nähe des 3,3 mag hellen Theta Leonis in einer schönen Konstellation zu Nachbarsternen, die sich leicht auf Papier bringen lassen sollten.
Rasch war der Gedanke an eine längere Beobachtungsserie und eine Sternfeldzeichnung mit dem Asteroiden da. Über [1] schätzte ich die Lage der restlichen beobachtbaren Oppositionsschleife im Löwen ab und wann ich die Zeichnung auf dem Papier starten sollte. Und so war am 1. März mittels schwarzem Tonpapier und weißem
Buntstift schnell der Anfang gemacht. Die Sterne Delta Leonis und 60 Leonis sowie weitere schwächere Sterne boten Bezugspunkte für das Zeichnen, noch deutlich vor der Kulmination. Vesta hatte 6,0 mag, war aber leider für mich gerade so nicht freiäugig erreichbar. Auch nicht wenige Tage danach bei 5,9 mag, bot doch der Himmel meist nur um die 5,5 mag Grenzhelligkeit.
Die Wahl des Instruments ließ es zu, auch bei bestehenden Ausgangsbeschränkungen aus dem Vorgarten im Dorf, von unterwegs aus bei kurzer Gelegenheit oder auf meinen notwendigen Reisen nach Italien meine Beobachtungen zu Papier zu bringen, da keine großen Anforderungen an die Ausrüstung gestellt waren und alles stets untergebracht und schnell einsatzklar gemacht werden konnte.
Bald schon zeigte sich eine hübsche Spur und auch die Wahl der kleinen Öffnung erwies sich als vorteilhaft, da auf diese Weise
nur eine überschaubare Anzahl von Feldsternen zugänglich war. Ungenauigkeiten beim Ansetzen des weißen Buntstifts wurden mit schwarzem Stift kaschiert. Rotes oder orangefarbenes Licht ließen Zeichnen und Beobachten zu. Die Lage der Spur bot eine schöne Platzierung des Schriftfeldes. In der ersten Aprilhälfte zeigte sich früh die deutliche Verlangsamung ,,meiner" Vesta und bald danach bog sie in enger Kurve nach unten ab.
Im Mai gewann sie aus der Perspektive der Erde schnell an Fahrt, und die Wetterlagen erwiesen sich als sehr schwierig. Erschwerend kam natürlich hinzu, dass das zeitliche Beobachtungsfenster sehr klein wurde, da ein dunkler Himmel durch die in Deutschland mittlerweile erst spät einsetzende Dunkelheit den Löwen bereits in südwestlicher Richtung präsentierte. Dazu kam die schon deutlich reduzierte Helligkeit der Vesta, die ihre Beobachtung mit schwächeren Feldsternen im kleinen Instrument zunehmend schwierig werden ließ. Ich hatte aber bereits vor Beginn der Zeichnung abgeschätzt, dass ich die Beobachtungsserie Ende Mai abschließen wollte, was sich tatsächlich am 29. Mai glücklich bestätigte.
So zeigte sich also, dass die Vorbereitung und Recherche bereits vor Beginn der Zeichnung von großem Wert waren. Die Lage der beobachteten Spur ließ auf dem Papier noch Platz für eine Gesamtdarstellung im Löwen. Diese Art der Darstellung wird mir noch weitere Möglichkeiten geben, künftige kosmische Begegnungen zeichnerisch und anschaulich festzuhalten. Ich freue mich auf weitere Ereignisse.
1 Visuelle Beobachtung des Kleinplaneten (4) vom 01.03. bis zum 29.05.2021. Bild: Alex Geiss
Internethinweis: [1] Heavens Above:
www.heavens-above.com
124 | Journal für Astronomie Nr. 80
Kleine Planeten
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Olaf Filzinger, ein aktives Mitglied der Sternwarte in Hofheim am Taunus, hat sich in den letzten Jahren zu einem verlässlichen Bilderlieferanten für die kosmischen Begegnungen entwickelt. Es freut mich sehr, hier sein drittes Bild [1] präsentieren zu dürfen. Nach zwei Motiven mit Galaxien (NGC 4754 und Leo-Triplet) stand diesmal ein berühmter Sternhaufen auf seiner Aufnahmeliste. Bei der Planung für Aufnahmen von M 44 bemerkte er, dass sich gleich drei Kleinplaneten in seinem Bildfeld befinden würden. Er führte das richtigerweise auf die Nähe des Sternhaufens zur Ekliptik zurück, wo sich die Asteroiden gehäuft tummeln.
Aber es gibt auch Ausnahmen. Ich möchte an dieser Stelle kurz auf eine besondere Begegnung in der Vorschlagstabelle hinweisen. Einige Tage vor und nach dem 25. Januar 2022 befindet sich (5720) Halweaver beim Galaxienpaar M 81/82, das ja bekanntermaßen ziemlich weit von der Ekliptik entfernt ist. Vielleicht hat der eine oder andere Astrofotograf Wetterglück und kann diese seltene kosmische Begegnung aufnehmen. Über Bildzusendungen würde ich mich sehr freuen.
Zurück zur aktuellen kosmischen Begegnung. Diese Aufnahme entstand in der Nacht des 25. März 2020. Um den sehr großen Sternhaufen perfekt in Szene zu set-
zen, benutzte Olaf seinen 4-zölligen Apochromaten mit einem Öffnungsverhältnis von f/3,8 sowie eine Vollformatkamera. Dadurch bleibt der Haufencharakter von M 44 im großen Bildfeld erhalten, aber die Kleinplaneten werden trotz der enormen Belichtungszeit von ca. 6 Stunden nur als sehr kurze Strichspuren abgebildet. Dieses Problem löste Olaf, in dem er Ausschnittvergrößerungen der Besucher des Haufens in die Aufnahme kopierte.
Der offene Sternhaufen Messier 44 befindet sich im Sternbild Krebs und wird auch lateinisch Praesepe, die Krippe (Futterkrippe), genannt. Nach der antiken Legende diente sie zur Fütterung der zwei Esel, mit denen die Götter Dionysos und Silenos gegen die Giganten in den Krieg ritten. Die Riesen erschraken so vor den Tieren, dass sie den Krieg verloren. Diese Geschichte zeigt, dass das Objekt M 44 schon bei den Griechen bekannt war. Die erste astronomische Erwähnung findet man bei Arotos aus dem Jahr 260 v. Chr. Die alten Griechen sahen dort einen kleinen Nebel oder eine kleine Wolke. Im englischen Sprachraum wird M 44 oft der Beehive Cluster genannt, also Bienenkorb oder Bienenschwarm. Mit einer Helligkeit von ca. 3 mag ist die kleine Wolke unter Landhimmel leicht zu sehen. Der Sternhaufen ist mit 1,2 Grad mehr als doppelt so groß wie der Vollmond. Er umfasst bis zu 1.000 Sterne und weist eine Masse von ca. 600 Sonnen auf. Der Haufen ist ca. 600 Lichtjahre von uns entfernt und hat einen Durchmesser von ca. 15 Lichtjahren, wobei Haufenmitglieder in einem Umkreis von ca. 100 Lichtjahren nachgewiesen wurden. Astrophysikalisch weist er Ähnlichkeiten mit den Hyaden auf, was auf eine gemeinsame Entstehungsgeschichte hinweist [2].
Bei den Besuchern in der Krippe handelt es sich um die Kleinplaneten (37) Fides, (120)
Lachesis und (172) Baucis. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war (37) Fides mit 11,5 mag der hellste der drei Kleinplaneten. Entdeckt wurde Fides am 5. Oktober 1855 vom deutschen Astronom Karl Theodor Robert Luther in Düsseldorf. Je nach Auslegung bedeutet Fides nach der römischen Mythologie ,,Treue" oder nach der Kirchenlehre ,,Glaube". Der Hauptgürtelasteroid ist ca. 108 km groß und braucht für die Umkreisung der Sonne ca. 4,29 Jahre. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war (37) Fides rund 268 Mio. Kilometer von der Erde entfernt. Der Kleinplanet (120) Lachesis wurde am 10. April 1872 vom französischen Astronomen Alphonse Louis Nicolas Borrelly entdeckt. Der Mainbelter ist ca. 175 km groß. Während der Aufnahme war er mit 13 mag deutlich lichtschwächer als Fides, beide Strichspuren befinden sich unmittelbar nebeneinander. Das liegt daran, dass Lachesis fast 100 Mio. Kilometer weiter von der Erde entfernt war als Fides. Außerdem ist Lachesis durch Kohlenstoff viel dunkler als Fides. Benannt ist der Kleinplanet nach einer griechischen Rachegöttin. Da die Bahn weiter entfernt von der Sonne verläuft, braucht (120) Lachesis 5,5 Jahre für eine Runde. Das ist mehr als ein Jahr länger als sein Bildnachbar.
Rund 5 Jahre später, am 5. Februar 1877 entdeckte Borrelly dann den Kleinplaneten (172) Baucis. Im März 2020 war der Brocken rund 13,3 mag hell. Er ist mit 62 Kilometern Durchmesser der kleinste der drei Asteroiden und befand sich während der Aufnahme rund 296 Mio. Kilometer von uns entfernt. Nach der griechischen Mythologie bewirtete das alte Ehepaar Baucis und ihr Mann Philemon den Göttervater Zeus. Als Dank für ihre Gastfreundschaft durften sie gemeinsam sterben und wurden nach ihrem Tod in zwei Bäume verwandelt, die sich als Zeichen ihrer Liebe mit den Ästen berührten. Interessanterweise haben
Journal für Astronomie Nr. 80 | 125
Kleine Planeten
1 Der offene Sternhaufen Praesepe M 44 und die Kleinplaneten (37) Fides, (120) Lachesis und (172) Baucis. Aufgenommen am 25.03.2020
von Olaf Filzinger mit einem apochromatischen Refraktor AP 100 mm / 380 mm VSD100 (f/3,8) von Vixen und einer Canon 6Da.
die Astronomen nicht so viel Sinn für Romantik, da es keinen Kleinplaneten ,,Philemon" gibt.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [3]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die
Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden. Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kos-
mische Begegnung" an ries@sternwartealtschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht, das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
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Kleine Planeten
Tabelle 1
Liste ausgesuchter, besonders interessanter kosmischer Begegnungen im 1. Quartal 2022
Datum
01.01.2022 25.01.2022 01.02.2022 23.02.2022 03.03.2022 27.03.2022
Uhrzeit
21:00 20:00 21:00 21:00 22:00 21:00
Kleinkörper
mag
(7711) Rip
15,8
(5720) Halweaver
15,5
(285) Regina
16,0
(1462) Zamenhof
15,8
(450) Brigitta
14,8
(905) Universitas
15,3
Objekt
Art
M 36
OC
M 81/82
Gx
NGC 2486/7
Gx
M 44
OC
NGC 3666
Gx
NGC 3346
Gx
mag
6,0 7,0/8,6 13,3/12,4
3,1 11,7 11,8
Abstand
10' 10' 3' 1' 5' 4'
Abkürzungen: Gx - Galaxie, OC - Offener Sternhaufen
Literatur- und Internethinweise (Stand 26.08.2021): [1] O. Filzinger, Bildergalerie: www.sternwarte-hofheim.de/galerie/filzinger/index.html [2] R. Stoyan, S. Binnewies, S. Friedrich, 2006: ,,Atlas der Messier-Objekte: Die Glanzlichter des Deep Sky", Oculum-Verlag [3] Astrofotografie: Kosmische Begegnungen, Homepage: http://astrofotografie.hohmann-edv.de/aufnahmen/
kosmische.begegnungen.php
Der Hantelnebel
Impression
Christoph Kaltseis nahm im Juni 2021 den Hantelnebel M 27 auf. Teleskop war ein Celestron 11 Edge HD bei f/11, dazu als Kamera eine Nikon D810A - alles auf einer Montierung des Typs 10Micron GM2000 HPS. Belichtet wurden 21 x 210 s, alle Aufnahmen liefen ohne Autoguider.
