Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 77
NACH REDAKTIONSSCHLUSS
4 Bericht aus dem Vorstand (Gallus Astrid)
SPT/DOPPELSTERNE
6 Doppelsterne - eine kurze Einführung in das Schwerpunktthema (Zebahl Robert)
6 Doppelsterne im Fernglas (Pilz Uwe)
8 Doppelsterne quer durch mein erstes Astrojahr (Gebauer Sarah)
12 Farbige Doppelsterne visuell beobachtet (Kräling Winfried)
14 Mizar - ein visuelles Experiment (Zebahl Robert)
16 Doppelsterne - Zeichnungen (Zebahl Robert)
18 61 Cygni - ein besonderer Doppelstern (Kräling Winfried)
20 Speckle-Messungen an Albireo A (Anton Rainer, Ohlert Johannes M.)
26 Kastor - Alpha Geminorum: heler Mehrfachstern am Nordhimmel (Vollmann Wolfgang)
28 25 Jahre Doppelsternmessungen mit Spiegelteleskopen (Alzner Andreas)
31 Die Radialgeschwindigkeiten der Doppelsterne α Centauri und α Aurigae (Capella) (Theede Frank, Anton Rainer)
AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
34 Bau einer Kühlung für die Planetenkamera ZWO ASI178 (Kaiser Harald)
38 Sicheres Aufbewahren von Teleskop und Zubehör (Suntinger Bernhard)
ASTROFOTOGRAFIE
40 Die Spiralgalaxie NGC 5529 und ihr Umfeld (Riepe Peter, Sparenberg Rainer, Binnewies Stefan)
45 Am Rand der Cygnus-Superblase (Mayer Hans Jürgen)
48 Bildbearbeitung - wann ist ein Astrofoto wirklich fertig? (Althoff Gerd)
51 Neue Ergebnisse zur Astrofotografie (Riepe Peter)
ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
56 Führungsbetrieb unter Corona-Beschränkungen (Steinmüller Harald)
58 Der Verein der Sternwarte Roßberg e.V. stellt sich vor (Gammer Martin)
62 10 Jahre Forum Stellarum - eine lokale Amateur-Astronomie-Gruppe stellt sich vor (Teil 2) (Bleymann Florian, Fiebig Ulf, Schultheiß Uwe, Manger Simon)
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
66 Lichtablenkung durch Gravitation (Pilz Uwe)
ATMOSPHäRISCHE ERSCHEINUNGEN
68 2019 und 2020 - Zwei ungewöhnliche Jahre mit Leuchtenden Nachtwolken (Hinz Claudia)
DEEP SKY
73 Skyguide 2021 - 1 (Frühling) (Zebahl Robert, Merting Rene)
KLEINE PLANETEN
76 Kosmische Begegnungen (Hohmann Klaus, Ries Wolfgang)
78 Der Asteroid (85275) und die astronomische Einheit (Hebbeker Thomas, Hattenbach Jan)
KOMETEN
82 Bedeutende Kometen des dritten Quartals 2020 (Pilz Uwe)
83 Wiederentdeckungen von Kometen - weltweit am erfolgreichsten (Schwab Erwin)
86 Die Spiralstruktur in der inneren Koma von Komet C/2020 F3 (NEOWISE) (Celnik Werner E., Teschke Ulrich)
MOND
93 Die Mondfinsternis vom 21.1.2019 - analysiert mit Hilfe einer Vierkanal-Kamera-Fotometrie im visuellen Licht und Infrarot - Teil 2: Ergebnisse (Slansky Peter C.)
97 Mondkrater Copernicus am 5-Zöller gezeichnet (Leich Jens)
RADIOASTRONOMIE
98 Neues aus der FG Radioastronomie (Theede Frank)
99 Radioastronomie und die Nutzung der Radiowellen - Teil 1 (Jessner Axel)
102 Wie hell leuchten Radiosterne? - Teil 1 (Freina Thomas)
SONNE
104 Die ersten großen Fleckengruppen des 25. Zyklus (Bischof Wolfgang, Zunker Andreas)
106 Sonnenaktivität - Auf dem Weg zum Minimum (Teil 4) (Bulling Andreas)
STERNBEDECKUNGEN
107 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 2. Quartal 2021 (Riedel Eberhard)
VDS-NACHRICHTEN
109 Wir begrüßen neue Mitglieder (VdS-Geschäftsstelle)
110 Astronomietag im Herbst 2020 mit Fotowettbewerb (Schomann Michael, Liefke Carolin)
111 In Memoriam 2020 (VdS-Geschäftsstelle)
111 Spenden an die Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS-Vorstand)
VDS VOR ORT/PORTRäT
112 20 Jahre EXPO-Sternwarte Melle (Riepe Peter)
VDS-NOSTALGIE
116 Das war'n noch Zeiten, Folge 39 (Völker Peter)
BEOBACHTERFORUM
121 Die Sonnenuhr in Atzenhain als Partnerstation des Weltprojekts EarthLAT1200.org (Niel Kurt, Benna Gerhard)
Textinhalt des Journals 77
Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software.
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Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.
Nach Redaktionsschluss
Bericht aus dem Vorstand
von Astrid Gallus, Schriftführerin
An dieser Stelle berichtet der Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e.V. über seine Arbeit der letzten drei Monate. Im Februar 2020 fand das letzte Präsenztreffen in Heppenheim statt, seitdem wurden alle Vorstandssitzungen online durchgeführt, die letzte Sitzung war am 30. Januar 2021.
Webseite www.sternfreunde.de Einfach sternfreunde.de eingeben und die Augen aufreißen! Es ist vollbracht! Die neue Webseite der VdS ist da und sie begeistert nicht nur den Vorstand. Unzählige positive Rückmeldungen bestätigen die große Akzeptanz. Zugegeben, es hat länger gedauert als vorgesehen, aber mit dem Er-
gebnis präsentiert sich die VdS modern und griffig. Damit die Fachgruppen der VdS ihre Seiten selbständig bearbeiten können, wird demnächst eine Online-Schulung für ,,Wordpress" veranstaltet; das ist das Programm, welches sich hinter der Webseite versteckt. Demnächst wird auch der Mitgliederbereich noch aktiviert werden, so dass jedes VdS-Mitglied seine geänderten Daten selbst hinterlegen kann. Der absolute Clou jedoch war, dass die vor Jahren bereits reservierte Domain ,,sternfreunde.de" nun ins Leben gerufen werden konnte. Der Vorstand dankt - soweit er nicht mitgewirkt hat - an dieser Stelle den Schöpfern der Webseite, die als Team gearbeitet haben (Gerrit
Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 78 ,,Marsopposition 2020" abgeschlossen haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen:
,,Citizen Science" in Journal Nr. 79 Redaktionsschluss: 01.05.2021 Redakteur: Frederic Schuller (leitung@radioastronomie.sternfreunde.de)
,,Sternfreunde verreisen" in Journal Nr. 80 Redaktionsschluss: 01.08.2021 Redakteur: Michael Schomann (michael.schomann@sternfreunde.de)
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-FachgruppenRedakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden. Vorher empfehlen wir, als Hilfestellung die Autorenhinweise zu nutzen (siehe www. sternfreunde.de/astronomie-fuer-mitglieder/fuer-alle-mitglieder/vds-journal/ autorenhinweise-journal-fuer-astronomie/). Dort finden Sie auch einen Musterartikel als Vorbild und das Artikeldeckblatt zum Eintragen der wichigsten Daten.
Mit dem Einsenden gibt der Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im ,,VdS-Journal für Astronomie" und zur Veröffentlichung auf den Webseiten der VdS. Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion
Grutzek, Carolin Liefke, Sven Melchert und Michael Schomann) ganz besonders herzlich!
Zoom-Lizenz für die Fachgruppen Die VdS hat eine Zoom-Lizenz für VideoKonferenzen erworben. Mit Zoom finden derzeit nicht nur die Vorstandssitzungen statt. Jede Fachgruppe, alle Regionalgruppen der FG Astronomische Vereinigungen sowie die Fachthemenreferenten der VdS können diese Lizenz ebenfalls für sich nutzen. Bei Interesse wende man sich einfach an Michael Schomann.
Personelle Unterstützung Auf der letzten Mitgliederversammlung wurden Projekte vorgestellt, welche die VdS in die Zukunft begleiten und eine steigende Mitgliederzahl mit sich bringen sollen. Die VdS ist leider in der Mehrzahl überaltert und ohne neue Anreize wird der Mitgliederschwund bald die Beitritte übertreffen. Nicht alle dieser Projekte kann der Vorstand ehrenamtlich und in seiner Freizeit umsetzen, er braucht hierfür professionelle Unterstützung. Der Vorstand hat sich in den letzten Monaten erfolgreich umgesehen und ist fündig geworden. Hierüber wird ausführlich im nächsten Journal berichtet werden.
Fachgruppe Planeten Die wichtige Fachgruppe Planeten ist ohne Leitung, dabei gibt es sehr viele aktive Planetenbeobachter*innen und Planetenfotografen*innen. In Norddeutschland und in Bonn finden zum Beispiel seit Jahren regelmäßige Treffen statt. Viele VdS-Mitglieder erinnern sich heute noch gern an die legendären Pfingsttreffen in Violau oder an die gelungenen Veranstaltungen in Bebra. Deutschland fehlt eine aktive überregionale FG Planeten, welche die zuvor genannten und alle weiteren Planetenfans koordiniert. Wer fühlt sich inspiriert, die Fachgruppe neu zu beleben
4 | Journal für Astronomie Nr. 77
Nach Redaktionsschluss
und ihr im Team zusammen mit anderen Aktiven die Geltung in der Szene zurückzugeben, die ihr naturgemäß zusteht? Bei der VdS hat sie ihren richtigen Platz!
Astronomietag, Messen und Tagungen Der Astronomietag 2021 fand am 20. März statt. Sein Thema war dieses Jahr ein Ausflug in die Kraterlandschaft des Mondes; zu diesem Thema wurde wie im vergangenen Jahr auch ein Fotowettbewerb veranstaltet. Wie der AT und der Wettbewerb ausgegangen sind, können Sie aktuell auf unserer Webseite nachlesen. Die Organisation übernahm wie immer unser Vorstandsmitglied Carolin Liefke.
Der Termin für die Würzburger Frühjahrstagung steht kurz bevor: Der 24. April 2021. Die Tagung wird als eine reine Online-Veranstaltung stattfinden. Die Vorbereitungen hierzu laufen auch dieses Mal unter der Leitung unseres Vorstandsmitglieds Dominik Elsässer. Alle wichtigen und aktuellen Informationen hierzu finden Sie auf unserer Webseite.
Die VdS wird auch auf dem ATT 2021 (8. Mai 2021) vertreten sein. Die Essener Sternfreunde der Walter-Hohmann-Sternwarte stemmen sich gegen eine erneute coronabedingte Absage und bereiten erstmalig den ATT als eine Online-Messe vor. Natürlich ist die VdS dabei! Die Vorstandsmitglieder der VdS werden sich in einem Chat-Raum abwechselnd Ihren Fragen, Ihrer Kritik und Vorschlägen stellen.
Der Astronomietag im Herbst soll voraussichtlich am 25.09.2021 stattfinden. Die BoHeTa informiert rechtzeitig, ob und wann sie ausgerichtet wird.
hoffentlich die erste überregionale astronomische Präsenzveranstaltung nach Covid-19 werden und somit zu einem Sehnsuchtstermin, wo wir uns alle endlich live wiedersehen!
Die Mitgliederversammlung der VdS am 13. November 2021 in Essen wird dann
Es grüßt Sie bis zum nächsten Mal - Ihre VdS
Journal für Astronomie Nr. 77 | 5
Doppelsterne
Doppelsterne
- eine kurze Einführung in das Schwerpunktthema
von Robert Zebahl
Deep Sky wird oft mit der Beobachtung von Sternhaufen, Gasnebeln oder fernen Galaxien assoziiert und doch sind es die Sterne, welche beim Blick gen nächtlichen Himmel als erstes auffallen und uns oft am nächsten sind. So unscheinbar Doppelsterne auch sein mögen, offenbaren sie uns viele Möglichkeiten, deren Natur und Erscheinung zu studieren und zu bewundern.
Neben den optischen Doppelsternen gibt es eine Menge physikalischer Doppel- oder gar Mehrfachsterne, welche gravitativ aneinander gebunden sind und Ähnlichkeiten zum Erde-Mond-System aufweisen. Die Messung von Winkelabständen und Positionswinkeln, die Berechnung der Bahnelemente oder der Nachweis von engen Begleitern ist aufgrund der technischen Möglichkeiten selbst manchem Amateur heutzutage zugänglich und liefert teils einen wissenschaftlichen Beitrag, wie mancher Artikel in diesem Journal für Astronomie aufzeigt.
Auch die visuelle Beobachtung von Doppelsternen ist ein besonderes Erlebnis. Auf den ersten Blick mögen es nur zwei kleine Lichtpunkte sein, doch Doppelsterne zeigen sich sehr vielfältig: Unterschiede in Abstand, Helligkeit und Farbe oder eingebettet in besonders schönen Sternfeldern
oder gar Sternhaufen
machen Doppelsterne
zu einem abwechslungs-
reichen Ziel. Für persön-
liche Herausforderungen
stehen auch besonders
enge Doppelsterne zur
Auswahl. Deep Sky fängt
für gewöhnlich mit dem
bloßem Auge an. Das gilt
ebenso für Doppelsterne.
Nimmt man ein Fern-
glas hinzu, hat man Beobachtungsziele für viele
1 Epsilon Lyrae: invertierte Bleistiftzeichnung von Robert Zebahl
Jahre. Im Gegensatz zu am 102-mm-ED-Refraktor (f/11) bei V=125x
nebligen Objekten benö-
tigt man keinen dunklen
Himmel, so dass auch der Stadtbeobachter An dieser Stelle möchte ich noch das Dop-
ganze Abende mit der Beobachtung ausfül- pelstern-Projekt der Fachgruppe Deep Sky
len kann. Auch ist die Wahl des Teleskops erwähnen, welches seit Sommer 2019 exis-
eher zweitrangig, wobei Refraktoren be- tiert und über unsere Fachgruppenseite zu-
sonders geeignet sind.
gänglich ist. In diesem konnten wir bereits
unzählige Beobachtungen, Zeichnungen
Uwe Pilz fand für das Thema Doppelsterne und Fotografien von Doppelsternen zu-
sehr treffende Worte: ,,Doppelsterne stehen sammentragen.
allen Amateuren offen. Sie erfordern keine
besondere Ausrüstung und keinen sonder- Zum Schluss möchte ich mich noch bei
lich dunklen Himmel. Sie erfordern aber allen Autoren für die sehr interessanten
die Bereitschaft, sich auf sie einzulassen. Artikel, aber auch bei allen aktiven Beob-
Wie so oft gibt der Himmel seine Schönheit achtern, welche das Doppelstern-Projekt
erst auf den zweiten Blick preis."
möglich gemacht haben, bedanken.
Doppelsterne im Fernglas
von Uwe Pilz
Ein Fernglas scheint auf den ersten Blick nicht das richtige Instrument für die Beobachtung von Doppelsternen zu sein: Zu wenig Öffnung und die feste Vergrößerung sind die hauptsächlichen Argumente. Es lohnt! Und zwar nicht nur für Beobachter, bei denen das Binokular das Hauptinstrument ist. Es sind mehrere Hundert Doppelsterne in der Reichweite eines mittelgroßen
Fernglases. Nach einiger Übung wird man Meister darin, enge Paare und solche mit großem Helligkeitsunterschied zu trennen. Fernglasbeobachtungen sind Weitfeld-Beobachtungen: Wir sehen die Beobachtungsziele eingebettet in den Nachthimmel. Man erkennt den Bezug zu den Sternbildern, den Nebelobjekten, Sternhaufen und Sterngruppierungen und anderen Doppelster-
nen. Das beidäugige Schauen ist entspannt und damit entspannend. Das natürliche Betrachten des Himmels mit beiden Augen gibt dem Himmel eine Tiefe und Klarheit, die am Okular des Teleskops nicht zu erreichen ist. Zudem ist das Aufsuchen der Objekte ein guter Weg, den Himmel näher kennenzulernen.
6 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
Der visuelle Eindruck von Doppelsternen ist auch im Fernglas vielfältig: Die Vielfalt der Farben fällt als erstes auf - und zwar nicht nur der Komponenten untereinander, sondern auch in Bezug auf das umgebende Sternfeld. Auch im Fernglas machen die verschiedenen Abstände und Helligkeiten den Reiz der Beobachtung aus.
1 Das Stativ und der Neigekopf sollten eine
Unterstützung für zenitnahe Beobachtungsziele geben. Beim abgebildeten ManfrottoStativ 055 befindet sich die Spreizsicherung an den Gelenken der Beine, es ist keine Spinne erforderlich. Man kann deshalb direkt unter das Glas treten. Der Videokopf MVH500AH hat eine Art eingebautes Gegengewicht (eine Feder), damit das Fernglas beim Kippen in der Balance bleibt.
Das Trennvermögen der Ferngläser ist nicht durch die Öffnung/das Rayleigh-Limit begrenzt wie bei einem Teleskop. Dazu ist die Vergrößerung zu gering. Vielmehr hängt das Trennvermögen vor allem von der Vergrößerung ab. Die Sterne müssen freilich hell genug sein, um im Fernglas deutlich sichtbar zu sein.
Doppelsterne im Fernglas dürfen dann theoretisch um den Betrag der Vergrößerung enger stehen, um noch erkannt zu werden. Aus dieser Überlegung gilt für den ,,Standardbeobachter" mit einem Visus von einer
Bogenminute für gleich helle Komponenten > 60''/V. Hier ist der Mindestabstand und V die Vergrößerung. Für ein Fernglas mit 20-facher Vergrößerung wären das beachtliche 3 Bogensekunden! In der Praxis
Für das bloße Auge gelten Details als deutlich sichtbar, wenn sie einen Winkelabstand von 3 Bogenminuten haben. Das Sehvermögen des Durchschnittsbürgers (der sog. Visus) wird mit einer Bogenminute angenommen, das gilt für angestrengtes Sehen. Besonders scharfsichtige Beobachter erreichen vielleicht noch einmal das Doppelte, also 30 Bogensekunden. Man kann die Leistungsfähigkeit der eigenen Augen übrigens an sog. Landolt-Ringen erproben, wie sie auch der Augenarzt benutzt. Hierzu einfach eine Tafel mit diesen Ringen [1] an einem lichten Tag ohne Sonnenschein im Freien aufhängen und ausprobieren, welche Leistung die eigenen Augen haben. Bei mir sind es 40 Bogensekunden.
2 Der Offene Sternhaufen Messier 34
ist reich an Doppelsternen. Drei von ihnen konnten im 16x70-Fernglas sicher erkannt werden, ein weiterer zeigte sich länglich. Die Beobachtung erfolgte fast zu Vollmond. Durch den aufgehellten Himmel überstrahlen die Sterne weniger, Doppelsterne lassen sich leichter trennen. Allerdings bleiben schwächere Haufenmitglieder verborgen.
Journal für Astronomie Nr. 77 | 7
Doppelsterne
erreicht man das nicht einmal annähernd. Der Grund dafür ist, dass die Sterne überstrahlen und damit größer erscheinen als die Landolt-Ringe gedruckt auf Papier. Ein realistischer Mindestabstand ist das Doppelte bis Dreifache, als Formel also 120''/V bis 180''/V. Dies entspricht auch meinen Erfahrungen.
Das Bild im Okular muss ganz ruhig sein für eine erfolgreiche Sichtung. Aus der Hand wird man nur die allereinfachsten Sterne beobachten können. Ein vernünftiges Stativ muss hoch genug sein, damit man die Okulare stets erreicht, ohne in die
Knie zu gehen. Für die Beobachtung hoch stehender Sterne ist es sehr angenehm, wenn man direkt unter das Instrument treten kann. Dazu müssen sich die Beine weit spreizen lassen. Eine Spinne stört. Mittelgroße Ferngläser von mehr als 70 mm Öffnung geraten deutlich aus der Balance, wenn man sie kippt. Es ist sehr angenehm, wenn die Schwenkeinrichtung hierfür eine Gegenkraft ausübt (Abb. 1).
Als Atlas bevorzuge ich den interstellarum Deep Sky Atlas [2]. Die Doppelsterne in diesem Atlas enthalten ein Symbol für die Helligkeitsdifferenz und den Abstand der
Komponenten. Die meisten der einfachsten Klasse (geringe Helligkeitsdifferenz und großer Abstand) lassen sich in einem mittelgroßen Fernglas trennen. Mit etwas Mühe gelingen auch schwierigere Objekte, vor allem solche mit großem Winkelabstand und mittlerer Helligkeitsdifferenz.
Hinweise auf Literatur und Internet (Link geprüft Nov. 2020): [1] M. Mißfeldt, 2020: ,,Landolt-Sehtest",
www.onlinesehtests.de/sehtestkreise-landolt-ringe.php [2] R. Stoyan, U. Glahn, 2013: ,,interstellarum Deep Sky Atlas", Oculum Verlag
Doppelsterne quer durch mein erstes Astrojahr
von Sarah Gebauer
Im Sommer 2019 habe ich mein erstes Teleskop angeschafft, einen 6-Zoll-Newton (f/5) mit Dobsonmontierung, exakt ein Jahr später kam noch ein hochwertiger und sehr toller 4-Zoll-Refraktor dazu. Mit diesen kleinen, aber feinen Geräten beobachte ich an meinem ziemlich hellen, lichtverschmutzten ,,Flughafenhimmel" vom heimischen Garten oder den Streuobstwiesen aus besonders
gerne Doppelsterne. Sie sind so dankbare und zugleich abwechslungsreiche und spannende Objekte, die sich auch noch sehr gut zeichnen lassen. Bis vor Kurzem habe ich nur meinen ersten, kleinen Himmelsatlas als Hilfsmittel genutzt und mich deshalb durch die eher bekannteren Doppelsterne gearbeitet. Erst gegen Ende meines ersten Astrojahres habe ich mir einen sehr detaillierten Atlas
gegönnt und wandere seither am liebsten von einem Struve-Doppelstern zum nächsten.
Ich habe es im letzten Jahr in den weit über 40 Beobachtungsnächten auf über 60 Zeichnungen gebracht, von denen etwas mehr als 30 Doppelsterne zeigen. Hier sind meine Top 7 aus der Doppelsternsparte, die alle mit dem 6-Zöller beobachtet wurden.
1 Gamma Leonis, Zeichnung, Dobson 150 mm/750 mm (83x)
8 | Journal für Astronomie Nr. 77
2 Gamma Virginis, Zeichnung, Dobson 150 mm/750 mm (166x)
Doppelsterne
3 STF 2470 und 2474, Zeichnung, Dobson 150 mm/750 mm (85x)
4 Omicron 1 Cygni, Zeichnung, Dobson 150 mm/750 mm (30x)
Gamma Leonis (AB, 2,37 mag/ 3,64 mag, 4,73'') Dieser Doppelstern ließ sich schon bei 83-facher Vergrößerung sauber trennen und ergab dabei ein sehr enges Pärchen, dessen eine Komponente leicht goldfarben schien (Abb. 1).
Gamma Virginis (AB, 3,48 mag/ 3,53 mag, 2,81'') Im Frühjahr war das Sternbild Virgo vom heimischen Garten aus meist nur schwer sichtbar, weil es sich am frühen Abend größtenteils noch hinter dem Dach des Hinterhauses versteckte und im Laufe der Nacht dann über den ebenfalls verdeckten Südhimmel zog. Ich habe nach Süden nur ein schmales Sichtfenster zwischen den zwei Häusern hinter meinem Garten. Umso erfreuter war ich, als ich eines Abends der Meinung war, ein paar der Sterne des Sternbildes sehen zu können. Und dann wartete die Stelle gleich mit einem tollen Doppelstern auf, bei dem ich mich in Sachen Distanz der Komponenten in Richtung ,,enger" steigern konnte: 2,8 Bogensekunden. Ich war gespannt, ob mein Spiegel das auch in der Praxis schaffen würde. Die Komponenten A und B konnten bei 166-fach knapp, aber gut getrennt werden. Beide strahlten gleich hell als ganz dichte Glanzpünktchen (Abb. 2).
Struve 2470 (7,03
mag/8,44 mag,
13,8'') und Struve
2474 (AB,
6,78 mag/7,88
mag, 15,9'')
Einige Anläufe hat es
gebraucht, bis ich das
reizvolle Doppel-
Doppel im Sternbild
Lyra gefunden hat-
te - Navigieren im
Zenit hat es wirklich
in sich! Die Suche
hat sich aber richtig
gelohnt, denn bei
85-facher Vergröße-
rung glänzten mir je
zwei enge Sternpär-
chen durch das Okular entgegen. Sogar
5 Omicron 1 Cygni, Zeichnung, Dobson 150 mm/750 mm (85x)
der geringe Ab-
standsunterschied der jeweiligen Pärchen spitzes Dreieck mit zwei wundervoll gelbli-
war zu erkennen (13,8'' bei STF 2470 und chen und einem bläulichen Stern - das wa-
15,9'' bei STF 2474). Das musste natürlich ren 1 und 2 Cygni mit 30 Cygni. Dieser
auf Papier festgehalten werden (Abb. 3).
Anblick hat mich wirklich sehr begeistert,
so dass ich bestimmt noch an vielen Aben-
Omicron Cygni (ACD, 3,93 mag/
den an diese Himmelsstelle zurückkehren
6,97 mag/4,83 mag, 108,6''/336,7'') würde. So kam es auch wenige Tage später,
Dieses Mehrfachsystem war der Tipp eines als ich noch einmal mit höherer Vergröße-
lieben Sternfreundes, der mir Farbe ver- rung nach den Farben von 1 und 30 Cygni
sprach. Ich sah auf Anhieb bei 30-facher schauen wollte. Bei 85-facher Vergröße-
Vergrößerung ein sehr schönes, großes und rung zeigte dann nämlich auch Komponen-
Journal für Astronomie Nr. 77 | 9
Doppelsterne
6 Pi Aquilae, Zeichnung, Dobson 150 mm/750 mm (170x)
7 STF 2893, Zeichnung, Dobson 150 mm/750 mm (85x)
Virginis. In einer
klaren, lauen Som-
mernacht waren
endlich alle Lichter
in den umliegen-
den Wohnungen
aus und die Luft
noch dazu sehr ru-
hig. So beschloss
ich, in dieser Nacht
mein Teleskop zu
dieser grenzwerti-
gen Aktion zu trei-
ben - und ich wur-
de nicht enttäuscht:
1,4 Bogensekunden
Abstand ließen sich
wirklich haarscharf
und ganz, ganz
8 Delta Cephei, Zeichnung, Dobson 150 mm/750 mm (21x)
knapp trennen! Bei 170-facher Vergrö-
ßerung zeigte sich
te C einen bläulichen Farbton. Weil die gan- ein haarfeiner, schwarzer Strich zwischen
ze Sternumgebung und die unterschied- beiden Komponenten. Zusammen mit zwei
lichen Farben so reizvoll waren, habe ich hellen Feldsternen bildete dieser wunder-
zwei Zeichnungen mit unterschiedlicher bare Doppelstern, der definitiv neue Maß-
Vergrößerung angefertigt (Abb. 4 und 5). stäbe gesetzt und sich hier ganz an den
Rand der Zeichnung geschlichen hat, ein
Pi Aquilae (AB, 6,34 mag/6,75 mag, schönes Dreieck (Abb. 6).
1,4'')
Meinen bisherigen Rekord in Sachen Dis- STF 2893 (6,19 mag/7,91 mag,
tanz habe ich mit Pi Aquilae übertroffen, 28,9'')
der bisherige Rekordhalter war Gamma Inzwischen war die Vielfalt an Doppelster-
nen dank des neuen Atlasses enorm gestiegen und so entdeckte ich zufällig auf dem Weg zu einem anderen Objekt dieses schöne Albireo-Double, das mit einer ebenso goldgelben und deutlich blauen Farbe daherkam und außerdem bei 85x noch ein hübsches Sternumfeld bot (Abb. 7).
Delta Cephei (AC, 4,21 mag/ 6,11, 41'') Noch einmal Farbe mit Doppelstern kombiniert, das mag ich besonders gerne. Delta Cephei, der trotz hellem Flughafenhimmel auch mit freiem Auge auszumachen ist, zeigte an diesem Sommerabend eine richtig schön goldgelbe, hellere Komponente (A) und eine zweite, deutlich schwächere mit einem sichtbar bläulichen Farbstich (C). Das Doppel war schon in meiner Aufsuchvergrößerung von 21-fach sehr schön anzuschauen (Abb. 8).
Nun habe ich zwar fast alle Sternbilder einmal im Jahresverlauf kennengelernt, aber gerade jetzt erkenne ich mehr denn je, dass es noch sooo viel mehr zu entdecken gibt.
Ich wünsche euch allzeit klare Nächte und funkelnde Himmelsfunde!
10 | Journal für Astronomie Nr. 77
SPEZIAL Physik Mathematik Technik
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UNSPLASH / DONALD GIANNATTI (unsplash.com/photos/4qk3nQI3WHY)
Doppelsterne
Farbige Doppelsterne
- visuell beobachtet
von Winfried Kräling
Nachts sind alle Katzen grau - lautet ein alter Spruch. Mit dieser Einstellung kommen viele Besucher zu unserer Volkssternwarte und wundern sich, wenn man sie beispielsweise auf den Farbunterschied zwischen Beteigeuze und Rigel hinweist, der bereits mit bloßem Auge deutlich wahrnehmbar ist.
Zwar findet nachts überwiegend das skotopische Sehen, auch Nachtsehen genannt, statt, wobei als Fotorezeptoren die lichtempfindlicheren Stäbchen aktiv sind.
Sind die Beobachtungsobjekte jedoch hell genug, werden auch die Zapfen der Netzhaut aktiviert und beim photopischen Sehen (Tagsehen) können bei Sternen auch Farben wahrgenommen werden. Hilfreich dazu ist eine lichtverstärkende Optik wie Fernglas oder Teleskop.
Am deutlichsten wird dieser Effekt bei Doppelsternen mit deutlichem Farbunterschied; der bekannteste ,,farbige" Doppelstern ist zweifellos Albireo ( Cyg) im Sternbild Schwan (Abb.1).
Ein wahrer Genuss ist die Beobachtung von farbigen Doppelsternen in einem lichtstarken Teleskop, wie z. B. meinem Refraktor 127 mm/1.200 mm. Bei dem Doppelstern Cygni (dem Kopf des Schwans), der sich schon in einem Fernglas trennen lässt, ist der Farbunterschied im Teleskop besonders deutlich ausgeprägt: Der hellere Stern ist orangerot und der schwächere Begleiter erscheint bläulich. Besonders eindrucksvoll ist die Beobachtung von Doppelsternen bei geringer Luftunruhe, wenn um den punktförmigen Stern die farbigen Beugungsringe (physikalischer Effekt) klar zu erkennen sind.
Ebenfalls stark ausgeprägt ist der Farbkontrast bei Pegasi, besser als Enif bekannt: Die Abbildung 2 zeigt bei 171x ein weit ge-
12 | Journal für Astronomie Nr. 77
1 Zeichnung von Beta Cygni im Refraktor 127 mm / 1.200 mm bei V = 60x 2 Zeichnung von Epsilon Pegasi im Refraktor 127 mm / 1.200 mm bei V = 171x
Doppelsterne
trenntes Paar mit sehr schönem Farbkontrast: Der Hauptstern ist kräftig orange, der Begleiter leuchtet blau.
Der bei 171x und 250x leicht zu trennende Doppelstern Delphini (Abb. 3) zählt ebenfalls zu den Sternen mit einem orangefarbenen Hauptstern und einem türkisfarbenen Begleiter, der bei ruhiger Luft einen herrlichen Anblick bietet.
Cancri (Abb. 4) ist bei einer Vergrößerung von 171 x bei ruhiger Luft ebenfalls leicht zu trennen und zeigt einen schönen Farbkontrast; die Hauptkomponente ist kräftig orange und der Begleiter türkis.
Etwas schwieriger ist es, den relativ engen Doppelstern Bootis (Abb. 5) - auch als Izar bekannt - zu trennen. Auch bei diesem Duo ist ein schöner Farbunterschied sichtbar; der schwächere hell türkisfarbene Stern befindet sich bereits am zweiten Beugungsring der leicht orangefarbenen Komponente A dieses Doppelsternsystems. Toller Anblick!
Doch ist der Farbunterschied nicht nur auf Zweifachdoppelsterne beschränkt, auch Mehrfachsysteme wie hier das berühmte Trapez (Q Orionis) im Orionnebel M 42 (Abb. 6), zeigen Farbunterschiede, wenn auch nicht so ausgeprägt wie die Stars unter den farbigen Objekten dieser Klasse. Bei genauem Hinsehen sind nicht nur die hellen Sterne A bis D, sondern auch die schwächeren E und F erkennbar - das ,,Trapez" ist also als 6-fach-System sichtbar. Das hellste Mitglied C leuchtet leicht orangefarben, die übrigen Sterne in einem bläulichen Licht.
Alle erwähnten Abbildungen sind nach Skizzen (Bleistift, schwarze Sterne) und Notizen am Okular vom 127-mm-Refraktor entstanden, die am Computer als farbige Positivdarstellungen umgesetzt wurden.
3 Zeichnung von Gamma Delphini im Refraktor 127 mm / 1.200 mm bei
V = 171x und V = 250x
4 Zeichnung von Iota Cancri im Refraktor 127 mm / 1.200 mm bei V = 171x
Journal für Astronomie Nr. 77 | 13
Doppelsterne
5 Zeichnung von Epsilon Bootis im Refraktor 127 mm /
1.200 mm bei V = 250x
6 Zeichnung von Theta Orionis im Refraktor 127 mm/1.200 mm
bei ruhiger Luft und V = 250x
Weitere Beispiele an interessanten Doppelsternen würden den Rahmen dieses Beitrages sprengen, mehr Zeichnungen von Doppelsternen und Fotos astronomischer Objekte gibt es auf meiner Homepage unter https://winis-homepage.jimdofree.com/astronomie/
Mizar
- ein visuelles Experiment
von Robert Zebahl
Mizar und Alcor, welcher umgangssprachlich auch als ,,Reiterlein" bezeichnet wird, bilden einen Doppelstern, der bereits mit dem bloßem Auge getrennt werden kann. Ob es sich hierbei um ein physikalisches System handelt, ist bis heute nicht geklärt. Gesichert ist aber, dass beide Sterne dem Ursa-Major-Haufen angehören. Dieses Paar ist auch unter der Bezeichung STF 1744 AC (alte Schreibweise: 1744 AC) bekannt.
