Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 79
NACH REDAKTIONSSCHLUSS
4 VdS-Tagung und Mitgliederversammlung 2021 wird online ausgerichtet (VdS-Vorstand)
5 Am 16. Oktober 2021 ist Astronomietag! (VdS-Vorstand)
SPT/CITIZEN SCIENCE
6 Einleitung zum Schwerpunktthema Citizen Science (Schuller Frederic)
7 Astronomische wissenschaftliche Arbeiten, die von "Citizen Scientists" durchgeführt werden können (Koschny Detlef, Schuller Katja)
12 Neutronensterne mit dem eigenen Computer finden (Knispel Benjamin)
16 Uuml;ber Sternströme und andere leuchtschwache Phänomene um Galaxien (Reese Carsten, Riepe Peter)
22 Erforschung der Kleinplaneten durch Sternbedeckungen (Wünsche Nikolai)
26 Amateurastronomen liefern Daten für ein EU-gefördertes Forschungsprojekt (Guhl Konrad)
28 Fotometrie der Nova Cassiopeiae 2021 = V1405 Cas (Vollmann Wolfgang)
30 HOYS - Bürgerwissenschaftler "jagen" Ausbrüche junger Sterne (Freobrich Dirk, Eislöffel Jochen)
34 AllSky7 - ein neues Feuerkugelüberwachungsnetz (Molau Sirko)
38 Wiederentdeckung des gefährlichen Kleinplaneten 2009 DM45 (Schwab Erwin)
AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
42 Schubsen mit Pfiff: Mit einem Dobson sicher ans Ziel (Wüst Peter)
ASTROFOTOGRAFIE
45 Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie - Das Astrofoto des Jahres 2020 (Zilch Thorsten)
46 Uuml;berraschungen beim Galaxienpaar NGC 7769 und NGC 7771 (Riepe Peter, Wallner Bernd)
IMPRESSION
50 Juno bei M 10 (Kaiser Harald)
ASTROFOTOGRAFIE
52 Neue Astrofotos (Riepe Peter)
ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
58 Die Fachgruppe Archäoastronomie der Sternwarte "Bruno H. Bürgel", Sohland an der Spree (Herold Ralf)
62 Bericht über einen gelungenen Start - Zusammenarbeit der Jugendgruppen der Fachgruppe mit VEGA e.V. (Wachter Simon)
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
63 Die astronomische Bedeutung des "Sonnenobservatoriums" Goseck (Pilz Uwe, Filling Holger)
65 Die Simulation des Mehrkörperproblems mit professionellen Mitteln (Pilz Uwe)
ATMOSPHäRISCHE ERSCHEINUNGEN
67 Und es hat ZOOM gemacht - 41. AKM-Seminar in sechs Ländern (Schmidt Elmar)
DEEP SKY
70 Visuelle Beobachtung der Galaxien im Umfeld von SS Cygni (Wenzel Klaus)
72 Skyguide 2021 - 3 (Herbst) (Zebahl Robert, Merting Rene)
GESCHICHTE
74 Zwei Bücher und viele Karten (Bannuscher Dietmar)
KLEINE PLANETEN
76 Kosmische Begegnungen (Hohmann Klaus, Ries Wolfgang)
KOMETEN
78 Bedeutende Kometen des 1. Quartals 2021 (Pilz Uwe)
80 Die Erscheinung des Kometen Leonard zum Jahreswechsel 2021/2022 (Pilz Uwe)
MOND
82 Fotodokumentation von Mondstrukturen, die nur bei günstigen Librationswinkeln sichtbar sind (Bischof Wolfgang)
85 Strukturen im Kraterschatten (Gährken Bernd, Bischof Wolfgang)
87 VdS-Bilderstrecke Mond (Riepe Peter)
PLANETEN
92 Fotografie und Auswertung der Annährung von Saturn und Jupiter 2020 (Rückriem Robert)
RADIOASTRONOMIE
94 Beobachtung eines intensiven Fast Radio Bursts mit dem 25-m-Stockert-Radioteleskop (Hermann Wolfgang)
96 Wie man Kindern und absoluten Laien die Funktion eines Radioteleskops erklären kann (Lensch Fritz)
98 Radioteleskop Effelsberg: Siebenmal in 50 Jahren (Celnik Werner E.)
STERNBEDECKUNGEN
103 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 4. Quartal 2021 (Riedel Eberhard)
VERäNDERLICHE
106 Seltsame Veränderungen im Verhalten der Zwergnova SS Cygni (Wenzel Klaus)
VDS-NOSTALGIE
110 Das war'n noch Zeiten, Folge 40 (Völker Peter)
VDS-NACHRICHTEN
112 Wir begrüßen neue Mitglieder (VdS-Geschäftsstelle)
VDS VOR ORT/TAGUNGSBERICHTE
114 Virtuelle 44. Würzburger Frühjahrstagung (Detken Kai-Oliver)
116 ATT 2021 digital - Ein gelungenes Experiment (Henkel Claudia, Werger Michael, Gärtner Peter)
BEOBACHTERFORUM
122 Mein Astronomietag 20. März 2021 minus 1 - Live und voll analog (Pötschick Holger)
124 Die Supernova SN 2021hpr (Riepe Peter)
126 Die partielle Sonnenfinsternis am 10. Juni 2021 (Melchert Sven)
Textinhalt des Journals 79
Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software.
Der Text ist nicht formatiert, Bildunterschriften sind irgendwo im Text eingefügt.
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Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.
Nach Redaktionsschluss
VdS-Tagung und Mitgliederversammlung 2021 wird online ausgerichtet
von Sven Melchert, Vorsitzender
Liebe Mitglieder, wenn Sie diesen Beitrag lesen, haben Sie Ihre persönliche Einladung zur VdS-Tagung am 13. November 2021 wahrscheinlich bereits erhalten (falls das nicht der Fall sein sollte, wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle). An dieser Stelle noch einige Erläuterungen dazu.
Der Vorstand musste wegen der Reservierung der Räumlichkeiten Ende August darüber entscheiden, ob die diesjährige VdS-Tagung wie zuvor geplant in Essen stattfinden kann. Aufgrund der zu dieser Zeit wieder stark ansteigenden Infektionszahlen der Corona-Pandemie kam der
Vorstand zu dem Schluss, dass das Gesundheitsrisiko im November zu groß sein wird und nur mit einer geringen Teilnehmerzahl zu rechnen wäre, was sowohl Tagungsteilnehmer als auch Referenten beträfe. Eine Verlegung der Mitgliederversammlung auf einen günstigeren Termin im Frühsommer 2022 ist nicht möglich, da die Zukunftsinvestitionen und damit verbunden der Wirtschaftsplan beraten und beschlossen werden müssen.
Der Vorstand hat daher mehrheitlich, bei einer Gegenstimme, beschlossen, die VdSTagung und Mitgliederversammlung in diesem Jahr als reine Online-Veranstal-
Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 79 ,,Citizen Science" abgeschlossen haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen:
,,Sternwarte Kirchheim" in Journal Nr. 81 Redaktionsschluss: 01.11.2021 Redakteur: Jürgen Schulz (juergen.schulz@sternfreunde.de)
,,Sternenparks in Deutschland" in Journal Nr. 82 Redaktionsschluss: 01.02.2022 Redakteur: Andreas Hänel (ahaenel@uos.de)
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-FachgruppenRedakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden. Vorher empfehlen wir, als Hilfestellung die Autorenhinweise zu nutzen (siehe www. sternfreunde.de/astronomie-fuer-mitglieder/fuer-alle-mitglieder/vds-journal/ autorenhinweise-journal-fuer-astronomie/). Dort finden Sie auch einen Musterartikel als Vorbild und das Artikeldeckblatt zum Eintragen der wichtigsten Daten.
Mit dem Einsenden gibt der Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im ,,VdSJournal für Astronomie" und zur Veröffentlichung auf den Webseiten der VdS. Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion
tung auszurichten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben das bis Ende des Jahres. Wir haben in den letzten Monaten bei mehreren Tagungen und Treffen sehr gute Erfahrungen mit dem Wechsel zur Online-Alternative gemacht.
Einige von Ihnen werden das ähnlich sehen, andere vielleicht enttäuscht sein. Daher ein Ausblick auf das kommende Jahr: Im Frühsommer wird die Würzburger Frühjahrstagung stattfinden, im Herbst plant die VdS eine Tagung in Halle - wir gehen momentan davon aus, dass beide Tagungen vor Ort stattfinden können.
Eine Mitgliederversammlung online abzuhalten, ist für die VdS ein Novum, doch wir sind nicht der erste Verein, dem die Rahmenbedingungen dies auferlegen. Über die dazu notwendigen technischen Voraussetzungen informieren wir in der persönlichen Einladung, zum Vortragsprogramm auch auf www.sternfreunde.de. Bei den anderen Online-Tagungen haben wir die Erfahrung gemacht, dass auf diesem Weg mehr Teilnehmer und vor allem auch aus weiter entfernten Regionen erreicht werden. In diesem Sinne ist die Online-Versammlung auch eine Chance, um eine größere Anzahl von Mitgliedern als Teilnehmer begrüßen zu können und so die Aktivitäten und Pläne des Vereins mit mehr Mitgliedern als den durchschnittlich 100 Teilnehmern einer Tagung zu teilen. Anders ausgedrückt: wir wollen diesmal die mit Abstand am besten besuchte VdS-Tagung und Mitgliederversammlung erreichen! (Wetten dazu werden leider keine angenommen, aber unter 200 Teilnehmern wäre ich persönlich ehrlich gesagt enttäuscht.)
Auch wir im Vorstand haben uns nach der langen Zeit des Abstandes sehr auf unsere VdS-Tagung gefreut. Keine Online-Funktion der Welt kann das persönliche Wieder-
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Nach Redaktionsschluss
sehen, die angeregten Gespräche und das, so altmodisch es auch klingen mag, gesellige Beisammensein ersetzen. Aber die Situation ist nun einmal so, wie sie ist, und wir sollten das Beste daraus machen. Also stellen Sie sich Knabberzeug bereit, füllen den Kühlschrank mit Getränken, damit wir alle zusammen am 13. November nicht Trüb-
sal blasen müssen, sondern uns zuprosten können - online, aber doch gemeinsam.
PS: ,,Mitgliederversammlung" mag langweilig klingen, doch das Vorstandsteam war fleißig und freut sich darauf, die Ergebnisse zu präsentieren.
Am 16. Oktober 2021 ist Astronomietag!
Juwelen am Himmelszelt - eine Reise zu den Riesenplaneten
Mit Einbruch der Nacht leuchtet tief im Südwesten der Abendstern Venus. Sie befindet sich unweit von Antares im Sternbild Skorpion und versinkt bald unter dem Horizont. Auf der anderen Seite, in südöstlicher Himmelsrichtung, ist bereits der Mond aufgegangen. Seine Phase nimmt derzeit zu, am 20. Oktober wird Vollmond sein. Rechts oberhalb vom Mond glänzt einer der Hauptdarsteller dieses Astronomietages: Jupiter, der größte Planet im Sonnensystem. Mit einem Fernrohr kann man das Streifenmuster des Gasriesen erkennen. Links und rechts von Jupiter reihen sich dessen vier größte Monde auf. Ein weiteres Stück nach rechts findet man Saturn. Er leuchtet nicht ganz so hell wie Jupiter, zeigt im Teleskop dafür seinen berühmten Ring - ein echtes Juwel im Universum. Zwei weitere Riesenplaneten warten darauf, bestaunt zu werden: Uranus und Neptun sind aber so weit von der Sonne entfernt, dass man sie nur mit einem Fernglas oder Teleskop sehen kann. Im Laufe der Nacht ziehen der Mond und die Planeten über den südlichen Horizont, bis sie in der zweiten Nachthälfte im Westen untergehen.
Mitte Oktober kann man sich abends von den Sommersternbildern verabschieden: Im Südwesten stehen die Sternbilder Schwan, Leier und Adler noch hoch am Himmel. Deren drei Hauptsterne Deneb, Wega und Atair bilden das sogenannte ,,Sommerdreieck". Bei dunklem Himmel sieht man hier das Band der Milchstraße.
Im Südosten ist bereits das ,,Herbstviereck" aufgegangen: Es setzt sich aus drei Sternen des Sternbildes Pegasus und, links oben, einem Stern der Andromeda zusammen. Unterhalb und links vom Pegasus verlaufen die Sternenketten der Fische - alles schwache Sterne, die vom hellen Mondlicht weitgehend verschluckt werden.
Wer freien Blick zum südlichen Horizont hat, sieht weiter unter dem Mond vielleicht einen hellen Stern funkeln: das ist Fomalhaut der Hauptstern im Sternbild Südlicher Fisch. Sein Name bedeutet übersetzt ,,Maul des Fisches".
Unterhalb der Fische macht sich das Sternbild Walfisch breit; das ist bekanntlich biologisch nicht richtig, genauer müsste der ,,Cetus" eher Meeresunge-
heuer heißen. Im Walfisch gibt es einen Stern, der nur alle elf Monate so hell wird, dass man ihn mit bloßem Auge sehen kann: Mira, die Wundersame. Im Oktober sollte Mira gut zu erkennen sein.
Im Laufe der Nacht gehen die Sommersternbilder im Westen unter, die Herbststernbilder passieren die Südrichtung, im Osten treten die Wintersternbilder über den Horizont. Wer bis nach Mitternacht durchhält, kann sogar den Himmelsjäger Orion begrüßen.
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Citizen Science
Einleitung zum Schwerpunktthema Citizen Science
von Frederic Schuller
Der Begriff ,,Bürgerwissenschaft", häufiger als ,,Citizen Science" bekannt, beschreibt wissenschaftliche Arbeiten, an denen sich laienhafte Bürger und Bürgerinnen beteiligen, oft in Zusammenarbeit mit Fachwissenschaftlern. Es gibt solche Projekte in allen Fächern der Wissenschaft, von der Medizin bis zur Mathematik, von der Klimaforschung bis hin zur künstlichen Intelligenz.
In der Astronomie wurden in den letzten Jahren viele verschiedene Projekte ins Leben gerufen. Amateure können in unterschiedlicher Art und Weise zu den aktuellsten Ergebnissen von diversen Forschungsprojekten beitragen. Dafür werden für manche Projekte kaum besondere Mittel gebraucht - nur ein Smartphone oder ein einfacher Computer oder sogar nur das bloße Auge. Dann kann wirklich jeder mitmachen, auch ohne Vorwissen und tieferes Verständnis von dem, was erforscht wird. Für andere Zwecke wird mindestens ein Teleskop benötigt, oftmals mit großer Öffnung. Auch eine Kamera gehört für einen Großteil der Projekte zur BasisAusstattung. Für die Beteiligung an diesen Projekten ist ein Grundverständnis für das entsprechende astronomische Thema, wie bei jedem Amateurastronomen üblich, von Vorteil.
Die Anzahl der Projektbeteiligten ist hoch variabel: von kleinen Gruppen oder sogar Einzelpersonen bis über einer Million Teilnehmer weltweit, wie zum Beispiel für SETI@home (Abb. 1). Die erforschten Themen decken ein großes Spektrum astronomischer Objekte ab, sowohl im Sonnensystem (Planeten, Asteroiden und Kometen) als auch viel weiter entfernt (veränderliche Sterne, Neutronensterne, Galaxien und sogar kosmologische Modelle). Und noch näher, nicht nur Meteore und Feuerkugeln, sondern auch Weltraumschrott wird routi-
1 Bildschirmfoto von SETI@home, einem der ältesten Projekte ,,verteilten Rechnens",
das jetzt aber pausiert. (Bild: Wikimedia Commons)
nemäßig von Amateuren überwacht. Den Projekten gemeinsam ist, dass die gesammelten Beobachtungen zusammengeführt werden, um dem wissenschaftlichen Fortschritt zu dienen.
Für mehrere Fachgruppen der VdS gehört Citizen Science schon seit Langem zum Alltag: Lichtkurven von Kometen und veränderlichen Sternen werden in internationalen Datenbanken gesammelt, Beobachtungskampagnen für Sternbedeckungen werden organisiert, Meteorbeobachter vernetzen sich, um die Bahn von Meteoroiden genau auszuwerten. Einige Beispiele werden in den Artikeln in diesem Heft erläutert. Selbst wenn dieses Schwerpunktthema keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, zeigen die Artikel die Vielfältigkeit der Bürgerwissenschaft. Neue Projekte zu weiteren Themen werden sicherlich in der Zukunft auftauchen: Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt!
Zum Schluss möchte ich mich herzlich bei allen Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge bedanken. Liebe Leserin, lieber Leser, ich wünsche Euch viel Spaß beim Durchblättern, und vielleicht bekommt Ihr Lust, bei dem einen oder anderen Projekt mitzumachen!
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Citizen Science
Astronomische wissenschaftliche Arbeiten
- die von ,,Citizen Scientists" durchgeführt werden können
von Detlef Koschny und Katja Schuller
Dieser Beitrag listet einige Themen auf, bei denen Amateurastronomen oder Volkssternwarten signifikante Beiträge zur Forschung leisten und bei denen es bereits eine Infrastruktur gibt, um die Arbeiten der Amateure (,,Citizen Scientists") und der professionellen Wissenschaftler zusammenzuführen. Der Schwerpunkt bei den Beschreibungen liegt auf Beobachtungen. Amateure leisten auch einen sehr großen Beitrag auf der Softwareseite: viel Auswertungssoftware, die für die Beobachtungen benutzt wird, wird von Amateurastronomen geschrieben. Darauf wird aber in diesem Beitrag nicht weiter eingegangen.
In zwei zentralen Feldern der Astronomie stellt dieser Beitrag Citizen-Science-Projekte vor: zum einen für Positionsmessungen (Astrometrie), vor allem von Asteroiden und Weltraumschrott, und zum anderen für Lichtkurvenmessungen von astronomischen Objekten, hier insbesondere von Kometen, Asteroiden und Sternen. Für jede dieser Möglichkeiten wird kurz beschrieben, welchem Forschungsziel die Messungen dienen, wie die Messungen vorgenommen werden und wie die Daten der professionellen Forschung zur Verfügung gestellt werden. Für alle hier beschriebenen Tätigkeitsgebiete ist eine genaue Kalibrierung der Daten wichtig. Für die Beobachtung von Objekten im Sonnensystem ist zudem eine genaue Zeiterfassung notwendig. Anforderungen an die nötige Hardware und andere Besonderheiten werden in der Tabelle 1 zusammengefasst. Links zu Internetquellen, um jedes Thema zu vertiefen, werden am Ende dieses Beitrags aufgelistet.
Auch im Bereich der Spektroskopie gibt es spannende Projekte, in denen Amateure und professionelle Wissenschaftler zusammenarbeiten. Bei der Spektroskopie wird mit einem Spektrografen das Licht eines
1 Die Bahn des Kometen P/2014 C1 (TOTAS), dem ersten Kometen der mit der TOTAS-
Himmelsüberwachung entdeckt wurde (TOTAS = Teide Observatory Tenerife Asteroid Survey). Dieses Programm benutzt das 1-m-Teleskop der ESA auf Teneriffa und wird von Amateurastronomen durchgeführt. (Bild: M. Busch, Starkenburg-Sternwarte Heppenheim)
Sternes oder das von einem Asteroiden reflektierte Sonnenlicht in seine Wellenlängen zerlegt. In dem Ergebnis-Plot werden chemische Elemente durch dunkle Linien, so genannte Absorptionslinien, erkennbar. So wird es möglich, die chemische Zusammensetzung von Sternen zu bestimmen. Im Falle von Asteroiden lassen sich Aussagen über deren Alter ableiten und - in sehr grober Weise -, welche Mineralien an der Oberfläche zu sehen sind. Jedoch stellt die Spektroskopie hohe Anforderungen an die technische Ausstattung, so dass sie in diesem Beitrag nicht weiter behandelt wird.
Positionsmessungen (Astrometrie) Amateure können mit Positionsmessungen von Asteroiden einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung ihrer Bahnen leisten. Dies ist insbesondere wichtig für erdnahe Asteroiden, so genannte NEOs (near-Earth
objects). Diese können für die Erde bedrohlich werden. NEOs werden weltweit von Profis und Amateuren beobachtet, Amateure spielen eine wesentliche Rolle bei der Nachverfolgung (engl. ,,Follow-up") von neu entdeckten NEOs. Bis vor einigen Jahren konnten Amateure noch neue Asteroiden entdecken. Da die Astrometrie, vor allem mit Hilfe von Shareware wie Astrometrica, relativ einfach durchzuführen ist, war das ein attraktives Gebiet für Citizen Science. Mittlerweile sind aber alle helleren Asteroiden bekannt; Neuentdeckungen werden von Amateuren nur noch in Ausnahmefällen und i. A. mit größeren Teleskopen gemacht.
Positionsmessungen von allen Asteroiden weltweit werden dem Minor Planet Center (MPC) zugeschickt. Dieses kontrolliert, ob die Messungen zu einem existierenden
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Citizen Science
Vertiefende Informationen
Positionsmessungen von Asteroiden
www.minorplanetcenter.org - Die Website des Minor Planet Center, der zentralen Organisation zum Sammeln von Positionsbestimmungen von Asteroiden und Kometen weltweit. Dort finden sich auch viele Information darüber, wie Beobachter zu der Arbeit beitragen können. www.tycho-tracker.com - Software zur Identifizierung von Asteroiden und Kometen http://astrometrica.at - Software zum Ausmessen der Position von Asteroiden und Kometen mit hoher Genauigkeit http://www.iawn.net - International Asteroid Warning Network - ein Zusammenschluss von Profis und Amateuren, die sich mit der Beobachtung und Charakterisierung von Asteroiden und Effekten bei einem möglichen Einschlag beschäftigen. Gegründet im Rahmen der Vereinten Nationen. IAWN organisiert regelmäßige Beobachtungskampagnen von erdnahen Asteroiden.
Ansprechpartner bei der VdS: http://www.kleinplanetenseite.de/ - Fachgruppe Kleine Planeten der Vereinigung der Sternfreunde organisiert eine jährliche deutschsprachige Kleinplanetentagung; guter Austausch von Erfahrungen und Informationen zwischen den Mitgliedern.
Verfolgen von Weltraumschrott und Satelliten
https://www.esa.int/Enabling_Support/Operations/ Ground_Systems_Engineering/ESA_Space_Debris_Office - Das ,,Space Debris Office" der europäischen Raumfahrtbehörde. https://www.space-track.org/ - Die US-Datenbank für Satellitenorbits. Hier kann man sich Bahndaten runterladen, die man dann in Positionen für sein Teleskop umrechnen muss. https://projectpluto.com/sat_id2.htm - Website von US-Amateur Bill Gray. Diese erlaubt es, Positionsmessungen hochzuladen, das System sucht dann nach möglichen Satelliten für diese Position.
Lichtkurvenmessungen von Kometen
https://astronomynow.com/2016/11/24/worldwide-proam-help-sought-for-comet-trio-study/ - Ein Beispiel für einen Aufruf von Profi-Amateur-Kollaborationen zum Thema Kometen. http://www.aerith.net/comet/weekly/current.html - Stellt aktuelle Informationen über helle Kometen zur Verfügung. http://www.aerith.net/project/comet.html - ,Comet for Windows` - ein (schon älteres) Computerprogramm zum Auswerten der Lichtkurven von Kometen. https://cobs.si/ - Comet observations database, eine internationale Datenbank, die Kometenbeobachtungen sammelt. Gehostet vom Crni Vrh Observatory, Slowenien.
Ansprechpartner bei der VdS: https://fg-kometen.vdsastro.de/ - Website der Fachgruppe Kometen der Vereinigung der Sternfreunde. Präsentiert und sammelt Ergebnisse von Beobachtungen.
Lichtkurvenmessungen von Asteroiden
http://www.minorplanet.info/lightcurvedatabase.html - Information über die Lichtkurvendatenbank des MPC. Dort finden sich auch Tipps zur Beobachtung, Datenformate und ein Link zum ,,Minor Planet Bulletin", in dem Veröffentlichungen zu dem Thema (auch von Amateuren) zu finden sind. http://www.alcdef.org/ - Datenbank für Lichtkurven von Asteroiden https://www.minorplanet.es/ - Eine spanische Anlaufstelle für Asteroidenlichtkurven. https://astro.troja.mff.cuni.cz/projects/damit/ - Datenbank für 3-D-Modelle von Asteroiden, die aus Lichtkurven erzeugt wurden.
Lichtkurvenmessungen veränderlicher Sterne
https://www.aavso.org/ - Die Website der ,,American Association of Variable Star Observers", die zentrale Anlaufstelle nicht nur in Amerika für Beobachter von veränderlichen Sternen. https://www.britastro.org/vss/ - Website der "British Astronomical Association, Variable Star Section". - J. Shears, 2018: "Amateur astronomers and the new golden age of cataclysmic variable star astronomy", J. Br. Astron. Assoc., 128, 75-90. Eine Veröffentlichung, in der der Beitrag von Amateuren zu kataklysm ischen Veränderlichen beschrieben wird.
Ansprechpartner bei der VdS: https://sternfreunde.de/astronomie-als-hobby/die-vdsfachgruppen/veraenderliche/ - Fachgruppe Veränderliche der Vereinigung der Sternfreunde, arbeitet eng zusammen mit der ,,Bundesdeutschen Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne e.V." (BAV), koordiniert Beobachtungsprojekte.
Lichtkurvenmessungen von Sternen zur Charakterisierung von Exoplanten
https://www.aavso.org/exoplanet-section - Die ,,American Association of Variable Star Observers" hat eine eigene Abteilung für Exoplanetenbeobachter. https://astrodennis.com/ - Allgemeine Anleitung zum Beobachten der Planetendurchgänge. https://astro.swarthmore.edu/transits/transits.cgi - Hier können für den eigenen Beobachtungsstandort Planetendurchgänge berechnet werden.
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Citizen Science
Objekt gehören. Wenn nicht, kommen die Beobachtungen auf die NEO Confirmation Page [1]. Dort kann man mögliche Objekte für eine Follow-up-Beobachtung selektieren und die vorhergesagte Position am Himmel für den eigenen Beobachtungsstandort bestimmen. Wird das Objekt erfolgreich beobachtet, schickt man die eigenen Positionsmessungen per E-Mail an das Minor Planet Center. Erst wenn genügend Follow-up-Beobachtungen da sind, um eine genaue Bahn zu bestimmen, vergibt das MPC eine ,,Designation". Alle Follow-up-Teleskope werden in der zugehörigen Mitteilung (genannt MPEC, Minor Planet Electronic Circular) erwähnt. Man kann jede klare Nacht die NEO Confirmation Page checken. Hin und wieder gibt es Beobachtungskampagnen des ,,International Asteroid Warning Network" [2]. Man kann auch bei Projekten wie TOTAS [3] mitmachen - da wird ein ESATeleskop von Amateuren benutzt, um nach Asteroiden zu suchen. Die Bahn des ersten von TOTAS entdeckten Kometen ist in der Abbildung 1 zu sehen.
Außerdem können Amateure die Positionen von Weltraumschrott messen. Die Verfolgung von Weltraumschrott und Satelliten unterstützt die Sicherheit von Satelliten. Im Erdorbit gibt es immer mehr davon. Wenn der Treibstoff zur Lagereglung verbraucht ist, können sie unkontrollierbar im Weltraum treiben und eventuell mit anderen Satelliten zusammenstoßen. Dadurch werden Satellitentrümmer (Weltraumschrott, englisch ,,Space Debris") erzeugt. Diese können wiederum mit Satelliten zusammenstoßen und Schaden anrichten. Sowohl NASA als auch ESA betreiben Aktivitäten, nicht-aktive Satelliten und Bruchstücke davon zu beobachten. In niedriger Erdumlaufbahn wird dies mit Radarsystemen gemacht. Für Umlaufbahnen ab etwa der der Raumstation sind optische Beobachtungen mit Teleskopen geeignet.
2 Ein Profiteleskop für die Beobachtung von Asteroiden und Satelliten - ein 56-cm-Teleskop
auf La Silla in Südamerika, betrieben von der Europäischen Weltraumbehörde ESA. (Bild: F. Ocaña, J. Isabel / Quasar SR)
Auch hier wird die Position von Satelliten(trümmern) als Funktion der Zeit gemessen. Da die Satelliten sich innerhalb von Minuten über den ganzen Himmel bewegen, sind die typischen Belichtungszeiten nur einige Sekunden (gegenüber Minuten bei Asteroiden). Objekte in niedriger Erdumlaufbahn sind am besten kurz nach Sonnenuntergang oder kurz vor Sonnenaufgang zu beobachten. Eine einzelne Messung dauert nur Sekunden, es können aber viele Objekte verfolgt werden. Aktuell werden solche Beobachtungen von einem amerikanischen Amateur namens Bill Gray gesammelt [4]. In naher Zukunft wird es auch bei der ESA einen ,,ArtSat"-Service geben - der ist aber noch in der Entwicklung [5].
Lichtkurvenmessungen von Kometen und Asteroiden Für Lichtkurvenmessungen wird ein Objekt längere Zeit beobachtet und die Helligkeit sehr genau vermessen. Im einfachsten Fall vermisst man die Helligkeit relativ zu nahen Sternen in der Umgebung in einem Breitbandfilter. Will man Messungen von verschiedenen Teleskopen und über verschiedene Nächte vergleichen, muss man
die Effekte der verschiedenen Wellenlängenbereiche beim Vergleich mit den Sternen berücksichtigen. Genaue Messungen werden daher oft durch verschiedene Farbfilter gemacht. Es werden sogenannte Standardsterne als Vergleichsobjekt herangezogen. Verfolgt man die Lichtkurven eines Asteroiden oder eines Kometen über einen langen Zeitraum, so dass sich die relative Geometrie zwischen Sonne, Objekt und Erde verändert, kann der Profi mit speziellen Inversionstechniken die Form des Objektes rekonstruieren.
Kometen wie auch Asteroiden sind Überbleibsel von der Entstehung des Sonnensystems. Kometen sind weit weg von der Sonne entstanden, daher sind in ihnen nach Meinung vieler Forscher die Eigenschaften aus der Urzeit noch gut erhalten. Raumfahrtmissionen zeigen uns einige wenige Kometen im Detail. Mit bodengestützten Beobachtungen kann aber eine viel größere Anzahl von Objekten untersucht werden als mit Raumsonden. Teleskopbeobachtungen können den Kometenkern nicht sichtbar machen, wohl aber die Entwicklung der Gashülle um den Kern (die Koma)
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Citizen Science
sowie den Schweif. Helligkeitsmessungen in verschiedenen Filtern erlauben es, die Produktionsraten des Gases abzuschätzen. Die Form des Schweifes sagt uns etwas über das Magnetfeld im Sonnensystem. Optische Beobachtungen des Kometen in hoher Auflösung nahe des Kerns in verschiedenen Filterbereichen ergänzen Aufnahmen mit größerem Gesichtsfeld, die den Schweif zeigen. Veränderungen im Schweif können innerhalb von Stunden auftreten; für die kernnahe Koma sollten Beobachtungen einmal in der Nacht ausreichen. Es gibt spezielle Beobachtungsprogramme, wenn Raumfahrtmissionen zu Kometen fliegen, siehe z. B. die Website zu Rosetta [6].
Lichtkurvenmessungen von Asteroiden dienen der Erforschung der Entstehung des Sonnensystems. Asteroiden drehen sich, wie die Erde, um ihre eigene Achse. Weil die meisten Asteroiden nicht genau kugelförmig sind, äußert sich diese Rotation in einer Schwankung ihrer scheinbaren Helligkeit. Die Rotationsrate von Asteroiden ist eine der grundlegenden Eigenschaften, die sowohl Wissenschaftler als auch Vertreter der ,,Planetary Defence" Community interessiert. Ein Teil der Asteroiden sind Doppelasteroiden, es gibt auch Dreifachsysteme. Diese Begleitobjekte können auch durch ,,Dips" in der Lichtkurve sichtbar werden.
Die Rotationsdauern von Asteroiden können Minuten bis Tage betragen; es gibt auch einige mit Rotationsperioden unter einer Minute. Die sind allerdings die große Ausnahme. Für Objekte, die in ein paar Minuten rotieren, kann man in einer Stunde Beobachtungszeit bereits mehrere Rotationen verfolgen. Bei Objekten mit längeren Rotationszeiten muss man entsprechend länger beobachten. Es sollte immer das Ziel sein, mehrere Rotationen zu verfolgen. Um eine 3D-Rekonstruktion vornehmen zu können, müssen Beobachtungen aus verschiedenen
Perspektiven vorliegen. Dafür sollte das Objekt über Monate, eventuell sogar Jahre immer wieder vermessen werden. Es gibt verschiedene Datenbanken, die Lichtkurvenmessungen sammeln. Eine der wichtigsten ist sicher die vom bereits erwähnten Minor Planet Center [7].
Lichtkurvenmessungen von Sternen Nicht alle Sterne sind immer gleich hell, manche verändern - regelmäßig oder unregelmäßig - ihre Helligkeit. Verfolgt man die Helligkeitsänderungen, lassen sich Rückschlüsse auf die physikalischen Prozesse, die in dem Stern ablaufen, ziehen. Hiermit gewinnt man wissenschaftliche Erkenntnisse zur Entwicklung der Sterne.
Veränderungen in der Helligkeit können auch durch umliegende Staubscheiben, oder durch Bedeckungen von Begleitsternen entstehen. Beispielsweise bedeckte der Stern VV Cephei seinen Begleiter vom 4. August 2017 bis 16. Mai 2019. Dieses Ereignis wurde detailliert von Amateuren und Profis verfolgt [8]. Ein besonders interessantes Gebiet ist die Beobachtung von sogenannten kataklysmischen Veränderlichen. Hier scheinen Staub und Gas aus einer Scheibe um den Stern auf ihn niederzufallen, dadurch wird die Helligkeit unregelmäßig erhöht.
Um die Lichtkurven veränderlicher Sterne zu messen, misst man die Helligkeit eines Sterns regelmäßig durch Vergleich mit Helligkeiten von Umgebungssternen. Eine gute Kalibrierung ist hierbei wichtig, eventuell müssen auch Effekte der Sternfarbe berücksichtigt werden. Manche Sterne verändern ihre Helligkeit in Tagen, in anderen Fällen dauert es Jahre. Dies ist bei der Planung der Beobachtung zu berücksichtigen. Es sollten mehrere Messungen in verschiedenen Filterbereichen in regelmäßigen Abständen innerhalb einer Periode durchgeführt werden.
Lichtkurvenmessungen von Sternen können auch zur Charakterisierung von Exoplaneten - Planeten, die um andere Sterne kreisen - genutzt werden. Bei einer der Methoden wird die Helligkeit des Zentralsterns genau vermessen. Bewegt sich der Planet von uns aus gesehen vor den Stern, wird ein Teil des Lichtes abgeblockt. Dies macht sich in einer typischen Helligkeitskurve bemerkbar.
Exoplaneten werden zumeist von Satellitenteleskopen entdeckt. Um sie zu bestätigen, sind weitere Beobachtungen nötig. Einmal bestätigt, helfen weitere Beobachtungen, die Bahndaten der Planeten sowie deren Größe zu bestimmen. Die Daten können zum Beispiel an die ExoplanetenSektion der amerikanischen Vereinigung für die Beobachtung veränderlicher Sterne (AAVSO) geschickt werden [9].
Hierzu führt man sehr genaue Helligkeitsmessungen von Sternen durch, bei denen Exoplaneten bekannt sind. Ein einzelner Durchgang dauert typischerweise einige Stunden. In diesem Zeitraum werden regelmäßige Helligkeitsmessungen vorgenommen. Planetendurchgänge in bekannten Planetensystemen werden von Profis vorhergesagt. Eine Anleitung für die Vorhersage von diesen Durchgängen findet man unter [10]. In dem berechneten Zeitraum wird der entsprechende Stern beobachtet. Je nach Teleskopgröße können ein bis mehrere Durchgänge pro Woche beobachtbar sein.
Fazit Gerade (aber nicht nur) im Bereich Asteroiden und Kometen sowie Fotometrie von diesen Objekten und auch Sternen können Hobbyastronomen noch wertvolle Beiträge zur Wissenschaft leisten. Natürlich gilt - wie meistens - je größer das Teles kop, desto besser. Aber auch Profis arbeiten nicht nur
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Citizen Science
mit Riesenteleskopen. Das zeigt die aktuelle Pressemitteilung der ESA [11]: Auf La Silla in Chile wurde Anfang 2021 ein 56-cmTeleskop installiert, das zur Beobachtung von Asteroiden und Weltraumschrott eingesetzt werden soll (Abb. 2). Manche Amateure und Volkssternwarten können mit solchen Öffnungen durchaus mithalten.
Internethinweise (Stand Mai 2021): [1] Bestätigungsseite des Minor Planet
Center: https://minorplanetcenter. net/iau/NEO/toconfirm_tabular.html [2] International Asteroid Warning Network: www.iawn.net
[3] Teide Observatory Tenerife Asteroid Survey (TOTAS): http://totas.cosmos. esa.int
[4] Internetseite für die Identifizierung von Satelliten: www.projectpluto. com/sat_id2.htm
[5] Near-Earth objects coordination centre bei der ESA: https://neo.ssa.esa.int
[6] Seite für die Unterstützung der Rosetta-Mission: https://people.ast.cam. ac.uk/~jds/rosetta.htm
[7] Lichtkurven-Datenbank beim MPC: www.minorplanet.info/lightcurveda tabase.html
[8] VV-Cep-Kampagne bei der BAV: www.bav-astro.de/index.php/
veraenderliche/bedeckungsveraen derliche/vv-cep-kampagne [9] Exoplaneten-Sektion der AAVSO: www.aavso.org/exoplanet-section [10] Anleitung für die Vorhersage von Exoplaneten-Transiten: http://astrodennis. com/TransitFinderInstructions.pdf [11] Pressemitteilung der ESA über das TBT2-Teleskop für die Suche nach Asteroiden: https://www.esa.int/ Safety_Security/Planetary_Defence/ New_ESA_telescope_in_South_ America_to_search_for_asteroids
Tabelle 1
Wesentliche Anforderungen an die Instrumentierung. Bei der Teleskopöffnung gilt (fast) immer die Regel: je größer, desto besser.
Beobachtungsart
Mindestöffnung
Dauer der Beobachtung
Andere Anforderungen
Astrometrie von erdnahen Asteroiden
40 cm, eher mehr
einige Minuten bis eine Stunde
gute Zeitmessung, Software zum Positionsmessen (z.B. Astrometrica) und zur Identifikation von Objekten (z.B.Tycho-Tracker)
Positionsmessungen von Weltraumschrott und Satelliten
20 cm, größere Öffnung erlaubt kürzere Belichtungszeiten
einige Sekunden
"offset tracking", das Bahnelemente von Satelliten lesen kann, zum Verfolgen von dedizierten Satelliten
Lichtkurvenmessungen je größer die Öffnung, desto mehr
von Kometen
Objekte in Reichweite
Lange Belichtungen von Kometen
Kamera mit hoher Dynamik, "offset tracking" zur Nachführung der Kometen
Lichtkurvenmessungen 20 cm, eher 40 cm von Asteroiden
einige Minuten, zu wiederholen über Stunden oder Tage (abhängig von Rotationsperiode)
Filterrad, exzellente Kalibrierung der Daten, "offset tracking" (Nachführung von Asteroiden) zur Verbesserung des Signal/ Rausch-Verhältnisses
Lichtkurvenmessungen 30 cm von Sternen
einige Sekunden bis mehrere CCD/CMOS-Kamera mit hoher
10 Minuten, regelmäßig
Dynamik und Stabilität, meist Filter nötig
Charakterisierung von 30 cm Exoplaneten
einige Minuten, zu wiederholen über nehrere Stunden
sehr stabile CCD/CMOS-Kamera mit hoher Dynamik
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Citizen Science
Neutronensterne mit dem eigenen Computer finden
von Benjamin Knispel
Einstein@Home ist ein freiwilliges, verteiltes Rechenprojekt [1]. Es verbindet 35.000 Rechner von 22.000 Freiwilligen zu einem globalen Großrechner mit ähnlicher Leistung wie die weltgrößten Supercomputer. Das Projekt setzt diese Rechenkraft ein, um Neutronensterne - die kompakten und schnell rotierenden Überreste von Supernova-Explosionen - anhand der von ihnen abgestrahlten Gravitationswellen zu entdecken. Diese kontinuierlichen Gravitationswellen wurden bislang noch nie nachgewiesen. Zudem spürt das Projekt seit zehn Jahren erfolgreich Neutronensterne anhand ihrer pulsierenden Radio- und Gammastrahlung auf. Bereits 70 solcher Pulsare hat das Projekt entdeckt, darunter außergewöhnliche Exemplare.
Explodiert ein massereicher Stern als Supernova, so bleibt ein kompakter Überrest seines Kerns zurück. Diese Überreste heißen Neutronensterne und haben rund 1,5-mal die Masse unserer Sonne bei gerade einmal 20 Kilometer Durchmesser. Sie sind die kompaktesten prinzipiell sichtbaren Objekte, ihre Dichte ist höher als die eines Atomkerns, ihre Magnetfelder sind billionenfach so stark wie das irdische und sie rotieren mit bis zu 700 Umdrehungen pro Sekunde. Sie bieten also Bedingungen, die sich in keinem Labor herstellen lassen, und sind so wissenschaftlich höchst faszinierend.
In unserer Milchstraße sollte es rund 100 Millionen Neutronensterne geben - bekannt sind gerade einmal 2.872, entdeckt anhand ihrer pulsierenden Radio- und Gammastrahlung [2]. Ein solcher galaktischer Radio- bzw. Gammapulsar ist nur dann sichtbar, wenn der Neutronenstern gebündelte elektromagnetische Strahlung wie ein kosmischer Leuchtturm in Richtung der Erde sendet (Abb. 1).
1 Einstein@Home sucht nach schnell rotierenden Neutronensternen. Diese senden unter
anderem Gammastrahlung (violett) und Radiowellen (grün) kegelförmig über ihren Magnetpolen aus. Sind sie nicht achsensymmetrisch, strahlen sie zudem Gravitationswellen ab. (Bild: NASA/Fermi/Cruz de Wilde)
Die Suche nach Gravitationswellen Die Population der elektromagnetisch unsichtbaren Neutronensterne könnte sich anders verraten: Wenn die Massenverteilung eines rotierenden Neutronensterns von einer achsensymmetrischen Form abweicht (beispielsweise durch kleine ,,Hügel" auf der Oberfläche, Verspannung in der Kruste oder innere Unregelmäßigkeiten), dann strahlt er nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie Gravitationswellen ab. Diese Dehnungen und Stauchungen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, träten hier als Sinuswelle beim Doppelten der Rotationsfrequenz auf. Mit der Zeit nimmt ihre Frequenz leicht ab, weil sich die Rotation verlangsamt. Denn die Energie, die in Form von Gravitationswellen oder elektromagnetischer Strahlung abgegeben wird, stammt meist aus der Rotationsenergie des Neutronensterns [3].
Diese kontinuierlichen Gravitationswellen sind einige Größenordnungen schwächer als die Signale verschmelzender Schwarzer
Löcher und Neutronensterne, die bisher von Gravitationswellen-Detektoren wie LIGO (das ,,Laser Interferometer Gravitation wave Observatory") beobachtet wurden. Ihre Dauerhaftigkeit gleicht diesen Nachteil jedoch aus. Auch ein sehr schwaches Signal lässt sich mit geeigneter Analyse in monatelangen Beobachtungen aus dem Rauschen der Gravitationswellen-Detektoren herausfiltern.
Eine Suche nach kontinuierlichen Gravitationswellen ist sehr rechenaufwändig. Bei unbekannten Objekten sind Parameter wie Himmelsposition, Rotationsfrequenz und die Änderung derselben offensichtlich unbekannt. Die Bahnbewegung und Eigendrehung der Erde verursachen durch den Dopplereffekt zudem eine von der Himmelsposition abhängige Änderung der empfangenen Gravitationswellenfrequenz. So muss eine Vielzahl verschiedener Parameterkombinationen durchprobiert werden.
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Citizen Science
2 Wer seinen Rechner bei Einstein@Home anmeldet, kann den Analysefortschritt des eigenen Computers mit einem speziellen
Bildschirmschoner live verfolgen. (Bild: Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/B. Knispel)
Der Rechenaufwand ist enorm, aber parallelisierbar. Das war der Grundgedanke bei der Gründung von Einstein@Home im Jahr 2005 (Abb. 2). Durch die Vernetzung vieler Rechner von Freiwilligen aus aller Welt entstand auf Grundlage der Software BOINC (die vielen anderen verteilten Rechenprojekten zugrunde liegt) eines der erfolgreichsten und leistungsfähigsten Projekte dieser Art.
Die Suche nach kontinuierlichen Gravitationswellen bestimmt den Kurs von Einstein@Home. Während die Gravitationswellen-Detektoren weiter verbessert wurden, optimierten die Wissenschaftler:innen die verwendete Analysesoftware. Daher führt Einstein@Home heute die weltweit empfindlichsten Suchen nach dieser noch nie nachgewiesenen Art von Gravitationswellen durch.
Auch ohne direkten Nachweis liefert Einstein@Home Erkenntnisse über die galaktische Neutronensternpopulation. Die neuesten Ergebnisse stammen aus einer Analyse der öffentlichen Daten des zweiten
Beobachtungslaufs (O2) der LIGO-Detektoren. Danach kann es innerhalb einer Kugel von rund 330 Lichtjahren Radius um die Erde keine Neutronensterne geben, die bei einer Rotationsfrequenz von mehr als 200 Hertz um mehr als ein Zehnmillionstel von der perfekten Kugelform abweichen. Entweder sind Neutronensterne sehr glatt, rotieren im erfassten Volumen langsamer oder es gibt darin keine Neutronensterne. Mit den ab April 2021 öffentlich verfügbaren Daten der ersten Hälfte des dritten Beobachtungslaufs (O3a) der LIGO-Detektoren wird Einstein@Home noch einmal tiefer in unsere Galaxie vordringen.
Radiopulsare Im Frühjahr 2009 begann das Projekt eine neue Neutronensternsuche. Analysiert wurden mit einem Teil der Rechenleistung nun Daten großer Radioteleskope: zuerst vom Arecibo-Observatorium, später auch vom Parkes-Radioteleskop. Beide haben große Teile des Himmels durchmustert und pro Position einige Minuten bis eine halbe Stunde lang ,,belichtet".
Etablierte und weniger rechenaufwändige Suchverfahren können isolierte Neutronensterne entdecken oder solche in Doppelsternsystemen, bei denen die Umlaufszeit deutlich länger als die Beobachtungszeit ist. Bei kürzeren Bahnperioden erschwert der aus der Bahnbewegung resultierende Dopplereffekt die Entdeckung, weil er die empfangene Pulsationsfrequenz verändert. Doppelsternsysteme mit kurzen Bahnperioden sind hochinteressant, weil Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie darin stark ausgeprägt sind und weil sie Endpunkte der Sternentwicklung darstellen. Kennt man die Bahn des Pulsars, lässt sich der Dopplereffekt herausrechnen. Bei der Suche nach unbekannten Pulsaren ist dies a priori nicht der Fall, so dass eine Vielzahl verschiedener Bahnen ausprobiert werden muss. Hier kommt die große Rechenleistung von Einstein@Home ins Spiel - mit Methoden aus der Gravitationswellensuche wird nach bislang unerreichbaren Pulsaren gesucht (Abb. 3).