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Kleine Planeten
Die erste Online-Kleinplanetentagung
am 29. Mai 2021
von Jens Kandler
Jedes Jahr findet eine Tagung der Fachgruppe Kleinplaneten an einer anderen Sternwarte im deutschsprachigen Raum statt. Im Jahre 2019 trafen sich die Kleinplanetenbeobachter in der VEGA Sternwarte bei Salzburg in Österreich. Für das Treffen im Jahr 2020 sollte die Volkssternwarte Drebach im Erzgebirge der Austragungsort sein. Durch die Pandemie wurde nichts daraus und alle hofften auf das Jahr 2021. Leider konnte eine Präsenztagung auch in diesem Jahr nicht stattfinden. Durch die Vereinigung der Sternfreunde e.V. erhielten wir einen Zugang zum Videokonferenztool ,,Zoom". Somit nutzten wir die Gelegenheit und führten die erste Online-Tagung durch.
1 Das Zeiss Planetarium und die Volkssternwarte Drebach. Bild: Jens Kandler
Insgesamt 55 Anmeldungen lagen einen Tag vor dem Termin vor. Auch Teilnehmer aus Kolumbien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und der Türkei waren vertreten. Nicht nur Hobby-, sondern auch Profiastronomen nahmen an der Tagung teil. Eine solche Veranstaltung lebt immer von ihren Vorträgen. Glücklicherweise standen ausreichend Beiträge zur Verfügung und wir konnten ein kurzweiliges Tagungsprogramm zusammenstellen.
Um Punkt 10 Uhr begrüßte der Fachgruppenleiter Gerhard Lehmann alle Mithörer und Zuschauer zum Treffen und gab organisatorische Dinge bekannt.
Im ersten Beitrag berichtete der Fachgruppenleiter über Neuigkeiten aus der VdSFachgruppe ,,Kleine Planeten". Mittlerweile hat die Fachgruppe 92 Mitglieder aus Belgien, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Ebenso stellte er besondere Beobachtungsergebnisse aus der Fachgruppe vor, wie NEOs, wiederentdeckte Kleinplaneten und Begegnungen von Kleinplaneten mit Deep-Sky-Objekten. Ein besonderes Betätigungsfeld vieler Fachgruppenmitglieder ist die Asteroidensuche
über TOTAS (Teide Observatory Tenerife Asteroid Survey). Dabei handelt es sich um ein Asteroidensuchprogramm, welches in Zusammenarbeit mit der ESA jeweils in vier Nächten um den Neumondtermin durchgeführt wird.
Im zweiten Beitrag wurde der Tagungsort Drebach (Abb. 1) vorgestellt. In einem kurzen Video erkundeten wir zuerst virtuell das Planetarium und die Sternwarte. Im Anschluss ging Jens Kandler auf die Historie der Kleinplanetenbeobachtung in der Sternwarte Drebach ein.
Der dritte Referent, Dr. Stecklum, kam von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg. Die Tautenburger Kleinplanetenbeobachtungen standen im Fokus seines Beitrags. Mittlerweile arbeitet die Sternwarte mit der ESA im Bereich der Beobachtung von NEOs zusammen. In der Zwischenzeit konnte auch eine neue Primärfokus-Kamera (TAUKAM) am 2-Meter-Teleskop installiert werden. Besonders im Frühjahr 2020 gelangen sehr viele Beobachtungen von NEOs. Die Helligkeiten der beobachteten Objekte liegen um die 20. Größenklas-
se. Im Jahr 2020 erfolgten insgesamt 8.000 Positionsbeobachtungen an der Thüringer Landessternwarte. Das ist ein Rekordwert, da es die meisten Positionen einer europäischen Sternwarte im zurückliegenden Jahr sind.
Bernhard Häusler berichtete im vierten Beitrag über sein automatisches Planungsprogramm ,,NEO Planner" für Asteroidenbeobachtungen. Am Beispiel der Sternwarte ,,Drebach South" zeigte er mögliche Einstellungen für sein Programm. Die Software erstellt automatisch eine Beobachtungsliste von möglichen Beobachtungsobjekten. Dabei greift das Programm auf die gängigen Server beim MPC sowie bei der ESA zu. ,,NEO Planner" gibt nicht nur eine Beobachtungsliste aus, sondern auch Angaben über die notwendige Belichtungszeit der einzelnen Objekte. Somit wird die Vorbereitung einer Beobachtungsnacht verkürzt. Nähere Informationen zum Programm ,,NEO Planner" sind auf der Internetseite von Bernhard Häusler zu finden: www.k87dettelbachvineyardobservatory. bayern/NeoPlanner.htm
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2 Online-Gruppenfoto der Kleinplanetentagung 2021. Bild: Jens Kandler
Im letzten Beitrag vor der Mittagspause stellte Andre Knöfel das ,,Allsky7 Fireball Network Europe" vor, ein Netzwerk von Kameras, die Feuerkugeln detektieren. Am Anfang gab er einen Überblick über bisherige Beobachtungstechniken zur Feuerkugelüberwachung. Ein Blick über den Tellerrand zeigte, dass in anderen Ländern, wie z. B. in Frankreich, bereits seit 2016 ein Netzwerk aus modernen Überwachungskameras (FRIPON) besteht. Das Konzept von ,,Allsky7.net" besteht aus einer Überwachungskamera, die sich aus sieben preiswerten Einzelkameras zusammensetzt, die den gesamten Himmel filmen und Meteore bis +4 mag detektieren.
Das Netzwerk, das gegenwärtig aus über 30 Kamerastandorten in Belgien, Deutsch-
land, Großbritannien, Irland, Niederlande, Österreich, Schweiz, Slowenien und Ungarn besteht, startete im Jahr 2018 und wird seit Juli 2020 intensiv ausgebaut. Andre Knöfel stellte die ersten Beobachtungsergebnisse vor. Weitere Informationen finden sich unter: https://www.allsky7.net/. Vor der Mittagspause entstand noch ein Gruppenfoto der zugeschalteten Tagungsteilnehmer (Abb. 2).
Im ersten Beitrag nach der einstündigen Pause referierte Dr. Detlef Koschny über das Thema ,,Was passiert, wenn ein Asteroid kommt?" Wer ist überhaupt zuständig, wenn es eine ernsthafte Bedrohung durch Asteroiden gibt? Im Vorfeld der Kleinplanetentagung gab es einige Wochen zuvor dazu eine internationale Konferenz in Wien.
Grundlage für die Risikobetrachtung sind die Positionsbeobachtungen der Kleinplanetenbeobachter weltweit. Die Bahn von Neuentdeckungen werden 100 Jahre in die Zukunft gerechnet. Sollte ein Risiko für einen Einschlag bestehen, kommen die Objekte auf eine Risikoliste. Welche Handlungen folgen bei einem bestehenden Risiko? Bei einer Einschlagswahrscheinlichkeit von 1% innerhalb der nächsten 50 Jahre werden Alarmmeldungen ausgegeben. In Deutschland wird dabei eng mit dem Deutschen Weltraumlagezentrum zusammengearbeitet. Bei einem bevorstehenden Einschlag wird neben den Informationen, wann und wo das Objekt herunterfällt, auch angegeben, welche Einschlagseffekte zu erwarten sind. Da steht die ESA im Dialog mit den Katastrophenschutzbehörden
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Kleine Planeten
3 Polarlichtaufnahme im Oktober 2020 in Nordschweden in der Umgebung von Kiruna. Bild: Jens Kandler
der Länder. Dabei konzentriert sich die ESA auf die europäischen Mitgliedsstaaten, aber auch andere interessierte Länder werden berücksichtigt. Gute Kontakte bestehen auch zur Schweiz, insbesondere zur Nationalen Alarmzentrale in Zürich. Auf der Internetseite vom NEO-Koordinationszentrum unter: https://neo.ssa.esa. int gibt es weitere Informationen, wie eine aktuelle Risikoliste von NEOs. Eine andere von Dr. Koschny empfohlene Webseite ist die vom International Warning Network (IAWN) unter www.iawn.net.
Dr. Carolin Liefke vom Haus der Astronomie in Heidelberg berichtete über den aktuellen Stand vom Projekt Pan-STARRS. Beobachtungsdaten von zwei 1,8-m-Teleskopen auf Hawaii werden inzwischen schon 10 Jahre lang an interessierte Schulen gegeben. Zur Auswertung der Aufnahmen wird das Programm ,,Astrometrica" von Herbert Raab eingesetzt. Alle Objekte, welche die Schüler neu finden, zählen als eigene Entdeckungen. So haben die Schüler auch das Vorschlagsrecht für einen Namen ihrer entdeckten Kleinplaneten. Die auto-
matischen Routinen von Pan-STARRS finden in der Regel nur die Hälfte der neuen Objekte. Somit besteht immer eine reelle Chance, neue Kleinplaneten auf den Aufnahmen aufzuspüren. 350 Gruppen aus dem deutschen Sprachraum haben in den letzten zehn Jahren am Projekt teilgenommen. Dabei wurden 275 Entdeckungen registriert. Darunter war sogar ein Transneptunobjekt. Ein paar der Entdeckungen sind bereits benannt: (487617) IngeThiering, (487761) FrankBrandner, (501132) Runkel und (541983) MatthiasPenselin. Interes-
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Kleine Planeten
sant ist die Tatsache, dass meist die Lehrer als Namenspaten für den zu benennenden Kleinplaneten ausgewählt werden. Leider vergeht von der Entdeckung bis zur Benennung der Kleinplaneten viel Zeit und die Beobachtungsdaten von Pan-STARRS sind nicht für jedermann öffentlich zugänglich.