Leicht versetzt zwischen Mizar und Alcor befindet sich die D-Komponente (SMR4 AD), welche allerdings keinen physikalischen Bezug zu diesen hat. Das konnte durch Bestimmung der Entfernung gesichert werden. Winfried Kräling machte mich dabei auf eine kleine Anekdote
1 Zeichnung von Mizar und Alcor; 102-mm-ED-Refraktor f/11, V = 28x (Bild: R. Zebahl)
bezüglich dieser unscheinbaren Komponente aufmerksam: Der Stern wurde am 2.12.1722 vom deutschen Astronomen Prof. Johann Georg Liebknecht am Observatorium der Justus-Liebig-Universität in Gießen (früher auch Ludoviciana genannt) beobachtet, welcher eine Eigenbewegung festgestellt haben wollte. Davon ausgehend,
dass er einen neuen Planeten entdeckt habe, nannte er diesen kurz darauf ,,Sidus Ludovicianum". Allerdings wurde der Stern bereits ein Jahrhundert früher schon von Benedetto Castelli an derselben Position beobachtet. So erntete Prof. Johann Georg Liebknecht von seinen Kollegen mehr Spott denn Ruhm [1].
14 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema. Mizar selbst ist ein Mehrfachsystem bestehend aus zwei spektroskopischen Doppelsternen, den Komponenten A (2,23 mag) und B (3,88 mag) mit einem Winkelabstand von derzeit 14,4''. Damit lässt sich das Paar AB praktisch in jedem Teleskop einfach trennen. Im April 2020 bekam ich von Christopher Hay eine sehr interessante Mail, in welcher er die Trennung von AB mit möglichst kleiner Vergrößerung versuchte. Er nutzte hierfür ein Objektiv eines Sucherfernrohrs 42 mm/150 mm von einem ZeissTelementor zusammen mit einem sehr guten Amici-Prisma. Seine Beobachtung schilderte Christopher wie folgt: ,,Bei 6,3x deutlich gestreckt mit klaren Positionen der helleren/dunkleren Komponente. Bei 10,7x eine Acht ganz kurz vorm Auseinanderploppen. Bei 12x sauber und stabil getrennt."
Diese Beobachtung weckte große Neugier und ich wollte es selbst versuchen. Um möglichst geringe Vergrößerungen zu erzielen, kam nur ein Teleskop aus meinem Bestand in Frage: Ein ED-Refraktor von Vixen mit 70 mm Öffnung und 400 mm Brennweite. Erste Versuche mit einem 40-mm-Okular (V = 10x; Pentax XL) sowie einem 32-mmOkular (V = 12,5x; Super Plössl) bei voller Öffnung schlugen fehl. Der schwächere Begleiter wurde schlichtweg von der hellen Hauptkomponente überstrahlt. Der Einsatz von Graufiltern zur Lichtdämpfung
2 ED-Refraktor 70 mm / 400 mm mit Vorsatzblende 20 mm (Bild: R. Zebahl)
brachte keine nennenswerte Verbesserung. Also fertigte ich Blenden aus schwarzem Fotokarton mit 60 mm bis 10 mm freier Öffnung in 10-mm-Schritten an (Abb. 2). Bereits mit 60 mm Öffnung bei 12,5-facher Vergrößerung erschien Mizar zumindest länglich, mit 50 mm gelang die Trennung gerade noch. Bei 10-facher Vergrößerung musste ich die Öffnung auf 30 mm reduzieren, um ihn wenigstens länglich zu sehen, mit 20 mm Öffnung (f/20) war auch hier eine Trennung möglich, wobei die Komponenten sehr dicht beieinander standen. Mit nur 10 mm Öffnung (f/40!) und 10-facher Vergrößerung gelang zwar die Trennung der Komponenten, aber hier merkte man schon die deutlich geringere Auflösung.
Sehr genaues Beobachten war notwendig. Der schönste Anblick bot sich mit 20 mm Öffnung und 12,5-facher Vergrößerung: Mizar zeigte zwei höchst ästhetische, fein gezeichnete Komponenten ohne jegliche Überstrahlung.
Ich fand es sehr erstaunlich, wie schön sich Doppelsterne auch in besonderes kleinen Instrumenten präsentieren und kann solche Experimente jedem empfehlen. Manchmal ist eben weniger mehr.
Internethinweis (geprüft Nov. 2020): [1] L. Ondra, Homepage: "A New View of
Mizar", www.leosondra.cz/en/mizar/
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Journal für Astronomie Nr. 77 | 15
Doppelsterne
Doppelsterne - Zeichnungen
zusammengestellt von Robert Zebahl Doppelsterne bieten einen wundervollen Einstieg in das Zeichnen am Teleskop. Ein weißes Blatt Papier und Bleistift genügen vollkommen für den Anfang. Besonders schön ist das Zeichnen von Doppelsternen in ihrem Umfeld, um so einen besseren Gesamteindruck zu bekommen. Aber auch Sternfarben haben einen besonderen Reiz. Neben dem Bleistift eignen sich Buntstifte, Pastellstifte, Ölkreidestifte oder Tuschestifte in verschiedenen Stärken.
1 - 5 V.l.o.n.r.u.: Epsilon Lyrae - Zeichnung von Jörg Schlimmer
26.06.2019, 127-mm-Apo-Refraktor (V = 202x) WZ Cassiopeiae - Zeichnung von Jörg Schlimmer 10.09.2019, 127-mm-Apo-Refraktor (V = 108x) WZ Cassiopeiae - Zeichnung von Robert Zebahl 22.08.2019, 102-mm-ED-Refraktor (V = 28x) 83 und Tau Leonis - Zeichnung von Robert Zebahl 09.03.2019, 55-mm-Refraktor (V = 16x) 12 Lyncis und STF 946 - Zeichnung von Robert Zebahl 23.03.2020, 102-mm-ED-Refraktor (V = 86x)
16 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
6 Beta Cephei - Zeichnung von Sarah Gebauer 23.08.2020,
100-mm-ED-Refraktor (V = 45x)
7 Gamma 2 Delphini - Zeichnung von Sarah Gebauer 08.08.2020,
100-mm-ED-Refraktor (V = 45x)
8 54 Leonis - Zeichnung von Winfried Kräling 13.03.2017, 127-mm-
Refraktor (V = 250x)
9 Zeta Cancri - Zeichnung von Winfried Kräling 08.04.2018,
127-mm-Refraktor (V = 250x)
Journal für Astronomie Nr. 77 | 17
Doppelsterne
61 Cygni
- ein besonderer Doppelstern
von Winfried Kräling
Nahezu jeder Sternfreundin und jedem Sternfreund dürften die hellen Milchstraßenwolken und ihre Dunkelnebel im Sternbild Schwan (lateinisch: Cygnus) bekannt sein; teilen diese Staubansammlungen die Milchstraße doch scheinbar in zwei Hälften, was schon mit bloßem Auge gut zu beobachten ist.
Rund um diese Dunkelwolke mit der Bezeichnung B 348 liegen die von Mitteleuropa aus gut sichtbaren und attraktivsten Emissionsnebel wie Nordamerika-, Pelikan-, Cirrus- und Gamma-Cygni-Nebel (Abb. 1).
Doch Hand aufs Herz, wer hat schon einmal den unscheinbaren Stern 61 Cygni in dieser Region, der mit den Sternen Deneb ( Cyg), Sadr ( Cyg) und Gienah ( Cyg) eine Raute bildet, beobachtet? Ist dieser ca. 11 Lichtjahre entfernte und visuell 5,2 mag helle Doppelstern doch einer der geschichtsträchtigsten Sterne in unserer Galaxis.
Friedrich Wilhelm Bessel bestimmte in den Jahren 1837/38 durch Parallaxenmessung an der Sternwarte Königsberg erstmals annähernd genau die Entfernung eines Fixsternes und lieferte damit den endgültigen Beweis für die Richtigkeit des Kopernikanischen Weltbildes (was in dieser Zeit wohl aber niemand mehr ernsthaft bezweifelte). Wie war nun Bessels Wahl auf 61 Cygni gefallen?
1 Aufnahme der Umgebung von 61 Cyg im Sternbild Schwan am 26.08.2019,
Kamera: Canon 650Da, Objektiv: Canon EF-S 1:2,8 / 60 mm (Arbeitsblende 5,0), Belichtung 20 x 180 s bei ISO 1600, Reisemontierung Star Adventurer (Bild: W. Kräling)
Beim Vergleich von Sternpositionen im Sternkatalog des englischen Geistlichen und Astronomen James Bradley (eher bekannt durch die Entdeckung der Aberration und der Nutation der Erdachse) mit anderen Sternkatalogen stellte Bessel fest, dass der Stern 61 Cygni im Sternbild Schwan (damals) die größte Eigenbewegung aller gemessenen Sterne aufwies. Daraus zog er
den Schluss, dass es sich bei 61 Cygni um einen Stern handeln musste, der unserem Sonnensystem recht nahe steht, was sich auch bestätigte.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist 61 Cygni für das bloße Auge ein unscheinbares Sternchen der fünften Größenklasse, doch bereits ein 10x50-Fernglas zeigt die Dop-
pelsternnatur dieses Objektes. Bei V = 20x in einem Refraktor 80 mm/400 mm erkennt man, dass beide Komponenten orangefarben sind und einen leichten Helligkeitsunterschied aufweisen. Kein Vergleich also zu den prominenten Vertretern dieser Klasse, siehe Beitrag ,,Farbige Doppelsterne - visuell beobachtet" in dieser Ausgabe des VdS-Journals für Astronomie.
18 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
Dass ich mit meinem Instrumentarium Bessels Leistung der Parallaxenmessung nicht nachvollziehen konnte, war mir von Anfang an klar. Aber wie sah es aus mit dem Nachweis der Eigenbewegung eines Fixsternes? Dass dies Amateurastronomen an Barnards Pfeilstern (einem der nächsten bekannten Sterne mit etwa sechs Lichtjahren Entfernung und einer Helligkeit von 9,5 mag im Sternbild Schlangenträger) schon gelungen ist, war mir bekannt; wie sieht es aber mit 61 Cygni aus, der wesentlich einfacher zu beobachten ist?
2 Zwei zeitlich versetzte Aufnahmen von 61 Cygni mit Newton 150 mm/750 mm und
EOS 650D. Am 05.09.2013 11 x 10 s belichtet bei ISO 800, am 26.05.2017 12 x 20 s bei ISO 800. (Bild: W. Kräling)
Um dies zu testen, standen mir vier Aufnahmen aus den Jahren 2013, 2015, 2016 und 2017 zur Verfügung, die ich mit Instrumenten mit 400 mm und 750 mm Brennweite aufgenommen hatte.
Bereits eine Überlagerung der Bilder von 2013 und 2015 zeigt die Eigenbewegung dieses Doppelsternsystems in Bezug auf die Hintergrundsterne, richtig deutlich wird diese aber erst bei einem Vergleich der Aufnahmen von 2013 und 2017 (Abb. 2 und 3). Die Abbildung 2 zeigt die Position von 61 Cygni im Jahre 2013 (oben) und 2017 (unten) vor dem gleichen Sternhintergrund. Während auf der Aufnahme von 2013 der ca. 11 mag helle Stern TYC 3168 590 1 noch von den Strahlen der A-Komponente von 61 Cygni überstrahlt wird, ist dieser Stern 31/2 Jahre später klar zu erkennen, was eine Bewegung von 61 Cygni in östliche Richtung (nach links) deutlich macht.
Die Abbildung 3 ist eine Überlagerung der Bilder aus oben genannten Jahren in eine einzige Abbildung mit den Angaben zur Position von 61 Cygni.
Beide Darstellungen machen deutlich, dass es auch mit bescheidenen Instrumenten machbar ist, die Eigenbewegung von Fixsternen nachzuweisen.
3 Kombination der beiden Aufnahmen des Sternfeldes um 61 Cygni am 05.09.2013
und 26.05.2017, Aufnahmedaten wie Abb. 2 (Bild: W. Kräling)
Bedauerlicherweise ist es nicht möglich, in Printmedien eine GIF-Animation darzustellen, diese ist aber auf meiner Homepage zu finden, unter https://winis-homepage. jimdofree.com/astronomie/deepsky/ sterne/
Journal für Astronomie Nr. 77 | 19
Doppelsterne
Speckle-Messungen an Albireo A
von Rainer Anton und Johannes M. Ohlert
Wohl zu vielen Sternführungen an einem Sommerabend wird ein Blick auf Albireo ( Cygni) gerichtet. Besonders wegen seiner Helligkeit und wegen des in einem Teleskop erkennbaren starken Farbkontrasts des gelben Hauptsterns A und des blauen Begleiters B ist er einer der bekanntesten Doppelsterne. Bisher wurde meist angenommen, dass A und B physisch gebunden sind. Tatsächlich ergaben Hipparcos-Messungen der Parallaxen 1991 etwa gleiche Entfernungen mit überlappenden Fehlerbereichen. Auch die Eigenbewegungen waren nicht sehr verschieden. Jedoch konnte bisher keine Bahnbewegung eindeutig nachgewiesen werden. Wenn also eine physische Kopplung besteht, müsste die Umlaufperiode Tausende von Jahren betragen. Neben diesen astrometrischen Betrachtungen gibt es aber auch astrophysikalische Befunde hinsichtlich der Spektralklassen, Sternentwicklung, Massen und andere Argumente, die für eine Doppelstern-Natur des Paares sprechen.
Stand der Forschung Dieses Bild geriet ins Wanken mit der Data Release 2 der Gaia-Mission, die erhebliche Unterschiede der Parallaxen und Eigenbewegungen von A und B ausweist [1]. Demnach sollte der Abstand 62 Lichtjahre betragen mit Fehlerbereichen, die nicht überlappen. Auch sollte sich die Richtung der Eigenbewegung von A um grob 90 Grad gedreht haben innerhalb von nur 24 Jahren, was sehr unwahrscheinlich ist (aber siehe unten). Ein Problem der Gaia-Daten könnte sein, dass Albireo A zu hell ist für die Gaia-Detektoren, die dann gesättigt sind und die Messungen zu ungenau. Ein anderes Problem ergibt sich dadurch, dass A selbst ein enger Doppelstern ist (mit der Kennzeichnung Aa-Ac), der weder von Hipparcos noch von Gaia aufgelöst wird. Somit könnte die Eigenbewegung von A durch den Begleiter Ac beeinflusst werden.
1 Das Treburer 1-Meter-Teleskop (T1T)
2 Drei repräsentative Speckle-Aufnahmen von Albireo A. Je nach Seeing erscheinen die
Speckle-Paare unterschiedlich deutlich (s. Text). Es handelt sich um Ausschnitte aus Originalbildern nach Erhöhung der Auflösung um den Faktor 4x4 (,,re-sampling").
Um das zu berücksichtigen, muss man die Bahnbewegung genau kennen. Allerdings ist die Datenlage bisher schwach. Diese Problematik wurde vor Kurzem von U. Bas-
tian in ,,Sterne und Weltraum" [2] und von U. Bastian und R. Anton in ,,Astronomy and Astrophysics" [3] angesprochen.
20 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
3 Weitfeldaufnahme von Albireo Aa,Ac - B. Überlagerung von 211 ,,lucky images" aus einer Serie von 9.400 Einzelaufnahmen vom
07.07.2019. Der Kontrast wurde durch unscharfe Maskierung verstärkt. Norden ist oben, Osten ist links.
Bis zum Jahr 2018 wurde für Aa-Ac ein Orbit angenommen, der auf Speckle-Messungen aus den Jahren 1976 bis 2008 beruhte (Scardia et al., 2008, [4]). Daraus ergab sich eine Periode von 214 Jahren. Da der erfasste Winkelbereich relativ klein ist, ist die Unsicherheit recht groß: Die Qualität wird als ,,grade 4-5 (preliminary undetermined)" eingestuft [4, 12]. 2018 wurde von Roberts und Mason [5] anhand von weiteren Messungen aus 2004 eine neue Berechnung durchgeführt. Diese ergab eine ziemlich große Exzentrizität sowie eine Umlaufperiode von nur 69 Jahren. 2019 wurden wiederum von Scardia et al. [6] neue Bahnparameter veröffentlicht, für die neue Messungen aus 2017 berücksichtigt wurden. Danach sollte die Umlaufperiode bei 120 Jahren liegen. Ebenfalls 2019 berechnete Mason eine Bahn, für die Messungen von uns aus 2019 (siehe unten) einbezogen wurden. Daraus folgt eine Periode von wiederum 213 Jahren [7]. Diese Entwicklung zeigt, dass die Bahn-
elemente nach wie vor verbesserungswürdig sind. Mit unseren Messungen möchten wir dazu einen Beitrag liefern.
Instrumentelles Für unsere Messungen benutzten wir eine QHY5L-IIm-Kamera, die am T1T, dem Treburer 1-Meter-Teleskop (Abb. 1), eingesetzt wurde. Das T1T, ein Cassegrain-Teleskop mit einer Apertur von 1.200 mm und einer effektiven Brennweite von 9.510 mm, wird von der ,,Astronomie Stiftung Trebur" [8, 9] betrieben. In drei Nächten im Juli 2019 sowie einer Nacht im Juni 2020 wurden Bildserien von jeweils bis zu 13.000 Bildern aufgenommen. Bei Belichtungszeiten von 5 bzw. 10 ms und reduziertem Bildfeld ergaben sich Bildraten von bis zu 200/s. In einigen Serien wurde das Bildfeld erweitert, um gleichzeitig mit Albireo A auch Albireo B in jeweils einem Bild zu erfassen und damit den Maßstab und die Orientierung zu kalibrieren.
Die Herausforderung bei der Aufnahme des engen Sternenpaars Aa-Ac besteht nicht nur in dem geringen Abstand von nur gut 0,3'', sondern auch darin, dass sich sowohl die Helligkeiten als auch die Farben der Komponenten stark unterscheiden: 2,43 gegen 5,08 mag bzw. K3II gegen B9V. Deshalb wurde in allen Serien ein Johnson-Blaufilter benutzt. Damit wurde auch der Abfall der Kameraempfindlichkeit von gelb zu blau teilweise kompensiert und es ergab sich eine deutliche Verbesserung der Sichtbarkeit von Ac gegen Aa. Ein Nachteil besteht allerdings in der Zunahme von Seeing-Effekten bei kürzeren Wellenlängen. Dagegen hilft dann nur eine sehr große Zahl von Bildern.
Auswertung Die Speckle-Aufnahmen wurden automatisch analysiert mit dem Programm ,,Reduc" von Florent Losse [10]. Dabei wurde keine Vorauswahl getroffen, was bei der
Journal für Astronomie Nr. 77 | 21
Doppelsterne
4 Überlagerung von 43 ,,lucky images", ausgewählt aus 15.000
Einzelbildern aus zwei Aufnahmeserien vom 07.07.und 24.07.2019. Die Originalbilder wurden vorher 4x4 re-sampled.
5 Speckle-Autokorrelation von Aa-Ac mit 4.492 Einzelbildern der
Serie Alb 1 A+B vom 23.06.2020, 4x4 re-sampled. Norden ist oben, Osten links.
Menge an Bildern auch kaum praktikabel wäre. Alle Bilder wurden vorher re-sampled, um die nominelle Auflösung zu erhöhen und um glattere Intensitätsprofile zu erhalten. Die Abbildung 2 zeigt drei repräsentative Einzelbilder aus einer Serie von über 12.000, in denen bestimmte Speckle-Paare mehr oder weniger deutlich
auffallen, von ,,unübersichtlich" (links) bis ,,dominant" (rechts). Nach Durchführung der Speckle-Analysen wurde in einigen Serien nach solchen Bildern systematisch gesucht, um damit als ,,lucky images" nach Überlagerung direkte Bilder von A-B bzw. Aa-Ac zu erhalten. Die Ausbeute war relativ gering, aber ausreichend, um die Kalibrie-
rung des Bildmaßstabs und der Orientierung der Kamera zu ermöglichen (s. Abb. 3 und 4).
Nach Gaia DR 2 betrug in 2015,5 der Positionswinkel von A-B 54,04 Grad und der Abstand 34,59'', wobei Positionswinkel von Nord über Ost, Süd und West gezählt werden.
Tabelle 1
Liste der Aufnahmen vom 7.7. bis 25.7.2019
Datum/ Serien-nr.
Bessel-Jahr 2019+
7.7./S2 9.7./S1 24.7./S5 24.7./S6 24.7./S7 24.7./S8 25.7./S10
0,518 0,532 0,564
,, ,, ,, 0,567
lucky imaging mit Aa-B für Kalibration mit Gaia
Bilder
PW/
rho/
Grad
arcsec
Speckle Korrelation von Aa,Ac
Bilder
PW/
rho/
Grad
arcsec
370
54,04
34,59
9.400
51,4
0,312
10.000
52,5
0,317
10.100
55,8
0,305
1.100
53,5
0,32
10.000
49,1
0,313
12.500
54,1
0,304
4.300
56,8
0,325
Mittelwerte +- s.d.
53,3 +- 2,6 0,314 +- 0,008
Das mittlere Bessel´sche Jahr war 2019,545. Die Anzahl der Bilder, die für die jeweiligen Auswertungen benutzt wurden, ist ebenfalls angegeben. Die Serie S2 vom 7.7.2019 wurde für die Kalibrierung der Orientierung (Positionswinkel PW) und des Bildmaßstabs anhand von Gaia-Daten benutzt.
22 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
Aus den Gaia-Daten ergab sich ein originaler Bildmaßstab von 0,0081''/Pixel. Zur Überprüfung unserer Auswerteprozedur wurden in diesen Serien auch die SpeckleWolken von B analysiert, um nach Artefakten zu suchen, ohne allerdings solche zu finden.
Ergebnisse Die Abbildung 3 entstand durch Überlagerung von 211 ,,lucky images" aus einer Serie von 9.400 Einzelbildern. Sie zeigt alle drei Komponenten von Albireo: Aa, dicht daneben Ac und weiter entfernt B. Das Seeing war nur mittelmäßig, daher ist der Untergrund etwas diffus. In dem mit einem Pfeil markierten Inset ist Aa-Ac vierfach vergrößert dargestellt, während ganz links die Speckle-Autokorrelation mit allen 9.400 Bildern der Serie in gleichem Maßstab gezeigt ist. In beiden Insets sind Abstand und Orientierung der ,,Spots" praktisch identisch.
Die Suche nach ,,lucky images" in den Serien mit jeweils mehreren tausend Bildern ist mühsam, aber in einigen Fällen wurden
ausreichend viele gefunden, mit mehr oder weniger isolierten Speckle-Paaren, die in der Überlagerung der Speckle-Autokorrelation entsprachen. Beispiele sind in den Abbildungen 4 und 5 zu sehen.
Eine weitere Beobachtungskampagne mit neun Aufnahmeserien wurde in der Nacht vom 22. auf den 23.06.2020 durchgeführt. Ein beispielhaftes Ergebnis zeigt die Abbildung 5 mit der Speckle-Autokorrelation von allen 4.492 Einzelbildern der Serie ,,Alb 1 A+B".
In den Tabellen 1 und 2 sind alle Aufnahmeserien und Auswertungen mit den jeweiligen Parametern aufgelistet. WeitfeldAufnahmen wurden sowohl mit ,,lucky imaging" als auch mit Speckle-Autokorrelation analysiert, die anderen mit Aa-Ac meist nur mit letzterer.
In den Abbildungen 6 und 7 werden unsere Messungen verglichen mit Bahnberechnungen von verschiedenen Autoren. Unsere Ergebnisse passen recht gut zu den Bahndaten von Scardia 2019 und von Ma-
son 2019, wobei Letztere ja u. a. mit Berücksichtigung unserer Messungen von 2019 berechnet wurden. Die Grafik macht aber auch deutlich, dass noch erhebliche Unsicherheiten bestehen, hauptsächlich weil die Streuung und Ungenauigkeit der bisherigen Messdaten sowie der relativ kleine Winkelbereich große Variationen der Orbitberechnungen zuließen und weil nur ein kleiner Teil der zu erwartenden Bahn überdeckt wird. Immerhin konnte durch die neuen Messungen von Scardia et al. von 2017 sowie auch durch unsere die Bandbreite der Bahnelemente ein wenig eingeschränkt werden. Allerdings sind wir einer Klärung der Frage, ob das Paar A-B ein echter Doppelstern ist, nicht näher gekommen. Die Rolle der Eigenbewegungen der Komponenten Aa und Ac müsste noch weiter untersucht werden. Es kann aber durchaus sein, dass A und B physisch gekoppelt sind, dass aber die Bahn so liegt, dass die Differenz der Eigenbewegungen nicht genau genug messbar ist. Weitere Messungen an A-B und Aa-Ac in der näheren und ferneren Zukunft sind dringend erwünscht. Wir empfehlen, jede Vorstellung von Albireo anlässlich von Sternen-
Tabelle 2
Liste der Aufnahmen vom 23.6.2020
Serien-nr.
U.T.
Alb 1 A+B
0:25
Alb 2 A+B
0:27
Alb 3 A+B
0:29
Alb 4 A+B
0:56
Alb 1 AaAc
0:32
Alb 2 AaAc
0:35
Alb 3 AaAc
0:45
Alb 4 AaAc
0:48
Alb 5 AaAc
0:52
lucky imaging mit Aa-B für Kalibration mit Gaia
Bilder
PW/
rho/
Grad
arcsec
Bilder
Speckle Korrelation von Aa,Ac
PW/
rho/
Grad
arcsec
304
54,04
34,59
4.492
50,2
0,327
4.484
54,8
0,317
4.414
50,6
0,346
4.489
51,8
0,32
12.050
53,9
0,321
12.466
51,4
0,325
12.500
52,1
0,339
12.500
52,4
0,333
12.500
48,9
0,322
Mittelwerte +- s.d.
51,8 +- 1,8 0,328 +- 0,010
Zu den Zeiten wie angegeben, ebenso die Zahlen der für die Analysen benutzten Einzelbilder. Das Bessel´sche Datum war 2020,478. Die Serie Alb 1 A+B wurde außer mit der Speckle-Korrelation auch mit lucky imaging ausgewertet zur Kalibration von Positionswinkel und Maßstab. Sonst wie in Tab. 1.
Journal für Astronomie Nr. 77 | 23
Doppelsterne
6 Vergleich unserer Positionsmessungen (Kreise mit Kreu-
zen) mit Bahnberechnungen von Albireo Aa-Ac von verschiedenen Autoren. Das Kreuz markiert die Position des Hauptsterns Aa. Hier ist Norden unten, Osten rechts, wie in solchen Darstellungen üblich. Scardia 2008 bzw. 2019 (magenta bzw. grün) [4, 12 bzw. 6], Roberts & Mason 2018 (cyan) [5, 12] und Mason 2019 (blau) [7]. Für Letztere wurde unser Messwert von 2019 mit berücksichtigt. Rote Kreise sind Daten aus dem ,,Speckle-Katalog", die Zeiten von 1976 bis 2008 umfassen [11]. Zusätzlich sind auf den Bahnen die Positionen von Ac für 2010, 2020 und 2030 markiert.
7 Vergrößerung aus Abb. 6. Die Größe der
Symbole für unsere Messungen entspricht etwa den Fehlerbereichen.
führungen mit dem Hinweis zu ergänzen, dass wissenschaftlich noch nicht geklärt ist, ob es sich bei Albireo tatsächlich um einen physischen oder nur um einen scheinbaren Doppelstern handelt.
Danksagung In dieser Arbeit wurden Daten der GaiaSatellitenmission benutzt, die vom ESA Consortium online zur Verfügung gestellt werden, ebenso auch Daten der Doppelsternkataloge, die das United States Naval Observatory online bereitstellt.
Literatur- und Internethinweise (geprüft Nov. 2020): [1] Gaia Archive, 2018: ,,Data Release
2", http://gea.esac.esa.int/archive [2] U. Bastian, 2018: ,,Ein schönes
Paar: Albireo", Sterne und Weltraum 4/2018, S. 36 [3] U. Bastian, R. Anton, 2018: "The mass of Albireo and the nature of Albireo AB", Astron. Astrophys. 620, L2 [4] M. Scardia, J.-L. Prieur, L. Pansecchi, R. W. Argyle, M. Sala, S. Basso, M. Ghigo, L. Koechlin, E. Aristidi, 2008: "Speckle observations with PISCO in Merate: IV. Astrometric measurements of visual binaries in 2005", Astronomische Nachrichten 329, S. 54 [5] L. C. Roberts, B. D. Mason, 2018: "Astrometric and photometric measurements of binary stars with adaptive optics: observations from 2001 to 2006", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 473, p. 4497 [6] M. Scardia et al., 2019: IAU Commission G1, Double Stars Information Circular No. 198 [7] B. D. Mason, 2019: United States Naval Observatory, private Mitteilung [8] J. M. Ohlert, 1997: ,,T1T - das Treburer 1-m-Teleskop", VdS-Journal für Astronomie 1997, S. 52
[9] J. M. Ohlert, 2013: ,,Astronomie Stiftung Trebur", VdS-Journal für Astronomie 47, IV/2013, S. 119
[10] F. Losse: www.astrosurf.com/ hfosaf
[11] W. I. Hartkopf et al., 2020: "Fourth Catalog of Interferometric Measurements of Binary Stars", U.S. Naval Observatory, Stand August 2020
[12] W. I. Hartkopf et al., 2020: "Sixth Catalog of Orbits of Visual Binary Stars", U.S. Naval Observatory, Stand August 2020
24 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
Kastor - Alpha Geminorum
- heller Mehrfachstern am Nordhimmel
von Wolfgang Vollmann
Eines der allerschönsten Sternsysteme am Himmel ist der zweithellste Stern in den Zwillingen, Kastor = Alpha Geminorum. Schon im kleinen 63-mm-Refraktor ab etwa 50-facher Vergrößerung sind die beiden hellen weißen Sterne A (1,9 mag) und B (3,0 mag) in derzeit 5,5 Bogensekunden Abstand zu sehen. Ein weiter entfernter rötlicher Begleiter C mit 9,8 mag ist in 70 Bogensekunden Distanz zu erkennen. Das Sternsystem ist 51 Lichtjahre entfernt und jede der drei Komponenten wurde als spektroskopischer Doppelstern erkannt, der nicht im Fernrohr auflösbar ist. Damit ist Kastor ein Sechsfach-System!
Seit der Entdeckung als Doppelstern vor 300 Jahren (1719 durch Bradley und Pound) wurde noch kein vollständiger Umlauf von Kastor A und B beobachtet. Die aktuellste Bahnberechnung von Docobo 2014 [1] gibt eine Umlaufzeit von 460 Jahren mit einem Periastron im Jahr 1958 an. Im Mittel sind Kastor A und B etwa 104 AE (Astronomische Einheiten) voneinander entfernt, das entspricht etwa dem Dreifachen der Entfernung Sonne-Neptun. Die Bahn ist etwas exzentrisch, die beiden Sterne sind im Periastron 71 und im Apastron 138 AE voneinander entfernt (Abb. 1). Die Umlaufzeit von Kastor C um AB liegt in der Größenordnung von 10.000 Jahren und die Entfernung bei 1.000 AE (knapp eine Lichtwoche).
Bei Kastor A und B ist für mich in den letzten Jahrzehnten die Bahnbewegung sehr deutlich geworden. Als Schüler konnte ich einen guten und stabil montierten Refraktor 80 mm / 880 mm benutzen, der von Wilhelm Imre (Franz-Kroller-Sternwarte Traiskirchen) gebaut worden war. Natürlich probierte ich im Frühjahr 1975, damit auch Kastor zu beobachten. Bei 146-facher Vergrößerung waren die beiden Sterne A und B sehr schön getrennt, mit etwas Ab-
1 Relative Umlaufbahn von Kastor B bezogen auf A (im Zentrum im Kreuz). Die Bahn ist
um 25 Grad gegen die Sichtlinie geneigt, deshalb scheint A nicht im Brennpunkt der Ellipse zu sein, was er natürlich ist. Die Position von B ist für jedes 5. Jahr als Punkt eingezeichnet, die Jahre 1950 bis 2050 sind beschriftet. X und Y-Achse sind in Bogensekunden beschriftet. Bahnelemente aus [1].
stand dazwischen. Nur 17 Jahre nach dem Periastron 1958 betrug die Winkeldistanz der beiden Sterne damals 2,0 Bogensekunden. Nach dem Rayleigh-Kriterium erscheinen zwei Sterne dann als getrennt, wenn sie 138''/D (in mm) voneinander entfernt sind, also 1,7'' für meinen 80-mm-Refraktor. Abgeblendet auf 60 mm mit demselben Fernrohr konnte ich die beiden Sterne in Kontakt als ,,Hantel-Form" erkennen (Rayleigh-Kriterium 2,3''). Selbst bei nur 40 mm Öffnung erschien Kastor zwar nicht getrennt, aber eindeutig etwas länglich und
nicht rund (Rayleigh-Kriterium 3,5''). Als Positionswinkel schätzte ich im umkehrenden Fernrohr etwa ,,2 Uhr", also etwas südlicher als genau folgend, ca. 120 Grad. Die Ephemeride gibt 113 Grad an. Die Positionswinkelschätzung war recht einfach, da das Fernrohr keine motorische Nachführung hatte, aber mit Feinbewegung der Erdrotation nachgedreht werden konnte.
Im Jahr 2005 wiederholte ich die Beobachtung mit demselben Fernrohr. In den 30 Jahren Zwischenzeit war durch den Bahn-
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Doppelsterne
2 Vergleich der Messungen mit dem Microguide-Okular mit der Ephemeride aus den Bahnelementen [1]. Die Messungen erfolgten mit einem
Refraktor 130 mm / 1.040 mm mit 5x-Barlowlinse bei 400-facher Vergrößerung. Die Messungen aus den einzelnen Jahren sind aus mehreren Nächten gemittelt. Rot ist die vollständige Übereinstimmung mit der Ephemeride eingezeichnet, blau die Messungen. Dies erlaubt eine Abschätzung der Messungenauigkeit.
umlauf die Winkeldistanz auf 4,3 Bogensekunden angewachsen, der Positionswinkel hatte auf 61 Grad abgenommen. Nun war es auch bei 60 mm und auch bei 40 mm abgeblendeter Öffnung leicht, Kastor A und B getrennt zu sehen. B stand jetzt in der ,,4 Uhr"-Position, also etwas nördlicher als folgend.