Der erste Erfolg war die Entdeckung eines neuen Radiopulsars in Archivdaten des
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Citizen Science
3 Die Suche nach neuen Radiopulsaren
mit Einstein@Home ist auf Smartphones und Tablets möglich. (Bild: Max-PlanckInstitut für Gravitationsphysik/B. Knispel/ NASA)
Arecibo-Observatoriums im Sommer 2010. Diese erste astronomische Entdeckung durch ein verteiltes Rechenprojekt trägt den Namen PSR J2007+2722 und bewirkte ein weltweites Medienecho und einen Zustrom neuer Freiwilliger zum Projekt. Binnen zwei Wochen folgte die zweite Entdeckung und in den kommenden Jahren wurden ins-
gesamt 55 neue Radiopulsare aufgespürt, 24 davon in bereits mehrfach analysierten Archivdaten des Parkes-Teleskops. Auch wenn sich keiner von ihnen in einem Doppelsternsystem mit extrem kurzer Umlaufzeit befindet, so handelt es sich bei vielen von ihnen um Doppelsternsysteme oder andere ungewöhnliche Exemplare aus dem Pulsar-Zoo.
Für die Radiopulsarsuche wurde auch die erste Einstein@Home-Anwendung entwickelt, die nicht auf den CPUs der Rechner der Freiwilligen läuft, sondern auf den Grafikkarten, die für diese Aufgabe eine bis zu 50-fach höhere Rechenleistung aufweisen.
Gammapulsare In Daten des NASA-Satelliten Fermi lassen sich mehrere hundert Punktquellen von
Gammastrahlung identifizieren, deren Ursprung unklar ist. In mehr als hundert Fällen ähnelt die Energieverteilung der Strahlung der von schnell rotierenden Neutronensternen. Sind diese Quellen so genannte Gammapulsare?
Im Sommer 2011 fügten die Einstein@Home-Forscher:innen ihrem Projekt eine weitere Suche nach neuen Neutronensternen hinzu. Die Methoden, die sie für die Suche nach kontinuierlichen Gravitationswellen entwickelt hatten, lassen sich für die Suche nach Gammapulsaren erweitern. Um das charakteristische Pulsieren bei der Rotationsfrequenz nachzuweisen, müssen FermiDaten vieler Jahre analysiert werden. Denn die Anzahl der von Fermis Large Area Telescope beobachteten Gammaphotonen ist gering: nur 10 Photonen pro Tag von einem
4 Darstellung des Doppelsternsystems mit dem von Einstein@Home entdeckten Pulsar J1653-0158 (unten) im Vergleich zum
Erde-Mond-System (oben). Bis auf den 450-fach vergrößert dargestellten Pulsar sind alle Objekte und Umlaufbahnen maßstäblich abgebildet. (Bild: B. Knispel, C. Clark/Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/NASA)
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typischen Pulsar. Für jedes einzelne Photon muss bestimmt werden, während welcher Phase der weniger als einer Sekunde dauernden Rotation es abgestrahlt wurde. So müssen die Algorithmen die Datensätze mit sehr feiner Auflösung durchkämmen, damit ihnen kein Signal entgeht. Die Rechenleistung für diese Suchen, bei denen wenig bis keine Information über die Pulsare vorab bekannt ist, ist enorm, für Einstein@Home aber erreichbar.
Befindet sich der Gammapulsar in einem Doppelsternsystem, wird die Aufgabe noch einmal deutlich schwieriger. Nur wenn aufgrund von Vorbeobachtungen - beispielsweise optischen Untersuchungen des Begleitsterns - die Bahneigenschaften grob abgeschätzt werden können, kann Einstein@Home die verbleibenden möglichen Bahnen durchtesten.
Seit 2011 gelang dem Projekt die Entdeckung von 25 neuen Gammapulsaren, davon 2 in ungewöhnlichen Doppelsternen.
Einer davon ist der Pulsar PSR J1653-0158, der als hellste Quelle ohne bekannte Ursache im Katalog des Fermi-Teleskops die Astronomie 20 Jahre lang vor ein Rätsel stellte, das Einstein@Home nun löste. Die Bahnperiode des Rekordpulsars liegt bei 75 Minuten - kürzer als bei allen vergleichbaren Objekten. Der Abstand der Objekte im Doppelsternsystem ist nur wenig größer als der zwischen Erde und Mond. Der grob jupitergroße Begleiter hat zwar etwa die sechsfache Dichte von Blei, aber nur ein Prozent der Sonnenmasse, während der Neutronenstern etwa doppelt so schwer wie unser Zentralgestirn ist (Abb. 4).
Wer nun Interesse hat, selbst eine Entdeckung zu machen, kann sich binnen zwei Minuten ganz einfach anmelden. Alles Weitere passiert automatisch. Ist der Rechner ungenutzt, lädt er sich von zentralen Projektservern Aufgabenpakete (Daten und eine quelloffene Software) herunter. Die Berechnung bleibt stets im Hintergrund und stört die normale Nutzung nicht. Sie
kann jederzeit unterbrochen und später fortgesetzt werden. Zur Verifikation der an das Projekt gemeldeten Ergebnisse wird jedes Aufgabenpaket von zwei verschiedenen Computern analysiert. Vielversprechende Kandidaten durchlaufen aufwändige Folgeuntersuchungen.
Vielleicht findet ja Ihr Rechner einen neuen Pulsar oder gar die erste kontinuierliche Gravitationswelle? Dann machen Sie nicht nur eine astronomische Entdeckung, sondern erhalten wie alle Einstein@Home-Entdecker:innen ein Zertifikat vom Projekt.
Internethinweise (Stand April 2021): [1] Einstein@Home-Homepage:
https://einsteinathome.org [2] Online-Pulsar-Katalog der ATNF:
www.atnf.csiro.au/people/pulsar/ psrcat/ [3] Erklärvideo zu Gravitationswellen von ,,minutephysics": www.youtube.com/ watch?v=YHS9g72npqA
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Citizen Science
Über Sternströme und andere leuchtschwache Phänomene um Galaxien
von Carsten Reese und Peter Riepe
Großteleskope wie von der ESO in Chile oder Weltraumteleskope wie Hubble sind in ihrer Leistungsfähigkeit den AmateurInstrumenten natürlich weit überlegen. Aber der Himmel ist groß - er kann nicht komplett mit Profi-Teleskopen untersucht werden, sondern nur in kleinen Ausschnitten. Schaut man sich die astronomischen Forschungsergebnisse an, so kommen Amateure in vielen Bereichen an die Grenze des bisher Bekannten, oftmals sogar darüber hinaus.
Das ,,Centre de Donnees astronomiques de Strasbourg" [1] betreibt online die astronomische Datenbank Simbad, den Katalog Vizier und den Himmelsatlas Aladin. Aladin ist auch für Amateurastronomen eine ausgezeichnete Quelle zu dem, was bisher digitalisiert zugänglich ist [2]. In Form von zoombaren Feldaufnahmen aus den Himmelsdurchmusterungen des Digitized Sky
Survey (DSS), des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) und des Two Micron All Sky Survey (2MASS), aber auch mit den neuen Gaia-Sternvermessungen kann man sich in Aladin über die Daten informieren, die für einen interessierenden Himmelsausschnitt verfügbar sind. Man sieht schnell, dass man mit Amateurmitteln darüber hinausgelangen kann, was dort hinterlegt ist (Abb. 1). Allerdings sind neue wissenschaftliche Informationen astrofotografisch nur mit Hilfe sehr lang belichteter Aufnahmen möglich. Die Entdeckung extrem lichtschwacher Objekte erfordert geeignete Aufnahmesysteme (Optik plus Detektor) für die zweifelsfreie Wiedergabe von Flächenhelligkeiten von 28 mag/arcsec2 oder noch knapp darunter. Je nach Apertur und Brennweite der Amateur-Optiken sind dann auch Sterngrenzgrößen von 23 bis 25 mag nachweisbar. Von solchen Zahlen konnte man noch zur Jahrtausendwende nur träumen.
1 Aladin-Auszug mit Gaia-Sterndaten (oben), Amateuraufnahme (unten).
Die Grenzgröße liegt in beiden Aufnahmen jenseits von 20 mag.
Die TBG-Gruppe (Tief Belichtete Galaxien) Die TBG-Gruppe der VdS-Fachgruppe Astrofotografie konzentriert sich auf das Spezialthema ,,lichtschwache Phänomene im extragalaktischen Raum". Auf der Bochumer Herbsttagung der Amateurastronomen (BoHeTa) vereinbarten 2011 die Veranstalter Peter Riepe (Leiter der VdSFG Astrofotografie) und Prof. Dr. Ralf-Jürgen Dettmar (Astronomisches Institut der Ruhr-Universität Bochum) eine Zusammenarbeit zwischen Amateurastronomen und Bochumer Berufsastronomen. Das ursprüngliche Ziel war fokussiert auf ,,stellare Ströme" bei Galaxien. Es handelt sich um die Überreste von Kleingalaxien, die in das Gravitationsfeld einer großen Scheibengalaxie gelangten, eine Bahn um diese ,,Muttergalaxie" einschlugen und dabei auch deren Halo durchquerten. Die dabei auftretende Wechselwirkung verformte den Zwerg und konnte ihn sogar enorm in die Länge ziehen. Dafür ist die Zwerggalaxie Sagittarius Dwarf ein Musterbeispiel. Ausgehend vom rund 85.000 Lichtjahre entfernten Zentrum im Sternbild Schütze hat sie sich nach beiden Seiten zu einem leicht schief liegenden, insgesamt fast 100 Grad langen Sternstrom um die Milchstraße entwickelt [3]. Ähnlich geformte Gebilde, jedoch ganz anders in ihrer Entstehung, sind die Gezeitenschweife. Bei nahen Begegnungen größerer Galaxien geraten ganze Sternverbände gleichzeitig unter den Gravitationseinfluss beider Partner und werden dabei als längliche, arm- oder büschelförmige Gebilde weit in den freien Raum geworfen. Solche Begegnungen (engl.: encounter) werden heute mühelos in Computersimulationen durchgespielt. Für den Amateur ist die Unterscheidung zwischen Gezeitenschweifen und Sternströmen nicht immer einfach (Abb. 2 und 3).
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2 Gezeitenschweife bei M 51, Newton 250 mm/950 mm (ASA ), SBIG ST-10XME, 23.01.2016, Sternwarte Gahberg, 6,75 h Belichtung in L.
Dazu Televue NP101, Belichtung 2 h (R), 2 h (G), 2,25 h (B), je 5 min Einzelbelichtung (Bild: Günter Kerschhuber)
3 Sternstrom bei NGC 7640, 15.-19.10.2020 remote am Ursa Major Observatory (Südfrankreich), Lacerta-Newton 250 mm/1.000 mm,
Starlight Xpress Trius, Baader-Filter, Belichtung 37 x 10 min (L), RGB je 19 x 10 min, 15 h 40 min insgesamt (Bild: Markus Blauensteiner)
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Citizen Science
4 NGC 7497 im galaktischen Zirrus, November 2017, DeepSkyWest (New Mexico), Astro-Physics RH-305, SBIG STX-16803, Astrodon-Filter,
Belichtung 47 x 600 s (L), 23 x 600 s (R), 27 x 600 s (G), 37 x 600 s (B), insgesamt 22,3 h (Bild: Andreas Rörig)
Der Nachweis von Sternströmen ist schwierig. Ihre Flächenhelligkeit ist äußerst gering und liegt im Bereich der Helligkeit des Himmelshintergrundes. Der Reiz des Nachweises liegt darin, die machbaren Grenzen auszuloten und womöglich bisher nicht bekannte Ströme zu finden. Die DSS- und SDSS-Aufnahmen wurden in Verbindung mit astronomischen Fachartikeln herangezogen, um die bisher bekannten Sternströme erst einmal fotografisch in den Griff zu bekommen und dabei neue Sternstrom-
kandidaten in den eigenen Aufnahmen von alten, bereits bekannten unterscheiden zu können.
2013 wurde diese sehr enge Ausrichtung deutlich erweitert. Das Ziel wurde generell auf ,,extragalaktische Phänomene" geändert. Die TBG-Aktivität umfasst nun auch den Nachweis von LSB-Galaxien (low surface brightness = geringe Flächenhelligkeit), insbesondere von neuen Zwerggalaxien als Begleiter großer Scheibengalaxien
im Local Volume. Das ist der Raum mit ca. 11 Mpc Radius um unsere Milchstraße herum. Es geht um die Halos nahe gelegener Galaxien einschließlich ihrer stellaren Ströme. Rund 40 Astrofotografen beteiligen sich momentan in der TBG-Gruppe und bringen ihre Ergebnisse ein.
Möglich wurde diese Tätigkeit erst durch die Weiterentwicklung der Amateurinstrumente, insbesondere der Kameras. Inzwischen sind die Detektoren der CCD-
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Kameras und CMOS-Spiegelreflexkameras wesentlich rauschärmer und empfindlicher geworden und empfehlen sich für den Einsatz am Teleskop. Auch gekühlte, monochrome Kameras mit vorgeschalteten Filtern und einer Quanteneffizienz bis über 80% sind im Amateurbereich erschwinglich geworden und erweitern die Grenzen nochmals. Aufnahmen, die den galaktischen Zirrus zeigen, also das an dünnen Staubansammlungen reflektierte Licht der Sterne unserer Galaxie, sind bei gutem Landhimmel kein Problem (Abb. 4). Je dunkler der Himmel, desto besser sind solche und andere lichtschwache Phänomene erreichbar. Die Auflösung wird durch die Luftunruhe auf wenige Bogensekunden begrenzt. Das automatische Nachführen mit Guiding-Kameras ist heute Standard. Sie richten das Teleskop in einer Regelschleife stabil auf das interessierende Himmelsgebiet aus.
Zusammenarbeit mit Igor Karachentsev Ein erster wissenschaftlicher Erfolg der TBG-Gruppe ergab sich in der Zusammenarbeit mit dem Kosmologen Professor Dr. Igor D. Karachentsev vom Laboratory of Extragalactic Astrophysics and Cosmology am Special Astrophysical Observatory (Selentschuk-Observatorium). Das Observatorium am Ostufer des Schwarzen Meeres gehört zur Russian Academy of Sciences. Der von Peter Riepe hergestellte Kontakt funktionierte auf Anhieb. Prof. Karachentsev stellte der TBG-Gruppe eine Liste für ihn besonders interessanter Galaxien zusammen. Zunächst konnten anhand einer tiefen Aufnahme von Fabian Neyer im System NGC 4631/NGC 4656 drei Zwerggalaxien nachgewiesen werden, die zudem in einen riesigen stellaren Strom eingebettet sind. Die Entdeckung wurde in einem gemeinsamen Artikel veröffentlicht (siehe Kasten). Erstaunlich dabei war, dass es
5 Sechs Zwerggalaxien in der Umgebung von NGC 7331 (A, B, C, D, E, M) (Bild: Harald Strauß,
Sternwarte Gahberg), Aufnahmedaten: s. Publikation 3 im Kasten
sich bei NGC 4631 um eine helle und große Galaxie des Nordhimmels handelt - die bekannte Walfischgalaxie. Mittlerweile hat die Gruppe zu vier wissenschaftlichen Artikeln beigetragen (siehe Kasten). Der letzte aus 2020 zeigt ebenfalls eine alte Bekannte: die Sonnenblumengalaxie M 63, auch aufgenommen von Fabian Neyer. Wir haben über die dort neu entdeckten Sternströme und Zwerggalaxien bereits berichtet [4].
Es ist also nicht notwendig, nur in exotischen Objekten Neues zu suchen. Man muss nur genau genug hinschauen, d. h. mit langen Belichtungszeiten arbeiten, was den Profis aus Gründen zeitlicher Limitierung ihrer Projekte nur in Ausnahmen gelingt [5]. Außerdem werden hoch auf-
gelöste, weitwinkelige Aufnahmefelder immer wichtiger, um auch im Außenbereich der Galaxienhalos (bis zu einigen hundert kpc Durchmesser) neue Begleiterkandidaten aufzuspüren. Die Möglichkeiten der Gruppe passen gut zu dem Arbeitsgebiet von Prof. Karachentsev, dessen ,,K" seit den 1960er-Jahren in den Katalognamen vieler neu entdeckter Zwerggalaxien steckt. Sein ,,Catalog of Neighboring Galaxies" [6], der im Local Volume 451 Galaxien auflistet, umfasst auch diese vielen kleinen, flächenlichtschwachen Begleiter. Die Modelle zur Galaxienentstehung und ihrer Entwicklung müssen diese massearmen Begleiter mit einbeziehen und erklären. Dazu muss man sie aber erst einmal finden.
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re Prozeduren wie z. B. Kontrastanhebung oder Schärfung. Nur so bleibt die Realität lichtschwächster Sternströme und die Fotometrierbarkeit neu gefundener Zwerggalaxien gewährleistet. Realität ist auch, dass der zweifelsfreie Nachweis neuer LSBObjekte durch Aufnahmen mit nur einem Instrument nicht ausreicht. Mindestens ein zweites, unabhängig erstelltes Vergleichsbild sollte vorhanden sein.
6 Optisches Spektrum des Zwergs M (Autor: M. E. Sharina), s. Publikation 3 im Kasten
Wie schwierig nicht nur der bildliche Nachweis, sondern im Anschluss auch die
Zuordnung als Begleiter zu einer Mutter-
galaxie ist, mag anschaulich die Abbildung
Nachweis von LSB-Objekten
wie z. B. Neat Image sorgen in ihrer Glät- 5 zeigen. Die markierten Zwerge A bis E
Der Nachweis von LSB-Objekten erfordert tungsfunktion für eine mehr oder weniger heben sich unterschiedlich gut vom Hin-
zur Identifikation lichtschwacher Struk- starke Veränderung oder Unterdrückung tergrund ab. Gehören sie aber auch wirk-
turen Aufnahmen mit möglichst hohem schwächster Signale knapp über dem Him- lich zu NGC 7331? Für die im Bild mit
Signal-Rausch-Verhältnis, d. h. langen Be- melshintergrund. Was zur Auswertung der ,,M" gekennzeichnete Zwerggalaxie konnte
lichtungszeiten. Das allein genügt nicht, tiefen Aufnahmen nötig ist, ist das Origi- dies mittels Spektroskopie am russischen
es sind die üblichen Kalibrierungsschritte nal-Summenbild im FITS-Format, frei von 6-m-Teleskop nachgewiesen werden (Abb.
einzuhalten: Die Rohbilder werden durch jeglicher Bildbearbeitung durch nichtlinea- 6). Mit 763 km/s ist ihre heliozentrische Ra-
Subtraktion der Bias- und Dunkelfeld-
bilder von heißen/kalten Pixeln und vom
kameraspezifischen Rauschen befreit. An-
schließend bewirkt die Division durch ein objektunabhängiges Weißfeld (Flatfield)
Wissenschaftliche Veröffentlichungen mit TBG-Beteiligung
eine Korrektur von Randabschattung der
1. I. D. Karachentsev, D. Bautzmann, F. Neyer, R. Pölzl, P. Riepe, T. Zilch, B. Mattern,
Optik und Störungen im Lichtstrahlen-
2014: ,,Three low surface brightness dwarfs discovered around NGC 4631",
gang, z. B. durch Staub. Unregelmäßigkei-
https://arxiv.org/pdf/1401.2719.pdf
ten im Rohbild wie Gradienten im Him-
melshintergrund können lichtschwache
2. I. D. Karachentsev, P. Riepe, T. Zilch, M. Blauensteiner, M. Elvov, P. Hochleitner,
Strukturen vorgaukeln oder auch verän-
B. Hubl, G. Kerschhuber, S. Küppers, F. Neyer, R. Pölzl, P. Remmel, O. Schneider,
dern. Eine lineare Gradientenentfernung
R. Sparenberg, U. Trulson, G. Willems, H. Ziegler, 2015: ,,New Low Surface Brightness
ist leider oftmals erforderlich, um die Än-
Dwarf Galaxies Detected Around Nearby Spirals"; Astrophys. Bull. 70, p. 379-391,
derung der Himmelshelligkeit über das
https://link.springer.com/article/10.1134/S199034131504001X
Bildfeld durch Lichtverschmutzung zu ent-
fernen. Sie kann aber bei wissenschaftlich
3. M. Blauensteiner, I. D. Karachentsev, P. Remmel, P. Riepe, M. E. Sharina, H. Strauss, U.
auszuwertenden Galaxienaufnahmen bis
Trulson, T. Zilch, 2017: ,,More satellites around the nearby spiral galaxy NGC 7331",
zum Himmelshintergrund Probleme für
https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/1701/1701.00615.pdf
die Fotometrie schwächster Flächenobjekte
bewirken. Das für ,,pretty pictures" übliche
4. I. D. Karachentsev, F. Neyer, R. Späni, T. Zilch, 2020: ,,New dwarfs around the
Entrauschen kommt für wissenschaftlich
curly spiral galaxy M 63",
auszuwertende Aufnahmen nicht in Frage.
https://arxiv.org/pdf/2011.04984.pdf
Gerade solche Bildbearbeitungsprozesse
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dialgeschwindigkeit der von NGC 7331 sehr ähnlich (816 km/s), was eine mittlere Hubble-Entfernung um 10,8 Mpc ergibt. Ein weiteres Indiz der Zusammengehörigkeit ist die diffuse Längsachse von M in Richtung von NGC 7331. Für die schwachen Zwerge A bis E ist ein solcher Zugehörigkeitsnachweis kaum machbar, insbesondere dann nicht, wenn es sich um gasfreie sphäroide Begleiter handelt. Ein radioastronomischer Nachweis wäre dann möglich, wenn diese Zwerge über neutralen Wasserstoff verfügen, so dass die Dopplerverschiebung der 21-cm-Linie vermessen werden könnte, woraus ein Radialgeschwindigkeitswert folgt. Im Fall der Zwerge A bis E kann man die Begleiternatur nur aus ihrer scheinbaren Nähe zu NGC 7331 und ihrer Morphologie (Winkeldurchmesser, Typus) abschätzen. Die Fotometrie ermöglicht dann über die Bestimmung der gemessenen scheinbaren Helligkeit m und den Entfernungsmodul m-M eine Aussage darüber, ob die Absoluthelligkeit M für Zwerggalaxien dieses Typs in dieser Entfernung passt.
Ausblick Die Gruppe bietet die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen, gemeinsame Projekte anzugehen, Ergebnisse zu präsentieren und einer kritischen Prüfung unterziehen zu lassen. Auf dem Weg befindet sich die Einrichtung eines Standards zur Vor- und Aufbereitung von Bildergebnissen, der die Diskussion und Auswertung erleichtern wird. Sicher werden zukünftig weitere interessante Ergebnisse erzielt und im besten Fall in der wissenschaftlichen Literatur als Beiträge der TBG-Gruppe integriert werden. Wer sich angesprochen fühlt, kann gerne Kontakt zu uns aufnehmen [7].
Die Autoren sind Mitglieder der TBG-Gruppe in der Fachgruppe Astrofotografie.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2021): [1] Centre de Donnees astronomiques de Strasbourg: https://cds.u-strasbg.fr/ [2] Himmelsatlas Aladin: https://aladin. u-strasbg.fr/#information [3] M. Correnti et al., 2010: ,,The northern wraps of the Sagittarius stream as
traced by red clump stars: distances, intrinsic widths, and stellar densities", Astrophys. J. 721, p. 329-356, https://iopscience.iop.org/article/ 10.1088/0004-637X/721/1/329/pdf [4] P. Riepe, 2021: ,,Neues aus der FG Astrofotografie", VdS-Journal für Astronomie 78, S. 49 [5] The Dragonfly Telephoto Array: www.dragonflytelescope.org/ [6] I. D. Karachentsev, V. E. Karachentseva, W. K. Huchtmeier, D. I. Makarov, 2004: ,,A Catalog of Neighboring Galaxies", Astron. J. 127, p. 2031-2068, https://iopscience.iop.org/article/10.1086/382905/pdf [7] TBG-Webseite: https://tbg.vdsastro.de
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Erforschung der Kleinplaneten durch Sternbedeckungen
von Nikolai Wünsche
Kleinplaneten sind ein hochaktuelles Thema. Sie spielen eine wichtige Rolle für das Verständnis der Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems. Bei der Erforschung von Kleinplaneten arbeiten Profi- und Amateurastronomen intensiv zusammen - ,,Citizen Science".
Kleinplaneten Die Erforschung der Kleinplaneten von der Erde aus ist nur eingeschränkt möglich. Die Körper sind winzig, ihre Entfernung riesig. Bevor in den 1990ern das ,,Hubble Space Telescope" und Großteleskope mit adaptiver Optik (wie das VLT der ESO) eingesetzt werden konnten, war mit Teleskopen nur Fotometrie und Astrometrie möglich. Bis heute kann man mit Teleskopen nur wenige Objekte, vor allem des Hauptgürtels, detailliert abbilden.
1 Lichtkurve einer Sternbedeckung durch (1306) Scythia am 16.08.2020. Blaue Linie:
Zielstern mit Helligkeitsabfall, die anderen sind Vergleichssterne. Screenshot der Auswertesoftware ,,Tangra" von H. Pavlov.
Wegen des Risikos eines Kleinplaneteneinschlags geben einige Staaten viel Geld aus, um potenziell gefährliche Kleinkörper zu finden und zu katalogisieren [1]. Recht bekannt sind die Suchprogramme LINEAR und Pan-STARRS, nicht zuletzt, weil sie auch viele Kometen entdecken.
Kleinplaneten und Kometen wurden auch Ziel von Raumfahrtmissionen. Wegen der hohen Kosten sind aber bis heute nur 18 erfolgreiche Missionen zu diesen Kleinkörpern zu vermelden. Die Zahl der bekannten Kleinplaneten übersteigt inzwischen 1 Million, die meisten sind bisher vollkommen unerforscht. Die Ressourcen der Fachastronomen sind beschränkt. Hier kommt ,,Citizen Science" ins Spiel: Amateurastronomen übernehmen in enger Verzahnung mit den Profi-Astronomen einen Teil der wissenschaftlichen Arbeit.
Das hat Tradition: Bis zur Kaguya-Mondmission in 2007 waren Sternbedeckungen durch den Mond bereits seit vielen Jahr-
zehnten ein erfolgreiches Gebiet einer solchen Zusammenarbeit. Es gab regionale wie internationale Gruppen, die Beobachtungen von Bedeckungsereignissen koordinierten und organisierten. Darunter waren die ,,International Occultation and Timing Association" (IOTA) in den USA, die (organisatorisch eigenständige) ,,IOTA/ Europäische Sektion" (IOTA/ES) und die ,,Royal Astronomical Society of New Zealand" (RASZN).
Bis Ende der 1990er war die Beobachtung von Sternbedeckungen durch Kleinplaneten sehr unattraktiv: Die Vorhersagen waren derartig ungenau, dass nur selten eine Bedeckung tatsächlich registriert werden konnte. Es gab keine geeigneten Kameras, um solche Ereignisse aufzuzeichnen. Man beobachtete visuell - mit den bekannten Nachteilen.
Das änderte sich gründlich: 1997 wurde der Hipparcos-Sternkatalog veröffentlicht, der Sternörter mit einmaliger Präzision enthielt. Die Treffsicherheit der Vorhersa-
gen verbesserte sich erheblich. Etwa zeitgleich kamen bezahlbare, hochempfindliche Kameras von Mintron und Watec auf den Markt. Binnen weniger Jahre wurden Sternbedeckungen durch Kleinplaneten zu einem lohnenden Betätigungsfeld. Nach Kaguya war das wissenschaftliche Interesse an Sternbedeckungen durch den Mond vorerst erloschen. Kein Wunder, dass sich die ,,Sternbedecker" nun den Bedeckungen durch Kleinplaneten widmeten! Mit der Quote der erfolgreichen Beobachtungen stieg auch die Motivation der Beobachter: Die jährliche Liste der beobachteten Sternbedeckungen durch Kleinplaneten wird seit dem Jahr 2000 schnell immer länger.
Was kann man durch Sternbedeckungen erforschen? Eine einzelne Beobachtung einer Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten (Abb. 1) liefert (nur) eine genaue Positionsbeobachtung, vielleicht noch eine Aussage zur Mindestgröße des Kleinplaneten. Eine viel größere wissenschaftliche Ausbeute
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gelingt, wenn viele Beobachter ein Ereignis gemeinsam beobachten und dabei optimal um die Schattenbahn des Ereignisses verteilt sind (Abb. 2). Jeder Beobachter misst dann eine bestimmte Sehne des Kleinkörpers (englisch: ,,chord"). Eine Software hilft, das zu organisieren: ,,Occult-Watcher", von Hristo Pavlov [2]. Jeder bekommt die Vorhersagen für seinen Standort und kann, wenn er mobil ist, seinen Standort für ein Ereignis noch optimieren, um das Netz der ,,Chords" möglichst fein zu spinnen. So wird aus den einzelnen Beobachtungen ein Gesamtbild, das die Größe und die Konturen des Kleinkörpers außerordentlich genau abbildet.
Lässt sich eine Beobachtung dieses Kleinplaneten zu einem anderen Zeitpunkt wiederholen, hat man eine weitere Momentaufnahme in einer anderen Rotationslage des Kleinkörpers. Mit diesen Ergebnissen kann man die durch Teleskope gewonnenen Daten (wie Helligkeit, Lichtwechsel, Spektrum) besser interpretieren und neue Erkenntnisse gewinnen. Als ,,Nebenprodukt" werden immer wieder enge Doppelsterne gefunden, die bisher als Einzelstern galten.
2 Obwohl die Beobachter nicht gleichmäßig verteilt waren, kann man Aussagen
zur Größe des Himmelskörpers machen. (Bild: E. Frappa/D. Herald, euraster.net)
Erfolg durch Teamarbeit - das ,,Sylvia-Event" am 29.10.2019 Für die Nacht vom 29.- 30. Oktober 2019 wurde die Bedeckung eines Sterns von 10,0 mag durch den Kleinplaneten (87) Sylvia vorhergesagt. (87) Sylvia ist ein Angehöriger des Hauptgürtels mit 253 km Durch-
3 Über 50 Beobachter waren europaweit
verteilt, um die Bedeckung durch (87) Sylvia am 29./30.10.2019 zu verfolgen. Screenshot des ,,Occult-Watcher" von H. Pavlov. Blaue Linien: äußere Grenzen des vorhergesagten Schattens. Grüne Linie: Zentrallinie. Schwarze Linien: Resultierende Schnittlinien der Beobachter mit der Schatten-Ellipse. (Karte: Google (C)2019/GeoBasis DE/BKG)
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4 Beobachtungen der Bedeckung durch (87) Sylvia. Die Zeitpunkte der Ein- und Austritte
ergeben gemeinsam eine präzise Kontur des Kleinplaneten. Im Hintergrund das DAMIT3D-Modell. Man erkennt kleine Ungenauigkeiten des Modells. (Bild: E. Frappa/D. Herald, euraster.net)
messer. Dieser Kleinplanet hat zwei kleine Monde (Romulus und Remus), die ebenfalls den Stern bedecken würden. Das vergleichsweise leicht beobachtbare Ereignis verlief quer über Europa. So entschloss sich die IOTA/ES, zu einer Beobachtungskampagne aufzurufen. Oliver Klös (IOTA/ ES) nutzte sehr erfolgreich Mailinglisten, Twitter und das VdS-Forum, um möglichst viele Beobachter zu erreichen und zu motivieren. So schlugen sich ungewöhnlich viele Beobachter die Nacht um die Ohren (Abb. 3), darunter auch einige, die noch nie eine Sternbedeckung beobachtet hatten. Dazu kam, dass in weiten Teilen Europas das Wetter mitspielte. Das Ereignis wurde ein fulminanter Erfolg: Rund 50 Beobachtungen gingen ein! Aus den Daten wurde ein detaillierter Umriss des Kleinplaneten gezeichnet und das bestehende 3D-Modell [3] evaluiert (Abb. 4). Als Highlight konnten auch beide Monde registriert werden.
Zentauren, Monde und ,,TNOs" Noch wichtiger und ebenso erfolgreich ist ,,Citizen Science" bei der Erforschung der Kleinkörper durch Sternbedeckungen jenseits des Jupiters. Ziele sind die Zentauren,
die ,,Trans-Neptunischen Objekte", kurz TNOs sowie die Monde der äußeren Planeten. Wegen der riesigen Entfernungen sind diese Himmelskörper von der Erde aus nur sehr eingeschränkt erforschbar. Zentauren und TNOs bestehen aus ursprünglichem Material der Entstehungszeit des Sonnensystems. Entsprechend groß ist das wissenschaftliche Interesse! Nicht selten besitzen Zentauren und TNOs kleine Monde, Ringe und - eine Atmosphäre! Die Forschung an ihnen hat gerade erst begonnen.
Sternbedeckungen sind sogar die einzige Möglichkeit, Ringe und Atmosphären von der Erde aus zu erforschen (Abb. 5). Schon bei drei Kleinkörpern wurden Ringe bei Sternbedeckungen entdeckt: (10199) Chariklo, (2060) Chiron und (136108) Haumea. Dieses Thema ist derartig interessant, dass es seit 2015 ein vom EU-Forschungsrat gefördertes Projekt an der Pariser Sternwarte gibt: Das Projekt ,,Lucky Star" [4] hat das Ziel, das Sonnensystem jenseits des Neptuns durch Sternbedeckungen zu untersuchen; Konrad Guhl berichtet in diesem Heft über dieses Projekt.
Citizen Science Viele Voraussetzungen für erfolgreiche Beobachtungen bedürfen der Ressourcen staatlich finanzierter Forschung. Man denke nur an die Sternkataloge, die seit Hipparcos bis zurzeit Gaia unvorstellbare Genauigkeiten und Reichweiten bieten. Hipparcos und Gaia sind Raumfahrtmissionen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Das JPL veröffentlicht im Rahmen des ,,Horizons"-Projektes [5] aktuelle astrometrische Daten der Kleinplaneten.
Amateurastronomen machen einen Großteil der Beobachtungen, werten sie aus und publizieren die Daten. Diese Auswertung erfolgt mit spezialisierter Software, die eine hohe Qualität der Resultate ermöglicht. Die Daten und Resultate stehen wiederum der Fachastronomie und auch Raumfahrtagenturen zur Verfügung, die sie dann weiter für ihre Forschungen nutzen. Als Sekundärmission für die NASA-Sonde ,,New Horizons" wurde 2015 ein Vorbeiflug am Kleinplaneten 2014 MU69 [6] beschlossen. Im Teleskop war das winzige Kuiper-GürtelObjekt nur ein Lichtpunkt. Mit einer groß angelegten Kampagne, u. a. mit 22 mobilen Teams, wurde 2017 versucht, durch Sternbedeckungsbeobachtungen die Größe und exakte Position von MU69 zu bestimmen und eventuelle Ringe oder Mini-Monde aufzuspüren. Im dritten Anlauf glückte die Beobachtung an fünf Stationen. Der Vorbeiflug von ,,New Horizons" am 1. Januar 2019 war auch dank der Erkenntnisse aus Sternbedeckungsbeobachtungen ein voller Erfolg.
,,Citizen Science" bedeutet nicht, dass Amateure die billigen Messsklaven der Profis sind. In steigendem Maße werden auch Teile der wissenschaftlichen Arbeit durch Amateurastronomen übernommen. So ist es keine Überraschung, dass an der Jahrestagung der IOTA/ES, dem ,,European Symposium for Occultation Projects" immer
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mehr Fachastronomen aus aller Welt aktiv teilnehmen [7]. Sternbedeckungen durch Kleinplaneten sind ein bedeutender Bereich, bei dem man als Amateurastronom wichtige Beiträge zu aktuellen Forschungsthemen leisten kann. Das ist nicht auf einzelne Ereignisse beschränkt: Man ist als ,,Citizen Scientist" Teil einer weltweiten Forschergemeinschaft.
Mitstreiter sind stets willkommen! Wer sich informieren möchte, kann sich auf der Internetseite der IOTA [8] oder bei der Fachgruppe der VdS [9] umschauen. Aktuelles gibt es auch bei Twitter [10] (Twitter-Account nicht erforderlich).
Internethinweise (Stand April 2021): [1] zu potenziell gefährlichen Kleinkör-
pern s. z. B. die Seite der ESA: www. esa.int/Space_in_Member_States/ Germany/Die_wichtigste_Aufgabe_ Suche_und_Ueberwachung [2] H. Pavlov: ,,Occult-Watcher", www.occultwatcher.net/ [3] J. urech, V. Sidorin, 2008-2021: ,,DAMIT Asteroid Models": https:// astro.troja.mff.cuni.cz/projects/ damit/ [4] Obs. de Paris, 2020: "ERC Lucky Star project", https://lesia.obspm.fr/ lucky-star/ [5] NASA/JPL: "HORIZONS System", https://ssd.jpl.nasa.gov/?horizons [6] Kleinplanet 2014 MU69: seit 2019 nummeriert und benannt ,,(486958) Arrokoth", https://de.wikipedia.org/ wiki/(486958)_Arrokoth [7] IOTA-ES, 2020: "European Symposium for Occultation Projects, 29.-30. August 2020, Abstract Book", https://esop39.iota-es.de/lections/ absbook_Ver_4.pdf [8] IOTA-ES, Homepage: https://iota-es. de/
5 Lichtkurve der Sternbedeckung durch den Neptun-Mond Triton am 05.10.2017. Beob-
achter in der Mitte des Schattens eines Objektes mit Atmosphäre können eine kurze Helligkeitszunahme zur Mitte der Bedeckung wahrnehmen. Das Licht des bedeckten Sterns wird in diesem Moment in der Atmosphäre gebündelt - der ,,Central Flash" entsteht. Der zeitliche Verlauf der Helligkeitsänderungen erlaubt die genaue Berechnung des Drucks und des Druckverlaufs in der Atmosphäre von Triton. (Bild: W. Beisker, IOTA/ES)
[9] Vereinigung der Sternfreunde e.V., Fachgruppe Sternbedeckungen, 2021: https://sternfreunde.de/ astronomie-als-hobby/die-vdsfachgruppen/sternbedeckungen/
[10] IOTA-ES, Twitter: https://twitter.com/ IOTAEuropeanSec
INSERENTEN
136 APM Telescopes, Sulzbach/Saar 33 astronomie - das Magazin, Hamburg 21 astronomie.de, Neunkirchen U4 Baader Planetarium, Mammendorf
113 Euro EMC - astro division, Postau 27 Gerd Neumann jr. Entwicklung und Herstellung feinmechanischer & optischer Instrumente 15 Kosmos Verlag, Stuttgart U3 Optical Vision Limited, UK 51 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Spektrum der Wissenschaft
121 Spektrum der Wissenscahaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Sterne und Weltraum
U2 Vesting e. K. Fachhandel für Astronomie, Hamburg
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Amateurastronomen liefern Daten für ein EU-gefördertes Forschungsprojekt
von Konrad Guhl
Wie in allen Naturwissenschaften ist auch in der Astronomie die Zahl der Ideen und Projekte und damit der Bedarf an Mitarbeitern und Ausrüstung größer als die verfügbaren Mittel. Ob es die Überwachung der Veränderlichen Sterne oder die Bahnbestimmung von Kleinplaneten ist, die große Zahl der benötigten Messungen ist von den bezahlten Astronomen nicht zu leisten. Sind viele Messungen nötig, so wird gern die Hilfe der nicht bezahlten Astronomen, der Amateure (der Begriff bedeutet ja ,,aus Liebhaberei ausführend") in Anspruch genommen.
Seit 1. November 2015 finanziert die Europäische Union über den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) ein Projekt mit dem Namen ,,Lucky Star". Das Projekt wurde von dem französischen Astronomen Prof. Bruno Sicardy von der Sternwarte Paris eingebracht [1]. Ziel des Projektes ist die Erforschung der Körper im äußeren Sonnensystem jenseits der Neptunbahn. Nach der Entdeckung der Ringe um Chariklo sollen weitere kleine Ringsysteme gefunden werden, die transneptunischen Objekte (TNO) in Größe und Albedo vermessen und die Atmosphäre des Pluto erforscht werden. Grundlage für diese Forschungen sind Messungen von Sternbedeckungen durch Körper des Sonnensystems, wie sie auch in dem Beitrag von Nikolai Wünsche in diesem Heft beschrieben sind. Viele dieser Messungen wurden von Amateuren durchgeführt. Stellvertretend soll hier die erfolgreiche Beobachtung der Sternbedeckung durch Pluto am 19. Juli 2016 dargestellt werden.
Ziel der Beobachtung war es, die Veränderungen in der Atmosphäre von Pluto zu verfolgen. Schon einige Jahre zuvor hatten erste Bedeckungsbeobachtungen die Messung des ,,Luftdrucks" auf Pluto ermöglicht. Die Vermessung der Atmosphäre beim Vorbei-
1 Lichtkurve der Bedeckung von UCAC4 345-18031 durch Pluto am 19.07.2016.
Beobachtung G. Murawski, Teleskopöffnung 20 cm
flug der Raumsonde New Horizons war zwar viel genauer, sie ist aber nur eine Messung zu einem Zeitpunkt. In der dünnen Gashülle des sonnenfernen Zwergplaneten spielen sich aufgrund seiner extrem exzentrischen Bahn gewaltige Veränderungen ab. Die Beobachtung dieser Veränderungen gelingt nur, wenn viele Messungen über lange Zeiträume vorliegen. Dies geht zurzeit nur mit Sternbedeckungsbeobachtungen. Die Beobachtungskampagne wurde detailliert vorbereitet: Um die Zone der Beobachtbarkeit exakt zu bestimmen, wurden astrometrische Messungen und Berechnungen von den Astronomen vorgenommen. Fünf Tage vor dem Ereignis fand die Bedeckung eines schwächeren Sterns durch Pluto statt. Mit dieser ,,Pathfinder"-Messung wurden die Vorhersagen noch einmal korrigiert und eine Sichtbarkeitszone von Mitteleuropa bis Nordafrika stand fest.
Pluto steht gegenwärtig auf einem südlichen Abschnitt seiner Bahn. Damit ist die
Höhe über dem Horizont auf der Nordhalbkugel gering. In Berlin stand Pluto zum Beobachtungszeitpunkt nur 13,8 Grad über dem Horizont. Die Herausforderung der Beobachtung bestand darin, einen 14 mag hellen Stern in geringer Höhe über dem Horizont in einer Vollmondnacht aufzufinden und über einige Minuten zu beobachten, um dessen Helligkeit genau zu messen. Für das Aufsuchen und Einstellen war wenig Zeit nach der späten Dämmerung. Um Zeit zu sparen, hatten einige Beobachter den Stern eine Nacht vor dem Ereignis eingestellt und zur Beobachtung lediglich den Stundenwinkel korrigiert.
Mehr als 30 Beobachter hatten sich an der Kampagne beteiligt. Von 20 Stationen konnten Lichtkurven ausgewertet werden. Die kleinsten eingesetzten Teleskope hatten 20 cm Öffnung. Der Amateurastronom Gabriel Murawski im Nordosten Polens konnte mit einem 20-cm-Teleskop bei einer Höhe von nur 14 Grad eine Lichtkurve ge-
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winnen, die in der Abbildung 1 zu sehen ist. Die IOTA/ES richtete eine Expedition auf die Plose in Südtirol aus. Die Abbildung 2 zeigt das 20-Zoll-Reisefernrohr ,,M2" am Beobachtungsabend. Die Bedeckung konnte auch dort erfolgreich beobachtet werden. Die gesammelten Lichtkurven, die Stationen und die Übersicht über die Instrumente sind in [3] sehr ausführlich aufgelistet.
Alle Beobachtungen wurden zentral ausgewertet und die Resultate im Fachmagazin ,,Astronomy and Astrophysics" publiziert [3]. Die Abbildung 3 zeigt die Einordnung der ermittelten Werte des Atmosphärendrucks auf Pluto aus Bedeckungsbeobachtungen bis zum Jahr 2016. Wir erkennen, dass sich der Bodendruck der Atmosphäre innerhalb von knapp 30 Jahren von 4 auf 12 Mikrobar erhöht hat. Dies ist ein dramatischer Klimawandel auf Pluto!
Die Mehrzahl der Beobachter dieser wissenschaftlich wertvollen Messung waren nicht bezahlte Astronomen - citizen scientists.
2 Das IOTA/ES-Expeditionsfernrohr ,,M2" auf Höhe von 2.500 m
vor einem Gasthof auf der Plose
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2021): [1] European Research Council (ERC), 2020: "Exploring the ou-
ter solar system beyond Neptune using stellar occultations", https://cordis.europa.eu/project/id/669416/de [2] W. Beisker, 2017: "Occultation of UCAC4 345-180315 by Pluto on the 19th of July 2016", Journal for Occultation Astronomy 2017-02, p. 15 [3] E. Meza et al., 2019: "Lower atmosphere and pressure evolution on Pluto from ground-based stellar occultations, 1988-2016", Astron. Astrophys. 625, A42, p. 1-21, www.aanda.org/articles/aa/pdf/2019/05/aa34281-18.pdf
3 Bodendruck auf Pluto in Mikrobar im Zeitraum 1988 bis 2016
(nach [2])
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Fotometrie der Nova Cassiopeiae 2021 = V1405 Cas
von Wolfgang Vollmann
Mehrere tausend Lichtjahre entfernt umkreisen zwei Sterne in einem engen Doppelsternsystem den gemeinsamen Schwerpunkt. Die ,,Sternleiche" eines Weißen Zwergsterns und ein relativ massearmer Hauptreihenstern ähnlich der Sonne sind sich so nahe, dass ihre Umlaufzeit nur wenige Stunden beträgt. Vom Hauptreihenstern fließt ein Materiestrom zum Weißen Zwerg, der in einer Akkretionsscheibe aufgesammelt wird und sich auch auf der Oberfläche ablagert. Jahrtausendelang nimmt die aufgesammelte Materie am Weißen Zwerg zu, bis Druck und Temperatur hoch genug sind, dass es zu einer thermonuklearen Explosion kommt und die Materie mit bis zu tausend Kilometer pro Sekunde ins Weltall geschleudert wird: eine ,,Nova" leuchtet auf.
Am Ort Rektasz. 23h 24m 47,73s und Dekl. +61 Grad 11' 14,8'' (2000.0), etwa ein halbes Grad südlich des offenen Sternhaufens M 52 in der Kassiopeia, wurden schon vor Jahren
die kleinen Lichtschwankungen eines Sternchens von 14,9 mag visueller Helligkeit von Zbynk Henzl registriert und ein bedeckungsveränderlicher Stern mit 9 Stunden Periode als CzeV3217 katalogisiert. Am 18. März 2021 fand der Amateurastronom Yuji Nakamura aus Japan auf Aufnahmen mit einem 135-mm-Teleobjektiv an diesem Ort einen ,,neuen Stern" mit 9,6 mag. Am Morgen des 17. März, etwa 30 Stunden vor der Entdeckung, fotografierte ich diese Gegend mit einem 50-mm-Kameraobjektiv, um die Helligkeit der veränderlichen Sterne Cas und V509 Cas zu messen. Nach der Entdeckungsmeldung inspizierte ich meine Aufnahmen (Abb. 1) und fand von der Nova noch keine Spur. Die schwächsten sichtbaren Sterne auf den Bildern waren 11,3 mag hell [1, 2].
Da die Nova in Mitteleuropa zirkumpolar ist, kann sie die ganze Nacht beobachtet werden. Sie erreichte ihr erstes Helligkeitsmaximum mit 7,6 mag am 20. März 2021
und ist bisher (Mai 2021) kaum schwächer geworden. Bis Mitte April schwankte ihre Helligkeit nur um wenige zehntel Größenklassen um die 8,0 mag herum. Seither wurde die Nova wieder heller und erreichte um den 21. April fast wieder ihre Maximalhelligkeit mit 7,7 mag. Bis Anfang Mai wurde sie weiter heller und übertraf ihre Helligkeit vom 20. März. Die Nova zeigt also bisher eine Lichtkurve ohne ausgeprägtes spitzes Helligkeitsmaximum und ohne rasches Schwächerwerden.