Henk de Groot berichtete über die Fotometrie von Kleinplaneten aus seiner Privatsternwarte C39 - Nijmegen in den Niederlanden. Zur Beobachtung nutzt er ein 14-Zoll-Schmidt-Cassegrain-Teleskop in Verbindung mit einer CCD-Kamera ST8 von SBIG. Wichtig für die Fotometrie ist die Verwendung eines Gelbfilters. Aufgrund der Tatsache, dass in naher Zukunft (ab 2025) keine CCD-Kameras mehr hergestellt werden, wies Henk de Groot auf die Nachteile von CMOS-Kameras für fotometrische Zwecke hin. Diese sind schwierig für diesen Einsatz zu kalibrieren, und auch die Helligkeit der einzelnen Pixel ist nicht immer konstant.
An verschiedenen Kleinplaneten, deren Rotationsperiode nicht genau bekannt war, führte er fotometrische Messungen durch. Dabei beobachtete er unter anderem den Kleinplaneten (982) Franklina. Die Amplitude betrug dabei nur 0,058 mag. Weitere Kleinplaneten, deren Beobachtungsergebnisse er vorstellte, waren (930) Westphalia und (982) Benkoela. Bei dem Asteroiden (2103) Laverna bestimmte er die Rotationsperiode auf 9,2 Stunden. Beim Kleinplaneten (511) Davida waren zwei Nächte für die Erstellung einer Lichtkurve erforderlich. Interessant ist die Tatsache, dass Beobachtungen aus dem Jahr 2005 sich nicht mit den Beobachtungen aus 2021 decken. Dagegen stimmen die Beobachtungen aus dem Jahr 2015 mit denen aus 2021 überein. Was kann die Ursache für diese Abweichung sein? Möglicherweise ist die Bahnneigung des Kleinplaneten von fast 16 Grad dafür ver-
antwortlich. Es ist also von großer Bedeutung, den Kleinplaneten (511) Davida auch weiterhin fotometrisch zu beobachten.
Sven Andersson berichtete über seine Erfahrungen mit der CMOS-Kamera ,,QHY 174 GPS". Die Kamera ist mit einem 11 mm x 7 mm großen Sony-Chip ausgestattet und besitzt 5,8 Mikrometer große Pixel. Durch das eingebaute GPS-Modul ist es möglich, die Belichtungszeit auf eine Mikrosekunde genau zu bestimmen. Ein weiterer Vorteil dieser Kamera liegt darin, dass sie ein beheiztes Fenster besitzt. Somit ist ein Beschlagen oder eine Vereisung des Kamerafensters ausgeschlossen. Optional kann zusätzlich noch eine Trockenpatrone eingebaut werden. Die maximale Empfindlichkeit liegt im grünen Farbbereich. Des Weiteren ist in der Kamera eine Kalibrierungs-LED eingebaut. Für die Kamerasteuerung empfiehlt Sven Andersson das Programm ,,Sharpcap" in der 64-bit-Variante. Er zeigte verschiedene Beispielbilder wie den Ringnebel und Aufnahmen vom Erdmond. Ebenso konnte er mit der Kamera eine Sternbedeckung durch den Kleinplaneten (74) Galatea beobachten.
Jürgen Linder berichtete über seine neue Gartensternwarte B50. Aus einer Rolldachsternwarte mit einem C11 wird eine Beobachtungsstation mit einer 2,2-m-Beobachtungskuppel, die zukünftig vollautomatisch arbeiten soll. Er zeigte Bilder der Baumaßnahmen vom Rückbau der alten Sternwarte und den Neuaufbau der Kuppel und der Teleskoptechnik. Ebenso stellte er Ergebnisse seiner Tests von drei CMOS-Kameras (ASI 174mini, ASI 183, ASI 1600) für den Einsatz in der Astrometrie vor. Seine Empfehlung für die Astrometrie ist die Kamera ASI 183 COOL Mono Pro. Die Chipgröße der Kamera von 13,3 mm x 8,8 mm ist mit einer SBIG ST8 vergleichbar, und sie hat eine hohe Empfindlichkeit. Er zeigte
mit dem Programm ,,Astrometrica" einige Beispielbilder von seinen Kleinplanetenbeobachtungen.
Zum Abschluss der Tagung gab es von Jens Kandler einen astronomischen Reisebericht. Das Thema ,,Polarlicht" sorgt im Planetarium Drebach regelmäßig für ausverkaufte Veranstaltungen. Aufgrund der großen Nachfrage begab sich der Autor im Oktober 2020 mit seiner Familie für eine Woche nach Nordschweden, um Polarlichtaufnahmen im 360-Grad-Format anzufertigen. In dieser Woche wurden 1.200 Kilometer auf schneebedeckten Straßen in der Umgebung von Kiruna zurückgelegt. Was dabei für Polarlichtaufnahmen entstanden sind und was für Reiseziele in Lappland tagsüber auf dem Programm standen, wurde in dem 25-minütigen Vortrag gezeigt (Abb. 3). Für ein Polarlicht, welches 75 Minuten lang den gesamten Himmel einnahm, mussten 150 Kilometer gefahren werden, um einen wolkenlosen Himmel für die Beobachtung zu haben. Dieser ,,Polarlichtsturm" konnte den Tagungsteilnehmern in 20-facher Geschwindigkeit im 360-Grad-Format präsentiert werden. Aufgrund der Fülle der in dieser Woche entstandenen Bilder ist die Planetariumsvorführung ,,Auf der Jagd nach dem Polarlicht" entstanden. Diese ist regelmäßig im Zeiss Planetarium in Drebach zu sehen.
Um 15:40 Uhr war das Vortragsprogramm vorüber und die Veranstalter beruhigt, dass alles ohne Probleme über die Bühne gegangen war. Im Anschluss gab es noch bis ca. 16:30 Uhr einen gemütlichen Erfahrungsaustausch der Teilnehmer. Es war sehr schön, die große Familie der Kleinplanetenbeobachter nach so langer Zeit wieder einmal gehört und gesehen zu haben. Alle freuen sich auf eine Präsenztagung im Jahr 2022.
Journal für Astronomie Nr. 80 | 131
Kometen
Bedeutende Kometen des 2. Quartals 2021
von Uwe Pilz Der Komet C/2021 D1 (SWAN) wurde erst Ende Februar 2021 entdeckt. Michael Jäger aus unserer Fachgruppe gelang damals die erste Bestätigungsaufnahme. Im zweiten Quartal besserten sich die Sichtbarkeitsbedingungen: Der Komet stand bei Einbruch der Dunkelheit genügend hoch. Die Helligkeit des anfangs 11 mag hellen Schweifsterns fiel allerdings rasch ab, so dass nur ein kleines Beobachtungsfenster Anfang April blieb (Abb. 1).
C/2020 T2 (Palomar) näherte sich im zweiten Quartal dem Perihel. Die Helligkeit stieg auf 10 mag an, damit war dieses Objekt für größere Ferngläser erreichbar. Eindrucksvoll war die Begegnung mit dem Kugelsternhaufen Messier 3 (Abb. 2).
1 C/2021 D1 (SWAN) und NGC 940,
03.04.2021, 20:07 Uhr UT, 21-Zoll-Dobson, 155x. Bild: Christian Harder
132 | Journal für Astronomie Nr. 80
2 C/2020 T2 (Palomar) und M 3,
16.05.2021, 22:00 Uhr UT, 340-mmHypergraf, 5 min belichtet mit CMOSKamera QHY268m-ph. Bild: Oliver Schneider
C/2020 R4 (ATLAS) war ein Objekt des Morgenhimmels (Abb. 3). Mitte April durchlief er den erdnächsten Punkt und damit die Maximalhelligkeit von 9 mag, auch aufgrund eines Helligkeitsausbruches. Somit war dieser Komet für Ferngläser erreichbar. Der Schweif war staubreich, aber die Koma gasreich - eine seltsame Konstellation.
3 C/2020 R4 (ATLAS), 11.04.2021, 00:56
Uhr UT, 46 min belichtet mit CCD-Kamera ML16200. Bild: Gerald Rhemann
Mond
100 Jahre Danjon-Skala
von Peter C. Slansky
1921, vor 100 Jahren, stellte Andre Danjon die später nach ihm benannte, fünfstufige Skala zur Beschreibung von Mondfinsternissen vor [1]. Mit damals 31 Jahren stand er als Astronom an der Sternwarte Straßburg noch am Anfang seiner Karriere. 1930 bis 1945 war er Direktor der Sternwarte Straßburg, von 1945 bis 1963 Direktor der Sternwarte Paris. Heute tragen eine Straße in Paris, ein Mondkrater und ein Asteroid seinen Namen.
Wie allgemein bekannt, entsteht eine Mondfinsternis, wenn der Vollmond genau in Opposition zur Sonne steht und in den Schatten der Erde eintritt. Doch selbst der total verfinsterte Mond wird nicht völlig unsichtbar, denn er wird, auch im Kernschatten der Erde, immer noch vom durch die Erdatmosphäre gebrochenen und gestreuten Anteil des Sonnenlichts beleuchtet. Da diese Streuung und Brechung die langen Wellenlängen bevorzugen, erscheint der total verfinsterte Mond bräunlich bis rötlichorange.
Um diese von Finsternis zu Finsternis variierende Helligkeit und Farbe zu klassifizieren, schlug Danjon eine sehr einfache Skala mit einem Koeffizienten L vor, der nur ganzzahlige Werte von 0 bis 4 annehmen kann. Die Abstufungen beschrieb Danjon wie in der Tabelle 1 aufgeführt.
Mit nur fünf Abstufungen ist die DanjonSkala durchaus grob. Schon damals konnte man fragen, ob nicht auch fünf Adjektive genügen würden, wie ,,sehr dunkel", ,,dunkel" ,,mittel", ,,hell", ,,sehr hell". Wozu noch eine numerische Skala?