Es macht mir auch immer wieder Freude, mit einem Baader-Microguide-Okular den Winkelabstand und den Positionswinkel zu messen. Früher wurde ein solches Okular zum Nachführen von lang belichteten Fotos verwendet und es ist immer noch am Gebrauchtmarkt erhältlich. Die Technik ist in [2] und [3] gut beschrieben. Obwohl die visuelle Messung mit dem Mess-Okular zeitaufwändig und nicht so genau wie die neueren elektronischen Verfahren mit CCD bzw. CMOS-Kamera ist, mache ich das gerne. Hinter dem Fernrohr zu sitzen und mehrmals über eine Stunde hinweg einen Doppelstern selbst zu sehen und zu messen ist ein schönes Erlebnis, das eine Computerbildschirm-Messung nicht bie-
tet. Mein Respekt für die DoppelsternAstronomen früherer Jahrhunderte, deren Messungen die Grundlagen für die Massenbestimmung der Sterne legten, ist dadurch noch mehr gewachsen.
Literatur- und Internethinweise (geprüft Dez. 2020): [1] J. A. Docobo et al., 2014: Inf. Circ.
184, 1, Oct. 2014, www.usc.gal/ astro/circulares/cir184.pdf [2] R. W. Argyle, 2012: "Observing and Measuring Visual Double Stars", Springer Verlag [3] W. Vollmann, 2014: ,,Zusammenstellung von Beiträgen im VdS-Journal für Astronomie", http://members.aon. at/wolfgang.vollmann/ds/ds3web. pdf [4] C. Julio: ,,Größenverhältnisse im Kastor-System", Infografik ,,Castor - the 6-star system" in: https://www.jpl. nasa.gov/infographics/infographic. view.php?id=10884
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Doppelsterne
25 Jahre Doppelsternmessungen mit Spiegelteleskopen
von Andreas Alzner
Doppelsterne beobachte ich seit dem 2. Juli 1968. An diesem Abend richtete ich mein 16x50-Fernglas auf den südlichen Schwan und sah ein orange-blau leuchtendes Paar: natürlich Albireo - Beta Cygni, einer der bekanntesten Vertreter seiner Klasse. Und ein absolutes Anfängerobjekt - oder mehr? Interessanterweise bietet Albireo auch heutzutage noch Ungeklärtes: So ist die physische Zusammengehörigkeit des weiten Paares keineswegs gesichert [1], und 1976 entdeckte McAlister mittels SpeckleInterferometrie an einem 2,1-m-Teleskop einen 5,2 mag hellen Begleiter des 3,4 mag hellen Hauptsternes. Für dieses Paar, welches für Amateure eine echte Herausforderung darstellt (Wolf Bickel hat es an einem 0,6-m-Cassegrain geschafft [2]), berechnete der Doppelsternastronom Marco Scardia kürzlich eine Bahn mit einer Umlaufzeit von 120,3 Jahren [3].
Aber zurück zu den Anfängen meiner Doppelsternbeobachtungen: ab 1968 kam ein 4,5-Zoll-Kaufhaus-Newton auf parallaktischer Montierung zum Einsatz. Das Problem war weniger der Hauptspiegel, sondern die zwei mitgelieferten Okulare: ein 1 Zoll Kellner mit 20 mm Brennweite (45-fach) und ein weiteres 1 Zoll Kellner mit 6 mm Brennweite (150-fach), wobei Letzteres den eigentlichen Schwachpunkt darstellte, v. a. was das Einblickverhalten betraf.
Als engstes Paar konnte ich 1969 immerhin Zeta Bootis (STF 1865) auflösen, der sich damals günstig für Amateure noch nicht weit vom Apastron entfernt hatte (ca. 1,2'' Abstand).
Was hingegen Ende der 60er-Jahre im kleinen Newton überraschenderweise nicht ging, war der berühmte Kastor (Alpha Gem = STF 1110) mit Periastron 1958, dessen Komponenten 1969 ca. 1,9 Bogensekunden und damit praktisch minimalen Ab-
1 Doppelbildmikrometer nach
Bernard Lyot, hier mit einem 10 mm Zeiss-Ortho-Okular. In der Box befindet sich die um zwei Achsen drehbare Kalkspatplatte. Rechts: Drehrad für Winkeleinstellung: rotiert die Box um die Winkelskala. Links: Drehrad für Distanzeinstellung: rotiert die Kalkspatplatte unter dem Okular. Eine Einstellung von +-10 entspricht am 325-mm-Cassegrain (f/19) einer Distanz von 0,83''. (Bild: A. Alzner)
stand einnahmen. Für diesen Fehlschlag war nicht der kleine Newton verantwortlich, sondern schlicht mangelnde Übung des Beobachters - man muss sich erst mal einsehen, um in einem unruhigen Beugungsbild zweier ungewohnt heller Sterne mit ca. 2 Bogensekunden Abstand bei meist mäßigem Seeing die Duplizität zu verifizieren. Nach dieser frustrierenden Erfahrung war mein Traum ein 108-mm-Refraktor (f/15) von Tasco (,,Observatory Refractor for the professional"), der für den Schüler angesichts eines Preises von 999,95 US$ unerreichbar blieb.
Nach einer Pause von rund 10 Jahren von 1975 bis 1985 erwachte mein Interesse an der Astronomie erneut (Halley war im Anmarsch!) und ich erstand einen 6-ZollNewton (f/5), kurze Zeit später einen 8-Zoll-Newton (f/4,5). Gut für Gasnebelbeobachtungen mit den neu aufgekommenen Nebelfiltern - aber noch nicht gut genug für Doppelsterne. Es sollte um mehr gehen als um Standardobjekte wie der nun zugänglicher gewordene Kastor oder Epsilon Lyrae. 1988 bot mir Dieter Lichtenknecker aus seinem persönlichen Besitz einen sehr guten 125-mm-Refraktor mit f/6 an (verkitteter Achromat, bestes Objektiv einer Serie). Ich griff nach einigem Überlegen zu und konnte im Sommer 1988 erstmals Delta Cygni (STF 2579, mA = 2,9 mag, mB = 6,3 mag,
2,5'') und im darauffolgenden Winter und Frühjahr auch die weiteren, langjährigen Wunschobjekte Zeta Orionis (STF 774, mA = 1,9 mag, mB = 3,7 mag, 2,4''), Theta Aurigae (STT 545, mA = 2,6 mag, mB = 7,2 mag, ca. 3,5'') und Zeta Herculis (mA = 2,9 mag, mB = 5,5 mag, 1,6'') einwandfrei trennen - sollten kleine Refraktoren, wie so oft behauptet, auch deutlich größeren Spiegeln bei Doppelsternen überlegen sein?
Dann kam 1989/90 die Wende und ich ließ bei Zeiss Jena einen großen Parabolspiegel nachschleifen. Bei dieser Gelegenheit bot mir der Mitarbeiter Peter Große zusätzlich eine neue 360-mm-Newton-Optik an. Ursprünglich für allgemeine Deep-Sky-Beobachtungen geplant, erwies sich dieser Newton als sehr geeignet für Doppelsternbeobachtungen. Nach ca. 720 Messungen enger Paare zwischen 0,3'' und ca. 2,0'' von 1993 bis 1996 an dieser Optik ging die Planung weiter: Nun sollte es ein Teleskop speziell für visuelle Doppelsternmessungen werden. Der Newton schied dafür aus Platzgründen aus, da das Instrument stationär in einer kompakten Hütte aufgestellt werden sollte.
Peter Große - die Sektion für Amateurastronomie in Jena hatte mittlerweile das Geschäft aufgegeben - fertigte mir 1996 die Optik für einen 325-mm-Cassegrain (f/19) an - ein sehr spezielles Teleskop mit
28 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
einem 6-fach verlängernden Gegenspiegel, welches oben mit einer planparallelen Glasplatte verschlossen ist. Diese trägt den Gegenspiegel und macht das System deutlich weniger anfällig für lokale Turbulenzen.
Als Mikrometer für enge Paare, neben den Winkeln sollten die Distanzen mit einer Genauigkeit von ca. 0,03'' bis 0,04'' gemessen werden, schien mir ein Doppelbildmikrometer nach Bernard Lyot aus Frankreich geeignet (Abb. 1). Glücklicherweise erstand ich das letzte Exemplar einer Serie von 20 Stück. Dankenswerterweise hatte Edgar Soulie von der französischen Doppelsterngesellschaft von der kleinen Auflage dieses Mikrometers einige Jahre zuvor in der Zeitschrift ,,Sterne und Weltraum" berichtet. Allerdings erfordert dieser Typ ein Öffnungsverhältnis von ca. 1:20 oder langsamer (das notfalls auch mittels einer Barlowlinse erzielt werden kann). Dieses Mikrometer enthält als optisches Element eine um zwei Achsen drehbare Kalkspatplatte. Hierbei handelt es sich um ein doppelbrechendes Einkristall, welches bei Drehung gegen die optische Achse die Sternbilder in einen ordentlichen und einen außerordentlichen Strahl aufspaltet. Ein Doppelstern erzeugt also 4 Bilder, und diese bringt man in eine gut beurteilbare Konfiguration, z. B. auf eine Gerade in gleichen Abständen. Die Bildaufspaltung ist der Drehung nicht proportional, d. h. die Reduktion der Messung erfolgt mittels Formel und Programm.
Die Reichweite des Mikrometers ist gegenüber anderen Verfahren wegen der Aufspaltung in Doppelbilder etwas reduziert, andererseits stören Nachführungsschwankungen des Teleskops wesentlich weniger. Der 325-mm-Cassegrain steht in einer bescheidenen Holzhütte aus dem Baumarkt auf einer sehr soliden Alt-Montierung und hat sich bis heute bewährt. Ich habe damit von 1996 bis 2020 (mit einer Unter-
2 Bahnen für HU 39. Schwarz: Rechnung von 1998, blau: Rechnung von 2020. Blaugrüne
Kreuze: visuelle Messungen. Blaue, gefüllte Kreise: Speckle-Messungen. Grüne Linien verbinden Messpunkte mit berechneten Positionen der Bahn von 1998, hellblaue Linien verbinden Messpunkte zu berechneten Positionen der Bahn von 2020. Die beiden Komponenten sind Hauptreihensterne vom Spektraltyp G0. Grafik aus [7], durch A. Alzner modifiziert.
brechung von 2 Jahren) bislang ca. 3.000 Mikrometermessungen erzielt, praktisch ausschließlich an physischen Systemen, die auch Bahnbewegung zeigen, so dass nun Messungen am Newton und am Cassegrain aus 25 Jahren zusammengekommen sind. Zur Genauigkeit der Messungen:
Die mittleren Messfehler der Winkel hängen natürlich von der Distanz ab: - Abstände < 0,5'': +- 3,2 Grad - Abstände 0,5'' bis 1,0'': +- 1,9 Grad - Abstände 1,0'' bis 2,0'': +- 1,2 Grad - Abstände > 2,0'': +- 0,6 Grad - Messfehler der Distanzen: ca. +- 0,035''
Bei hellen Paaren mit etwa gleich hellen Komponenten ist die Genauigkeit oft besser, bei solchen mit großem Helligkeitsunterschied entsprechend schlechter. Die Werte gelten für Mittelwerte, die aus Messungen in 2 bis 3 Nächten gewonnen wurden. Sie wurden abgeleitet aus Doppelsternen mit recht genau bekannten Elementen oder aus Paaren, für die zum gleichen Zeitpunkt gemessene Werte an sehr großen Teleskopen vorliegen. Bei letzteren Vergleichen ist Vorsicht geboten: bei einer hohen intrinsischen
Genauigkeit eines Messverfahrens stellen sich oft systematische Fehler als eigentliches Problem heraus.
Alle Messungen wurden in Astronomy and Astrophysics Suppl. Series 1998 [4] bzw. später in den Zirkularen der Webb DeepSky Society veröffentlicht [5] und fanden Eingang im Washington Double Star Catalog (WDS), der von Brian Mason (U. S. Naval Observatory) unterhalten wird.
Neben der praktischen Beobachtung erwachte mein Interesse für die Bahnberechnung. Ich hatte Glück und fand einen Mentor: Wulff Heintz vom Swarthmore College. Prof. Heintz ist sicher noch vielen Sternfreunden bekannt durch zahlreiche Bahnlösungen, deren Parameter im Sky Catalogue 2000.0 abgedruckt wurden, viele Jahre meine wichtigste Quelle für Doppelsterndaten. Neben weniger bekannten ca. 25 Paaren berechnete ich u. a. neue Bahnen für Beta Delphini (BU151) und Zeta Bootis (STF1865), die beide allerdings mittlerweile wegen neuerer, genauerer Speckle-Messungen revidiert worden sind.
Journal für Astronomie Nr. 77 | 29
Doppelsterne
3 Die Bahn von STF 787, Rechnung
von Henry Zirm. Grafik aus [7].
Im Folgenden soll es um die Beobachtung bzw. Messung zweier nahe beieinanderstehender Doppelsterne und den darauffolgenden Ereignissen gehen. Am 6. Dezember 1994 unterlief mir bei der erstmaligen Aufsuche des langperiodischen Paares STF 787 (5h 46,0min, +21 Grad 19') eine Fehlidentifizierung: Statt des Struve-Paares war mir der nur ca. 40 Bogenminuten entfernt stehende Doppelstern Hussey 39 (= HU 39 = ADS 4373, 5h 47,2min, +21 Grad 53') ins Feld geraten [6]. Den Fehler erkannte ich kurze Zeit später, da meine erste Messung an HU 39 inkompatibel war mit den vorherigen an STF 787. In den nächsten Wochen gewann ich Messpunkte an beiden Paaren.
Die Gesamtheit der bisher erzielten Messungen des Hussey-Paares im Zeitraum 1900 bis 1994, die mir Brian Mason zur Verfügung stellte, zeigte dann, dass es sich um einen relativ kurzperiodischen Doppelstern mit einer Periode von knapp 50 Jahren handelte. 1998 habe ich daher eine erste Bahn veröffentlicht. Diese habe ich 22 Jahre später revidiert, wobei die Änderungen relativ gering ausfielen. Die Grafik (Abb. 2) aus dem aktuellen WDS-Bahnkatalog zeigt die neue Rechnung [7].
Das Paar ist meist so eng, dass sehr große Öffnungen für Messungen erforderlich sind (W. J. Hussey hat seine Entdeckung mit dem 36-Zoll-Lick-Refraktor gemacht). Zu der Zeit meiner ersten, zufälligen Beobachtung hatte ich großes Glück, da die Kompo-
nenten den nahezu maximal möglichen Abstand von 0,33'' einnahmen.
Was aber ist aus dem ursprünglichen Ziel STF 787 geworden? Auch für diesen Stern liegt mittlerweile eine Bahnbestimmung vor, die Henry Zirm 2014 vorgelegt hat [7]. In diesem Falle geht es um ein relativ langperiodisches Paar mit einer Periode von ca. 900 Jahren. Henry hat schon viele solcher ,,Orbits" gerechnet und große Erfahrung damit: die Kunst besteht darin, an einen Datensatz sehr heterogener Messungen mit unterschiedlich großen Messfehlern einen Bahnbogen geringer Krümmung so anzupassen, dass einerseits die Gesamtsumme der Fehlerquadrate (Fehler = beobachtete Position minus berechneter Wert) minimal wird, andererseits die aus der Bahn berechnete, dynamische Parallaxe ungefähr mit der von Hipparcos oder Gaia gemessenen Parallaxe übereinstimmt.
Man sieht im Falle von STF 787 (Abb. 3), dass der Abstand langsam, aber stetig kleiner wird - noch ist das Paar in Reichweite moderater Öffnungen von ca. 10 Zoll - ich habe es für den nächsten Winter auf die Beobachtungsliste gesetzt, nachdem meine letzte Messung bereits 20 Jahre zurückliegt [4].
Wer in das Thema ,,Doppelsternmessungen" einsteigen möchte, sollte ein Teleskop nicht unter ca. 10 Zoll Öffnung einsetzen - zu sehr ist die Auswahl interessanter Objekte sonst begrenzt. Die Qual der Wahl liegt beim Beobachter, welche Technik er anwendet: ,,old fashioned" Mikrometerarbeit, oder mehr zeitgemäß CCD-Messungen (,,lucky imaging") oder Speckle-Messun-
gen [8]. Als ich 1993 mit den Messungen startete, schien mir das Doppelbildmikrometer leistungsfähiger als die den Amateuren damals zur Verfügung stehenden digitalen Verfahren, da es ja nur um die beiden Messparameter Winkel und Abstand geht. Zusätzlich sollte man zur Absicherung des Quadranten immer den Helligkeitsunterschied abschätzen.
Danksagung Dieser Beitrag hat Daten des Washington Double Star Catalog vom U.S. Naval Observatory verwendet.
Literatur- und Internethinweise: [1] U. Bastian, 2019: ,,Doppelsterne - ein
schönes Paar", Sterne und Weltraum 4/2019, S. 36-44 [2] W. Bickel, 2020: ,,Ein Farbfoto mit dem Stern Albireo Ac", Sterne und Weltraum 3/2020, S. 6 [3] IAU, Commission G1 (Binary and Multiple Star Systems), 2019: "New Orbits", Double Stars Information Circular No. 198 (June 2019) [4] A. Alzner, 1998: "Measurements of double stars 1993.67-1998.13", Astron. Astrophys. Suppl. Ser. 132, p. 237-252 [5] The Webb Deep-Sky Society, www. webbdeepsky.com/double-stars/ double-star-section-circulars [6] A. Alzner, 1996: ,,Der Doppelstern Hussey 39 = ADS 4373 - Taurus", Interstellarum 6, Feb-Apr 1996, S. 22-23 [7] Sixth Catalog of Orbits of Visual Binary Stars, Orbital Elements: www.astro. gsu.edu/wds/orb6/orb6orbits.html [8] R. W. Argyle (Ed.), 2012: "Observing and Measuring Visual Double Stars", Springer, New York, Heidelberg, Dordrecht, London, ISBN 978-1-4614-3944-8
30 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
Die Radialgeschwindigkeiten der Doppelsterne Centauri und Aurigae (Capella)
- Ein Vergleich von Messung und Berechnung
von Frank Theede und Rainer Anton
Ein besonderes Interesse an physischen Doppelsternen begründet sich auf der Möglichkeit, bei Kenntnis der Umlaufbahnen mit Hilfe der Keplerschen Gesetze die Sternmassen berechnen zu können. Dies ist die einzige direkte Methode und von großer Bedeutung für die Astrophysik.
Bei visuellen Doppelsternen erfolgt die Bahnbestimmung astrometrisch durch systematische Messungen der relativen Positionen der Komponenten und Analyse der Bewegungen. Daraus ergeben sich außer den Bahnelementen, die die Größe, Form und Lage der Bahn im Raum beschreiben, auch das Massenverhältnis der Komponenten, und wenn dann noch die Entfernung des Systems bekannt ist, sogar deren Einzelmassen.
Bei engen Paaren, die optisch nicht getrennt werden können, kann die Spektroskopie zu Hilfe kommen: eine periodische Bahnbewegung verrät sich durch entsprechende Linienverschiebungen, die als Doppler-Effekt durch variable Radialgeschwindigkeiten gedeutet werden. Man spricht dann von ,,spektroskopischen Doppelsternen". Auch für diese können bis auf die Bahnneigung die Bahnelemente bestimmt werden. Abgesehen davon kann die Analyse der Radialgeschwindigkeiten auch zur Bestätigung oder Verbesserung von astrometrisch bestimmten Bahnparametern dienen, und zur Darstellung der Bahn im dreidimensionalen Raum beitragen.
Um die durch eigene Messungen spektroskopisch bestimmten Radialgeschwindigkeiten mit denen der Literatur vergleichen zu können, wurde ein Programm erstellt, mit dem Radialgeschwindigkeiten anhand von bekannten Bahnelementen berechnet werden können. Zum Testen dienen zwei
Beispiele: Centauri und Capella ( Aurigae). Für diese beiden Sterne gibt es umfangreiche Fachliteratur, und die Bahnelemente sind sehr genau bekannt.
Orbitparameter Für die Berechnung der Bahn und der Ephemeriden werden insgesamt sieben Parameter benötigt.
Die ersten vier charakterisieren
die wahre Bahn: P die Umlaufperiode,
1 Überlagerung von sechs Aufnahmen von Cen AB
z. B. in Jahren,
aus 12 Jahren zur Illustration der Bahnbewegung am
T die Epoche des Periastron-
Himmel. Schärfe und Auflösung variieren durch Teleskop
Durchgangs,
und Seeing.
e die numerische Exzentrizität,
a die halbe Hauptachse,
z. B. in Bogensekunden.
Anomalie") und im Abstand r vom Haupt-
stern (Brennpunkt der Ellipse). Dann fin-
Wenn die Entfernung des Systems bekannt det man nach etwas Trigonometrie für die
ist, kann man auch die jeweiligen Abstän- z-Koordinate auf der Sichtlinie die Bezie-
de der Komponenten vom gemeinsamen Schwerpunkt und damit auch die Einzel-
hung: z = r sin ( + ) sin ( i )
massen ermitteln.
Das Differential dieser Gleichung nach
Drei weitere Elemente beschreiben
der Zeit ist die Radialgeschwindigkeit Vrad. Nach einiger Rechnung erhält man für die
die Orientierung der Bahn im Raum:
Komponenten A und B die folgenden Aus-
der Positionswinkel des aufsteigenden
drücke:
Knotens in der Ebene der scheinbaren
Bahn (wird hier nicht benötigt),
i die Bahnneigung, d. h. der Winkel zwi- Zur Berechnung der Radialgeschwindig-
schen wahrer und scheinbarer Bahn,
keit als Funktion der Zeit ist die wahre Ano
das Argument des Periastrons, d. h. der malie = (t) zu bestimmen, wozu die be-
Winkel zwischen Periastron und Kno- rühmte Keplersche Gleichung iterativ ge-
tenlinie in der wahren Bahnebene.
löst werden muss. Dazu und zu geeigneten
Näherungsverfahren gibt es umfangreiche
Die Radialgeschwindigkeit ergibt sich aus Literatur, z. B. [1]. Im hier beschriebenen
der Bewegung in der Sichtlinie, die meist als Programm wird das dort auf Seite 129 be-
z-Richtung bezeichnet wird. Der Begleit- schriebene Newton-Verfahren verwendet.
stern befinde sich auf seiner Bahn im Win- Dabei genügen meist nur wenige Iterations-
kelabstand vom Periastron (die ,,wahre
schritte für eine ausreichende Genauigkeit.
Doppelsterne
2 Berechnete Radialgeschwindigkeiten der Komponenten A und
B von Cen während einer Umlaufperiode ( 80 Jahre). Zusätzlich sind eigene Messwerte aus den Jahren 2014 bis 2019 eingezeichnet (Symbole mit Fehlerbalken).
3 Berechnete (Kurven) und gemessene (grüne Symbole mit
Fehlerbalken) Radialgeschwindigkeiten von Aur AB während einer Umlaufperiode.
Absolute Zahlen, z. B. in km/s, erhält man, wenn außer den Konstanten auch die halben Hauptachsen aA und aB der jeweiligen Ellipsen im absoluten Maßstab bekannt sind. Man sieht sofort, dass das Verhältnis der Radialgeschwindigkeiten der Komponenten dem der jeweiligen Achsenabschnitte entspricht, was wiederum im umgekehrten Verhältnis zu den Massen steht.
Programmbeschreibung Das selbst geschriebene Python-Programm ,,RadialVelocity" bietet dem Anwender eine einfache Benutzeroberfläche zur Verwaltung der Doppelsternsysteme und Steuerung der Berechnungen. Die Bahnelemente des Doppelsternsystems können eingegeben, gespeichert und wieder geladen werden. Die Speicherung erfolgt in einer Text-Datei, so dass die Werte auch über einen Texteditor oder z. B. MS Excel eingegeben werden können. Dies erleichtert die Eingabe weiterer Systeme. In einem anderen Bereich werden die Parameter für die Berechnung angeben: Start- und Endzeitpunkt in Jahren, wobei Jahresbruchteile als Dezimale einzugeben sind, die gewünschte Schrittweite für die Berechnungszeitpunkte und die Anzahl der gewünschten Nachkommastellen für die Ausgabe der Radialgeschwindigkeiten. Die Ergebnisse werden zum einen auf der Konsole ausgegeben, zum anderen in etwas abgewandelter Form inklusive Informationen zum berechneten
System
mit
den
Spalten
,,Zeitpunkt
:
V
rad,A
/
(km/s)
:
V
rad,B
/
(km/s)"
zur
weiteren
Ver-
arbeitung wie im Kasten oben rechts dar-
gestellt in eine Datei gespeichert.
Programmtests Zum Testen des Programms boten sich zwei interessante Doppelsternsysteme an: Centauri und Capella, für die sehr genaue Bahnparameter und absolute Dimensionen vorliegen, die in der Tabelle 1 aufgelistet sind.
Alpha Centauri ist ein auffälliger visueller Doppelstern, der schon mit kleinen Teleskopen gut getrennt werden kann. In Katalogen wird er oft als RHD 1 AB verzeichnet. Die Helligkeiten der Komponenten sind 0,01 und 1,33 mag. Die Umlaufperiode beträgt 79,9 Jahre. Das System ist bei einer Entfernung von 4,34 Lj unser nächster Nachbar und dementsprechend intensiv untersucht worden. Die neueste Bahnbestimmung stammt von Pourbaix und Boffin von 2016 [3].
Capella ( Aurigae) ist einer der bestbekannten spektroskopischen Doppelsterne. Die Umlaufperiode beträgt 104 Tage. Lange Zeit konnte er teleskopisch nicht getrennt werden, was aber vor einigen Jahren mit der ,,Long Baseline Interferometry" doch gelang. Im Spektrum sieht man im Wesentlichen die Linien vom Hauptstern mit der Helligkeit 0,91 mag, während kaum Linien
vom Begleiter zu erkennen sind, obwohl er mit 0,76 mag sogar etwas heller ist. Sehr genaue Bahnelemente wurden in 2011 von Weber und Strassmeier veröffentlicht [4].
Die Abbildung 1 ist eine Überlagerung von eigenen Aufnahmen von Centauri AB, die mit verschiedenen Teleskopen (mit 28 cm bis 50 cm Öffnung) der ,,Internationalen Amateur Sternwarte" (https://iasev.de/) in den Jahren 2007 bis 2019 entstanden sind. Sie wurden zentriert auf die Komponente A, so dass man die Bahnbewegung am Himmel gut nachvollziehen kann.
Die Abbildung 2 zeigt die Radialgeschwindigkeiten der beiden Komponenten, berechnet für einen Zeitraum, der etwas mehr als eine Periode umfasst (Periastron-Durchgänge sind bei den rot angegebenen Zeiten), mit dem oben beschriebenen Programm und mit den Parametern von Pourbaix et al., wie sie in der Tabelle angegeben sind [2]. Dabei wurden die halben Hauptachsen aA und aB anhand der Parallaxe von 743 mas (Millibogensekunden), entsprechend einer Entfernung des Systems von 1,35 pc, und mit dem Massenverhältnis von 1,333 : 0,972 (Sonnenmassen) angenommen. Alle Geschwindigkeiten sind negativ, das heißt, die Komponenten bewegen sich zu jedem Zeitpunkt auf uns zu, und zurzeit B schneller als A. Also liegt B von uns aus gesehen zurzeit hinter A und wird erst um 2045 in
32 | Journal für Astronomie Nr. 77
Doppelsterne
den Vordergrund rücken. Die horizontale Linie, gegeben durch die Schnittpunkte der Kurven, gibt die Systemgeschwindigkeit an, d. h. die Radialgeschwindigkeit des Schwerpunkts (- 22,4 km/s). Die darauf bezogenen Halbamplituden der Kurven unterscheiden sich für A und B um das Massenverhältnis. Da A schwerer ist als B, ist die Geschwindigkeit entsprechend kleiner.
Die etwas eigenartige Kurvenform beruht auf der großen Exzentrizität und Lage der Bahn im Raum. Die Maxima der Radialgeschwindigkeiten fallen nicht genau zusammen mit den Periastron-Durchgängen. Der Vergleich mit Kurvendarstellungen von Pourbaix et al. aus 2002 und 2016 [2, 3] zeigt praktisch perfekte Übereinstimmung. Zusätzlich sind noch einige eigene Messwerte eingetragen, die mit einem EigenbauSpektrografen bei einer Auflösung R = / von etwa 20.000 aus Linienverschiebungen im Bereich der H-Linie der beiden Komponenten (nach heliozentrischer Korrektur) gewonnen wurden. Der mittlere Fehler beträgt um die +- 1,5 km/s. (Die Messungen der Radialgeschwindigkeiten von Pourbaix et al. waren natürlich erheblich genauer!)
Ganz andere Verläufe nehmen die Radialgeschwindigkeiten der beiden Komponenten A und B von Capella. Dies ist in der Abbildung 3 für eine Umlaufphase ( 104 Tage) von Periastron zu Periastron (bei den Phasen 0 und 1) gezeigt. Zusätzlich sind
eigene spektroskopische Messungen eingezeichnet. Mit Letzteren konnten allerdings nur Linienverschiebungen der dominanten Komponente A bestimmt werden. Dabei variieren die Fehler zwischen +- 3 und +- 7 km/s, je nach Seeing. Der Vergleich der Kurven mit den Daten von [4] ergibt praktisch exakte Übereinstimmung (aber die Messungen von [4] waren natürlich erheblich genauer!).
Alle Geschwindigkeiten sind positiv, und das System bewegt sich mit 30 km/s von uns weg. Die Kurven für A und B sind sinusförmig, was an der extrem kleinen Exzentrizität der Umlaufbahn liegt. Die Amplituden sind fast gleich: die von A ist geringfügig kleiner als die von B, entsprechend den Massen von 2,57 bzw. 2,49 Sonnenmassen (nach [4]).
Schlussbemerkung Das hier vorgestellte Programm erlaubt die Berechnung von Radialgeschwindigkeiten von Doppelsternsystemen anhand bekannter Bahnelemente und damit den Vergleich mit Messungen. Das verwendete Iterationsverfahren zur Lösung des Kepler-Problems ist, wie der Vergleich mit den Messungen zeigt, für die numerische Exzentrizität beider Sternsysteme hinreichend. Für andere Systeme mit ,,pathologischeren" Bahnparametern ist gegebenenfalls ein anderes, geeigneteres Näherungsverfahren zu wählen.
Dateiinhalt zur Eingabe von Daten für das Python-Programm ,,RadialVelocity" (Beispiel)
Berechnung Radialgeschwindigkeiten System = alpha Centauri AB a1 = 3.9e+09 a2 = 3.2e+09 i = 79.32 P = 79.91 e = 0.524 omega = 204.75 Tp = 1955.66 w = 232.3 #################### 1965.0000 : 6.6117 : 5.4250 1966.0000 : 7.0015 : 5.7448 1967.0000 : 7.2734 : 5.9679 1968.0000 : 7.4538 : 6.1159
Literaturhinweise: [1] A. Guthmann, 1994: ,,Einführung in
die Himmelsmechanik und Ephemeridenrechnung", BI Wissenschaftsverlag [2] D. Pourbaix et al., 2002: «Constraining the Difference in Convective Blueshift between the components of Centauri with precise radial velocities», Astron. Astrophys. 386, p. 280-285 [3] D. Pourbaix, H. M. J. Boffin, 2016 : «Parallax and masses of Centauri revisited», Astron. Astrophys. 586, A90 [4] M. Weber, K. G. Strassmeier, 2011 : «The spectroscopic orbit of Capella revisited», Astron. Astrophys. 531, A89
Tabelle 1
Hier verwendete Bahnelemente für Centauri und Capella nach Pourbaix und Boffin [3] bzw. Weber und Strassmeier [4]
System
Cen Aur
Periode
79,9 Jahre 104,02 Tage
T0 / J
1955,66 2007,789
e
0,524 8,7x10-4
a / arcsec
17,66 -
aA / km
3,2x109 54,66x106
aB / km
3,9x109 56,52x106
Die Werte der halben Hauptachsen aA und aB wurden für Cen aus der Parallaxe berechnet.
i / Grad
79,32 137,2
/ Grad
232,3 345
Amateurteleskope / Selbstbau
Bau einer Kühlung für die Planetenkamera ZWO ASI178
von Harald Kaiser
Vor längerer Zeit hatte ich mir zu Experimentierzwecken ein 12-V-Peltierelement mit zwei montierten Lüftern gekauft. Die Kosten waren mit ca. 16 Euro sehr überschaubar. Ich erinnerte mich daran und der Gedanke war geboren: Warum nicht meiner Planetenkamera eine Kühlung verpassen? Die ersten Überlegungen gingen in die Richtung, was kaputt gehen könnte und welche Eingriffe nötig wären. Fallen Folgekosten an, so dass sich alles nicht lohnt? Als dann beide Baugruppen - Kamera und Peltierelement - vor mir lagen, war schnell klar: Einen Versuch ist es allemal wert.
Erster Grund zur Freude war die Passgenauigkeit von Kamera und Peltierelement. Die ungekühlten ASI-Kameras haben keine Anschlüsse auf der Rückseite, Datenkabel und Anschluss für Autoguiding liegen seitlich. Außerdem besitzt zumindest die ASI178 auf der Rückseite vier Gewindebohrungen. Damit war klar, dass keine Eingriffe an der Kamera nötig waren. Zuerst entfernte ich den großen Lüfter am Peltierelement. Er sorgt für die warme Abluft. Auch den kleinen Lüfter nebst Kühlkörper, der die kalte Luft abblasen sollte, konnte ich entfernen. Die Konstruktion habe ich bei Ebay gefunden, sie ist aus Fernost. Sie war tatsächlich als Kleintierlüfter für heiße Tage vorgeschlagen worden. Zu meiner großen Freude waren die Schrauben des kleinen Lüfters sowie der Schraubenabstand absolut passgenau zu den Gewindebohrungen auf der Rückseite meiner Kamera. Wärmeleitpaste, die ich weiter verwendet habe, war noch auf dem Peltierelement und auch etwas am Kühlkörper des kleinen Lüfters. Damit waren die Kamera und das Peltierelement sofort zu verschrauben. Jetzt nur noch den großen Lüfter wieder aufsetzen, verschrauben und fertig. Na ja, so ganz noch nicht. Nötig waren noch ordentliche Verdrahtungen von Peltierelement und Lüfter mit guten Steckern, die auch Leis-
1 Kamera mit montiertem Peltierelement und Heizmanschette
2 Anordnung der Widerstände in der Heizmanschette
tung aushalten (Abb. 1). Von den derzeit üblichen Hohlsteckern, wie sie an Kameras und anderem Zubehör verwendet werden, habe ich abgesehen. Die Wackelrate damit ist beträchtlich. Ich bin auf Chinchstecker umgestiegen und habe auch andere Bauteile bei mir schon umgerüstet. Die Stecker sind Standard im Radio-Elektronikbereich. Jetzt konnte die Stromaufnahme getestet werden. Es lagen zwischen 4 und 4,5 Ampere am Messgerät an. Über APT (Astro Photography Tool) konnte ich die Temperatur am Sensor auslesen. Die Umgebungs-
temperatur war hier 22 Grad C. Die Sensortemperatur bewegte sich langsam gegen 5 Grad C. Damit war ich schon sehr zufrieden. Eine Temperaturabsenkung um 17 Grad C habe ich nicht erwartet. Ich befürchtete aber Probleme in der Praxis: 1. Die Kamera hat keine Trockenkammer.