Viele Novae werden innerhalb von Tagen oder Wochen nach dem Helligkeitsmaximum um 3 Größenklassen (Faktor 16) schwächer. Wenn das Schwächerwerden bis zu 100 Tage dauert, spricht man von ,,schnellen Novae" vom Typ Na wie z. B. die Nova Delphini 2013 [7]). Bei 150 Tagen oder mehr werden Novae als langsam, Typ Nb, klassifiziert. Es gibt aber auch ,,sehr langsame Novae", Typ Nc, wie Nova Delphini 1967 [8], bei denen das Schwächerwerden Jahre
1 Links ein Ausschnitt aus einem Foto vom 17.03.2021, 03:36 Uhr UT, Objektiv 1:2,8 / 50 mm und Kamera Canon 600D.
10 Strichspuraufnahmen je 13 s belichtet und gestackt. Am Ort der Nova in der Bildmitte ist noch nichts vom Aufleuchten zu sehen. Rechts: Ausschnittsvergrößerung mit markiertem Novaort. Die Nova ist in der Bildmitte, Norden ist oben.
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oder Jahrzehnte dauert. Die verschiedenen Arten von Nova-Lichtkurven sind übrigens aus vielen tausend vornehmlich visuellen Helligkeitsbeobachtungen von Amateurastronomen in aller Welt klassifiziert worden [3]. Die BAV im deutschsprachigen Raum [4] und weltweit die AAVSO [5] sammeln Beobachtungsergebnisse, archivieren sie und machen sie für Forscher zugänglich. Für die Nova Cas 2021 sind so für fast jede Nacht seit der Entdeckung visuelle und CCD- bzw. DSLR-Helligkeitsmessungen von 156 Beobachtern weltweit in der AAVSO International Database verfügbar.
Die Nova wurde in den ersten Maitagen 2021 heller und heller und erreichte in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 5,3 mag und war dann schon mit freiem Auge zu sehen. Sie ist anscheinend eine langsame Nova, die ihr Helligkeitsmaximum erst Wochen oder Monate nach dem Beginn der Nova-Eruption erreicht. Die weitere Helligkeitsentwicklung der Nova Cas 2021 ist nicht ganz vorhersehbar, aber nach einigen Jahren wird sie wieder zu ihrer Ruhehelligkeit zurückkehren. Dann beginnt der jahrtausendelange Prozess wieder und wahrscheinlich wird die Nova in der fernen Zukunft wieder aufleuchten. Die Novae, deren Wie-
2 Die Nova Cas 2021 am 30.03.2021, 19:37 Uhr, Objektiv 1:2,5 / 135 mm und Kamera Canon
600D. 10 Strichspuraufnahmen je 6 s belichtet und gestackt. Die Grünbilder und Blaubilder dieser Aufnahmen werden für Helligkeitsmessungen mit Muniwin [6] benutzt. Die Nova ist in der Bildmitte, Norden ist oben.
3 Lichtkurve der Nova Cas 2021. Jeder mei-
ner Messpunkte ist ein Mittelwert von mindestens 10 Einzelfotos einer Beobachtungsnacht. Alle Fotos einer Nacht wurden mit Muniwin vermessen und die Ergebnisse gemittelt. Die Genauigkeit einer Messung ist etwa +-0,02 mag auf den Grünbildern bzw. +-0,03 mag auf den Blaubildern. Zudem ist der Vergleich meiner Messungen mit nächtlichen Mittelwerten aus der AAVSO International Database [5] eingezeichnet. Die gemessene Grünhelligkeit TG ist sehr nahe am fotometrischen Johnson-V-Helligkeitssystem, die Blauhelligkeit TB nahe an Johnson B.
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deraufleuchten innerhalb von Jahren oder Jahrzehnten beobachtet wurde, werden rekurrierende Novae, Typ Nr, genannt. Der Spenderstern, der Materie für den Weißen Zwerg liefert, wurde bei mehreren dieser wiederkehrenden Novae als Roter Riesenstern identifiziert.
Die Lichtkurve in der Abbildung 3 wurde aus Aufnahmen mit der DSLR-Kamera Canon 600D gewonnen. Ein altes Teleobjektiv Pentax 1:2,5/135 mm ist per Adapter montiert. Die Kamera am Fotostativ macht Serien von Strichspuraufnahmen mit 6 Sekunden Einzelbelichtungszeit bei ISO 800. Auf den RAW-Bildern wird per Software Muniwin [6] das Signal der einzelnen Pixel des belichteten Sternbilds addiert und so automatisch die Helligkeit ermittelt (Abb. 2).
Mit mindestens einem Vergleichsstern und Prüfstern kann die Helligkeit auf den Grünbildern bzw. Blaubildern gemessen werden. Für die Grünhelligkeit wird die Kataloghelligkeit im System Johnson V des Vergleichssterns benutzt, für die Blauhelligkeit die Johnson-B-Vergleichssternhelligkeit. Einzelheiten dazu bieten das AAVSO-DSLRManual [9] und die Astronomie-Videos von Erik Wischnewski [10].
Internethinweise (Stand Mai 2021): [1] Entdeckungsmeldung Nova Cas
2021: AAVSO Alert Notice 735, www.aavso.org/aavso-alertnotice-735 [2] AAVSO Variable Star Index zur Nova: www.aavso.org/vsx/index. php?view=detail.top&oid=2216132
[3] R. J. Strope et al., 2010: "Catalog of 93 nova light curves: classification and properties", Astron. J. 140, p. 34, https://iopscience.iop.org/article/ 10.1088/0004-6256/140/1/34
[4] BAV: https://bav-astro.de/ [5] AAVSO: www.aavso.org/ [6] D. Motl: "Muniwin", http://
c-munipack.sourceforge.net/ [7] Nova Del 2013 = V339 Del: https://
en.wikipedia.org/wiki/V339_Delphini [8] Nova Del 1967 = HR Del: https://
en.wikipedia.org/wiki/HR_Delphini [9] AAVSO-DSLR-Manual: www.aavso.
org/dslr-camera-photometry-guide [10] E. Wischnewski: ,,Astronomie-Videos
Folge 77-80", www.astronomie-buch. de/astronomietelevision.htm
HOYS - Bürgerwissenschaftler ,,jagen" Ausbrüche junger Sterne
von Dirk Froebrich und Jochen Eislöffel
Im HOYS - Hunting Outbursting Young Stars - Citizen Science Projekt [1] arbeiten Amateur- und Profiastronomen gemeinsam an der langfristigen Überwachung junger Sterne, um Akkretionsausbrüche und andere interessante Prozesse der Sternund Planetenentstehung zu finden und im Detail zu untersuchen.
In dem Projekt beobachten wir nahe junge Sternhaufen und Sternentstehungsgebiete, die von der nördlichen Hemisphäre aus sichtbar sind, um ihre veränderlichen jungen Sterne zu erforschen. Amateurastronomen beobachten diese Zielfelder - so oft es ihnen möglich ist - in ihren vorhandenen optischen Filtern. Die Objekte sind so ausgewählt, dass sie für Astrofotografen interessant sind. Es sind Objekte, die von Vielen für ausgezeichnete ,,Pretty Pictures" aufgenommen werden. Es ist also möglich, gleichzeitig Daten für HOYS und für solche lang belichteten Aufnahmen zu gewinnen. Junge Sterne wachsen durch den Einfall - die Akkretion - von umgebendem Material
aus einer zirkumstellaren Scheibe. Dieser Vorgang bestimmt ihre endgültige Sternmasse, ihre Rotation und ihre Helligkeit. Änderungen der Massenakkretionsrate füh-ren zu Helligkeitsschwankungen. Diese reichen von ein paar Prozent bis zu mehr als einem Faktor 100 für die extremsten, sogenannten FU-Orionis-Ausbrüche [2]. Die Helligkeitsänderungen treten auf den verschiedensten Zeitskalen auf - von wenigen Minuten für das sogenannte ,,Flickering" bis zu Jahrhunderten für die großen Ausbrüche. Es stellte sich also die Frage, wie man ein Beobachtungsprogramm aufbaut, das alle diese Ereignisse untersuchen kann.
Schnell war klar, dass man die Objekte mit einer hohen Kadenz beobachten muss - einmal pro Tag - um die kurzzeitigen Veränderungen zu sehen. Man muss die Objekte aber auch über lange Zeiträume verfolgen, um ihr Langzeitverhalten zu studieren. Und man muss so viele Objekte wie möglich beobachten, um auch die seltenen Ereignisse zu finden. Schließlich sollte
man die Objekte bei verschiedenen Wellenlängen gleichzeitig beobachten, um die Akkretionsausbrüche von anderen Arten der Veränderlichkeit gut unterscheiden zu können. Die Antwort auf alle diese Anforderungen ist, junge Sternhaufen und Sternentstehungsgebiete zu beobachten - jede Nacht, in einer Anzahl von Filtern, über viele Jahre.
Die Zeit für ein solches Unterfangen an einem professionellen Observatorium einwerben zu wollen, ist praktisch unmöglich. Ein eigenes Universitätsobservatorium aufzubauen hilft, ist aber aufgrund der Einschränkungen durch das Wetter immer noch weit vom Ideal entfernt. Andererseits gibt es eine Anzahl motivierter Amateurastronomen, die eine geeignete Ausrüstung besitzen, geografisch weit verteilt sind, und daher die nötigen Beobachtungen gemeinsam durchführen können. Aus dieser Erkenntnis entstand die Idee zu dem Citizen Science Projekt HOYS. Objektfelder, die einerseits fotogen sind und andererseits
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1 Der Datenschatz von HOYS ermöglicht die Untersuchung zahlreicher spannender wissenschaftlicher Fragestellungen zur Stern-
und Planetenentstehung. (Quellen für die Sketches: Patrick M. Hartigan, 1995, https://en.wikipedia.org/wiki/Hill_sphere#/media/File: Lagrange_points2.svg, www.jpl.nasa.gov/images/loops-of-gas-and-dust-rise-from-planetary-disks-artist-concept)
den wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, waren schnell gefunden - Orionnebel, Pelikannebel, Elefantenrüsselnebel, Weihnachtsbaumhaufen. Jetzt galt es nur noch, die Aufnahmen zu sammeln und auszuwerten.
Die Datenauswertung ist ein technisches, rechenintensives Problem, das man mit Zeit, Eifer und den notwendigen Ressourcen lösen kann. Die Amateurastronomen zu finden, die zu einem solchen Projekt beitragen können und wollen, ist eine ganz andere Sache. Das Projekt startete lokal mit Amateuren in der Grafschaft Kent, für die ein Astrofotoworkshop organisiert wurde. So kam eine erste Gruppe von Teilnehmern zusammen, mit denen die Ideen und Datenauswerteprozeduren ausprobiert werden konnten. Langsam, und vor allem durch Mund-zu-Mund-Propaganda unter den Amateuren, wuchs das Projekt auf etwa zwei Dutzend Teilnehmer. In der Folge stellte die University of Kent Mittel für Vortragsreisen zu Amateurvereinen in Großbritannien zur Verfügung, um das HOYSProjekt bekannter zu machen. Dies hat zu mittlerweile über 50 Vorträgen und einer über die AAVSO (American Association
of Variable Star Observers) koordinierten Beobachtungskampagne geführt. Die Zahl der aktiven Teilnehmer ist auf etwa 80 aus 13 verschiedenen Ländern angewachsen. Zusammen mit einigen Universitäts- und Institutsobservatorien haben sie fast 50.000 Einzelaufnahmen auf den HOYS-Server geladen, aus denen fast 200 Millionen Messungen von Sternhelligkeiten gewonnen werden konnten. Im Schnitt gehen täglich etwa 50 neue Aufnahmen ein. Alle diese Daten sind in der HOYS-Datenbank öffentlich zugänglich (unter [1], Menüpunkte ,,Data Server/Lightcurve Plot") und können von jedermann für eigene Forschungsprojekte genutzt werden.
Um am HOYS-Projekt teilzunehmen, ist nur eine sehr moderate Astrofoto-Ausrüstung notwendig. Schon eine Optik mit nur 5 cm Öffnung kann nützliche Daten liefern - größer ist natürlich kein Nachteil. Auch für die Kamera gibt es keine besonderen Anforderungen - sowohl Astrokameras als auch Spiegelreflex- oder spiegellose Kameras können benutzt werden. Da einige der HOYS-Felder dicht gepackt mit Sternen sind, ist eine Bildskala von 3 Bogensekunden/Pixel oder feiner für eine gute Fotome-
trie wünschenswert. Wir sammeln keine ungefilterten oder Luminanz-Aufnahmen, aber alle optischen Filter vom UV- bis zum I-Band sind nützlich. Dies schließt auch die RGB-Filter in Spiegelreflexkameras und ähnlichen mit ein. Neben diesen Breitbandfiltern sind auch Aufnahmen mit HFiltern von großem Interesse. Die Beobachtungs- und die Integrationszeit sind sehr flexibel - schon wenige Minuten können ausreichend sein. Damit können selbst bei weniger guten Beobachtungsbedingungen noch nützliche Daten gewonnen werden. Jeder ist natürlich willkommen, so viel Beobachtungszeit für das Projekt einzusetzen, wie er möchte.
Der Reichtum der von HOYS gewonnenen Daten ist jetzt schon beeindruckend - und ebenso die Möglichkeiten ihrer wissenschaftlichen Nutzung. Das Projekt wurde gestartet, um Helligkeitsausbrüche junger Sterne durch Änderungen der Massenakkretionsrate aus ihren zirkumstellaren Scheiben zu untersuchen. Man kann damit aber auch Bedeckungen der jungen Sterne durch Material in ihren Akkretionsscheiben erkennen, das durch die Sichtlinie zum Beobachter wandert. Dies erlaubt es, die
2 Spannende Einblicke in die Stern- und Planetenentstehung im Pelikannebel: Die protoplanetare Scheibe des Sterns V1490 Cyg (Diagramm
unten links) war Untersuchungsgegenstand der ,,HOYS II"-Veröffentlichung [3]. Eine Durchmusterung des Gebiets nach periodischen Veränderlichen (oben rechts) ist Thema einer Doktorarbeit an der University of Kent und des in Arbeit befindlichen ,,HOYS IV"-Papers (Bildquelle: HOYS).
Struktur und Eigenschaften dieser Scheiben, in denen sich Protoplaneten bilden, in sehr feinem Detail zu studieren - mit einer sehr viel höheren räumlichen Auflösung, als es mit Direktaufnahmen oder selbst mit Interferometrie möglich wäre. Außerdem kann man mit den Daten die Rotationsperioden vieler junger Sterne messen und damit verbunden die Eigenschaften und die Entwicklung von heißen Akkretions- oder kühlen Sternflecken auf ihren Oberflächen verfolgen. Die hohe Kadenz der HOYS-Daten bei verschiedenen Wellenlängen erlaubt es, die Temperatur und Größe dieser Flecken, ihre zeitliche Entwicklung sowie ihre Bewegung auf der Sternoberfläche zu verfolgen. Die Abbildung 1 zeigt typische Lichtkurven für alle diese Prozesse, die sich auch gleichzeitig abspielen können. Ganz nebenbei werden eine Vielzahl neuer veränderlicher Sterne wie Bedeckungsveränderliche oder MiraSterne in den HOYS-Feldern gefunden, die auf eine Untersuchung warten.
Mittlerweile hat das Projekt fünf wissenschaftliche Arbeiten in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlicht - frei zugängliche Kopien sind auf der HOYS-Webseite [1] unter ,,Science/Publications & Lightcurves" verlinkt. Zwei weitere Publikationen befinden sich gegenwärtig in Arbeit. Die Abbildung 2 zeigt Lichtkurven von Objekten im Pelikannebel aus der ,,HOYS
II"-Arbeit [3] und dem in Vorbereitung befindlichen ,,HOYS IV"-Paper.
Bei den Veröffentlichungen, die einen Durchmusterungs- oder Übersichtscharakter haben, werden alle HOYS-Teilnehmer, die Daten zu dem entsprechenden Thema beigetragen haben, eingeladen, Co-Autoren zu werden. Auch zu Publikationen, die im Rahmen von detaillierten wissenschaftlichen Untersuchungen entstehen - wie z. B. Doktor- oder Masterarbeiten - werden diejenigen Teilnehmer als Co-Autoren eingeladen, die in besonderer Weise einen Beitrag geleistet haben. Damit werden die Teilnehmer angeregt, sich an der Datenanalyse zu beteiligen und so den gesamten Prozess zu einer wissenschaftlichen Publikation mitzuerleben.
Einen noch schnelleren und einfacheren Zugang zu dem, was in ihren Daten steckt, erhalten die Teilnehmer durch die ,,Lightcurve of the Week" (Archiv unter ,,Science/Publications & Lightcurves" auf [1]). Hier wird jede Woche die Lichtkurve eines Sterns genauer betrachtet und erläutert. Unter ,,Take Part/Stories" findet man gelegentlich Beiträge aus der Sicht von Projektteilnehmern, die interessante Einblicke in ihre Mitarbeit geben. Das HOYS-Projekt wird von Dr. Dirk Froebrich von der University of Kent und Dr. Aleks Scholz von
der University of St. Andrews geleitet. Ein Beirat aus aktiven Amateurastronomen, Lehrern und Mitarbeitern in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt sie, das Projekt interessant für die Mitarbeit von Amateuren zu gestalten.
HOYS ist ein Bürgerwissenschaftler-Projekt für Amateurastronomen, die Spaß an der Beobachtung und den Wunsch haben, damit direkt zu spannenden wissenschaftlichen Untersuchungen beizutragen. Informationen zu HOYS und einer Teilnahme daran finden Interessierte auf hoys.space oder auf Facebook, Twitter und Youtube für Updates, Neuigkeiten und Diskussionen. Mitmachen ist erwünscht!
Literatur- und Internethinweise
(Stand: Mai 2021): [1] HOYS Citizen Science Projekt:
"Hunting Outbursting Young Stars", https://hoys.space [2] FU-Orionis-Stern: https://de. wikipedia.org/wiki/FU-Orionis-Stern [3] J. J. Evitts et al., 2020: "A survey for variable young stars with small telescopes: II - mapping a protoplanetary disc with stable structures at 0.15 au", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 493, p. 184, https://ui.adsabs.harvard.edu/ abs/2020MNRAS.493..184E/abstract
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AllSky7
- ein neues Feuerkugelüberwachungsnetz
von Sirko Molau
Amateurastronomie und Meteorbeobachtung In der Meteorastronomie nahmen Amateure schon immer eine herausragende Stellung ein. Die Gründe dafür sind vielfältig: - Die Beobachtung kann mit einfachsten
Mitteln erfolgen (zum Beispiel mit dem bloßen Auge). - Die Überwachung der Meteoraktivität muss rund um die Uhr erfolgen und setzt daher ein globales Beobachtungsnetz voraus. - Die wenigen Berufsastronomen, die es auf diesem Gebiet gibt, ,,kochen auch nur mit Wasser". Das heißt, dass sie technische Hilfsmittel nutzen, die meistens auch engagierten Amateurastronomen zur Verfügung stehen.
Daher gab es schon immer enge Verflechtung zwischen Berufs- und Hobbyastronomen und viele Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte beruhen auf Beobachtungen von Amateuren.
Seit den 1990er-Jahren hat sich neben der visuellen Meteorbeobachtung zunehmend auch der Einsatz von Videotechnik durchgesetzt. Es gibt eine Vielzahl von Kameranetzwerken, die den Nachthimmel rund um die Uhr überwachen und jeden Tag Tausende von Sternschnuppen aufzeichnen. Die Meisten setzen dabei auf Kameras mit mittleren Gesichtsfeldern von 30 Grad bis 90 Grad Diagonale, was verschiedene Vorteile hat: - Die Zahl der aufgezeichneten Meteore hat
in diesem Bereich ein Optimum. - Der Anteil an Meteoren, die zu einem Me-
teorstrom gehören, ist relativ hoch. - Die astrometrische Genauigkeit reicht
aus, um detaillierte Auswertungen von Meteorströmen und den Orbits der Meteoroide vorzunehmen.
Feuerkugelbeobachtung Eine Spezialdisziplin innerhalb der Meteorbeobachtung ist die Aufzeichnung von
Feuerkugeln. Da diese sehr selten sind, kommen AllSky-Kameras zum Einsatz. Sie zeichnen den gesamten Himmel auf und stellen dabei sicher, dass bei klarem Himmel alle Ereignisse erfasst werden. Außerdem haben sie einen größeren Dynamikbereich, der auch die Aufzeichnung heller Ereignisse ermöglicht. Zur Feuerkugelüberwachung kam bisher weiterhin analoge Kameratechnik zu Einsatz, wie zum Beispiel im European Fireball Network. Das seit 2014 in Frankreich etablierte FRIPON-Netzwerk [1], das inzwischen fast 200 Stationen in Europa umfasst, war eines der ersten videobasierten Netzwerke zur Feuerkugelbeobachtung.
Auch in Deutschland wurden einige FRIPON-Stationen aufgebaut und der Autor betreibt seit 2018 mehrere FRIPON-Kameras. Ihre Stärke besteht darin, dass sie komplett ,,plug&play" sind. Man muss das System lediglich verkabeln und einschalten - der Rest geschieht automatisch. Feuer-
1 Die FRIPON-Kamera DEMV01 (links) und die AllSky7-Kamera AMS35 (rechts) Seite an Seite auf dem Dach der Station in Conow,
Mecklenburg-Vorpommern. Der Autor betreibt drei dieser Kamerapaare an verschiedenen Standorten in Deutschland.
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kugeln werden automatisch erkannt und auf einen zentralen Server in Frankreich übertragen. Die Korrelation mit Aufnahmen anderer Stationen erfolgt automatisch und täglich wird per E-Mail ein Bericht versandt, wann und wo Feuerkugeln aufgezeichnet wurden. Eine Schwäche dieses Systems ist aber die geringe Grenzgröße, die bei ca. -4 mag liegt. Die Kamera zeichnet nur ca. 50 Feuerkugeln pro Jahr auf, keine ,,normalen" Meteore oder andere Ereignisse.
AllSky7-Kamera Als auf der International Meteor Conference 2018 in der Slowakei von Mike Hankey, einem amerikanischen Meteorbeobachter, ein neues Kamerasystem namens AllSky6 vorgestellt wurde, war ich sofort begeistert. Dieses System setzt statt einer Kamera mit Fischaugenobjektiv sechs Kameras ein, die zusammen fast den gesamten Himmel abdecken. Jede Kamera hat bei einem Gesichtsfeld von 80 Grad x 45 Grad eine fünfmal so hohe Auflösung wie FRIPON (25 Pixel pro Grad) und ist deutlich empfindlicher (Grenzgröße ca. +4 mag), so dass man neben Feuerkugeln auch ganz ,,normale" Meteore aufzeichnen kann. Ich habe mir die erste Kamera noch auf der Konferenz gekauft und sie ein Jahr lang Seite an Seite mit einer FRIPON-Kamera betrieben (Abb. 1). Das System hat dabei ca. 5.000 Meteore aufgezeichnet.
Zusammen mit zwei Mitgliedern des Arbeitskreises Meteore, die sich ebenfalls AllSky6-Kameras zugelegt hatten, wurde das System auf Herz und Nieren geprüft und Mike viele Verbesserungsvorschläge bzgl. Hardware und Software gemacht, die zügig in das System einflossen. So wurde aus der AllSky6 eine AllSky7-Kamera, indem die eine Zenitkamera durch zwei ersetzt wurde, um den Himmel wirklich zu 100% abzudecken (Abb. 2). Die originalen
2 Das Innenleben einer AllSky7-Kamera. Unter den beiden Zenitkameras ist die notwendige
Elektronik (ein Spannungswandler und ein 8-Port-Ethernetswitch) montiert. Die Übertragung von Strom und Daten erfolgt über ein gemeinsames Kabel (Power over Ethernet).
Kameras wurden durch ein empfindlicheres Nachfolgemodell ersetzt (basierend auf dem IMX291-CMOS-Sensor von Sony). Die Acrylglaskuppel wurde gefärbt, um Reflexionen zu minimieren und die Temperatur in der Kamera zu senken. Auch die Software wurde umfassend erweitert. Zwar hatte das System auch Anfang 2020 noch immer nicht den Reifegrad von FRIPON, aber wir entschieden, dass dieses System deutlich leistungsfähiger und zukunftsträchtiger ist. Daher begannen wir mit dem Aufbau eines Feuerkugelnetzwerks auf Basis von AllSky7-Kameras.
AllSky7-Kameranetz Mit Bauteilen, die wir von Mike Hankey erhielten, baute ich drei weitere AllSky7Kameras. Eine davon wurde von der VdS gekauft und als Geschenk an der VdS-Feriensternwarte in Kirchheim installiert. Es wurde eine Homepage [2] in das Internet gestellt, auf der man den Status des Kameranetzwerks ansehen und Informationen zu dem System erhalten kann. Außerdem gibt es Live-Bilder von jeder Station und ein Archiv der schönsten Feuerkugelaufnahmen.
Im Frühjahr 2020 kam ich mit Mike Hankey überein, dass ich die Kameras in meiner Freizeit für die EU ,,in Lizenz" bauen werde. Gründe dafür waren der teure Versand der Bauteile bzw. Kameras von China über die USA nach Deutschland und wiederholte Zollprobleme. Im Sommer 2020 entstand so eine erste Serie von zehn Kameras in Eigenproduktion. Obwohl keine aktive Werbung betrieben wurde, hatten verschiedene Sternfreunde von dem Vorhaben gehört und sich bei mir gemeldet. Dadurch konnte Deutschland relativ schnell abgedeckt werden. Es wurde eine Mailingliste [3] eingerichtet, auf der sich angehende und bereits aktive Kamerabetreiber über ihre Erfahrungen und Beobachtungen austauschen. Zudem wurde ein Kernteam von vier Kamerabetreibern (Markus Kempf, Andre Knöfel, Jörg Strunk und Sirko Molau) etabliert, die sich um verschiedene Aspekte des Netzwerks kümmern: vom Anlernen neuer Kamerabetreiber und der Pflege der Homepage, über den Support der bestehenden Installationen (Software und OS-Upgrades, Bug Fixing), von der Aufbereitung von Beobachtungen (z. B. Löschen von Fehldetektionen) bis hin zur schnellen Verbreitung
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3 Stand des AllSky7-Kameranetzwerks im April 2021. Allein in Deutschland waren zu
diesem Zeitpunkt über 20 Kamerastationen aktiv.
von Aufnahmen außergewöhnlicher Ereignisse auf unserer Homepage und in sozialen Medien. Eine weitere Serie von zehn Kameras wurde über die Weihnachtszeit 2020 gebaut. Dieses Mal wurden Beobachtungsorte in den Randbereichen unseres Landes sowie in benachbarten Ländern wie Holland, Belgien und der Schweiz bevorzugt, um das Netzwerk weiter auszudehnen. Im Frühjahr 2021 waren die nächsten Kameras fertig. Mittlerweile haben wir begonnen, Meteorbeobachter und Sternfreunde in Nachbarländern aktiv anzusprechen, um ein echtes europäisches Netzwerk zu errichten. Auch in den USA und in anderen Ländern gibt es AllSky7-Subnetze und einzelne Stationen, aber das europäische Netz ist aktuell das größte und am besten organisierte AllSky7-Netzwerk weltweit.
Zukunftspläne Das weitere Wachstum des Netzwerks bleibt ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Nachdem weitere Kameras in Deutschland kaum noch wissenschaftlichen Mehrwert bringen (Abb. 3), haben wir ein Sponsoring-Modell entwickelt. Dabei bringen wir Sternfreunde, die gerne eine eigene Kamera zum Netzwerk beisteuern würden, aber de-
ren Beobachtungsort schon gut mit Kameras abgedeckt ist, mit anderen Sternfreunden zusammen, die das Netzwerk sinnvoll erweitern würden, aber sich selber keine Kamera leisten können.
Wir haben in den vergangenen Monaten viele spektakuläre Feuerkugeln aufgezeichnet (Abb. 4). Sowohl der Meteoritenfall von Flensburg am 12. September 2019 als auch der Winchcomb-Meteoritenfall in England am 28. Februar 2021 konnte von AllSky7Kameras aufgezeichnet werden, weitere ,,Meteorite Dropper" werden folgen. Bisher war die Auswertung jedoch noch mit viel manuellem Aufwand verbunden. Seit Herbst 2020 hat Mike Hankey die Software massiv erweitert und inzwischen werden auch in großem Stil automatisiert die Trajektorien von Meteoren und Feuerkugeln sowie die Orbits ihrer Erzeuger berechnet. Diesen Weg weiter zu verfolgen, so dass am Ende ein voll automatisiertes System wie FRIPON vorliegt, ist ein weiterer Schwerpunkt für uns.
Die AllSky7-Kameras haben noch einen weiteren Vorteil: Sie zeichnen den Himmel rund um die Uhr auf und speichern die
originalen Videodaten für einige Zeit zwischen. Damit können auch andere astronomische und atmosphärische Erscheinungen untersucht werden. Wir haben bereits mehrfach beeindruckende Aufnahmen von Starlink-,,Satellitenketten" gewonnen und können mit leichter Modifikation der Software die Positionen und Bahnen von Satelliten exakt vermessen. Vor allen die weiter nördlich gelegenen Kameras sind prädestiniert zur Beobachtung von leuchtenden Nachtwolken (NLC) und Polarlichtern. Wir haben Blitze und Sprites aufgenommen. Halos sind regelmäßig auf unseren Aufnahmen zu finden. Man muss nur eine passende Erkennungssoftware schreiben, die auch diese Phänomene herausfiltert, und schon kann das Netzwerk weiteren wissenschaftlichen Nutzen liefern. Zwar gibt es inzwischen Millionen von privaten und kommerziellen Überwachungskameras in Deutschland, aber unsere Systeme sind empfindlicher als die meisten und exakt kalibriert, was bei der Auswertung von Ereignissen von unschätzbarem Vorteil ist.
Schließlich hat sich rund um die AllSky7Kamera in kürzester Zeit eine Gemeinschaft von begeisterten Sternfreunden gebildet, die vorher oftmals nicht mit Meteoren und atmosphärischen Erscheinungen in Berührung kamen, sich aber über dieses Kameranetzwerk ein neues Beobachtungsgebiet erschließen konnten.
Internethinweise (Stand Mai 2021): [1] FRIPON - Fireball Recovery and
InterPlanetary Observation Network, International Consortium Website: https://fripon.org [2] European AllSky7 fireball network: https://allsky7.net [3] AllSky7-Mailingliste: allsky7@groups.io
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4 Drei Beispiele für helle Feuerkugeln, die wir im 1. Quartal 2021 aufgezeichnet haben. Bei der häufig sichtbaren parallelen Meteorspur handelt es sich um einen Reflex
an der Acrylglaskuppel. Oben: Feuerkugel am 05.02.2021, 17:08 UT, aufgenommen von AMS54 in Benediktbeuern (Kamerabetreiber: Stephan Adler). Mitte: Feuerkugel am 30.03.2021, 02:29 UT, aufgenommen von AMS22 in Lindenberg (Kamerabetreiber: Andre Knöfel). Unten: Feuerkugel am 22.04.2021, 21:26 UT, aufgenommen von AMS60 in Göttingen (Kamerabetreiber: Nikola Strah/Sternwarte Göttingen).
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Wiederentdeckung des gefährlichen Kleinplaneten 2009 DM45
- in Kooperation mit der Europäischen Weltraumorganisation
von Erwin Schwab
Der Kleinplanet 2009 DM45 ist ein Nahes Erdobjekt (NEO) der gefährlichen Sorte, ein so genannter Potentially Hazardous Asteroid (PHA). Das Kriterium eines PHAs ist erfüllt, wenn ein Kleinplanet den minimal möglichen Erdabstand von 0,05 AE unterschreiten kann und von der Größe die absolute Helligkeit der 22. Magnitude übertrifft. Von einem deutschen Standort aus ist die Entdeckung eines PHAs erst fünfmal gelungen (s. Tab. 1). Im Internet ist eine Liste der 2.171 (Stand 08.02.2021) weltweiten PHA-Entdeckungen auf den Seiten des Minor Planet Centers (MPC) zu finden [1]. 2009 DM45 ist vorerst der letzte der gefährlichen Sorte, entdeckt auf einer deutschen Sternwarte. Er wurde in der Nacht vom Faschingsdienstag auf Aschermittwoch 2009 von Ute Zimmer, Rainer Kling und dem Autor selbst an der Taunus-Sternwarte des Physikalischen Vereins, Frankfurt am Main, gefunden [2].
Nachdem ein NEO entdeckt wurde, wird er nach einer Weile so lichtschwach, dass über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg keine Beobachtung mehr möglich ist. Die Wiederentdeckung steigert dann die Genauigkeit der Bahnberechnung enorm. Drei Jahre nach der Entdeckung von 2009 DM45, Mitte August 2012, war die Helligkeitsprognose mit 21,6 Magnituden zumindest für größere Teleskope wieder günstig. Ich wendete mich an Detlef Koschny, Abteilungsleiter des NEO-Segments der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Detlef hat Zugang zu einem 1-Meter-Teleskop, dem ESA OGS auf Teneriffa (Abb. 1). Das Teleskop ist nicht fernsteuerbar, deshalb muss sich das Personal vor Ort (David Abreu und Pablo Ruiz) bei der Bedienung abwechseln. An diesem Fernrohr wurde bereits mithilfe von Amateuren ein Kleinplaneten-Survey namens TOTAS drei Jahre zuvor angekurbelt [3]. Allerdings sind die bestehenden TOTAS-Survey-Routinen ungeeignet für diese
1 Das 1-Meter-Teleskop (f/4,4) auf Teneriffa, die ,,European Space
Agency's Optical Ground Station" (ESA OGS), (Bild: Matthias Busch)
Tabelle 1
Entdeckungen gefährlicher Kleinplaneten (PHAs) von deutschen Standorten
Name/Designation
(1862) Apollo (69230) Hermes (455299) 2002 EL6 2006 RZ 2009 DM45
Datum der Entdeckung
1932-04-24 1937-10-28 2002-03-10 2006-09-04 2009-02-25
Sternwarte (IAU-Code)
Heidelberg (24) Heidelberg (24) Drebach (113) Herrenberg (240) Taunus (B01)
Entdecker
K. Reinmuth K. Reinmuth A. Knöfel H. Michels R. Kling, E. Schwab, U. Zimmer
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Suchaktion. Denn bei einem solch lichtschwachen Objekt, das sich zum genannten Zeitpunkt mit 6,5 Bogensekunden/min bewegt, ist selbst bei einem 1-Meter-Teleskop die Track-und-Stack-Methode nötig, welche für den TOTAS-Survey-Modus aber nicht vorgesehen ist. Deshalb hat mich Detlef spontan zum Experten der ESA für Wiederentdeckungen ernannt und mir die Planung sowie Auswertung komplett überlassen.
Bei der Planung einer Wiederentdeckung ist es wichtig, dass man sich Klarheit über die Ephemeriden-Ungenauigkeitsregion der Bahn verschafft. Entweder man berechnet selbst mittels der Bahnberechnungssoftware Findorb [4] die Ephemeriden einschließlich deren Fehler oder man verwendet den Online-Service des NASA-JPL [5]. Die zwei wichtigsten Parameter zur Beschreibung der Ungenauigkeitsregion sind zum einen die große Halbachse der Fehlerellipse (beim NASA-JPL-Service als SMAA_3sig bezeichnet) und die Orientierung dieser Fehlerellipse am Firmament (beim NASA-JPL-Service als Theta bezeichnet). Der Fehler ist beim NASA-JPLService im 3-Sigma Bereich angegeben, was bedeutet, dass man mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,7% das Objekt wiederfindet, wenn es gelingt, diese Himmelsregion bei der Suche komplett abzudecken.
Dem NASA-JPL-Service war zu entnehmen, dass am 17.08.2012 der 3-SigmaFehler der Ephemeride rund +- 9 Grad beträgt. Eine komplette Abdeckung der 18 Grad entspricht somit einer Wiederentdeckungs-Wahrscheinlichkeit von 99,7%. Am ESA-OGS-Teleskop mit einer Feldgröße von 47' x 47' sind 23 Suchfelder nötig, unter Berücksichtigung der Orientierung der Fehlerellipse. Es standen aber nur drei Nächte zur Verfügung und ausreichende Horizonthöhe hatte das Objekt erst in den
2 Verteilung der Suchfelder am Firmament im Gebiet nordöstlich der Plejaden.
Die vorhergesagte Position und der Fundort von 2009 DM45 sind mit lilafarbenem Pfeil gekennzeichnet. (Bild: Erwin Schwab)
Morgenstunden. Letztendlich passten deshalb nur 13 Suchfelder in den Zeitplan, was einer Wiederentdeckungs-Wahrscheinlichkeit von rund 90% (1,65 Sigma) entspricht.
Die Verteilung der Suchfelder am Firmament, die 1,65-Sigma-Fehlerellipsen (am 16.8., 17.8., 18.8.2012, jeweils um 05:00 Uhr UT) und die vorhergesagte Position am 17.08.2012 um 05:00 Uhr UT sind in der Abbildung 2 zu sehen. Weil die kleine Achse der Fehlerellipse im Vergleich zur großen Achse vernachlässigbar gering ist, sind die Fehlerellipsen in der Abbildung als Linien (grün, lila, blau) dargestellt. Die Bewegungsrichtung von 2009 DM45 ist mit einem gelben Pfeil eingezeichnet. Bei der Verteilung der Suchfelder über die drei
Nächte wurde zudem versucht, den hellen Sternen auszuweichen. Die nötigen Zentrumskoordinaten der Suchfelder entlang der Linie der Ungenauigkeit ermittelte ich mit einer selbst geschriebenen Excel-Datei. An den drei Beobachtungsnächten war das Wetter hervorragend, und alle 13 Felder konnten fotografiert werden. Aber leider kam die Ernüchterung nach der Auswertung mit Astrometrica [6]. Ich konnte 2009 DM45 nicht auffinden. Die Wiederentdeckungs-Kampagne war zunächst erfolglos. Letztes Jahr bin ich dann auf die Software Tycho Tracker [7] aufmerksam geworden. Die Software arbeitet nach einem neuen Prinzip, dem so genannten ,,Synthetic Tracking". Bei dieser Technik muss die Bewegung des Objekts nicht im Voraus bekannt sein. Die Software erledigt selbstständig das
Citizen Science
3 Aufnahme der Wiederentdeckung von 2009 DM45 vom
17.08.2012, ca. 05:00 UT. Das Bild ist zusammengesetzt aus 3 Stacks mit je 18 x 20s Belichtung und zeigt nur einen geringen Ausschnitt des gesamten Feldes. (Bild: Erwin Schwab)
Stapeln und Verschieben der Bilder unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Bewegungsgeschwindigkeiten und -richtungen, den so genannten Bewegungsvektoren. Es werden dabei Tausende Bewegungsvektoren automatisch ausgewertet. Müsste man diese von Hand eingeben, wie es bei herkömmlicher Software wie z. B.
Astrometrica der Fall ist, dann bräuchte man Monate oder gar Jahre für die Auswertung.
Für die ersten Tests der Software holte ich die 13 Suchfelder wieder aus meinem Bilder-Archiv hervor, welche dort seit acht Jahren schlummerten. Die Dauer der Auswertung ist stark abhängig von der Performance der Grafikkarte, aber zum Glück muss man nicht am PC sitzen, während die Software herumrechnet. Für alle Suchfelder brauchte mein PC mit einer günstigen Grafikkarte rund einen Tag. Das Ergebnis wurde am 24.09.2020 ausgespuckt, und ich konnte es kaum glauben: Auf einem Suchfeld vom 17.08.2012 wurde ein Objekt detektiert, welches in etwa den vorhergesagten Bewegungsvektor hatte! Mittels der Software Findorb berechnete ich die neue
Bahn inklusive meiner drei Messungen, und die geringen Residuals bestätigen zweifelsfrei, dass es sich um mein gesuchtes Objekt handelt. Der Kleinplanet 2009 DM45 ist wiederentdeckt! Der Fundort liegt rund 3 Grad (6 Vollmonddurchmesser) neben der vorhergesagten Position.
Für eine Veröffentlichung im Minor Planet Electronic Circular (MPEC) sind jedoch Messungen aus einer zusätzlichen Bestätigungsnacht nötig, welche aufgrund der inzwischen zu geringen Objekthelligkeit nur mittels weiterer Archiv-Bilder möglich war. Deshalb kam der ESA-Astronom Marco Micheli ins Spiel. Marco hat Zugang zu den Daten von vielen professionellen Himmelsdurchmusterungen. Mit meiner nun sehr genauen Bahnberechnung machte er sich auf die Archivsuche und wurde auf Bildern
Ephemeridenfehler (3-Sigma) für 2009 DM45 jeweils vor und nach der Wiederentdeckung
10 000.00'
1 000.00'
100.00'
Wiederentdeckung
10.00'
1.00'
0.10'
0.01'
0.00'
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026
4 Ephemeriden-Fehler inklusive (rot) sowie exklusive (blau) Berücksichtigung der Wiederentdeckung. Aufgetragen ist der 3-Sigma-Fehler
der Ephemeride in Bogenminuten gegen das Jahr. Die y-Achse ist logarithmisch. (Bild: Erwin Schwab)
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des Cerro-Tololo-4-Meter-Teleskops (Chile) aus dem Jahr 2017 fündig. Die Ergebnisse mündeten im MPEC 2020-S234 [8].
Schnell waren nun auch die Gründe meines anfänglichen Misserfolgs gefunden. Die vorhergesagte Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung, die ich damals mittels Astrometrica berücksichtigt hatte, war abweichend, weshalb das Objekt etwas strichförmig und somit kaum noch sichtbar dargestellt wurde. Zudem gab es bei der visuellen Auswertung mit Astrometrica störende Bildartefakte, welche das Auge verwirrten. Die Software Tycho Tracker aber ließ sich nicht irritieren. Die optimale Überlagerung der Fotos der Wiederentdeckung, mit retuschierten Bildartefakten, ist in der Abbildung 3 zu sehen.
Im dargestellten Diagramm (Abb. 4) wird gezeigt, wie sich der Ephemeriden-Fehler (3 Sigma) entwickelt, jeweils inklusive sowie exklusive der Wiederentdeckungsdaten. Im Februar 2023, wenn 2009 DM45 eine Helligkeit von 20,5 Magnituden erreicht, hätte der 3-Sigma-Ephemeriden-Fehler ohne die Wiederentdeckung +- 10 Grad betragen. Aufgrund der Wiederentdeckung beträgt der Fehler aber nur noch rund +- 1 Bogensekunde. Der Fehler der Ephemeride wurde also ,,auf einem Schlag" um den Faktor 36.000 verbessert. 2009 DM45 kann nun problemlos über einen langen Zeitraum weiterverfolgt werden. Weitere gute Sichtbarkeiten sind im Februar 2028 mit 19,5 mag und im August 2031 mit 16,6 mag. Vielleicht erleben die Entdecker sogar noch die Nummerierung und Namensgebung dieses gefährlichen 200-Meter-Weltraumbrockens.
Literatur- und Internethinweise (Stand 1.6.2021): [1] IAU Minor Planet Center: "List of
Potentially Hazardous Asteroids (PHAs)", www.minorplanetcenter.net/ iau/lists/PHAs.html [2] R. Kling, E. Schwab und U. Zimmer, 2009: ,,Die Entdeckung des erdnahen Asteroiden 2009 DM45", VdS-Journal für Astronomie 31, S. 101 [3] M. Busch, 2016: ,,TOTAS - Ein Amateur-Asteroiden-Suchprojekt mit dem Ein-Meter-Teleskop auf Teneriffa", VdS-Journal für Astronomie 59, S. 8
[4] Software Findorb: www.projectpluto. com/find_orb.htm
[5] NASA-JPL HORIZONS Web-Interface: https://ssd.jpl.nasa.gov/horizons.cgi
[6] Software Astrometrica: www.astrometrica.at/
[7] Software Tycho Tracker: www.tycho-tracker.com/
[8] IAU Minor Planet Center: "MPEC 2020-S234 : 2009 DM45", https:// minorplanetcenter.net/mpec/K20/ K20SN4.html
IMPRESSUM
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY Telefon: +496252 787154 | Fax: +496252 787220 service@sternfreunde.de | www.sternfreunde.de Redaktion: Dietmar Bannuscher, Dr. Werner E. Celnik, Otto Guthier, Sven Melchert, Peter Riepe. Redaktionelle Mitarbeit der VdS-FachgruppenRedakteure und VdS-Mitglieder Bearbeitung von Bildern und Grafiken: Dr. Werner E. Celnik und die Autoren Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin Anzeigen: Kullmann & Matic GbR, anzeigen@sternfreunde.de Herstellung: Kullmann & Matic GbR, Stuttgart Druck: Raff & Wurzel Druck GmbH, Riederich Vertrieb: Werner Teutsch GmbH, Laudenbach Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitgliedsbeitrag von 40,- E (EU) und 45,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten. Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe Seite 134 und unter www.sternfreunde.de). Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169, 64629 Heppenheim, E-Mail: service@sternfreunde.de.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 41
Amateurteleskope/Selbstbau
Schubsen mit Pfiff
Mit einem Dobson sicher ans Ziel
von Peter Wüst
Vielen meiner Dobson-Freunde reicht zum Finden eines Objektes am Himmel ein Telrad- oder ein Leuchtpunktsucher. Ich habe manchmal damit Schwierigkeiten, besonders wenn der Himmel nicht ganz dunkel ist oder beim Aufsuchen eines Objektes in Zenitnähe meine Halsmuskulatur meutert. Also was tun?
Im Prinzip ist es einfach: Verpasse Deinem Dobson eine Azimutskala und einen (Absolut-) Höhenwinkelmesser, stelle ihn horizontal auf und richte die Azimutskala aus. Lasse Dir Azimut- und Höhenwinkel Deines Beobachtungsobjektes von einem Planetariumsprogramm [1] auf Deinem Smartphone oder Tablet anzeigen. Anschließend drehe um beide Achsen, bis der angezeigte Winkel auf der Azimutskala und die Anzeige des Höhenwinkelmessers mit den Vorgabewerten übereinstimmen, fertig.
Damit kann ich nun ein gewünschtes Objekt so einstellen, dass es in einem Übersichtsokular mit großem Gesichtsfeld erscheint. Auch Venus am Tage ist damit kein Problem. Das fertige Produkt zeigt die Abbildung 1. Jetzt zur schrittweisen Realisierung.
1 Gesamtansicht
Die nivellierbare Grundplatte Eine Dobson-Montierung besteht aus zwei Platten, einer Grundplatte mit Füßen und einer weiteren darüber angeordneten Platte, die gegen die Grundplatte um die Azimutachse gedreht werden kann und die die Rockerbox trägt. Im Lager der Rockerbox lässt sich das Teleskop um eine horizontale Achse, die Höhenachse, schwenken.
Die Grundplatte wurde mit einem aus Normelementen zusammengefügten Dreibein (abnehmbar) fest verbunden, das mit Hilfe von Stellschrauben nivelliert werden kann. Eines der drei Beine wurde zum ,,Nordbein" erklärt. Es definiert somit den Nordpunkt des Instruments.