Bemerkenswert ist, dass Danjon lediglich eine eindimensionale Skala wählte. Immerhin soll sie die Farbe des verfinsterten Mondes beschreiben, und die Farbe ist eine dreidimensionale Größe. Sie kann z. B.
mit den Begriffen Helligkeit, Farbton und Farbsättigung beschrieben werden. Doch offensichtlich war Danjon überzeugt, dass alle Mondfinsternisse demselben Helligkeits-Farb-Zusammenhang folgten. Dementsprechend enthalten seine Abstufungen sowohl Begriffe der Helligkeit (,,sehr dunkel", ,,sehr klar") als auch des Farbtons (,,bräunlich", ,,rot", ,,orangefarben", bläulich") als auch der Farbsättigung (,,grau", ,,rostrot" vs. ,,ziegelrot" vs. ,,kupferrot"). Man vergleiche diesen Ansatz mit dem nur acht Jahre vorher vorgestellten, zweidimensionalen Hertzsprung-Russell-Diagramm: Darin orientiert sich die Farbe der Sterne in etwa entlang der Farbenfolge eines Schwarzen Strahlers von rotorange zu bläulich. Der Spektraltyp wird durch einen Buchstaben beschrieben mit einer angehängten Ziffer von 0-9, die Spektralklasse mit einer römischen Zahl (z. B. V = Hauptreihensterne). So ergibt sich für unsere Sonne G2V.
Ein Grund für die Simplizität seiner Skala liegt in Danjons Grundthese: ,,Ich beabsichtige, in der vorliegenden Arbeit aufzuzeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Leuchtkraft des verfinsterten Mondes und der Phase der Sonnenaktivität zum Zeitpunkt der Verfinsterung gibt."
Was aus heutiger Sicht als eher steile These wirkt, wurde damals in der Fachwelt durchaus ernsthaft diskutiert. Zwar wurde bereits 1921 zur Beobachtung von Mondfinsternissen das ,,objektive" Hilfsmittel der Fotografie eingesetzt, auch durch Danjon selbst. Doch die fotografische Technik befand sich auch damals schon in einem ständigen Wandel. Gerade erst wurden panchromatische Filmmaterialien entwickelt, die auch auf langwelliges Licht reagierten. Gleichwohl blieben die Fotoplatten im rötlichen Licht des verfinsterten Mondes vergleichsweise wenig empfindlich, was ihre Eignung zur Messung der Helligkeit stark
einschränkte. Hinzu kam, dass die mit dem Mittel der Fotografie erreichten Beobachtungsergebnisse nicht weit genug in die Vergangenheit zurückreichten, um eine langjährige Periodizität der Mondfinsternisse ermitteln zu können. Genau um diese ging es Danjon aber. So trug er Berichte visueller Beobachtungen von etwa 150 Mondfinsternissen vom 16. bis ins 20. Jahrhundert zusammen; der erste stammte von Tycho Brahe. Doch die Auswertung dieser sprachlich ganz unterschiedlich gehaltenen Berichte hinsichtlich eines scheinbar so einfachen Parameters wie Helligkeit und Farbe des Mondes zum Zeitpunkt seiner Verfinsterung gestaltete sich sehr schwierig. Eine einfache, quantitative Skala schien hier eine Vereinheitlichung, eine Art Kalibration, zu ermöglichen.
Für seinen Artikel von 1921 konzentrierte sich Danjon auf die Berichte über 70 Mondfinsternisse. In einem Intervall über vier Sonnenaktivitätszyklen von 1823 bis 1867 und in einem Intervall über mehr als vier Zyklen von 1867 bis 1920 bewertete er die Mondfinsternisse nach seiner Skala. Dem zeitlichen Verlauf der L-Werte stellte er die Entwicklung der Sonnenaktivität gegenüber, ausgedrückt durch die 1849 von Rudolph Wolf definierte Sonnenflecken-Relativzahl. Und siehe: Ließ man einige Ausreißer weg, so ergab sich in einem einfachen Diagramm mit dem L-Wert auf der Y-Achse als Funktion der Phase der Sonnenaktivität auf der X-Achse eine frappierende Korrelation: ,,In den zwei Jahren nach einem Minimum der Sonnenaktivität wird der Schatten der Erde sehr dunkel, grau und nicht sehr bunt. Dann, wenn wir uns vom Minimum entfernen, bleibt der Mond bei Finsternissen immer stärker beleuchtet, und seine Färbung wird immer mehr rot. In den drei oder vier Jahren vor dem nächsten Minimum zeigt sich der verfinsterte Mond sehr hell, in Kupferrot oder Orange [1]."
Journal für Astronomie Nr. 80 | 133
Mond
1 Seit 2001 konnte ich bisher acht totale Mondfinsternisse beobachten und fotografieren. Das Komposit zeigt von links nach rechts die
Finsternisse vom 28.09.2015, vom 27.07.2018 und vom 21.01.2019, aufgenommen mit drei verschiedenen Teleskopen an drei verschiedenen Beobachtungsorten, aber mit derselben Kamera mit demselben Weißabgleich. Die Größenunterschiede des Mondes sind real. Aber gilt das auch für die Unterschiede in Helligkeit und Farbe?
Interessanterweise argumentierte Danjon ausschließlich phänomenologisch, ohne eine mögliche physikalische Ursache für die von ihm entdeckte Korrelation der Periodizität auch nur zu erwähnen. Das ist erstaunlich. Selbst wenn man einen direkten Einfluss der Sonnenaktivität auf Helligkeit und Farbe von Mondfinsternissen annahm, so konnte man auch damals schon die Tatsache nicht übersehen, dass sich die Sonnenaktivität in sehr viel langsameren Zyklen änderte, als es der Dauer einer Mondfinsternis entsprach: Es war mehr oder weniger dasselbe Sonnenlicht, das den Vollmond vor, während und nach seiner Verfinsterung beschien. Eventuelle Einflüsse der Sonnenaktivität auf die Helligkeit und Farbe des Mondes konnten also nicht nur während der Verfinsterung des Mondes sichtbar werden, sondern auch unmittelbar davor und danach.
Auf der anderen Seite beschrieb Danjon selbst den starken Einfluss globaler atmosphärischer Phänomene am Beispiel der sehr dunklen Mondfinsternisse nach dem Ausbruch des Vulkans Krakatau im Jahr 1883. Allgemein bekannt waren damals auch die Einflüsse der Erdschattengeometrie sowie der atmosphärischen Extinktion beim ,,Rückweg" des Lichts vom Mond zur Erde. Als Beobachter war Danjon auch erfahren
und kritisch genug, um allein visuell basierten Schätzungen von Helligkeit und Farbe mit Vorsicht zu begegnen. In einem Artikel über die Mondfinsternis vom 14. August 1924 beschrieb er eingehend, warum sich das menschliche Auge wenig als Messgerät eignet, sofern eine bestimmte Zeit zwischen zwei Beobachtungen liegt: ,,Das Auge passt sich so leicht an alle Beleuchtungen an, dass ein Verhältnis von 50.000 zu Eins nicht sehr verschieden von Eins erscheint, wenn die Lichtquellen nicht gleichzeitig sichtbar sind und die Erinnerung ins Spiel kommt. Mehr noch, man kann nicht zwischen 10:1-Lichtquellen, wie hellen und dunklen Mondfinsternissen, unterscheiden [2]."
Nun war zwar in den 1920er-Jahren die geringe Eignung des Auges als absolutes Messgerät bereits bekannt, jedoch nicht die Ursachen hierfür. Das Weber-Fechner-Gesetz, nach welchem Sinneseindrücke wie die Helligkeitswahrnehmung durch das Gehirn logarithmisch bewertet werden, war 1860 formuliert worden. Auch die Definition der astronomischen Magnitude beruht hierauf. Bei der Helligkeits- und Farbwahrnehmung einer Mondfinsternis kommt jedoch eine Vielzahl von Sondereffekten zum Tragen. Viele dieser Abweichungen vom Weber-Fechner-Gesetz wurden erst ab den 1950er-Jahren wissenschaftlich beschrieben. Manche wirken integral, das heißt unabhängig vom Motiv, andere sind hochgra-
Tabelle 1
Die Danjon-Skala der Mondfinsternisse
0 - Sehr dunkle Finsternis, Mond fast unsichtbar, besonders zur Finsternismitte 1 - Dunkle, graue oder bräunliche Finsternis, Monddetails sind schwer zu erkennen. 2 - Dunkelrote oder rostrote Finsternis, meist mit einem roten Fleck am äußeren
Rand. Sehr dunkel im Zentrum des Schattens, der äußere Bereich ist recht hell. 3 - Ziegelrote Finsternis, der Schatten wird oft von einem ziemlich hellgrauen
oder gelben Bereich begrenzt. 4 - Kupferrote oder orangefarbene Finsternis, sehr klar, sehr heller bläulicher Rand
134 | Journal für Astronomie Nr. 80
Mond
dig motivabhängig. Aus ihrer Vielzahl seien drei integral wirkende herausgegriffen, die für die visuelle Beobachtung von Mondfinsternissen wichtig sind: - Der nach Hermann von Helmholtz und
Friedrich Kohlrausch benannte Helmholtz-Kohlrausch-Effekt (1935) besagt, dass bei konstanter Leuchtdichte stark gesättigte Farben heller wahrgenommen werden als schwach gesättigte. - Der nach Robert W. G. Hunt benannte Hunt-Effekt (1952), besagt, dass ein und dieselbe Farbe eines Motivs bei höherer Leuchtdichte gesättigter wahrgenommen wird als bei geringer Leuchtdichte. - Der nach Stanley Smith Stevens und Joseph C. Stevens (nicht verwandt) benannte Stevens-Effekt (1963) besagt, dass derselbe Kontrast eines Motivs bei höherer Leuchtdichte stärker wahrgenommen wird als bei geringer Leuchtdichte.
(Anmerkung: Diese Wahrnehmungseffekte sind auch in meinem Fachgebiet, der Film- und Fernsehproduktionstechnik, sehr wichtig. So muss etwa die Farbbearbeitung eines Films in zwei verschiedenen Versionen vorgenommen werden: eine für die Projektion im dunklen Kino, eine andere für die Betrachtung auf einem Display in einem hellen Raum.)