Wie lange würde es dauern, bis das dem Sensor vorgebaute Glas-/IR-Filter beschlägt? 2. Bei welcher Außentemperatur kühlt der Sensor so stark ab, dass er vielleicht vereist?
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3 Isolationsring
4 Kamera mit Isolation
3. Die Kühlung wird über das Kameragehäuse erreicht. Der Sensor hat keinen ,,Finger", keine Verbindung, die direkt am Peltierelement anliegt. Damit kühlt das Kameragehäuse stark ab, es kann ggf. sogar vereisen.
Meine Tests liefen alle auf dem ,,Trockendock", ohne dass die Kamera am Teleskop angebaut war. Ich erwartete eine Verschlechterung durch das Abfließen der Kühlleistung über die Zwischenringe hin zum Okularauszug. Der Wärmeaustausch erfolgt von einem Objekt höherer Temperatur zu einem Objekt niederer Temperatur, bis beide Objekte sich im Wärmegleichgewicht befinden. Ich müsste also mehr Kühlleistung produzieren, um den Erfolg zu halten. Zusätzlich kondensiert Feuchtigkeit außen in hohem Maß. Aber ich konnte Lösungen finden.
Das Beschlagen des Sensors und auch des Korrektors - nur bei niedriger Außentemperatur - ist über eine Heizmanschette gelöst (Abb. 2). Sie wird um die Abstandsringe bzw. Adapterringe gelegt. Damit wird der kleine Raum vor dem Sensorglas bzw. Sensor und dem Korrektor (ca. 55 mm Abstand bei 2 Zoll Durchmesser) zur Trockenkammer umgewidmet. Auch ohne Korrektor sollte sich der Raum ausreichend aufwärmen. Im Sommer bei tropischen Nächten besteht da keine Gefahr. Es ist einfach warm genug. Die Heizmanschette macht ihrem Namen alle Ehre, sie heizt ordentlich
und wird nicht nur warm. Sie zieht 1,3 Ampere Strom zusätzlich. Kleine Abweichungen nach oben oder unten sind möglich und ggf. regelbar (siehe unten). Alternativ, wenn man sowieso kaufen muss, ist Widerstandsdraht auch geeignet. Etwa 16 Ohm passend aufwickeln und auf die Isolation achten! Bei Nachbauten ist hier ein bisschen Probieren gefragt. Es gibt auch von ZWO Heizmanschetten zu kaufen. Die sind zwar für die gekühlten Kameras gedacht, scheinen aber auch hier zu funktionieren. Ein stufenlos einstellbarer PWM-Regler (Pulsbreitenmodulation) begrenzt vereinfacht gesagt die Spannung und damit die Heizleistung der Manschette. Damit ist der Widerstandswert nicht mehr so kritisch, Hauptsache sie heizt noch. Dieses Gerät ist bei den Kenndaten 12 V bis 24 V und 8 A für wenige Euro erhältlich.
Das Nichtbeschlagen des Sensorglases und das Nichtvereisen des Sensors wird dadurch erreicht, dass die Sensortemperatur über 0 Grad C gehalten wird. Im Frühjahr bei den ersten Versuchen hatte ich bei einer Außentemperatur von 11 Grad C durchaus -3 Grad C am Sensor und dann abgebrochen. Das verschwommene Bild war in der Vorschau am Laptop sichtbar. Zu einer speziellen Lösung hierzu komme ich weiter unten.
Das Kameragehäuse wird im Laufe der Nacht patschnass und tropft förmlich vor sich hin. Durch dieses Kondensieren entsteht ein Verlust der Kühlleistung. Ich habe
mich deshalb entschieden, aus meiner Kamera in gewissem Sinn einen Kühlschrank zu machen (Abb. 3). Mit dem hier gezeigten Verpackungsschaum, der die Kamera völlig umschließt und nur eine Aussparung für das Datenkabel hat, wird die Kamera vollständig ummantelt. Der weiche Schaum ist geeignet. Styropor geht auch, schneidet sich mit dem Cutter aber viel schlechter und bröselt schrecklich. Das Ergebnis war umwerfend! Deutlich weiteres Herunterkühlen des Sensors und keine Feuchtigkeit mehr waren die Folge (Abb. 4).
Gedanken machte ich mir noch um die tieferen Außentemperaturen im Herbst bis zum Frühjahr. Wie schon erkannt, konnte die Sensortemperatur vor allem nach der Isolation deutlich unter den Gefrierpunkt fallen. Glücklicherweise war mein Astrofotofreund Willi Wacker derart begeistert von meinem Kühlprojekt, dass er sich gleich an die Arbeit machte, um seine Planetenkamera zu kühlen. Sein Freund Karl-Heinz Kower begleitete sehr interessiert unsere Bastelei und brachte eine Regelung für die Sensortemperatur ins Spiel. Die Kamera ist jetzt über einen kleinen programmierbaren Thermostat mit 5-A-Relais regelbar (Abb. 5). So ist die Solltemperatur der Kühlung einstellbar und ebenso die Hysterese (gemeint ist hier bei der thermostatgesteuerten Kühlung die Differenz von Ein- und Ausschalttemperatur). Das Peltierelement wird einfach zwischen die Anschlüsse des Relais geklemmt, fertig. Wenn die Außen-
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5 Verbauter Thermostat
temperatur es zulässt, regelt sich jetzt die Sensortemperatur zwischen 0,8 und 1,5 Grad C. Ich habe den Temperaturfühler des Gerätes zwischen Isolation und Kameragehäuse geklemmt. Das Gerät misst also die Oberflächentemperatur des Kameragehäuses und ich entscheide, bei welchem Adäquat der Sensortemperatur - abgelesen im APT - ich meine Set-Taste zwecks Programmierung drücke. Das Display ist rot beleuchtet und muss nachts eher etwas gedämpft werden.
Gesichtsfeld wählen. Bei Langzeitbelichtungen ist es günstiger fürs Rauschverhalten, wenn die Pixel nicht zu klein sind. Die Pixelgröße in Abhängigkeit von der Brennweite und des örtlichen Seeings sollte auf jeden Fall bedacht werden. Astrofotoanfänger, die sich einen Hauch Bastelei zutrauen, können hier ziemlich Geld sparen. Eine von vornherein gekühlte Astrokamera, die bis auf -30 Grad C herunterkühlt, kann das natürlich nicht ersetzen.
Von Anfang an hat mich die Heizmanschette gestört. Damit ist das nächste Projekt am Horizont - eine Kammerheizung, integriert in einen 2-Zoll- oder T2-Adapter. Das Ziel ist, mit dem Sensor noch einmal 5 Grad C weiter herunter in den Minustemperaturbereich zu kommen und weniger Strom für die Manschette zu benötigen. Wer mit seiner Ausrüstung mobil im Feld ist, sollte ja schließlich immer ein waches Auge auf den Ladezustand seiner Autobatterie oder seines separaten Akkublocks haben.
Allen, die etwas Ähnliches angehen wollen, viel Freude und Erfolg damit.
Der finanzielle Aufwand ist mit ca. 12 Euro für das Peltierelement und ca. 12 Euro inkl. Porto für den Thermostat einschließlich eines kleinen passenden Gehäuses minimal. Die Heizmanschette hat meine Frau genäht. Nötige Zusatzwiderstände hatte ich noch, sie kosten aber auch nur wenige Cent. Gegebenenfalls kommen noch Steckverbinder dazu, so dass mit einem finanziellen Aufwand von maximal 35-40 Euro zu rechnen ist.
Die Frage ist nur, ob eine Planetenkamera mit ihren sehr kleinen Pixeln (hier 2,4 m) das Richtige ist. Es gibt von ASI und sicher auch anderen Herstellern noch ungekühlte Kameras bis zum APSC-Format. Für bastelfreudige Einsteiger, die eine Planetenkamera haben, ist das auf jeden Fall lohnend. Wer sich eher für Deep-Sky-Aufnahmen entscheidet und eine dafür passende Kamera kaufen will, sollte eine ungekühlte Kamera mit größeren Pixeln und größerem
Trotzdem ist die Rauschminderung enorm und deutlich zu sehen, wie Wilfried Wacker in der Abbildung 6 dokumentiert hat. Im Vergleich zu einer ungekühlten DSLR, die im Sommer eine Sensortemperatur von gut 30 Grad C erreichen kann (ausgehend von 25 Grad C Außentemperatur plus 3 bis 6 Grad C durch den Betrieb), ergibt sich eine Absenkung um ca. 15 bis 20 Grad C - ein echter Erfolg.
Den Artikel beende ich aber nicht, ohne ein Bild mit dieser Anordnung zu zeigen (Abb. 7). Die Aufnahme entstand im heimischen Garten unter schwierigen Bedingungen, da eine Peitschenleuchte der Stadt 5 m entfernt am Straßenrand steht.
Alles hat viel Spaß gemacht und der gegenseitige Kontakt zu Wilfried Wacker und Karl-Heinz Kower (wir alle gehören der FG Astrofotografie an) hat das Projekt beflügelt. So ein Erfolg setzt Anreize.
6 Vergleich des Rauschens von Darks
bei +30 Grad C (oben)und +9 Grad C (unten). Bild: Wilfried Wacker
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7 Irisnebel
NGC 7023, am 20.06.2020 bei 3 Grad C, 49 x 120 s belichtet, am 22.06.2020 bei 5 Grad C, 56 x 150 s, Newton 250 mm/1.000 mm, keine Filter
Bezugsquellen für die Bauteile:
Peltierelement über Ebay aus China, Lieferzeit ca. 5 Wochen, Suchbezeichnung: 12V-Peltierelement Modul Peltierkühler, Kosten derzeit 11,39 Euro portofrei.
PWM-Regler über Ebay, Suchbezeichnung: LED Dimmer PWM 12V-24V DC 8A Regler Helligkeitsregler Light Strip Controller DE, derzeit 6,54 Euro portofrei.
Thermostat und auch Widerstände und ggf. Wärmeleitpaste z.B. bei: Reichelt Elektronik Art.-Nr. DEBO XH-W1209T und Gehäuse DEBO XH-W1209 C, Kosten ca. 12 Euro.
ATT 2021 digital
Europas größte Messe für Amateurastronomen geht online
Nach der Corona-bedingten Absage in 2020 gibt es am 8. Mai 2021 von 10 - 16 Uhr nun eine digitale Version Europas größter Messe für Amateurastronomen.
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Essen, im Februar 2021. Der ATT (Astronomie und Techniktreff) ist eine Messe speziell für Amateurastronomen, die größte Veranstaltung dieser Art in Europa. Nachdem der ATT in 2020 Corona-bedingt absagt werden musste, ist für dieses Jahr eine digitale Version im Internet geplant. ,,Auch wenn eine Online-Messe eine Präsenzveranstaltung und das persönliche Gespräch vor Ort niemals wird ersetzen können, wollen wir versuchen, so viel Live-Charakter wie möglich in den ATT 2021 digital zu überführen", erklärt Claudia Henkel, 1. Vorsitzende der Walter-HohmannSternwarte in Essen, die seit Jahren Veranstalter des ATT ist.
So wird es neben einem Programm mit Live-Fachvorträgen und OnDemand-Videos auch eine Diskussionsrunde zum Thema Lichtverschmutzung geben. Aussteller präsentieren sich auf virtuellen Messeständen und Private können auf einem Marktplatz ihre alten Astro-Schätzchen anbieten. Sogar eine Live-Sonnenbeobachtung, wie Besucher sie vom analogen ATT kennen, wird möglich sein.
An der Umsetzung arbeitet seit Januar ein Planungsteam, dem auch namhafte und langjährige ATT-Aussteller angehören, unter ihnen die Vereinigung der Sternfreunde (VdS), die Astro-Händler
Baader und Bresser und der Spektrum-Verlag. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, erneut allen Besuchern die aktuellen Trends, neuesten Produkte und ausgesuchte Themen der Astronomie näher zu bringen. Dazu haben auch bereits renommierte Referenten wie Dr. Andreas Müller, Christoph Kaltseis, Gernot Meiser, Benjamin Stöwe, Jon Larsen, Daniel Fischer, Dr. Andreas Hänel, Dr. Detlef Koschny, Frank Sackenheim und Daniel Nimmervoll ihre aktive Teilnahme am ATT 2021 digital zugesagt.
Claudia Henkel: ,,Wir sind sicher, dass unsere Besucher auch diesmal wieder jede Menge Ideen und Anregungen für ihr spannendes Hobby mit nach Hause nehmen werden. Klicken Sie also rein und überzeugen Sie sich selbst - wir sehen uns beim ATT 2021 digital!"
Walter-Hohmann-Sternwarte Essen e.V. Claudia Henkel, 1. Vorsitzende Wallneyer Straße 159 45133 Essen www.sternwarte-essen.de
www.att-digital.de #att2021digital
Amateurteleskope / Selbstbau
Sicheres Aufbewahren von Teleskop und Zubehör
von Bernhard Suntinger
Amateurastronomen, die ihre Sternwarte nicht stationär betreiben, sondern ihre Ausrüstung vor und nach jeder Beobachtungssitzung auf- und wieder abbauen oder über mehrere Teleskope verfügen, benötigen für ihre Optik und das Zubehör einen gut geschützten Lagerplatz. Es ist allerdings oft schwierig, über den Astro-Fachhandel für sein Teleskop mit individuell montiertem Zubehör (z.B.: Okularauszug, Reducer, Kameraequipment, Montageschienen, Taukappe etc.) einen passenden Aufbewahrungsbehälter zu finden. Die einfachste und meist günstigste Lösung besteht darin, sich selbst eine individuell konzipierte Aufbewahrungsbox zu bauen. Die dazu benötigten Materialien sind unkompliziert über einen nahegelegenen Baumarkt und/oder das Internet zu erwerben. Mit Kreativität und entsprechendem zeitlichen Aufwand kann eine optisch ansprechende Aufbewahrungsbox gestaltet werden, die sich durchaus gut in das vorhandene Mobiliar eines Wohnraums einfügt.
Die Abbildungen 1 bis 3 zeigen die fertig erstellte Aufbewahrungsbox für mein Schmidt-Cassegrain-Teleskop, ein Celestron C11 XLT. Der Innenraum der Box ist sowohl für den Aufbau zur SonnensystemFotografie (bestehend aus C11 mit Okularauszug) als auch für den Aufbau zur DeepSky-Fotografie (bestehend aus C11 sowie Hyperstaraufsatz mit adaptierter DSLRKamera, Taukappe und Hauptspiegel-Microfocuser) konzipiert. Taukappe und Filterrad mit Planetenkamera finden ebenfalls Platz. Das Stativ kann auf dem Deckel der Box auf aufgeklebtem Filz abgestellt werden (Abb. 4 und Abb. 1).
Der Aufbau besteht aus Fichten-Leimholzplatten. Die vier Seitenwände wurden auf die Bodenplatte aufgesetzt und mit dieser sowie untereinander durch rostfreie Holzschrauben befestigt. Vier lenkbare Transportrollen (zwei davon mit Feststellbremse) sorgen für die nötige Mobilität, damit man die Box zwischen deren Abstellort und dem Beobachtungsplatz manövrieren kann
(Abb. 5). Drei Scharniere verbinden den Deckel mit der Rückwand der Box. Eine Klappenbeschlag-Gasdruckfeder sorgt für eine geschmeidige Klappbewegung des Deckels und hält diesen sicher in geöffneter Position (Abb. 6). Der an der vorderen Seitenwand angebrachte Sockel stützt den Deckel ab, damit dieser die Last des Stativbeins trägt. Die Aufbewahrungsbox eignet sich auch hervorragend zur Erstellung von Kalibrieraufnahmen (Bias und Darks). Hierzu befindet sich in der vorderen Seitenwand eine kleine Aussparung, durch welche die benötigen Daten- und Stromkabel für die Astrokamera geführt werden (Abb. 7).
Eine ganz wichtige Aufgabe der Aufbewahrungsbox sei noch besonders erwähnt. Speziell bei temporärem Sternwartenaufbau während der kalten Jahreszeit löst die Box ein äußerst heikles Problem: Die Kondensation von Wasser an Teleskop und Zubehör. Durch die gute Innenisolierung wirkt die Box wie eine Thermoskanne. Dadurch wird das kalte Equipment über mehrere Stunden
1 Fertige Aufbewahrungsbox, geschlossen
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2 Fertige Aufbewahrungsbox, geöffnet
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3 Blick ins Innere. Die Schaumstoffplatten schützen vor Stößen und dienen als
Wärmeisolierung.
4 Stativbein auf Filzmatte abgestellt
langsam wieder an die warme Raumtemperatur angeglichen. Die als Inneneinlagen verwendeten Verpackungs-Schaumstoffplatten können beispielsweise über die Firma Eurofoam bestellt werden. Bezeichnung der Schaumstoffplatten: Zuschnitt D35 E220 weiß; verschiedene Stärken sind mit individuellem Zuschnitt erhältlich. Die Kunststoffplatten lassen sich gut mittels Zweikomponenten-Epoxidharzkleber im Inneren der Box anbringen. Ein in der Box aufgestelltes Luftfeuchtigkeitsmessgerät gibt Rückmeldung über die Lagerbedingungen und beugt einer zu feuchten Dauerlagerung vor. Bis heute musste aber noch nie mit Trockenmittel nachgeholfen werden (Abb. 8).
5 Lenkbare Transportrolle mit Bremse
Um die Aufbewahrungsbox optisch auf Hochglanz zu bringen, wird diese mit feinem Schleifpapier (220er-Körnung) abgeschliffen und anschließend mit transparentem Hartöl (z.B. Clou Hartöl Transparent) eingestrichen.
Webseite des Autors: www.unendlicheweiten.at
6 Scharnier und Gasdruckfeder
7 Stützsockel und Kabel für Kalibrierauf-
nahmen
8 Zubehör und Luftfeuchtigkeits-
messgerät
Astrofotografie
Die Spiralgalaxie NGC 5529 und ihr Umfeld
von Peter Riepe, Rainer Sparenberg und Stefan Binnewies
Im westlichen Bereich des Bootes, nah an der Grenze zu den Jagdhunden, liegen ein paar verstreute Galaxien. Auf den ersten Blick wirken sie recht unscheinbar. Eine davon, die Edge-on-Spiralgalaxie NGC 5529, stellen wir nun näher vor (Abb. 1), aber nicht nur als Astrofoto - und das war's dann. Recherchen fördern nämlich informative Fakten zu einigen Objekten im Bild zutage.
Die Aufnahme entstand am 1,12-m-Newton (f/4,4) der EXPO-Sternwarte Melle. Daraus ergab sich jetzt diese Gemeinschaftsarbeit. Rainer Sparenberg, Mitglied der Astronomischen Gesellschaft Bochum/ Melle, hat NGC 5529 am 07.05.2016 aufgenommen. Mit einer CCD-Kamera des Typs SBIG STL-11000 wurde 210 Minuten in Luminanz belichtet, 50/60/60 Minuten in RGB. Die Bildbearbeitung übernahm unser Astro-Kollege Stefan Binnewies, der in diesen Dingen sehr erfahren ist. Text und Recherchen zum Objekt erstellte Peter Riepe, Mitglied der Astronomischen Gesellschaft Bochum/Melle. Für die Objektrecherchen wurden die Datenbanken Simbad [1] und die NASA/IPAC Extragalactic Database (NED, [2]) verwendet.
NGC 5529 ist ungewöhnlich. An einem gelben Bulge mit einem dichten, eingelagerten Staubband setzen blaue Spiralarme an. Darin sind bereits verschiedene Sternentstehungsgebiete als blaue Knoten erkennbar. Die Radialgeschwindigkeit der Galaxie beträgt 2.872 km/s. Messungen liefern 42 Mpc (137 Millionen Lichtjahre) als Entfernung [3], was einem Entfernungsmodul m-M = 33,1 mag entspricht (der Entfernungsmodul ist die Differenz aus scheinbarer und absoluter Helligkeit). Die Winkelgröße könnte man gängigen Tabellen entnehmen. Aber solche Tabellenwerte sind oft zu klein, da sie auf alten Aufnahmen basieren. Daher messen wir unsere Aufnahmen selbst aus.
NGC 5529 erreicht 6,8' x 0,7'. Allein das ist schon außergewöhnlich, denn bei der genannten Entfernung ergibt sich ein wahrer Durchmesser von 270.000 Lichtjahren - 2,7-mal so groß wie die Milchstraße. Als weitere Besonderheit zeigt NGC 5529 eine starke Verbiegung. Astronomen nennen das einen ,,warp", eine Randverbiegung wie bei einer Hutkrempe. So etwas ist gravitativ bedingt. Von außen zerren andere Nachbarn an NGC 5529. Der mögliche Verursacher NGC 5557 liegt knapp außerhalb des Bildes in nur 38' Abstand, was 490.000 Lichtjahren entspricht. Die Radialgeschwindigkeit von NGC 5557 ist mit 3.210 km/s der von NGC 5529 sehr ähnlich. Diese Tatsache und die benachbarte Lage machen eine Paarbildung höchst wahrscheinlich [4].
Auch die enorme Größe von NGC 5529 hat Nachbarschaftsursachen. Letztlich müssen Ausdehnung und Masse dieser Riesengalaxie ja irgendwo herkommen. Das kosmologische Standardmodell besagt, dass sich große Galaxien aus der Akkretion kleinerer Galaxien entwickeln. NGC 5529 hat wie die Milchstraße oder wie Messier 31 kleinere Nachbarn angezogen und sich einverleibt. So konnte sie ihre Masse im Laufe der Zeit enorm vergrößern. Betrachten wir daher jetzt das Umfeld: Gibt es dort noch kleinere Nachbargalaxien?
Zum weiteren Textverständnis dient die Übersichtsabbildung mit den Bezeichnungen der Galaxien im Feld (Abb. 2). Knapp links der Bildmitte steht 1,8' unter der linken Spitze von NGC 5529 die kleine, aber helle Galaxie LEDA 50952. Ihre Struktur zeigt sofort, dass hier eine entfernte große Spiralgalaxie mit hellem Bulge vorliegt. Tatsächlich ist sie bei einer Radialgeschwindigkeit von 7.322 km/s rund 330 Millionen Lichtjahre entfernt, also weit im Hintergrund. Von ihr aus verläuft nach oben eine
Kette kleinerer Hintergrundgalaxien. Das Ende dieser Kette bildet LEDA 2078051, eine schräg liegende, diffuse Spirale und ein echter Begleiter von NGC 5529, denn ihre Radialgeschwindigkeit von 2.627 km/s passt bestens zu den 2.872 km/s der Muttergalaxie. Ferner entspricht die Ausdehnung von 54'' auf dem Bild 36.000 realen Lichtjahren - für eine Zwergspirale durchaus normal. Die Helligkeit von LEDA 2078051 wurde im Sloan Digital Sky Survey (SDSS, [5]) automatisiert mit V 17 mag vermessen. So ergibt das oben genannte Entfernungsmodul eine Absoluthelligkeit von -16,1 Mag, passend zu einer Zwergspirale dieser Größe.
Gut 2,5' unter der rechten Spitze von NGC 5529 befindet sich die diffuse, ca. 55'' große und grob strukturierte Galaxie LEDA 50925. In Simbad wird sie leider fehlerhaft als NGC 5527 gelistet. Ihr Typus Im/BCD kennzeichnet eine irreguläre Magellansche Galaxie (Im), ähnlich einem ,,Blue Compact Dwarf " (BCD). Mit ihrer Radialgeschwindigkeit von 2.953 km/s steht sie nahe an NGC 5529. Erhärtet wird dies durch eine Brücke aus neutralem Wasserstoff HI zwischen beiden [6]. LEDA 50925 ist also ein realer Begleiter von NGC 5529.
Bleiben wir bei BCD-Galaxien. Unterhalb von NGC 5529, knapp über der Verbindungslinie von LEDA 50925 und LEDA LEDA 50952, ist ein winziger blauer Fleck auszumachen. Auch dieser Zwerg zeigt eine deutliche HI-Brücke zu NGC 5529 und ist somit trotz der geringen Größe ein weiterer Begleiter mit dem Katalognamen NGC 5529B* [6]. In Simbad wird der er-
1 NGC 5529 im 15,4' x 20,9' großen Umfeld,
Norden liegt auf 1 Uhr, Aufnahmedaten im Text (Bild: Rainer Sparenberg, EXPO-Sternwarte Melle)
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Journal für Astronomie Nr. 77 | 41
Astrofotografie
Verdacht: Dies könnte ein Zwergbegleiter von NGC 5529 sein. Jedoch bleibt vorerst zur Bestätigung nur eine rein optisch-geometrische Überlegung: Die Ausdehnung von 18'' im Original ergibt einen echten Durchmesser von ca. 12.000 Lichtjahren, was einem irregulären Zwerg ähnlich der Kleinen Magellanschen Wolke entspricht. Etwa 2' über NGC 5529 ist ein weiterer diffuser Lichtfleck zu sehen (Dw-2, Abb. 4). Auch in diesem Fall wurde nur eine Katalognummer SDSS J141530.40+361630.8 erzeugt. Die Galaxie hat einen scheinbaren Durchmesser von 16'', der wahre Durchmesser käme dann auf 10.600 Lichtjahre. Mit der diffusen, elliptischen Gestalt ähnelt dieses Objekt einem größeren sphäroiden Zwerg (dSph) - ein weiterer möglicher Begleiter von NGC 5529. Zu erwähnen ist noch, dass die möglichen neuen Zwerge im SDSS kaum erkennbar sind. Die dort erzielte Tiefe reicht aber gerade noch, um die Objekte auch als flächenhaft ausgedehnte Galaxien zu bestätigen. Sowohl das Auffinden als auch die Identifikation klappten erst nach starker Bildbearbeitung des SDSSAusschnitts.
2 NGC 5529 und ihr Umfeld mit Objektbezeichnungen
weiterte Name [KVD2004] NGC 5529 B genannt, den die NED nicht kennt. Hier ist gemäß den Koordinaten von WISEA J141535.70+361202.6 die Rede. Man sieht: Datenbanken sind nicht ganz problemfrei. Jetzt zu den Galaxien mit extrem geringer Flächenhelligkeit. Von LEDA 50925 aus nach unten liegen in etwa gleichen Abständen zwei Hintergrundgalaxien (wegen ihres langen Katalognamens kurz als H-1
und H-2 bezeichnet). Knapp links davon ist Dw-1 als schwacher Lichtschimmer zu sehen, deutlicher im Ausschnitt als schwarzweiße, invertierte Version (Abb. 3). Die automatisierte Auswertung des SDSS erzeugte lediglich den Katalognamen SDSS J141515.19+360854.1, aber keine Helligkeitsmessung, auch kein Spektrum als Anhaltspunkt zur Radialgeschwindigkeit. Und doch kommt morphologisch sofort der
Die Bestätigung, ob eine neue Zwerggalaxie tatsächlich ein realer Begleiter einer Muttergalaxie ist, kann nur professionell erfolgen. Erstens liefert eine großteleskopische Fotometrie der hellsten Sterne dieses Zwergs einen Wert zum Entfernungsmodul. Zudem können in lang belichteten Spektren des Zwergs - wenn bei der Lichtschwäche überhaupt möglich - Dopplerverschiebungen heller Spektrallinien gemessen werden. Daraus folgen dann Radialgeschwindigkeit und Entfernung.
Zur Bestimmung der Leistungsgrenzen unseres Teleskops nutzen wir den SDSS. Seine Fotometrie erfasst im Filterbereich g Sterne bis etwa 25 mag. In unserem Bild ist ein Stern von g = 23,71 mag und r = 23,04
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mag sehr deutlich sichtbar (Abb. 5). Transformationsgleichungen zur Umwandlung der SDSS-Helligkeiten ugriz in JohnsonHelligkeiten UBVR gemäß [7] ergeben für den Stern eine V-Helligkeit von 23,32 mag. Jedoch dürfte die wahre Grenzgröße 1-1,5 mag tiefer liegen. Was die Bildauflösung angeht, so zeigt Abbildung 5 einen Doppelstern von 1,6'' Komponentenabstand.
Jetzt noch zu einem interessanten Objekt nahe dem linken Bildrand oben. Die Galaxiengruppe SDSSCGA 240 zeigt starke Wechelswirkungen zwischen den Mitgliedern. Sie wird den kompakten Galaxiengruppen zugerechnet, ähnlich den bekannten Hickson-Gruppen. Im Bildausschnitt (Abb. 6) ist der Vergleich zum SDSS zu sehen. Auffälligste Galaxie ist 2MASX J14161855+3612524 mit kräftigen umgebenden Gezeitenschweifen. Die Radialgeschwindigkeit der Gruppe beträgt 19.415 km/s, nach dem Hubble-Gesetz sind das ca. 870 Millionen Lichtjahre Entfernung.
Zum Schluss eine Mitteilung an interessierte Astrofotografen: Die TBG-Gruppe der Fachgruppe Astrofotografie befasst sich seit 2012 mit dem Aufspüren neuer Begleiter größerer Galaxien [8]. Wir arbeiten eng mit den russischen Professoren Karachentsev und Makarov [4] zusammen, die sich auf dem Gebiet der Kosmologie international seit langer Zeit einen Namen gemacht haben.
3 Die Zwerggalaxie SDSSJ141515.19+
360854.1, ein möglicher neuer Begleiter von NGC 5529, Ausschnitt aus Abb. 1
4 Auch SDSS J141530.40+361630.8 könn-
te ein neuer Begleiter von NGC 5529 sein. Ausschnitt aus Abb. 1
Astrofotografie Journal für Astronomie Nr. 77 | 43
Astrofotografie
5 Auflösung und erreichte Grenzgröße des 1,12-m-Teleskops
Literatur- und Internethinweise (Stand: Dezember 2020): [1] Simbad: http://simbad.u-strasbg.fr/
simbad/ [2] NASA/IPAC Extragalactic Database:
https://ned.ipac.caltech.edu/ [3] G. Theureau et al., 2007: ,,Kinematics
of the Local Universe. XIII. 21-cm line measurements of 452 galaxies with the Nançay radiotelescope, JHK Tully-Fisher relation, and preliminary maps of the peculiar velocity field", Astron. Astrophys. 465, 71-85 [4] D. Makarov, I. Karachentsev, 2011: ,,Galaxy groups and clouds in the local (z~0.01) Universe", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 412, 2498-2520 [5] Sloan Digital Sky Survey: http:// skyserver.sdss.org/dr15/en/tools/ chart/navi.aspx [6] M. Kregel, P. C. van der Kruit, W. J. G. de Blok, 2004: ,,Structure and kinematics of edge-on galaxy discs - II. Observations of the neutral hydrogen", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 352, 768-786 [7] Transformationsformeln: www.sdss.org/dr16/algorithms/ sdssUBVRITransform/ [8] Arbeitsgruppe ,,Tief belichtete Galaxien" der VdS-FG Astrofotografie: https://tbg.vdsastro.de/
6 Die kompakte Galaxiengruppe SDSSCGA 240 im Vergleich. Links ein Ausschnitt aus Abb. 1, das rechte Bild
stammt aus dem SDSS [5].
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Astrofotografie
Am Rand der Cygnus-Superblase
von Hans Jürgen Mayer
Zwischen den schimmernden Wolken der Milchstraße erfreut der prachtvolle Anblick des Schwans in einer klaren, dunklen Sommernacht das Auge des Schauenden. Doch ihm bleibt verborgen, was erst die moderne Kameratechnik enthüllt: Eine faszinierende Landschaft aus hell leuchtenden Nebeln, Sternhaufen und ausgedehnten Dunkelwolken, wie sie an Reichtum und Komplexität in kaum einer anderen Region des nördlichen Nachthimmels zu finden ist. Die größte, den Sternen der Milchstraße im Schwan vorgelagerte Dunkelwolkenstruktur ist das Cygnus-Rift. Es teilt die Milchstraße in zwei deutlich getrennte Bereiche. An seinen Rändern, wo sein lichtabsorbierender Einfluss nachlässt, liegen ausgedehnte HII-Regionen wie der Nordamerika- und der Pelikannebel oder der Schmetterlingsnebel um den Stern Cygni. Auffällig in dieser Region sind aber auch langgestreckte filamentartige Strukturen, wie man sie eher von Supernovaüberresten (SNR) wie z. B. dem Cirrusnebel kennt. Bereits in den 1960er-Jahren machten Astronomen auf einen Ring solcher Nebelfilamente aufmerksam [1], der ein Gebiet von etwa 13 Grad x 18 Grad einzuschließen scheint. Der hier im Bild vorgestellte Himmelsausschnitt führt uns an den nordwestlichen Rand dieser Region, die zu Beginn der 1980er-Jahre als eine der größten ausgedehnten Quellen weicher Röntgenstrahlung identifiziert wurde [2] und heute als Cygnus-Superblase bekannt ist.