Die Azimutskala Mit Hilfe eines CAD-Programms wurde eine passende Skala entworfen, in einem Copy-Shop ausgedruckt und beidseitig laminiert. Die Skala wurde auf der Grundplatte aufgeklebt. Vor dem Aufkleben mussten die drei auf der Bodenplatte befindlichen Teflonplättchen geringfügig nach innen versetzt werden, um Platz für den sichtbaren Teil der Skala zu schaffen.
Entsprechend der Definition des Azimuts müsste der Nullpunkt der Azimutskala mit dem Nordpunkt des Instruments übereinstimmen. Dies hätte aber eine für den Beobachter ungünstige Lage des auf der
oberen Platte anzubringenden Index` für die Anzeige des Azimutwinkels zur Folge. Deshalb wurde der Nullpunkt der Azimutskala auf den Westpunkt des Instruments gedreht, d. h. auf die gleiche Seite wie der Okulareinblick.
Ausrichtung von Dreibein/ Grundplatte Das Dreibein samt Grundplatte sollte bei der Aufstellung grob mit Hilfe eines Kompasses nach Norden ausgerichtet werden (,,Nordbein" nach Norden). Eine Genauigkeit von +-5 Grad genügt. Begründung s. u. ,,Positionierung des Index".
42 | Journal für Astronomie Nr. 79
Amateurteleskope/Selbstbau
Modifikation der Platte, auf der die Rockerbox sitzt Die Rockerbox sitzt auf einer Platte mit dem gleichen Durchmesser wie die Grundplatte. Setzt man nun diese Platte auf die Grundplatte, so ist die Azimutskala vollständig bedeckt. Um diese sichtbar zu machen, muss man eine Aussparung aussägen, die dann auch den Index aufnimmt (Abb. 2).
2 Azimutanzeige
Positionierung des Index Da die Vorausrichtung nach Norden nur in Grenzen genau ist und man die Azimutskala nicht drehen kann, muss der Index geeignet verstellt werden können. Dies geschieht dadurch, dass der Index auf einem Magneten angebracht ist [2], der sich auf einem an der Rockerboxplatte angebrachten Metallstreifen verschieben lässt (Abb. 2). Die korrekte Position des Index erhält man, wenn man ein Objekt im Gesichtsfeld des Fernrohrs zentriert und daraufhin den Index soweit verschiebt, bis die Anzeige auf der Azimutskala und der aktuelle Azimutwert des eingestellten Objekts übereinstimmen (,,Ein-Stern-Kalibrierung").
3 Anbringung des
Höhenwinkelmessers
Zur Beleuchtung der Azimutskala Unter der an der Rockerbox angebrachten Ablage für ein Tablet mit dem Planetariumsprogramm ist eine dimmbare Rotlichtlampe zur Beleuchtung der Skala angebracht [3].
Der Höhenwinkelmesser Für die vorliegende Anwendung gibt es ausreichend genaue elektronische, absolut messende Neigungswinkelsensoren [4], auch mit magnetischem Fuß und ausklappbarer Anzeige (leider nicht beleuchtet). Man setzt diesen Sensor auf den metallenen Tubus des Dobsons (Abb. 3). Der Vorteil des abnehmbaren Sensors: Man kann ihn auch zur Nivellierung der Bodenplatte verwenden.
Schlussbemerkung Die Idee hierzu habe ich [5] entnommen. Die gewählte Lösung zur Nivellierung der Grundplatte ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Falls der Tubus nicht metallisch ist, muss man zur Anbringung des Höhenwinkelsensors einen Metallstreifen aufkleben.
Internethinweise (Stand April 2021): [1] Planetariumsprogramm: SkySafari 6
plus, iOS- oder Android-Appstore [2] Magnet für beweglichen Index:
Ferrit-Flachgreifer/Topfmagnete mit Gewinde/Gewindezapfen, www. magnet-shop.net/topfmagnete/ ferrit-mit-gewinde
[3] Skalenbeleuchtung: SOAIY® 4er-Set Warmweiß-LED-Nachtlicht mit Touchsensor, dimmbar, batteriebetrieben, LEDs nachträglich rot eingefärbt, www.amazon.de/SOAIY-Touchsensor-Batteriebetrieben-Schrankleuchte-K%C3%BCchenlampe/dp/ B01M28VBKA
[4] Neigungssensor Bevel Box Pro: https://de.elv.com/elv-360neigungssensor-bevel-box-prodigitale-wasserwaage-102840
[5] Astronomical Community Cloudy Nights, Thema: Degree Circles (Teilkreise), www.cloudynights.com/ topic/63081-degree-circles/ #entry813804
Journal für Astronomie Nr. 79 | 43
1 Diese Szenerie in der Nebelregion um Sh2-129 im Cepheus entstand sowohl nach 54,8 Stunden Belichtungszeit als auch nach weiteren
20 Stunden Bearbeitung am Bild durch Yannik Akar in Mannheim. Verwendetes Teleskop war ein RASA 8 Zoll (f/2), Kamera war eine ZWO ASI 1600MM Pro. Im Detail: H wurde 310 x 3 min belichtet, [OIII] sogar 700 x 2 min und 280 x 3 min für [SII]. Dazu kamen in R, G und B jeweils 80 x 30 s für die Sterne. Für das lichtstarke Öffnungsverhältnis kamen zum Teil entsprechende Filter zum Einsatz: Baader RGB 2 Zoll, Baader f/2 Highspeed [SII], Baader f/2 Highspeed [OIII] und schließlich Baader f/2 Highspeed H. Die Montierung war eine iOptron CEM60, nachgeführt wurde per Omegon Microspeed Guide Scope 60 mm, Nachführkamera war eine ZWO ASI 120MM. Norden ist rechts.
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Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie
- Das Astrofoto des Jahres 2020
von Thorsten Zilch
Das letzte Jahr 2020 hatte sogar 53 Kalenderwochen im Angebot. Trotzdem kam es am Ende nur zu 50 Bildern, da wie jedes Jahr immer mal etwas Ungeplantes dazwischenkommen kann. Aber auch mit 50 Bildern hatte die Fachgruppe Astrofotografie im Februar 2021 wieder genug zu tun, das alljährliche ,,Astrofoto des Jahres" zu wählen. Aus der oben genannten Grundgesamtheit aller im Jahr 2020 veröffentlichten ,,Astrofotos der Woche" (AdW) wurden dabei folgende erste drei Plätze nominiert:
Platz 1: Yannik Akar, Woche 47 - Was hat sich denn da in Sh2-129 versteckt?
Platz 2: Fabian Neyer, Woche 25 - Helle und dunkle Nebel im Sternbild Chamäleon
Platz 3: Daniel Pölzl, Woche 14 - Der Supernovarest G206.9+2.3 im Einhorn
Die drei Siegerbilder sind an dieser Stelle noch einmal abgebildet. Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern, aber auch herzlichen Dank an die vielen treuen Einsender. Nicht zu vergessen ist der Dank an unsere fleißigen FG-Mitglieder und FG-Freunde beim Wählen! Die Wahlbeteiligung war bei dieser Wahl höher als zuvor. Möglicherweise kann man der Pandemie hinsichtlich dieser Wahl sogar doch etwas Gutes zuschreiben.
Ihr AdW-Team der FG Astrofotografie
2 Fabian Neyer ließ dieses Bild der
Region um den blauen Reflexionsnebel Cederblad 111 um den Stern HD 97048 im Sternbild Chamäleon unter dem Himmel Namibias auf der Astrofarm Tivoli entstehen. Mit einem Apochromaten TEC110FL (f/5,6) und einer CCD-Kamera Moravian G3-16200M wurde wie folgt belichtet: 180 min (L), 100 min (R), 150 min (G) und 170 min (B), insgesamt also 10 Stunden. Das hier dargestellte Bildfeld misst 118' x 147'. Verwendete Software: CCDAutoPilot, MaxIm DL, PixInsight und Photoshop CS6. Norden ist rechts.
3 Daniel Pölzl erreichte mit seinem Projekt
,,Supernovarest G206.9+2.3 im Sternbild Einhorn" den dritten Platz. Aufnahmeinstrument war ein 72-mm-Apochromat mit f = 432 mm von Lacerta, Kamera eine ZWO ASI 1600MM Pro. Die verwendeten Filter waren a) ein LRBG-Satz, b) ein H-Filter mit 7 nm Halbwertbreite und c) ein [OIII]-Filter mit 6,5 nm. Alle Filter stammen von Optolong. Belichtet wurde wie folgt: 72 x 10 min in [OIII], dagegen nur 12 x 10 min in H und jeweils 1,1 h in R, G und B, insgesamt also 17,3 h bei Blende 6. Die Aufnahmeserie begann bereits am 29.12.2019. Aufnahmeort war Hirschegg in der Steiermark, etwa 35 km Luftlinie westlich von Graz. Norden ist oben rechts.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 45
Astrofotografie
Überraschungen beim Galaxienpaar NGC 7769 und NGC 7771
von Peter Riepe und Bernd Wallner
Galaxien sind für Astrofotografen immer ein beliebtes Thema. Wenn sie als Gruppe vorliegen, wird das Motiv sogar noch attraktiver. So gibt es im Sternbild Pegasus für die langbrennweitige Astrofotografie
ein fotogenes Pärchen: die Spiralgalaxien NGC 7769 und NGC 7771 (Abb. 1).
Für die Aufnahme des Galaxienpaars kam das 60-cm-Cassegrain-Teleskop (BLT -
Bernd's Large Telescope, Abb. 2) im Sekundärfokus bei Blende 8 und 4.857 mm Brennweite zum Einsatz. Die verwendete CCDKamera ist eine Finger Lakes ML-16803 mit 4.096 x 4.096 Pixeln. Diese Kombination
1 Das Galaxienpaar NGC 7769 und 7771, Bildfeld 25,7' x 25,7', Aufnahmedaten im Text. (Bild: Bernd Wallner)
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Astrofotografie
ergibt ein Bildfeld von 26 x 26 Bogenminuten. Im Sekundärfokus errechnet sich bei 9 m Pixelgröße ein Bildmaßstab von 0,382''/px. Selbst bei bestem Seeing um 1'' ist damit das Nyquist-Abtastkriterium erfüllt - allerdings nur, wenn die Kamera ohne Binning betrieben wird. Der Filtersatz für die LRGB-Aufnahme stammt von Baader. Als Software zur Automatisierung der Reihenaufnahmen wird Sequence von Philipp Keller verwendet. Im Zeitraum vom 20.08.2020 bis 19.09.2020 wurden in acht Aufnahmenächten 267 Einzelaufnahmen à 5 Minuten Belichtungszeit durch die LRGB-Filter gewonnen. Die präzise Mechanik in Verbindung mit den mehrfach überlagerten Pointing-Routinen in Sequence erlaubt ein sogenanntes ,,Blindguiding" im Sekundärfokus mit nahezu 100% Bildausbeute ohne Ausschuss durch unrunde Sternabbildung. Durch das gute Seeing im Aufnahmezeitraum wurden nur Einzelaufnahmen mit FWHM-Werten zwischen 1,05'' und 1,55'' verwendet, so dass lediglich 25 Bilder aussortiert werden mussten. Die Bildkalibrierung mittel Bias-, Dark- und Flat-Bildern erfolgte wie die nachfolgenden Bildbearbeitungsprozesse in PixInsight. Die Endbearbeitung erfolgte in Photoshop. Das Ergebnis war ein LRGBBild mit 20 Stunden und 10 Minuten Belichtungszeit. Ziel der Bildbearbeitung war es, ein möglichst natürliches, ästhetisch ansprechendes Bild der wechselwirkenden Galaxien NGC 7771 und NGC 7769 zu erarbeiten, das möglichst viele Details zeigt, ausgewogene Farben beinhaltet und ein natürliches Rauschen im Bild hat. Dabei sollte als Ergebnis ein Bild entstehen, dem man die Bildbearbeitung nicht ansieht.
Laut NASA Extragalactic Database [1] betragen ihre Radialgeschwindigkeiten 4.211 bzw. 4.277 km/s. Daraus lässt sich mit der Hubble-Konstanten H0 = 73 km/s/Mpc eine mittlere Entfernung von rund 187 Millio-
3 Ausschnittsvergrößerung von Abb. 1
nen Lichtjahren abschätzen. Der scheinbare Längsdurchmesser von NGC 7769 ergibt sich aus dem Original in der Abbildung 1 zu 2,8', bei NGC 7771 sind es 2,3'. Damit errechnen sich in der genannten Entfernung wahre Durchmesser von 152.000 bzw. 125.000 Lichtjahren. Beide Galaxien sind
2 Das ,,BLT",
Bernd's Large Telescope
also erheblich größer als unsere Milchstraße. Die Abbildung 1 zeigt NGC 7769 und 7771 in einem 25,7' x 25,7' großen Bildfeld, beide mit eindeutigen Anzeichen gravitativer Wechselwirkung. Dies ist nicht verwunderlich, denn schließlich bedeutet der Abstand von 5,4 Bogenminuten eine
Journal für Astronomie Nr. 79 | 47
Astrofotografie
4 Der galaktische Zirrus überzieht das gesamte Bildfeld.
wahre (projizierte) Distanz beider Galaxien von nur gut 294.000 Lichtjahren. Zum Vergleich: M 31, die Schwestergalaxie der Milchstraße, ist von uns rund 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt.
Jetzt in die Nahansicht (Abb. 3). NGC 7769 - annähernd in Draufsicht - hat eine ungewöhnliche Struktur. Unmittelbar um den Bulge wickeln sich recht blaue, enge und flockige Spiralarme, die stark an die fraktionierte Struktur der Galaxie M 63 erinnern. Hier spielt sich Sternentwicklung ab,
gleichzeitig ist hier die Rotationsgeschwindigkeit maximal. Armenische Astronomen vom bekannten Byurakan Astrophysical Observatory konnten dies bei Fabry-PerotMessungen mit dem dortigen 2,6-m-Teleskop nachweisen [2]. Zoomen wir im Originalbild in diese blaue Ringzone hinein, so schimmert das Rot einiger HII-Regionen durch. Die daran nach außen anschließenden Spiralarme sind ungewöhnlich. Der West-/Nordwestarm ist auffallend hell, heller als der gegenüberliegende Ost-/Südostarm. Das sieht nach induzierter Stern-
entstehung aus. Die noch weiter außen gelegenen Arme verlaufen in weitem Abstand vom Galaxienzentrum und fächern sich sachte auf. Dabei werden sie mit jeweils unterschiedlicher Form allmählich diffuser. Das gesamte Erscheinungsbild von NGC 7769 ist auf die Einflüsse ihrer Nachbarin NGC 7771 zurückzuführen. Die Armenier leiten aus der Beobachtung der Rotationskurven beider Galaxien ab, dass diese ihre erste Begegnung (engl. ,,encounter") gerade hinter sich haben.
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Astrofotografie
Ortswechsel: NGC 7771 ist noch stärker gestört. Mitverursacher sind zwei kleinere Galaxien in direkter Nähe. Da ist zunächst NGC 7770, eine kleine, deformierte Spiralgalaxie in 1' Abstand südsüdwestlich von NGC 7771. Für sie messen wir im Originalbild einen wahren Durchmesser von 36.000 Lichtjahren. Sie erscheint außen sehr diffus und weist einen kleinen Schweif nach Süden auf. Ferner erzeugt sie an NGC 7771 genau dem Kern gegenüber einen nach Nordosten laufenden Gezeitenschweif. Etwa 2,3' westlich von NGC 7770 liegt NGC 7771 A (= LEDA 214993). Ihr wahrer Durchmesser beträgt rund 40.000 Lichtjahre, wobei sie einer edge-on-Galaxie ähnelt. Die Radialgeschwindigkeiten beider bestätigen die Nähe zu NGC 7771. NGC 7770 flieht mit 4.117 km/s, NGC 7771A kommt auf 4.101 km/s. In der äußeren Spiralarmregion von NGC 7771 sind zwei deutliche Verdickungen auszumachen. Davon zeigt die südwestliche einen kleinen Schweif nach Westen in Richtung NGC 7771A. Beide Verdickungen generieren in NGC 7771 eine kastenähnliche Struktur. Es zeigt sich jetzt, dass das System um NGC 7769, 7771, 7770 und 7771A ein Quartett bildet, kein Trio, wie des Öfteren zu lesen ist.
Knapp 2' nördlich der Verbindungslinie von NGC 7769 und 7771 ist ein kleiner, diffuser Fleck auszumachen - die Galaxie LEDA 214992. Diffusität ist verräterisch. Ein Blick in die Daten des Sloan Digital Sky Survey zeigt, dass dieses Objekt durchaus Ähnlichkeit mit einer Zwerggalaxie wie etwa NGC 147 hat. Es existiert aber keinerlei Messung der Radialgeschwindigkeit. Die Durchmesserbestimmung läuft auf 20.000 Lichtjahre hinaus, und das ist mit einer großen sphäroiden Galaxie durchaus vereinbar. Sollte also die Galaxiengruppe ein fünftes Mitglied besitzen?
5 Verteilung des neutralen Wasserstoffs um NGC 7769 und 7771, in Anlehnung an [3]. Das
grüne Sternsymbol im HI-Schweif markiert die Position von NGC 7771 B. Dieses Objekt sendet nachweislich UV-Strahlung aus.
Und es kommt noch besser! Die Abbildung 4 zeigt das Feld aus Abbildung 1 in einer etwas anders bearbeiteten Darstellung, in der die sehr lichtschwachen Details heller hervortreten. Der Raum um NGC 7769 und 7771 ist von diffusen Schleiern erfüllt. Diese dünnen Staubwolken oberhalb der galaktischen Ebene werden von der Gesamtheit der Milchstraßensterne beleuchtet. Solche lichtschwachen Reflexionsnebel werden von den Astronomen als ,,galaktischer Zirrus" bezeichnet. Hier im Bild überlagert er leider die Wechselwirkungsphänomene um NGC 7769/71. Wie auch im Bereich der M81/82-Gruppe ist es problematisch, in derartig ,,vernebelten" Bildern reale extragalaktische Wechselwirkungsdetails vom galaktischen Zirrus zu unterscheiden.
Die Radioastronomie bietet hier einen exzellenten Ausweg. Spiralgalaxien verfügen
immer über begleitende Mengen an neutralem Wasserstoff HI, sie sind meistens in große HI-Wolken gehüllt. Daher konzentrieren die Radioastronomen ihre Beobachtungswellenlänge auf die 21-cm-Linie des neutralen Wasserstoffs. Die Abbildung 5 zeigt in Anlehnung an [3], dass auch NGC 7769 und 7771 in solchen Gashüllen stecken. In der immens großen HI-Wolke um NGC 7771 sind sogar NGC 7770 und 7771A mit erfasst. Von NGC 7771 ausgehend verläuft der HI-Schweif zunächst recht breit nach Osten, um dann einen Bogen nach Süden einzuschlagen. Innen zeigt der Schweif klare Verdichtungen. Ein HI-Schweif ist wie ein optischer Gezeitenschweif ein Phänomen, das durch Gezeitenkräfte seine Form erhielt. Und jetzt aufgepasst: Im südöstlichen Schweifbereich wurde eine Verdichtung gefunden, die eine deutliche UV-Strahlung freisetzt [4]. Die
Journal für Astronomie Nr. 79 | 49
Astrofotografie
6 Der stark vergrößerte und bearbeitete
Ausschnitt zeigt das Objekt NGC 7771 B (gelber Kreis) südöstlich von NGC 7771.
Entdecker haben diese UV-Quelle kurz als NGC 7771B bezeichnet. Hier könnte eine stellare Konzentration vorliegen, vielleicht ein weiterer Zwergbegleiter von NGC 7771? Solche ,,Gezeitenzwerge" (engl. ,,tidal dwarf ") wurden bereits in den Gezeitenarmen der Antennengalaxien NGC 4038/39 aufgespürt, auch im Gezeitenschweif von NGC 3628. Bisher gibt es aber keine Publikation über die Auffindung eines optischen Gegenstücks zu NGC 7771B am Ort des UV-Flecks. In der Abbildung 6 kommt bereits eine Struktur zum Vorschein, die
den Umrissen einer irregulären Zwerggalaxie ähnelt. Um jedoch mögliche Sterne in diesem Fleck aufzuspüren und damit die Natur des Flecks zu klären, wäre eine lang belichtete Aufnahme mit dem Extremely Large Telescope nötig, denn selbst die hellsten roten und blauen Überriesen kämen in der genannten Entfernung auf scheinbare Helligkeiten um 28 mag. Vielleicht wäre zur Durchdringung des galaktischen Zirrus außerdem eine NIR-Aufnahme ein angemessener Weg?
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2021): [1] NASA Extragalactic Database:
http://nedwww.ipac.caltech.edu/ [2] A. A. Yeghiazaryan, T. A. Nazaryan,
A. A. Hakobyan, 2016: ,,H Velocity Fields and Galaxy Interaction in the Quartet of Galaxies NGC 7769, 7770, 7771 and 7771A", J. Astrophys. Astr. 37, p. 1, www.ias.ac.in/article/ fulltext/joaa/037/01/0000001 [3] T. E. Nordgren et al., 1997: ,,Close Galaxy pairs in Medium Density Regions: The Northern Sky", Astron. J. 114, p. 77-93, http://articles.adsabs. harvard.edu/pdf/1997AJ....114...77N [4] S. G. Neff et al., 2005: ,,Ultraviolet Emission from Stellar Populations within Tidal Tails: Catching the Youngest Galaxies in Formation?", Astrophys. J. 619, L91-L94, https://iopscience.iop.org/article/ 10.1086/426137/pdf
50 | Journal für Astronomie Nr. 79
Impression
Juno bei M10
Fünf kurze Strichspuren des Kleinplaneten Juno bei seiner Annäherung an den Kugelsternhaufen M 10 im Juni 2021. Newton 1:4/1000 mm mit GPU-Korrektor, ZWO ASI071MC, CLS-CCD-Filter von Astronomik, Guiding mittels PHD und MGen. Die Spurlänge spiegelt die Gesamtbelichtungszeit wieder. Von links: 14.06., 42 min belichtet; 15.06., 60 min; 16.06., 112 min; 17.06., 78 min; 18.06., 91 min; Einzelbelichtung 90 s pro Bild, jeweils morgens zwischen 1 und 3 Uhr MESZ. Bild: Harald Kaiser.
DER NEUE BILDKALENDER
HIMMEL UND ERDE 2022
Sterne und Weltraum präsentiert im Bildkalender »Himmel und Erde« 13 herausragende Motive aus der astronomischen Forschung. Sie stammen aus verschiedenen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums wie dem sichtbaren Licht oder dem Infrarotlicht. Die Aufnahmen zeigen den Saturn im Sommer, eine Sternentstehungsregion in der Großen Magellanschen Wolke, FAST (das »Auge des Himmels«), die Milchstraße im Radiowellenbereich, den Käfernebel, die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs und weitere Himmelsregionen und objekte.
Zusätzlich bietet der Kalender wichtige Hinweise auf die besonderen Himmelsereignisse 2021 und erläutert ausführlich auf einer Extraseite alle auf den Monatsblättern abgebildeten Objekte.
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Neue Astrofotos
zusammengestellt von Peter Riepe
1 Sternstrichspuren über den Externsteinen,
Aufnahmedaten im Text (Bild: Manfred Kiau)
Wieder einmal folgt hier eine schöne Sequenz von Astrofotos: Sie sind aber nicht nur schön anzuschauen, sondern sollen dem Leser auch Ideen und Anreize zum
Nachahmen liefern. Wer Fragen an die Bildautoren hat, wende sich bitte per E-Mail an die Fachgruppenleitung: fg-astrofotografie@vds-astro.de.
2 Deep-Sky-Objekte im Gebiet
Cassiopeia/Cepheus, Aufnahmedaten im Text (Bild: Harald Kaiser)
52 | Journal für Astronomie Nr. 79
Astrofotografie
3 Rosettennebel,
Aufnahmedaten im Text (Bild: Rainer Sparenberg)
Eine Strichspuraufnahme vom Himmelsnordpol über den Externsteinen war das erklärte Ziel von Manfred Kiau. Am 24.02.2021 reiste er vom Niederrhein zu der mystischen Felsformation bei Horn-Bad Meinberg im Teutoburger Wald. Drei Tage vor Vollmond war genügend Beleuchtung vorhanden. Mit einer Canon EOS 7D Mark II entstanden 345 Aufnahmen à 20 Sekunden bei Blende 5,6 und ISO 320 (Abb. 1), betont knapp belichtet, um die Überstrahlung durch das Mondlicht zu minimieren.
Deep-Sky-Objekte im Gebiet Cassiopeia/ Cepheus. Von links: der offene Sternhaufen M 52, dazu die HII-Region NGC 7635 (Sh2162) mit dem Blasennebel und die HII-Region Sh2-158 (Abb. 2). Harald Kaiser nahm dieses Motiv transportabel am 15.09.2020 in Weitnau im Allgäu auf. Der Lacerta-Newton 250 mm/1.000 mm und die Sony Alpha 7 II (astromodifiziert mit IR-Sperrfilter) saßen auf einer Skywatcher-Montierung AZ EQ 6, das Autoguiding lief über ein Mgen II. Bei ISO 1600 wurde 74 x 3 min belichtet.
Im März 2021 nahm Rainer Sparenberg in seiner Gartensternwarte in Haltern den Rosettennebel mit dem enthaltenen Sternhaufen NGC 2244 im Einhorn auf (Abb. 3). Teleskop war ein Takahashi Epsilon 130D, Kamera eine QHY268C. Bei Halbmond wurde 12 x 15 min mit einem OptolongFilter L-eXtreme belichtet, dazu in einer mondlosen Nacht noch 72 x 3 min ohne Filter.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 53
Astrofotografie
4 HII-Region IC 410 mit Sternhaufen NGC 1893, Aufnahmedaten im Text (Bild: Michael Hoppe)
54 | Journal für Astronomie Nr. 79
5 Californianebel,
Aufnahmedaten im Text (Bild: Rolf Werder)
Astrofotografie
6 HII-Region IC 417, Aufnahmedaten im Text (Bild: Bernd Wallner)
Viele Bilder der HII-Region IC 410 mit dem enthaltenen Sternhaufen NGC 1893 zeigen nur den hellsten Nebelbereich. Diese monochromatische H-Aufnahme von Michael Hoppe entstand am 6. und 7. März 2021 in seiner Gartensternwarte in Wermelskirchen. Sehr schön belegt das Bild, wie weit der Nebel mit ausgeprägten Filamenten nach außen reicht (Abb. 4). Es war das ,,first light" für den RASA 11, einen 11-zölligen Rowe-Ackermann-SchmidtAstrografen mit f/2,2. Belichtet wurde 50 x 4 min mit einer ZWO ASI 2600 MM Pro und einem H-Filter (Baader, 7 nm).
Passend zum vorigen Bild hier eine weitere Schwarzweißaufnahme. An Orten mit aufgehelltem Nachthimmel sind Schmalbandfilter immer sinnvoll. So lassen sich auch schwache Nebelbereiche abbilden. Rolf Werder verwendete am 15.10.2017 an der Sternwarte Neanderhöhe Hochdahl e.V. ein Canon-Objektiv 70-200 mm bei 200 mm und Blende 2,8. Ab 22:40 Uhr MESZ belichtete er den Californianebel mit einer Atik 16200 Mono und H-Filter (Baader, 7 nm) 25 x 15 min (Abb. 5). Die weit nach Südosten ausladenden schwachen Nebelbereiche kommen sehr schön zur Geltung.
Wieder zum Fuhrmann: Die HII-Region IC 417 erstreckt sich um den Sternhaufen Stock 8 mit vielen jungen blauen Sternen (Abb. 6). Der helle orangene K3-Stern Aurigae steht weit im Vordergrund. Bernd Wallner nutzte seinen 600-mm-Cassegrain in Burghausen im Sekundärfokus mit Bildfeldkorrektor bei 4.850 mm Brennweite, Kamera war eine Fingerlakes ML-16803. Mit LRGB-Filtern (Baader) wurde ab dem 12.02.2021 wie folgt belichtet: je 300 s, 39 x L, 29 x R, 30 x G, 30 x B, in Summe 10,6 h. Bildbearbeitung: PixInsight und Photoshop.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 55
Astrofotografie
7 NGC 5371 und HCG 68, Aufnahmedaten im Text (Bild: Günter Kerschhuber)
Jetzt in den extragalaktischen Bereich (Abb. 7). Links oben befindet sich NGC 5371, die mit NGC 5390 identisch ist. Rechts im Bild steckt die kompakte Hickson-Galaxiengruppe HCG 68. Günter Kerschhuber hat seine Montierung ASA DMD85 in der Sternwarte Gahberg (Salzkammergut), darauf einen ASA-Newton 250 mm/950 mm mit einer Starlight Xpress Trius PRO694. Damit wurde die Luminanzserie 86 x 500 s belichtet. Als Parallelgerät für die Farbe diente ein Eigenbau-Newton 200 mm/800 mm mit GPU-Korrektor und Trius 694, Belichtung: 28 x 250 s je RGB-Filter (Baader). Aufnahmezeitraum war der 04.04.2021 bis 14.04.2021.
Ein Mitglied der nahe gelegenen M81/82Gruppe ist NGC 2403, hier als Ausschnitt (Abb. 8, rechte Seite, oben). Die StarburstGalaxie besitzt viele HII-Regionen. Peter Knappert nahm sie am 4./5./6. April 2021 in Villingen-Schwenningen-Mühlhausen auf 800 m Höhe auf. Sein UNC-Newton 250 mm/1.000 mm mit GPU-Korrektor wird mit zwei Kameras Moravian G2-8300 FW betrieben, erstens mit LRGB-Filtern und H (Halbwertsbreite 6 nm), zweitens mit H, [OIII] und [SII], jeweils 12 nm HWB. Belichtet wurde 35 x 12 min (L), 15 x 4 min (je RGB), 8 x 15 min (H 6 nm), 4 x 12 min (H 12 nm), und je 6 x 15 min [OIII] und [SII], wobei [SII] und H gemischt wur-
den. Montierung ist eine Losmandy G11 mit FS2-Steuerung. Das Autoguiding erfolgt off-axis über eine ZWO ASI290 MM und PHD2. Bildbearbeitung: PixInsight, CCDStack2 und Photos hop CS4.
9 Rechte Seite: Kai Wicker fotografierte in
Bremen die auch als ,,Silbernadel" bekannte Edge-on-Galaxie NGC 4244. Teleskop war ein Apochromat Esprit 100ED mit einer CCD-Kamera Atik 490EXm bei f/5,5 auf parallaktischer Montierung Avalon Linear. Am 04.09.2019, 20.03.2020 und 21.03.2020 wurde dieses LRGB-Bild mit 61/40/40/43 x 4 min ohne Binning belichtet (= 12 h 16 min insgesamt), Bildbearbeitung mit PixInsight.
56 | Journal für Astronomie Nr. 79
Astrofotografie
8 NGC 2403 (Ausschnitt), Aufnahmedaten im Text (Bild: Peter Knappert)
Astronomische Vereinigungen
Die Fachgruppe Archäoastronomie der Sternwarte ,,Bruno H. Bürgel", Sohland an der Spree
- Anknüpfung an eine 400-jährige Oberlausitzer Forschungstradition
von Ralf Herold
Vor über 400 Jahren (1614) legte der Weigsdorfer Pastor Martin Niger mit einer Notiz über eine Begegnung mit einer alten Frau den Grundstein für Überlegungen, bei Felsen der Oberlausitz könnte es sich um vorgeschichtliche Sonnenheiligtümer handeln. Die Frau erzählte dem Pastor, dass der Felsen unweit der Kirche bei den Einheimischen als ,,Gottestempel" bekannt war und ihre Vorfahren in uralter Tradition dort ihr Gebet zum Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergang verrichteten [1].
Karl Benjamin Preusker, der heute als Vater der sächsischen Archäologie gilt, bezeichnete in seinen Werken ,,Oberlausitzische Altertümer" von 1828 und ,,Blicke in die Vaterländische Vorzeit" von 1841 eine ganze Reihe von Felsen der Oberlausitz als ,,heidnische Opferaltäre" und ,,Göttertempel" für einen ,,Sonnenkult", bei dem an bestimmten Tagen die Sonne bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang angebetet wurde. Er berief sich dabei unter anderem auf den Bericht der alten Frau und vermutete für die Felsheiligtümer der Oberlausitz eine ähnliche Bedeutung wie Stonehenge in England [1].
1 Das Funktionsmodell des Kuckucksteins von Königshain in halber Originalgröße
an der Sternwarte in Sohland an der Spree
Seit 2007 knüpft nun die Fachgruppe Archäoastronomie der Sternwarte ,,Bruno H. Bürgel" an diese alten Oberlausitzer Forschungstraditionen an. Forschungsgegenstand sind reguliert anmutende Felsöffnungen, die kalendarische Sonnenbeobachtungen gestatten. Der Gartengestalter Ralf Herold und der Maschinenbauingenieur Dr. Hilmar Hensel hatten durch Beobachtungen und Messungen entdeckt, dass die Sonne zu den kalendarischen Terminen der Sonnenwenden und Tagundnachtgleichen durch diese Sichtöffnungen an eben jenen seit alters her vermuteten Heiligtümern hindurchstrahlt.
2 Wintersonnenwende 2018 um 13:15 Uhr im ,,Auge" des Kuckuckstein-Nachbaus
an der Sternwarte Sohland/Spree
Die Felsobjekte, welche das Phänomen aufweisen, wurden von ihnen als ,,Sonnenheiligtümer der Oberlausitz" angesprochen, und das archäoastronomische Forschungsprojekt erhielt die Bezeichnung ,,Projekt
Götterhand", in Anlehnung an eine handförmige Auswitterung an dem ersten vermessenen Felsobjekt, der Teufelskanzel in Sora bei Wilthen.
58 | Journal für Astronomie Nr. 79
Astronomische Vereinigungen
Um möglichst schnell auswertbare Ergebnisse zu erhalten, warb die Fachgruppe Archäoastronomie bei Schülern des Immanuel-Kant-Gymnasiums Wilthen um Mithilfe. Die Resonanz war hoch. Es bildeten sich vier Schülergruppen von jeweils vier bis sechs Schülern, die sechs Objekte aufsuchten und das Erscheinen der Sonne in den fraglichen Sichtöffnungen fotografisch dokumentierten. In den Folgejahren erfüllten Schüler in der Sternwarte auch weiterhin archäoastronomische Forschungsaufgaben [2].
Als Ziele des Forschungsprojektes wurden formuliert: 1. Kalendarische Sonnenfunktionen an
markanten Felsen der Oberlausitz und angrenzender Regionen finden und dokumentieren. 2. Erstellen eines vollständigen Überblicks über das Verbreitungsgebiet funktionierender kalendarischer Stein- und Felsformationen. 3. Initiierung archäologischer Untersuchungen. 4. Die Funktionsweisen der steinernen Sonnenbeobachtungsobjekte einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen. 5. Einen neuen touristischen Akzent setzen. 6. Eine Tradition der Sonnenbeobachtung an den Objekten ins Leben rufen.
3 Wintersonnenwende 2007 um 13:15 Uhr im Auge des Originalfelsens,
dem Kuckuckstein von Königshain, in den Königshainer Bergen
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Sternwarte Sohland rief die Fachgruppe Archäoastronomie zur Sommersonnenwende 2013 den ,,Internationalen Tag der Archäoastronomie" ins Leben [4].
Videokonferenzen und Aktionen werden aus diesem Anlass seither jeweils am Sonnabend, welcher der Sommersonnenwende am nächsten liegt, durchgeführt. Bis 2015 nahmen Forscher aus 10 Ländern mit 30 archäoastronomischen Objekten teil. Bei
2012 organisierte die Fachgruppe Archäoastronomie unter dem Titel ,,Hochtechnologie der Steinzeit trifft auf Hochtechnologie der Gegenwart" die 1. Internationale Vernetzung prähistorischer Sonnenheiligtümer, eine ungewöhnliche Videokonferenz. Die Besucher dreier mutmaßlicher Kalendermonumente Europas (Sachsen, Österreich, Oberpfalz) konnten den Sonnenuntergang der Sommersonnenwende in den jeweiligen Sichtöffnungen vor Ort per mobilem Internet parallel live miterleben [3].
4 Dr. Hilmar Hensel mit Schülern des Immanuel-Kant-Gymnasiums Wilthen bei
Vermessungsarbeiten am Teufelsstein Pließkowitz 2012
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Astronomische Vereinigungen
5 Protestaktion gegen die Haldenerhöhung am Teufelsstein von Pließkowitz zur Tagundnachtgleiche 2018. Die Beteiligten tragen
symbolisch Schutzmasken gegen den Schmutz vom benachbarten Steinbruch, noch nicht gegen die Covid-Viren.
YouTube finden sich verschiedene VideoBeiträge zu den Aktionen.
Aus den Forschungsergebnissen der Fachgruppe Archäoastronomie wurde ein Tourismuskonzept mit dem Titel ,,Sonnenpfade - Sonnenheiligtümer der Oberlausitz" entwickelt. Dieses wurde 2017 dem Gemeinderat in Sohland/Spree vorgestellt und erhielt Zustimmung [5]. Fördermittel wurden beantragt und genehmigt.
Im Folgenden wurde ein Rundwanderweg zu vierzehn archäoastronomisch untersuchten Steinformationen in der näheren Umgebung von Sohland mit Wegweisern und Informationstafeln ausgestattet. Auch eine zweisprachige Broschüre (tschechisch/ deutsch) mit Informationen und Wanderhinweisen zu insgesamt 42 Objekten in der Oberlausitz und Tschechien wurde gestaltet.
der Archäoastronomie an der Sternwarte Sohland/Spree im Beisein des Sächsischen Staatsministers Oliver Schenk und weiterer Gäste feierlich enthüllt.
Die Sonnenheiligtümer als ,,Sonnenuhren für das Jahr" ergeben für die Gemeinde Sohland und seinen Ortsteil ,,Sonnenuhrendorf Taubenheim" eine wunderbare thematische Ergänzung. Damit gelang es, durch die archäoastronomischen Forschungen in der Oberlausitz einen neuen touristischen Akzent zu setzen. Ein hoffnungsvolles Ergebnis für die touristische Erschließung weiterer archäoastronomischer Objekte in der Region und darüber hinaus. Gerade in der Zeit der Pandemie wurden die ,,Son-
nenheiligtümer der Oberlausitz" Ziel für Wanderungen. Ihre großräumige Verteilung verhindert Besucherandrang.
Parallel zu den Ereignissen in Sohland kam es im Norden von Bautzen zu Protesten durch eine Bürgerinitiative gegen die Erweiterung eines Steinbruches. Die Fachgruppe Archäoastronomie wurde dabei um Hilfe gerufen, weil die Anwohner befürchteten, dass eine geplante Haldenerhöhung die kalendarischen Sichtmöglichkeiten an einem neben dem Steinbruch befindlichen ,,Sonnenheiligtum der Oberlausitz", dem ,,Teufelsstein von Pließkowitz", bedrohen könnte. Messungen der Fachgruppe ergaben, dass die geplante Endhöhe der Halde
Als Höhepunkt konnte an der Sternwarte ,,Bruno H. Bürgel" in Sohland ein ,,Sonnenheiligtum der Oberlausitz" mit seinen kalendarischen Beobachtungsmöglichkeiten als Funktionsmodell nachgebaut werden. Es handelt sich um den Kuckuckstein von Königshain in halber Originalgröße. Zur Sommersonnenwende 2018 wurde das Monument aus heimischem Granit anlässlich des astronomischen Sommerfestes am Tag
6 Funktionsmodell
des Teufelssteins von Pließkowitz aus Holz beim Schulfest der Gerhart-Hauptmann-Schule Sohland 2013 mit dem Sternenfreund Benjamin Semprich
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Astronomische Vereinigungen
Sternwarte Sohland
Homepages: www.sternwarte-sohland.de www.goetterhand.de
Kontakt: archaeastro@gmail.com
Broschüre: ,,Jäger des Lichts - ein archäoastronomisches Abenteuer" touristinfo@sohland.de
7 Sommersonnenwende 2008 um 20:15 Uhr in der Höhle des Objektes ,,Thors Amboss"
in Neusalza-Spremberg. Dieses Objekt befindet sich kaum eine Stunde von der Sternwarte entfernt und war deswegen bisher das Hauptobjekt in der Oberlausitz für die Liveschaltungen der Videokonferenzen zum Tag der Archäoastronomie.
die Beobachtung der Sonne zum Sonnenuntergang der Tagundnachtgleiche nicht mehr gestatten würde. Durch Gespräche mit den Verantwortlichen konnten die Bürgerinitiative und die Fachgruppe 2018 erreichen, dass die Planungen geändert, die Halde auf ihr altes Niveau abgesenkt und die Sichtbarkeit der Sonne in den Felsöffnungen garantiert wurde [6].
Im Jahr 2020 erschien über die archäoastronomischen Forschungen eine umfangreiche Veröffentlichung mit dem Titel ,,Die Fährte des Lichts - Projekt Götterhand - Sonnenheiligtümer der Oberlausitz" [7].
Aktuell wirkt die Fachgruppe Archäoastronomie der Sternwarte Sohland an einem Vorhaben der Sternwarte Bautzen mit. Dort soll anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Sternwarte 2022 ein aufwendiger Steinkreis mit kalendarischen Sonnentoren in Anlehnung an Stonehenge und an die ,,Sonnenheiligtümer der Oberlausitz" errichtet werden. Angedacht ist dafür auch eine archäoastronomische Wanderroute beginnend an der Sternwarte Sohland/ Spree und dem dortigen Modell des Kuckucksteins weiter zu verschiedenen Felsen mit kalendarischer Sonnenfunktion hin
zur Sternwarte Bautzen mit ihrem kalendarischen Steinkreis und schließlich weiter bis zum ,,Teufelsstein von Pließkowitz" [8]. Autoren aller Fotos: Ralf Herold und Dr. Hilmar Hensel
Literaturhinweise: [1] Karl Benjamin Preusker, 1841: ,,Blicke
in die Vaterländische Vorzeit", Band 1, S.14/23 [2] Sternwarte Sohland/Spree, 2015: Broschüre ,,Archäoastronomie" (tschechisch-deutsch); Broschüre ,,Volks- und Schulsternwarte BrunoH.-Bürgel" (tschechisch-deutsch) [3] Sächsische Zeitung, Lausitz, 12. Juni
2012, ,,Die Sonnensucher" [4] Bild-Zeitung, Dresden, 21. Juni 2014
,,Steinzeitexperiment in der Oberlausitz" [5] Sächsische Zeitung, ,,Sonnenpfade durch die Oberlausitz", Sächsische.de, 28.12.2016 [6] Sächsische Zeitung, ,,Bedrohtes Wunder vom Teufelsstein", Ausgabe Bautzen, 23.09.2017 [7] Sächsische Zeitung, ,,Neues Buch über Sonnenheiligtümer", Sächsische. de, 09.07.2020 [8] Sächsische Zeitung, ,,Neue Attraktion für die Bautzener Sternwarte", Sächsische.de, 06.11.2020
8 Besucher am Objekt Thors
Amboss während der Liveübertragung ,,Internationale Vernetzung prähistorischer Sonnenheiligtümer zum Tag der Archäoastronomie". Die Sternfreundin Nicole Wehle leitete hier 2015 die LiveÜbertragung vor Ort.
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Astronomische Vereinigungen
Bericht über einen gelungenen Start
- Zusammenarbeit der Jugendgruppe der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen und der Jugendgruppe VEGA e.V.
von Simon Wachter
Zu Beginn der Zusammenarbeit stellten sich drei Fragen, die wir in diesem Bericht nennen wollen, um unsere Arbeit vorzustellen: - Worum geht es? - Wo stehen wir im Moment? - Wie sieht die Zukunft unserer
Jugendarbeit aus?
Zunächst ging es darum, sich zu finden, um einen regen Austausch untereinander zu aktivieren und zusammen ein Konzept zur weiteren Vorgehensweise zu erarbeiten. Schnell wurde unsere junge Gruppe größer, die Netzwerke wurden erweitert und der Kontakt zum neu gewählten Vorstand der Jugendgruppe VEGA konnte erfolgreich intensiviert werden.
Gefunden hatten wir uns in wenigen Online-Sitzungen und bald wurde klar, dass wir in der aktuellen Situation mit OnlineFachvorträgen, die speziell für Jugendliche interessant sein sollen, beginnen wollten. Im Team erarbeiteten wir sodann die Rahmenbedingungen für unsere Vorträge und kamen dabei relativ schnell zu einem sehr guten Ergebnis.
Den ersten Vortrag gab es schon im Frühling 2021 zum Thema ,,Supernova" von Nico Brockmeier (www.weltallwissend. de). Gleich beim ersten Vortrag hatte Nico rund 40 Interessierte angelockt, die Moderation und der Ablauf klappten hervorragend und reibungslos. Es war ein gelungener Auftakt, einfach spitze und machte sogleich Lust auf mehr.
Den zweiten Vortrag hielt Jan Beckmann am 12. Mai 2021 zum Thema Astrofotografie, also nachdem dieser Beitrag hier geschrieben worden ist.
Zwischenzeitlich wurden weiter fleißig Jugendreferenten/innen für die vier Regionen
der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen (Süd, Ost, West und Nord) gesucht und auch teilweise schon gefunden. So haben sich in der Region West gleich drei Jugendreferent/innen engagiert und eine Gruppe gebildet, und auch der Süden ist schon optimal abgedeckt. Im Bereich Ost bahnt sich vermutlich auch eine gute Gruppe an, so dass wir lediglich noch junge Interessierte für die Regionen Nord und Mitte suchen. Das war ein guter Start.
Was sollte denn so ein/e Jugendreferent/in mitbringen? Welche Aufgaben hat er oder sie? Nun, er oder sie sollte Kontakt zu den jeweiligen Jugendlichen oder Jugendgruppen der einzelnen Sternwarten und Vereine in ihrer Region herstellen, diesen Kontakt auch halten, ausbauen und Netzwerke bilden.
Er oder sie sollte in der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen die Jugendarbeit unterstützen und der entsprechenden Region beratend zur Seite stehen.
Er oder sie sollte das Bindeglied zwischen den Jugendgruppen der Regionen untereinander und dem Fachthemenreferenten der Fachgruppe Astronomische Vereinigung sein. Diese ehrenvolle Aufgabe habe im Moment ich inne und Ihr erreicht mich unter der Mailadresse: simon.wachter@ sternfreunde.de sowie unter den Telefonnummern: 0171-8005496 oder 07541981447.
Hast Du Lust auf eine solche Aufgabe? Willst Du in der Jugendgruppe mitmachen? Willst Du Jugendreferent bei uns werden?
Ganz wichtig ist uns dabei, dass Ihr frei und ungezwungen Eurem Hobby nachgehen könnt, eigene Ideen entwickelt, Ihr in keine Strukturen gepresst werdet. Die größtmögliche Unterstützung seitens unserer Fach-
gruppe und der VdS ist Euch sicher. Eine weitere auf die Zukunft gerichtete Aufgabe liegt in der regelmäßigen Berichterstattung über unsere Arbeit, über Projekte von Jugendlichen und/oder Jugendgruppen hier im VdS-Journal für Astronomie. Damit können wir weitere Jugendliche begeistern und gewinnen. Aber keine Angst, Berichte schreiben soll nur jemand, der das auch mag!
Eine weitere wichtige Aufgabe, die uns am Herzen läge, wäre die Begeisterung junger Mädchen für die Astronomie. Bislang bildet das männliche Geschlecht noch die Mehrzahl in unserer Gruppe, das gilt es zu verändern.
Wir freuen uns über Dein Interesse! Melde Dich!
Für weitere Ideen, Verbesserungen und/ oder konstruktive Kritik sind wir jederzeit offen.