Danjon hat sich in seinem gesamten Schaffen sehr eingehend mit den Möglichkeiten und Grenzen der visuellen Helligkeits- und Farbbeurteilung auseinandergesetzt. Bereits vor der Formulierung seiner fünfstufigen Skala machte er visuelle Beobachtungen von Mondfinsternissen mit Hilfe von standardisierten Farbfiltergläsern in den Farben Rot, Gelb, Grün und Blau. Später konstruierte er einen Prismenkomparator für den Einsatz am Teleskop, mit dem das Licht des Mondes in zwei getrennte Strahlengänge zuerst aufgespalten und dann wieder zur Deckung gebracht wurde. Im zweiten Strahlengang befand sich eine Iris-
blende und wechselbare Filter, mit denen das Licht der hellen Mondseite an die Helligkeit und Farbe der dunklen Mondseite angepasst werden konnte. Mit einem solchen Gerät führte Danjon von 1924 bis in die 1950er-Jahre optische Vermessungen von Mondfinsternissen durch. Den Nachweis eines direkten Zusammenhangs mit der Sonnenaktivität aber konnte er auch damit nicht erbringen: Seine entdeckte Korrelation beruhte schlicht auf Zufall.
So ist es heute ruhig geworden um die Danjon-Skala. In meinen Recherchen zu diesem Artikel durchsuchte ich - unter anderem - die VdS-Journale für Astronomie von 2009 bis 2019, doch einen Artikel mit einer Klassifikation einer Mondfinsternis nach der Danjon-Skala fand ich nicht (für entsprechende Mitteilungen wäre ich sehr dankbar). Immerhin unterhält die NASA noch eine Website, auf der sie zur Zusendung von Mondfinsternisberichten mit Einstufung in die Danjon-Skala aufruft [3]. Präzise Messungen von Mondfinsternissen können mit einem Fotometer durchgeführt werden [4] oder über kalibrierte Fotoserien [5]. Beide Verfahren sind vergleichsweise aufwändig.
Dem gegenüber steht die große Vielfalt bildlicher Darstellungen von Mondfinsternissen. Wie schwierig dabei die ,,richtige" Darstellung der Helligkeit und Farbe des verfinsterten Mondes ist, lässt sich nicht nur aus der Abbildung 1, sondern auch aus den Bilderstrecken der beiden letzten, in Deutschland gut zu beobachtenden Mondfinsternisse vom 27. Juli 2018 und 21. Januar 2019 ablesen [6, 7]. Insofern kann man Andre Danjons Ansatz einer Vereinfachung und Vereinheitlichung nach 100 Jahren vielleicht doch nachvollziehen. (Die Übersetzungen aus dem Französischen für diesen Artikel erfolgten mit der Freeware www.deepl.com)
Literatur- und Internethinweise (Stand Mai 2021): [1] A. Danjon: ,,Relation entre l´eclaire-
ment de la lune eclipsee et l´activite solaire", in: Societe Astronomique; John G. Wolbach Library, HarvardSmithsonian Center for Astrophysics/ NASA Astrophysics Data System [2] A. Danjon: ,,A propos de l'Éclipse de Lune du 14 Aout 1924", in: Societe Astronomique; John G. Wolbach Library, Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics/NASA Astrophysics Data System [3] NASA-Webseite für Mondfinsternisberichte, https://eclipse.gsfc.nasa. gov/OH/Danjon.html [4] N. Hernitschek, E.Schmidt, M. Vollmer, 2009: ,,Lunar eclipse photometry: absolute luminance measurements and modelling", in: Applied Optics, Jan. 2009, https://www.researchgate. net/publication/23501144, abgerufen am 27.7.2019 [5] P. C. Slansky, 2020: ,,Die Mondfinsternis vom 21.1.2019 - analysiert mit Hilfe einer Vierkanal-Kamera-Fotometrie im visuellen Licht und Infrarot. Teil 1: Methodik", in: VdS-Journal für Astronomie 75 (4-2020); S. 30-33; ,,Teil 2: Ergebnisse", in: VdS-Journal für Astronomie 77 (2-2021), S. 93-96 [6] P. Riepe, 2019: ,,Die totale Mondfinsternis vom 27. Juli 2018 - eine VdS-Bilderstrecke", VdS-Journal für Astronomie 68 (1-2019); S. 20-36 [7] P. Riepe, 2019: ,,Die totale Mondfinsternis vom 21. Januar 2019 - eine VdS-Bilderstrecke", VdS-Journal für Astronomie 70 (3-2019); S. 106-119
Journal für Astronomie Nr. 80 | 135
Sonne
Die Sonne im aufsteigenden Ast zum nächsten Aktivitätsmaximum
von Werner E. Celnik
Unsere Sonnenfotografen verfolgen die derzeit ansteigende Sonnenaktivität in der Photo- und Chromosphäre gespannt und sind stets hinter auffälligen, zum Teil aufregenden Strukturen her.
Wolfgang Bischof aus Recklinghausen beobachtete am 27. April 2021 die interessanten, kurzzeitigen Veränderungen in einer relativ ausgedehnten Protuberanz am Sonnenrand (Abb. 1).
Frank Winkelmann aus Buxtehude fotografierte die Sonnenphotosphäre im Weißlicht am 28. Juni und 01. Juli 2021. Er konnte eine auffällige Fleckengruppe und die Sonnengranulation im Bild festhalten (Abb. 2 und 3).
Es lohnt sich also immer mehr, das Teleskop wieder auf die Sonne zu richten. Natürlich nur mit den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von Augenschäden!
1 Sonnenprotuberanz am 27.04.2021 um 10:30 Uhr UT
(oben) und um 12:27 Uhr UT, Instrument: TS-Photoline ED 110 mm/770 mm, Baader-SolarSpectrum-Filter, Kamera: ZWO ASI 174 MM. Bild: Wolfgang Bischof
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2 Rechts oben: Gesamte Sonne am 28.06.2021
um 11:25 Uhr UT, Instrument: Bresser FH 127 mm/1.200 mm, Aufnahme im Primärfokus, Herschelkeil, Baader-Solarcontinuum-Filter, Kamera: ZWO ASI 178 MM. Mosaik aus 6 Einzelaufnahmen, 150 Frames von 1.000 gestackt, verwendete Software: Autostakkert!3, Photoshop4. Bild: Frank Winkelmann
3 Rechts unten: Fleckengruppe AR 12835+36
am 01.07.2021 um 13:00 Uhr UT, Instrument: Bresser FH 127 mm/1.200 mm, Herschelkeil, 2,7-fach-Barlow, Baader-Solarcontinuum-Filter, Kamera: ZWO ASI 178 MM, 150 Frames von 3.000 gestackt, verwendete Software: Autostakkert!3, Photoshop4. Bild: Frank Winkelmann
Sonne
Sternbedeckungen
Stand der Fachgruppe Bedeckungen
von Eberhard H. R. Bredner
Seit mehr als 400 Jahren werden Sternbedeckungen beobachtet. Das bedeutet auch: Die über Jahrhunderte verfolgte Bedeckung am Mondrand ist die längste Beobachtungsreihe in der Astronomie überhaupt und kann vermutlich nie ,,getoppt" werden.
Nach wie vor ist es unglaublich ästhetisch, totale und streifende Bedeckungen am Mondrand zu beobachten. Aber die früher von der Wissenschaft langjährig gern verwendeten Daten sind heute kaum noch gefragt. Satelliten sind mit ihren Messungen präziser. Es bleibt das nur seltene Auffinden von Doppelsternen am Mondrand. Dabei sind diese Beobachtungen ein wirklich guter Einstieg in die erwartete Präzision von Bedeckungsereignissen. Jede gewünschte Hilfe unterstützen wir.
Veröffentlicht werden im Laufe des Jahres 2022 deshalb nur noch herausragende Ereignisse.
Mit den heutigen Möglichkeiten (leistungsfähige Optiken und hochsensible Kameras) lassen sich nun auch Bedeckungen durch Kleinplaneten gut beobachten. Deshalb wird die Fachgruppe zunehmend eine Auswahl dieser Ereignisse publizieren. Für das erste Quartal 2022 wäre gleich ein Schwerpunkt im Januar (vgl. Tabelle 1). Für die Vorbereitungen zu diesen Beobachtungen sollte man sich über die Bedingungen auf der Webseite der IOTA/ES informieren. Bei allen Fragen bitte eine kurze E-Mail an fg-sternbedeckungen@sternfreunde.de
Tabelle 1
Die spannendsten Bedeckungsereignisse mit Kleinplaneten im 1. Quartal 2022
Kleinplanet
(270) Anahita (96) Aegle (207) Hedda (1765) Wrubel
Datum
06.01.2022 15.01.2022 17.01.2022 18.03.2022
MEZ
00:39 18:20 22:08 01:27
Helligkeit KP
11,9 mag 12,6 mag 13,1 mag 15,5 mag
bedeckter Stern
TYC 1295 1742 TYC 2882 2012 TYC 1890 146 3UC191-116109
Helligkeit Stern
12,5 mag 11,7 mag 11,3 mag 10,9 mag
Sternbild
Stier Perseus Fuhrmann Jungfrau
Streifende Sternbedeckungen durch den Mond
im 1. Quartal 2022
von Eberhard Riedel
Das 1. Quartal des neuen Jahres bietet zwei besonders sehenswerte streifende Bedeckungen von Sternen durch den Mond. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse quer über Deutschland, die der mittlere Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns zu verfolgen. Alle Streifungen finden am unbeleuchteten Mondrand ohne einen störenden Einfluss der Mondhelligkeit statt und sind bereits mit kleineren Fernrohren zu beobachten.
Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden. Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis
die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter Berücksichtigung der Höhe optimiert werden, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch in eine Google-Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
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Karte mit den Grenzlinien der zwei Streifungsereignisse im
1. Quartal 2022
Die Software kann kostenlos unter www.grazprep. com heruntergeladen und installiert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.
Sternbedeckungen
Ereignis 2 am 05.04.2022
Kurz vor Mitternacht des 5. April bedeckt der nur zu 19% beleuchtete zunehmende Mond den 4,3 mag hellen Stern Ypsilon (69) Tauri mit seinem unbeleuchteten Nordrand. Die Streifungslinie zieht sich von Meppen über Bünde, Lemgo, Göttingen und Weimar bis nach Auerbach/Vogtland. In den östlichen Landesteilen wird die Beobachtung allerdings etwas durch die geringe Horizonthöhe erschwert. Die meisten Kontakte des Mondrandes mit dem Stern sind zu beobachten, wenn man sich ca. 1.330 m südwestlich der vorhergesagten Streifungslinie positioniert. Die Abbildung 2 zeigt für die Länge 10 Grad Ost in der Nähe von Göttingen zwischen 23:55:09 und 23:56:38 Uhr MESZ das 8-fache Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns. Ypsilon Tauri ist ein sehr enger Doppelstern. Denkbar ist, dass es dadurch manchmal zur Bedeckung von nur einer
2 Die scheinbare Sternbahn von Ypsilon (69) Tauri, 12 -fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 1,5 km
der beiden Komponenten kommt und der Stern nicht vollständig erlischt.