Die Szenerie prägen, neben den beiden HII-Regionen Sh2-112 und Sh2-115, vor allem langgestreckte und nahezu parallel verlaufende Nebelfilamente. Sie sind Teil des angesprochenen Filamentrings, der die Superblase umgibt. Sh2-115 ist mit einem scheinbaren Durchmesser von ca. 1 Grad die größere der beiden kompakten HII-Regionen. Ionisiert wird der Wasserstoff in diesem Gebiet vornehmlich durch die beiden hellsten Mitglieder (LS III 4611 und LS III
4612) des offenen Sternhaufens Berkeley 90 [3], zwei junge heiße O-Sterne. Der im Bild aufgrund starker Extinktion völlig unauffällige Haufen befindet sich etwas nordöstlich des Zentrums vor einem Gebiet geringerer Helligkeit. Die meisten Mitglieder von Berkeley 90 sind denn auch schwächer als die 13. Größenklasse. Die Entfernung der ionisierenden Sterne und damit auch die des Nebels wurde erst kürzlich durch den Astrometriesatelliten Gaia mit Hilfe der Parallaxenmethode neu zu gut 3 kpc bestimmt [4], woraus sich für Sh2-115 ein Durchmesser von etwas über 50 pc errechnet. Der in direkter Sichtlinie zum Nebelzentrum befindliche 5,6 mag helle, blaue B8-Stern V 2015 Cyg befindet sich dagegen mit einer Entfernung von lediglich 0,15 kpc sehr weit vor der HII-Region und hat physikalisch nichts mit ihr zu tun.
An seinem nordwestlichen Rand wird Sh2115 von einem langgestreckten Nebelfilament berührt, welches schräg von Nordost nach Südwest verläuft. Vergleichende Untersuchungen im optischen Licht und in Radiowellenlängen legen aber nahe, dass die HII-Region nicht in physikalischem Zusammenhang mit der Filamentstruktur steht [3].
Nur ca. 2 Grad südlich von Sh2-115 und 1,5 Grad westlich des strahlend blauen Sterns Deneb befindet sich der mit 15' Durchmesser wesentlich kleinere und fast kreisrunde Emissionsnebel Sh2-112. Ein auffälliges Staubband durchzieht ihn in grob nordsüdlicher Richtung. Der für die Anregung verantwortliche Stern ist BD+45 Grad 3216 [5], ein heißer blauer Doppelstern des Typs O8 mit einer scheinbaren Helligkeit von 9,5 mag, gut erkennbar nahe des Nebelzentrums. Mit nur 1,7 kpc Entfernung liegt er, und damit die gesamte HII-Region, deutlich vor Sh2-115. Sh2-112 ist damit auch absolut sehr viel kleiner als Sh2-115.
Während die Anregung der beiden HII-Regionen durch junge heiße Sterne erfolgt, hervorgegangen aus den ursprünglichen Molekülwolken, fällt die Antwort auf die Frage nach den Anregungsquellen der Nebelfilamente nicht so eindeutig aus. Lokale Quellen in Form junger heißer Sterne fehlen hier. Letzteres sowie ihre Lage am Rand der Cygnus-Superblase lassen einen anderen Anregungsmechanismus vermuten.
Die Cygnus-Superblase ist eine gigantische expandierende Blase extrem heißen dünnen Gases mit einem Durchmesser von 450 pc. Für ihre Entstehung werden verschiedene Szenarien diskutiert. Während manche Autoren [6, 7] die Ursache in der Supernovaexplosion eines einzelnen, wenn auch extrem massereichen Sterns sehen (einer sog. Hypernova), fußt die etwas weniger spektakuläre Erklärung auf der Hypothese, gemäß der eine Kaskade von 30-100 ,,normalen" Supernovae über einen Zeitraum von 3-10 Millionen Jahren zu ihrer Entstehung führte [2]. Diese Explosionen bewirkten darüber hinaus die Entstehung weiterer Sterngenerationen. Daraus ging auch die vergleichsweise junge Sternassoziation Cyg OB2 hervor, die etwas abseits des Zentrums der Superblase liegt und diese heute durch heftige Sternwinde weiter antreibt. Tatsächlich ist Cyg OB2 eine der bekanntesten OB-Assoziationen überhaupt. Sie enthält neueren Erkenntnissen zufolge einige zehntausend Sterne, darunter mehr als 60 O-Sterne und mehrere hundert Sterne vom B-Typ [8]. Sechs ihrer Mitglieder gehören zu den 15 hellsten Sternen der Galaxis überhaupt. Betrüge die Extinktion in dieser Richtung, unter anderem durch das vorgelagerte Great Rift, nicht vier bis sechs Magnituden, würde uns die Assoziation mit einer Helligkeit vergleichbar den Plejaden erscheinen [2].
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1 Am Rand der Cygnus-Superblase, belichtet 14 Stunden mit Canon EOS 1300Da, Objektiv
Canon EF 1:2,8 / 200 mm, auf f/3,5 abgeblendet, ISO 800. Dazu eine Canon EOS 1100Da mono mit gleichem Objektiv, ISO 800, H 6 Stunden belichtet, [OIII] 25 Stunden, Aufnahmeorte Stolac/Kroatien und Fuente de Albarico (Bedar)/Andalusien. Norden ist links.
Astrofotografie
Die extrem energiereiche Strahlung, die von der gesamten Assoziation ausgeht, wurde als Ursache für die Anregung der Nebelfilamente vorgeschlagen. Rechnungen zum Gesamtenergiefluss haben dies allerdings nicht bestätigen können [2]. Vielmehr scheint die Superblase zu großen Teilen selbst für die Anregung verantwortlich zu sein. Ähnlich wie bei einem Supernovaüberrest trifft das heiße Gas der expandierenden Superblase an ihren Rändern in Form einer Stoßwelle auf das interstellare Medium und regt das Gas durch Stoßionisation zum Leuchten an. Ein Indiz für diesen Anregungsmechanismus könnte auch ein einsames kleines, im Licht der [OIII]-Linie blau leuchtendes Filament sein, welches ca. 1 Grad ostnordöstlich des Sterns 32 Cyg (siehe unten) im Bild zu finden ist. Die Anregung dieser Linie ist nur durch Stoßionisation oder einen nahe gelegenen extrem heißen Stern mindestens des Typs O3 möglich, der hier aber fehlt.
Zwei auffällig helle gelbe Sterne beleben die Landschaft der Nebelfilamente. 32 Cyg, im oberen linken (nordwestlichen) Teil des Bildes gelegen, ist etwa 500 pc entfernt und erinnert gemeinsam mit den dahinter gelegenen Filamenten (DWS 177, 178, 179 [1]) ein wenig an den Sturmvogel im westlichen Teil des Cirrusnebels. 31 Cyg, nur etwa halb so weit entfernt, bildet mit dem wenig nordwestlich stehenden blauen Veränderlichen 30 Cyg ein farblich hübsch kontrastierendes optisches Paar. Bei beiden Sternen handelt es sich um Bedeckungsveränderliche des Algol-Typs. Aber mehr noch: beide gehören zu den äußerst seltenen, aber für die Erforschung der Sternatmosphären besonders bedeutsamen Doppelsternen, bei denen ein roter K-Riese von einem sehr viel kleineren, aber heißen blauen B-Stern um-
kreist wird [9]. Zu Beginn der Bedeckung des kleinen Begleiters durch den Riesenstern dringt sein Licht noch eine Zeit lang durch die ausgedehnte, aber dünne Atmosphäre des Riesen. Dabei werden dem Licht des Begleiters zusätzliche Absorptionsbanden aufgeprägt, die Aufschluss über die Zusammensetzung der Atmosphäre des Giganten geben.
Und als hätte dieser 6 Grad x 4 Grad große Himmelsausschnitt im Sternbild Schwan damit noch nicht genug an astronomischen Leckerbissen aufzubieten (der kleine Planetarische Nebel PN Abell 71 links oberhalb von Sh2115 sei hier gar nicht angesprochen), präsentiert er dem geduldigen Fotografen auch noch den Supernovaüberrest G82.2+5.3, der wie ein bleicher blassblauer Geist vor der rot leuchtenden Landschaft der Nebelfilamente schwebt. Der SNR wurde in den 1970er-Jahren aufgrund seiner Radiostrahlung entdeckt und erst viel später auch optisch nachgewiesen. Im sichtbaren Licht tritt er nur aufgrund seiner [OIII]-Emission vor dem komplexen H-Hintergrund hervor, etwaige H-Anteile lassen sich nicht von den Hintergrundstrukturen unterscheiden [10]. Dabei ist die [OIII]Emission um ein Vielfaches schwächer als die H-Emissionen des Hintergrundfeldes, was entsprechend lange Belichtungszeiten erfordert. Untersuchungen in mehreren Wellenlängenbereichen deuten auf ein Alter zwischen 13.000-26.000 Jahren. Seine Entfernung ist nur grob bekannt und wird mit 1,6-3,2 kpc angegeben. Bei einer scheinbaren Größe von ca. 1 Grad entspricht das wiederum einer Ausdehnung von etwa 25 respektive 50 pc.
Literatur- und Internethinweise (Stand Oktober 2020): [1] H. R. Dickel, H. Wendker, J. H. Bie-
ritz, 1969: ,,The Cygnus X Region", Astron. Astrophys. 1, 270-280 [2] W. Cash et al., 1980: ,,The X-ray superbubble in Cygnus", Astrophys. J. 238, 71-76 [3] R. Harten, M. Felli, 1980: ,,The evolved HII region S 115", Astron. Astrophys. 89, 140-144 [4] Simbad query result, query LS III +46 11, (LS III 4612): http:// simbad.u-strasbg.fr/simbad/simid?Ident=LS+III+%2B46+++11& [5] J. F. Lahulla, 1985: ,,UBVRI photometry of stars in several HII regions", Astron. Astrophys. Suppl. Ser. 61, 537-545 [6] S. I. Blinnikov, V. S. Imshennik, V. P. Utrobin, 1982: ,,The Cygnus Superbubble as the remnant of a peculiar supernova", Pis`ma Astron. Zh. 8, 671-678 [7] M. Kimura et al., 2013: ,,Is the Cygnus superbubble a Hypernova remnant", Publ. Astron. Soc. Japan 65, 14 [8] N. J. Wright et al., 2010: ,,The massive star forming region Cygnus OB2. II. Integrated stellar properties and the star formation history", Astrophys. J. 713, 871-882 [9] K. F. Neugent et al., 2019: ,,Binary red supergiants. II. Discovering and characterizing B-type companions", Astrophys. J. 875, 124 (12pp) [10] F. Mavromatakis et al., 2004: ,,Multiwavelength study of the G 82.2+5.3 supernova remnant", Astron. Astrophys. 415, 1051-1063
Journal für Astronomie Nr. 77 | 47
Astrofotografie
Bildbearbeitung
- wann ist ein Astrofoto wirklich fertig?
Ein Kommentar von Gerd Althoff
Als ich vor 15 Jahren zum ersten Mal mit einer Digitalkamera Astrofotos gemacht habe, war meine Begeisterung groß. Eine einzelne, nachgeführte Aufnahme der Andromeda-Galaxie mit einem 150er-Tele und einer Canon EOS 20Da ließ Details erkennen, die ich auf herkömmlichen Astrofotos per Farbfilm nie darstellen konnte.
Ich ahnte damals nicht, dass ich heute auf dem Weg von der Belichtung bis zum ,,fertigen" Astrofoto deutlich mehr Zeit am Computer verbringen würde als auf der
Sternwarte. Natürlich ist es der Wunsch eines jeden Hobby-Astrofotografen, möglichst viel aus den Rohdaten der eigenen Aufnahmen herauszuholen und den Bildern nachzueifern, die mit professionellen Teleskopen gewonnen und von Profis der Bildbearbeitung aufbereitet wurden.
Auch für den Amateur gibt es dafür, um nur ein paar wenige zu nennen, mächtige Werkzeuge wie Photoshop von Adobe oder hoch spezialisierte Tools wie PixInsight von Pleiades Astrophoto. Selbst mit kosten-
los verwendbarer Software wie dem DeepSkyStacker von Luc Coiffier und Fitswork von Jens Dierks lassen sich alle erforderlichen und gewünschten Bearbeitungsschritte durchführen und Bilder hoher Qualität herstellen.
Eines vorweg: Aus schlechten Rohdaten gewinnt man bekanntlich keine guten Bilder und aus guten Rohdaten kann man ohne allzu großen Aufwand wunderbare Astrofotos erstellen. Der Einfluss der verwendeten Software hat in diesem Fall einen recht
1 Blaues Licht vor rotem Himmel - IC 405, IC 410 und IC 417 und das an interstellarem Staub reflektierte Licht von AE Aurigae. Instrument:
Takahashi Epsilon 130D, Kamera: ASI 6200MC Pro, Filter: Optolong L-eNhance, Montierung: Gemini G42, Belichtung: 18 x 600 s, Bearbeitung: Theli, MaxIm DL, Fitswork, PixInsight, Photoshop, Neat Image, ACDSee, Mosaikerstellung: ICE (Image Composite Editor) von Microsoft.
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geringen Einfluss auf das Ergebnis! Habe ich es aber mit Rohdaten mittlerer Qualität zu tun (und das ist bei mir gefühlt eigentlich immer der Fall), dann begleitet mich der ständige Zweifel, ob nicht mit einer anderen Software, einer anderen Methode oder einem geänderten Workflow ein besseres Ergebnis zu erzielen wäre. Dieser Zweifel wird noch verstärkt, wenn das ,,fertige" Astrofoto im Internet, zum Beispiel in einem Forum präsentiert wird. Dort gibt es viel Lob, aber natürlich auch viele Anregungen: Besser noch ein bisschen mehr Kontrast hier, eine ausgewogenere Farbgebung dort.
Im Kontext dieses Kommentars besonders gut geeignet finde ich die vage Anregung, dem Bild doch etwas mehr ,,Tiefe" zu verleihen. Was sind eigentlich ,,tiefe Bilder"? Wer im Internet nach ,,tiefen Bildern" sucht, findet in der Regel zunächst Unterwasseraufnahmen! Auch nach längerer Suche habe ich keine verbindliche Definition dafür gefunden, was ein tiefes Astrofoto ist. Dies lässt umgekehrt den Schluss zu, dass es sich bei der Tiefe um eine mehr oder
weniger subjektive Einstufung des jeweiligen Betrachters handelt. Jedes Astrofoto ist daher ein Spiegel der eigenen Ausrüstung, der Standort- und der Wetterbedingungen, der Erfahrung bei der Bildgewinnung und Bildbearbeitung und - ganz wichtig - des eigenen Geschmacks.
So kommt es bei mir gelegentlich vor, dass ich mir ein altes Bild noch einmal vornehme und neu bearbeite. Und damit ergibt sich für mich auch die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, wann ein Astrofoto wirklich fertig ist: Nie!
Wenn ich abends zu meiner Frau sage, dass ich noch ein wenig Bildbearbeitung mache, dann entlockt ihr dies den liebevoll-ironischen Kommentar: ,,Ach, du gehst Bilder fälschen!" Darauf könnte meine Antwort sein: ,,Nein, wäre ich ein Maler, würde ich ein Bild malen!"
Dieser kleine Kommentar entstand im Nachgang zu einer äußerst aufwendigen Bearbeitung von Rohdaten des ,,Flaming
Star Nebula" IC 405 und seiner Umgebung. Zum Zeitpunkt der Aufnahme stand der zu 45% beleuchtete Mond nur etwa 19 Grad entfernt und zauberte starke, radiale Reflexe in die Aufnahmen. Passende Flats anzufertigen war aufgrund der Nähe zum Horizont nicht mehr möglich.
Um das Bild zu ebnen, wurde es schließlich (nach langen Versuchen) in 16 sich überlappende Ausschnitte zerlegt, die einzeln geebnet und dann mit einem Programm zur Erstellung von Mosaiken wieder zusammengefügt wurden. Leider gingen dabei viele schwache Details der Aufnahme verloren, aber die Rohdaten konnten doch noch zu einem brauchbar guten Ergebnis aufgearbeitet werden (Abb. 1).
Aber es bleibt das Gefühl, ich hätte es irgendwie doch noch besser machen können ...
Journal für Astronomie Nr. 77 | 49
Astrofotografie
Neue Ergebnisse zur Astrofotografie
zusammengestellt von Peter Riepe
Man kommt einfach nicht an den zahlreichen Bildeinsendungen vorbei, dazu den Bildautoren einen herzlichen Dank! Was die Fachgruppenmitglieder und auch die Freunde der FG Astrofotografie an neueren Bildern vorlegen, muss hier im VdS-Journal für Astronomie auch allen VdS-Mitgliedern gezeigt werden. Dazu dann ein wenig Text, um die Bilder zu erläutern.
Weitwinkelige Aufnahmen haben etwas für sich! Sie vermitteln - etwa so wie die früheren Weitwinkelfotos auf Diafilm - ein unmittelbares Naturerlebnis des Bildautors. Klaus Völler gelang am 13.10.2020 in Hörnum auf Sylt dieser prachtvolle Anblick nach Westen auf die Nordsee, hier als Panorama aus drei Einzelbildern zusammengesetzt (Abb. 1). Direkt über dem Horizont liegen dichte Kumuluswolken, darüber leichte Schichtwolken. Am Fußpunkt der Milchstraße sind im Sternbild Schütze die roten Gasnebel M 16 und M 17 auszumachen. Halblinks in den Wolken schimmert Jupiter durch, knapp links darüber Saturn. Hoch ragt die Sommermilchstraße über Schild, Adler und Schwan bis in den Cepheus empor. Optik und Kamera: Sigma Art 20 mm f/2 mit astromodifizierter Canon 6D. Bei ISO 6400 entstanden die drei Bilder mit jeweils 6 x 13 Sekunden Belichtungszeit. In PixInsight erfolgte eine Bildebnung und ein leichtes Entrauschen. Die Zusammenführung geschah mit Photoshop und der Funktion Photomerge.
Jörg Schenk nahm die Schwanregion mit dem Nordamerikanebel, dem Pelikannebel und mit den Nebeln um Gamma Cygni auf (Abb. 2). Datum war der 22.08.2020. Erstmals sehen wir hier ein Astrofoto aus
1 13.10.2020, Panorama der Milchstraße,
Ort: Hörnum/Sylt, Details s. Text (Bild: Klaus Völler)
Gülpe im Sternenpark Westhavelland. Kamera war eine DSLR Canon EOS 6Da mit Fotoobjektiv Canon EF 1:2,8/100 mm LIS MACRO USM. Bei Blende 3,5 und ISO 1600 wurde 128 x 18 Sekunden belichtet - bei den kurzen Zeiten natürlich ohne Autoguiding. Als Filter kam ein Optolong L-Pro XL zur Anwendung, die Montierung war eine Skywatcher StarAdventurer mini. Ursprünglich war eine längere Belichtungszeit vorgesehen, aber immer wieder durchziehende Wolkenfelder und böiger Wind ließen die Ausbeute auf ca. 29% absinken.
Peter Remmel arbeitet in Hünfelden-Kirberg mit einem Celestron 14 Hyperstar bei f/1,9. Dazu wurde für dieses Bild eine ZWO ASI 6200 verwendet. Am 12. und 13.11.2020 war IC 1805 das Ziel und zwar als Bicolor-Aufnahme (Abb. 3). Die Filter waren H mit 6 nm und [OIII] mit 7 nm Halbwertbreite. Belichtet wurde jeweils 100 x 2 min pro Filter. Die H-gefilterten Aufnahmen wurden für den Rotkanal verwendet, die [OIII]-gefilterten für den Grünund auch den Blaukanal. Es wurden auch noch [SII]-Aufnahmen angefertigt, aber dieses Bicolorbild überzeugte den Bildautor doch mehr als die Variante nach der Hubble-Palette.
Von kurzen zu langen Brennweiten. Bernd Wallner zeigt uns Sh2-125, den bekannten Kokonnebel im Schwan (Abb. 4). In seinem Zentrum sitzt der offene Sternhaufen IC 5146 (= Collinder 470), der auch für die Anregung des Nebels sorgt. Im Juli/August 2020 waren trotz der kurzen Nächte Langzeitbelichtungen von mehr als 18 Stunden in Etappen möglich. Aufnahmeort war die ,,Chemiestadt" Burghausen (Bayern), wo sich ein 600-mm-Cassegrain in Bernds Privatsternwarte befindet. Coronabedingt war die Luft sehr gut mit Seeingwerten um 1''. So konnte im Sekundärfokus bei f = 4.850 mm und mit Bildfeldkorrektor
die CCD-Kamera Fingerlakes ML-16803 ohne Binning eingesetzt werden! Aufnahmen mit FWHM > 1,6'' blieben unberücksichtigt. Belichtet wurde wie folgt: Luminanz 135 x 5 min und RGB je 29 x 5 min. Als Software zur Bildbearbeitung wurden PixInsight und Photoshop eingesetzt. Man sieht sehr schön, dass Sh2-125 nicht nur eine HII-Region ist, sondern auch bläuliche Reflexionsanteile im Außenbereich aufweist. Westlich davon befindet sich um den Herbig-Ae/Be-Stern BD+46 Grad 3471 der blaue Reflexionsnebel vdB 147.
Thomas Wahl aus Oer-Erkenschwick hat sich IC 63 in der Cassiopeia vorgenommen (Abb. 5). In seiner Sternwarte setzte er einen 14-Zoll-Newton mit Paracorr ein, bei 1.840 mm Brennweite. Kamera war eine ALccd9 bei -50 Grad C (!). Belichtet wurde 12 x 30 min mit H-Filter und je 8 x 30 min mit [OIII]- bzw. [SII]-Filter. Dazu addiert wurden noch je 16 x 5 min in R, G und B. Für den nördlichen Rand des Ruhrgebietes ein recht gutes Ergebnis, natürlich auch dank der Schmalbandfilterungen!
Anfang Dezember 2020 bewegte sich der Komet C/2020 M3 (ATLAS) in der Nebelregion IC 405/410 im Fuhrmann. Norbert Mrozek nahm diese schon sehr farbige Region zusätzlich mit einem grünen ,,Kometen-Tupfer" auf (Abb. 6). Teleskop war ein Takahashi Epsilon 130D, dazu eine Canon EOS Ra als Kamera. Belichtet wurde 50 x 3 min bei ISO 1600. Als Filter zur Vermeidung von Lichtverschmutzung durch nächtliche Ortbeleuchtung wurde ein Idas LPS P2 verwendet. Aufnahmeort war am Rande von Halver, ein Ort auf der Grenze zwischen dem Märkischen Sauerland und dem Bergischen Land.
Journal für Astronomie Nr. 77 | 51
Astrofotografie
2 22.08.2020, Sternbild Schwan, Zentralregion. Ort: Gülpe/Sternenpark Westhavelland, Details s. Text (Bild: Jörg Schenk)
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Astrofotografie
3 12. und 13.11.2020, IC 1805, Bicolorbild, Ort: Hünfelden-Kirberg, Details s. Text (Bild: Peter Remmel)
Journal für Astronomie Nr. 77 | 53
4 Der Kokonnebel im Sternbild Schwan, Belichtung 18 Stunden im Juli und
August 2020, Ort: Burghausen/Bayern, Details s. Text (Bild: Bernd Wallner)
5 IC 63 im Sternbild Cassiopeia, Ort: Oer-Erkenschwick,
Details s. Text (Bild: Thomas Wahl)
6 Komet C/2020 M3 (ATLAS) am 09.12.2020 bei IC 405/410 im Sternbild Fuhrmann, Ort: Halver/Märkisches
Sauerland/Bergisches Land, Norden ist links, Details s. Text (Bild: Norbert Mrozek)
Journal für Astronomie Nr. 77 | 55
Astronomische Vereinigungen
Führungsbetrieb unter Corona-Beschränkungen
von Harald Steinmüller
13. März 2020: Scheinbar ein ganz normaler Freitagabend. Das Wetter ist nicht ideal. Trotzdem kommen ein paar Besucher. Aus den Medien erfährt man immer häufiger, wie schnell sich das Virus ausbreitet. Auch im Allgäu sind bereits die ersten Fälle registriert worden. Bund und Länder reagieren. Die Bayerische Staatsregierung verkündet die Schließung der Schulen und verbietet den Betrieb u. a. von Freizeiteinrichtungen, in Vereinsräumen etc.
16. März: Sämtliche Vereinsaktivitäten ruhen, darunter auch der öffentliche Führungsbetrieb von Sternwarten. Der vielzitierte ,,Lockdown" trifft alle, manche mehr, manche weniger ... Ausgerechnet jetzt beginnt eine Schönwetterphase. Für Sternwarten, die auf öffentlichen Besucherverkehr finanziell angewiesen sind, ist das besonders bitter.
21. März: Eine allgemeine Ausgangsbeschränkung tritt in Bayern in Kraft, die bis zum 6. Mai gelten sollte.
Mitte Mai: Erste Bundesländer stellen bereits wieder Lockerungen in Aussicht. Museen sollen geöffnet werden. Bayern ist noch vorsichtig, aber es zeichnet sich ab, dass ab dem 30. Mai Hotels wieder geöffnet werden dürfen - und damit auch touristische Einrichtungen.
Auch in unserer Sternwarte gab es eine Diskussion, wie wir uns verhalten sollten, aber aufgrund der finanziellen Situation in Fol-
ge unseres Anbauprojektes wurde entschieden, den Führungsbetrieb trotz Restriktionen wieder aufzunehmen. Zunächst stellte sich generell die Frage, zu welcher Art von Einrichtungen gehören die Sternwarten überhaupt? Bildungseinrichtungen? Museen? Wie ist die Rechtslage? Unter diesem Aspekt begann auch eine Diskussion unter den Sternwarten der VdS-FG AV - Region Süd. Zu dem Zeitpunkt hatten wir (Allgäuer Volkssternwarte Ottobeuren) bereits ein erstes Hygienekonzept erarbeitet. Letztendlich wurden Sternwarten mit öffentlichem Besucherbetrieb als Freizeiteinrichtungen eingestuft - und diese durften ab dem 31. Mai (in Bayern) wieder öffnen - unter den entsprechenden Auflagen.
2 Präparierte Okulare mit Reinigungs-
tüchern für die Desinfektion (Bild: AVSO)
1 Besucherplattform mit 60-cm-Spiegel-
teleskop bei Sonnenuntergang (Bild: AVSO)
In Ottobeuren planten wir den ersten öffentlichen Besuchertag am 5. Juni. Allerdings war dieser Freitag verregnet und es kam ohnehin kein Publikum. Ein anderer Punkt war noch das allgemeine Versammlungsverbot, das sich auf die regelmäßigen Vereinstreffen bezog. Diese durften noch nicht durchgeführt werden.
Wir hatten unser Hygienekonzept auch mit den anderen Sternwarten geteilt, um auch den Kollegen eine Hilfestellung zu geben, wie so etwas aussehen kann. Natürlich herrschen überall andere Bedingungen, allein schon räumlich gesehen. Sternwarten mit wenig Platz unter einer Kuppel tun sich mit der Einhaltung des Mindestabstands da etwas schwerer. Das bedeutete eine gewisse Umstellung für unser Führungspersonal, welches natürlich aufgrund der trotz Hygienekonzept verbliebenen Vorbehalte auch nicht in voller Stärke zur Verfügung stand.
Im Wesentlichen musste eine Art der Präsentation gefunden werden, die auch ohne Hauptvortrag auskommt und welche die Besucher trotzdem bei Laune hält. Zusammen mit einem mobilen Beamer und einer Soundanlage, mit der auch kurze Videos gezeigt werden konnten, fanden wir schnell (u. a. mit einem Seilmodell zu den Abständen der Planeten) eine Möglichkeit, auch das Publikum mit einzubeziehen. Und wäh-
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Astronomische Vereinigungen
Unser Hygienekonzept
Wesentliche Punkte:
3 Vorführungen im Außenbereich, mit Beamer und Soundanlage
· Maximal 20 Besucher (Bemessungsgrundlage war die
für Filme und Präsentationen (Bild: AVSO)
Größe unseres Geländes), ab Ende Juni konnten wir
von den Vorschriften her 40 Personen aufnehmen, wir
haben uns aber aufgrund der Sitzplatzmöglichkeiten im
rend immer wieder 4-6 Personen zum Tele- Ab November 2020
Außenbereich und der Überschaubarkeit für max. 30
skop gebeten wurden, kamen die anderen in musste die Sternwarte
Personen entschieden.
den Genuss von Sternbilderführungen.
jedoch wieder schließen.
· Führung nur auf Anmeldung (da Verpflichtung zur
Datenerfassung der Besucher)
Personalaufwand: Zwei Vorführer im Fazit aus den
· Vorführungen nur im Außenbereich (daher nur bei gutem
Außenbereich, ein Empfangschef, der die Führungen in
Wetter)
Anmeldelisten führt, die Besucher einweist diesen Monaten
· Beobachtung am Teleskop nur in Kleingruppen von
und grüppchenweise zum Teleskop führt Ein Hygienekonzept
4-6 Personen (Abstandsregelung)
sowie ein weiterer Mitarbeiter am Teleskop. bietet Rechtssicherheit,
· Maskenpflicht im Innenbereich der Sternwarte und am
Aufwand in der Geschäftsstelle für die An- muss aber auch einge-
Teleskop
meldungen: Hölle! :)
halten werden. Je bes-
· Regelmäßige Desinfektion der Okulare (nach jeder
ser alles organisiert ist
Kleingruppe)
Bis Ende Juli hatten wir den Beginn der und kommuniziert wird,
Führung auf 21 Uhr angesetzt, da auch erst desto wohler fühlen sich
nach Sonnenuntergang im Außenbereich auch die Besucher, halten sich an die Vor- kann dabei sogar besser sein als bei einem
der Beamer zur Geltung kam und die Pla- schriften und das Ansteckungsrisiko ist Durchlaufbetrieb mit beispielsweise 80
neten Jupiter und Saturn dann erst zu sehen nicht höher als beim Einkaufen im Super- Besuchern. Das bewusste Erleben des Ein-
waren. Im August gingen wir zurück auf 20 markt.
brechens der Nacht ist auf alle Fälle neu
Uhr und im September wieder auf 19:30
dazugekommen und für viele Besucher ein
Uhr.
Es gab bisher keine Kontrolle von über- eindrucksvolles, vielleicht sogar nachhalti-
geordneten Behörden auf Einhaltung der ges Erlebnis.
Ab Oktober 2020 sind wir wieder in den In- Vorschriften. Diese Kapazität haben die
nenbereich gezogen. Hier konnten wir lei- Ämter einfach nicht. Mindestabstände
der nur 10 Personen pro Führung aufnehmen, dafür arbeiteten wir in zwei Schichten (19:30 und 20:30 Uhr), mit entsprechend
können bei Teleskopbeobachtung nicht immer eingehalten werden, da auch die Besucher gewisse Hilfestellung brauchen, aber
Informationen zur Sternwarte
angepasstem Hygienekonzept. Gruppen- dafür gibt's die Masken.
Allgäuer Volkssternwarte
führungen für max. 10 Personen boten wir
Ottobeuren e.V.
zudem auch während der Woche an. Das Die Okulare sind so präpariert, dass sie
Wolferts 40
ist die maximale Anzahl der Besucher, die einfach desinfiziert werden können. Eine
87724 Ottobeuren
wir mit Mindestabstand im Vortragsraum begrenzte Anzahl von Besuchern kann
info@avso.de
unterbringen können. Wir hofften, dass wir von einer Mindestbesetzung betreut wer-
www.avso.de
zumindest so weitermachen könnten.
den. Die persönliche Ansprache der Gäste
Journal für Astronomie Nr. 77 | 57
Astronomische Vereinigungen
Der Verein der Sternwarte Roßberg e.V. stellt sich vor
von Martin Gammer
Im Jahr 2008 trafen sich acht von der Astronomie begeisterte Freunde in Cham/Oberpfalz, um einen Astroverein zu gründen. Diesem Entschluss gingen schon viele gemeinsame Treffen voraus, man traf sich zum Beobachten des Sternenhimmels an den Wochenenden mit den eigenen Teleskopen an geeigneten dunklen Orten im Landkreis. So entstand eine Gemeinschaft, die sich schnell darüber im Klaren war, dass man dieses schöne Hobby doch besser in einem Verein betreiben könnte. Am 14.03.2008 war es soweit, dass in Cham der Verein gegründet wurde. Als 1. Vorsitzender wurde Gerhard Pfeifer aus Furth im Wald gewählt, der dieses Amt bis 2014 versah. Der Verein wurde auf dem Namen: ,,Sternfreunde Cham e.V." getauft.
Schon in den ersten Monaten des Vereinsbestehens wurde von den Mitgliedern beschlossen, in den nächsten Jahren eine eigene Sternwarte zu bauen. Das Ziel war eine kleine Schiebedach-Sternwarte mit den Ausmaßen ca. 4,0 m x 8,0 m. In den folgenden Jahren wurde intensiv nach einem geeigneten Standort gesucht, der möglichst wenig Lichtverschmutzung, einen Rundumblick sowie eine akzeptable Verkehrsanbindung bzw. Zufahrt hatte. Nach zwei Jahren des Suchens wurde dem Verein seitens der Gemeinde Chamerau der Vorschlag gemacht, auf dem Roßberg (600 Meter Höhe) eine Sternwarte zu errichten. Der vom Bürgermeister vorgeschlagene Platz wurde als ideal befunden und da man sich mit dem Grundstückseigentümer auch schnell einig wurde, erwarb der Verein im Frühjahr 2011 das Grundstück mit 1.250 m2.
Nach dem Genehmigungsverfahren, das sich, da das Grundstück im Außenbereich war, in die Länge zog, konnte der Verein im August 2011 mit dem Bau der eigenen Sternwarte beginnen. Die Ausmaße der Sternwarte hatten sich inzwischen nach
1 Baubeginn (Bild: Sternwarte Roßberg)
mehrmaligem Beraten auf 7 m x 13 m verändert und aus einer Schiebedachsternwarte wurde eine Sternwarte mit Kuppeldach. Hierzu hatte man sich einerseits wegen eventuell auftretenden Streulichts und andererseits aus Gründen des Windschutzes entschieden. Als Schirmherr des Projektes konnte Bundestagsmitglied Karl Hollmeier gewonnen werden, der den Verein bei verschiedenen Genehmigungsverfahren auch tatkräftig unterstützen konnte.
Der Bau wurde ausschließlich von Vereinsmitgliedern an Samstagen durchgeführt und zog sich deshalb ganze vier Jahre in die Länge. Nur die Betondecken und die Kuppel wurden von Fachfirmen gebaut. Da die Sternwarte durch Spenden finanziert werden musste und diese nur schleppend eingingen, zog sich auch dadurch bedingt die Fertigstellung hinaus. Man hatte sich aber keinen Termin gesetzt und stand somit auch nicht unter Termindruck. Hauptsache, die Sternwarte wurde irgendwann fertig.