Zum Schluss gilt unser ganz herzlicher Dank allen Jugendlichen und jungen Menschen, die sich bis jetzt so begeistert und tatkräftig einbringen und unser Projekt leidenschaftlich unterstützen. Unser Dank geht insbesondere auch an die Jugendgruppe VEGA, die sich mit ihrer ganzen Erfahrung und Tatkraft eingebracht hat und sich weiter einbringen will.
Unser Dank gilt auch allen Unterstützern, die uns innerhalb unserer Fachgruppe Astronomische Vereinigungen ihr Vertrauen und ihre Mitwirkung geschenkt haben!
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Astrophysik & Algorithmen
Vortragende gesucht!
Mal angenommen, die Vereinsmitglieder wünschen sich ein Referat zur Rare-Earth-Hypothese oder zur kosmischen Nukleosynthese; eventuell wird auch ein/e prominente/r Vortragende/r aus Anlass eines Jubiläums oder einer ähnlichen Großveranstaltung benötigt. Nicht immer ist es dann leicht, schnell eine geeignete Person zu finden.
In der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen wurde daher von Anfang an geplant, Vortragende sowie Themen zu sammeln und in geeigneter Form zu veröffentlichen. Claudia Henkel hat bereits in der Region West Informationen gesammelt, Andreas Klug für die Region Mitte [1].
Idealerweise sollten alle diesbezüglichen Infos zusammengeführt werden, so dass wir sie überregional gemeinsam weiter pflegen können. Jörg Henkel und Benjamin Mirwald stehen als Ansprechpartner dafür bereit.
Die Fachgruppe freut sich daher über wertvolle Tipps und insbesondere über Hinweise auf interessierte Vortragende und deren Themen - bitte am besten gleichzeitig an joerg.henkel@sternwarte-essen.de und b.mirwald@posteo.de senden.
Wer sich schon direkt selbst in die Liste der Fachgruppe eintragen möchte, ist herzlich eingeladen, das in einem GoogleFormular zu tun. Es ist unter dem Link https://bit.ly/3a76jvP erreichbar. Die eingegebenen Angebote werden dann automatisch in einer Tabelle unter https://bit.ly/36hKx7y eingetragen. In dieser Tabelle lassen sich dann Vortragsangebote recherchieren. Die Tabelle kann sortiert und gefiltert werden [2]. Benjamin Mirwald und Jörg Henkel
[1] http://astronomie-mitte.de/vortragspool/ [2] https://support.google.com/docs/answer/3540681?hl=de
Die astronomische Bedeutung des ,,Sonnenobservatoriums" Goseck
von Uwe Pilz und Holger Filling
Die Kreisgrabenanlage Goseck wurde 1991 entdeckt. Erst zu diesem Zeitpunkt waren Luftaufnahmen für zivile Zwecke in den östlichen Bundesländern möglich. Die vom Ackerboden bedeckte Grabenstruktur war aufgrund des unterschiedlichen Bewuchses zu erkennen [1]. Inzwischen wurde die Anlage vollständig ausgegraben und rekonstruiert. Es handelt sich um drei konzentrische Wälle, die inneren beiden waren mit Palisaden bestückt. Der äußere, tiefste Wall hat drei Tore, in den Palisadenreihen gab es mehrere Lücken. Das Alter wird auf 7.000 Jahre geschätzt. Die Abbildung 1 zeigt alle bei der Ausgrabung gesicherten Befunde.
1 Befundplan der Grabungen:
Blau - Hauptgraben, schwarz - Palisadengräben, nach [2]. Rot - bester Umkreis und damit ermitteltes Zentrum, grün - Azimutwerte der Tore, violett - Azimutwerte von Sonnenaufund -untergang
Wir haben auf Basis der vorgefundenen Gegebenheiten eigene Überlegungen angestellt. Da wir nicht wissen, was sich unsere
Journal für Astronomie Nr. 79 | 63
Astrophysik & Algorithmen
Vorfahren dachten, ist der Schluss von den astronomischen Berechnungen auf den Zweck der Anlage immer mit Spekulation verbunden. Wir sind uns auch nicht in jedem Detail einig. Auffallend sind die beiden Südtore. Wir prüfen in diesem Aufsatz die Vermutung, sie würden zu den Auf- und Untergangspunkten der Sonne zur Wintersonnenwende weisen.
Da die Anlage nicht genau kreisrund ist, muss zuerst der Mittelpunkt bestimmt werden. Wir haben das mit dem bestmöglichen Umkreis gemacht - ohne Berechnung, rein visuell. Der Umkreis ist in der Abbildung dünn rot eingezeichnet, das so ermittelte Zentrum ist rot markiert.
Ausgehend von diesem Zentralpunkt haben wir die Lage der beiden Tore vermessen. Dies geht am besten mit einem Grafikprogramm, mit welchem man auf irgendeine Weise Pixel-Abstände messen kann. Die Pixelabstände dx und dy kann man dann mit einer Rechteck-Polar-Umwandlung in einen Winkel umrechnen, z. B. in der Python-Shell:
from math import * degrees(atan2(dx,dy))
Alternativ kann man einen Winkelmesser verwenden, die Genauigkeit ist aber nur ca. 1 Grad.
Der Azimutwinkel der Auf- und Untergangspunkte hängt außer vom geografischen Ort nur von der Deklination des betrachteten Gestirns ab. Die Sonne hat zur Wintersonnenwende gerade die Deklination von - (Schiefe der Ekliptik). Die Veränderung im Lauf der Jahrhunderte lässt sich mit der Formel aus dem ,,Meeus" [3] in Python berechnen:
Diese Formel ist nur mäßig genau, vor allem, wenn man weiter in die Vergangenheit extrapolieren muss. Wir werden im VdSForum ein kleines Programm publizieren, welches eine genauere Formel enthält, auch aus dem ,,Meeus". Für das Jahr -4800 ergibt die genauere Formel = 24,166 Grad .
Wenn man die Gegebenheiten vor Ort erkunden kann, dann ist es möglich, die Höhe des natürlichen Horizontes zu berücksichtigen, also die Höhe, in der die Sonne dann für Beobachter wahrnehmbar aufgeht. Diese Höhe muss noch um den Wert der atmosphärischen Refraktion korrigiert werden, durch welche die Sonne scheinbar angehoben wird. Auch diese Formel findet man in [3]. Die Größe h0 ist die Höhe des natürlichen Horizontes, welcher in Grad (nicht wie üblich im Bogenmaß) in die Formel eingeht.
arg = h0 + 7.31 / (h0 + 4.4) R = - 1 / tan(radians(arg))
R ist dann die Refraktion in Bogenminuten, welche für die Weiterverarbeitung in Python ins Bogenmaß umgewandelt werden muss.
Die Deklination der Sonne ist diejenige des Sonnenmittelpunktes. Wirklich aufgehen sieht man aber den oberen Rand der Sonne, so dass man diese Höhe noch um den scheinbaren Sonnenradius rS korrigieren muss:
h = h0 - R - rS
Mit diesen beiden Werten, der Deklination und der Höhe h, lassen sich die Azimutwerte A für den Aufgangspunkt berechnen. Die Formel stammt diesmal nicht aus dem ,,Meeus", sondern aus [4].
Der Untergangspunkt liegt symmetrisch zur Nord-Süd-Richtung. Eine einfache Rechnung mit h0 = 0 für beide Tore ergibt: Aufgang 129,4 Grad, Untergang 230,6 Grad. Auch diese Werte sind in der Zeichnung eingetragen.
In den inneren Palisadenwällen sind Lücken zu finden. Wenn diese in beiden Wällen vorhanden sind, könnten es auch Peileinrichtungen sein. Wir überlassen deren Nachrechnung unseren Lesern und empfehlen, die Sommersonnenwende im Blick zu haben.
Die Abweichungen zwischen den berechneten Werten der Azimute und den Toren scheint ziemlich groß. Man kann aber annehmen, dass sich der Beobachtungspunkt nicht exakt in der Mitte der Anlage befand. Auch das lässt sich nachrechnen, wenn man mehr als zwei Richtungen kennt. Auch dies überlassen wir den Lesern.
Literatur- und Internethinweise (Stand Mai 2021): [1] Kreisgrabenanlage Goseck:
https://360grad-denkmale.de/ virtuelle-rundgaenge/archaeologischedenkmale/kreisgrabenanlagegoseck-burgenlandkreis/ #kreisgrabenanlage-goseckburgenlandkreis-n-3 [2] F. Bertemes, A. Northe, 2007: ,,Der Kreisgraben zu Goseck", 25. Niederbayerischer Archäologentag (Vortrag) [3] J. Meeus, 1998: ,,Astronomical Algorithms", Willmann-Bell-Verlag, Virginia [4] R. Walker, 2019: ,,Die Analyse archäoastronomischer Ausrichtungen", www.ursusmajor.ch/downloads/ analyse-archaeoastronomischerazimute-vers-6_0.pdf
T = (jahr - 2000) / 100 eps = 23 + 26/60 + (21.448-46.8150*T-
0.00059*T*T+0.001813*T*T *T)/3600
cA = (sin(delta) - sin(phi) * sin(h)) / (cos(phi) * cos(h))
A = acos(cA)
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Astrophysik & Algorithmen
Die Simulation des Mehrkörperproblems mit professionellen Mitteln
von Uwe Pilz
Als ich 1983 meinen ersten kleinen Computer besaß, programmierte ich als erste wirkliche Anwendung eine einfache Simulation der Entwicklung von Offenen Sternhaufen. Ich war seinerzeit mit dem Ergebnis unzufrieden: Alle meine Haufen zerfielen in kurzer Zeit. Heute weiß ich, dass dieser Effekt zu erwarten ist und meine erste Simulation diesen Effekt zumindest im Prinzip gezeigt hat.
Das sog. Mehrkörperproblem (engl.: nbody) ist eine der fundamentalen Simulationsmethoden der Astronomie. Hiermit lassen sich eine Vielzahl von Fragestellungen untersuchen: Von der erwähnten Entwicklung der Sternhaufen über die Entstehung von Doppel- und Mehrfachsystemen in ihnen
1 Sverre Aarseth
bis hin zu interagierenden Galaxien. Auch spezielle Fragen, wie ,,Gibt es ungebundene Planeten in Offenen Sternhaufen?" oder Untersuchungen zur Langzeitstabilität der Bahnen periodischer Kometen führen zu einer Mehrkörpersimulation. Ich habe hier im Journal für Astronomie schon einmal ein einfaches Programm veröffentlicht [1], mit dem solche Analysen ausgeführt werden können. Wenn man allerdings ein kompliziertes Problem untersuchen möchte, dann benötigt man eine wesentlich weiter ausgebaute Simulation.
Sverre Aarseth (Abb. 1) [2] hat sein gesamtes Berufsleben dem Mehrkörperproblem gewidmet. Das Astronomische Institut der Universität von Cambridge förderte
2 Der Kernkollaps eines Offenen Sternhaufens. Angewandt auf die Plejaden liegen zwischen zwei Stadien je 30 Mio. Jahre.
Da die Plejaden noch jung sind, zeigt die erste Zeile den Entwicklungszyklus bis zum jetzigen Zustand.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 65
Astrophysik & Algorithmen
die Entwicklung dieses Programmsystems über Jahrzehnte. Sverre hat den Quellcode der vorletzten Version NBODY6 frei zur Verfügung gestellt [3]. Die letzte Version NBODY7 ist im Experimentalstatus steckengeblieben und wurde deshalb nicht veröffentlicht. NBODY6 ist in Fortran77 geschrieben und lässt sich mit dem GnuCompiler [4] ohne Änderungen übersetzen. Das Programm wird nach wie vor von Fachastronomen für ihre Untersuchungen benutzt, z. B. [5]. Auch Sverre, inzwischen 87 Jahre alt, arbeitet noch am Mehrkörperproblem.
Dieses Programm bietet uns Amateuren die Möglichkeit, Probleme wie die oben angesprochenen auf professionellem Niveau durchzurechnen. Im Vergleich zu einem einfachen Integrationsprogramm wie meinem ist vieles stärker ausgebaut oder überhaupt vorhanden: - Die Integrationsmethode geht sparsamer
mit der Rechenzeit um und lässt eine dynamische Anpassung der Zeitschrittweite zu. - Mehrkörperfragestellungen umfassen oft mehrere Größenordnungen von Abständen und Kräften. So findet man in Offenen Sternhaufen Doppelsterne. NBODY6 rechnet mit mehreren Zeitskalen parallel. Damit wird verhindert,
3 Das Bewegungs-
abbild der Simulation eines Offenen Sternhaufens. Es sind zwei Doppelsterne zu erkennen, von denen der linke nach einer nahen Begegnung mit einem dritten Stern wieder zerfällt.
dass die Genauigkeitsanforderung des engsten Paares die Gesamt-Rechenzeit bestimmt. - Es sind eine große Zahl von astrophysikalischen Effekten eingebaut und können angeschaltet werden. Eine Auswahl: Einfluss der Gezeitenkräfte der Heimatgalaxie auf einen Offenen Sternhaufen, von vornherein vorhandene Doppelsterne, Schwarze Löcher in Galaxien, Sternentwicklung während der Simulation, Einfluss von Magnetfeldern und Gaswolken. - Die Simulation erfolgt einheitenlos, so dass ein Rechenergebnis durch Transformation auf eine ganze Reihe von Problemen angewandt werden kann. - Das Programm kann für Mehrprozessormaschinen und Grafikprozessor-Cluster übersetzt werden.
Zur Unterstützung von uns Anwendern gibt es eine Reihe von Anleitungen, z. B. [6] und [7], welche den Einstieg erleichtern. Ich habe mich wieder mit der Entwicklung Offener Sternhaufen beschäftigt. Ausgangspunkt ist eine weitgehend homogene Sternwolke, wie sie nach der Manifestierung des Haufens aus einer Gaswolke angenommen werden kann. Wenn man deren Entwicklung weiter verfolgt, dann zeigt das Computerexperiment selbst in seiner einfachsten Form die wichtigsten Effekte:
- Der Haufen kollabiert zunächst: Es bildet sich eine dichte Kernzone und ein Halo (Abb. 2).
- Es bilden sich Doppelsterne, die auch wieder zerfallen können (Abb. 3).
- Einzelne Sterne gewinnen durch nahe Begegnungen Bewegungsenergie und verlassen den Haufen, er ,,verdampft".
Bei diesen Rechnungen erhielt ich Unterstützung von Sverre. Er hat mir die Konzepte in seinem Programm erklärt und Hinweise für die zweckmäßige Einstellung der Rechenparameter gegeben. Diese kleine Zusammenarbeit ist ein gutes Beispiel, wie Fachastronomen uns Amateure bei der wissenschaftlichen Arbeit unterstützen können: Durch die Freigabe professioneller Werkzeuge und durch fachliche Anleitung.
Literatur- und Internethinweise (Stand: Mai 2021): [1] U. Pilz, 2020: ,,Bleibt das Sonnensys-
tem stabil?", VdS-Journal für Astronomie 74, S. 72-74 [2] S. Aarseth: https://en.wikipedia.org/ wiki/Sverre_Aarseth [3] NBODY6: https://github.com/mtrenti/ NBODY6 [4] GFortranBinaries: https://gcc.gnu. org/wiki/GFortranBinaries [5] F. Dinnbier, P. Kroupa, 2020: "Tidal tails of open star clusters as probes to early gas expulsion", https://arxiv. org/pdf/2007.00036.pdf [6] S. Aarseth, 2010: "Gravitational NBody Simulations: Tools and Algorithms", Cambridge Press [7] E. Khalisi, R. Spurzem: "NBODY6++ Manual for the Computer Code", https://wwwstaff.ari.uni-heidelberg. de/spurzem/lehre/WS20/cuda/ nbody6++_manual.pdf
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Atmosphärische Erscheinungen
Und es hat ZOOM gemacht
- 41. AKM-Seminar am 13. März 2021 in sechs Ländern
von Elmar Schmidt
Nachdem es der AKM dank der Kooperation von Jugendherberge und Bildungsstätte Heiligenhof in Bad Kissingen im Jahr 2020 noch geschafft hatte, sein jährliches Seminartreffen unmittelbar vor dem ersten Covid-Lockdown real durchzuführen, war das angesichts des verhängten Lockdowns für 2021 so nicht mehr planbar. Somit war entschieden worden, erstmals ein virtuelles Seminarformat am Samstag, den 13. März 2021 anzubieten.
Die Resonanz war mit insgesamt 82 Anmeldungen sehr groß. Im Laufe des Treffens waren fast durchweg etwa 60 bis 70 Teilnehmer dabei, selbst das ein Rekord. Darunter auch Mitstreiter aus Finnland, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz.
Den Anfang machte Sirko Molau mit einem Überblick über das AllSky7-FeuerkugelNetzwerk, welches in der vierten Ausbaustufe in der EU auf 40 aktive Kameras angewachsen ist. Die Himmelsabdeckung in Deutschland ist so gut, dass nun hauptsächlich an die Ausdehnung in die Nachbarländer gedacht wird. Sowohl die Logistik von Kamerabau und -verteilung als auch die Zusammenstellung der Ergebnisse auf der Webseite wurden weiter verbessert.
Es schloss sich ein Rückblick von Andre Knöfel auf Höhepunkte aus dem Betrieb des AllSky7-Netzwerks an. Selbst im angebrochenen Jahr 2021 gab es schon deren acht, darunter eine Multibeobachtung von 19 Stationen am 24.02. und ein Earthgrazer vom 26.02. Den am 28.02.2021 in zwei Aufzeichnungen dokumentierten Boliden konnte der Fund eines kohligen Chondriten in England zugeordnet werden.
Es war dann Detlef Koschny von der ESA/ Noordwijk, der einen Überblick über theoretische und experimentelle Studien zur
1 Andre Knöfel und Elmar Schmidt bei ihren Vorträgen (Screenshots)
Leuchteffizienz von Meteoren gab. Sie ist definiert als das Verhältnis der Strahlungsleistung zur kinetischen Energie des Meteors und überstreicht den recht großen Bereich von 0,1% bis 6% bei formidablen maximalen Strahlungsleistungen von etwa 2 Megawatt für 2,7 kg schwere Meteore. Während deren Geschwindigkeiten gut triangulierbar sind, bereitet die Kalibrierung sowohl der Meteorhelligkeiten als auch ihrer Eintrittsmasse noch Schwierigkeiten. Ein Versatz in den vorhergesagten Absoluthelligkeiten zwischen verschiedenen Massenbereichen dürfte mit Unterschieden der Objektart und evtl. noch der Emissionsspektren zu tun haben.
Jürgen Rendtel ging dann auf die Aurigiden ein, welche im Jahr 1935 ,,mit einem Knall" auf die Bühne der Meteorbeobachtung kamen und mit dem sehr langperiodischen Kometen Kiess in Verbindung gebracht werden. Nachdem im August/September 2019 ZHR von 10 bis 60 vorkamen, ergeht fürs laufende Jahr ein Beobachtungsaufruf wegen ZHR-Vorhersagen von über 60 für den 31.08.2021.
Ein verlässlicher und ergiebiger Meteorstrom sind die in der zweiten Dezember-
dekade maximal aktiven Geminiden. 2020 wurden in der Nacht vom 13./14.12.2020 ZHR zwischen 98 und 155 erreicht. Bernd Gährken profitierte mit vielen Einzel- und Summenfotos sowie Filmen von einer mit Peter C. Slansky abgestimmten Beobachtungsnacht bei Bayrischzell.
Astronomisch blieb es dann auch beim ersten von zwei Fotometrie-Vorträgen von Elmar Schmidt. Sein Leuchtdichtemessgerät mit einer Lineardynamik von fast neun Größenordnungen hat sich als geeignet erwiesen, um die Mondhelligkeit auch für Nichtvollmondphasen zu bestimmen. Nach Erläuterung der nicht ganz einfachen Korrektur- und Kalibrationsschritte konnte aus ca. 180 Messungen der Jahre 2018 bis 2021 über fast 310 von 360 Grad der vorkommenden Phasenwinkel ein empirisches Mondhelligkeitsmodell vorgelegt werden. Beim Mars war das Fotometer bis zu seiner unteren Messgrenze gefordert, um die Phasenhelligkeit des roten Planeten seit dem Juni 2020 und während seiner vorerst letzten hellen Opposition zu untersuchen. In insgesamt über 70 Einzelmessungen bestätigte sich dessen auf jeweils 1 AE Sonnen- und Erdabstand standardisierte, maximale Absoluthelligkeit bei -1,62 mag.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 67
Atmosphärische Erscheinungen
2 Andreas Möller bei seinem Vortrag über die Sonnenfinsternis in Argentinien (Screenshot)
Ein statistisch signifikantes Plus an Helligkeit von -0,05 mag gegenüber früheren Arbeiten von Mallama aus den USA bedarf weiterer Analysen, da sich die Differenz im r.m.s.-Schwankungsbereich beider Studien bewegt.
Eher eine Fingerübung waren die im zweiten Vortrag vorgestellten DämmerungsLeuchtdichtemessungen. Motiviert gewesen waren sie durch den fast zum Erliegen gekommenen Flugverkehr zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns, der für ,,Referenzdämmerungen" frei von Kondensstreifen sorgte. In einer Höhe von 15o über dem Sonnenaufgangsazimut ergab sich ein logarithmisch-sigmoider Leuchtdichteverlauf von 0,003 cd/m2 am Beginn der astronomischen Dämmerung über 0,01 bzw. 5 cd/m2 am Beginn der nautischen bzw. bürgerlichen Dämmerung bis zu etwa 1.100 cd/m2 bei Sonnenaufgang. Diese Dynamik von über 350.000 fiel in 5o Höhe, also im Erdschattenbereich des Gegendämmerungshimmels etwa 5-mal geringer aus, bei ähnlichem Kurvenverlauf.
Unmittelbar vor dem Seminar war es noch möglich, je eine von Saharastaub und Wolken gestörte Dämmerung zu fotometrie-
ren. Erstere war trotz der Farbarmut in einzelnen Phasen 1,5- bis 2-mal heller als eine ungestörte Dämmerung. Die Wolkendämmerung war hingegen im nautischen und bürgerlichen Bereich bis zu 10-mal dunkler.
Andreas Möller referierte über seine unter coronabedingt schwierigen Randbedingungen dennoch zustande gekommene Reise zur Sonnenfinsternis am 14.12.2020 in Argentinien. Dort teilte er mit nur wenigen weiteren nach Südamerika gereisten Eklipsenjägern sogar noch Wetterglück.
Eine unter Bangen doch noch abziehende Wolke zu Finsternisbeginn hinterließ dabei bemerkenswerte atmosphärische Effekte. Schlicht sensationell waren die in einigen Fotos auf diese Wolke projizierten Schattenbänder, ein Lensingeffekt, der bislang nur in Gestalt von fliegenden Schatten am Boden abgefilmt wurde. Der anschließende Diamantring zum Totalitätsbeginn sorgte als Punktlichtquelle durch Beugung an den Wolkenwassertröpfchen für eine schöne farbige Kranzerscheinung.
Die Totalität selber konnte dann zu weiteren eindrucksvollen Fotos genutzt werden,
die nach der Bearbeitung durch den Spezialisten Miloslav Druckmüller alles vom Erdlicht auf der Mondscheibe bis zu den äußeren Streamern der Sonnenkorona zeigten.
Die dritte Sensation der Kampagne war ein im Nachgang und sonst nur in Aufnahmen des Weltraumobservatoriums SOHO dokumentierter Komet der Kreutz-Gruppe von Sungrazern, für den Duckmüller neben dem Staubschweif noch einen Natriumionenschweif aus Andreas` Foto herausarbeiten konnte. Dieses Bild fand Eingang auf eine Webseite der NASA.
Ein Stück echter Citizen Science zur Hochatmosphärenphysik wurde im Anschluss von Michael Theusner eingebracht. Ihm gelangen ortsaufgelöste Höhenbestimmungen in einem Feld leuchtender Nachtwolken (NLCs) über Südnorwegen aus zwei im Sommer 2019 im Abstand von 120 km von ihm und Maciej Libert von Norddeutschland aus aufgenommenen Fotos. Einem auffälligen Filament in den Fotos konnte schließlich eine vertikale Erstreckung zwischen 82,8 und 84 km zugewiesen werden, was mittels Rot-Blau-Brillen auch in 3D eindrucksvoll anzusehen war.
68 | Journal für Astronomie Nr. 79
Atmosphärische Erscheinungen
Peter C. Slansky konnte vom 05. bis zum 08.07.2020 NLCs sogar in München beobachten. Das Display zeigte die gesamte Morphologie aus Schleiern, Bändern, Wellen und Wirbeln. Ergänzend verwiesen wurde auf Untersuchungen, wonach Meteore wie die Perseiden in etwa 80 bis 85 km am hellsten werden. Deshalb gilt es als gesichert, dass NLCs sich durch Kondensation aus der ebendort stark erhöhten Luftfeuchte an Meteorstaub bilden.
Anschließend gab Wolfgang Hinz ein Update über inzwischen 35 Jahre (1986 - 2020) der systematischen Halobeobachtung im AKM, eine einmalige Sammlung von 178.000 einzelnen Halos, zumeist an der Sonne, zu 7% auch vom Mond sowie zunehmend auch an künstlichen Lichtquellen speziell im Eisnebel. Diesem Fundus können relative Häufigkeiten bis hin zu seltenen Halos entnommen werden.
Die Häufigkeit im Jahresgang zeigt je ein Maximum im Frühjahr und Herbst. Langperiodische Fluktuationen in der Jahreszeitreihe haben sich nach anfänglicher Parallelität späterhin vom Sonnenzyklus entkoppelt. Laut Claudia Hinz könnte auch die Nordatlantische Oszillation (NAO) als Treiber wirken.
Kurz fiel Elmar Schmidts Rückblick auf die Zirkumhorizontalbögen (ZHB) des Sommers 2020 aus; denn wie bei den sonstigen Halos, waren auch sie nicht besonders zahlreich und vor allem fast durchweg unscheinbar. Auffällig war, dass es vor der Sommersonnenwende 2020 nur 3 (von 25) fotografisch eingesandten ZHB gab. Das könnte mit dem lockdownbedingten Rückgang von Kondensstreifencirren zusammenhängen.
Alexander Haußmann stellte neue Beobachtungen und Rechnungen zu Regen-
3 3D-Darstellung von Leuchtenden Nachtwolken beim Vortrag von Michael Theusner
(Screenshot)
bögen vor. Spektakulär war das ihm aus Südchina zu Augen gekommene Foto eines 5-fach gespaltenen Regenbogens. Alexander hat begonnen, seine Simulationen von rein geometrisch-optischen Rechnungen in Richtung auf störungstheoretisch erschlossene Möbius-Verschiebungen zu erweitern. Damit sind auch exotische Spaltbögen zu deuten sowie genauere Vorhersagen über nichtkonzentrische Bögen zwischen der 1. und 2. Ordnung bei bestimmten Sonnenhöhen möglich.
keitschancen erarbeitet wurde, basiert die Vorhersage inzwischen auf Magnetometerdaten aus Tromsö.
An die Vorträge schloss sich nahtlos die vorgeschriebene Mitgliederversammlung des AKM an. Nach 18 Uhr ging man in den informellen Teil des Seminars über, zu dem dann auch einschlägige Getränke gehörten.
Michael Theusner beschloss die vielfältigen Vorträge des Seminars mit einem Referat über seine Polarlichtvorhersage durch die Detektion charakteristischer Spektrallinien bei 558 und 630 nm in den Jahren 2015 bis 2019. Nachdem eine Korrelation der für Norddeutschland erwartbaren Sichtbar-
Journal für Astronomie Nr. 79 | 69
Deep Sky
Visuelle Beobachtung der Galaxien im Umfeld von SS Cygni
von Klaus Wenzel
In der Rubrik Veränderliche in dieser Ausgabe des Journals für Astronomie wird ausführlich über die Zwergnova SS Cyg berichtet, die momentan eine interessante Aktivitätsphase durchläuft. Weit weniger bekannt sind einige Galaxien in der unmittelbaren Nachbarschaft (< 10') dieses berühmten Veränderlichen, die durchaus in mittleren Teleskopen ab 20-25 cm Öffnung bei guten Bedingungen visuell beobachtbar sind.
Leda 165885 - die kompakte Etwa 4,5 Bogenminuten südlich von SS Cyg befindet sich die kompakte, kugelförmige Galaxie Leda 165885. Diese Galaxie wurde von den großen Galaxiendurchmusterungen Morphological Catalogue of Galaxies (MCG) von Boris A. Woronzow-Weljaminow und dem Catalogue of Galaxies and of Clusters of Galaxies (CGCG) von Fritz Zwicky schlichtweg wegen ihrer auf dem POSS nahezu sternförmigen Erscheinung über-
sehen. Als Infrarotquelle findet sie sich im IRAS-Katalog als IRAS 21406+4317 und in dem Two Micron all Sky Survey (2 MASS) als 2MASX J21423859+4330562. Die Entfernung dürfte mit etwa 250 Mio. Lichtjahren anzusetzen sein.
Im 12,5-Zoll-Newton ist Leda 165885 bei guten Beobachtungsbedingungen indirekt relativ einfach als kleiner, runder Lichtfleck erkennbar. Bei höherer Vergrößerung
1 Die Region mit den hier beschriebenen Galaxien um die Zwergnova SS Cyg, die sich auf diesem Bild mit einer Helligkeit von 10,1 mag
in der Anstiegsphase eines Ausbruchs befindet. Das Bildfeld dieser Aufnahme beträgt etwa 25' x 20'. Aufgenommen am 30.03.2020 am 8,3-Zoll-Newton-Astrograf. Bei dieser Überwachungsaufnahme wurden fünf nur 10 Sekunden belichtete Einzelaufnahmen addiert.
70 | Journal für Astronomie Nr. 79
Deep Sky
(> 300-fach) unterscheidet sie sich deutlich durch ihre flächige Erscheinung von den Feldsternen. Im 16-Zoll-Newton konnte diese Beobachtung bestätigt werden. Hier ist Leda 165885 auch bei nicht optimalen Bedingungen problemlos erkennbar. Diese kompakte Galaxie sollte unter optimalen Bedingungen mit einer geschätzten Helligkeit von 14,5-15 mag auch mit einem 8- oder 10-Zöller durchaus machbar sein.
Die kompakte UGC-11798-Gruppe Acht Bogenminuten östlich von SS Cyg befindet sich eine kleine kompakte Galaxiengruppe um UGC 11798. Hier sind drei UGC-Galaxien in einer Kette von etwa 4 Bogenminuten Länge angeordnet.
Alle drei wurden von Woronzow-Weljaminow in seinem MCG katalogisiert. In Zwickys CGCG finden sich allerdings nur zwei der drei Gruppenmitglieder. Seltsamerweise hat er UGC 11797 nicht in seinen monumentalen Katalog aufgenommen. Es ist kaum vorstellbar, dass er dieses auf dem POSS auffällige Objekt übersehen hat. Die Entfernung dieser Gruppe beträgt etwa 180-200 Mio. Lichtjahre.
Visuell ist diese Galaxiengruppe bei meinen Beobachtungsbedingungen (Ortsrand) nicht ganz einfach. Im 12,5-Zöller sind UGC 11797 und UGC 11798 (beide etwa 15 mag) nur indirekt an der Wahrnehmungsgrenze als kleine diffuse Fleckchen ohne Struktur sichtbar. Im 16-Zöller sind zwar beide Galaxien deutlich einfacher sichtbar, aber auch hier sind keine weiteren Details, wie z. B. eine Elongation, erkennbar. Bei UGC 11801 bin ich mir nicht sicher, ob ich nur den unmittelbar nördlich der Galaxie postierten Vordergrundstern (15,5-16 mag) gesehen habe.
UGC 11799 - die Diffuse Etwa 11 Bogenminuten nordöstlich von SS Cyg befindet sich eine weitere UGC-Galaxie, die allerdings aufgrund ihrer sehr diffusen Erscheinung von mir nicht visuell, weder im 12,5- noch im 16-Zöller gesehen werden konnte. Auch auf meiner Übersichtsaufnahme, die am 8,3-ZollNewton-Astrograf meiner Dachsternwarte belichtet wurde, ist diese Galaxie nur als extrem schwache diffuse Aufhellung erkennbar.
Auch diese Galaxie wurde nur im MCG katalogisiert und fehlt in Zwickys Katalog. Die Entfernung liegt bei etwa 230 Mio. Lichtjahren.
Früher waren diese Objekte sicher für visuell beobachtende Amateure uninteressant, aber heute, wo viele visuelle Beobachter auf große Dobson-Teleskope teilweise bis zu einem halben Meter Öffnung zurückgreifen können, lohnt es sich durchaus, auch einmal so unscheinbaren Objekten in der Nachbarschaft der vielleicht berühmtesten Zwergnova einen Besuch abzustatten.
2 Zeichnung von SS Cyg mit Leda 165885 vom 17.07.2006
am 12,5-Zoll-Newton bei 212-facher Vergrößerung, SS Cyg im Ruhelicht
3 Die UGC-11798-Gruppe gezeichnet am 16-Zoll-Newton am
09.08.2010. Die Galaxien UGC 11797 und UGC 11798 sind jeweils nur als kleine, runde, diffuse Lichtfleckchen ohne jegliche Struktur erkennbar. Bei dem hellen Stern rechts oben handelt es sich um SAO 51224.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 71
Deep Sky
Skyguide 2021 - 3 (Herbst)
von Robert Zebahl und Rene Merting
Diese Tour bewegt sich nahe der Grenze zwischen Aquarius (Wassermann) und Capricornus (Steinbock) recht weit im Süden. Beobachter in den nördlichen Breitengraden müssen sich also auf recht niedrige Objekthöhen einstellen.
Das südlichste und wahrscheinlich beeindruckendste Objekt ist der Helixnebel (NGC 7293). Unter den Planetarischen Nebeln hat er den größten scheinbaren Durchmesser. Aufnahmen verschiedener Großteleskope zeigen unzählige Details innerhalb des Nebels. Mit einer scheinbaren Gesamthelligkeit von 6,3 mag ist er zwar hell, erscheint aber aufgrund seiner Größe recht schwach. Nebelfilter (UHC & [OIII]) sind
von großem Vorteil, wobei der [OIII]-Filter am besten wirkt. Unter dunklem Landhimmel und bei guter Horizontsicht darf gerne ein mittelgroßes Fernglas zur Hand genommen werden. In einem 16x70-Fernglas mit UHC- und [OIII]-Filter hinter den Okularen erscheint der Helixnebel als große, runde, homogene Aufhellung. In Teleskopen wird auch mit zunehmender Öffnung die Ringstruktur sichtbar. Ein fantastisches Objekt für nahezu jedes Instrument, sofern die Bedingungen hinreichend gut sind.
Einfacher dürfte der östlich gelegene Kugelsternhaufen Messier 30 im Steinbock sein. Er ist mit einer Gesamthelligkeit von 7,7 mag nicht übermäßig hell, aber sehr
kompakt und erscheint im Fernglas als kleines Nebelfleckchen. In einem mittelgroßen Teleskop ab etwa 8 Zoll lässt sich der Kugelsternhaufen gut beobachten. Auffällig sind dabei zwei Sternketten, welche im spitzen Winkel zueinander aus dem Sternhaufen herausragen. Um den Sternhaufen teilweise in Einzelsterne aufzulösen, bedarf es größerer Teleskope. Wem Messier 30 zu hell ist, der darf sich gern an dem Kugelsternhaufen Palomar 12 versuchen. Er befindet sich nordöstlich von Messier 30 in einem Winkelabstand von knapp 2,5 Grad .
Der Kugelsternhaufen Messier 2 ist das nördlichste der hier vorgestellten Objekte und mit 6,2 mag am einfachsten zu be-
1
1 Übersichtskarte
M 2
71
70 69
3
Aqr
2
66 NGC 7293
NGC 7009
M 73
M 72
M 30
Cap
36 24
2
M 75
72 | Journal für Astronomie Nr. 79
Erstellt mit Cartes du Ciel
Deep Sky
obachten. Auch hier genügt ein Fernglas. Im Teleskop zeigt sich der Sternhaufen stark konzentriert und je nach Teleskopöffnung lassen sich Einzelsterne beobachten. Mit etwa 100.000 Mitgliedern gehört Messier 2 zu den sternreicheren Sternhaufen.
Westllich auf halber Strecke zwischen Messier 2 und Messier 30 ist der 9,0 mag schwache Kugelsternhaufen Messier 72 zu finden. Die erfolgreiche Beobachtung mit dem Fernglas erfordert zumindest dunklen Landhimmel, aber selbst dann bleibt es bei einem recht schwachen, kleinen Nebelfleck. Doch auch im Teleskop bleibt er meist ein diffuser Nebel und zeigt sich bei 12 Zoll Teleskopöffnung bestenfalls körnig. Richtung Osten können wir noch ein recht unspektakuläres Objekt aus dem Messier-Katalog beobachten: Messier 73. Es handelt sich hierbei lediglich um eine kleine Gruppe von Sternen zwischen 10,3 mag und 12,3 mag. Aufgrund der geringen Abstände zueinander wirkt die Gruppe bei schwacher Vergrößerung leicht nebelig. Das dürfte erklären, warum dieses ,,Objekt" von Charles Messier in seinem Katalog aufgenommen wurde.
2 Der Helixnebel (NGC 7293), Quelle: DSS, gemeinfrei
Nicht weit von Messier 73 entfernt kommen wir zu NGC 7009, auch bekannt als Saturnnebel. Mit einer Gesamthelligkeit von 8,0 mag und der geringen Winkelausdehnung ist der Saturnnebel bereits für das Fernglas erreichbar und erscheint bestenfalls als kleines, leicht unscharfes Sternchen. Er lässt im Teleskop hohe Vergrößerungen zu und zeigt sich als ovaler Nebel. Durch die hohe Flächenhelligkeit lässt sich auch etwas Farbe erkennen. Der Name des Nebels resultiert aus seinem Erscheinungsbild: Die zu beiden Seiten heraustretenden Jets sollen an die Ringe des Saturns erinnern. Ab welcher Öffnung sind die Jets sichtbar? Mathias Sawo zeigt mit seiner Zeichnung (Abb. 3), was unter sehr guten Bedingungen und mit 14 Zoll Teleskopöffnung machbar ist.
Wer lieber Saturn beobachten möchte, darf sich freuen: Im Herbst 2021 stehen die Planeten Jupiter und Saturn jeweils nur ca. 10 Grad vom Saturnnebel entfernt. Der Abstand zu Saturn ist im Herbst 2022 sogar noch geringer.
3 Der Saturnnebel NGC 7009, Zeichnung von Mathias Sawo an einem
14-Zoll-Dobson
Journal für Astronomie Nr. 79 | 73
Geschichte
Jupiter
Cap
NGC 7009
M 72
Saturn
2 1
36 M
M 30
24
4 Stellung der Planeten Jupiter und Saturn am 01.11.2021 - beide Planeten befinden sich in einem Winkelabstand von etwa 10 Grad
von NGC 7009 (Saturnnebel) entfernt. Der Winkelabstand zwischen Saturn und dem Saturnnebel ist im Jahr 2022 noch etwas geringer.
Zwei Bücher und viele Karten
von Dietmar Bannuscher
Seit der Übernahme der BAV-Bibliothek vor knapp zwei Jahren habe ich immer noch nicht alle Kartons ausgeräumt, das geht nur nach und nach. Dieses Mal barg die Sendung u. a. zwei dicke Bücher, welche in einem Not-Umschlag steckten, die Bindung der Seiten war aber noch halbwegs intakt. Darin berichten die Autoren Johann Hagen S.J. und Johann Stein S.J. von der Beobachtung und den Eigenschaften veränderlicher Sterne, auf insgesamt beinahe 1.200 Seiten (genau 1.194 S.). Die Bücher selbst finden sich als Teil 1 von J. Hagen geschrieben (in den Jahren 1913 bis 1921) und als Teil 2 von J. Stein aus 1923. Sie erschienen als Veröffentlichungen der Vatikan-Sternwarte (Specola Astronomica Vaticana) [1, 2]. Grund genug, sich mit dem Leben der Autoren etwas näher zu beschäftigen.
Johann Georg Hagen wurde am 6. März 1847 in Bregenz/Österreich geboren, sein Vater war Lehrer. Er besuchte u. a. das Je-
1 Johann Georg Hagen, SJ (1847-1930),
Quelle: Archiv W. Steinicke
suitenkolleg in Feldkirch nahe Liechtenstein und trat bereits mit 16 Jahren in diesen Orden ein (Gesellschaft Jesu, Societas
Jesu, S.J.). Nach Studien der Philologie, Rhetorik und Philosophie in Münster und Maria Laach in der Eifel verlegte er sich auf Mathematik und Physik an der Universität Bonn. Drei Jahre lehrte er Mathematik am Gymnasium Feldkirch. Es folgte später das Theologiestudium 1875 nahe Liverpool und die Priesterweihe 1878. Ab 1880 wirkte er wieder als Lehrer in einer Schule in Wisconsin. Dort baute er sich eine kleine Sternwarte und begann seine Beobachtungen an veränderlichen Sternen.
Im so genannten deutschen Dreikaiserjahr 1888 berief man ihn als Direktor an die Sternwarte des Georgtown Kollegs bei Washington. Hier begann er seine berühmten Arbeiten an dem Atlas Stellarium Variabilium (Atlas für veränderliche Sterne, eigentlich schon begonnen 1883 in Wisconsin) sowie andere astronomische und mathematische Projekte.
74 | Journal für Astronomie Nr. 79
Geschichte
Ab 1906 schrieb er an einem Buch zur Beobachtung veränderlicher Sterne [1], deren Anteile durchaus im Internet zu finden sind [5]. Dieser von ihm geschriebene 1. Teil (geschichtlich-technischer Teil) beinhaltet die Ausrüstung zur Veränderlichen-Beobachtung, diese selbst und deren Auswertung.
In einem 2. Teil (mathematisch-physikalischer Teil) ergänzt Johann Stein S.J. (siehe unten) das Hagen-Buch um die Erklärungen zur Astrophysik von Veränderlichen. Beide Bücher sind durchaus noch heute gültig und gut verständlich geschrieben.
Im gleichen Jahr, 1906, rief man ihn nach Rom, wo er in der umgebauten VatikanSternwarte arbeitete und diese dann rund 25 Jahre leitete. Weitere Projekte entstanden, z. B. Helligkeitsmessungen an NGCNebeln, Suche nach Dunkelwolken (die damals noch sehr umstritten waren), Weiterführung der einzelnen Ausgaben des Atlas Stellarium Variabilium [3, 4].
Nach einer schweren Erkältung im Frühjahr 1930 wurden durch Johann Hagen noch einige Arbeiten fortgeführt oder fertiggestellt, am 5. September des Jahres starb er nach kurzer, schwerer Krankheit in Rom [6].
Der zweite Autor des bemerkenswerten Buches zur Veränderlichenbeobachtung ist Johann Stein, geboren am 27. Februar 1871 in Grave (Holland) [7]. 1888 trat er in den Jesuitenorden ein und begann nach seiner philosophischen Ausbildung 1894 die Studien in Astronomie, Mathematik und Physik an der Universität in Leiden. 1901 erhielt er seinen Doktorgrad und arbeitete nach seiner Priesterweihe einige Jahre als Lehrer am Kolleg in Katwijk. Von 1906 bis 1910 arbeitete er als Assistent an der Vatikanischen Sternwarte unter dem Direktor Johann Hagen, unter anderem auch an
2 Johan Willem Jakob Antoon Stein, SJ
(1871-1951), Quelle: Archiv W. Steinicke
veränderlichen Sternen. Danach ging er für zwanzig Jahre erneut als Lehrer nach Amsterdam. Hier schrieb er 1924 auch den zweiten Teil des o. g. Buches (mathematisch-physikalischer Teil).
Mit sechzig Jahren wurde er nach dem Tod von Johann Hagen Direktor an der VatikanSternwarte. Es galt, die Sternwarte, bisher eher zur visuellen Beobachtung ausgerichtet, mit Geräten zu modernisieren und neben der Personalaufstockung auch in eine lichtärmere Gegend zu verlegen (Castel Gandolfo, südöstlich von Rom). Nach wie vor beobachtete Johann Stein gerne visuell, vor allem Veränderliche und Doppelsterne. Dabei fertigte er auch die Teile VIII und IX des Atlas Stellarium Variabilium in Fortführung der Arbeiten von J. Hagen. Johann Stein starb am 27. Dezember 1951 in Rom. Neben den bekannten Namen in der Astronomie haben viele Wissenschaftler oft interessante und wegweisende Arbeiten
verrichtet. Es war schön, über diese beiden Autoren zu ,,stolpern" und ein wenig von ihrem Leben zu erfahren.
Literatur- und Internethinweise (geprüft 01.05.2021): [1] J. Hagen, 1921: ,,Die veränderlichen
Sterne, Erster Band GeschichtlichTechnischer Teil", Herder & Co. GmbH, Freiburg im Breisgau [2] J. Stein, 1924: ,,Die veränderlichen Sterne, Zweiter Band MathematischPhysikalischer Teil", Herder & Co. GmbH, Freiburg im Breisgau [3] J. Hagen, 1927: ,,Einige bemerkenswerte Sternleeren", Astronomische Nachrichten 230, Issue 17, S. 325-328 [4] J. Hagen, 1926: ,,Bestätigung der zweiundfünfzig Nebelfelder W. Herschels", Astronomische Nachrichten 229, Issue 16, S. 303-304 [5] ADS, astrophysics data system: https://ui.adsabs.harvard.edu [6] J. Stein, 1930: ,,Johann Georg Hagen S.J.", Astronomische Nachrichten 240, Issue 8, S. 131-136 [7] Fr. Becker, 1952: ,,P. Johann Stein S.J.", Astronomische Nachrichten, Issue 7, S. 138
Journal für Astronomie Nr. 79 | 75
Kleine Planeten
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Es freut mich, dass ich in dieser Ausgabe wieder zwei Bilder vorstellen kann. Wenn man ein gemeinsames Motto für beide wählen sollte, dann vielleicht ,,Neustart". Jürgen Burghard machte Testaufnahmen mit seinem neuen Equipment in seiner neuen Schiebedach-Sternwarte und erwischte gleich einen Kleinplaneten beim Krebsnebel. Ingo Küttner begann, sich mit der Astrometrie von Kleinplaneten zu beschäftigen, um den Stationscode für seine damals ziemlich neue Sternwarte zu erlangen. Eines der ersten Testobjekte war ein Kleinplanet bei der Balkenspirale NGC 864. Dem Neustart beider verdanken wir diese Aufnahmen für diese Ausgabe der kosmischen Begegnungen.
Lange musste Jürgen Burghard [1] letzten Winter warten, um sein neues Equipment, einen 16-zölligen-Newton auf einer EQ8 zu testen. Am 5. März hatte das Warten ein Ende und er konnte in der Nähe von Braunschweig endlich erste Aufnahmen machen [2]. Als Ziel wählte er den berühmten Krebsnebel M 1 im Stier. Wie das Leben nun mal spielt, verlief das First Light nicht reibungslos. Das Gewinde des Komakorrektors blockierte die Filterrotation im Filterrad. Statt der erhofften Schmalband- und Farbfilteraufnahmen gab es nur Aufnahmen durch den Rotfilter. Zum Glück zeigt M 1 im Roten und H sehr viele Details, so dass ein tolles Bild des Krebsnebels entstand. Ein
1 Der Krebsnebel M 1 und der Kleinplanet (2536) Kozyrev, aufgenommen am 05.03.2020
von Jürgen Burghard mit einem 16-Zoll-Newton f/5 und einer ASI1600MM-Pro-Kamera.