Die Grafik ist, wie alle anderen, für Meereshöhe gerechnet. Bei deutlich höher gelegenen Beobachtungsstationen muss
deren Höhe unbedingt in die Berechnung einbezogen werden, um eine genügend genaue Vorhersage zu erhalten (zur Software s. Haupttext).
Journal für Astronomie Nr. 80 | 139
Sternbedeckungen
Ereignis 1: 23.01.2022
Am frühen Morgen des 23. Januar zieht ab 02:55 Uhr MEZ der zu 75% beleuchtete abnehmende Mond mit seinem zerklüfteten Südrand am 6,9 mag hellen Stern SAO 119278 vorbei. Die Streifung beginnt in Nordrhein-Westfalen und läuft auf einer schmalen Linie über Erkelenz, Köln, Bonn, Frankfurt/Main, Bad Mergentheim, Neuburg/Donau und Dorfen bis nach Salzburg.
Die Abbildung 1a zeigt für die Länge 10 Grad Ost bei Niederstetten, dass die scheinbare Sternbahn (blauweiß gestrichelte Linie mit Minutenangaben) den unbeleuchteten mittleren Mondrand im bequemen Abstand vom Terminator (linker Bildrand) tangential berührt. Die Grafik zeigt, dass der über das mittlere Mondniveau (weiß gepunktete Linie) hinausragende Berg den Stern zwischen 03:00:55 und 03:02:58 Uhr MEZ für ca. 2 Minuten bedeckt. Die Höhen am Mondrand sind hier 6-fach überhöht dargestellt, weshalb die scheinbare Sternbahn gekrümmt ist.
1 a Die scheinbare Sternbahn von SAO 119278 (blauweiß gestrichelte Linie) bei
Beobachtung genau von der vorhergesagten Grenzlinie, 6-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 3 km
Die roten Begrenzungslinien deuten an, wie sich die scheinbare Sternbahn verschiebt, wenn man sich um +- 3.000 Meter senkrecht zur Bewegungsrichtung des Mondschattens am Erdboden bewegt. Von jedem Standpunkt aus ergeben sich andere Kontaktzeiten. So kann man sich sowohl in das Profil ,,hineinbewegen", indem man von der vorhergesagten Linie nach Nordosten ausweicht, oder ,,herausbewegen", wenn man nach Südwesten ausweicht.
Die Abbildung 1b ist ein vergrößerter Ausschnitt der Bergspitze, die den Stern streifend bedeckt, wenn man ca. 3.690 Meter im Südwesten der vorhergesagten Linie beobachtet. Viele kleine Erhebungen führen dort zu mindestens 10 Kontakten des Mondrandes mit dem Stern. Die Mondhöhen sind hier in 12-facher Überhöhung dargestellt. Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz der Sternbahn bei +- 100 Metern auf der Erdoberfläche.
1 b Die scheinbare Sternbahn von SAO 119278 (blauweiß gestrichelte Linie) bei
Beobachtung 3.690 m südlich der vorhergesagten Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 100 m
Einen erheblichen Einfluss auf die zu beobachtenden Kontakte hat auch die Höhe des Beobachtungsortes, für die die aufzusuchende Beobachtungsposition korrigiert werden muss (zur Software s. Haupttext).
SAO 119278 ist nicht als Doppelstern bekannt. Nicht selten wurden allerdings bei Sternbedeckungen durch ein zeitversetztes Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns Doppelsterne entdeckt.
140 | Journal für Astronomie Nr. 80
Veränderliche
Der Kleinplanet Immo (2373) führte zur Supernova SN 2021hiz
von Klaus Wenzel
Mein eigentliches Ziel am 03.04.2021 war der Kleinplanet Immo (2373) bei seiner Passage durch die Galaxiengruppe um NGC 4365 im Virgo-Galaxienhaufen. Doch der Zufall wollte, dass wenige Tage vor dieser Beobachtung in der Galaxie IC 3322A eine Supernova explodierte, die mir zufällig dabei ins Netz ging. Leider ein paar Tage zu spät, da die Supernova mit der Bezeichnung SN 2021hiz bereits am 30.03.2021 von der Zwicky Transient Facility (ZTF) als schwaches 17-mag-Sternchen entdeckt wurde. Beim ZTF handelt es sich um ein automatisiertes Suchprogramm für Supernovae, Novae und ähnliche plötzliche Ereignisse am Himmel, das, nach dem Schweizer Astronomen Fritz Zwicky (1898-1974) benannt, am 1,2-m-Schmidt-Teleskop auf dem Mount Palomar durchgeführt wird. Zwicky suchte und erforschte am Mount Palomar Observatory unter anderem mit Walter Baade (1893-1960) Supernovae. Auch der Begriff Supernova geht auf diese beiden Astronomen zurück.
Der Kleinplanet Immo (2373) Der Kleinplanet Immo (2373) ist ein etwa 20 km großer Hauptgürtel-Asteroid, mit einer Apheldistanz von 3,28 AE und einer Periheldistanz von 2,31 AE. Für einen Umlauf benötigt Immo 1.707 Tage. Entdeckt wurde Immo bereits am 04.08.1929 von dem Heidelberger Astronomen Max Wolf auf der Platte D3536 am 72-cm-Waltz-Reflektor der Sternwarte auf dem Königsstuhl. Die Platte D3536 diente eigentlich zur Suche und Identifikation des Kometen Neujmin (1929 III, heute 42P) der gerade mal zwei Tage vorher von dem russischen Astronomen Grigory Neujmin (1886-1946) entdeckt wurde. Immo (2373) alias 1929PC befand sich in dieser Nacht etwa 44' nordwestlich des Kometen. Benannt wurde 1929PC schließlich erst viele Jahrzehnte später, 1991, nach Immo Appenzeller, einem Nachfolger von Max Wolf als Direktor der Landessternwarte.
Da ich zu Immo Appenzellers Zeit oft bei Holger Mandel zu Recherchen in der Bibliothek auf der Landessternwarte zu Besuch war, war dies für mich die Motivation, den Kleinplaneten Immo (2373) bei seiner Passage in der Region um NGC 4365 zu beobachten.
Die Beobachtung vom 03.04.2021 Im Vorfeld führte ich am 06.03.2021 eine erste Beobachtung dieser Region, sozusagen als Referenzaufnahme, am 8,3-ZollNewton-Astrografen in meiner Sternwarte durch. Und tatsächlich, am Abend des 03.04.2021 spielte das Wetter mit. Immo (2373) mit einer Helligkeit von etwa 17 mag befand sich ca. 9' nordöstlich von NGC 4365 und nur etwa 1' südlich von NGC 4370. Um 22:28 Uhr UT startete ich eine erste 30-Sekunden-Aufnahme. Als dieses Bild auf meinem Bildschirm erschien, fiel mir sofort der Stern (ca. 15 mag) im nördlichen Bereich der spindelförmigen Galaxie IC 3322A auf (Abb. 1). Bei einem ersten
1 Links: 06.03.2021, CCD-Aufnahme noch ohne Kleinplanet und ohne Supernova; rechts: 03.04.2021 um 21:35 Uhr UT mit Kleinplanet
Immo (2373) südlich von NGC 4370 sowie der Supernova SN 2021hiz im nördlichen Bereich von IC 3322A; Instrument: 8,3-Zoll-Newton, 10 x 45 s, Bildfeld ca. 18' x 18'; Bild: Klaus Wenzel
Journal für Astronomie Nr. 80 | 141
Veränderliche
2 Supernova SN 2021hiz, zwei Überwachungsaufnahmen am 8,3-Zoll-Newton (f/3,9), 10 x 45 s, Bildfeld ca. 10' x 12'. Links: 14.04.2021,
20:07 Uhr UT, Helligkeit 13,1 mag (Maximum); rechts: 03.05.2021, 20:11 Uhr UT, Helligkeit 14,1 mag; Bild: Klaus Wenzel
Vergleich mit meiner Referenzaufnahme war die Sache klar - dieser Stern war vor 4 Wochen noch nicht da. Alles deutete auf eine Supernova hin. Dieser Verdacht sollte sich auch bestätigen. Bei einer nachfolgenden Recherche im Internet musste ich dann allerdings feststellen, dass von der Zwicky Transient Facility (ZTF) bereits am 30.03.2021 ein Objekt (ZTF21aaqytjr) von etwa 17 mag im nördlichen Bereich von IC 3322A entdeckt wurde, welches 24 Stunden später als Supernova vom Typ Ia bestätigt wurde [1]. Schade, wäre Immo (2373) ein paar Tage früher in dieser Konstellation gewesen, hätte ich vielleicht eine Entdeckungschance gehabt.
thermonuklearen Explosion, bei welcher der Weiße Zwerg völlig zerstört wird. Aufgrund dieses analogen Ausbruchsverhaltens gelten Supernovae dieses Typs auch als so genannte ,,Standardkerzen" zur Entfernungsbestimmung. Dies ist nur eine kurze, ganz vereinfachte Darstellung dieses Phänomens. Eine detaillierte Beschreibung findet man in [2] oder eine schöne Grafik in [3].
Weitere Beobachtungen Bei meiner zufälligen Erstbeobachtung dieser Supernova betrug die Helligkeit 14,7 mag. Bei einer ersten Folgebeobachtung
zwei Tage später, am 05.04.2021, schätzte ich die Helligkeit dieses Mal zunächst visuell am 12,5-Zoll-Newton auf 14,2 mag. Die Supernova war also deutlich heller und noch im Anstieg zu ihrer Maximalhelligkeit. Bei dieser visuellen Beobachtung war die Supernova auch viel auffälliger als die Galaxie selbst, die indirekt als länglicher, nordsüdorientierter diffuser Nebel erkennbar war. Aufgrund dieser Tatsache und der guten Position am Abendhimmel beschloss ich, diese Supernova nun längerfristig hauptsächlich mit der CCD-Kamera zu beobachten. Bis auf fünf Remote-Beobachtungen (in CV) am Coast-Teleskop
Supernova Typ Ia Bei den Supernovae vom Typ Ia handelt es sich um sehr enge Doppelsternsysteme (kataklysmische Systeme), bei denen die eine Komponente, ein Weißer Zwerg, Masse von seinem nahen Begleiter abzieht (Akkretion). Im Vorfeld des Supernovaausbruchs kann es hierdurch auch zu Nova- oder Zwergnova-Ausbrüchen kommen. Überschreitet die Masse des Weißen Zwerges aber schließlich die Chandrasekhar-Grenze (1,4-fache Sonnenmasse), kommt es zur
3 Typ-Ia-Supernova SN 2021hiz, Gesamtlichtkurve nach CCD-Beobachtungen
von Klaus Wenzel
142 | Journal für Astronomie Nr. 80
VdS-Nachrichten
(11-Zoll-SCT) in Teneriffa wurden alle Beobachtungen (in CV) in meiner Dachsternwarte an den beiden Newton-Teleskopen (6 und 8,3 Zoll) durchgeführt (Abb. 2).