Erst als ein Hauptsponsor gefunden wurde, ein Gründungsmitglied, das sich ent-
schlossen hat, dem Verein finanziell unter die Arme zu greifen, ging es mit dem Bau aufwärts. Der Traum der Mitglieder, ein 20-Zoll-Teleskop zu besitzen, wurde mit Dr. Eckhart von Deuster zur Wirklichkeit. Ein 20 Zoll Alluna RC auf einer 10MicronGM4000-Montierung wurde das Herzstück der Anlage. Die Hälfte der Kosten für die Teleskopanlage übernahm das EU-Programm ,,Leader". Die 4,20-m-Kuppel mit einem Öffnungsspalt von 1,70 m wurde von einer ortsansässigen Metallbaufirma zum Selbstkostenpreis angefertigt. Als Kuppelsteuerung wird eine Steuerung von Scope Dome verwendet, die sich über die Jahre als zuverlässig erwiesen hat.
Da der Sitz des Vereins durch den Sternwartenbau in die Gemeinde Chamerau umgezogen war, wurde 2015 eine Namensänderung beschlossen: Seitdem heißt unser Verein ,,Verein der Sternwarte Roßberg e.V.". Am 17.09.2016 konnte die Sternwarte endlich eingeweiht werden. Natürlich waren Schirmherr, Landrat und Bürgermeister bei der feierlichen Eröffnung anwesend und gratulierten dem Verein und den Mitgliedern zu ihrer hervorragenden
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2 Blick aus der Kuppel (Bild: Sternwarte Roßberg)
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Astronomische Vereinigungen
3 Gründungsmitglieder (Bild: Sternwarte Roßberg)
Arbeit und dem Gelingen des Vorhabens. Der seit 2014 amtierende Vorstand Martin Gammer dankte allen Mitgliedern für das außerordentliche Engagement, das sie in den letzten Jahren für den Verein aufgebracht hatten. Als Dank für den Hauptsponsor wurde die Sternwarte auf den Namen: ,,Dr. Eckhart von Deuster Sternwarte" getauft und auf einem beleuchteten Metallschild, das außen an der Sternwarte angebracht ist, verewigt.
Seither ist die Sternwarte Anlaufpunkt für alle Astronomie-Interessierten in der Region und dient den Schulklassen im Landkreis zu Schulungszwecken. Das Vereinsziel für die nächsten Jahre ist
4 Mitglieder beim Bau (Bild: Sternwarte Roßberg)
5 Kuppel von außen (Bild: Sternwarte Roßberg)
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Astronomische Vereinigungen
6 Sternwarte bei Nacht (Bild: Sternwarte Roßberg)
es, eine Jugendgruppe aufzubauen. Verantwortliche sind bereits in den Schulen im Landkreis unterwegs, um für das Projekt in den Schulklassen zu werben. Für die nahe Zukunft ist eine weitere kleinere Schiebedach-Sternwarte geplant. Diese soll das Sonnenteleskop, ein Lunt 150 auf einer CGEM DX, das schon 2018 angeschafft wurde, beherbergen, sowie ein 16-ZollMeade auf einer 100er-Fornax, welches dem Verein von einem Mitglied überlassen wurde.
Um noch mehr Platz zu schaffen, wurde 2019 ein Nachbargrundstück erworben. Der Verein kann nun knapp 3.000 m2 Grund sein Eigen nennen und ist gerüstet für jede Erweiterung der Sternwarte.
IMPRESSUM
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY Telefon: +496252 787154 | Fax: +496252 787220 service@sternfreunde.de | www.sternfreunde.de Redaktion: Dietmar Bannuscher, Dr. Werner E. Celnik, Otto Guthier, Sven Melchert. Redaktionelle Mitarbeit der VdS-Fachgruppen-Redakteure und VdS-Mitglieder Bearbeitung von Bildern und Grafiken: Dr. Werner E. Celnik und die Autoren Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin Herstellung & Anzeigen: Kullmann & Matic GbR, anzeigen@sternfreunde.de Druck: Raff & Wurzel Druck GmbH, Riederich Vertrieb: Werner Teutsch GmbH, Laudenbach Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitgliedsbeitrag von 40,- E (EU) und 45,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten. Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe Seite 124 und unter www.sternfreunde.de). Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169, 64629 Heppenheim, E-Mail: service@sternfreunde.de.
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Astronomische Vereinigungen
10 Jahre Forum Stellarum
- eine lokale Amateur-Astronomie-Gruppe stellt sich vor (Teil 2)
von Florian Bleymann, Ulf Fiebig, Uwe Schultheiß und Simon Manger
Was wir machen Neben unseren im ersten Beitrag (Teil 1 des Beitrags erschien im VdS-Journal für Astronomie 76, S. 80-83) erwähnten Stammtischen im Einzugsgebiet der Mitglieder diskutieren wir über alle möglichen Astronomie-Themen, verabreden uns (auch mal über die Forum-Stellarum-WhatsAppGruppe) zu lokalen Teleskoptreffen, Ausflügen oder Vorträgen von Mitgliedern oder mit professionellen Astrophysikern.
Monatlicher Stammtisch Im Februar 2018 wurde der 100. AstroStammtisch des Forum Stellarum gefeiert (Abb. 1). In der Regel treffen sich zwischen 10 bis 25 Mitglieder zu den Vorträgen und Stammtischen. Dazu kommen auch immer wieder Astronomie-Interessierte aus der fränkischen Region.
Beim Stammtisch werden natürlich die aktuellsten, astronomischen Themen behandelt, Informationen zur Astrofotografie, Teleskope, Montierungen und Zubehör kommen nicht zu kurz. Besonders zu erwähnen sind die wirklich sehr guten Vorträge, die von Mitgliedern immer wieder in unregel-
1 100. Jubiläumsstammtisch 2018 in Kitzingen (Foto: Florian Bleymann)
mäßigen Abständen zu den verschiedensten Themen gehalten werden. Auch Profi-Astronomen und Physiker konnten wir schon als Referenten begrüßen (Abb. 2).
Durch die regelmäßigen Treffen sind auch viele Freundschaften entstanden, die über das gemeinsame Hobby hinausgehen. Doch es bleibt die Astronomie, welche uns am meisten miteinander verbindet.
Öffentlichkeitsarbeit Ob Fragen zu allgemeinen astronomischen Themen oder Beratung, welches Teleskop nun das richtige Einsteigergerät sei - wir helfen allen Ratsuchenden. Lokale Teleskoptreffen und der Astronomietag sind ein ideales Format dafür.
Zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Herbst, veranstalten wir ein Teleskoptref-
2 101. Stammtisch - Vortagsabend mit Prof. Dr. Harald Pfeiffer zu Gravitationsphysik und -wellen (Foto: Christoph Gerhard)
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Astronomische Vereinigungen
3 Mondfinsternis 2018, Treffen bei Nordheim bei Volkach in Mainschleife (Foto: Florian Bleymann)
4 Astronomietag 2018 (Foto: Florian Bleymann)
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Astronomische Vereinigungen
Astrourlaub Manche Mitglieder gehen hin und wieder gemeinsam auf Reisen, speziell verabreden sie sich zum Astrourlaub. Reiseberichte im Forum oder bei einem der Stammtische stellen die Eindrücke und Erlebnisse detailliert vor.
5 Vortrag Kinderakademie, Ulf Fiebig und Pater Christoph Gerhard
fen. Das gemeinsame Beobachten, bei dem unterschiedlichste Teleskoparten am Start sind, ist für alle immer wieder ein besonderes Erlebnis (Abb. 3).
Am Astronomietag nehmen wir mit Veranstaltungen in Kitzingen, Gerchsheim und Münnerstadt teil. Einige Forenmitglieder sind auch im Raum Nürnberg an diesem besonderen Tag tätig. Hier stellen wir unser Hobby der Öffentlichkeit vor, ein Unterfangen, das fast immer von mehr als 100 Besuchern, in Kitzingen z. T. mehr als 250 Besuchern, gerne angenommen wird (Abb. 4).
Kinderakademie Für die ,,Kinderakademie Kitzinger Land" haben Christoph Gerhard und Ulf Fiebig [1] einen Vortrag zum Thema Sonnensystem mit vielen eigenen Fotos und mit großem Erfolg abgehalten. Aus geplanten 45 Minuten wurden schnell über 60, denn die Kinder waren mit so viel Begeisterung dabei und stellten so viele Fragen, dass die Referenten kaum nachkamen (Abb. 5).
Als schönes Beispiel sei hier ein Fernglashelm genannt, welcher die freihändige Benutzung eines 10x50-Fernglases ermöglicht. Als Basis dient hierzu ein robuster Motorradhelm, an dem eine Montagekonsole für Nachtsichtgeräte angebracht ist. Um das Fernglas mit dem Helm zu verbinden, wurde aus Stahlblech eine schwenkbare Halterung gebaut. Hiermit lässt sich zudem das Fernglas exakt auf den Beobachter einstellen. 2016 wurde dieser Eigenbau sogar auf dem ITV prämiert.
Unternehmungen Die Mitglieder des Forum Stellarum unternehmen regelmäßig gemeinsam Ausflüge zu Messen, Vorträgen, Workshops oder machen auch gemeinsam Astrourlaub. Ein Highlight des Jahres ist im März/April immer die Würzburger Frühjahrstagung der VdS im dortigen Friedrich-König-Gymnasium. Wir erleben gemeinsam die abwechslungsreichen Vorträge von VdS-Mitgliedern, Profi-Astronomen und unserer Mitglieder.
So verschlug es unsere Mitglieder auch schon in den hohen Norden Finnlands, um bei klirrender Kälte am Inarijärvi Jagd auf Polarlichter zu machen. Bei hellen, wie Flammen züngelnden Auroren fingen sie die Magie dieses Schauspiels mit ihren Augen und Kameras ein. Neben so viel Glück kam es zudem zu einem Meteorfall, der mit einem lauten Knall kurzzeitig durch die erleuchtete Nacht hallte.
Einzelne Mitglieder sind zudem regelmäßig auf La Palma anzutreffen. Die abwechslungsreiche Landschaft dort gibt u. a. unseren Astrofotografen zahllose Motive, die sich zusammen mit dem brillanten Sternenhimmel ablichten lassen. Der Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Roque de Los Muchachos ist dort der krönende Abschluss einer jeden Beobachtungsnacht.
Natürlich darf beim Thema Reisen die Destination Namibia nicht fehlen. Egal ob Kalahari oder Hakosberge - der Südsternhimmel hat bislang jeden, der von uns dort war, in seinen Bann gezogen. Wenn das Zentrum der Milchstraße einen selbst Schatten werfen lässt, dann geht einem dieses erhabene Gefühl nie mehr aus dem Kopf (Abb. 6).
Lokale Teleskopspezialisten Das Spektrum unserer Selbstbauer ist sehr breit gefächert. Egal ob Spiegelzelle, TabletGehäuse oder Montierungsoptimierung - mittels konventioneller Maschinen und CNC-gestützter Anlagen setzen wir unsere Ideen in die Wirklichkeit um. So werden selbst hochwertige Refraktoren geplant und gefertigt.
Astromessen Ob man sich jetzt neue Ausrüstung anschaffen möchte oder nicht, der gemeinsame Besuch einer Astromesse, z. B. der AME, lohnt sich immer und macht mit anderen Astrobegeisterten noch viel mehr Spaß. Ein paar Mitglieder stellen auch regelmäßig selbst auf den Messen aus, u. a. die Astro-Optik-Manufaktur.
Vorträge, Veröffentlichungen und Wissenschaftliches Einige Mitglieder sind immer ,,am Puls der Zeit": Vorträge und Veröffentlichungen von Mitgliedern gibt es regelmäßig, so z. B. von Pater Christoph Gerhard [2] aus dem Kloster Münsterschwarzach sowie Winfried Berberich z. B. u. a. mit der Uranometria [3].
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Astronomische Vereinigungen
6 Beobachten in Namibia (Foto: Simon Manger)
Literatur- und Internethinweise (Stand: Mai 2020): [1] U. Fiebig, Homepage: www.y-auriga.de [2] Pater Chr. Gerhard: ,,Klostersternwarte Abtei Münsterschwarzach", www.
klostersternwarte.de [3] W. Berberich, 2010: ,,Uranometria", Nachdruck, ISBN 978-3-934223-35-6,
KunstSchätze Verlag Gerchsheim, www.fzb-ateliers.com/uranometria. html
Journal für Astronomie Nr. 77 | 65
Astrophysik & Algorithmen
Lichtablenkung durch Gravitation
von Uwe Pilz
Im vorigen Heft habe ich beschrieben, auf welche Weise der Raum um ein Schwarzes Loch gekrümmt ist. Genau längs dieses gekrümmten Raumes bewegt sich das Licht, wenn es in das Schwarze Loch hineinfällt.
Diesen Aufsatz widme ich dem wesentlich interessanteren Fall, in
dem ein Photon ein Schwarzes Loch oder ganz allgemein eine Masse-
kugel passiert und dabei nur abgelenkt wird. Wie schon im vorigen
1
Heft erläutert, gibt es eine seltsame Differenz zwischen dem zurück-
gelegten Weg und der Annäherung an ein Gravitationszentrum. Die-
ses kann man dadurch modellieren, dass der Raum in eine höhere
Dimension eingebettet und in dieser gekrümmt ist. Anschaulich wird
dies nur, wenn wir eine Raumdimension weglassen und diese der
,,Einbettung widmen". In der Abbildung 1 habe ich den Weg von zwei
Photonen aufgezeichnet, welche die Äquatorebene eines Schwarzen
Loches passieren. Das grüne Quant wird lediglich abgelenkt, wäh-
rend das rote tief in den Gravitationstrichter hineingerät, was dazu
führt, dass es seine eigene Bahn kreuzt. Diese hier nach oben gerich-
tete Koordinate ist nur eine Modellvorstellung zur Raumkrümmung.
Diese Koordinate ,,existiert" nicht im wirklichen Sinn. Punkte außer-
halb der Trichterfläche haben keinen physikalischen Sinn. Wirklich
sichtbar sind die Bahnen so, als würden wir von oben auf dieses Ge-
bilde schauen.
Die Bewegung in der Äquatorebene lässt sich am einfachsten in Po-
larkoordinaten beschreiben, also dem Winkel und dem Abstand
r vom Massenzentrum. ist dabei so gewählt, dass er im Punkt der
2
größten Annäherung an das Massezentrum Null ist (Abb. 2).
Die Bewegung eines Photons wird durch eine Differenzialgleichung beschrieben. Ich habe auf unserer Fachgruppenseite [1] im Bereich Algorithmen, Lektionen, Analysen eine Lektion hierzu verfasst. Kurz gesagt, beschreiben Differenzialgleichungen den Zusammenhang zwischen zwei oder mehr Variablen. Dieser Zusammenhang ist nicht direkt gegeben, sondern wird beschrieben als Ausmaß der Änderungen in jedem Punkt. Differenzialgleichungen lassen sich zumindest numerisch berechnen, indem man von einem Startpunkt mit gegebenen Eigenschaften schrittweise vorwärts rechnet. Im VdS-Journal für Astronomie 73 habe ich diese Methode für die Bahnbewegung im Gravitationsfeld erläutert - dies ist auch eine Differenzialgleichung.
In unserem Fall beschreibt die Gleichung den Zusammenhang zwischen der Änderung des Abstandes r und der Änderung des Winkels :
3
66 | Journal für Astronomie Nr. 77
Astrophysik & Algorithmen
In dieser Formel sind alle Radien auf den Schwarzschildradius rs bezogen. Der gerade betrachtete Abstand ist r. Es gibt einen kleinstmöglichen Abstand vom Massezentrum, hier bezeichnet mit r0, welcher angibt, welchen der vielen Lichtstrahlen wir gerade betrachten. Jedes r0 definiert damit einen anders abgelenkten Lichtstrahl.
Die Formel gilt auch für Massekugeln, die keine Schwarzen Löcher sind. Dennoch muss der Schwarzschildradius berechnet werden, um die Radien zu skalieren. Für ausgedehnte Objekte handelt es sich um den Radius, den die Massekugel einnähme, wenn sie zum Schwarzen Loch kollabieren würde. Für die Sonne beträgt er etwa 3 km.
Wenn man irgendeinen bekannten Startpunkt (r1, 1) findet, dann kann man durch Einsetzen in die Formel die Änderung dr / d an diesem Punkt berechnen. Dieser Wert ist die Ableitung der Bahnkurve, also die Steigung in diesem Punkt. Für eine kleine Winkeländerung kann man diese Steigung als konstant annehmen und daraus eine neues Paar (r, ) bestimmen:
2 = 1 + r2 = r1 + · dr / d
Dies fortsetzend gelangt man schrittweise zum Verlauf des Lichtweges (Abb. 3). Als einziger Parameter muss r0 angegeben werden.
Für die Berechnung benötigen wir noch einen kleinen Trick: Genau bei r = r0 ist dr / d Null. Damit würde die Rechnung nicht starten. Aus diesem Grund beginnt das Programm mit einem Radius, der ein ganz klein wenig über r0 liegt: Es ist einzusehen, dass für die meisten Fälle auch der Winkel nur sehr wenig von dem Ausgangswert entfernt liegt und dies in der allgemeinen Rechenungenauigkeit untergeht.
Die Abbildung 3 enthält die Bahnen für zwei verschiedene Werte r0. Es lässt sich theoretisch begründen und auch mit dem abgedruckten Programm experimentell nachweisen, dass ein tangential an einem Schwarzen Loch vorbeifliegendes Photon einen Mindestabstand von 1,5 · rs haben muss. Bahnen weiter innen führen nicht zur Passage des Loches, sondern dazu, dass das Photon in das Schwarze Loch hineinfällt.
Internethinweis (Stand Dez. 2020): [1] VdS-Fachgruppe Astrophysik und Algorithmen:
fg-astrophysik.vdsastro.de
Python-Programm:
from turtle import * from math import *
def plot(x,y): # einen penup() goto(50*x,50*y) pendown() dot(3) hideturtle()
Punkt
setzen
def Circle(): w=0 for i in range (1000): x=cos(w) y=sin(w) plot(x,y) w=w+2*pi/1000
# Hauptprogramm r0=float(input("r0: ")) tracer(0,0) # Turtle aus Circle() r=1.00000001*r0 phi=0 Delta=1e-3 while r<10:
for i in range (10): drdphi=r*r*r*r/(r0*r0*r0) drdphi=drdphi*(r0-1)-r*(r-1) if (drdphi<0): print("Fehler: r0 ist ungueltig") drdphi=sqrt(drdphi) r=r+Delta*drdphi phi=phi+Delta x=r*cos(phi) y=r*sin(phi) plot(x,y) # auch nach unten zeichnen x=r*cos(-phi) y=r*sin(-phi) plot(x,y)
update()
Journal für Astronomie Nr. 77 | 67
Atmosphärische Erscheinungen
2019 und 2020
- Zwei ungewöhnliche Jahre mit Leuchtenden Nachtwolken
von Claudia Hinz
Was ist nur mit den Leuchtenden Nachtwolken (NLC) los? Findet man in älteren Büchern oft noch den Hinweis, dass sie südlich des 50. Breitenkreises nicht auftreten können, scheinen die Displays in den letzten Jahren immer größer und bis weit nach Südeuropa sichtbar zu werden.
NLC sind normalerweise in der nautischen Dämmerung bei Sonnentiefen zwischen 6 Grad und 16 Grad am Nordwest- bis Nordosthorizont zu sehen. Die silbrig schimmernden und fein strukturierten Wolkenstrukturen entstehen Ende Mai bis Anfang August in der Mesopause in einer Höhe von durchschnittlich 82 km. Damit sich in solchen Höhen bei der sehr geringen Wasserdampfkonzentration überhaupt Eiswolken bilden können, sind sehr tiefe Temperaturen unter minus 130 Grad C notwendig. Aufgrund der interhemisphärischen Zirkulation treten diese Temperaturen in den nördlichen Breiten nur zwischen Ende Mai und Anfang August auf. Zudem sorgen im Sommer höhere Winde dafür, dass die Eisteilchen über größere Entfernungen transportiert werden. Die Lebensdauer einzelner Eispartikel dürfte in der Größenordnung einiger Stunden liegen, bis sie durch Absinken und Südwärtsverlagerung wieder sublimieren. Deshalb verändern sich die feinen Strukturen der NLC fortlaufend.
Erstmals wurden Leuchtende Nachtwolken im Jahre 1885 nach dem Ausbruch des Vulkans Krakatau beobachtet. Binnen kurzer Zeit wurden etwa 18 Kubikkilometer Asche ausgeworfen und die Eruptionssäule erreichte eine Höhe von 80 km. So wurde die kalte Mesopause mit zahlreichen Aerosolpartikeln bereichert und es gab in den Sommermonaten erstmalig in der späten Dämmerung seltsame weißblau bis silbern schimmernde Wolken zu beobachten. Seitdem sind immer wieder Beobachtungen überliefert.
1 Leuchtende Nachtwolken am Abend des 21.06.2019 bis 45 Grad Süd in Schwarzenberg/
Erzgebirge, Aufnahmebrennweite 8 mm. (Bild: Wolfgang Hinz)
68 | Journal für Astronomie Nr. 77
Atmosphärische Erscheinungen
Seit den 1980er-Jahren werden sie in Deutschland kontinuierlich beobachtet. Ich selbst bin jetzt zusammen mit meinem Mann seit über 25 Jahren dabei. Mein bisheriger Höhepunkt waren die bis in den Zenit sichtbaren NLC am 29.06.1998. Ansonsten wurden meine Beobachtungsstandorte Chemnitz, das oberbayerische Inntal und nun das Erzgebirge mit NLC eher stiefmütterlich behandelt und von den Nächten, in denen die NLC bis weit in den Süden reichten, waren die meisten bewölkt. Auf mehr als 3-5 Sichtungen pro Sommersaison sind wir nur sehr selten gekommen. In den letzten Jahren scheint es bereits eine Zunahme gegeben zu haben, allerdings sind die deutschlandweiten Ergebnisse nicht mehr mit früheren Beobachtungen vergleichbar, denn bei einer ständig wachsenden Beobachterzahl mit immer empfindlicheren Kameras und einer zunehmenden Zahl an hochempfindlichen Webcams nehmen die Erfolgsnächte natürlich stark zu. Inzwischen ist die Beobachter- und Webcamdichte so groß, dass kaum eine NLC-Nacht unentdeckt bleibt, sind die zarten Wolken auch noch so schwach.
2 Formenvielfalt der hellen NLC vom Abend des 21.06.2019 in Schwarzenberg
(Bild: Claudia Hinz)
Aber in den letzten beiden Jahren wurde auch für mich persönlich alles Bisherige übertroffen. Nicht nur, dass die Saisons ungewöhnlich früh begannen, es gab auch einen Höhepunkt nach dem nächsten und die NLC waren auf Webcams selbst in Sizilien oder Kroatien noch nachweisbar.
2019 begann die Saison in Norddeutschland bereits Ende Mai und schon am 08./09.06. wurden erste NLC bis Mitteldeutschland (Dresden) gesichtet, die allerdings im Erzgebirge hinter dickem troposphärischem Gewölk verborgen blieben. In der Nacht 09./10.06. wurde in San Francisco Bay, California (37 Grad 51' N), das bisher weltweit südlichste Auftreten dokumentiert.
Am 13./14.06. klappte es endlich auch im Erzgebirge. Am fast klaren Himmel zeigten sich abends helle und am Morgen ungewöhnlich helle NLC. Was wir allerdings in der Nacht vom 21./22.06. geboten bekamen, haben wir so noch nicht erlebt (Abb. 1
+ 2). In unseren Breiten (50 Grad N) reichten sie um 21:45 Uhr MESZ bei einer Sonnentiefe von nur 3 Grad über den Zenit bis 45 Grad Süd! Und das in einer Helligkeit, die einem den Atem raubte! Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass wir hier im Erzgebirge einmal Süd-NLC sehen würden! Sie zogen sich anschließend ziemlich schnell in den Norden zurück und auch die Helligkeit nahm ab. Schließlich verdeckten tiefe Wolken das Geschehen und ließen den geplätteten Beobachter sprachlos zurück. Wir glaubten, so etwas Fantastisches nie wieder erleben zu dürfen. Insgesamt konnten wir 2019 in 9 Nächten NLC beobachten, was ebenfalls einen persönlichen Rekord darstellt.
2020 wurden im Norden die ersten (wenn auch extrem schwachen) Nachtwolken bereits am 19./20.05. erspäht und schon am 26./27.05. zeigten auch die Alpenwebcams erste NLC. Das ist der früheste Nachweis im Alpenraum!
Journal für Astronomie Nr. 77 | 69
Atmosphärische Erscheinungen
Im Erzgebirge begann die Saison immerhin sieben Nächte früher als 2019 und zwar gleich so, dass uns Beobachtern die Kinnlade herunterklappte. Denn am 06./07.06. zeigten sich die sonst im Norden gewohnten NLC nicht nur bis weit in den Südwesten, sondern sie reichten fast bis in den Zenit hinauf. Das versprach eine gute Saison zu werden (Abb. 3-7).
Am Abend des 16.06. zeigte die Mesosphären-Radarmessung des Leibniz-Instituts für Atmosphärenphysik Kühlungsborn [1] zahlreiche Echos, die das Auftreten von NLC wahrscheinlich machen. Leider verhinderten Wolken die ungetrübte Beobachtung, aber auch an diesem Abend zeigten sich um 22:00 Uhr MESZ im Westen bei einer Sonnentiefe von nur 5 Grad verdächtige Strukturen in Zenitnähe, die mit zunehmender Dunkelheit immer heller wurden und rasch an Höhe abnahmen.
Die unvergesslichste Nacht war allerdings die vom 05. zum 06. Juli, die alles übertraf, was wir in 25 Jahren kontinuierlicher NLC-Beobachtung je erlebt haben. Bereits um 21:50 Uhr MESZ waren die ersten Wolken zu sehen, und zwar vom Zenit bis 30 Grad über dem Südhorizont! Mit zunehmender Dunkelheit zogen sie sich in außergewöhnlicher Helligkeit nach Norden zurück und strahlten dort, bis kurz vor 23 Uhr MESZ die nahenden Wolken der Kaltfront alles bedeckten. Diese NLC waren auch sehr weit südlich zu sehen, selbst auf einer Webcam in Mazedonien auf dem 41. Breitengrad waren sie noch nachweisbar. Vielerorts boten diese Leuchtenden Nachtwolken zusammen mit dem Komet NEOWISE einen unvergesslichen Anblick (Abb. 5).
Insgesamt gehen 2020 sieben NLC-Nächte in unsere Statistik ein, allerdings muss erwähnt werden, dass arbeitsbedingt kaum Morgenbeobachtungen möglich waren.
3 Leuchtend helle NLC am Abend des 15.06.2020 in Grünstädtel/Erzgebirge,
Aufnahmebrennweite 8 mm (Bild: Claudia Hinz)
70 | Journal für Astronomie Nr. 77
Atmosphärische Erscheinungen
4 Süd-NLC am Abend des 15.06.2020 in Grünstädtel/Erzgebirge,
Aufnahmebrennweite 8 mm (Bild: Claudia Hinz)
5 Zarte NLC zusammen mit Komet NEOWISE am Abend des
18.07.2020 in Grünstädtel/Erzgebirge (Bild: Claudia Hinz)
Journal für Astronomie Nr. 77 | 71
Atmosphärische Erscheinungen
6 Wenn die NLC in den Erdschatten eintreten, nehmen sie durch die Reststreuung eine rötliche Färbung an,
aufgenommen am Abend des 30.06.2020 in Markersbach/Erzgebirge. (Bild: Wolfgang Hinz)
7 Früher eher die Ausnahme, in den letzten Jahren immer häufiger: Leuchtende Nachtwolken von den Alpen aus beobachtet, am 05.07.2020
auf dem Meteorologischen Observatorium Hoher Sonnblick (3.106 m) in den Hohen Tauern, Österreich. (Bild: Hermann Scheer)
Atmosphärische Erscheinungen
Rückblickend kann man sagen, dass die Mesopause, in welcher die Wolken auftreten, in beiden Jahren ungewöhnlich kalt war und die notwendigen -130 Grad C erstreckten sich teilweise auf über 10 km Schichtdicke (76-87 km). In Lehrbüchern ist als Höhe des Auftretens noch 80-85 km genannt. Auf der Grafik der Mesosphären-Radarmessung musste bereits die Skala erweitert werden. Was ist die Ursache? Solch hoch reichende Vulkanausbrüche wie Krakatau hat es in letzter Zeit nicht gegeben. In Wissenschaftskreisen liest man von einer Feuchtezunahme und von einer Abkühlung der Mesopause durch das ungewöhnlich lange Sonnenfleckenminimum. Dies könnte auch die Ursache dafür sein, dass Staubpartikel aus dem Weltraum, die sonst vom Sonnenwind verblasen werden, nun in die Erdatmosphäre eindringen und in der Mesopause als Kondensationskeime für die Wolkenbildung dienen.
Einige Forscher vermuten zudem, dass der Klimawandel auch am Rand der Erdatmosphäre Auswirkungen hat. In der Mesopause führen Kohlendioxid, Methan und andere Gase im Gegensatz zur erdnahen Atmosphäre zur Abkühlung. 40-jährige Messungen des Leibniz-Institutes ergaben eine mittlere Abkühlung von 16 K. Zudem werden die Gase von der starken UV-Strahlung zersetzt. Der freigesetzte Wasserstoff verbindet sich mit Sauerstoff zu Wasser, was bei Temperaturen unter -130 Grad C zu Eis gefriert. Welche langfristigen Folgen dies, außer der Zunahme von NLC, haben könnte, ist noch unbekannt.
Seit Jahren diskutiert wird zudem die Rolle von Meteoroidenstaub. Jeden Tag treten zahlreiche Meteoroide in die Erdatmosphäre ein. Sie zerfallen zu Staub und bilden Kerne für Eiskristalle, die letztlich für die Bildung der NLC verantwortlich sein könnten.
Spannend wird auf jeden Fall, ob sich auch in den kommenden Jahren der Trend immer südlicher auftretender Leuchtender Nachtwolken fortsetzt, vor allem auch bei der hoffentlich bald wieder ansteigenden Sonnenaktivität.
Internethinweise (geprüft Dezember 2020): [1] Leibniz-Institut für Atmosphärenphy-
sik, Homepage: www.iap-kborn.de/ forschung/abteilungradarsondierungen/aktuelleradarmessungen/oswinmesosphaere/ [2] AKM e.V. Forum: ,,Forum für atmosphärische Erscheinungen", https:// forum.meteoros.de/ [3] Fichtelberg im Erzgebirge und Umgebung: ,,Wetter und Landschaft auf Sachsens höchstem Gipfel", https:// fichtelbergwetter.wordpress.com/
Skyguide 2021 - 1 (Frühling)
von Robert Zebahl und Rene Merting
1 Übersichts-
karte der Objekte für Skyguide 2021-1, erstellt mit Cartes du Ciel (Bild: Robert Zebahl)
Journal für Astronomie Nr. 77 | 73
Deep Sky
Das Sternbild Luchs (lat. Lynx) ist recht unscheinbar und wurde durch den polnischen Astronomen Johannes Hevelius (16111687) eingeführt, um die Lücke zwischen den Zwillingen und dem Großen Bären zu schließen. Lediglich der hellste Stern, Alpha Lyncis (3,1 mag), erhielt eine Bezeichnung mit griechischem Buchstaben. Den anderen, helleren Sternen wurden Flamsteed-Nummern zugewiesen. Interessant ist auch, dass zur Zeit der Flamsteed-Nummerierung die Sternbildgrenzen noch nicht genau festgelegt waren. Dies geschah erst im frühen 20. Jahrhundert durch die Internationale Astronomische Union (IAU), welche hierfür den Astronomen Eugène Delportes beauftragte. Durch diesen Umstand liegen heute Sterne wie 10 Ursa Majoris im Sternbild Luchs, während 41 Lyncis im Großen
2 Doppelstern STF 1334, Zeichnung
am 22.01.2019 von Robert Zebahl, 63 mm/ 840 mm-Zeiss-Telementor (V = 140x)
Bären zu finden ist. Auch in anderen Sternbildern lassen sich solche Beispiele finden. So unscheinbar das Sternbild auch sein mag, so findet man hier eine Reihe lohnender Objekte wie die Galaxien NGC 2537
(Arp 6, Bärentatzengalaxie) und IC 2233 oder auch den Planetarischen Nebel JonesEmberson 1 (PK164+31.1). Sternhaufen aus den bekannten Katalogen wird man dagegen vergeblich suchen. Dafür bietet der Luchs noch viele Doppel- und Mehrfachsterne. Besonders schön ist das Dreifachsystem 12 Lyncis (STF 948) im nördlichen Teil des Sternbildes.
Für unsere Tour starten wir aber ganz im Süden bei Alpha Lyncis, wo sich zwei schöne Doppelsterne befinden. 38 Lyncis (STF 1334) ist ein recht ungleiches Paar (3,9 und 6,1 mag) mit einem Winkelabstand von 2,5 Bogensekunden. Ein Teleskop mit einer Öffnung von etwa 60 mm wird den schwächeren Begleiter lediglich als Aufhellung im ersten Beugungsring der Hauptkomponen-
3 Galaxie NGC 2683. Links: Zeichnung am 23.03.2020 von Robert
Zebahl, 102 mm / 1.122 mm-ED-Refraktor (V = 62x) unter städtischen Bedingungen (Bortle 6). Rechts: Fotografie am 10./11.04.2020 von David Wemhöner, 2,5 Std. Belichtung mit ASI294mcPro und 10-ZollTruss-Newton (f/4,7).
74 | Journal für Astronomie Nr. 77
Deep Sky
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4 Galaxie
NGC 2782, Quelle: PanSTARRS, gemeinfrei
te zeigen (Abb. 2). Ab 100 mm Öffnung ist eine klassische Trennung aber gut machbar. Hohe Vergrößerungen sind erforderlich. Die Farbe wird als weiß, gelb oder gar orange beschrieben.
Zwischen Alpha und 38 Lyncis findet sich noch der Doppelstern STF 1333. Der Winkelabstand ist mit 1,9 Bogensekunden zwar geringer, aber die Komponenten sind mit 6,6 und 6,7 mag nahezu gleich hell, so dass eine Trennung mit 60 mm Teleskopöffnung bei hoher Vergrößerung möglich ist. Auch hier werden die Komponenten weiß oder gelblich wahrgenommen.