Astrofreund entdeckte die Strichspur eines Kleinplaneten. Dieser stellte sich nach kurzer Recherche als (2536) Kozyrev heraus.
Der im Jahre 1054 bei einer Supernovaexplosion entstandene Krebsnebel ist allseits bekannt und war auch schon öfter an kosmischen Begegnungen beteiligt. Der rund 8 km große (2536) Kozyrev war hier hingegen noch nicht vertreten. Er wurde 1939 vom russischem Astronomen Grigori Nikolajewitsch Neuimin am Krim-Observatorium entdeckt. Neuimin war ziemlich erfolgreich auf der Jagd nach Kleinkörpern im Sonnensystem. Auf sein Konto gehen 74 Kleinplaneten- und einige Kometenentdeckungen. Benannt ist er nach dem ebenfalls russischen Astronomen Nikolai Alexandrowitsch Kosyrew, der sich vor allem in der Mondforschung einen Namen gemacht hat. (2536) Kozyrev ist ein Asteroid des Hauptgürtels und braucht für eine
Umrundung der Sonne ca. 3,5 Jahre. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er rund 291 Mio. Kilometer von der Erde entfernt und ca. 16,9 mag hell.
Ingo Küttner [3] ist hauptberuflich in der IT-Branche tätig und war viele Jahre astronomisch mobil unterwegs. 2018 wurde seine ,,mobile Sternwarte" sesshaft und er baute sich eine eigene Sternwarte in seinem Garten in der Umgebung von Chemnitz. Dort ist der Himmel so dunkel, dass er regelmäßig Sterne bis 5,5 mag erkennen kann. Ingo engagiert sich sehr in der astronomischen Bildung, indem er als Vorführer im Planetarium Lichtenstein tätig ist und an Schulen Vorträge hält. Außerdem ist er wissenschaftlich sehr interessiert und Mitglied in der Fachgruppe Spektroskopie. Um auch seine Sternwarte wissenschaftlich zu nutzen, beschloss er 2019, den Stationscode beim MPC zu beantragen, um als IAU
76 | Journal für Astronomie Nr. 79
Kleine Planeten
Observatory anerkannt zu werden. Dazu vermisst man bekannte Kleinplaneten und demonstriert dem MPC so seine astrometrischen Fähigkeiten. Für den Neustart in die Astrometrie wählte Ingo unter anderem den Kleinplaneten (4402) Tsunemori, der sich in der Nacht des 30. auf den 31. Oktober 2019 in der Nähe der Galaxie NGC 864 befand [4]. Inzwischen ist seine Sternwarte ein IAU Observatory mit dem Stationscode G19 und trägt den von ihm gewählten Namen ,,Immanuel Kant Observatory". Ich gratuliere auch im Namen der Fachgruppe Kleinplaneten sehr herzlich!
Das Bild von Ingo (Abb. 2) ist zwar kein herkömmliches ,,pretty picture", aber trotzdem ein Volltreffer und zeigt sehr schön die Positionsänderung des Kleinplaneten innerhalb von ca. 20 Minuten zwischen der ersten und der zweiten Messung. Die Bahn des Kleinplaneten ging in der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober 2019 scheinbar direkt durch NGC 864. Diese ist eine relativ selten fotografierte Galaxie im Sternbild Walfisch und 11,0 mag hell. Als Balkenspirale vom Typ SBc ähnelt sie unserer Milchstraße und ist auch ungefähr gleich groß und schwer. Ihre Entfernung wird mit ca.
72 Mio. Lichtjahren angegeben. Entdeckt wurde NGC 864 im Jahr 1785 von Wilhelm Herschel.
Der Hauptgürtelasteroid (4402) Tsunemori wurde hingegen erst am 25. Februar 1987 von Tsuneo Niijima und Takeshi Urata am IAU Observatory 887 ta in Japan entdeckt, ca. 100 km nördlich von Tokio. (4402) Tsunemori ist mit 9 km nur knapp größer als (2536) Kozyrev im ersten Bild. Zum Aufnahmezeitpunkt war er 275 Mio. km von der Erde entfernt und 15,9 mag hell. Er umkreist die Sonne in ca. 4,92 Jahren. Der Asteroid ist nach Taira-no Tsunemori benannt. Er war ein japanischer Warlord und Dichter im 12. Jahrhundert. 1185 beging er im Alter von 61 Jahren nach einer verlorenen Seeschlacht Selbstmord, indem er sich in die Fluten stürzte. Wir wollen hoffen, dass sein himmlisches Pendant noch lange unseren Meeren fernbleibt. Den beiden Bildautoren wünschen wir hingegen noch viele erfolgreiche und glückliche Stunden in ihren Sternwarten.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus
Hohmann [5]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwarte-altschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht, das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Tabelle 1
Ausgewählte interessante kosmische Begegnungen im 4. Quartal 2021
Datum
06.10.2021 08.10.2021 04.11.2021 11.11.2021 07.12.2021 10.12.2021
Uhrzeit
22:00 24:00 21:00 20:00 20:00 22:00
Kleinkörper
(167) Urda (14951) 1996 BS2 (2970) Pestalozzi (1518) Rovaniemi (907) Rohda (982) Franklina
vis. Hell./mag
13,1 15,8 15,5 14,4 13,8 15,3
Objekt
NGC 78AB M 77 NGC 783/5 NGC 660 NGC 932 M 36
Art
vis. Hell./mag Abstand
Gx
13,3/13,4
6'
Gx
8,9
2'
Gx
12,2/12,8
4'
Gx
10,7
6'
Gx
12,5
10'
OC
6
10'
Abkürzungen: Gx - Galaxie, OC - Offener Sternhaufen
Journal für Astronomie Nr. 79 | 77
Kometen
2 Die Galaxie NGC 864 und der Kleinplanet (4402) Tsunemori, aufgenommen am 31.10.2019 von Ingo Küttner mit einem Celestron
Advanced VX 9.25 Zoll SCT mit Reducer bei f/6,4 und einer SBIG-STF-8300M-Kamera. Literatur- und Internethinweise (Stand: Mai 2021): [1] J. Burghard, Homepage: www.fotocommunity.de/fotograf/juergen-burghard/1138399 [2] J. Burghard: ,,Asteroid (2536) Kozyrev bei M1 vom 05.03.2021", www.fotocommunity.de/photo/asteroid-2536-kozyrev-bei-m1-
vom-0-juergen-burghard/45034765 [3] I. Küttner, Homepage: https://aza.astronomie-klingonio.de/ [4] I. Küttner: ,,Kosmische Begegnungen - Asteroid Tsunemori trifft Galaxie NGC 864", https://aza.astronomie-klingonio.de/?p=6042 [5] K. Hohmann, Homepage: http://astrofotografie.hohmann-edv.de/aufnahmen/kosmische.begegnungen.php
Bedeutende Kometen des 1. Quartals 2021
von Uwe Pilz 141P/Machholz wurde im ersten Quartal weiter beobachtet. Es gab zwei Ausbrüche, Anfang Januar und Anfang März. Visuell war der Komet groß und diffus, etwa 10 mag hell. Fotografisch konnte im Januar ein schöner Schweif nachgewiesen werden (Abb. 1). Einen kleinen Schweif zeigte auch 156P/Russel-LINEAR (Abb. 2). Er stand Anfang des Jahres in einer akzeptablen Beobachtungsposition und erreichte ca. 11 mag.
1 141P/Machholz am 16.01.2021 um 10:47 UT, 20-Zoll-Astrograf, 400 s belichtet
mit CCD-Kamera FLI-PL6303E, Norden ist oben. (Bild: Michael Hauss)
78 | Journal für Astronomie Nr. 79
C/2021 A2 (NEOWISE) erreichte das Helligkeitsmaximum von 10 mag in den ersten Januartagen, das war zum Zeitpunkt der Entdeckung. Im Laufe des Februars begann die Beobachtungssaison für Mitteleuropa. Er war immer noch 11 mag hell und ein attraktives Beobachtungsobjekt (Abb. 3)
Kometen
2 156P/Russel-LINEAR
am 13.01.2021 um 18:15 UT, 12-Zoll-Dobson, 107x (Zeichnung: Christian Harder)
3 C/2021 A2 (NEOWISE) in der Nähe des Rosettennebels, Aufnahme am 09.02.2021 um 19:35 UT, 130-mm-Refraktor,
30 min belichtet mit Canon-EOS-Kamera bei ISO 3200 (Bild: Norbert Mrozek)
Journal für Astronomie Nr. 79 | 79
Kometen
Die Erscheinung des Kometen Leonard zum Jahreswechsel 2021/2022
von Uwe Pilz
Der Komet C/2021 A1 wurde am 3. Januar 2021 von Gregory Leonard im Rahmen der Catalina-Himmelsüberwachung entdeckt. Mit einem 1,5-Meter-Instrument zeigte der 19 mag helle Schweifstern eine Koma von zehn Bogensekunden und einen kurzen Schweif. Es war die erste Kometenentdeckung des Jahres 2021.
Bereits zwei Wochen später konnte der Komet von unserer Fachgruppe nachgewiesen werden: Martin Nischang gelang eine Aufnahme mit einem ferngesteuerten 12-Zöller (Abb. 1).
Die Bahn des Kometen lässt sich sehr gut durch eine Parabel wiedergeben. Das bedeutet, dass der Komet aus der Oortschen Wolke stammt und höchstwahrscheinlich der Sonne zum ersten Mal nahekommt: Es handelt sich also um einen ,,frischen" Kometen, dessen Oberfläche noch nicht von einer Staubschicht bedeckt ist.
Schon kurz nach der Entdeckung wurden Prognosen für die Helligkeit zum Jahreswechsel veröffentlicht. Teilweise war von einer Erscheinung zweiter oder gar erster Größenklasse die Rede. Diese Prognosen entstanden auf Basis der Ausgasung von leichtflüchtigen Bestandteilen ohne Wasser-Entwicklung. Zum Redaktionsschluss für diese Ausgabe des VdS-Journals für Astronomie Ende Juli hat der Komet die Eisgrenze überschritten und es liegen verlässliche Messungen vor. Auf deren Basis habe ich eine Helligkeitsprognose berechnet (Abb. 2).
1 Komet C/2021 A1 (Leonard) am 19.01.2021 um 05:00 Uhr UT. Aufnahme von
Martin Nischang mit 12-Zoll-Astrograf f/4,2, CCD-Kamera Moravian G4-16000EC, Belichtungszeit 62 min.
Wir erwarten einen schönen Fernglaskometen, der von dunklen Standorten mit dem freien Auge sichtbar sein wird. Seinen sonnennächsten Punkt erreicht er Anfang Januar, dann ist er aber von unseren Breiten aus unsichtbar. Den erdnächsten Punkt durchläuft der Komet aber bereits am 12. Dezember und damit auch seine größte Helligkeit. Die Bahngeometrie begünstigt uns auf der Nordhalbkugel zunächst.
Zum Fernglaskometen wird Leonard im letzten November-Drittel. Zunächst in den Jagdhunden
2 Lichtkurve auf der Basis von 82 Helligkeitsmessungen bis Anfang Juli.
Darunter sind sechs Messungen der VdS-Fachgruppe Kometen.
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Kometen
stehend, bewegt er sich mit zunehmender Geschwindigkeit durch den Bootes, den Kopf der Schlange und den Herkules streifend in den Schlangenträger. Zunächst steht er recht hoch am Morgenhimmel, die Sichtbarkeitsbedingungen verschlechtern sich im Lauf der ersten Dezemberhälfte aber rasch. Um den 12. Dezember herum endet die Sichtbarkeitsperiode vom deutschen Sprachraum aus.
In den Morgenstunden des 3. Dezember kommt es zu einer sehenswerten Konstellation: Leonard zieht sehr nah am Kugelsternhaufen M 3 vorbei und bedeckt diesen sogar zum Teil (Abb. 3)!
3 Am Morgen des 03.12.2021 wird Komet Leonard den Kugelsternhaufen M 3 in den
Jagdhunden teilweise bedecken. Norden ist oben, Osten links.
DRA CYG
LYR HER BOO
CRB
10.12.
11.12. 12.12. 13.12. 14.12.
AQL OPH SER
16.12.
LIB
15.12.
SGR
SCO
.11. 20 1 . 5 11.
25.11.
1.12. 3.12. 5.12. 6.12. . 7.12
8.12. 9.12.
C/2021 A1 (Leonard)
Positionen für 0h MEZ
CVN
LEO COM
VIR Ekliptik
4 Die Bahn des Kometen C/2021 A1 (Leonard) von Mitte November bis Mitte Dezember 2021
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Mond
Beobachtungsprojekt
Fotodokumentation von Mondstrukturen, die nur bei günstigen Librationswinkeln sichtbar sind
von Wolfgang Bischof
Die letzte Marsopposition von 2020 ist vorüber. Venus durchläuft gerade ihre obere Konjunktion und wird erst wieder ab Oktober 2021 in sehr bescheidener Höhe abends über dem Horizont sichtbar sein. Jupiter und Saturn stehen nach wie vor tief in der Ekliptik, lediglich Jupiter quält sich allmählich zu größerer Höhe empor. Insgesamt sind das ungünstige Voraussetzungen für die Planetenbeobachtung und -fotografie, die erst in den kommenden Jahren wieder besser werden.
Trotzdem brauchen die Planetenbeobachter nicht untätig zu sein, denn auch der Mond bietet interessante Beobachtungsmöglichkeiten. Dazu gehört die Erkundung von Mondgegenden, die normalerweise auf der Mondrückseite liegen, wegen der Librationsbewegungen aber hin und wieder am Mondrand sichtbar werden können. So sind ca. 59% der Mondoberfläche zumindest zeitweise von der Erde aus sichtbar.
Dieser Artikel soll als Leitfaden zur Beobachtungsplanung dienen. Je mehr Beobachter sich an diesem Projekt beteiligen, desto schneller lassen sich aussagekräftige Ergebnisse erzielen!
Ursachen der Libration des Mondes Der Mond rotiert mit konstanter Geschwindigkeit um seine Achse. Gleichzeitig läuft er auf einer elliptischen Bahn um den gemeinsamen Schwerpunkt des ErdeMond-Systems. Dabei verändert sich sowohl die Entfernung zur Erde als auch die Bahngeschwindigkeit. Das ist die Hauptursache dafür, dass der Mond, obwohl er wegen seiner gebundenen Rotation der Erde im Mittel stets dieselbe Seite zuwendet, von der Erde geringfügig nach West oder Ost gedreht erscheint, so dass man im Laufe eines Monats ein wenig rechts und links um die Ecke schauen kann. Diese so genannte Librationsbewegung in Länge beträgt ca. +- 8 Grad . Ihre Periode entspricht der Zeit zwischen zwei Durchgängen durch das Perigä-
um, also dem anomalistischen Monat, das sind 27,554 Tage.
Außerdem gibt es eine Libration in Breite, die durch die Neigung der Mondbahn und die Neigung des Mondäquators gegen die Bahn hervorgerufen wird. Man schaut also im monatlichen Wechsel mal etwas mehr auf den Nord- und mal etwas mehr auf den Südpol. Die gesamte Librationsbewegung in Breite beträgt ca. +- 6 Grad . Die Periode der Libration in Breite entspricht der Zeit zwischen zwei Durchgängen des Mondes durch den aufsteigenden Knoten seiner Bahn um die Erde, also dem drakonitischen Monat, das sind 27,212 Tage.
Als zusätzlicher Effekt kommt die Parallaxe des Beobachters auf der Erdoberfläche hinzu, die bis zu 1 Grad ausmachen kann. An einen Standort in Deutschland auf 50 Grad nördlicher Breite ist deshalb die Blickrichtung auf den Mondnordpol etwas günstiger als auf den Südpol. Alle Librationsbewe-
1 Grafische Darstellung der Libration des Mondes bis Juni 2022
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Mond
2 Aufnahme der Südpolregion des Mondes, Details im Text
3 Südpolregion des Mondes in Polarprojektion, Details im Text
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Mond
gungen zusammen können sich auf etwas mehr als 10 Grad addieren. Weitere Infos findet man unter [1].
Welche Sichtbarkeitsbedingungen auf die Librationsgebiete gibt es in den nächsten Jahren? Zur Veranschaulichung dient die Abbildung 1. Man erkennt, dass die Librationsperiode in Breite (blaue Kurve) geringfügig (um 0,342 Tage) kürzer ist als in Länge (rote Kurve), so dass sich die Kurven allmählich gegeneinander verschieben. Im Sommer 2021 laufen sie fast synchron. Eine maximale Südlibration fällt mit einer maximalen Westlibration zusammen, wodurch sich besonders günstige Sichtbarkeitsbedingungen am Südwestrand und am Nordostrand des Mondes ergeben. Allerdings muss zur Beobachtung der jeweilige Mondrand auch beleuchtet sein. Ab September 2021 ist dies bei zunehmendem Mond für den Nordostrand und bei abnehmendem Mond für den Südwestrand gegeben. Genaue Librationswerte und die Mondphasen erhält man aus einer Tabelle, die als Download zur Verfügung steht [2]. Die Librationsgrafik und die Tabelle sind durch Auswertung der im Planetariumsprogramm Guide 9 [3] enthaltenen tabellarischen Monddaten entstanden.
Die Verschiebung der Maxima der Librationskurven wird dafür sorgen, dass es im Jahr 2023 vorübergehend keine extremen Librationswinkel von über 9 Grad mehr geben wird, dafür aber eine gleichmäßige Libration von ca. 8 Grad , die im Laufe eines Monats um den gesamten Mondrand herumläuft. Ab 2024 folgt wieder eine Periode mit extremeren Librationswinkeln, dann jedoch für die NW- und SO-Seite des Mondes.
landschaften, die daduch extrem verkürzt erscheinen. Es gibt jedoch mit dem Freeware-Programm WinJUPOS von Grischa Hahn [4] eine einfache Möglichkeit, diese Gebiete zu entzerren und als äquatoriale Plattkarte oder auch als Polarprojektion darzustellen. Dadurch wird die Identifikation einzelner Krater sehr erleichtert. Auf die Dauer kann man sogar eine vollständige Karte aller umlaufenden Librationsgebiete erstellen, indem man viele Aufnahmeauswertungen überlagert. Wichtig ist dabei eine exakte Einmessung der einzelnen Aufnahmen anhand genauer Koordinaten einzelner Mondobjekte. Diese erhält man z. B. mit Hilfe des Mondatlas von Antonin Rükl. Zum Einmessen genügen die Koordinaten zweier Punkte und das genaue Aufnahmedatum.
Als Beispiel diene eine Aufnahme des Mondsüdpols vom 26.02.2021 bei günstiger Südlibration. Die Abbildung 2 zeigt die Originalaufnahme. Man erkennt die einzelnen Berge am Mondrand ähnlich wie bei einer Aufnahme von der Mondoberfläche aus. Die Abbildung 3 zeigt die daraus mit WinJuPos errechnete Polarprojektion mit eingeblendeten Mondkoordinatenlinien. Hier ist sogar die genaue Position des Südpols am Rande des Kraters Shackleton zu erkennen. Die Identifikation dieser Stelle wäre auf der Originalaufnahme sehr schwierig.
Die Aufnahme wurde mit einer ASI 178 MM an einem 200-mm-Newtonteleskop bei einer Effektivbrennweite von 2,5 m gewonnen. Alle Aufnahmen und Librationsauswertungen vom Verfasser.
Internethinweise (Stand Mai 2021): [1] Karl-Heinz Bücke: "Die Perioden der
Libration des Mondes", www.buecke-info.de/astrotips/data/ mond/libper/libra.htm [2] W. Bischof, "Tabelle der Librationswerte des Mondes", https://sternfreunde.de/wp-content/ uploads/2021/04/TAB_ Mondlibration_2021-2022_WolfgangBischof.pdf [3] Guide 9: www.projectpluto.com/ [4] WinJUPOS: www.grischa-hahn. homepage.t-online.de/winjupos_ download.htp
Auswertung der Librationsaufnahmen Am Mondrand und in den Librationsgebieten blickt man sehr flach auf die Mond-
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Mond
Strukturen im Kraterschatten
von Bernd Gährken und Wolfgang Bischof
Wenn über einem Mondkrater die Sonne aufgeht, wird zunächst der sonnenseitige Außenhang beschienen, danach der Innenhang der sonnenabgewandten Kraterseite. Der Kraterboden liegt zunächst noch im Schatten. Friedhelm Dorst stellte die Frage, ob es möglich sei, den noch dunklen Kraterboden im reflektierten Licht des beleuchteten inneren Kraterhangs zu fotografieren. Ein möglicher Zentralberg sollte dann auf seiner sonnenabgewandten Seite als heller Punkt erscheinen und auf dem Kraterboden einen Schatten in Richtung Sonne werfen.
Die originelle Idee verdiente eine genauere Untersuchung. Ein großer Krater scheidet aus, denn bei ihm wäre der Zentralberg zu weit vom Rand entfernt. Dadurch läge der Zentralberg möglicherweise bereits im Sonnenlicht, während der sonnenabgewandte Kraterrand wegen der Mondkrümmung noch im Schatten liegt. Ideal für das Experiment ist deshalb ein kleiner, aber tiefer Krater. Hier ist die Möglichkeit groß, dass der sonnenabgewandte Innenrand des Kraters bereits beleuchtet wird, der Zentralberg jedoch zur selben Zeit noch im Schatten liegt. Zudem ist in einem kleinen Krater der Abstand zwischen Zentralberg und beleuchtendem Kraterrand viel kleiner, so dass die Intensität der Zentralbergsbeleuchtung höher wird. Ein besonders steiler Hang wäre von Vorteil, da er bei dem notwendigen niedrigen Sonnenstand das Licht optimal in den noch dunklen Krater reflektiert. Von Friedhelm Dorst wurde als Ziel der Krater Eratosthenes vorgeschlagen, aber natürlich passt auch jeder andere Krater, der nicht zu groß oder zu klein ist, einen Zentralberg besitzt und ausreichend tief ist. Entscheidend ist, dass der Krater zum Aufnahmezeitpunkt ideal im Licht liegt.
Am 20.03.2021 war das beim Krater Aliacensis der Fall. Er bildet mit dem Krater
1 Krater Aliacensis am 20.03.2021 um 19:40 Uhr UT, Celestron 11, f/10, ZWO ASI1600,
Streulicht am Kraterboden, Zentralberg und Gegenschatten (markiert). (Bild: Bernd Gährken)
Werner ein markantes Paar. Aliacensis hat einen Durchmesser von 80 km. Eine Überbelichtung des Umfeldes und eine scharfe Bildbearbeitung auf 16-Bit-Basis brachte den erhofften Erfolg (Abb. 1). Die Lage des Zentralberges wurde mit einem Foto abgeglichen, das bei späterer Phase im Vormonat entstanden ist. Da die helle Kraterseite überbelichtet ist, erscheint der Zentralberg im Schatten außermittig versetzt. Neben
dem Zentralberg sind auch einige andere Bodenformationen zu sehen. Zusätzlich wird die rückseitige Kraterwand angeleuchtet.
Auch der vom beleuchtenden Kraterrand erzeugte Gegenschatten des Zentralbergs auf dem Kraterboden war nachzuweisen. Als Optik wurde ein Celestron 11 verwendet. Schmidt-Cassegrains gelten eigentlich
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Mond
2 Krater Bullialdus, 8-Zoll-Newton mit einer ZWO ASI178 am 22. und 24.04.2021.
(Bild: Wolfgang Bischof)
nicht als besonders streulichtarm, dennoch war der Nachweis gut möglich. In der selben Nacht gelang es auch, Bodenformationen in den noch abgedunkelten Kratern Werner und Albategnius nachzuweisen. Animationen dazu gibt es unter [1].
In den Schatten gibt es eine Mischung aus Erdlicht und reflektiertem Umgebungslicht. Um den Einfluss des Erdlichts abzuschätzen, wurde dieses in der gleichen Nacht ebenfalls fotografiert. Aus der Messung der Belichtungszeiten ergibt sich, dass der Anteil der Erde am ,,Bodenlicht" des Kraters Aliacensis unter 10% gelegen haben muss. Das Erdlicht könnte natürlich auch nicht den Zentralberg einseitig beleuchten und es würde keine Schatten werfen, da die Lichtquelle und der Beobachter in der gleichen Richtung stehen. Es ist jedoch klar,
dass der ,,Gegenschatten" des Zentralbergs wegen der weitwinkligen Beleuchtung durch den halbkreisförmigen Kraterwall völlig anders aussehen muss, als der gewohnte durch das schmalwinklige Sonnenlicht erzeugte Schatten. Der Kernschattenbereich kann nur sehr diffus und klein sein und sein Aussehen wird stark durch die Topografie des Zentralgebirges bestimmt. Das wird auch an den beiden Bildern deutlich.
Inzwischen gelang es auch anderen Beobachtern, das Experiment nachzuvollziehen. Ein Beispiel ist ein Foto des Kraters Bullialdus (61 km Durchmesser, Abb. 2b). Diese Aufnahme wurde nur normal belichtet. Nach dem Hochkontrastieren des Kraterbodens (Abb. 2d) erkennt man das vom Gegenhang beleuchtete Zentralgebirge mit mehreren Details und den beleuchteten
Gegenhang. Zur Bestimmung der Lage des Zentralgebirges folgte auch hier zwei Tage später eine weitere Aufnahme (Abb. 2a) sowie eine invertierte Version (Abb. 2c), die sich besonders gut zum Vergleich mit Abbildung 2d eignet.
Internethinweis (Stand: Mai 2021): [1] B. Gährken: "Strukturen im Krater-
schatten": https://astrode.de/ mondflug2/mondwe61.htm
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VdS-Bilderstrecke
Mond
zusammengestellt von Peter Riepe
Sowohl über die Mailingliste der Fachgruppe Astrofotografie als auch über ihren Freundeskreis gehen regelmäßig eindrucksvolle Aufnahmen rund um den Mond ein. Unserem Leserkreis sollen sie nicht vorenthalten werden. Das Bildmaterial umfasst Weitwinkelaufnahmen des Mondes mit wirkungsvoll eingefangener Kulisse, aber natürlich auch interessante Monddetails selbst. Allen Bildeinsendern sei Dank, auch denen, die heute hier nicht berücksichtigt werden konnten.
Viel Spaß und neue Erkenntnisse bei den Bildern. Sollten Fragen an die Bildautoren zu stellen sein, bitte an die FG-Leitung wenden: fg-astrofotografie@sternfreunde.de Peter Riepe
1 Kai-Oliver Detken nahm die schmale, zunehmende
Mondsichel am 13. Februar 2021 in Grasberg bei Bremen auf . Kamera war eine Canon EOS 90D mit einem Objektiv Sigma 70-200 mm f/2,8 EX DG OS HSM. Dieses Bild entstand bei 128 mm Brennweite, so dass eine Baumgruppe als Silhouette mit ins Bild passte. Bei Blende 2,8 und ISO 6400 wurde 1/60 s belichtet. Als Filter wurde zusätzlich ein Hoya Red Enhancer Intensifier RA54 benutzt.
2 Die Landschaft am Niederrhein wählte Werner E.
Celnik. Am frühen Morgen des 27.04.2021 nahm er den Mond in Horizontnähe zum Zeitpunkt des Vollmondes auf. Für das Fotostativ fand sich ein Platz mit halbwegs flachem Horizont. Kamera war eine Canon 1300D mit Zoom-Objektiv 100-400 mm bei Brennweite 100 mm. Um 03:53 Uhr UT wurde 1/30 s belichtet, bei Blende 5,6 und ISO 200.
Mond Journal für Astronomie Nr. 79 | 87
Mond
3 Eine ganz andere Umgebung wählten Marco A. Ludwig und Eckard Bachmann am 27.04.2021. Der Vollmond am
Nordostseekanal bei der Eisenbahnhochbrücke Rendsburg - das war geplant. Als der Mond aus dem Nebel auftauchte, kam auch ein Zug über die Brücke. Ein Frachtschiff, aus Richtung Brunsbüttel kommend, perfektioniert dieses Foto. Gegen 05:40 Uhr MESZ wurde mit einer Canon EOS 90D und Teleobjektiv Canon EF 70-200 f/2,8 bei Blende 4, ISO 200 und 175 mm Brennweite 1/250 s belichtet. Bearbeitung mit Adobe Photoshop Lightroom.
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4 Dörfliche Idylle fing Sabine
Mauer im Taunus ein. Am 26.04.2021 platzierte sie ihr Stativ so, dass der volle Mond hinter der Kirche in Halsenbach stand. Kamera war eine Canon EOS 6D Mark II mit Zoom-Objektiv Canon 100-400 mm f/5. Um 19:18 Uhr MESZ wurde bei Blende 6,3 und ISO 800 per Automatik 1/1600 s belichtet.
Mond
5 Harald Kaiser fotografierte
den Mond am 19.03.2021 beim Durchgang durchs ,,Goldene Tor der Ekliptik" zwischen den Plejaden und Hyaden. Auch wenn leichter Zirrus aufkam - ein interessantes Ergebnis! Das Bild ist ein Kombination aus 28 x 0,5 s, 30 x 1 s, 60 x 2 s vom Stativ aus. Kamera war eine Sony a7II mit Objektiv FE20200 bei 200 mm Brennweite und Blende 4.
6 Zu den teleskopischen Mondaufnahmen: Zunächst gelang Dietmar Bode am 23.03.2021 mit einem Newton 200 mm / 1.200 mm
ohne Korrektor und ohne Barlowlinse bei überdurchschnittlichen Bedingungen diese Mondansicht (Ausschnitt). Blickfang ist das von Gebirgen umgebene Mare Imbrium mit den Kratern Plato, Archimedes, Eratosthenes und Copernicus. Mit einer ASI 533 MC-P wurden 1.500 Bilder mit SharpCap aufgenommen. Nach der Analyse über AutoStakkert kamen 15% der Bilder zur Verwendung. Einzelbelichtungszeiten: 0,003 s bei Gain 100.
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Mond
7 Wechsel zum Mondsüden. Am 10.11.2020 nahm Wolfgang
Bischof das Mare Humorum auf, hier ein Ausschnitt bei abnehmendem Mond. Brilliant kommt der Krater Gassendi mit seinen inneren Strukturen zur Geltung. Um 06:28 Uhr UT kam in Recklinghausen der Newton 200 mm / 1.200 mm zum Einsatz. Bei 2,5 m Brennweite (Zeiss-Abbe-Barlowlinse) wurde mit einer ASI 178 MM plus Rotfilter eine Serie von 1.000 Bildern angefertigt, 30% davon wurden mit AutoStakkert gestackt und mit Registax geschärft.
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8 Das Mare Humorum mit seinen internen Boden-
wellen und Sohlenkratern war auch das Ziel von Christoph Kaltseis aus Sarleinsbach in Oberösterreich. Gassendi und Doppelmayer sind hier bei zunehmendem Mond etwas anders als in der Abbildung 7 zu sehen. Das Bild entstand am 23.03.2021 um 19:08 Uhr MEZ. Teleskop war ein Celestron 14 EdgeHD bei f/11. Die Kamera - eine QHY 462C - wurde in Verbindung mit einem NIR-Filter (850 nm) betrieben. 15% von 2.000 Bildern mit Einzelbelichtungszeiten von 6,6 ms wurden mit AutoStakkert 3.0 gestackt. Die Endbearbeitung lief in Photoshop CC2021 mit Schärfung durch das vom Autor selbst entwickelte APF-R.
9 Ein auffälliges Gebilde auf der Südhalbkugel
des Mondes ist der Krater Schiller. Mit einem Meade LX200 16 Zoll EMC und einer ASI178MM plus ZeissAbbe-Barlowlinse (2x) gelang Thomas Wahl aus Oer-Erkenschwick am 23.02.2021 diese respektable Ansicht. Um 19:40 Uhr UT wurde bei 8.000 mm Brennweite und vorgeschaltetem Rotfilter RG 610 (Baader) eine Serie von 7.500 Einzelbildern aufgenommen. Belichtungszeiten: 17 ms bei 30 Bildern pro Sekunde. Software war FireCapture 2.7. In AutoStakkert 3.0 wurden 5% der Bilder weiter bearbeitet, in RegiStax 6 geschärft und noch mit Photoshop PS6 endbearbeitet.
Planeten
Fotografie und Auswertung der Annäherung von Saturn und Jupiter 2020
von Robert Rückriem
Seit einem Jahr hat mich das Sterngucken in seinen Bann gezogen. Aus der Fotografie kommend, habe ich schnell mit dem Versuch erster Astrofotografien begonnen. Die anfängliche Euphorie wich dann der Realität, als mir die Komplexität und Anforderung der Himmelsfotografie klar wurde. Um nicht die Lust an der Astronomie zu verlieren, konzentriere ich mich seitdem auf die beobachtende Astronomie.
Für die Annäherung von Saturn und Jupiter 2020 war keine Nachführung notwendig und mein einfaches Setup aus einem Pentagon-Objektiv 135 mm f/2,8 und einer Samsung NX2000 reichte aus, um das Schauspiel festzuhalten. Ich habe keine Ausstattung für Planetenfotografie, weshalb mein Ziel die zeitliche Änderung des visuellen Abstands war und eine entsprechende Auswertung.
Im Dezember gab es zum Glück immer mal eine blaue Lücke und ich stürmte an diesen Tagen von der Arbeit los, um vom Balkon die benötigte Aufnahme zu bekommen. Damit wuchs mein Datensatz um einen weiteren Punkt an. Am 21.12.2020 zitterte ich besonders, da die Wettervorhersage durchwachsen war. Ich hatte aber Glück und Jupiter und Saturn tauchten immer wieder zwischen den Wolken auf. Nach den vielen vorherigen Aufnahmen war dies ein begeisternder Moment.
Auswertung Meine Aufnahmen haben nicht den Anspruch, Details zu zeigen, sondern dienen nur dem Zweck der Extraktion des Abstands zwischen Jupiter und Saturn. Mittels des Programms ImageJ habe ich eine Linie durch Jupiter und Saturn gezogen, die das Programm in einen Intensitätsgraf über die Pixel ausgibt. Die genutzten Bilder sind mit den Linien zusammen in der Abbildung 1 dargestellt. Die so erhaltenen Liniengrafen
1 Ansicht von Saturn und Jupiter sowie der Linie in ImageJ, über
welche die Intensität extrahiert wurde. Die Belichtungszeit variiert.
sind in der Abbildung 2 für alle Aufnahmen übereinander versetzt dargestellt. Man erkennt die Annäherung der beiden Peaks der Intensität (Jupiter und Saturn), wobei die Intensität auf Jupiter normiert wurde. Durch Überbelichtung entstehen bei Jupiter teilweise Plateaus und die Nebenmaxi-
ma, resultierend aus seinen hellen Monden, werden sichtbar (z. B. am 8.12.). Am 21.12. wechseln Jupiter und Saturn die Position, wodurch ab dem 21.12. das linke Maximum Jupiter ist und rechts davon Saturn, gut erkennbar durch die geringere Peakhöhe.
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Planeten
2 Darstellung des Intensitätsverlaufs der Linien aus Abb. 1. Die Intensität ist auf Jupiter normiert und
zur besseren Übersicht pro Tag versetzt.
Nun wurde aus den Positionen der Maxima der Abstand ermittelt, wobei der Einfachheit halber nur die Mitte des Peaks als Position des Planeten angenommen wurde. Aus der genutzten Chipgröße, Auflösung sowie Optik ergibt sich die Umrechnung von Pixel in Bogenminuten. Über die Aufnahmezeit dargestellt erhält man so die Abbildung 3. Diese zeigt die Annäherung von Saturn und Jupiter (Tage bis 21.12. sind negativ) bzw. die Entfernung von Saturn und Jupiter (ab 21.12. positive Tage). Durch eine lineare Regression erhält man den Anstieg beider Geraden. Die Geschwindigkeit der Annäherung beträgt demnach 6,5 Bogenminuten pro Tag und die Geschwindigkeit der Entfernung 6,9 Bogenminuten pro Tag. Der Unterschied könnte aus der geringen Anzahl von Daten nach der Entfernung resultieren, welche die Regression unsicher machen.
Gleichsetzen beider Funktionen ergibt einen Schnittpunkt, der theoretisch Uhrzeit und Abstand der minimalen Annäherung ergibt. Die Aufnahme am 21.12. um 17:03 Uhr zeigt einen ermittelten Abstand
3 Ermittelter Abstand aus den Fotografien in Abhängigkeit vom Tag vor bzw. nach
der großen Konjunktion. Die linearen Regressionen sind gestrichelt dargestellt.
von (6,1 +- 0,1) Bogenminuten, wobei der Fehler aus der minimalen Auflösung (ein Pixel) resultiert. Für den Minimalabstand nach Gleichsetzung der linearen Regressionen ergeben sich 3,1 Bogenminuten um 14:27 Uhr. Die Vereinfachung der Annäherung durch zwei lineare Funktionen ist für große Abstände geeignet, kann aber für kleine Abstände die nichtlineare Natur der Projektion der Kreisbahnen von Jupiter
und Saturn nicht approximieren. Daher wurde das berechnete Minimum nicht erreicht. Zu theoretischen Betrachtungen und Modellierung der Konjunktion ist [1] empfohlen.
Internethinweis (geprüft Mai 2021): [1] Konjunktionen von Jupiter und Saturn
über 3.000 Jahre: https://sparky.rice. edu/public-night/jupsat2.html
Journal für Astronomie Nr. 79 | 93
Radioastronomie
Beobachtung eines intensiven Fast Radio Bursts
mit dem 25-m-Stockert-Radioteleskop
von Wolfgang Herrmann, Astropeiler Stockert e.V.
Fast Radio Bursts (FRB) sind einzelne ,,Blitze" im Radiobereich, die aus kosmologischen Entfernungen kommen. Erstmalig wurde dieses Phänomen von Duncan Lorimer [1] in Archivdaten des australischen Parkes-Radioteleskops gefunden. Der Grund, warum man annimmt, dass dieser entdeckte Einzelpuls aus so großen Entfernungen stammt, liegt an der beobachteten Dispersion. Dispersion bedeutet, dass die Ankunftszeit des Pulses ja nach Frequenz unterschiedlich ist: Höhere Frequenzen kommen früher an als niedrigere. Ursache hierfür sind Ladungsträger (hauptsächlich Elektronen) im Raum zwischen der Quelle und dem Beobachter. Die Dispersion war in diesem Fall so groß, dass die Elektronendichte in der Milchstraße allein nicht die Ursache sein konnte. Daher wurde angenommen, dass die Quelle des Pulses sehr viel weiter entfernt sein muss.
In der Folgezeit wurden weitere derartige Pulse entdeckt, größtenteils in Archivdaten, aber auch während laufender Beobachtungen. Ursprünglich war die Annahme, dass die Ursache für diese Radiopulse in einzelnen, katastrophalen Ereignissen wie z. B. dem Zusammenstoß von zwei Neutronensternen liegen könnte. Es wurde dann jedoch eine Quelle entdeckt, deren Pulse sich wiederholten [2]. Auch dies blieb kein einzelnes Phänomen, weitere dieser sogenannten ,,Repeater" wurden entdeckt, so zum Beispiel mit Hilfe des CHIME-Teleskops [3], [4]. Damit gibt es heute zwei Gruppen von FRBs: Die Repeater sowie solche, bei denen zumindest bisher nur ein einzelner Puls beobachtet wurde. Ob es sich bei diesen Gruppen um die gleichen oder um unterschiedliche Phänomene handelt, ist derzeit offen. Weitere Beobachtungen schließlich zeigten, dass es bei manchen Repeatern episodenhaftes Verhalten gibt. Das bedeutet, dass es Phasen erhöhter Aktivität gibt. In manchen Fällen wiederholen sich diese Phasen sogar regelmäßig,
wie am CHIME-Teleskop festgestellt wurde [5]. Eine Phase erhöhter Aktivität des FRB 20201124A wurde vom CHIME-Teleskop im März 2021 beobachtet und in einem Astronomers Telegram berichtet [6]. Hierauf haben verschiedene Teleskope weltweit diese Quelle ,,ins Visier" genommen und konnten weitere Pulse beobachten [7] bis [12].
Unmittelbar nach Veröffentlichung der erhöhten Aktivität des FRB 20201124A wurden am 31. März 2021 Beobachtungen mit dem 25-m-Stockert-Radioteleskop [13] aufgenommen. Am 15. April, nach insgesamt ca. 90 Stunden Beobachtungszeit, wurde ein sehr starkes Signal um 12:23:19, 369 UTC aufgezeichnet. Dieses ist in der Abbildung 1 zu sehen.
Diese Abbildung zeigt das Signal nach einer Dedispersion, d. h. die Zeitverzögerung der unterschiedlichen Frequenzen wird zurückgerechnet, so dass das Signal bei verschiedenen Frequenzen zeitgleich erscheint. Oben ist der Puls im Zeitverlauf zu sehen, seine Halbwertsbreite beträgt etwa 1,5 ms. Unten ist die Verteilung der Intensität über die Frequenz zu sehen. Die Fluktuationen in diesem Spektrum sind ein erwarteter Effekt von Szintillation durch das interstellare Medium. Die Zeitskala ist in Sekunden, umfasst somit einen Abschnitt von 100 ms. Die absolute Lage ist willkürlich. Eine solche Darstellung wird ,,dynamisches Spektrum" genannt.
Eine weitere Darstellung des gleichen Signals ist in der Abbildung 2 zu finden. In diesem Fall ist es ohne Dedispersion gezeigt und man sieht, wie die Signale auf einzelnen Frequenzen zu unterschiedlichen Zeiten eintreffen. Der genaue Verlauf dieser Kurve ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass es sich um ein Signal astronomischen Ursprungs handelt und nicht etwa um eine
Störung durch eine irdische Radioquelle. Hier ist ein Zeitbereich von 150 ms dargestellt. Die Zeitverzögerung zwischen der höchsten und der niedrigsten Frequenz beträgt ca. 131 ms. Dies ist exakt der bei diesem Repeater FRB erwartete Wert.
Zeitnah zu der Beobachtung wurde eine Kalibration des Teleskops vorgenommen. Als Referenzquelle diente hierbei die Radiogalaxie 3C353. Dadurch ist es möglich, die Intensität des beobachteten Signals auszuwerten. Nach vorläufiger Analyse beträgt die Flussdichte in der Spitze ca. 215 Jy. Die integrierte Flussdichte über den gesamten Puls ist etwa 334 Jy ms. Mit diesen Werten gehört das beobachtete Ereignis zu den hellsten jemals beobachteten Fast Radio Bursts. Das Auftreten von derartig hellen Ereignissen bei Repeatern gibt vielleicht weitere Hinweise auf den Entstehungsmechanismus dieser Phänomene. Die Beobachtung und die vorläufigen Daten wurden in Form eines Astronomers Telegram kurz nach dem Ereignis veröffentlicht [14].
Aufgrund der Vielzahl von Beobachtungen durch verschiedene Teleskope im Laufe des April 2021 konnte die Quelle recht genau lokalisiert [9], [11], [12] und eine mögliche Host-Galaxie bestimmt werden [15]. Aus der Rotverschiebung dieser Galaxie von z = 0,098 ergibt sich eine mitbewegte Entfernung von 413 Mpc.
Die meisten FRBs sind deutlich schwächer als der hier beobachtete Puls und können daher nur von Instrumenten mit großer Empfangsfläche und Empfindlichkeit registriert werden. Insoweit ist dieser Burst schon ein Ausnahmeereignis, zumal es von unserem vergleichsweise bescheidenen 25m -Teleskop mit einem ausgezeichneten Signal/Rausch-Verhältnis registriert wurde. Das Radioobservatorium ,,Astropeiler Stockert" wird ausschließlich ehrenamtlich be-
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Radioastronomie
trieben und erhalten. Hinter diesem Beobachtungserfolg steht die gesamte Mannschaft des Astropeiler Stockert e.V. [16] und das ständige Engagement der Aktiven.
Literatur- und Internethinweise (Stand Mai 2021): [1] D. R. Lorimer, et. al., 2007: ,,,A Bright Millisecond
Radio Burst of Extragalactic Origin", Science 318, p. 777 [2] L.G. Spitler, et al., 2016: ,,A repeating fast radio burst", Nature 531, p. 202-205 [3] CHIME/FRB Collaboration, 2019: ,,CHIME/FRB Discovery of Eight New Repeating Fast Radio Burst Sources", Astrophys. pJ. Lett. 885:, L24 [4] E. Fonseca, et al., 2020: ,,Nine New Repeating Fast Radio Burst Sources from CHIME/FRB", Astrophys. pJ. Lett. 891:, L6 [5] CHIME/FRB Collaboration, 202,: ,,Periodic activity from a fast radio burst source", Nature 582, p. 351-355 [6] CHIME/FRB Collaboration, 2021: ,,Recent high activity from a repeating Fast Radio Burst discovered by CHIME/FRB", ATel #14497, (www.astronomerstelegram.org/?read=14497) [7] P. Kumar, et. al., 2021: ,,ASKAP detection of a repeat burst from the FRB 20201124A source", ATel #14502, (www.astronomerstelegram.org/ ?read=14502) [8] P. Kumar, et. al., 2021: ,,A second fast radio burst from the source of FRB 201124A detected by ASKAP", ATel #14508, ) (www.astronomerstelegram.org/?read=14508) [9] C. K. Day, et. al., 2021: ,,ASKAP localisation of the FRB 20201124A source", ATel #14515, (www.astronomerstelegram.org/?read=14515) [10] H. Xu, et. al., 2021: ,,FAST detection and l ocalization of FRB20201124A", ATel #14518), (www.astronomerstelegram.org/?read=14518) [11] C. Law, et. al., 2021: ,,VLA/realfast localization and deep imaging of FRB 20201124A", ATel #14526, (www.astronomerstelegram.org/?read=14526) [12] R. Wharton, et. al., 2021: ,,uGMRT localization of FRB20201124A", ATel #14538, (www.astronomerstelegram.org/?read=14538) [13] W. Hermann, 2019: ,,Astropeiler Stockert", VdS-Journal für Astronomie 71, S. 40
1 Dynamisches Spektrum mit Dedispersion
2 Dynamisches Spektrum ohne Dedispersion
[14] W. Herrmann, 2021: ,,Extremely bright pulse from FRB20201124A observed with the 25-m Stockert Radio Telescope", ATel # 14556, (www.astronomerstelegram.org/?read=14556)
[15] C. D. Kilpatrick, et. al., 2021: ,,A redshift for the putative host galaxy of FRB20201124A", ATel #14516, (www.astronomerstelegram.org/ ?read=14516)
[16] Webseite Astropeiler Stockert, www.astropeiler.de
Journal für Astronomie Nr. 79 | 95
Radioastronomie
Wie man Kindern und absoluten Laien die Funktion eines Radioteleskops erklären kann
von Fritz Lensch
Bei Führungen von Schulklassen zum Thema Astronomie auf der Sternwarte in Michelbach (Niederösterreich), die meist am Vormittag stattfinden, wird bei klarem Himmel die Sonne im Weißlicht und H-Licht gezeigt und die Funktion der verschiedenen Fernrohre erklärt (Abb. 1). Dann gibt es lehrreiche Spiele auf dem Gelände. Dabei taucht immer wieder die Frage auf, was es denn mit dem drei Meter großen Radioteleskop (Abb. 2) auf sich hat.