Die Lichtkurve Der steile Anstieg setzte sich zunächst weiter fort (Abb. 3). Am 14.04.2021 war dann mit 13,1 mag das Maximum erreicht. Nach einem kurzen Plateau (> 13 mag) folgte dann der kontinuierliche Abstieg. Zunächst steil (etwa 0,5 mag in den ersten 10 Tagen) bis Mitte Mai. Danach flachte sich der Ab-
stieg deutlich ab, wie es bei einer Supernova vom Typ Ia auch zu erwarten ist. Bei meiner letzten Beobachtung am 15.06.2021 lag die Helligkeit nur noch bei 15,3 mag.
Insgesamt konnte ich diese Supernova vom 03.04.-15.06.2021 an 22 Tagen (inkl. 5 Remote-Beobachtungen am Coast-Teleskop in Teneriffa) zur Erstellung einer Lichtkurve erfolgreich beobachten.
Literaturhinweise: [1] G. Dimitriadis et. al., 2021: "Spectro-
scopic classification of AT 2021hiz with SOAR", The Astronomer's Telegram (ATel) #14500 (31.03.2021) [2] W. Hillebrand, A. Müller, 2020: ,,Eine neue Sicht auf Supernovae (Teil 1)", Sterne und Weltraum 03-2020, S. 30; ,,...Teil 2" in: Sterne und Weltraum 042020, S. 40 [3] W. Quester, 2005: ,,NGC 6946 - Galaxie der Supernovae", VdS-Journal für Astronomie 18 (3-2005), S. 104
Nachruf
Lutz Clausnitzer (1949-2021)
- begeisterter Amateurastronom und unermüdlicher Kämpfer für das Schulfach Astronomie
,,Wir Menschen haben uns Jahrtausende mit dem Sternenhimmel auseinandergesetzt, um letztendlich zu erkennen, dass er die Grundlage für unsere Existenz ist."
(Lutz Clausnitzer)
Aufgrund seiner zahlreichen Aktivitäten auf astronomischem Gebiet dürfte der Name Lutz Clausnitzer den meisten von uns Sternfreunden ein Begriff sein.
Astronomie war nicht nur seine Leidenschaft, sein Hobby, sondern er hatte auch das Glück, beruflich astronomisch aktiv zu sein. Am altehrwürdigen Geschwister-Scholl-Gymnasium in Löbau unterrichtete er neben Physik und Mathematik über mehrere Jahrzehnte auch seine Lieblingswissenschaft und vermittelte die Begeisterung vom gestirnten Himmel und der Kenntnis der ihm zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten. Umso mehr grämte ihn die Rückstufung des Unterrichtsfaches Astronomie im Schulsystem des Freistaates Sachsen im Jahr 2007 vom Pflichtfach Klasse 10 an Oberschulen und Gymnasien und dessen halbgare Integrierung in den Physik-, Geografie- und naturwissenschaftlichen Profilunterricht.
Von der Fragwürdigkeit des bereits 2002 durch die sächsische Staatsregierung getroffenen Beschlusses überzeugt, engagierte sich Lutz maßgeblich und auf vielfältige Weise, diesen rückgängig zu machen. Zu den Aktivitäten zählten unter anderem
sachsenweit durchgeführte Unterschriftensammlungen an Schulen mit rund 2.500 Lehrerunterschriften und über 30.000 Unterschriften von Schülern und Eltern, die Erstellung eines von 117 weltweit anerkannten Wissenschaftlern und Professoren unterzeichneten Briefs an Bildungspolitiker nicht nur im Freistaat Sachsen, sondern in der gesamten Bundesrepublik, die Sammlung bildungspolitischer Argumente und deren Veröffentlichung in Fachzeitschriften und offenen Briefen, die Gründung und Mitwirkung in der Initiative ,,ProAstro Sachsen", deren stellvertretender Landesvorsitzender er bis zuletzt gewesen ist. Eine Aufstellung der durch Lutz initiierten Maßnahmen lässt sich auf seinem Internetauftritt www. lutz-clausnitzer.de unter der Rubrik Astronomie/ProAstroSachsen finden.
Journal für Astronomie Nr. 80 | 143
VdS-Nachrichten
Neben diesem bildungspolitischen Engagement war die Vermittlung astronomischer Inhalte für unterschiedliche Interessengruppen ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens. Dazu zählten Vorträge auf wissenschaftlichen Kongressen sowie an Hochschulen und Universitäten ebenso wie Vorträge auf Volkssternwarten oder in Pflegeheimen. Die Themen sind breit gefächert gewesen: Raumfahrt, Geschichte der Astronomie, Beobachtungsgrundlagen. Ein besonderes Faible entwickelte Lutz für den Oberlausitzer Astronomen Wilhelm Tempel, welcher 1821 im ostsächsischen Niedercunnersdorf bei Löbau geboren wurde. Im Rahmen der NASAMission ,,Deep Impact", die den Kometen 9P/Tempel 1 im Jahr 2005 untersuchte, organisierte er den Besuch einer NASADelegation von Wissenschaftlern und Ingenieuren im Jahr 2002 im Geburtsort von Tempel, welcher bei allen Teilnehmern bleibende Eindrücke hinterließ. Natürlich war Lutz beim Start der NASA-Sonde in Cape Canaveral dabei.
Die Faszination einer totalen Sonnenfinsternis zog auch ihn in ihren Bann, und so manche dieser seltenen Naturschauspiele beobachtete und dokumentierte er vor Ort, zuletzt 2017 in Wyoming (USA) und
2019 in Chile auf der Europäischen Südsternwarte in La Silla. Natürlich berichtete er in verschiedenen Medien über seine Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke, die er bei diesen Reisen gewonnen hatte.
Deutschlandweit bekannt ist Lutz nicht zuletzt durch seine astronomischen Postkarten (siehe auch VdS-Journal für Astronomie 78, S. 140) mit selbst angefertigten Sternenhimmel-Aufnahmen über der Skyline verschiedener deutscher Städte sowie durch die unter seiner Mitwirkung entwickelte Smartphone-App ,,AudioHimmelsführungen", die den Sternenhimmel informativ, originell und anschaulich in sechs Folgen erklärt und in der Zwischenzeit mehrsprachig für Android und iOS vorliegt. Auch bei diesen beiden Projekten zeigte sich wieder sein Herzblut für die Astronomie und deren Vermittlung. Er entwickelte zum Beispiel Arbeitsblätter für die einzelnen Folgen der App und ermöglicht somit deren Einsatz im Unterricht. Sternwarten und astronomischen Einrichtungen wurden die Postkarten in größerer Stückzahl für den Weiterverkauf ohne eigene Gewinnabsicht zur Verfügung gestellt. Am 7. Juli 2021 verstarb Lutz Clausnitzer völlig überraschend und unerwartet im
Alter von 72 Jahren. Es gäbe noch eine Menge über ihn und seine astronomischen Aktivitäten zu berichten. Jeder, der ihn kannte, wird ihn mit seiner freundlichen, ehrlichen, zurückhaltenden und freundschaftlichen Art vermissen. Sein Bestreben, die Begeisterung für die Astronomie weiterzugeben, und seine unermüdliche Suche nach Ideen, Möglichkeiten, Argumenten und Befürwortern für die Weiterentwicklung der astronomischen Bildung waren seine Lebensaufgabe.
Ich lernte Lutz im Jahr 2004 auf der Sternwarte ,,Bruno Bürgel" in Sohland/Spree, zu der er immer ein besonders gutes Verhältnis pflegte, kennen. Da wir die gleichen Fächer unterrichteten und ähnliche Ansichten und Werte teilten, war schnell eine freundschaftliche Brücke zwischen uns entstanden. Nicht nur mir, sondern vielen astronomiebegeisterten Menschen unseres Landes wird Lutz Clausnitzer sehr fehlen.
Ich danke den Sternfreunden Wolfgang Knobel und Klaus Oswald von der Sternwarte Sohland/Spree für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Nachrufs. Dirk Irrgang
Nachruf
Erinnerung an Wolfgang Meyer
(1947-2021)
Am 26. März 2021 verstarb nach zweimonatigem Krankenhausaufenthalt der Berliner Sternfreund Wolfgang Meyer. Er engagierte sich bereits in jungen Jahren an der WilhelmFoerster-Sternwarte. Dort wurde er zum freien Mitarbeiter, begeisterte Besucher mit seinen Sternführungen, betreute die Bibliothek und arbeitete in der technischen Wartung. Er veröffentlichte zwei Bände über Sternhaufen und Nebel und eine Schrift über Beobachtungsobjekte für kleine und mittlere Fernohre. Die Beobachtung von Mond und Planeten war - neben dem Modellbau u. a. von Raumfahrtobjekten - seine besondere Leidenschaft. Er gehörte viele Jahre zum Organisationsteam der Violauer Planetentagung, die er mit seiner freundlichen Art stets mitprägte. Wolfgang Meyer war Mitarbeiter und zeitweiliger Leiter der Fachgruppe Planeten der VdS. Paul Hombach
144 | Journal für Astronomie Nr. 80
GROSSER BÄR
GIRAFFE
KASSIOPEIA
LÖW IN E E KLE R
LÖWE Regulus
LUCHS
Capella
Castor Pollux
KREBS
FUHRMANN ZWILLINGE
WASSERSCHLANGE Alphard
SÜDOST
KLEINER HUND
Procyon
Beteigeuze
EINHORN
Sirius
GROSSER HUND
Aldebaran ORION
Rigel HASE
Sternkarte exakt
gültig für 15. Januar 2022
22 Uhr MEZ
SÜD
Mondphasen im Januar 2022
Algol PERSEUS
ANDROMEDA DREIECK
Plejaden
WIDDER
STIER
Uranus
PEGASUS FISCHE
ERIDANUS
WALFISCH
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zusammengestellt von Werner E. Celnik, mit Beiträgen von Dietmar Bannuscher (Veränderliche Sterne), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Kleinplaneten).