Weiter westlich liegt die Galaxie NGC 2683, welche sich nahezu in Kantenlage präsentiert und mit einer scheinbaren Gesamthelligkeit von etwa 9,7 mag hell genug ist, um auch in kleineren Teleskopen unter Vorstadtbedingungen gut beobachtet werden zu können. Durch ihr Aussehen wird sie auch UFO-Galaxie genannt. NGC 2683 ist eine Spiralgalaxie vom Hubble-Typ Sb mit aktivem Galaxienkern. Unter eher städtischen Bedingungen (Bortle 6) lässt sie sich gut mit 100 mm Teleskopöffnung beobachten und zeigt sich länglich, aber ohne nennenswerte Helligkeitszunahme Richtung Zentrum (Abb. 3 links). Unter dunklem Landhimmel (Bortle 3) ist sie auch mit einem 18x70Fernglas gut erreichbar und erscheint als homogener, schmaler Nebel. Die Galaxie ist in einem schönen Sternumfeld eingebettet und lohnt sich ebenfalls für Fotografen (Abb. 3 rechts).
Nördlich von Alpha Lyncis finden wir noch die deutlich schwächere Galaxie NGC 2782 (Arp 215) mit einer scheinbaren Gesamthelligkeit von ca. 11,6 mag (Abb. 4). Die visuelle Herausforderung hier besteht in der Erkennbarkeit der äußeren Spiralarme. Vor allem östlich der Galaxie ist auf Fotografien ein weit auslaufender Spiralarm zu erkennen. Unter einem Vorstadthimmel (Bortle 6) ist die Galaxie bereits mit 152 mm Teleskopöffnung bei mittlerer Vergrößerung indirekt als eher kleiner, schwacher, leicht kondensierter Nebel zu sehen. Bei 320 mm Teleskopöffnung unter dunklem Landhimmel ist auch der helle Spiralarm östlich der Galaxie als kompakte Aufhellung sichtbar, wenn auch sehr schwach.
Journal für Astronomie Nr. 77 | 75
Kleine Planeten
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Interessanterweise gab es aus dem Coronafrühling 2020 keine passende Einsendung für diese Frühlingsausgabe. Dabei war das Astrowetter zumindest in Österreich ganz gut und durch die Starlinkproblematik ,,brisant". Ich stellte zu der Zeit ein größeres Dobson-Projekt fertig und habe erst wieder im Sommer zu fotografieren angefangen. Daher gibt es auch von meiner Seite kein aktuelles Bild für die kosmischen Begegnungen, sondern eins aus dem Archiv.
Im Frühling 2013 belichtete ich einige Nächte die Spiralgalaxie M 58. In der Nacht des 5. März 2013 erhielt sie einen Streifschuss durch den Kleinplaneten (47365). Mein Astrokooperationspartner Stefan Heutz bearbeitete das hier gezeigte Bild [1] und setzte das Ereignis perfekt in Szene.
Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, ein paar Sätze zu schreiben, wie man solche Strichspuren ins fertige Bild hinüberrettet. Moderne Stackingmethoden wie ,,Sigmacombine" eliminieren neben Satellitenspuren leider auch die Strichspuren der meisten Kleinplaneten. Nur ganz helle Brocken hinterlassen höchstens eine ausgefranste Spur und machen darauf aufmerksam, dass sich da etwas im Bildfeld bewegt hat. Bei Objekten in der Nähe der Ekliptik loht es sich relativ oft, seine Aufnahmen auf Kleinplaneten zu überprüfen.
Wer nicht in seiner Planetariumssoftware kontrollieren will, ob in der Nacht zufällig eine kosmische Begegnung stattgefunden hat, der kann seine Bilder auch zur Kontrolle mit einer weniger aggressiven Stackingmethode verrechnen. Mit der Methode ,,Addieren" oder ,,Mitteln" bleibt alles was durch das Gesichtsfeld geflogen ist, im Summenbild sichtbar. Man muss dazu nicht alle vorhandenen Bilder verwenden. Bilder für eine Stunde reichen, um eine gut erkennbare Strichspur zu erzeugen. Wenn dabei kurze Strichspuren eines Asteroiden auffallen, kann man alle vorhandenen Bilder stapeln und dieses Summenbild speichern, um die Strichspuren später einzubauen. Wenn man Daten aus mehreren Nächten hat, werden diese mit ,,Sigmacombine" gestapelt. Das Deep-Sky-Objekt ist nun sehr tief belichtet und rauscharm, aber leider ohne Kleinplanet. Die gemittelte bzw. addierte Aufnahme mit der Kleinplanetenspur wird dann so skaliert, dass die Sterne ähnlich hell erscheinen.
In einem geeigneten Programm lege ich beide Aufnahmen übereinander, bis die Sterne deckungsgleich sind und markiere nun die kleine Strichspur. Nur diese wird dann in die tiefe Deep-Sky-Aufnahme hineinkopiert. Sie wird damit zur kosmischen Begegnung. Bei LRGBs baue ich die Strichspur bereits in das Luminanzbild ein. Damit wird der Kleinplanet genau so behandelt, wie der Rest des Bildes. Bei Farbaufnahmen kann man ihn auch später einbauen. Man sollte aber darauf achten, dass die Strichspur in Sachen Helligkeit und Schärfe zum Rest des Bildes passt. Vielleicht kann ja der eine oder andere seine Aufnahmen mal auf übersehene Kleinplaneten überprüfen. Die Artikelserie kann immer Bilder gebrauchen.
Die Aufnahmen für dieses Bild entstanden in sieben Nächten vom März bis Mai 2013. Insgesamt kamen so ca. 14,5 Stunden Be-
lichtungszeit zusammen. In der zweiten Aufnahmenacht, dem 5. März, sah ich im Planetariumsprogramm, dass ein Kleinplanet bei der Galaxie M 58 vorbeizieht. In dieser Nacht habe ich daher nur Luminanz aufgenommen, um eine durchgehende Strichspur des Brockens zu bekommen. Die Galaxie M 58 ist eine Balkenspirale im Sternbild Jungfrau und wurde 1779 von Charles Messier entdeckt. Sie ist rund 66 Mio. Lichtjahre von uns entfernt und mit ca. 9,4 mag eine der hellsten Galaxien im Virgo-Cluster. Sie enthält 2,5-mal mehr Masse als unsere Milchstraße und ist daher ein richtiges Schwergewicht.
Ein ziemlich kleiner Brocken ist hingegen der Kleinplanet (47365) 1999 XY82. Er bringt es gerade mal auf ca. 7 km Durchmesser. Der typische Hauptgürtelasteroid umrundet die Sonne in 4,15 Jahren, war zum Aufnahmezeitpunkt ca. 18 mag hell und rund 227 Mio. km von der Erde entfernt. Entdeckt wurde er im Jahr 1999 vom automatischen Suchprogramm LINEAR [2]. Dank der kosmischen Begegnungen erfährt der vermutlich noch lange unbenannte Brocken wahrscheinlich zum ersten Mal größere Aufmerksamkeit. Ihm sei es vergönnt und wir können uns am Bild erfreuen.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [3]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden (vgl. Tab. 1). Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftig
76 | Journal für Astronomie Nr. 77
Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwartealtschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht, das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
1 Die Galaxie M 58 und der Kleinplanet (47365) 1999 XY82, aufgenommen mit einem
18-zölligen Newton (f/4,5) und einer AL9-CCD-Kamera im Frühling 2013. (Bild: Stefan Heutz)
Internethinweise (geprüft Dezember 2020): [1] Astro-Kooperation, Homepage: ,,M58 in der Astro-Kooperation", http://astro-
kooperation.com/?attachment_id=1544 [2] LINEAR: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Lincoln_Near_Earth_Asteroid_
Research [3] Kosmische Begegnungen, Homepage: http://astrofotografie.hohmann-edv.de/
aufnahmen/kosmische.begegnungen.php
Tabelle 1
Ausgewählte interessante kosmische Begegnungen im 2. Quartal 2021
Datum
06.04.2021 08.04.2021 08.05.2021 12.05.2021 08.06.2021 17.06.2021
Uhrzeit
21:00 21:00 22:00 22:00 22:00 23:00
Kleinkörper
(809) Lundia (1085) Amaryllis (1236) Thais (5292) Mackwell (2248) Kanda (3) Juno
Hell./mag
15,9 14,9 15,2 16,0 15,5 10,1
Objekt
M 61 M 105 NGC 5796 Pal 5 M 80 M 10
Art
Hell./mag Abstand
Gx
9,3
0´
Gx
9,5
4´
Gx
11,6
3´
GC
11,5
6´
GC
7,3
8´
GC
6,6
10´
Abkürzungen: Gx - Galaxie, GC - Kugelsternhaufen
Journal für Astronomie Nr. 77 | 77
Kleine Planeten
Der Asteroid (85275) und die astronomische Einheit
von Thomas Hebbeker, unter Mitwirkung von Jan Hattenbach
Der Asteroid (85275) 1994 LY Die Zeitschrift ,,Sterne und Weltraum" weist in ihrer Rubrik ,,Aktuelles am Himmel" unter anderem auf Asteroiden hin, deren Bahn noch nicht sehr gut bekannt ist. Amateurastronomen werden aufgerufen, sich an Positionsmessungen zu beteiligen, um die Bahnelemente besser bestimmen zu können. Ich greife diese Vorschläge gerne auf, fotografiere den Himmelskörper vor dem Fixsternhintergrund an mehreren Abenden, bestimme aus den Bildern die äquatorialen Koordinaten und schicke die Ergebnisse dann ans Minor Planet Center (MPC) in den USA, das die weltweiten Beobachtungsdaten sammelt und daraus die Bahnen berechnet. Mein Standort ist Neu-
Moresnet in Belgien, nahe der deutschen Grenze bei Aachen. Mein MPC-Sternwarten-Code ist K85 - hinter diesem Kürzel verstecken sich die genauen Beobachterkoordinaten und nicht etwa ein reales Observatorium. Parallel dazu versuche ich auch selbst, die Bahn des Kometen oder Asteroiden zu bestimmen.
Im August-Heft von ,,Sterne und Weltraum" (das online schon im Juli verfügbar war) wurde der Asteroid (85275) 1994 LY vorgestellt, der sich außerhalb der Erdbahn bewegt, unserem Planeten aber im Sommer 2020 recht nahe kam, bis auf etwa 0,12 Astronomische Einheiten. Damit gehört er in die Klasse der Amor-Asteroiden, die nach
(1221) Amor benannt ist. Die maximale scheinbare Helligkeit von (85275) wurde zu knapp 14 mag prognostiziert. Schon am 12. Juli 2020 habe ich mit den Beobachtungen begonnen, am 18. August war Schluss, da der Asteroid dem Horizont zu nahe kam. Ich habe an jedem Beobachtungsabend ein paar Dutzend Fotos gemacht, um seine Bahn sehr genau bestimmen zu können. Insgesamt sind mehrere hundert Fotos zusammengekommen.
Die Abbildung 1 zeigt eine Serie von 50 überlagerten (und invertierten) Aufnahmen, die ich am 5. Aug. 2020 gemacht habe. Der Asteroid hatte zu dieser Zeit eine Geschwindigkeit von etwa 3,5''/Minute. Die Fotos
1 Bewegung des Asteroiden (85275) am Abend des 05.08.2020 durch das Sternbild Schlangenträger. Norden ist oben, links ist Osten,
die Bildbreite entspricht einem Sehwinkel von etwa 0,5 Grad . Der Asteroid bewegt sich von Nord nach Süd, der Zeitabstand zwischen zwei Aufnahmen beträgt 2 Minuten. Durchziehende Wolken haben einige Punkte verblassen lassen. (Bild: Thomas Hebekker)
78 | Journal für Astronomie Nr. 77
Kleine Planeten
lieferte eine digitale Spiegelreflexkamera Canon 70D an einem Teleskop vom Typ Celestron C8 EdgeHD, getragen von einer Montierung 10Micron GM1000HPS. Typische Belichtungszeiten waren 15 Sekunden bei einer Empfindlichkeit von ISO 3200.
2 Die gemessene Bahn des Asteroi-
den (85275), projiziert auf die Ekliptik, im Vergleich zu den Bahnen von Erde und Mars. Die Sonne steht im Zentrum. Rot markiert sind die zur Bestimmung der Bahnelemente benutzten Messpunkte. (Bild: Thomas Hebekker)
Bahnbestimmung Die Fotos wurden dann - nach Umwandlung ins FITS-Dateiformat - mit dem Programm ASTROMETRICA von Herbert Raab [1] astrometrisch ausgewertet, d. h. die Position des Asteroiden (85275) relativ zu den ,,Nachbar"-Sternen, deren Himmelskoordinaten aus dem Gaia-Katalog stammen, für jedes Bild mit einer Genauigkeit von typischerweise 0,2'' sowohl in Rektaszension als auch in Deklination bestimmt. ASTROMETRICA speichert die Zeiten und zugehörigen gemessenen Koordinaten in einer Text-Datei im MPC-Format, so dass man die Ergebnisse direkt ans MPC mailen kann. Dieses Format versteht auch das Program FIND_ORB von Bill Gray [2], welches an die Messpunkte eine Bahn im Schwerefeld der Sonne anpasst. Dabei werden auch kleine Störeinflüsse der Planeten berücksichtigt. Die Genauigkeit der so bestimmten Bahnelemente ist sehr hoch, obwohl ich mit meiner 5-wöchigen Messkampagne nur wenige Prozent eines 2,6 Jahre dauernden Umlaufs des Asteroiden um die Sonne erfasst habe. Beispiele: - Große Halbachse = 1,8905 AE [1,8902] - Umlaufperiode = 949,4 Tage [949,2] - Exzentrizität = 0,4420 [0,4419]
Diese von mir gemessenen Parameter stimmen sehr genau mit den vom Minor Planet Center veröffentlichten überein, die in eckigen Klammern angegeben sind. Diese Bahnelemente sind wegen der Beeinflussung des Asteroiden durch die Planeten zeitlich variabel und gelten streng nur für die Epoche 10. August 2020.
Man beachte, dass man durch die hier diskutierten Richtungsmessungen die absoluten Entfernungen im Sonnensystem nicht bestimmen kann. Insbesondere kann man die große Halbachse der Asteroidenbahn nur relativ zur Astronomischen Einheit AE angeben, dem mittleren Abstand ErdeSonne. Die Abbildung 2 zeigt den Asteroidenorbit im Vergleich zu den Bahnen von Erde und Mars, projiziert auf die Ekliptik. Rot markiert sind meine Messpunkte.
Parallaxenmessung und Entfernungsbestimmung Zur Zeit meiner Asteroidenbeobachtung habe ich im neuen Buch ,,Himmelslichter" [3] des bekannten Astrobloggers und Wissenschaftsjournalisten Jan Hattenbach gelesen. Wir kennen uns seit vielen Jahren aus RWTH und Sternwarte Aachen. Im Buch erwähnt er historische Parallaxenmessungen am Asteroiden (433) Eros - der übrigens auch zu den Amor-Asteroiden zählt. Bestimmt man die äquatorialen Koordinaten von Eros gleichzeitig von verschiedenen, weit entfernten Beobachtungspunkten auf der Erde, tritt der Parallaxeneffekt auf, die beiden beobachteten Positionen sind relativ zu den sehr weit entfernten Fixsternen um einige Bogensekunden gegeneinander verschoben. Daraus kann man zunächst die absolute Entfernung Erde-Asteroid messen. Nun, das wollte ich mit dem Asteroiden (85275) wiederholen. Dazu brauchte ich einen Partner, der in ein paar 1.000 km Entfernung von meinem belgischen Standort aus gleichzeitig den Asteroiden fotografierte. Dieser zweite Amateurastronom war
schnell gefunden: Jan Hattenbach, der derzeit im Ort Puntagorda auf der kanarischen Insel La Palma lebt und arbeitet. Nach ein paar Testmessungen an den vorhergehenden Abenden haben wir am 28.07.2020 einige Fotos quasi gleichzeitig geschossen. Jan hat dazu ein Unistellar eVscope benutzt, seinen Testbericht dazu findet man im Oktoberheft 2020 von ,,Sterne und Weltraum".
Die Abbildung 3 zeigt die Überlagerung von fünf Aufnahmen aus Belgien und einem Foto aus La Palma vom 28. Juli 2020 um 21:25 Uhr UT. Die beiden helleren Sterne links im Bild definieren die Blickrichtung, die Orientierung und den Maßstab des Bildes. Die beiden mit größeren Pfeilen markierten Asteroidenpositionen sind gleichzeitig fotografiert worden. Man erkennt deutlich den Parallaxeneffekt. Der Parallaxenwinkel beträgt = 19,9'' +- 0,6''. Die zu 3% abgeschätzte Unsicherheit kommt durch die begrenzte Genauigkeit der astrometrischen Koordinatenbestimmung sowie durch Unterschiede in den Aufnahmezeitpunkten von einigen Sekunden zustande. Letztere Differenz ist aber nicht kritisch, da die Bewegung des Asteroiden in Rektaszension klein ist, man kann also aus der beobachteten Winkeldifferenz in dieser einen Koordinate fast zeitunabhängig den Parallaxenwinkel bestimmen.
Um den gemessenen Parallaxenwinkel in die absolute Entfernung d des Asteroiden von der Erde zum Messzeitpunkt zu übersetzen, muss der Abstand r der beiden Be-
Journal für Astronomie Nr. 77 | 79
Kleine Planeten
obachter bekannt sein: Diesen kann man aus deren geografischen Koordinaten und dem bekannten mittleren Erdradius zu 3.100 km berechnen. Daraus ergibt sich ein erstes Ergebnis für die gesuchte Entfernung von d r/ = 32,5 Millionen km. Dieser Wert stellt eine obere Schranke dar, er gilt nur dann genau, wenn die Verbindungslinie zwischen den Beobachtern und die Linie Erde-Asteroid senkrecht zueinander stehen, was hier ungefähr, aber nicht exakt gilt. Die Berechnung von d kann auch mit dem Programm FIND_ORB erfolgen, das die Ephemeriden des Asteroiden - basierend auf meiner Bahnmessung - für jeden Beobachtungspunkt auf der Erde berechnen und damit den Parallaxenwinkel vorhersagen kann - als Funktion des Abstandes d. Übereinstimmung mit unserer Messung von erhält man für
dabs = (30,4 +- 1,0) Millionen km.
Diese Methode ist genau und erlaubt auch die Vorhersage des Parallaxenwinkels getrennt für die Koordinaten Rektaszension und Deklination. Die Unsicherheit beträgt wieder 3%, da d umgekehrt proportional zu ist. Diese absolute Abstandsbestimmung
3 Gleichzeitige Beobachtung des Asteroiden (85275) von Puntagorda und von Neu-Mores-
net aus. Die 5 rot markierten Messpunkte sind an diesem Tag von Belgien aus im Zeitabstand von 10 Minuten aufgenommen worden. Überlagert ist ein Asteroidenbild aus La Palma, grün markiert. Da die Brennweite des eVscope kleiner war, musste das Foto hochskaliert werden, dadurch ergibt sich ein etwas größerer Fleck. (Bild: Thomas Hebekker, Jan Hattenbach)
macht keinerlei Annahmen über die Größe der Astronomischen Einheit!
Die Astronomische Einheit Unabhängig von den Beobachtungen von Jan Hattenbach auf La Palma berechnet mir das Programm FIND_ORB ausgehend von meinen vielen Koordinatenmessungen auch den Abstand Erde-Asteroid am Abend des 28.7.2020 in Einheiten der Astronomischen Einheit AE:
drel = 0,2041 AE.
Der Fehler ist vernachlässigbar klein. Durch Gleichsetzen dieser relativen Entfernungsmessung drel mit dem absoluten Wert dabs folgt sofort:
1 AE = (148,9 +- 4,5) Millionen km.
Damit haben Jan und ich die Astronomische Einheit auf 3% genau gemessen!
Fazit Mit einer amateurastronomischen Ausrüstung einschließlich Digitalkamera kann man nicht nur schöne Himmelsfotos aufnehmen, sondern auch viele quantitative Messungen von wichtigen astronomischen Größen machen. Wie wir hoffentlich gezeigt haben, ist auch die notorisch schwierige Messung der absoluten Abstandsskala im Sonnensystem, die die Astronomen über Jahrhunderte herausgefordert hat, kein großes Problem - man muss es nur machen!
Literatur- und Internethinweise (geprüft Dezember 2020): [1] H. Raab: ,,Astrometrica",
www.astrometrica.at [2] B. Gray: "Find_Orb",
www.projectpluto.com/find_orb.htm [3] J. Hattenbach, 2020: ,,Himmelslichter
- Das Beste aus über 10 Jahren"
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UNSPLASH / FERENC HORVATH (UNSPLASH.COM/PHOTOS/SKCFIBU91AA)
Kometen
Bedeutende Kometen des dritten Quartals 2020
von Uwe PIlz
Die große Überraschung des dritten Quartals war der Komet NEOWISE. Hierzu sind bereits Bilderstrecken in unserem Journal erschienen.
Der Komet wurde im März 2020 entdeckt: Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht offenbar, dass er sich zu einer solch großen Erscheinung entwickeln sollte. Anfang April erlebte der Komet aber einen Ausbruch um fünf Größenklassen. Zunächst gab es Bedenken, ob er das Perihel überleben würde, denn die Periheldistanz war mit 0,3 AE recht gering. Ab Anfang Juli war der Komet vom deutschen Sprachraum aus sichtbar, eine Woche später war er ein leichtes Ziel am Morgenhimmel. Er erreichte im Maximum etwa 1 mag. Dieser helle Komet entwickelte zahlreiche interessante Erscheinungen.
1 C/2020 F3 NEOWISE, 18.07.2020, 20:30 UT, Refraktor 105 mm/650 mm, Vergleich
Weißlicht - Natrium-Linienfilter (unten, 53x), Spektrum mit einem Blaze-Gitter (SA 100, 21x). Der Stern im Bild und dessen Spektrum gehören zu Iota UMa (Bild: Uwe Pilz)
Wie in der Bilderstrecke im Heft 75 abgebildet, veränderte sich ein ursprünglich gasreicher Komet zum staubreichen und später wieder zum gasreichen. Das Ausbruchsgeschehen und das sonnennahe Perihel haben also jede Menge Staub freigesetzt.
Außerdem emittierte der Komet viel Natrium, sichtbar mit einfachen Mitteln. Mir gelang der Nachweis sowohl mit einem Blaze-Gitter als auch mit einem Natrium-Linienfilter (Abb. 1). Solche Emissionen sind typisch für sonnennahe Kometen.
2 C/2020 F3 NEOWISE, 06.08.2020, 20:59 UT, Schmidt-Cassegrain 280 mm/2.800 mm,
17,5 min belichtet mit Kamera Canon 700Da bei ISO 800. Komaprofil subtrahiert, kernnahe Strukturen hervorgehoben (Bild: Werner E. Celnik)
Deutlich sichtbar war zudem ein sogenannter Kernschatten, dies ist im Heft 75 gut mit Fotos belegt. Die Ursache liegt in der geringeren Staubemission der sonnenabgewandten Kometenhemisphäre. Werner E. Celnik gelang es später, die kernnahen Strukturen
3 C/2017 T2 PANSTARRS, 27.07.2020,
22:32 UT, Newton 200 mm/570 mm, 5 min belichtet mit CCD-Kamera ATIK 383L (Bild: Stefan Beck)
82 | Journal für Astronomie Nr. 77
Kometen
4 C/2019 U6 Lemmon, 22.07.2020,
21:48 UT, 16-Zoll-Newton (f/3,3), 5 min belichtet mit CMOS-Kamera CDS-5D (Bild: Roland Fichtl)
aufgrund des so genannten RasensprengerEffekts nachzuweisen (Abb. 2). Dies hat dieselbe Ursache - ungleichmäßige Gas- und Staubentwicklung, hier verbunden mit einer Rotation des Kerns.
C/2017 T2 PANSTARRS konnte auch im dritten Quartal weiter beobachtet werden. Die Helligkeit betrug Anfang Juli noch 9,5 mag, sank aber im Laufe des Berichtszeitraumes rasch ab. Außerdem verschlechterten sich die Sichtbarkeitsbedingungen. Die Abbildung 3 zeigt den Kometen Ende Juli, seinerzeit 10,5 mag hell. C/2019 U6 Lemmon durchlief Mitte Juni sein Perihel und
war im Juli noch ein Fernglaskomet. Roland Fichtl fotografierte ihn Ende des Monats (Abb. 4), zwei Tage später habe ich ihn im 7-cm-Fernglas beobachtet. Allerdings stand er nicht allzu hoch am Abendhimmel. Mitte August gab es noch einmal einen
kleinen Helligkeitsausbruch um eine halbe Größenklasse. Dennoch sank die Helligkeit auch dieses Kometen rasch ab, so dass die Sichtbarkeitsperiode dem Ende entgegenging.
Wiederentdeckungen von Kometen
- weltweit am erfolgreichsten
von Erwin Schwab
Nachdem ein Komet entdeckt wurde, wird er nach einer Weile so lichtschwach, dass über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg keine Beobachtung mehr möglich ist. Die Wiederentdeckung des Kometen steigert dann die Genauigkeit der Bahnberechnung enorm und führt direkt zu dessen endgültiger Nummerierung. Im Gegensatz zu den Kleinplaneten, die in vielen Oppositionen vermessen werden müssen, bevor deren Nummerierung erfolgt, erhalten die periodischen Kometen diese sofort nach ihrer Wiederentdeckung. Aktuell ist man bei der Kometen-Nummer 402P angekommen (Stand 23.10.2020).
Bei der Planung einer Wiederentdeckung ist es wichtig, dass man sich zunächst Klarheit verschafft über die Ephemeriden-Ungenauigkeitsregion der Kometenbahn. Entweder man berechnet selbst mittels der Bahnberechnungssoftware FIND_ORB [1] die Ephemeriden einschließlich deren Fehler oder man verwendet den Online-Service der NASA-JPL [2]. Die zwei wichtigsten
Parameter zur Beschreibung der Ungenauigkeitsregion sind die große Halbachse der Fehlerellipse (beim NASA-JPL-Service als SMAA_3sig bezeichnet) und die Orientierung dieser Fehlerellipse am Firmament (beim NASA-JPL-Service als Theta bezeichnet). Der Fehler wird im 3-Sigma Bereich angegeben, was bedeutet, dass man mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,7% das Objekt wiederfindet, wenn es gelingt, die betreffende Himmelsregion bei der Suche komplett abzudecken. Dies setzt voraus, dass der Komet so hell ist wie prognostiziert und man
1 Weltweite Kometen-Wiederent-
deckungen seit 2014. Berücksichtigt sind die Kometen mit der Nummer 296P bis 402P. (Grafik Erwin Schwab, vgl. auch Tab. 1)
mit seinem Instrumentarium auch diese Helligkeit erreicht. Falls die große Halbachse der Fehlerellipse länger ist als die Größe des Gesichtsfeldes, müssen zur Abdeckung mehrere Suchfelder entlang dieser Ungenauigkeitsregion fotografiert werden. Die Erscheinungsform der Kometen ist bei deren Wiederentdeckung meist sehr unspektakulär. Oftmals ist weder ein Schweif noch eine Koma zu erkennen. Deshalb ist eine Kontrolle mittels einer neuen Bahnberechnung unerlässlich. Dazu lädt man die bereits bekannten Positionsmessungen von
Journal für Astronomie Nr. 77 | 83
Kometen
2 Komet 76P/West-Kohoutek-Ikemura 30. August 2019.
Instrument: 0,8-m-Schmidt-Teleskop, Überlagerung von 5 Aufnahmen mit je 10 Minuten Belichtungszeit (Erwin Schwab, finanziert durch die ESA).
der Datenbank des Minor Planet Centers [3] herunter, ergänzt diese mit den eigenen Messungen und bestimmt mit der Software FIND_ORB [1] die neue Bahn. Sind die Residuals der eigenen Positionsmessungen unter 1,5'', dann hat man zweifelsfrei das richtige Objekt erwischt.
Meine erste Wiederentdeckung eines Kometen habe ich im Jahr 2014 für das 1-m-Teleskop auf dem Teide-Observatorium der European Space Agency Optical Ground Station (ESA OGS) geplant und ausgewertet. Seit Dezember 2016 habe ich zusätzlich die Möglichkeit, am 0,8-mSchmidt-Teleskop des Calar-Alto-Observatoriums ferngesteuert zu beobachten. Ursprünglich befand sich dieses Instrument auf der Sternwarte Hamburg-Bergedorf. Die Benutzung beider Teleskope wird von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) finanziert. Über einige meiner Kometen-Wiederentdeckungen habe ich bereits im VdS-Journal für Astronomie berichtet [4, 5]. Seit 2014 wurden im Rahmen des ESA-Projekts 25 Kometen wiederentdeckt, wovon 23 auf mein Konto gehen.
Eine ESA-Wiederentdeckung geschah zufällig mit dem TOTAS-Survey und eine andere war das Resultat einer gezielten Suche des ESA-Mitarbeiters Marco Micheli. Das Projekt ist mit dieser Kometen-Wiederentdeckungsrate inzwischen weltweit das erfolgreichste, ganz knapp vor dem PanSTARRS-Survey (s. Abb. 1 sowie die dazugehörige Tab. 1). Wurde der Komet bereits vor seiner Wiederkehr auf Archivfotos gefunden (precovery), dann gibt es für dieses Objekt keine Wiederentdeckungs-Beobachtung, denn die Nummerierung des Kometen erfolgte aufgrund des Archivfundes. Das erklärt die Diskrepanz zwischen der Summe 101 in der Tabelle und der Differenz der Kometen-Nummerierungen 296402=106. Es wurden also 5 Kometen nummeriert aufgrund von precovery-Funden in den Archiven.
Während meine Funde alle auf gezielter Suche basieren, waren die des PanSTARRSSurveys alle zufällig. An dieser Stelle sollte ich bemerken, dass die Kometen-Wiederentdeckungskampagnen des ESA-Projekts einen niedrigen Stellenwert haben - es sind
nur Lückenfüller, wenn gerade kein gefährlicher Kleinplanet beobachtet werden muss. Abgesehen vom PanSTARRS-Survey sind die erfolgreichsten Kometen-Wiederentdecker der letzten sieben Jahre die Amateurastronomen Krisztian Sarneczky (Ungarn), Hidetaka Sato (Japan) sowie ich selbst. Zusammen kommen diese drei Amateure auf 46% der Kometen-Wiederentdeckungen.
Eine Kometen-Wiederentdeckung wird in elektronischer Form, durch das Central Bureau for Electronic Telegrams (CBET), einer Abteilung der IAU, veröffentlicht [6]. In der Tabelle 2 sind die 23 Kometen aufgelistet, die ich wiederentdeckt habe. In Spalte CBET# steht die Nummer der Wiederentdeckungs-Veröffentlichung. Erwähnenswert ist, dass bei über der Hälfte der Funde kein Schweif oder Koma sichtbar war. Die Helligkeiten lagen im Bereich von 18,8 mag bis 22,0 mag.
Sogar in Fachkreisen wird manchmal eine Wiederentdeckung als solche bezeichnet, selbst wenn es keine Wiederentdeckung ist. Hat ein Komet bereits eine endgültige Num-
Tabelle 1
Weltweite Kometen-Wiederentdeckungen seit 2014 (von Kometen-Nummer 296P bis 402P)
Sternwarten (obscodes)
Anzahl
%
ESA OGS & Calar Alto Schmidt (J04+Z84)
25
24,8
PanSTARRS I (F51)
23
22,8
Konkoly Obs. (461)
15
14,9
iTelescopes (Q62+H06)
8
7,9
Catalina- & Lemmon Survey (G96+703)
8
7,9
Spacewatch I+II (291+691)
4
4,0
Pierre Auger Obs. (I47)
2
2,0
Sonstige mit je einer Wiederentdeckung
16
15,8
Summe
101
erfolgr. Beobachter (Anzahl)
Erwin Schwab (23) PanSTARRS Survey (21) Krisztian Sarneczky (15) Hidetaka Sato (8) D. Carson Fuls (3) James V. Scotti (3) Martin Masek (2)
In der letzten Spalte ist der Beobachter der betreffenden Sternwarte angegeben, der die meisten Wiederentdeckungen innehat, mit deren Anzahl. Daten aus CBET [6] und Comet Catalog von Seiichi Yoshida [7]
84 | Journal für Astronomie Nr. 77
Tabelle 2
Meine eigenen Kometen-Wiederentdeckungen, Sternwarten-Code: ESA OGS (J04), Calar Alto Schmidt (Z84)
Kometen-Name
Num
Datum
Stw. code
CBET #
Schweif
P/2003 U3 (NEAT)
303P
2014 06 01
J04
P/1997 T3 (Lagerkvist-Carsenty) 308P
2014 07 29
J04
P/2001 F1 (NEAT)
334P
2016 01 10
J04
P/2008 Y2 (Gibbs)
335P
2016 01 10
J04
P/2010 N1 (WISE)
337P
2016 06 05
J04
P/2008 J3 (McNAUGHT)
338P
2016 07 02
J04
P/2004 T1 (LINEAR-NEAT)
355P
2017 06 21
J04
P/2010 P4 (WISE)
360P
2017 09 20
J04
P/2011 VJ5 (LEMMON)
363P
2017 11 19
J04
P/2013 CU129 (PANSTARRS)
364P
2018 01 16
Z84
P/2005 JN (SPACEWATCH)
366P
2018 03 17
J04
P/2011 CR42 (CATALINA)
367P
2018 04 17
Z84
P/2005 R1 (NEAT)
368P
2018 06 13
J04
P/2010 A1 (Hill)
369P
2018 08 10
J04
P/2001 T3 (NEAT)
370P
2018 08 10
J04
P/2001 R6 (LINEAR-Skiff)
371P
2018 09 07
J04
P/2005 GF8 (LONEOS)
376P
2018 12 04
J04
P/2003 L1 (Scotti)
377P
2019 03 09
J04
P/2005 Y2 (McNAUGHT)
378P
2019 03 10
J04
P/2007 R1 (LARSON)
382P
2019 05 29
Z84
P/2005 JD108 (Catalina-NEAT)
395P
2020 04 26
J04
P/2002 T5 (LINEAR)
402P
2020 08 18
Z84
P/2006 H1 (McNaught)
401P
2020 09 11
Z84
3887
15''-20''
3925
Kein
4237
10''
4253
10''
4283
Kein
4288
15''
4406
10''
4429
Kein
4455
Kein
4474
Kein
4497
Kein
4510
Kein
4526
10''
4538
15''
4539
10''
4552
Kein
4581
Kein
4612
10''
4613
Kein
4635
Kein
4758
Kein
4835
5''
4847
10''
Kometen
Mag
19,6 20,1 19,8 19,9 18,8 19,0 19,5 19,4 20,3 20,3 20,1 21,0 19,4 19,0 18,9 19,8 20,5 20,3 22,0 21,9 20,6 19,7 20,3
merierung und gehört nicht zu den langperiodischen Kometen, dann ist die Erstsichtung in einer seiner kommenden Erdannäherungen keine Wiederentdeckung mehr. Wenn ein kurzperiodischer Komet bei seiner x-ten Wiederkehr beobachtet wird, dann ist das keine Wiederentdeckung. Bei den Kleinplaneten ist es ebenso, dass eine Beobachtung in der dritten, vierten, fünften usw. Opposition keine Wiederentdeckung ist, sondern ausschließlich die Beobachtung in der zweiten Opposition.