Kindern im Volksschulalter die Funktion eines Radioteleskops zu erklären, ist eine Herausforderung, der ich lange nicht gewachsen war. Heute zeige ich das mit einer praktischen Vorführung. Zuerst sage ich den Besuchern, dass ein Radioteleskop eigentlich nur Temperaturen messen kann und als Beispiel beginne ich, mit einem kontaktlosen Infrarot-Fieberthermome-
ter bei einigen Kindern eine Messung der Körpertemperatur durchzuführen. Viele kennen das, weil die Mama das auch schon gemacht hat, als sie krank waren. Das funktioniert mit einem Infrarotsensor. In unserem Radioteleskop ist ein Mikrowellensensor eingebaut, der so ähnlich wie diese Fieberthermometer funktioniert. Aber nicht mit Infrarotwellen, sondern mit Mikrowellen. Das hat den Vorteil, dass man damit viel weiter entfernt die Temperatur messen kann, zum Beispiel die Temperatur des kalten Himmels.
Nun frage ich die Gruppe, wo wir wohl einen möglichst großen Temperaturunterschied messen können. Die Frage, warum der Himmel so kalt ist, wird nach einigen Diskussionen richtig beantwortet. Die Temperatur auf der Erde ist dagegen recht einfach zu messen. Wie entsteht nun
eigentlich die Wärme in Körpern oder Gasen? Jeder Körper besteht aus Atomen, und diese bewegen sich umso schneller, je wärmer der Körper ist. Das ist beim Wasser gut sichtbar, wenn es kocht oder wenn es zu Eis gefroren ist. Da bewegen sich die Atome nur mehr sehr langsam. Wissenschaftler rechnen mit Temperaturen in Kelvin. Bei 0 Kelvin bewegen sich die Atome nämlich überhaupt nicht mehr. Das ist der absolute Nullpunkt, kälter kann es nicht werden. Das sind -273 Grad C. Nun messen wir mit dem Infrarot-Thermometer die Temperatur des Erdbodens, wobei im Sommer so um die +20 Grad C herauskommen. Eine Rechenaufgabe, in der Minus- und Pluswerte zusammengerechnet werden müssen, so dass ein Temperaturunterschied von 293 Grad herauskommt, ist mit Schülern im 3. Schuljahr schon eine schwierige Aufgabe. Aber nach einigen Erklärungen kommen wir auf das
1 Der Autor bei einer Einführung zur Radioastronomie
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Radioastronomie
richtige Ergebnis. Wichtig ist noch, dass des Empfangsteil (LNB) nur den Himmel sieht und kein Baum oder Haus in den Empfangskegel von 40-60 Grad hineinschaut. Natürlich ist es angebracht, die Erklärungen an das Alter der Schüler anzupassen. Bei der 6. und 7. Schulstufe kann man nicht das Gleiche vortragen wie in der 2. oder 3. Stufe. Für Schulstufen der Klassen in der Hauptschule oder in Gymnasien erwähne ich dann noch, dass es im Universum auch Radioquellen gibt, die bei solchen Messungen utopische Temperaturen anzeigen, die es gar nicht geben kann. Dabei handelt es sich um nicht-thermische Strahlung, die von Radiogalaxien, Sternexplosionen oder von sehr starken Magnetfeldern kommt und nicht auf jeder Wellenlänge gleich ist. Jetzt können wir mit unserem Versuch beginnen.
Mit einem TV-LNB ohne Parabolspiegel und einem entsprechenden Empfänger wird die Eichung eines großen Zeigerinstruments (Abb. 3) vorgenommen. Der LNB ist dabei auf die Erde gerichtet. Nun wird mit dem Offset-Regler der Wert des großen analogen Zeigerinstruments auf 100 eingestellt. Ein Zeigerinstrument hat sich am besten bewährt, da man an Computerbildschirmen bei Sonnenschein meist nichts ablesen kann. Mein Zeigerinstrument hat eine Skala von 0 bis 100. Da ich einen Temperaturunterschied von 293 Grad erwarte, erkläre ich den Kindern, dass man die Skala mal 3 nehmen muss. Steht der Zeiger auf 100, so bedeutet das eine Temperatur von ca. 300 K. Die Verstärkung wird mit einem 10-Gang-Potentiometer so eingestellt, dass der Zeiger bei auf den Himmel gerichtetem LNB etwa 10 anzeigt. Das sind dann 30 K. Da der LNB auch eine Temperatur von 20 Grad C hat und selbst durch den Strom auch Wärme erzeugt, soll natürlich der Wert nicht bis auf 0 heruntergehen. Jetzt gebe ich den LNB einem Kind in die
2 Das 3-m-Radioteleskop neben einem 136-cm-Spiegel und dem Empfänger
Hand. Wenn nun der LNB auf den Himmel gerichtet wird, geht der Zeiger auf 10. Also 30 K. Bei auf den Erdboden gerichtetem LNB geht der Zeiger fast auf Endanschlag. Das ist die klassische Kalt-Warm-Messung bei einem Radioteleskop. Das ist für die Kinder sehr überzeugend und ebenso für die Begleitpersonen. Ich bin mir sicher, dass ein so durchgeführtes Experiment einen wesentlich nachhaltigeren Eindruck hinterlässt als ein Vortrag mit Bildern. Ein begleitender Physikprofessor konnte es gar nicht glauben, dass die Erde so viel Strahlung aussendet. Es ist sehr beeindruckend, wenn der Zeiger des Messinstruments hin und her schwankt - je nachdem, ob man den LNB in Richtung Himmel oder auf die Erde hält.
Jetzt fehlt noch die Erklärung des 3-mParabolspiegels. Das Prinzip zeige ich mit einer Taschenlampe mit einem Reflektor, bei dem ich den Fokus verstellen kann. Damit ist auch die Richtwirkung der Antenne erklärt. Manchmal wähle ich auch den Vergleich mit einer einfachen Glühlampe und einem Autoscheinwerfer.
Damit habe ich den Anwesenden die grundlegende Funktion eines Radioteleskops gezeigt und das haben sicher alle verstanden. Den Kindern erkläre ich nun
3 Anzeige auf dem Zeigerinstrument
noch, dass sie jetzt zu den ganz wenigen Menschen gehören, die wirklich wissen, wie ein Radioteleskop funktioniert und was man damit messen kann.
Zur verwendeten Technik: Für den Empfänger gibt es mehrere Lösungen. Ich verwende einen LNB für amerikanische TVSatelliten, der im C-Band auf 3,7-4,2 GHz arbeitet. Er hat dieselbe Zwischenfrequenz wie unsere LNBs, die auf 11 GHz z. B. Astra empfangen. Als Nachsetzer kann man daher einen alten Sat-Receiver verwenden und dort die Regelspannung abgreifen. Dabei handelt es sich um Gleichspannung, die man verstärken muss, um ein Zeigerinstrument anzusteuern. Diese Schaltung lässt sich leicht auf einer Lochrasterplatte aufbauen (Abb. 4). Es ist eine erprobte
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Radioastronomie
Schaltung mit einem LM 358 D mit 4 einstellbaren Verstärkerstufen und einem 10-Gang-Potentiometer, das für die Nullpunkt-Einstellung zuständig ist. Da es sich um sehr schwache Signale handelt, die stark verstärkt werden, sollte man bei der Stromversorgung auf eine saubere Spannung achten. Wer nicht Löten will, kann auch z. B. einen Empfänger der italienischen Firma RadioAstroLab (www.radioastrolab.com/ build-a-microwave-radio-telescope-withral10ap) verwenden, der im Eingang wie ein Sat-Receiver aufgebaut ist und der auch für die Stromversorgung des LNB sorgt. Er hat eine Bandbreite von 50 MHz und ist sehr empfindlich. Ein A/D-Wandler ist eingebaut und Software zum Aufzeichnen des Empfangspegels mit einem PC über ein USB-Kabel wird mitgeliefert. Auch eine Buchse mit einem Pegel für eine Soundkarte ist vorgesehen. Hier kann man auch ein HF-Millivoltmeter bis 20 MHz anschließen. Damit hat man dann auch ein schönes Zeigerinstrument. Dieses bekommt man ab und zu bei Ebay.
4 Gleichstromverstärker auf Lochraster in 4-fach-Ausführung
Radioteleskop Effelsberg
Siebenmal in 50 Jahren - nicht nur auf Besuch
von Werner E. Celnik
Heute sind ziemlich genau 50 Jahre seit meinem ersten Besuch des 100-MeterSpiegels in der Eifel vergangen. Ich weiß es noch genau, sechs Monate nach meinem Abitur und acht Tage vor dem ersten Tag meines Studiums an der Ruhr-Universität Bochum, am 23. Oktober 1971, haben wir einen Tagesausflug zum Radioteleskop Effelsberg gemacht, welches erst wenige Monate zuvor in Betrieb ging. Wir, das waren meine Sternfreunde und ich von der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft Bochum, die wir uns bereits vier Jahre zuvor zusammengetan hatten. Damals war das Tal, in das das Teleskop gesetzt wurde, noch kaum bewachsen. Und das Teleskop erschien bunt - die senkrechten Schächte, die vom unteren Tragrahmen hinauf zu den Elevationsachslagern führen, waren bläulichgrau lackiert, der große Tragrahmen mit der Trägerpyramide für die mittlere Platt-
form, die den Elevationsmotor aufnimmt, war dunkelblau und die 16 Gehäuse mit den Azimutmotoren waren knallrot (das sind sie heute noch). Der Rest des Instrumentes war titanweiß lackiert. - Insgesamt ein prachtvoller, ästhetischer und imposanter Anblick des damals größten vollbeweglichen Teleskops der Welt (Abb. 1).
Etwa nordwestlich des Teleskops wurden die Gebäude für Betrieb, Wartung, Werkstätten und Personalunterbringung errichtet. Das Teleskop wird bis heute betrieben durch das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn [1].
Damals wusste ich noch nicht, dass ich hier noch mehrfach hin zurückkehren würde, und zwar in ,,offizieller Mission", obwohl ich bereits die Absicht mit mir trug, mich nach dem Grundstudium der Physik im
Hauptstudium dem Schwerpunkt Astrophysik und der Astronomie zuzuwenden. Erst einmal musste ja das Grundstudium geschafft werden ...
Herbst 1975, 9. Studiensemester. Die Wahl des Themas der Diplomarbeit stand an. Prof. Schmidt-Kaler, der damalige Direktor des Astronomischen Instituts [2], war meine erste Anlaufstelle, weil ich Astronomie mit optischen Teleskopen machen wollte. Er hatte aber gerade kein Thema parat und verwies mich auf seinen Kollegen im Institut, Prof. Rohlfs vom Lehrstuhl für Radioastronomie. Dieser war gerade auf der Suche nach einem Diplomanden. So landete ich eher zufällig in der Radioastronomie und beschäftigte mich nun mit der Auswertung von Messungen der 21-cm-Linie des interstellaren neutralen Wasserstoffs HI. Ziel war die Ermittlung der Schichtdicke
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1 Das 100-m-Radioteleskop am 23.10.1971
in ,,bunter" Ausführung
2 Im Januar 1977 war das Teleskop bis
auf die Azimutmotoren vollständig weiß lackiert.
3 Mit Radioteleskopen werden Tag und
Nacht Beobachtungen durchgeführt, hier in einer Nacht im Jahr 1978.
Radioastronomie
Radioastronomie
4 Der Besucher scheint hier (1979) direkt vor der tief geneigten
Schüssel zu stehen.
5 Vom Kontrollraum aus können die Bewegungen des Teleskops
genau verfolgt werden, maschinell und visuell. Hier bei der TagBeobachtung des Rosettennebels.
des HI in der Milchstraßenebene [3]. Dafür führte das Team im Jahr 1977 Beobachtungen am 100-m-Teleskop durch. Wie die Abbildung 2 zeigt, wurden zwischenzeitlich am Teleskop die blau und grau lackierten Teile ebenfalls geweißt, weil es wegen der dunklen Farbgebung bei Sonneneinstrahlung zu Spannungen gekommen war.
Nach meinem Diplom stand mir die Wahl eines Themas für die Dissertation frei. Weil ich mich zusammen mit den Freunden in der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft Bochum mit Astrofotografie beschäftigte (die Astrofotografie als Hobby betrieb ich weiterhin parallel zur wissenschaftlichen Arbeit), wollte ich nun Radioastronomie und optische Astronomie miteinander verknüpfen. Die Idee war, einen ausgedehnteren galaktischen Nebel sowohl bei Radiowellenlängen als auch im optischen
6 Im Juli 1980 gelang ein Blick von der Primärfokus-Kabine aus auf die Spiegeloberfläche.
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Radioastronomie
7 Die Primärfokuskabine ist nur über eine mehr als 30 m lange
Leiter in einer der ,,Fangspiegelstreben" zu erreichen - atemberaubend.
8 Die Streben-Leiter und die beiden Fokuskabinen
im Juli 1981.
9 Die ausgeklügelt verstrebte Rückseite des 100-m-Spiegels am 4. Juli 2020.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 101
Radioastronomie
Licht der Wasserstoff-Emissionslinien zu vermessen, die Beobachtungen zu vergleichen und daraus die räumliche Verteilung interstellarer Staub- und Molekülwolken in dieser Nebelregion abzuleiten. Dazu wurden schlussendlich die Intensitätsverteilungen des Radiokontinuums bei den Wellenlängen 21 cm und 6 cm kartiert und die Intensität der Emissionslinien von Wasserstoff (H112) und Helium (He112) bei 6,5 cm Wellenlänge punktuell gemessen. Dafür wurden mir Beobachtungen mit dem 100-m-Teleskop in den Jahren 1979, 1980 und 1981 genehmigt. Für das Messobjekt fiel die Wahl auf den Rosettennebel. Ergänzend genehmigte mir die Europäische Südsternwarte ESO eine Kartierung der Nebelregion im Licht der H-Linie des Wasserstoffs mit dem 61-cm-CassegrainTeleskop auf dem Berg La Silla in Chile [4] in den Jahren 1979 und 1980 [5].
1978 hatte ich zuvor noch die Gelegenheit, einem Kollegen bei seinen Beobachtungen am 100-m-Teleskop zu assistieren. Drei weitere Aufenthalte am Teleskop fanden dann anlässlich meiner eigenen Beobachtungen statt (s. Abb. 3 bis 8). Die Ergebnisse sind bei [6] und [7] publiziert. Danach verließ ich den Bereich der Radioastronomie
und widmete mich anderen Themen. Erst im vergangenen Jahr, im Juli 2020, besuchte ich als Reisender erneut das Teleskop. Äußerlich hatte sich in den vergangenen Jahren nicht viel verändert (Abb. 9), wohl aber fanden natürlich grundlegende Modernisierungen in der von außen nicht einsehbaren Technik statt. Das 50-jährige Jubiläum des Teleskops wurde dieser Tage (Frühjahr 2021) gefeiert (sogar mit einer Sonderbriefmarke). Aus diesem Anlass hörte man in den Nachrichten, dass zurzeit jährlich etwa 20.000 Besucher zum Teleskop kommen und sich durch Schautafeln und ein Besucherzentrum staunend informieren lassen.
Für mich persönlich war es eine Ehre, mit diesem einzigartigen Instrument arbeiten zu dürfen.
Literatur- und Internethinweise (Stand: Mai 2021): [1] Max-Planck-Institut für Radioastro-
nomie, Homepage: www.mpifr-bonn. mpg.de/ [2] Astronomisches Institut, Ruhr-Universität Bochum, Homepage: www.astro.ruhr-uni-bochum.de/ [3] W. Celnik, K. Rohlfs, E. Braunsfurth,
1979: "A new determination of the thickness of the galactic disk from HI-observations and a discussion of some consequences for galactic mass models", Astron. Astrophys., 76, p. 24 (http://articles.adsabs. harvard.edu/pdf/1979A%26A....76... 24C) [4] ESO, Teleskope auf La Silla: https:// de.wikipedia.org/wiki/La-SillaObservatorium [5] W. E. Celnik, 1983: "The Rosette nebula, I. An absolutely calibrated photoelectric H surface Photometry", Astron Astrophys. Suppl. Ser. 53, p. 403-406 (http:// articles.adsabs.harvard.edu/ pdf/1983A%26AS...53..403C) [6] W. E. Celnik, 1985: "The Rosette nebula, II. Radio continuum and recombination line observations", Astron. Astrophys. 144, p. 171-178 (http://articles.adsabs.harvard.edu/ pdf/1985A%26A...144..171C) [7] W. E. Celnik, 1986: "The Rosette nebula, III. Interstellar dust extinction and a model of the molecular cloud complex", Astron. Astrophys. 160, p. 287294 (http://articles.adsabs.harvard. edu/pdf/1986A%26A...160..287C)
Erkenntnis eines Hobbyastronomen
- im Stil von Eugen Roth
Ein Mensch, weil Hobbyastronom, las vieles über Sterne schon: was in recht schlauen Büchern stand und was im Internet er fand.
Besonders wollte er verstehen, wie sie entstehen und vergehen, und so sah er - wie man es macht - zum Sternbild Schütze in der Nacht; dort sei, so stand im Buch der Praxis, das Zentrum unserer Galaxis, dort müsste man doch sehr schnell sehen, wenn helle Sterne neu entstehen!
Beeindruckt durch die Sternenpracht verbringt er damit manche Nacht, doch die Enttäuschung ist bald groß: wo sind die neuen Sterne bloß? Viel` Sterne bis zum Sternbild Schild - doch jede Nacht das gleiche Bild!
Der Mensch: er musste so verstehen, dass Sterne nicht so schnell entstehen, dass nicht nur Raum, sondern auch Zeit für Menschen sind Unendlichkeit.
Thomas Kükenhöhner
Impression
(bei der Vorbereitung einer Astrofoto-Tour in UMa und CVn, Iggelheim, am 14. April 2021)
102 | Journal für Astronomie Nr. 79
Sternbedeckungen
Streifende Sternbedeckungen durch den Mond
im 4. Quartal 2021
von Eberhard Riedel
Karte mit den Grenzlinien der drei Streifungsereignisse im 4. Quartal 2021
Die letzten Monate des Jahres warten noch mit drei sehenswerten streifenden Bedeckungen von Sternen durch den Mond auf. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse quer über Deutschland, die der mittlere nördliche oder südliche Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns zu verfolgen. Alle Streifungen finden am unbeleuchteten Rand des abnehmenden Mondes statt und sind bereits mit kleineren Fernrohren zu beobachten. Die nachfolgenden Erläuterungen und Grafiken verdeutlichen die genauen Umstände jedes Ereignisses.
Alle Grafiken sind für Meereshöhe gerechnet. Bei deutlich höher gelegenen Beobachtungsstationen muss deren Höhe unbedingt in die Berechnung einbezogen werden, um eine genügend genaue Vorhersage zu erhalten (zur Software s. u.). Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden.
Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so
den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter Berücksichtigung der Höhe optimiert werden, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch in eine Google-Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
Die Software kann kostenlos unter www. grazprep.com heruntergeladen und instal-
liert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdSFachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 103
Sternbedeckungen
Ereignis 1: 30.10.2021
In der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober zieht ab 03:49 Uhr MEZ der zu 36% beleuchtete abnehmende Mond mit seinem dunklen Nordrand am 6,5 mag hellen Stern SAO 98742 vorbei. Die Streifung ist allerdings nur im höchsten Norden Deutschlands auf einer Linie von Hörnum auf Sylt über Niebüll bis zur Flensburger Förde zu verfolgen.
Die Abbildung 1a zeigt für die Länge 9 Grad Ost, dass die scheinbare Sternbahn (blauweiß gestrichelte Linie mit Minutenangaben) den mittleren Mondrand (weiß gepunktet) im bequemen Abstand vom Terminator (linker Bildrand) tangential berührt. Bei der Beobachtung von der Zentrallinie aus (hier berechnet für Meereshöhe) würde der Mond ab ca. 03:50:01 Uhr MEZ mit einer Bergspitze den Stern aber nur einmal für ca. 16 Sekunden bedecken. Die roten Begrenzungslinien geben den durch die Mondparallaxe verursachten Versatz der scheinbaren Sternbahn an, wenn man sich 3.000 Meter beidseits von der Zentrallinie entfernt (jeweils senkrecht zum Verlauf der Zentrallinie gerechnet). Dadurch wird abschätzbar, wie weit man sich von der für den mittleren Mondrand gerechneten Linie entfernen muss, um mehrere Bedeckungen des Sterns sehen zu können.
1 a Die scheinbare Sternbahn von SAO 98742 (blauweiß gestrichelte Linie) bei
Beobachtung genau von der vorhergesagten Grenzlinie, mit 6-facher Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
1 b Scheinbare Sternbahn von SAO 98742, 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
Die Abbildung 1b zeigt in einem Ausschnitt den Verlauf der scheinbaren Sternbahn, wenn man von einem Ort ca. 550 Meter weiter südlich der Zentrallinie beobachtet. Hier kann der Stern gleich siebenmal hinter den Erhebungen auf dem Mond verschwinden und wiederauftauchen.
In den Grafiken ist das Mondrandprofil in 6-facher Überhöhung dar-
gestellt, weshalb auch die Krümmung der scheinbaren Sternbahn grafisch erforderlich ist. Auf diese Weise kann besser beurteilt werden, wann und wie viele Bedeckungsereignisse im Einzelnen zu erwarten sind.
SAO 98742 ist nicht als Doppelstern bekannt. Nicht selten wurden aller-
dings bei Sternbedeckungen durch ein zeitversetztes Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns Doppelsterne entdeckt. Zu beobachten wären u. U. auch ein langsameres oder nur teilweises Verschwinden und Wiederauftauchen des Sternlichtes.
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Sternbedeckungen
Ereignis 2: 27.11.2021
Am Morgen des 27. November wird der 6,2 mag helle Stern 42 Leonis (SAO 99080) vom zerklüfteten Südrand des zu 53% beleuchteten Mondes gestreift. In den Genuss kommen Beobachter auf einer Linie von Rostock über Malchin und Neubrandenburg bis Angermünde.
Um streifende Bedeckungen dieses Sterns zu sehen, muss man sich allerdings ein gutes Stück weit nordöstlich der für das mittlere Mondniveau berechneten Zentrallinie postieren. Die Abbildung 2a zeigt die Streifungssituation in einer Ablage von ca. 2.550 Meter bei einer Länge von 12 Grad 10' Ost bei Rostock. Zu erwarten sind an dieser Stelle 10 Kontakte des Mondrandes. Die Mondhöhen sind hier 12-fach gedehnt dargestellt. Die roten Begrenzungslinien zeigen den parallaktischen Versatz des Mondes bei +- 3.000 Metern auf der Erdoberfläche.
2 a Die scheinbare Sternbahn von 42 Leonis (SAO 99080), 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
Die scheinbare Sternbahn in der Abbildung 2b erhält man, wenn man sich ca. 4.200 Meter von der Zentrallinie entfernt aufstellt. Von dort können zwischen 07:03 und 07:08 Uhr MEZ 14 Kontakte und mehr vorkommen.
Bereits an der Ostseeküste ist die Sonne bei Beginn der Streifung nur noch knapp 8 Grad unter dem Horizont. An der polnischen Grenze sind es nur noch 6 Grad , was die Beobachtung dort etwas erschweren kann.
2 b Die scheinbare Sternbahn von 42 Leonis (SAO 99080), 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
42 Leonis ist ebenfalls nicht als Doppelstern bekannt.
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Veränderliche
Ereignis 3: 28.12.2021
Die Streifungslinie am Morgen des 28. Dezember zieht sich zwar über Gronau (Westfalen), Hamm, Arnsberg, Marburg und Würzburg bis nach München, wegen der einsetzenden Morgendämmerung dürfte aber spätestens südlich von Würzburg Schluss sein mit der Beobachtungsmöglichkeit. Ab 07:30 Uhr MEZ wird der 6,6 mag helle Stern SAO 139304 ebenfalls vom Südrand des Mondes gestreift. Bei nur 37% Beleuchtungsgrad und sehr großem Abstand zum Mondterminator reicht ein kleines Fernrohr für die Beobachtung.
Die Ausbeute an Kontakten kann aufgrund der Mondrandstruktur in diesem Fall allerdings etwas weniger ergiebig sein als bei den Ereignissen 1 und 2. Die Abbildung 3 zeigt die Situation bei 8 Grad Ost in der Nähe von Hamm mit einer Ablage von ca. 1.330 Meter nördlich der Zentrallinie,
3 Die scheinbare Sternbahn von SAO 139304, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
wo ab 07:31:07 Uhr MEZ mit 6 Kontakten gerechnet werden kann. Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz der scheinbaren Sternbahn von +- 3.000 Meter, so dass man abschätzen kann, dass von anderen Beobachtungsstationen wegen der relativ
steilen Mondstrukturen (erneut 12-fach überhöht dargestellt) kaum mehr Kontakte möglich sind.
SAO 139304 ist ebenfalls nicht als Doppelstern bekannt.
Seltsame Veränderungen im Verhalten der Zwergnova SS Cygni
von Klaus Wenzel
Bei SS Cyg handelt es sich um eine der hellsten und am besten beobachteten Zwergnovae. Seit ihrer Entdeckung im Jahre 1896 ist vermutlich kein Maximum verpasst worden. Seit 2019 zeigt SS Cyg jedoch ein seltsames Verhalten, sowohl was die Ruhehelligkeit als auch das Ausbruchsgeschehen betrifft.
SS Cyg wird seit Jahren von mir in meiner Dachsternwarte in Wenigumstadt sowohl visuell als auch mit der CCD-Kamera beobachtet. Alle hier vorgestellten Lichtkurven basieren auf diesen Beobachtungen.
Allgemeines SS Cyg wurde im Jahr 1896 von Frau Louisa D. Wells bei Auswertungsarbeiten am Harvard-Observatorium als neuer Veränderlicher (Harvard Variable HV 84) mit außergewöhnlichem Spektrum entdeckt und von Edward Pickering und ihr am 2. November 1896 im Astrophysical Journal (Astrophys. J.) veröffentlicht [1]. Ein Jahr später erhielt HV 84 die offizielle Bezeichnung SS Cyg.
Schnell stellte sich heraus, dass SS Cyg, der einen Lichtwechsel zwischen 8 und 12 mag zeigt, ein ähnliches Verhalten wie der 1855 von John R. Hind entdeckte Veränderliche U Gem aufwies. Es handelt sich somit um den zweiten Vertreter einer neuen Klasse von Veränderlichen, den Zwergnovae [2]. Alfred Harrison Joy entdeckte 1956 am Mount-Wilson-Observatorium spektroskopisch, dass es sich bei diesem Objekt um
ein enges Doppelsternsystem handelt [3]. Eine Komponente (Sekundärkomponente) ist ein so genannter ,,Roter Zwerg" mit 0,6 Sonnenmassen, und bei der kleineren, kompakteren Komponente (Primärkomponente) handelt es sich um einen Weißen Zwerg mit etwa 0,8 Sonnenmassen. Beide Sterne umkreisen sich auf einer engen Umlaufbahn von etwa 160.000 km (also deutlich weniger als der halben Entfernung Erde-Mond) mit einer Periode von 6,38 Stunden, es findet dabei jedoch aus unserem Blickwinkel (50 Grad ) keine Bedeckung statt. Bei diesen Doppelsternsystemen findet ein Materieaustausch von der Sekundärzur Primärkomponente hin statt. Es bildet sich dabei um den Weißen Zwerg eine so genannte Akkretionsscheibe, ähnlich wie bei den Quasaren, nur wesentlich kleiner.
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Veränderliche
Durch Instabilität und Reibung innerhalb dieser Scheibe kommt es dabei immer wieder zu unregelmäßigen Helligkeitsausbrüchen, die aber in der Regel nur ein paar Tage bis maximal zwei Wochen andauern.
Der Ausbruch, der bis zu vier Größenklassen beträgt, geht dabei meist innerhalb 24-48 Stunden vonstatten. Die Intervalle zwischen den Ausbrüchen liegen etwa zwischen 20 und 80 Tagen. Die mittlere Dauer zwischen zwei Ausbrüchen beträgt bei SS Cyg etwa 51 Tage. Bei den Ausbrüchen von SS Cyg kann man grundsätzlich drei Typen unterscheiden: zum einen ein breites Maximum von etwa 18 Tagen Dauer, zum anderen ein kürzeres, spitzes Maximum von etwa 8 Tagen. Ein dritter Typ, der nicht in dieses Schema passt, wird als ,,anormal" bezeichnet. Hier ist der Anstieg zum Maximum nicht abrupt, sondern die Helligkeit steigt langsam an, es wird auch nicht immer die Maximalhelligkeit erreicht. Diese Ausbrüche sind allerdings sehr selten. Das System weist eine Eigenbewegung von 0,12 Bogensekunden im Jahr auf, was 1965 von W. J. Luyten nachgewiesen wurde [4]. Ursprünglich nahm man eine Entfernung
1 Typische kurz belichtete (30 s) Überwachungsaufnahme (24.03.2021, 03:59 UT) von SS
Cyg am 5-Zoll-Maksutov in der Dachsternwarte in Wenigumstadt. Markiert sind SS Cyg sowie einige Vergleichssterne nach AAVSO. Die Bildgröße beträgt etwa 30' x 20', Norden ist oben, Osten links.
von etwa 100 Lichtjahren an, moderne Beobachtungen rücken SS Cyg jedoch in eine Entfernung von 540 (Hubble Space Telescope - HST) bzw. 370 Lichtjahren (Very Long Baseline Interferometry - VLBI).
Historische Lichtkurve Bei normalem Ausbruchsverhalten wechseln sich meist breite und spitze Ausbrüche ab. Bei den Ausbrüchen steigt die Helligkeit auf maximal auf 8,5 mag an und die Ruhehelligkeit des Systems liegt etwa um die 12
2 Lichtkurve von SS Cyg (vis, CV, V) nach Beobachtungen in meiner Dachsternwarte ab 2017. Deutlich ist der kontinuierliche
Anstieg der Ruhehelligkeit erkennbar.
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Veränderliche
3 Die Lichtkurve ab Oktober 2020 zeigt den letzten kleineren Ausbruch Anfang November 2020 und den Übergang zum Standstill
ab Januar 2021. Es folgten dann kleine wellenförmige anormale Ausbrüche ab März 2021.
4 Zum Vergleich die aktuelle Lichtkurve des UGZ-Sterns AT Cnc, der sich ebenfalls seit Anfang 2021 in einer Standstill-Phase befindet.
mag, meist sogar etwas darunter. Lediglich um das Jahr 1908 kam dieses ,,normale" Ausbruchsverhalten aus dem Takt und die Ruhehelligkeit von SS Cyg blieb bei etwa 11 mag stehen. Die Ausbrüche waren ebenfalls nicht mehr so ausgeprägt und erreichten nur noch etwa 9 mag. Dieses Verhalten normalisierte sich etwa nach einem Jahr wieder. In den nächsten 110 Jahren konnte so ein ausgeprägtes, anormales Verhalten nicht mehr beobachtet werden, was auf der historischen Lichtkurve (u. a. AAVSO) gut dokumentiert ist. Es sind lediglich einige kurze Episoden von Wechsel in den Ausbruchsintervallen und von kurzzeitigen Anstiegen der Ruhehelligkeit erkennbar.
Grundsätzliche Typen von Zwergnovae Zwergnova werden aufgrund ihres Ausbruchsverhaltens in verschiedene Untergruppen unterteilt. Namensgeber ist der Stern U Gem (UG), die erste 1855 von John Russel Hind in London entdeckte Zwergnova. SS Cyg zeigt ein ähnliches Verhalten und wurde mit U Gem zum Prototyp dieser Klasse (UGSS). Eine weitere Klasse ist benannt nach dem Stern SU UMa. Diese Sterne zeigen normale Ausbrüche und von Zeit zu Zeit so genannte Superausbrüche, die deutlich länger und heftiger als normale Ausbrüche ablaufen. Eine Unterart dieser UGSU-Sterne sind WZ-Sge-Sterne, benannt nach WZ Sge, die praktisch nur Superausbrüche zeigen, aber Ausbruchsinter-
valle von teilweise Jahrzehnten aufweisen. Diese UGWZ-Sterne wurden deshalb auch zunächst mit den wiederkehrenden Nova (NR) wie z. B. T CrB verwechselt. Eine weitere Untergruppe stellen die Z-Cam-Sterne (UGZ) dar. Diese Zwergnovae verbleiben nicht die meiste Zeit im Ruhelicht, sondern wechseln ständig vom Maximum zum Minimum. Die Besonderheit ist allerdings, dass diese Sterne von Zeit zu Zeit immer wieder so genannte Standstills (deutsch: Stillstände) zeigen. Das heißt, der Stern bleibt nach dem Abstieg vom Maximum bei mittlerer Helligkeit stehen und zeigt für einige Zeit (Wochen, Monate) kaum Aktivitäten, um dann irgendwann ins Minimum zu fallen und das normale Ausbruchsverhalten wieder aufzunehmen. Ein klassi-
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Veränderliche
sches Beispiel hierfür ist der Stern AT Cnc (Mrk 388), der sich ebenfalls seit Anfang 2021 im Stillstand befindet (vgl. Abb. 4) [5]. Dies ist nur eine sehr kurze grundsätzliche Beschreibung dieser Thematik, die sehr komplex ist. Eine genaue Beschreibung des Zwergnova-Phänomens kann aus Platzgründen hier nicht wiedergegeben werden.
Aus dem Takt SS Cyg war nach R Leo der zweite veränderliche Stern, den ich beobachtete. Von September 1986 bis Dezember 1986 konnte ich damals mit meinem 8-Zoll-Newton zwei Ausbrüche beobachten. In den folgenden Jahren folgten dann weitere, meist sporadische Beobachtungen. Eine regelmäßige Überwachung führte ich jedoch erst ab 2015 durch. Ich konnte, meist visuell, den ständigen Wechsel zwischen breiten und spitzen Ausbrüchen, von etwa 8,5 bis 9 mag, und Ruhelichtphasen um die 12 mag beobachten.
Diese Situation änderte sich dann ab Januar 2019. Im Ruhelicht schien der Stern nicht mehr auf 12 mag abzufallen, er blieb bei 11,7 mag. Mitte März 2019 ging die Helligkeit im Ruhelicht dann nur noch auf 11 mag zurück. Im Juli schien diese Episode schon wieder beendet und das Ruhelicht sank wieder unter die 12. Größe. Doch ab Ende des Jahres stieg die Ruhehelligkeit kontinuierlich an. Die Ausbrüche wurden kürzer und überschritten immer seltener die 9. Größe. Die Ruhehelligkeit stieg weiter an und lag wieder um die 11 mag. Zum Anfang des Jahres 2021 schien dann SS Cyg komplett aus dem Takt zu geraten (s. Lichtkurve Abb. 2). SS Cyg zeigte nur noch geringe Schwankungen um die 10 mag, das heißt bei mittlerer Helligkeit zwischen Maximum und Minimum. Dies erinnert stark an die Standstill-Phasen bei Z-Cam-Sternen (UGZ). Ab Anfang März begann SS Cyg mit einem langsamen anormalen Hel-
ligkeitsanstieg mit einer Spitze von 9,5 mag, die am 8. März erreicht wurde. Ein weiterer anormaler Anstieg folgte dann bis Ende April (s. Lichtkurve Abb. 3).
verhalten wieder zurückgekehrt und es war nur eine vorübergehende Episode im Leben einer Zwergnova. Weitere Beobachtungen sind gefragt, und spannend ist es allemal.
Eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten Die Ursache könnte darin zu suchen sein, dass die Akkretionsrate insgesamt anstieg und das System dadurch im Ruhelicht heller ist. Die Maximumshelligkeit wird sich dadurch nicht ändern, da diese durch die Größe der Scheibe und die Inklination festgelegt ist. Dadurch schrumpft die Ausbruchsamplitude, da das System ja im Ruhezustand heller ist.
Ein mögliches Szenario wäre tatsächlich, dass SS Cyg eine Wandelung des Typs von einem UGSS-Stern zu einem UGZ-Stern vollzieht, mit wechselnden Phasen zwischen Ausbrüchen und Standstills [6].
Bitte beachten: Dies ist der aktuelle Stand bei Redaktionsschluss Ende April 2021. Zum Erscheinen dieses Artikels kann sich die Situation wieder grundlegend geändert haben. Vielleicht hat SS Cyg dann den Typwechsel tatsächlich vollzogen, oder er ist vielleicht zu seinem normalen Ausbruchs-
Literaturhinweise: [1] E. Pickering, W. Flemming, 1896: "Stars having peculiar spectra.
New variable stars in Crux and Cygnus", Harvard College Obs. circular no. 12, Astrophys. J. 4, p. 369 [2] J. A. Parkhurst, Z. Daniel, 1900: "The variable star 7792 SS Cygni - 3rd Paper, 1899-1900". Astrophys. J. 12, p. 259 [3] A. H. Joy, 1956: "Radial-velocity measures of SS Cyg at minimum light", Astrophys. J. 124, p. 124 [4] R. Burnham jr., 1977: "Burnhams Celestial Handbook, Vol 2", p. 774 [5] K. Wenzel, 2012: ,,Der Z-Camelopardalis-Stern AT Cnc", BAV-Rundbrief 2/2012, S. 110 [6] priv. Mitt., 12.01.2021: B. Gänsicke (University of Warwick)
Journal für Astronomie Nr. 79 | 109
VdS-Nostalgie Ausgewählt, zusammengestellt und kommentiert von Peter Völker - Folge 40
Bisher habe ich es vermieden, über Vereinspolitik innerhalb der VdS zu berichten. Ich bevorzugte neutrale Themen wie Henseling, Dahlkamp, Hoffmeister, Bürgel, Schröter und Sachmitteilungen wie Marskarten,
Fachliteratur, Sonnenbeobachtungen, Jena 1959 usw. In der letzten Folge 39 deutete ich einige Dinge zur Berliner VdS-Tagung 1969 an. Man kann diesen
Zeitpunkt durchaus als Wendepunkt innerhalb der Vereinsgeschichte werten.
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VdS-Nostalgie
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Journal für Astronomie Nr. 79 | 111
VdS-Nostalgie
VdS-Nachrichten
Wir begrüßen neue Mitglieder
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21370 21371 21372 21373 21374 21375 21376 21377 21378 21379 21380 21381 21382
Sperber Kistner-Othmer Jedath Böhme Kolar Peterhänsel Klein Hesker Thum Michalak Reifberger Van Ree Schmid
Manfred Marlen Oliver Mathias Franz Frank Alexander Christian Oliver Sebastian Johann Stefan Thomas
21383 21384 21385 21386 21387 21388 21389 21390 21391 21392 21393 21394
Ress Ramthun Risse Höflinger Rennig Schnelle Nowak Wloka Eder Tschamber Ritzinger Fischer
Vorname
Christian Claus Kai Constantin Fred Stefan Daniel Frank Hartmut Carsten Hubertus Frank
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VdS vor Ort / Tagungsberichte
Virtuelle 44. Würzburger Frühjahrstagung
am 24. April 2021
von Kai-Oliver Detken
Die Würzburger Frühjahrstagung ist das süddeutsche Gegenstück zur Bochumer Herbsttagung (BoHeTa), die jedes Jahr interessante astronomische Vorträge (nicht nur) aus den unterschiedlichen Fachgruppen der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) bietet. Sie fand in diesem Jahr bereits zum 44. Mal statt, wenn auch nur virtuell mittels Zoom-Videokonferenz. Nachdem im letzten Jahr die Tagung aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, hatte sich der Veranstalter zu diesem Schritt entschlossen. Der Tagungsleiter war Dr. Dominik Elsässer vom VdS-Vorstand, der zu Beginn die bis zu 170 Teilnehmer begrüßte und die Veranstaltung lebendig moderierte.
Den Vortragsbeginn leitete Prof. Dr. Eva Grebel vom Astronomischen Rechen-Institut der Universität Heidelberg [1] ein, die über das Thema ,,Galaktische Archäologie" referierte. Ihr wichtigstes Hilfsmittel dabei ist das Licht. Je länger das Licht unterwegs ist, desto weiter ist ein Objekt entfernt, wodurch man weiter in die Vergangenheit schauen kann. Wann die ersten Sterne entstanden sind, ist allerdings bis heute noch unklar. Immerhin können wir 13,4 Milliarden Lichtjahre zurückblicken, was Hubble mit der Beobachtung der Galaxie GN-z11 bewiesen hat. Die früheste Epoche, die beobachtet werden kann, ist die kosmische Hintergrundstrahlung. Sterne sind die Fossilien der galaktischen Archäologie. Im Anschluss an diese Einleitung wurde über Galaxienentwicklung und Zwerggalaxien als Bausteine größerer Galaxien im Detail referiert. Ein sehr interessanter wissenschaftlicher Vortrag, der gut verständlich gehalten wurde.
Über das Thema ,,Künstliche Intelligenz" (KI) in der Bildbearbeitung referierte Florian Bleymann, der damit in die Astrofotografie überleitete. KI-Algorithmen findet
man heute bereits in vielen Smartphones, aber auch in Bildverarbeitungsprogrammen wie Topaz DeNoise AI oder Starnet [2]. Dazu ist ein geeignetes Modell zur Verarbeitung und Klassifizierung notwendig, wodurch künstliche Neuronale Netze (NN) ins Spiel kommen. Als Beispiel, wie so etwas funktionieren kann, wurde Starnet ausgewählt. Durch so genannte Generative Adversarial Networks (GAN) wird hier ein wechselseitiges Training zwischen zwei NN umgesetzt. Starnet funktioniert dabei als Diskriminator und trainiert sich mit einem Datensatz, der vorher geladen werden muss. Dadurch werden Sterne auf einem Bild erkannt und entfernt, um Nebelregionen effektiver bearbeiten zu können. Dies funktioniert erstaunlich gut und war eine eindrucksvolle Veranschaulichung.
,,Sternbedeckungen" standen danach durch Dr. Eberhard Bredner auf dem Programm. Er ist süchtig danach, wie er selbst zugegeben hat, und leitet wohl auch deshalb die entsprechende VdS-Fachgruppe. Diese Ereignisse müssen im Vorfeld exakt berechnet werden, ähnlich einer Sonnenfinsternis. Denn man muss die Zentrallinie ausmachen, um die Sternbedeckung optimal beobachten zu können. Dazu steht ihm ein Equipment zur Verfügung, welches von ihm Max & Moritz genannt wird. Das Teleskop Moritz wird dabei zuerst vorbereitet und ausgerichtet, bevor der zweite Standort aufgesucht wird, um das Teleskop Max aufzustellen. Für gute Messungen sind verschiedene Beobachtungsstandorte wichtig, weshalb er dies so umsetzt. Die Auswertung der Lichtkurven stellt abschließend dann den Höhepunkt dar.
Vor der virtuellen Mittagspause präsentierte Chefredakteur Dr. Stefan Deiters die Fachzeitschrift ,,astronomie - DAS MAGAZIN" [3], die sich in den letzten zwei Jahren zu einer festen Institution in der As-
tronomie-Szene entwickelt hat. Denn man hat sich im Gegensatz zur Vorgängerzeitschrift ,,Abenteuer Astronomie" auf drei Kernbereiche konzentriert: Visuelle Astronomie, Astrofotografie und Nightscape. Inzwischen sind 18 Ausgaben erschienen, die immer ein bestimmtes Schwerpunktthema ansprechen.
Nach der Mittagspause berichtete Dr. Uwe Pilz über ,,Schwarze Löcher". Diese sind für uns nicht wahrnehmbar und damit auch nicht zugänglich. Die Entfernung zu ihnen kann daher auch nicht angegeben oder gemessen werden. Schwarze Löcher können aber einen Schatten verursachen, auch wenn sie für uns eigentlich unsichtbar sind. Und die Licht- und Raumkrümmung lässt sich berechnen, was exemplarisch verdeutlicht wurde. Sie bleiben trotzdem ein Mysterium für uns, da sie eine Erscheinung ohne Schatten und Schatten ohne Erscheinung darstellen.
Anschließend nahm uns Rolf Hempel in die Planeten- und Mondfotografie mit, indem er sein selbst entwickeltes Programm ,,PlanetarySystemStacker" (PSS) [4] vorstellte. Es basiert auf Open Source und kann daher auch von jedem anderen Programmierer autark weiterentwickelt werden, was ihm persönlich sehr wichtig ist. Ein Nachteil wurde inzwischen für Windows-Nutzer ausgeräumt: Es gibt nun einen Installer, wodurch die Installation stark erleichtert wird. Eine Live-Vorführung zeigte zudem, was PSS bei der Bearbeitung leisten kann.
Die Vielfalt der ,,Spektrografie" brachten Günter Gebhard, Ulrich Waldschläger und Siegfried Hold dem virtuellen Auditorium näher. Alle drei gehören der gleichnamigen VdS-Fachgruppe an. Günter Gebhard startete die Einführung, indem er auf die Fraunhofer-Linien hinwies, wie sie entstehen und wie sie mittels eines Star-Ana-
114 | Journal für Astronomie Nr. 79
VdS vor Ort / Tagungsberichte
Bild: Dominik Elsässer
lyser-Filters beobachtet werden können. So können Himmelsobjekte auf ihre Elemente (z. B., ob Wasser vorhanden ist) untersucht werden. Auch der Dopplereffekt wurde am Beispiel des Planeten Jupiter gezeigt, um daraus seine Rotationsgeschwindigkeit errechnen zu können. So können auch Amateure Wissenschaft betreiben. Ulrich Waldschläger nahm diese Vorlage auf und ging auf die spektroskopische Analyse des Doppelsternsystems Mizar ein. Dieses System wurde bereits 1889 von Edward C. Pickering mit der damaligen Fototechnik beobachtet und durch die Linienverschiebung als Doppelsternsystem nachgewiesen. Das ist nun mit heutigen Amateurmitteln ebenfalls möglich. Siegfried Hold hatte hingegen den Stern Deneb untersucht und präsentierte seine Messungen zwischen den Jahren 2014 und 2021. Er hat großes Interesse an Langzeituntersuchungen, um Veränderungen erkennbar zu machen, die auch bei so genannten Fixsternen stattfinden. Dabei fand er heraus, dass Deneb eine starke Windvariation ohne Periodizität besitzt.
Die geschichtsträchtige ,,Bonner Durchmusterung" stand bei Dr. Michael Geffert auf der Agenda. Er wies zuerst auf den berühmten Astronomen Friedrich Wilhelm
August Argelander hin, mit dem die Astronomie in Bonn aufblühte. Der Vortrag widmete sich dann hauptsächlich dem Astronomen Eduard Schönfeld, der die Arbeiten von Argelander zu Ende führte und nach Meinung Gefferts diesem gleichzustellen ist. Argelander selbst bezeichnete die Astronomie damals als ,,brotlose Kunst" und riet Schönfeld davon ab. Schönfeld ließ sich aber nicht abschrecken, studierte bei Argelander und arbeitete maßgeblich an der Bonner Durchmusterung mit. Nach dessen Tod wurde er 1875 sein Nachfolger und vollendete die Durchmusterung, die er mit einem Schroeter-Refraktor vornahm. Durch seine Nachfahren sind einige Anekdoten bekannt geworden, die auch heute noch historisch sehr interessant sind und demnächst in einem Buch veröffentlicht werden.
Ein Höhepunkt der Veranstaltung war dann die ,,fotografische Kometenjagd" von Gerald Rhemann und Michael Jäger, die die Teilnehmerzahlen nach oben trieben. Seit über 30 Jahren sind beide Referenten ein bekanntes und erfolgreiches Gespann in der Kometenfotografie. Von der Anzahl der fotografierten Objekte ist Michael Jäger sogar die Nr. 2 im deutschsprachigen Raum.