Neumond 2.1.
Erstes Viertel 9.1.
Ereignisse im Januar
01. 07:40 Mond 10,4 Grad O Antares (1,1 mag) und 7,4 Grad SO Mars
(1,5 mag, 4,0''), SO-Horizont
01. Abend Beginn Merkursichtbarkeit
01. 23:55 Mond erdnah, 33,4'
02. 19:34 Neumond
02. 23:43 RZ Cas Minimum
03. 01:06 Beta Per (Algol) Minimum
03. 17:15 Planetenkette am NW-Himmel: Venus, Merkur, Saturn,
Jupiter
04. 8h
Erde im Perihel, 147,1 Mio. km
04. 17:15 Mond 8,1 Grad O Merkur (-0,7 mag, 6,4'') und 5,2 Grad S Saturn
(0,7 mag, 15,4''), SW-Horizont
04. 2. Nacht- Maximum Meteorschauer der Quadrantiden, 42 km/s,
hälfte bis 200/h, nur wenig helle
05. 18:30 Mond 7,9 Grad SW Jupiter (-2,1 mag, 35,1'')
05. 21:54 Beta Per (Algol) Minimum
07.
Mond Libration 9,8 Grad NW, PoWi 312 Grad
07. Abend Merkur in größter östl. Elong., 29 Grad
08. ab 17:20 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 18:46
08. 23:09 RZ Cas Minimum
09. 2h
Venus (-4,0 mag, 61'') in unt. Konj. mit der Sonne,
Venus 5 Grad N, Wechsel vom Abend- zum Morgenhimmel
09. 19:11 Erstes Viertel
13. Abend Ende Merkursichtbarkeit
14. 02:07 Mond 5,9 Grad N Aldebaran (1,0 mag)
14. 10:26 Mond erdfern, 29,4'
Vollmond 18.1.
Letztes Viertel 25.1.
14. 22:35 RZ Cas Minimum
15. ab 19:15 Io mit Schatten vor Jupiter
16. 22h
Kleinplanet (7) Iris (7,7 mag) 9,4' SW 68 Gem (5,3 mag)
und 3,7' NW SAO 97012 (6,6 mag), Sternbild Zwillinge
17. 19h
Mond 3,7 Grad SO Pollux (1,2 mag)
18. 00:48 Vollmond
20 20:30 Mond 5,4 Grad NO Regulus (1,4 mag)
21.
Mond Libration 8,6 Grad SO, PoWi 140 Grad
23. ca. 02:55 Streifende Sternbedeckung Mond - SAO 119278
(6,9 mag), Linie Erkelenz - Köln - Bonn - Frankfurt/Main
- Bad Mergentheim - Neuburg/Donau - Dorfen - Salzburg
25. 6h
Mond 7,7 Grad O Spica (1,1 mag)
25. 14:41 Letztes Viertel
25. 23:37 Beta Per (Algol) Minimum
26. ca. 06:43 Mond bedeckt a1+2 Librae (2,8 mag), bis ca. 08:12
(Taghimmel), genaue Zeit abh. v. Standort
26. 21:26 RZ Cas Minimum
27. 00:48 X Tri Minimum
27. 18:59 Kleinplanet (138) Tolosa bedeckt HIP 32194 (8,8 mag, im
off.Hfn NGC 2266) für 4,9 s, Hell.-Abfall um 4,2 mag,
Sternbild Zwillinge, Pfad S-Österreich
28. 00:07 X Tri Minimum
28. 6h
Mond 4,1 Grad NO Antares (1,1 mag)
28. 23:26 X Tri Minimum
29. 7h
Mond 5,8 Grad SW Mars (1,4 mag, 4,3''), SO-Horizont
29. 22:45 X Tri Minimum
30. 08:11 Mond erdnah, 33,0'
Journal für Astronomie Nr. 80 | 145
JAGDHUNDE
GROSSER BÄR
GIRAFFE Capella
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
KLEINER LÖWE
LÖWE
Regulus
LUCHS Castor
Pollux
KREBS
FUHRMANN
ZWILLINGE
Aldebaran
Procyon
KLEINER HUND
Beteigeuze
ORION
BECHER SÜDOST
SEXTANT
Alphard
EINHORN
RSCHLANGE WASSE
KOMPASS
HINTERDECK
Sirius
GROSSER HUND
Rigel HASE
Sternkarte exakt
gültig für 15. Februar 2022
22 Uhr MEZ
SÜD
Mondphasen im Februar 2022
PERSEUS Algol
ANDROMEDA DREIECK
STIER
WIDDER FISCHE Uranus
WALFISCH
ERIDANUS
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Quellen: US Naval Observatory, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto), Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]).
Neumond 1.2.
Erstes Viertel 8.2.
Ereignisse im Februar
01. 06:46 Neumond
02. 18h
Mond 6,7 Grad S Jupiter (-2,0 mag, 33,6''), SW-Horizont
03. 01:33 RZ Cas Minimum
04. 01:56 Kleinplanet (232) Russia bedeckt HIP 65420 (5,6 mag)
für 5,8 s, Hell.-Abfall um 8,6 mag, Sternbild Jungfrau,
Pfad in S-Schweiz
04.
Mond Libration 8,7 Grad NW, PoWi 314 Grad
04. 20h
Saturn in Konj. mit der Sonne
08. 14:50 Erstes Viertel
09. 00:59 RZ Cas Minimum
10. 1h
Mond 7,1 Grad NW Aldebaran (1,0 mag)
11. 03:38 Mond erdfern, 29,5'
13. Morgen Venus in größtem Glanz, -4,9 mag
13. 06:30 Venus (-4,9 mag, 40,2'') 6,6 Grad N Mars (1,3 mag, 4,5''),
SO-Horizont
13. 23:25 Mond 2,9 Grad S Pollux (1,2 mag)
15. 00:25 RZ Cas Minimum
16. 17:57 Vollmond
16. 20:24 Mond 4,1 Grad N Regulus (1,4 mag)
17. Morgen Merkur in größter westl. Elong., 26 Grad , schwache
Sichtbarkeit im Süden
17.
Mond Libration 8,1 Grad SO, PoWi 144 Grad
20. 0h
Kleinplanet (20) Massalia (9,0 mag) in Opposition zur
Sonne, Sternbild Krebs
Vollmond 16.2.
Letztes Viertel 23.2.
20. 23:51 21. 00:00 21. 22h
23. 23:32 24. 05:30 26. 23:16 26. 23:26 27. 06:30
27. 20h
RZ Cas Minimum Mond 4,2 Grad NO Spica (1,1 mag)
Kleinplanet (20) Massalia (9,0 mag) 25' N o2 Cnc
(5,7 mag), Sternbild Krebs Letztes Viertel Mond 2,8 Grad N Antares (1,1 mag) RZ Cas Minimum Mond erdnah, 32.5' Mond 9,7 Grad S Venus (-4,6 mag, 32,4'') und 4,9 Grad SW Mars (1,3 mag, 4,7''), SO-Horizont Zwergplanet (1) Ceres (8,6 mag) 19' S 37 Tau (4,3 mag), im Planetentor, Sternbild Stier
146 | Journal für Astronomie Nr. 80
NÖRDL. KRONE
Gemma
BOOTES
JAGDHUNDE
Arktur
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
Spica
SÜDOST
RABE
BECHER
Sternkarte exakt gültig für 15. März 2022 22 Uhr MEZ
Mondphasen im März 2022
GROSSER BÄR
LUCHS
Capella FUHRMANN
PERSEUS Plejaden
KLEINER LÖWE
Castor Pollux
ZWILLINGE
Aldebaran
STIER
LÖWE
Regulus
KREBS
KLEINER HUND Procyon
Beteigeuze EINHORN
ORION
SEXTANT
Alphard
Rigel
RSCHLANGE WASSE
KOMPASS HINTERDECK
Sirius
HASE
ROSSER G ND HU
SÜDWEST
ANUS ERID
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
SÜD
www.sternfreunde.de
Alle Zeitangaben in MEZ, für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben. Zum Umrechnen in MESZ im Zeitraum 28.03.2020, 2:00 Uhr MEZ, bis 31.10.2020, 2:00 MEZ, eine Stunde zu den Zeitangaben addieren. ,,Libration West" bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom westlichen Mondrand (Mond-Osten) befindet.
Neumond 2.3.
Erstes Viertel 10.3.
Ereignisse im März
02. 18:35 Neumond
03.
Mond Libration 7,8 Grad NW, PoWi 322 Grad
04. 22:42 RZ Cas Minimum
05. 15h
Jupiter in Konj. mit der Sonne
07. 20h
Zwergplanet (1) Ceres (8,7 mag) 7,3' O V1137 Tau
(6,1 mag), Sternbild Stier
08. 20h
Kleinplanet (7) Iris (9,3 mag) 1,8' NO 51 Gem (5,1 mag,
Typ M3), Sternbild Zwillinge
09. 19h
Mond 6,7 Grad N Aldebaran (1,0 mag)
10. 11:45 Erstes Viertel
11. 00:05 Mond erdfern, 29,6'
12. 05:30 Venus (-4,5 mag, 27,2'') 4,0 Grad N Mars (1,2 mag, 4,9'')
13. 3h
Mond 4,3 Grad SW Pollux (1,2 mag)
16.
Mond Libration 8,3 Grad SO, PoWi 143 Grad
16. 4h
Mond 4,1 Grad N Regulus (1,4 mag)
18. 08:18 Vollmond
20. 5h
Mond 3,9 Grad N Spica (1,1 mag)
20. Morgen Venus in größter westl. Elong., 47 Grad
20. 16:33 Sonne im Frühlingspunkt, Frühlingstagundnachtgleiche
23. 04:30 Mond 5,6 Grad NW Antares (1,1 mag)
24. 00:43 Mond erdnah, 32,3'
25. 06:37 Letztes Viertel
27. 02:00 Umstellung von MEZ auf Sommerzeit MESZ,
Uhr um 1 Stunde vorstellen
28. 21:26 RZ Cas Minimum
30.
Mond Libration 7,7 Grad NW, PoWi 326 Grad
Vollmond 18.3.
Letztes Viertel 25.3.
Journal für Astronomie Nr. 80 | 147
Vorschau