Angefangen hatte die Leidenschaft bei ihm vor ca. 40 Jahren durch einen Zeitungsartikel über Kometenfotografie. Er fotografierte seitdem über 1.000 Kometen und entdeckte vor über 20 Jahren auch neue. Inzwischen ist sogar ein Kleinplanet nach Jäger benannt worden. Für die Bahnberechnung wird Astrometrie und Fotometrie betrieben. Fotografiert wird ausschließlich mit lichtstarken Teleskopen. Abschließend gab es eine Videopräsentation von Gerald Rhemann, die man sich im Internet auch nachträglich ansehen kann [5] und einen Tipp: Ende des Jahres könnte sich der Komet Leonard gut entwickeln. Leider sind Kometen relativ launisch und unberechenbar.
Zurück zur Vielfalt der Spektroskopie ging es dann durch Siegfried Hold, der ,,über den Bau von Spektrografen" berichtete. Die VdS-Fachgruppe hat inzwischen in diesem Bereich ein enormes Wissen angehäuft, wozu auch selbst entwickelte Software-Programme gehören. Darüber wurde anhand des Beispiels eines Fiber-Linked Image-Sliced Echelle (FLISES) Spektrografen berichtet und es wurde deutlich, dass hier ähnliche Anforderungen vorhanden sind wie bei der Deep-Sky-Fotografie.
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VdS vor Ort / Tagungsberichte
Abschließend wurde von Prof. Dr. Kai-Oliver Detken von der Astronomischen Vereinigung Lilienthal (AVL) [6] über die letzte ,,Sonnenfinsternis im Jahr 2019" berichtet, die vor der Corona-Pandemie in Südamerika besucht werden konnte. Gestartet wurde in Rio de Janeiro, wo man neben den üblichen Sehenswürdigkeiten auch eine Einstein-Ausstellung im Museu de Astronomia (MAST) bewundern konnte. Vor genau 100 Jahren wurde nämlich zum ersten Mal durch eine Expedition von Sir Arthur Eddington ein Teilbeweis der Allgemeinen Relativitätstheorie erbracht. Dies gelang mit nur sieben erfolgreichen Aufnahmen, die in Sobral (Brasilien) fotografiert wurden. Die aktuelle Sonnenfinsternis wurde in Argentinien beim Ort Villa San Agustin beobachtet. Durch das hervorragende Wetter
konnte man dabei alle Phasen der SoFi ohne großes Verkehrsaufkommen aufnehmen. Die virtuelle Veranstaltung bot ein interessantes und abwechslungsreiches Programm [7], das bei allen Teilnehmern sehr gut ankam. Die Moderation und Vorträge wurden dabei so routiniert gehalten, als wenn man dieses Format schon länger nutzen würde. So waren die Veranstalter am Ende des Tages zufrieden, obgleich sie hoffen, dass sich die Sternfreunde im nächsten Jahr wieder direkt vor Ort austauschen können.
Internethinweise (Stand: Mai 2021): [1] Astronomisches Rechen-Institut,
Homepage: https://zah.uniheidelberg.de/de/institute-des-zah/ari [2] Sourceforge, Homepage: "Starnet++",
https://sourceforge.net/projects/ starnet/ [3] astronomie DAS MAGAZIN, Homepage. www.astronomie-magazin.com [4] R. Hempel: ,,PlanetarySystemStacker", https://github.com/RolfHempel/PlanetarySystemStacker [5] G. Rhemann: ,,Kometenfotografie", www.flickr.com/photos/191494814@ N02/50993938123/in/datepostedpublic/lightbox/ [6] Astronomische Vereinigung Lilienthal, Homepage: www.avl-lilienthal.de [7] Würzburger Frühjahrstagung der VdS: ,,Programm der 44. Tagung, virtuell, am 24. April 2021", https://sternfreunde.de/2021/04/13/ wuerzburger-fruehjahrstagungvirtuell-am-24-april-2021/
ATT 2021 digital
- Ein gelungenes Experiment
von Claudia Henkel, Michael Werger und Peter Gärtner
Seit über 30 Jahren richtet die WalterHohmann-Sternwarte in Essen den ATT (Astronomie und Techniktreff) aus, Europas größte Messe für Amateurastronomen. Nachdem die Veranstaltung in 2020 bereits coronabedingt ausfallen musste, kam für die Organisatoren eine erneute Absage nicht in Frage. Vielmehr machte sich unter Leitung der WHS-Vorsitzenden Claudia Henkel Anfang Januar ein Planungsteam an die Arbeit, eine rein digitale Version der traditionsreichen Messe zu erstellen. Oberstes Ziel: So viel ,,Live-Feeling" wie möglich in einen ATT 2021 digital zu überführen!
ATT goes digital Wenn schon digital, dann richtig: Der ATT wurde von Anfang an in ca. 30 Videokonferenzen über Zoom geplant, organisiert und schließlich auch durchgeführt - auf persönliche Treffen konnte komplett verzichtet werden. Regelmäßig wurden die Aussteller in diese virtuellen Konferenzen eingebunden, um auch deren Ideen und Vorstellungen in die Planungen mit einfließen zu lassen.
Die eigens entwickelte Webseite zum ATT 2021 digital war der Dreh- und Angelpunkt des Events: Mehr als 1.000 Besucherinnen und Besucher haben sich die einzelnen Angebote angesehen. Am 8. Mai konnten knapp 10.000 Seitenaufrufe verbucht werden. Obwohl darauf geachtet wurde, das Bildmaterial nicht zu groß werden zu lassen, wurden am ATT-Tag mehr als 120 GByte Daten (Bild und Text) von der Webseite des ATT heruntergeladen.
Abwechslungsreiches Vortragsprogramm Das ATT-Team hatte im Vorfeld intensiv an einem abwechslungsreichen Vortragsprogramm gearbeitet. Allein an der Eröffnungsveranstaltung nahmen auf Zoom und YouTube zusammen ca. 350 OnlineBesucher teil. Nach der Begrüßung durch Claudia Henkel richteten Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen und James W. ,,Jim" Kennedy, ehemaliger Leiter des Kennedy-Space-Center, herzliche Grüße an die Gemeinschaft der Amateurastronomen. Perfekt besetzt war auch das weitere
Eröffnungsprogramm mit der Keynote von Dr. Andreas Müller, der spannend und umfassend über den Stand der Forschung zu Schwarzen Löchern berichtete. Die anschließende Diskussionsrunde unter der Moderation von Daniel Fischer hat sich mit den Experten Dr.-Ing. Detlef Koschny, Dr. Andreas Hänel und Stefan Seip intensiv mit der zunehmenden Lichtverschmutzung beschäftigt.
Das breite Angebotsspektrum sprach jeden Besucher an, sowohl die Live-Vorträge als auch die vorher aufgezeichneten Videos. Von Vorträgen mit vielen ,pretty pictures` über fachspezifische Astrothemen, Kinderund Jugend-Videos bis hin zu Exoten wie Mikrometeoriten war für jeden was Passendes dabei. Alle 19 ATT-Videos stehen nach wie vor auf dem YouTube-Kanal der Walter-Hohmann-Sternwarte abrufbereit. Der Regie- und Moderationsstuhl war dazu mit Peter Gärtner an diesem Veranstaltungstag perfekt besetzt.
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VdS vor Ort / Tagungsberichte
Virtuelle Messestände gut besucht Der ATT 2021 digital bildete auch das Messegeschehen eines analogen ATT ab. 36 Aussteller haben teilgenommen und sich am gemeinsamen Auftritt mit jeweils einer eigenen Ausstellerseite im Rahmen der ATT-Website beteiligt. Unter ihnen waren viele bekannte Namen, aber auch einige neue waren dabei, die das digitale Format gerade aufgrund der eigenen geografischen Distanz gerne genutzt haben. Es haben sich nicht nur die bekannten Händler mit entsprechenden Informationen und Angeboten engagiert, auch astronomische Einrichtungen und Vereine haben zum Webauftritt beigetragen.
Manche Aussteller konnten mehr als 300 Zugriffe auf ihre ATT-Ausstellerseite verzeichnen, einige haben sogar die magische 1.000er-Grenze geknackt. Wie viele ATTBesucher dann auch die Webseiten und Shops der Aussteller besucht haben, kann nur vermutet werden.
Gespräche in virtuellen Räumen Fantastisch wurden die Zoom-BreakoutSessions angenommen, die während des ATT als ,,Ausstellerräume" und ,,Bistrotische" zum gemeinsamen Gespräch einluden. Die diesjährigen ATT-Besucher hatten in den letzten Monaten pandemiebedingt schon Erfahrungen mit virtuellen Treffen sammeln können, daher waren die Ausstellerräume und Bistrotische sehr gut besucht. Enrico Fruth und Jörg-Peter Schräpler von der WHS haben als Empfangsteam den vielen Besuchern gerne ,den Weg` zum richtigen Raum gezeigt.
1 Seitenaufrufe und Datentransfer auf www.att-digital.de vom 1. bis 15.05.2021
- 92 Prozent davon nach eigenen Angaben aktive Amateurastronomen - gaben knapp 90 Prozent an, im Falle einer Abschaffung der Zeitumstellung eine dauerhafte Normalzeit zu bevorzugen. Damit stehen sie im Gegensatz zum Ergebnis einer repräsentativen Umfrage aus dem März 2021, nach der sich 46 Prozent der Deutschen für eine dauerhafte Sommerzeit und nur 27 Prozent für eine dauerhafte Winterzeit entscheiden würden.
Fazit Der rundum gelungene ATT 2021 digital hat die Erwartungen des ATT-Teams,
bestehend aus Claudia Henkel, Beatrix Woyth, Peter Gärtner, Enrico Fruth, Jörg Henkel, Torsten Mörke und Dr. Michael Werger, übertroffen. Die große Zahl an Besuchern und die positiven Feedbacks haben gezeigt, dass es das Team geschafft hat, dem Anspruch an einen ATT mit ,,Live-Feeling" gerecht zu werden.
Internethinweise (Stand 3.6.2021): [1] WHS-Website:
www.sternwarte-essen.de [2] WHS-YouTube: www.youtube.com/
channel/UCfpgQ0sS2ddWzA3VC8i9mKw
Umfrage zur Zeitumstellung Auch interessant ist das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage zur jährlichen Zeitumstellung - ein Angebot, das im Bistro-Bereich der ATT-Website verlinkt wurde: Von den 206 Umfrage-Teilnehmern
2 Die Teilnehmer an der Diskussionsrunde zur Lichtverschmutzung (Screenshot)
Journal für Astronomie Nr. 79 | 117
FUHRMANN
PERSEUS Algol
Aldebaran
Plejaden STIER
R WIDDE
Uranus
DREIECK
EDA ANDROM
KASSIOPEIA FISCHE
KEPHEUS Deneb
SCHWAN
Wega
HERKULES
LEIER
EIDECHSE
PEGASUS
Albireo FÜCHSCHEN
PFEIL
DELFIN FÜLLEN
Atair
ADLER
SCHLANGENTRÄGER
Mira WALFISCH
ERIDANU S
SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. Oktober 23 Uhr MESZ
Mondphasen im Oktober 2021
Neptun
WASSERMANN Jupiter
SCHILD
SÜDL. FISCH Fomalhaut BILDHAUER
SÜD
Saturn STEINBOCK
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zusammengestellt von Werner E. Celnik, mit Beiträgen von Dietmar Bannuscher (Veränderliche Sterne), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Kleinplaneten).
Neumond 6.10.
Erstes Viertel 13.10.
Vollmond 20.10.
Letztes Viertel 28.10.
Ereignisse im Oktober
02.
max. Libration Ost
02. ca. 02:31 (1721) Wells (16,6 mag) bedeckt TYC 1940-00322-1
(9,6 mag, Sternbild Krebs) für 1,7 s, Hell.-Abnahme
7,0 mag, Pfad N-Deutschld.
03. ab 04:31 Mond bedeckt Eta Leonis (3,5 mag), Zeitpunkt abh. v.
Standort
03. 5h
Mond 4,6 Grad N Regulus (Alpha Leonis, 1,4 mag)
04. ab ca. 6h Streif. Sternbed. Mond - SAO 99392 (6,5 mag), Linie
Emden - Bremerhaven - Hamburg - Mölln - Sternberg -
Anklam
04. ab ca. Ganymed vor Jupiter, bis 19:23
18:30
06. 12:05 Neumond
06. ab 21:47 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 23:05
07. ab 23:40 Europa mit Schatten vor Jupiter, bis 00:26
08. 6h
Mars in Konjunktion mit der Sonne
08. ab 16:19 Mond bedeckt Alpha Librae (2,8 mag), Zeitpunkt abh. v.
Standort
08. 18h
Mond erdnah, 32,9'
08. Abend Maximum Meteorschauer der Delta-Draconiden, 21 km/s,
Anzahl stark schwankend
09. 18:30 Mond 2,5 Grad NW Venus (-4,2 mag, 20,3'')
09. 20h
Merkur in unterer Konjunktion mit der Sonne
10. 18:30 Mond 5,9 Grad O Antares (Alpha Scorpii, 1,1 mag)
11. ab 21:07 Ganymed vor Jupiter, bis 23:00
12. ca. 02:51 (21564) Widmanstatten bedeckt HIP 42076 (6,0 mag,
Sternbild Wasserschlange) für 1,0 s, Hell.-Abnahme
12,5 mag, Pfad N-Deutschld.
13. 04:25 Erstes Viertel
13. ab 23:43 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 00:55
14. 19h
Mond 7,0 Grad SO Saturn (0,5 mag, 17,3'')
15. ab 18:12 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 19:32
15. 18:30 Mond 5,6 Grad SO Jupiter (-2,6 mag, 44,4'')
16.
max. Libration West
20. 4h
(7) Iris (9,2 mag) 16,8' SW off. Hfn. NGC 2420 (8,3 mag,
10'), Sternbild Zwillinge
20. 15:57 Vollmond
21. Morgen Maximum Meteorschauer der Orioniden, 67 km/s, ca. 20/h
22. ab 20:08 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 21:14
24. 05:30 Mond 5,8 Grad N Aldebaran (Alpha Tauri, 1,0 mag)
24. 16h
Mond erdfern, 29,5'
25. 6h
Merkur (-0,5 mag, 6,9'') größte westl. Elong. (18,5 Grad ), gute
Morgensichtbarkeit
28. 21:05 Letztes Viertel
29. ca. 17:30 Venus (-4,4 mag, 25,0'') größte östl. Elong. (47 Grad ),
Abendhimmel
29. ab 22:04 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 23:07
30. 2h
Mond 6,2 Grad NO Regulus (Alpha Leonis, 1,4 mag)
30. ab ca. Streifende Sternbedeckung Mond - SAO 98742
3:45 (6,5 mag), Linie Hörnum/Sylt - Niebüll - nördl. Flensburg
30. 05:30 Mond 8,2 Grad NW Regulus (Alpha Leonis, 1,4 mag)
31.
max. Libration Ost
31. 02:00 Umstellung von Sommerzeit MESZ auf MEZ, Uhr um
1 Stunde von 3h MESZ auf 2h MEZ zurückstellen
31. 17:30 Io mit Schatten vor Jupiter
118 | Journal für Astronomie Nr. 79
Castor Pollux
Capella
KASSIOPEIA
KEPHEUS
ZWILLINGE
Beteigeuze ORION
FUHRMANN Aldebaran
Algol
STIER
PERSEUS Plejaden
DREIECK WIDDER
ANDROM EDA
Uranus
FISCHE
EIDECHSE
Deneb PEGASUS
Wega
LEIER
SCHWAN
Albireo
FÜCHSCHEN PFEIL
DELFIN
Atair
FÜLLEN
ADLER
Rigel SÜDOST
Mira ERIDANUS
Sternkarte exakt gültig für 15. November 22 Uhr MEZ
Mondphasen im November 2021
WALFISCH
Neptun
WASSERMANN Jupiter
BILDHAUER
STEINBOCK FomalhautSÜDL. FISCH SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
SÜD
www.sternfreunde.de
Quellen: US Naval Observatory, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto), Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]).
Neumond 4.11.
Erstes Viertel 11.11.
Vollmond 19.11.
Letztes Viertel 27.11.
Ereignisse im November
01. 19h
Neptun (7,8 mag, 2,3'') 4,5' N Galaxie PGC 71436
(15,6 mag, 0,5'), Sternbild Wassermann
01. ab 20:47 Europa mit Schatten vor Jupiter, bis 21:04
03. 05:30 (1) Ceres (7,6 mag) 7,1' S Aldebaran (Alpha Tauri, 1,0 mag)
03. 06:15 Mond 7,0 Grad NW Merkur (-0,9 mag, 5,6'') und 7,4 Grad N Spica
(1,1 mag)
04. 22:15 Neumond
05. 1h
Uranus (5,6 mag, 3,8'') in Opposition zur Sonne, Sternbild
Widder
05. 23h
Mond erdnah, 33,3'
06. ab 17:33 Kallisto vor Jupiter, bis 22:21
06. 18h
Venus (-4,5 mag, 27,5'') 2,9 Grad S Lagunennebel M8
08. 17:30 Mond 6,0 Grad O Venus (-4,5 mag, 28,2'')
08. 18h
Planetenparade am Abendhimmel: Venus, Mond, Saturn,
Jupiter
09. 20h
(2) Pallas (9,5 mag) 1,1' SW Galaxie NGC 7371 (11,6 mag,
2,0'), Sternbild Wassermann
10. 18:39 Mond 5,0 Grad S Saturn (0,6 mag, 16,5'')
11. 13:46 Erstes Viertel
11. 21h
Mond 4,9 Grad S Jupiter (-2,4 mag, 40,7'')
12.
max. Libration West
13. 05:30 (1) Ceres (7,3 mag) 9,9' NW 75 Tauri (5,0 mag)
14. 18h
Venus (-4,5 mag, 30,5'') 3,1 Grad S Kugelhaufen M22
14. ab 20:24 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 21:25
15. 6h
Komet C/2021 A1 Leonard (9,4 mag) 30' N Galaxie NGC
4203 (10,7 mag), Sternbild Jagdhunde
16. 6h
Komet C/2021 A1 Leonard (9,2 mag) 21' SW Galaxie NGC
4395 (10,0 mag), Sternbild Jagdhunde
16. ab 14:54 Ganymed u. Io vor Jupiter, Ganymed bedeckt Io-Schatten,
bis 15:14, Taghimmel
16. auf 17. Maximum Meteorschauer der Leoniden, 71 km/s, ca. 15/h
19. 6h
Komet C/2021 A1 Leonard (8,8 mag) 30' N Galaxie NGC
4203 (10,7 mag), Sternbild Jagdhunde
19. 09:57 Vollmond, partielle Mondfinsternis, in Mittel-EU
unbeobachtbar
20. 6h
Mond 6,6 Grad NW Aldebaran (Alpha Tauri, 1,0 mag)
21. 3h
Mond erdfern, 29,4'
21. ca. 04:11 (138) Tolosa (13,4 mag) bedeckt TYC 1911-00407-1
(9,8 mag, Sternbild Zwillinge) für 16,8 s, Hell.-Abnahme
3,6 mag, Pfad O-Deutschld.
21. Abend Maximum Meteorschauer der Alpha-Monocerotiden,
Fallrate stark schwankend
22. ca. 19:00 (4082) Swann (14,7 mag) bedeckt HIP 8409 (7,9 mag,
Sternbild Dreieck) für 2,0 s, Hell.-Abnahme 7,4 mag, Pfad
W-Deutschld. - Schweiz
23. ab ca. 17h Io mit Schatten vor Jupiter, bis 17:50
23. ab 18:36 Ganymed u. Io-Schatten vor Jupiter, bis 19:07
24. 6h
Komet C/2021 A1 Leonard (8,1 mag) 8' SW Galaxie NGC
4631 (9,0 mag) und 35' NW Galaxie NGC 4656 (10,1 mag),
Sternbild Jagdhunde
25. 4h
Komet C/2021 A1 Leonard (7,9 mag) 46' O Galaxie NGC
4631 (9,0 mag) und 20' NO Galaxie NGC 4656 (10,1 mag),
Sternbild Jagdhunde
26. ca. 06:59 (828) Lindemannia (16,5 mag) bedeckt TYC 273-00196-1
(9,2 mag, Sternbild Jungfrau) für 1,9 s, Hell.-Abnahme
7,3 mag, Pfad N-Deutschld.
26. ca. 20:56 (1091) Spiraea (15,4 mag) bedeckt TYC 1864-00542-1
(9,4 mag, Sternbild Zwillinge) für 3,7 s, Hell.-Abnahme
6,2 mag, Pfad SO-Deutschld. - Schweiz
27.
(1) Ceres (7,0 mag, 0,7'') in Opposition zur Sonne, Sternbild
Stier, Hyaden
27. 01:45 Mond 4,5 Grad N Regulus (Alpha Leonis, 1,4 mag)
27. ca. 7h Streif. Sternbed. Mond - 42 Leonis (6,2 mag), Linie
Rostock - Malchin - Angermünde
27. 13:28 Letztes Viertel
28.
max. Libration Ost
29. 6h
Merkur in oberer Konjunktion mit der Sonne
29. ca. 17:58 (5234) Sechenov (15,4 mag) bedeckt HIP 856 (8,1 mag,
Sternbild Pegasus) für 0,9 s, Hell.-Abnahme 8,1 mag, Pfad
NW-Deuschld. - SO-Deutschld. - Österreich
30. 4h
(7) Iris (8,5 mag) 47,5' W Doppelstern Zeta Cancri
(5,3 mag)
30. ab 18:45 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 19:47
30. ca. 21:39 (1474) Beira (14,9 mag) bedeckt UCAC4 618-132435
(10,0 mag, Sternbild Pegasus) für 0,8 s, Hell.-Abnahme
4,7 mag, Pfad S-Deutschld. - Österreich
Journal für Astronomie Nr. 79 | 119
LUCHS
Pollux Castor
KREBS
ZWILLINGE
KLEINER HUND
Procyon
Beteigeuze
GIRAFFE Capella
KASSIOPEIA
FUHRMANN
STIER Aldebaran ORION
Algol PERSEUS
ANDROMEDA DREIECK
Plejaden
WIDDER
Uranus
FISCHE
HSE EIDEC
SCHWAN PEGASUS
EINHORN
GROSSER HUND Sirius SÜDOST
Rigel HASE
Sternkarte exakt gültig für 15. Dezember 22 Uhr MEZ
Mondphasen im Dezember 2021
WALFISCH
ERIDANUS CHEMISCHER OFEN
SÜD
Neptun WASSERMANN
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Alle Zeitangaben in MEZ, für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben. Zum Umrechnen in MESZ im Zeitraum 28.03.2020, 2:00 Uhr MEZ, bis 31.10.2020, 2:00 MEZ, eine Stunde zu den Zeitangaben addieren. ,,Libration West" bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom westlichen Mondrand (Mond-Osten) befindet.
Neumond 4.12.
Erstes Viertel 11.12.
Vollmond 19.12.
Letztes Viertel 27.12.
Ereignisse im Dezember
01. 6h
Mond 5,2 Grad NO Spica (Alpha Virginis, 1,1 mag)
03. ca. 02:36 (573) Recha (14,0 mag) bedeckt HIP 30484 (6,7 mag,
Sternbild Fuhrmann) für 4,7 s, Hell.-Abnahme 7,2 mag,
Pfad Österreich - SW-Deutschld. - Schweiz
03. 6h
Komet C/2021 A1 Leonard (6,3 mag) 5' (!) S Kugelhfn. M 3
(6,3 mag, Durchm. 18,6'), Sternbild Jagdhunde
03. ab 20:34 Europa mit Schatten vor Jupiter, bis 20:52
04. 06:30 Komet C/2021 A1 Leonard (6,0 mag) 2,7 Grad SW Kugelhfn.
NGC 5466 (9,2 mag, Durchm. 9,2'), Sternbild Bärenhüter
04. 08:43 Neumond, erdnah (33,5'), totale Sonnenfinsternis, beob-
achtbar im Südpolarmeer
04. 17:30 Venus (-4,9 mag, 41,1'') in größtem Glanz
05. 5h
Komet C/2021 A1 Leonard (5,8 mag) 2,7 Grad SO Kugelhfn.
NGC 5466 (9,2 mag, Durchm. 9,2'), Sternbild Bärenhüter
06. 06:30 Komet C/2021 A1 Leonard (5,5 mag) 5,3 Grad N Arcturus
(0,2 mag), Sternbild Bärenhüter
06. 17h
Mond 6,5 Grad SW Venus (-4,7 mag, 42,5'')
07. 18h
Mond 8,4 Grad SW Saturn (0,7 mag, 15,8'')
07. ab 20:41 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 21:46
08. 18h
Mond 8,9 Grad O Saturn (0,7 mag, 15,8'')
09. 17:30 Mond 6,4 Grad SO Jupiter (-2,2 mag, 37,4'')
10.
max. Libration West
10. ca. 19:57 (2323) Zverev (14,8 mag) bedeckt TYC 1788-00301-1
(9,3 mag, Sternbild Widder) für 2,4 s, Hell.-Abnahme
5,8 mag, Pfad N-Deutschld.
11. 0h
(44) Nysa (9,1 mag) 49' N der off. Hfn. NGC 1817
(7,7 mag, 19') und NGC 1807 (7,0 mag, 12'), Sternbild Stier
11. 02:36 Erstes Viertel
12. 7h
Komet C/2021 A1 Leonard (4,2 mag) 3,4 Grad NO Kugelhfn.
M 12 (6,1 mag) und 4,3 Grad N Kugelhfn. M 10 (6,6 mag),
Sternbild Schlangenträger, tief im O
13. 07:20 Komet C/2021 A1 Leonard (4,2 mag) 1,0 Grad SO Kugelhfn.
NGC 6366 (9,5 mag) und 3,1 Grad SW Kugelhfn. M 14
(7,6 mag), Sternbild Schlangenträger, tief im O
13. ab ca. 21h Maximum Meteorschauer der Geminiden, 35 km/s,
ca. 150/h
14. 17:30 Komet C/2021 A1 Leonard (4,2 mag) 54' W Nebel M16,
Sternbild Schlange, tief im SW
16. ab 17:04 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 18:15
17. 18h
Mond 5,6 Grad N Aldebaran (Alpha Tauri, 1,0 mag)
17. ab 22:28 Mond bedeckt Tau Tauri (4,3 mag), Zeitpunkt abh. v.
Standort
18. 3h
Mond erdfern, 29,4'
19. 05:35 Vollmond
20. z. Monats- R Trianguli (Mira-Stern), Max. 5-6 mag
ende
20. 19h
(1) Ceres (7,5 mag) 2,9' NO SAO 93650 (6,0 mag),
Sternbild Stier
21. 16:59 Winteranfang
22. ca. 06:42 (181) Eucharis (12,5 mag) bedeckt HIP 52224 (9,9 mag,
Sternbild Sextant) für 2,1 s, Hell.-Abnahme 13,7 mag,
Pfad Schweiz - S-Deutschld. - Österreich
23. ab 19:00 Io mit Schatten vor Jupiter, bis 20:14
24. ab 05:41 Mond bedeckt Eta Leonis (3,5 mag), Zeitpunkt abh. v.
Standort
24. 06:30 Mond 4,5 Grad N Regulus (Alpha Leonis, 1,4 mag)
24. ca. 18:19 (186) Celuta (12,5 mag) bedeckt TYC 2881-01147-1
(9,6 mag, Sternbild Perseus) für 5,2 s, Hell.-Abnahme
8,7 mag, Pfad O-Deutschld. - SW-Deutschld. - Schweiz
26.
max. Libration Ost
27. 03:24 Letztes Viertel
28. 06:30 Mond 5,5 Grad N Spica (Alpha Virginis, 1,1 mag)
28. ab ca. 7:30 Streif. Sternbed. Mond - SAO 139304 (6,6 mag), Linie
Gronau (Westfalen) - Hamm - Arnsberg - Marburg -
Würzburg - Schrobenhausen - München - Raubling
31. 13:30 Venus (-4,3 mag, 60,6'') nähert sich der unteren
Konjunktion mit der Sonne, Distanz 13,8 Grad , 2,7% beleuchtet
120 | Journal für Astronomie Nr. 79
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Beobachterforum
Mein Astronomietag 20. März 2021 minus 1
- Live und voll analog
von Holger Pötschick
Erst seit Jahresbeginn bin ich Mitglied der VdS, wollte mich aber mit einem eigenen Beobachtungsabend beim Astronomietag der VdS beteiligen. Wohnhaft ganz im Norden von Berlin habe ich hier nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für astronomische Beobachtungen; dennoch liebe ich mein Hobby bereits seit 1980, vor allem als visueller Planetenbeobachter. Da es mir am meisten Freude bereitet, gemeinsam mit Freunden und Bekannten in den Himmel zu schauen und ihnen die Gestirne und vor allem das Wesen dahinter zu erklären, war es für mich nur folgerichtig, der VdS beizutreten und ihrem Grundgedanken zu folgen, nämlich astronomisches Wissen zu verbreiten und astrologischen und pseudo-wissenschaftlichen Behauptungen zu widersprechen.
Astronomie-Angebot - nicht nur am Astronomietag Diesem Gedanken folge ich bereits seit geraumer Zeit mit meinen astronomischen Beobachtungsabenden, die ich hier in der Nähe auf freiem Feld am Stadtrand von Berlin für Interessierte aus der Nachbarschaft auf ,,nebenan.de" anbiete und damit regen Zuspruch finde. Klar, dass ich diesmal meinen Beobachtungsabend unter das Motto ,,Die Kraterlandschaft des Mondes" stellte und entsprechend angekündigt habe.
Während die meisten Einrichtungen coronabedingt nur online-Angebote gemacht haben, fand mein Beobachtungsabend ,,voll analog" an drei verschiedenen Teleskopen statt. Dazu hatte ich mir bereits im Vorfeld die Meinung bzw. die Maßgaben von Gesundheits- und Ordnungsamt eingeholt, um als Veranstalter nicht dem Vorwurf der Fahrlässigkeit ausgesetzt zu sein. Allerdings steht und fällt so ein Beobachtungsabend freilich immer mit den Wetterbedingungen. Eine Woche zuvor sah es noch recht positiv aus für den 20. März,
1 Alles fertig aufgestellt: Der 200-mm-Schmidt-Cassegrain und die
beiden Refraktoren warten auf die Besucher und den Einbruch der Dunkelheit.
doch dann zogen immer düstere Wolken über den Vorhersagezeitraum.
Der Astronomietag - vorgezogen Am Donnerstag vor dem Astronomietag habe ich mich dann flugs dazu entschlossen, den Beobachtungsabend um einen Tag auf den Freitag vorzuziehen - als Einzelveranstalter kann ich mir das ja leisten. Die bereits von mir am Berliner Mauerweg aufgehängten Plakate habe ich mit neuem Datum überklebt und die VdS-Geschäftsstelle übernahm freundlicherweise sofort meine Terminänderung auf die Internetseite. Und es war genau die richtige Entscheidung: Nach heftigen Schneeschauern noch am Freitagnachmittag klarte der Himmel pünktlich zum Sonnenuntergang auf und bot - für Berliner Verhältnisse - beste Beobachtungsbedingungen.
Nach einem kurzen Einführungsvortrag in die Thematik des Abends konnte ich den ebenfalls rasch entschlossenen Besuchern - es waren insgesamt an die 20 an der Zahl und, wie ich, alle brav mit Maske erschienen - die Kraterlandschaft des Mondes mit verschiedenen Vergrößerungen zeigen und zahlreiche Fragen beantworten. In gebührendem Abstand zueinander hatte ich zwei Refraktoren (einen 100-mm-Achromaten und einen 140-mm-Apochromaten) sowie ein 200-mm-Schmidt-Cassegrain-Teleskop postiert (Abb. 1).
Nach Einbruch der Dunkelheit kam natürlich auch schnell die Frage nach den hellen ,,Sternen" direkt über und unter dem Mond auf, die dem unbewaffneten Auge fast gleichermaßen hell und zugleich rötlich erschienen. Es war natürlich die bemer-
122 | Journal für Astronomie Nr. 79
Beobachterforum
2 Der ,,astronomische Wegweiser" am Astronomietag
kenswerte Konstellation, dass der Mond zwischen Mars und Aldebaran hindurchwanderte. Gut darauf vorbereitet, hatte ich auch noch einen kleinen ,,Himmelswegweiser" inmitten meines Fernrohr-Dreiecks aufgestellt mit ausgewählten Beobachtungszielen und den tagaktuellen Entfernungen bis dorthin (Abb. 2).
Im Achtzöller konnte ich den Mars immerhin soweit vergrößern, dass er noch deutlich als Scheibchen erkennbar war - freilich kein Vergleich zu der grandiosen Opposition im letzten Herbst. Aber guten Beobachtern gelang immerhin noch die Feststellung, dass er auf der sonnenabgewandten Seite ein wenig abgeplattet erschien.
Nach einem kurzen Ausflug zum Uranus wurde mein Beobachtungsprogramm noch bereichert von den offenen Stern-
haufen M 44 (Krippe) und M 67 im Krebs. Die Plejaden erschienen vor allem im 140-mm-Apochromaten und niedriger Vergrößerung als Prachtstück.
Allerdings wurde es den meisten Besuchern danach doch zunehmend kalt - die Temperatur sank spürbar unter die NullGrad-Grenze und die Instrumente setzten langsam Reif an. Auch der Akku an meinem kleinen Vierzöller machte schlapp und verweigerte irgendwann die Nachführung.
Wer es jedoch noch ein wenig aushielt, kam noch in den Genuss des wunderbaren Kugelsternhaufens M 3 und einiger Doppelsterne. Inzwischen zeigten sich aber auch auf der Mondoberfläche neue Bergspitzen im Sonnenaufgang an der Lichtgrenze.
So konnte ich wieder einigen Besuchern ein abwechslungsreiches Programm bieten, und auch von denen, die die kurzfristige Terminänderung nicht mitbekommen hatten, kam über nebenan.de prompt die Frage nach dem nächsten Beobachtungsabend. Der wird sicherlich coronabedingt leider etwas auf sich warten lassen. Aber als nächstes Highlight habe ich schon mal vorsorglich auf die partielle Sonnenfinsternis am 10. Juni verwiesen. Vielleicht werden wir es ja in Deutschland bis dahin geschafft haben, wenigstens ein Drittel oder gar die Hälfte unserer Einwohner zu impfen, damit wir uns wieder sorgloser treffen können.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 123
Beobachterforum
Die Supernova SN 2021hpr
1 NGC 3147 ohne Supernova, Februar/März 2020, Flensburg (1.000 m zur
Stadtmitte), ONTC-Newton 300 mm/1.530 mm, Canon 600D astromodifiziert, Gesamtbelichtung 13,8 h bei ISO 200 bis 1600 (Bild: Gotthard Stuhm)
124 | Journal für Astronomie Nr. 79
Supernovae sind mittlerweile häufig beobachtete extragalaktische Objekte. Hier soll über eine Supernova berichtet werden, auf die sich einige Beobachter der Fachgruppe Astrofotografie mit Erfolg konzentrierten. In der Spiralgalaxie NGC 3147 im Sternbild Drache war Anfang April 2021 die Supernova SN 2021hpr aufgetaucht. NGC 3147 ist etwa 130 Millionen Lichtjahre entfernt (Abb. 1). Ich zitiere nun Manfred Mrotzek, der die Publikationen über extragalaktische Supernovae innerhalb der Fachgruppe stets fest im Blick hat. Er schrieb am 3. April: ,,Der japanische Amateur Koichi Itagaki, der seit vielen Jahren ein überaus erfolgreiches Supernovasuchprogramm durchführt, entdeckte am 02.04.2021 nach SN 2006gi und SN 2008fv mit SN 2021hpr bereits seine dritte Supernova in NGC 3147. Und es ist nach SN 2021do bereits die zweite Supernova, die im Jahr 2021 in NGC 3147 entdeckt wurde."
Was die Beobachtergruppe im April 2021 hinsichtlich der SN 2021hpr zustande brachte, sei hier bildlich in zeitlicher Abfolge wiedergegeben. Keine 12 Stunden nach der Entdeckung konnte auch Manfred Mrotzek die Supernova nachweisen (Abb. 2). Sein Kommentar: ,,Sie ist noch nicht sehr hell (ca. 17 mag), aber fotografisch gut erkennbar." Am 3. April gelang Peter Remmel ein schönes Ergebnis (Abb. 3), einen Tag später Harald Kaiser (Abb. 4). Die Helligkeit der Supernova stieg rasch an. Manfred Mrotzek konnte am 12. April eine weitere Aufnahme beisteuern, diesmal bei ca. 14,5 mag (Abb. 5). Inzwischen konnte spektroskopisch auch der Typ Ia nachgewiesen werden [1]. Den Schlusspunkt setzte Kai-Oliver Detken am 19. April (Abb. 6). Den fünf Astrofotografen sei zu dem Gruppenerfolg herzlich gratuliert!
Peter Riepe
Internethinweis (Stand Mai 2021): [1] British Astronomical Association: "SN
2021hpr", https://britastro.org/node/25877
2 Start 02.04.2021, 23:24 Uhr MESZ, danach
Pause wegen Bewölkungsdurchzug, weiter ab 03.04.2021 um 00:28 Uhr MESZ, Apochromat 140 mm f/5,4 und Atik 460EX, L-Filter, 22 x 3 min (Bild: Manfred Mrotzek)
Beobachterforum
3 03.04.2021, 20:30 Uhr UT, Celestron 14 Hyperstar (f/1,9), ASI
294MM, 16 x 60 s (Bild: Peter Remmel)
4 04.04.2021, ab 20:33 Uhr UT, Newton 250 mm/1.000 mm,
ASI071, 17 x 3 min (Bild: Harald Kaiser)
5 12.04.2021, 22:00 Uhr UT, 140-mm-Apochromat f/5,4 mit Atik
460EX, 10 x 3 min, L-Filter (Bild: Manfred Mrotzek)
6 19.04.2021, 130-mm-Apochromat TS PHOTOLINE 130, ASI
2600MCpro und IDAS-Filter von Hutech, bei f = 910 mm 6,5 Stunden belichtet (Bild: Kai-Oliver Detken)
Journal für Astronomie Nr. 79 | 125
Beobachterforum
Die partielle Sonnenfinsternis am 10. Juni 2021
zusammengestellt von Sven Melchert Es geschah an einem Donnerstag zur Mittagszeit: der Neumond zog vor die Sonne und bescherte uns eine Sonnenfinsternis. Global betrachtet war es sogar eine ringförmige, von Mitteleuropa aus konnte eine partielle Bedeckung verfolgt werden. Mit rund 20 Prozent in Norddeutschland und gerade mal sechs Prozent im Süden Deutschlands fiel die Bedeckung gering aus, doch nach fünf finsternisfreien Jahren wollte sich niemand dieses Ereignis entgehen lassen. Die nächste Gelegenheit bietet sich gleich nächstes Jahr am 25. Oktober - diesmal an einem Dienstag und wieder ab etwa 11 Uhr MESZ.
1 Partielle Sonnenfinsternis am 10.06.2021 in Rheinberg, Zeitreihe
von 11:24 bis 13:24 MESZ, maximaler Bedeckungsgrad 0,263, Aufnahmen mit Teleobjektiv Canon Zoom 100-400 mm und 2-fach-Konverter, Effektivbrennweite 800 mm, Kamera Canon 1300D, Sonnenfilterfolie Dichte 3,5, Gelbfilter GG 495, Belichtung jeweils 1/1600 s bei ISO 200. Bildautor: Werner E. Celnik.
2 Links: Partielle Sonnenfinsternis am 10.06.2021 in Rheinberg,
Montage von 7 Einzelaufnahmen von 11:24 bis 13:24 MESZ, maximaler Bedeckungsgrad 0,263, Aufnahmen mit Teleobjektiv Canon Zoom 100-400 mm und 2-fach-Konverter, Effektivbrennweite 800 mm, Kamera Canon 1300D, Sonnenfilterfolie Dichte 3,5, Gelbfilter GG 495, Belichtung jeweils 1/1600 s bei ISO 200. Bildautor: Werner E. Celnik.
3 Mit einem 100-mm-Refraktor projizierte Holger Pötschick
in Blankenfelde bei Berlin das Sonnenbild auf einen separat aufgestellten Schirm. So konnten auch 15 Besucher die Sonnenfinsternis verfolgen.
4 Aufnahme der partiell verfinsterten Sonne durch einen 140-mm-ED-
Refraktor von Holger Pötschick. Kamera: Panasonix Lumix DMC-G5.
126 | Journal für Astronomie Nr. 79
Beobachterforum
5 Auch bei der Schulsternwarte Zwickau
erlaubte das Wetter eine Beobachtung der Sonnenfinsternis. Dieses Bild von Monika Müller entstand um 12:35 Uhr MESZ mit einer Canon EOS 80D, Objektiv Sigma 150-600 C bei 600 mm Brennweite sowie Baader-Sonnenfilter ND = 5, ISO 500, Blende 9, 1/1250 s aus freier Hand belichtet. Im Teles kop war sogar das Mondrandprofil sichtbar.
6 Kollage der partiellen Sonnenfinsternis vom 10. Juni 2021 von Frank Unger. Die Einzelaufnahmen wurden alle 15 Minuten
mit einem 6-Zoll-RC-Teleskop von Omegon, Reducer 0,67 x und Canon 850D gemacht.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 127
Beobachterforum
7 Gabriele und Jörg Ackermann konnten in Zaberfeld-Michel-
bach die Sonnenfinsternis vor dem Aufziehen eines Gewitters aufnehmen. Sie verwendeten ein Zeiss Meniscas mit 180 mm Öffnung und 1.800 mm Brennweite, Baader-Sonnenfilterfolie der Dichte 5 und eine Canon EOS 5D Mark IV. Exakt um 12:24:16 Uhr MESZ wurde ausgelöst.
8 Thorsten Schipmann gelang dieses Bild mit Unterstützung von
Bernd Hartwig fünf Minuten vor dem Maximum um 12:28 MESZ. Für die H-Aufnahme wurde ein Lunt-Teleskop LS80THa und als Kamera die ASI1600MM Pro bei einer Belichtungszeit von 1,5 ms verwendet. Am Sonnenrand sind mehrere Protuberanzen sichtbar, am südlichen Mondrand Berge und Täler.
9 Rainer Schendel aus Berlin genoss die Sonnenfinsternis im
Liegestuhl zusammen mit kühlen Getränken. Das Foto entstand mit einer Fujifilm-FinePix-Kamera.
128 | Journal für Astronomie Nr. 79
1 0 Helmut Metz hatte den Durchblick: ,,Das Bild gelang mir frei-
händig gegen 12:35 Uhr MESZ aus dem Biergarten des Lokals im Kornhaus in Dessau-Roßlau. Als Sonnenfilter diente meine altgediente SoFi-Brille. Die Brille ,nachgeführt` hat freundlicherweise Beatrix Woyth." Canon EOS 750D, Sigma-Zoom 17-70 mm bei f = 63 mm und Blende 22, Belichtungszeit 1/125 s bei ISO 400.
Beobachterforum
1 1 Kai-Oliver Detken nutzte in Grasberg einen 130-mm-Apochro-
maten (TS Photoline f/7) auf Montierung iOptron CEM60 (parallaktisch). Kamera: ASI2600MC Pro, TS-Optics Field Flattener (2 Zoll), Baader-Sonnenfilterfolie, Belichtung: 50 x 1,1 ms, Aufnahmesoftware: FireCapture v2.7.
1 2 In Süddeutschland war der Bedeckungsgrad geringer. Peter
Knappert in Villingen-Schwenningen drückte um 12:15 Uhr MESZ auf den Auslöser der Canon 6D (ISO 100, 1/320 s), als Aufnahmeoptik wurde ein TMB LZOS 105-mm-Apochromat verwendet, dazu ein Sonnenprisma von Lunt, Flatfieldkorrektor, Brennweite ca. 1.200 mm. 12 Aufnahmen wurden mit CCDStack2 kombiniert und mit Photoshop CS4 bearbeitet.
1 3 Die Sonnenfinsternis um 11:40 Uhr MESZ, aufgenommen von
Karsten Möller mit Canon EOS 650D, Celestron C6, optische Sonnenfilterfolie (Baader). Stack aus 10 Aufnahmen 1/1.000 s bei ISO 100. Mit Fitswork gestackt und in PixInsight fertig bearbeitet.
1 4 Oliver Schneider nutzte einen Refraktor 60 mm/360 mm, Baader-
Sonnenfilterfolie, Reisemontierung Skywatcher StarAdventurer, Kamera: ASI178MM. Drei Videosequenzen mit jeweils 500 Bildern wurden zu drei Summenbildern verarbeitet, diese dann miteinander addiert. Das Ergebnisbild zeigt den Lauf des Mondes vor der Sonne als überlagerte Kreisausschnitte. Rechts: 11:56 Uhr MESZ, Mitte: 12:28 Uhr MESZ, links: 13:01 Uhr MESZ.
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Beobachterforum
1 5 Aufnahme von Carsten Reese in Schwanewede bei Bremen.
TMB-Apochromat 115 mm / 805 mm, Fokalaufnahme mit Canon 700D, 1/640 s bei ISO 100. Ein paar kleine Sonnenflecken, die Granulation und auch Mondberge am Rand sind zu erkennen.
1 6 H-Aufnahme der Sonnenfinsternis von Udo Siepmann
in Mülheim/Ruhr. Kamera: ASI174MM, Teleskop: Lunt LS60 auf Skywatcher-EQ6-Montierung. 1.500 Frames, je 1/400 s belichtet, davon 20% verwendet und bearbeitet mit AutoStakkert, Imppg und Adobe Photoshop.
1 7 Auch Thomas Wahl hielt die Finsternis mit einem H-
Teleskop im Bild fest. Skywatcher-Refraktor 100 mm / 500 mm, Lunt-Filter (Energieschutzfilter, 50 mm), Filter: PST-Etalon + 10-mm-Blockfilter Coronado BF-10 mit 90 Grad Lichtablenkung, Kamera: ASI183MM Pro, Bel.-Zeit: 1,3 ms.
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1 8 Die Volkssternwarte Dortmund wird vom Astronomischen Verein
Dortmund e.V. betrieben. Mitglied David Staender beobachtet hier die SoFi am selbstgebauten Fraunhofer-Refraktor mit Lichtenknecker-Optik von 150 mm Öffnung und 2.250 mm Brennweite. Zusatz: ein visueller Glas-Sonnenfilter (Thousand Oaks, ND5), vor dem 35-mm-Okular noch zwei Mondfilter. Durch einen 100-mm-Refraktor (Vixen f/10) mit 32-mmOkular (Erfle) wird das Bild der teilverfinsterten Sonne auf einen Schirm projiziert. Bildautor: Thomas Wassmuth.
Beobachterforum
1 9 Ein Ausschnitt der teilverfinsterten Sonne um 12:18 Uhr MESZ, sieben Minuten vor der maximalen Bedeckung in Stuttgart.
Aufnahme mit Refraktor von 123 mm Öffnung und 738 mm Brennweite, Kamera ASI183MM Pro. Bearbeitung mit AutoStakkert!3 und Schärfung mit Registax. Bildautor: Sven Melchert.
2 0 Bernd Flach-Wilken hatte es auf die Sonnengranulation und Details am Mondrandprofil abgesehen. Für seine Aufnahme am
10.06.2021 um 12:59 Uhr MESZ verwendete er einen apochromatischen Refraktor mit 178 mm Öffnung, die Brennweite wurde durch einen Baader-FFC auf rund 5 m verlängert. Mit einer Kamera ASI174MM wurden durch einen Solar-Continuum-Filter 2.000 Bilder aufgenommen, davon mit AutoStakkert!3 50% zum Ergebnis verarbeitet, das anschließend in Adobe Photoshop eingefärbt wurde.
Journal für Astronomie Nr. 79 | 131
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