Mein Lieblingsfund zählt deshalb leider auch nicht als Wiederentdeckung. Den Kometen 76P/West-Kohoutek-Ikemura hatte ich bei seiner siebten Wiederkehr als erster
fotografiert und gemeldet, siehe die Abbildung 2 vom 30. August 2019. Benutzt hatte ich dafür das 0,8-m-Schmidt-Teleskop am Calar-Alto-Observatorium. Dabei handelt es sich um das gleiche Teleskop, an dem Lubos Kohoutek den Kometen am 27. Februar 1975 entdeckt hatte! Damals befand sich das Fernrohr noch auf der Sternwarte Hamburg-Bergedorf.
Literatur- und Internethinweise (geprüft 10.12.2020): [1] FIND_ORB: www.projectpluto.com/
find_orb.htm [2] NASA-JPL HORIZONS, Web-Interface:
https://ssd.jpl.nasa.gov/horizons.cgi
[3] MPC-Database: www.minorplanetcenter. net/db_search
[4] E. Schwab, 2017: ,,Wiederentdeckung des Kometen P/2010 (WISE) - ein Puzzle wird zusammengefügt", VdS-Journal für Astronomie 60, 63
[5] E. Schwab, 2018: ,,NEOs und Kometen mit dem Hamburger-SchmidtTeleskop auf dem Calar Alto", VdSJournal für Astronomie 67, 76
[6] CBET: www.cbat.eps.harvard.edu/ cbet/RecentCBETs.html
[7] Comet Catalog von Seiichi Yoshida: www.aerith.net/comet/catalog/indexperiodic.html
Journal für Astronomie Nr. 77 | 85
Kometen
Die Spiralstruktur in der inneren Koma von Komet C/2020 F3 (NEOWISE )
-Teil 1: Auswertung Rotationsdauer, Geschwindigkeiten in der Koma, Achsenorientierung
von Werner E. Celnik und Ulrich Teschke
Die Beobachtung und Fotografie heller Kometen erschöpft sich nicht in der Verfolgung der Komahelligkeiten und den Aufnahmen prächtiger Gas- und Staubschweife [1, 2], es lohnt sich auch, einmal genauer in die Details zu gehen und das Innere der Kometenkoma zu erkunden.
In den beiden letzten Heften des VdS-Journals für Astronomie war C/2020 F3 NEOWISE bereits Thema. Es gab zwei Bilderstrecken [3, 4], und Rudolf A. Hillebrecht beschrieb seine Beobachtungen und Auswertungen kernnaher Strukturen [5].
Unabhängig von Rudolf fotografierten auch wir mit unseren kleineren Instrumenten den Kometen mit Augenmerk auf die Strukturen in der Koma an verschiedenen Tagen (vgl. Tab. 1).
Zum Verständnis der geometrischen Perspektive im Sonnensystem, unter der wir den Kometen im betreffenden Zeitraum gesehen haben, soll die Abbildung 1 dienen. Er stand hoch nördlich der Ekliptik und westlich der Sonne. Er bewegte sich nach Westen fast parallel zur Ekliptik. Eine
1 Anordnung des
Kometen relativ zu Sonne und Erde am 22.07.2020. Der Komet steht hoch über der Ekliptik und etwas westlich der Sonne. Darstellung mit CELESTIA [10, 11]. (Bild: U. Teschke)
2 2020 F3 (NEOWISE) am 11.07.2020
um 00:36 UT, Aufnahmen mit Teleobjektiv 1:2,8/200 mm und 2-fach Telekonverter, Arbeitsblende 7,1, Kamera Canon 700Da, Filter GG 495, ISO 100, Belichtung 20 x 2 s, Ausschnitt 3,7' x 3,7'. a) Colorbild, leicht geschärft, b) nach Anwendung radialer Weichzeichner strahlenförmig, c) nach Anwendung radialer Weichzeichner kreisförmig, d) Falschfarbenkomposit aus c (R-Kanal), a (G-Kanal), b (B-Kanal). Norden oben. (Bild: W. E. Celnik)
86 | Journal für Astronomie Nr. 77
Kometen
Animation zu diesem Bild sowie die Kometenparameter sind unter [6] zu finden.
11. Juli 2020 Da der Komet nach dem Dunkelwerden recht tief am Nordhimmel stand, beobachtete Werner mit ,,ganz kleiner" Ausrüstung mobil an einem Standort in der Hocheifel mit freiem Blick auf den Nord-Horizont. Bei einer Horizonthöhe von 5,6 Grad entstand mit einem Teleobjektiv bei 400 mm Brennweite und Gelbfilter GG 495 (zur Reduzierung des atmosphärischen Spektrums) eine Aufnahmeserie von 20 x 2 s Belichtung. Nachgeführt wurde automatisch mit der Reisemontierung ,,Star Adventurer". Als Kamera kam eine Canon 700Da zum Einsatz.
In der Abbildung 2 (Norden ist oben, Richtung zur Sonne links unten) sind die Ergebnisse der Bearbeitung des Summenbildes zusammengefasst. Oben links das leicht geschärfte Summenbild. Der Ansatz des Staubschweifes ist abgebildet, ein blauer Gasschweif fehlt, da ein Gelbfilter verwendet wurde. Man erkennt bereits hier die spiralförmige Struktur in der inneren Koma. Dieses Bild wurde entsprechend der weiter unten beschriebenen Prozedur (Absatz ,,Bearbeitungsverfahren" für den 31.07.2020) weiterbearbeitet. Hier nur kurz: Oben rechts wurde der ,,radiale Weichzeichner" in Photoshop verwendet
3 2020 F3 (NEOWISE) am 21.07.2020, links 21:53-22:49, rechts 22:56-23:07 UT.
Aufnahme mit 200-mm-Newton-Teleskop (f/4) in der Sonsbecker Schweiz am Niederrhein, Kamera Pentax K5. Links 96 x 30 s, rechts 66 x 5 s belichtet, jeweils ISO 800. Das Koma-Bild rechts wurde durch unscharfe Maskierungen bearbeitet. Norden oben. (Bild: U. Teschke)
und das weichgezeichnete Bild vom Original subtrahiert. In der Variante ,,strahlenförmig" betont der Filter kreisförmige Strukturen. Die Spirale erscheint nun sehr deutlich. Unten rechts wurde der radiale Weichzeichner in der Variante ,,kreisförmig" verwendet. Diese Variante betont radial verlaufende Strukturen. Interessant ist der Licht-,,Fächer", der aus einer Art ,,Jet" vom (immer noch überbelichteten) False Nucleus ausgeht und mit einem Öffnungswinkel von ca. 90 Grad im Bild nach rechts (Westen) zeigt und direkt in den Ansatz des Staubschweifes mündet. Unten links zeigt ein Falschfarbenbild die Überlagerung der drei anderen Bilder. Willkürlich wurden zugeordnet: das Bild aus kreisförmigem Weichzeichner dem R-Kanal, die Coloraufnahme dem G-Kanal, das Bild aus strahlenförmigem Weichzeichner dem B-Kanal.
Hier scheinen zwei Arten von Materieauswurf beobachtet zu werden: ein diffus-fächerförmiger und ein räumlich auf der Kernoberfläche enger begrenzter Ausstoß, der sich in der Spirale äußert, weil sich der Kern unter der ausgestoßenen Materie wegdreht, und zwar hier im Bild entgegen dem Uhrzeigersinn. Dies ist nun unsere Annahme bei den folgenden Auswertungen.
21. Juli 2020 Und wieder hieß es ,,Rausfahren", um den mit 13,3 Grad Horizonthöhe immer noch tief stehenden Kometen zu erwischen. Ulrich beobachtete mit seinem 200-mm-NewtonTeleskop (f/4) in der Sonsbecker Schweiz am Niederrhein. Er belichtete für den Schweif 96 x 30 s und für die innere Koma 66 x 5 s. Die Abbildung 3 zeigt einen Bildausschnitt der Summenbilder, links der
Tabelle 1
Daten der hier diskutierten Beobachtungen
Datum
UT Instrument Brennweite f / D [mm]
Kamera
Pixelgröße Kom.-Distanz
Maßstab
Filter Beobachter Ort
[m]
[Mio km] [''/px] / [km/px] / [km/'']
7/11/20 00:36 Teleobjektiv 400 7,1 Canon 700Da 4,31 134,23 2,22 1.446 650 GG 495 Celnik Eifel
7/21/20 23:02 Newton
800 4,0 Pentax K5
4,77 103,76 1,24 624 503 - Teschke Sonsbeck
7/31/20 21:19 C 11
2.800 10,0 Canon 700Da 4,31 118,28 0,32 182 570 GG 495 Celnik Rheinberg
8/6/20 20:59 C 11
2.800 10,0 Canon 700Da 4,31 139,80 0,32 215 675 - Celnik Rheinberg
Journal für Astronomie Nr. 77 | 87
Kometen
Schweif, rechts die Koma. Das Koma-Bild wurde 2-mal mit einem Hochpass-Filter und 1-mal mit einer radial weichgezeichneten Maske bearbeitet, die kreisförmige Strukturen betont.
4 Ausschnitt 1,6' x 1,6' aus Abb. 3, links: 22:56 UT, rechts: 23:05 UT. Oben: Polarkoordinaten
um den Mittelpunkt (Helligkeitsschwerpunkt) des False Nucleus. Unten: Umwandlung der Polarkoordinaten mit den eingezeichneten Markierungen zurück in kartesische Koordinaten. Das Achsenkreuz gibt die vier Himmelsrichtungen an. Norden oben. (Bild: U. Teschke)
Markant erscheint der überbelichtete ,,False Nucleus" sowie ein fächerförmiger, bläulicher Materieauswurf im Winkelbereich zwischen 9 und 1 Uhr. Dieser Fächer umspannt einen größeren Winkelbereich als die Strahlen des Gasschweifes in antisolarer Richtung (links oben), die im Bild bis etwa 30'' an den False Nucleus heranreichen. Am überbelichteten False Nucleus erhebt sich als eine Art ,,Hotspot", eine Deformation in Richtung 10-11 Uhr, von der der Fächer auszugehen scheint. Möglicherweise befindet sich in diesem Winkelbereich die aktive Quelle auf dem Kern. Aus dem blauen Fächer scheint ein gelblicher, spiralförmiger Lichtbogen herauszukommen, dessen genauerer Ursprung sich aus diesem Bild nicht ableiten lässt. Unsere Annahme ist hier, dass vor allem eine einzelne Quelle auf dem Kometenkern aktiv ist und sich unter dem ausgestoßenen Materiestrahl wegdreht.
66 Einzelbilder wurden aufgenommen. Wir betrachten im Folgenden nur die ersten 12 und die letzten 12 Einzelbilder, die im zeitlichen Mittelwert auf 22:56 (links in Abb. 4) und 23:05 Uhr UT (rechts in Abb. 4) zu datieren sind. Beide 12-Bilder-Stacks wurden folgendermaßen identisch in Photoshop bearbeitet:
88 | Journal für Astronomie Nr. 77
5 Obere Reihe: Kartesisches Bild, Spirale
um 32 Grad in N-S geneigt und um 8 Grad im Uhrzeigersinn gedreht. Untere Reihe: Umwandlung in Polarkoordinaten: Eine geneigte Spirale ergibt eine Wellenlinie. (Bild: U.Teschke)
Kometen
- Umwandlung der auf den False Nucleus zentrierten Bildausschnitte von kartesischen in Polarkoordinaten (oben in Abb. 4), d. h. von rechts nach links aufgetragen ist der Winkel von 0 Grad bis 360 Grad um den False Nucleus herum (Achsennullpunkt beliebig), von oben nach unten aufgetragen ist der Abstand von der Mitte des False Nucleus.
- Markierung des oben beschriebenen Hotspots durch eine senkrechte Linie oben in Abb. 4 (Polarkoordinaten), dort, wo der Rand des False Nucleus am weitesten nach unten reicht.
- Die diskutierte Spirale erscheint nun als heller Streifen im Polarkoordinatenbild und wird näherungsweise mit einer diagonalen Linie markiert.
- Rückumwandlung der Polarkoordinaten in kartesische Koordinaten (unten in Abb. 4). Die Linien werden mit transformiert. Die radiale Linie markiert die Richtung des Hotspots und die gewundene Linie markiert die Spirale. Wird eine Gerade im Polarkoordinatenbild in kartesische Koordinaten umgewandelt, wird sie zu einer idealen Spirale in Draufsicht, die senkrecht um die Sichtlinie zum Kometen gewickelt ist. Der Fit ist jedoch noch nicht ideal. Ein in O-W und N-S orientiertes Achsenkreuz wird als Hilfslinien eingezeichnet.
- Die Spirale wird symmetrisch zur roten Achse kleiner skaliert, was räumlich betrachtet einer Neigung der Spirale um diese Achse entspricht. Die Skalierung beträgt 1: 0,85, was einem Neigungswinkel gegen die Sichtlinie von arccos 0,85 = 32 Grad entspricht.
- Zusätzlich wird die geneigte Spirale mit dem Achsenkreuz zusammen gedreht, bis eine bestmögliche Übereinstimmung mit dem Foto erreicht wird. Dies entspricht dem Positionswinkel, in dem die geneigte Spirale orientiert ist, und damit der Richtung der kleinen Achse der ge-
6 Links: Überlagerung der beiden zeitlich verschobenen Bilder der Spirale um 22:56 und
23:05 UT. Rechts: dasselbe in Polarkoordinaten. Man erkennt die Rotation und Ausdehnung der Spirale in nur neun Minuten. Der Pfeil zeigt in Richtung Sonne. (Bild: U.Teschke)
neigten Spirale. Das Ergebnis von Neigung und Drehung zeigt die obere Bildreihe in der Abbildung 5. Die Fehlerabschätzung ergibt für die Neigung 32 Grad +- 5 Grad und für die Drehung den Positionswinkel 172 Grad +- 4 Grad . - Verwandelt man die geneigte Spirale wieder in Polarkoordinaten, ergibt sich eine Wellenlinie, die nun deutlich besser zum Verlauf der Aufhellung passt (untere Reihe in Abb. 5). Die Koordinatenachsen wurden, genauso wie die Markierung der Hotspots, in senkrechte Linien umgewandelt. - In der Abbildung 6 wurden die beiden zeitlich verschobenen Bilder übereinander gelegt, violett steht für 22:56 UT und gelb für 23:05 UT, der gelbe Pfeil zeigt Richtung Sonne. Die rechte Abbildung in Polarkoordinaten eignet sich besonders zum Vermessen, radiale Messungen erfolgen genau senkrecht und Winkelmessungen erfolgen waagerecht.
In der Abbildung 6 lassen sich nun ablesen bzw. messen:
Rotationsrichtung Der Jet und damit höchstwahrscheinlich auch der Kometenkern haben sich gegen den Uhrzeigersinn weitergedreht. Aufgrund der Drehrichtung ist uns also die nördliche Hemisphäre zugewandt.
Rotationsperiode Der Winkel zwischen der violetten (22:56 UT) und der gelben Linie (23:05 UT) beträgt 7,1 Grad +- 1,8 Grad . Der Komet scheint sich also in 9,0 Minuten um ca. 7,1 Grad weitergedreht zu haben. Daraus ergibt sich eine Rotationsperiode von (7,6 +2,6/-1,6) Stunden. Die Drehung eines solchen Jets mit Aufnahmen des Hubble Space Telecopes ist in einer Animation in [7] zu sehen.
Ausdehnungsgeschwindigkeit Die Ausdehnung der Spirale lässt sich im Polarkoordinatenbild (rechts in Abb. 6) durch den senkrechten Abstand der violetten und gelben Wellenlinien messen. Misst man entlang der roten Neigungsachse, so erhält man ein Ergebnis ohne Verzerrung durch die Neigung der Spirale. Innerhalb des Zeitraums zwischen den beiden Bildserien hat sich die Spirale um 4,7'' +- 2'' pro Stunde vom False Nucleus weg weiter nach außen bewegt. Das entspricht bei der Kometenentfernung von 103,76 Mio. km einer radialen Ausdehnungsgeschwindigkeit von (0,65 +- 0,28) km/s. Der Fehler ist relativ groß, weil die Aufnahmebrennweite relativ klein und das betrachtete Zeitintervall extrem gering sind.
31. Juli 2020 An diesem Abend stand der Komet mit knapp 24 Grad Horizonthöhe hoch genug, um mit fest aufgestellten Instrumenten von
Journal für Astronomie Nr. 77 | 89
Kometen
In (7) wurde das Differenzbild (5) mit dem Kombi-Bild aus (6) kombiniert, um die Kombination der hellen Strukturen radial und tangential besser sichtbar zu machen.
7 Aufnahme von C/2020 F3 (NEOWISE) am 31.07.2020 um 21:25 UT (20:30-22:20),
Instrument: C11 280 mm / 2.800 mm bei f/10, Kamera: Canon 700Da, Gelbfilter GG 495, 101 x 20 s belichtet, ISO 400. Norden oben. Ort: Rheinberg. (Bild: W. E. Celnik)
Zur Verdeutlichung der Größenverhältnisse wurde die mit dem C11 aufgenommene und bearbeitete Detailaufnahme der inneren Koma im korrekten Maßstab der Farbaufnahme mit dem Refraktor überlagert (Abb. 9).
Rheinberg aus erreicht werden zu können. Werner beobachtete parallel an zwei Instrumenten, einem 150-mm-Apo-Refraktor von Takahashi mit 1.100 mm Brennweite und einem C11 280 mm/2.800 mm (f/10). Am Refraktor wurden mit einer Canon 5D MkII Übersichtsaufnahmen gewonnen (Abb. 9), am langbrennweitigeren C11 diente eine Canon 700Da mit ihren kleineren Pixeln für Detailaufnahmen der Koma mit einem GG495-Filter (vgl. Tab. 1). Hiermit wurden im Zeitraum von 20:30 bis 22:20 UT 101 auf den Kometen nachgeführte Aufnahmen mit je 20 s Belichtung gewonnen. Die Einstellung des Fokus wurde zwischendurch zweimal überprüft, was die Lücken in den Sternspuren im Ergebnisbild erklärt. Nach dem pixelgenauen manuellen Stacking in Photoshop-Ebenen entstand das Graustufenbild in Abbildung 7.
Bearbeitungsverfahren Die weitere Bearbeitungsprozedur in Photoshop wird in der Abbildung 8 dokumentiert. Der Bildausschnitt wurde so gewählt, dass der False Nucleus exakt in der Bildmitte platziert ist (Teilbild 1), das Feld wurde aber möglichst gering beschnitten.
Dieses Original (1) wurde dupliziert und mit dem Filter ,,radialer Weichzeichner - strahlenförmig" behandelt. Damit werden Pixel radial von der Bildmitte ausgehend
geglättet. Das Resultat in (2) zeigt demnach das Helligkeitsprofil der Koma, geglättet in radialer Richtung. Dieses Profil wurde nun mit der Funktion ,,Bildberechnungen - Mischmodus subtrahieren, Versatz +80" vom Original (1) subtrahiert. Das Differenzbild in (4) zeigt die Abweichungen im Originalbild (1) vom mittleren Profilbild (2), durch die radiale Weichzeichnung werden kreis- und bogenförmige Strukturen in der Koma hervorgehoben. Eine spiralförmige Struktur wird deutlich. In (6) wurde das Differenzbild mit dem Originalbild kombiniert, um die hellen Strukturen besser sichtbar zu machen.
Parallel dazu wurde ein Duplikat des Originals (1) mit dem Filter ,,radialer Weichzeichner - kreisförmig" behandelt. Damit werden Pixel in konzentrischen Ringen um die Bildmitte geglättet. Das Resultat in (3) zeigt demnach das Helligkeitsprofil der Koma, geglättet in tangentialer Richtung. Dieses Profil wurde nun mit der Funktion ,,Bildberechnungen - Mischmodus subtrahieren, Versatz +40" vom Original (1) subtrahiert. Dass Differenzbild in (5) zeigt die Abweichungen im Originalbild (1) vom mittleren Profilbild (3), durch die Weichzeichnung in konzentrischen Ringen werden radiale Strukturen in der Koma hervorgehoben. Vor allem der Ansatz des Schweifes direkt am False Nucleus wird deutlich.
Zeitliche Veränderungen Zur Prüfung auf zeitliche Änderungen wurde das Sample von 101 Einzelbildern in drei Serien zu je 30 Einzelbildern aufgeteilt, Serie 1 am Anfang (20:40 UT), Serie 2 in der zeitlichen Mitte (21:19 UT), Serie 3 am Ende (22:09 UT) der Beobachtungen. Für jede Serie wurde das oben beschriebene Verfahren erneut angewandt. Die zeitliche Abfolge ist in der 1. Bildspalte der Abbildung 10 dargestellt. Deutlich ist zu erkennen, dass sich die Spirale in Struktur und Ausdehnung zeitlich verändert: Die Spirale vergrößert ihren Radius und ihr äußerer Rand wird immer diffuser. Letzteres wird auch durch die immer weiter schrumpfende Horizonthöhe des Kometen beeinflusst (Transparenz, Luftruhe). Weiterhin fällt auf, dass die Spirale eine ,,elliptische" Form aufweist. Die Spirale kann über zwei Windungen hinweg beobachtet werden.
In der zweiten Bildspalte sind an die Aufnahmen angepasste Spiralen dargestellt. Wie die oben für die Aufnahmen am 21.07. beschriebenen Verfahren wurde eine ,,ideale, kreisförmige" Spirale durch Neigung (hier in O-W-Richtung) und Drehung um die Sichtlinie so lange an die Aufnahme 1 von 20:40 UT angepasst, bis sie die beobachteten Windungen des Bogens im Foto bestmöglich beschreibt. Die Neigung beträgt dann 30 Grad , der Positionswinkel der Drehung 230 Grad . Die violette Linie des dar-
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Kometen
8 Dokumentation des Maskierungsverfahrens zur Ausarbeitung
der Feinstrukturen in der Kometenkoma. Details s. Text. (Bild: W. E. Celnik)
gestellten Achsenkreuzes stellt die Linie dar, um die die Spirale geneigt wurde. Die gelbe, dazu senkrechte Linie (kleine Achse der nun ,,elliptischen" Spirale) wird als Rotationsachse des Kerns interpretiert, unter der Annahme, dass die Spirale in der Äquatorebene des Kerns liegt.
Für die Anpassung dieser Spirale an die beiden zeitlich nachfolgenden Aufnahmen wurde der von Drahus et al. ermittelte Wert für die Rotationsperiode von 7,58 Stunden [8] verwendet. Unter der Annahme, dass sich die Spirale wie der Kern im Zeitraum von Aufnahme 1 (20:40 UT) bis Aufnahme 2 (21:19 UT) um den Winkel von 30,9 Grad entgegen dem Uhrzeigersinn weitergedreht hat, sollte die nach außen hin immer größer werdende Spirale die beobachtete Vergrößerung des Radius beschreiben. Die ideale Spirale aus Aufnahme 1 wurde dann um den Rotationswinkel von -30,9 Grad gedreht
und danach wurden die gleiche Neigung und Drehung erneut angewandt. Das Ergebnis wurde dann bei gleich bleibender Größe auf die Aufnahme 2 um 21:19 UT gelegt (Abb. 10, 2. Bildreihe, Spalte 2). Dieses Bild in kartesischen Koordinaten wurde wie bei dem Bild in Reihe 1 in Polarkoordinaten mit dreifacher Wiederholung umgewandelt (Bildspalte 3). Das gedrehte Achsenkreuz aus Spalte 2 taucht im Polarkoordinatenbild als Folge senkrechter Linien auf. Für das dritte Bild um 22:09 UT wurde analog verfahren, nur beträgt hier der rotationsbedingte Drehwinkel bezogen auf die Zeitdifferenz zur ersten Aufnahme jetzt 70,4 Grad . Man erkennt deutlich, dass sich die Spirale gut an die Ausdehnung anpasst.
Ausdehnungsgeschwindigkeit In den drei Polarkoordinatenbildern wurden die Radien der beiden Spiralwindungen in Richtung der gelben Neigungsach-
se, also bei den Positionswinkeln 320 Grad (ca. NW) und 140 Grad (ca. SO) vermessen, diese Pixelabstände erst in Bogensekunden und dann entspr. der Tabelle 1 in für die Kometenentfernung gültige lineare Radien umgerechnet.
In der Grafik in Abbildung 11 ist die zeitliche Veränderung dargestellt. Die Steigung der Geraden in der Grafik zeigt die Ausdehnungsgeschwindigkeit an. Im Mittel strebt die Materie in der Spirale mit (0,56 +- 0,05) km/s vom Kometenkern weg. Dieser Wert passt gut zum Wert, der für die Beobachtungen am 21.07. abgeleitet wurde: (0,6 +- 0,3) km/s, ist aber wegen der höheren Auflösung und des längeren Zeitintervalls nun viel genauer. In [9] ist eine Animation der Ausdehnung gezeigt.
Im 2. Teil des Beitrags werden wir die Beobachtungen am 06.08.2020 vorstellen sowie
Journal für Astronomie Nr. 77 | 91
Kometen
die daraus abgeleiteten Geschwindigkeiten. Zusätzlich ermitteln wir aus der Summe unserer Beobachtungen eine genauere Lage der Rotationsachse des Kometenkerns im Raum. Am Schluss werden wir unsere Ergebnisse mit den in der Fachliteratur publizierten vergleichen.
9 C/2020 F3 (NEOWISE) am 31.07.2020 um 21:07 UT, aufgenommen mit Refraktor
150 mm/1.100 mm, Kamera: Canon 5D MkII, Belichtung ohne Filter 38 x 45 s bei ISO 400. Zur Verdeutlichung der Größenverhältnisse wurde die mit dem C11 aufgenommene und bearbeitete Detailaufnahme der inneren Koma im korrekten Maßstab überlagert. (Bild: W. E. Celnik)
Literatur- und Internethinweise (geprüft Dez. 2020): [1] A. Kammerer, 2020: ,,Kometen-Aus-
wertungen, C/2020 F3 NEOWISE", VdS-Fachgruppe Kometen, https:// fg-kometen.vdsastro.de/koj_2020/ c2020f3/20f3_aus.htm [2] VdS-Fachgruppe Kometen, Homepage: http://fg-kometen.vdsastro.de/ [3] U. Pilz (Ed.), 2020: ,,Komet C/2020 F3 (NEOWISE)", VdS-Journal für Astronomie 75 (4/2020), S. 112-117 [4] W. E. Celnik (Ed.), 2021: ,,Komet C/2020 F3 (NEOWISE), die VdSBilders trecke", VdS-Journal für Astronomie 76 (1/2021), S. 144-156
1 0 Zeitliche Veränderungen in den Details der inneren Koma am 31.07.2020 zwischen 20:40 und 22:09 UT. 1. Spalte: im Kontrast
angehobene Aufnahmen, Norden oben. 2. Spalte: angepasste Spiralen (Anpassung s. Text), 3. Spalte: Polarkoordinatenbilder der Spiralen, in Richtung Drehwinkel dreimal wiederholt, um die Spiralwindungen im Zusammenhang zu sehen. (Bild: W. E. Celnik)
92 | Journal für Astronomie Nr. 77
Mond
[5] R. A. Hillebrecht, 2021: ,,Kernnahe Strukturen im Kometen C/2020 F3 NEOWISE", VdS-Journal für Astronomie 76 (1/2021), S. 110-113
[6] Komet C/2020 F3 NEOWISE: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/C/2020_F3_ (NEOWISE)
[7] Rotation von Jets in der Coma von NEOWISE am 8.8.2020: Hubble Space Telescope, https://www.nasa.gov/sites/default/files/ thumbnails/image/stsci-h-v2045a_ neowise_grey_1280x720_0.gif ,,
[8] M. Drahus et al., 2020: Rotation of Comet C/2020 F3 (NEOWISE)", The Astronomer's Telegram #13945, 14.08.2020, 17:19 UT
[9] W. E. Celnik, 2020: ,,C/2020 F3 NEOWISE am 31.07.2020, Animation der Ausdehnung der Koma-Spirale", http://fg-kometen.vdsastro. de/pix/2020F3/2020F3_5_31072020.htm
[10] Visualisierungssoftware CELESTIA: https:// celestia.space/
[11] U. Dickmann: ,,Offizielle deutsche CELESTIA Website", www.celestia.info/
1 1 Die Radien der beiden Windungen der Materiespirale wurden entlang der Achse,
um die die Spirale geneigt wurde, in der Abb. 11 gemessen. In der Grafik sind als Messpunkte die Radien zu den drei angegebenen Zeitpunkten dargestellt. Die schwarzen Ausgleichsgeraden bilden die Mittelwerte der Radienzunahme der beiden Spiralwindungen ab. (Bild: W. E. Celnik)
Die Mondfinsternis vom 21.1.2019
- analysiert mit Hilfe einer Vierkanal-Kamera-Fotometrie im visuellen Licht und Infrarot - Teil 2: Ergebnisse
von Peter C. Slansky
In Teil 1 dieses Artikels [1] hatte ich meine Beobachtungstechnik und Methodik der totalen Mondfinsternis vom 21.1.2019 - der letzten von Europa aus beobachtbaren für 10 Jahre - vorgestellt: Mit Hilfe zweier fotografischer Aufnahmeserien im visuellen Licht, getrennt nach Blau, Grün und Rot, und im nahen Infrarot sollten in sieben verschiedenen Messfeldern auf der Mondoberfläche fotometrische Messreihen über den gesamten Finsternisverlauf, jeweils getrennt nach den vier Spektralbereichen, angefertigt werden. Die Abbildung 1 macht deutlich, wie sehr sich der verfinsterte Mond im visuellen von dem im infraroten Wellenlängenbereich unterscheidet.
Meine Instrumentierung (Abb. 2) bestand aus einem apochromatischen Refraktor 80 mm/480 mm mit Flip-Mirror. Oben war eine unmodifizierte Sony a7S für die visuellen Spektralbereiche Blau, Grün und Rot
montiert, hinten eine zweite Kamera desselben Typs mit entferntem IR-Sperrfilter und stattdessen mit IR-Passfilter für den Spektralbereich Nah-Infrarot. Der Beobachtungsort lag auf der Plose bei Brixen im Eisacktal auf 2.010 m ü.M.
Auswertung Um aus den beiden fotografischen Aufnahmereihen für jedes Messfeld die fotometrischen Kurven in den vier Spektralbereichen zu gewinnen, wurde, wie in Teil 1 dargestellt, zuerst die opto-elektronische Übertragungsfunktion der Kamera ermittelt. Über die entsprechende Wertetabelle kann jedem digitalen Code Value im Bild ein relativer Helligkeitswert in Blendenstufen zugeordnet werden [2].
Die NASA gibt für jede Mondfinsternis detaillierte Informationen über die Geometrie des Erdschattens heraus [3]. Auf dieser
Basis definierte ich sieben Messfelder auf dem Mond mit jeweils 100 bis 150 Pixeln Fläche für je eine Messreihe in den vier Kanälen. Die Abbildung 3 zeigt deren Lage und Größe: Am weitesten von der Zentrallinie des Erdschattens entfernt, in der Nähe des Mond-Nordpols, liegt das Messfeld Goldschmidt. Moretus liegt diagonal gegenüber, also in der Nähe des Mond-Südpols, am nächsten an der Zentrallinie. Aristarchus liegt im Westen, weit im Südwesten Byrgius, Hipparcus relativ zentral, Maurocylus im Südosten und Mare Crisium am nordöstlichen Mondrand. Zusätzlich wurde eine achte Kurve für das arithmetische Mittel aller sieben Messfelder berechnet.
Im Programm Photoshop wurden innerhalb jedes Messfelds mit dem PipettenWerkzeug die digitalen Code Values ermittelt, getrennt nach den Kanälen Blau, Grün und Rot (Kamera 1) und Infrarot (Kamera
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Mond
1 Totale Mondfinsternis am 21.1.2019, 05:28 Uhr MEZ. Der Kontrast zwischen der hellen und der dunklen Mondseite
ist im visuellen Licht (links) deutlich höher ist als im Infraroten (rechts).
2). Gemessen wurde jeweils das arithmetische Mittel der Code Values aller Pixel im betreffenden Messfeld, um den Einfluss des Bildrauschens sowie leichter Fehlpositionierungen der Messmaske zu eliminieren. Aus den drei visuellen Kanälen Blau, Grün und Rot wurde mit einer Formel aus der Bildverarbeitungstechnik zusätzlich der Helligkeitswert V errechnet. V entspricht der Helligkeit bei einer Reduktion der Farbsättigung auf Null.
Da die Helligkeitsunterschiede während einer Mondfinsternis die Kontrastübertragung einer digitalen Kamera bei Weitem übersteigen, musste im Verlauf der Mondfinsternis die Belichtung ständig angepasst werden. Die Teleskopöffnung blieb jedoch konstant, daher geschah dies ausschließlich über die Belichtungszeit und den ISO-Wert. Während der partiellen Phase wurden zudem mit beiden Kameras jeweils zwei verschieden belichtete Aufnahmen gemacht, um die großen Kontraste zwischen der hellen und der verfinsterten Mondseite zu überbrücken. Sowohl die Belichtungszeit als auch der ISO-Wert gehen linear in die Belichtung ein, dementsprechend wurden Variationen dieser Parameter in der Auswertung jeweils durch einen entsprechenden Korrekturterm berücksichtigt. Ebenfalls korrigiert wurden die unterschiedlichen Werte der Albedo der Mondoberfläche in den sieben Messfeldern,
die auf der Basis einer Aufnahme vor der Verfinsterung ermittelt wurden. Die nachfolgenden Diagramme zeigen für jedes der sieben Messfelder und für deren Durchschnitt jeweils fünf Helligkeitskurven über die Zeit: für Blau, Grün, Rot, V und Infrarot. Jede Kurve startet bei einer Verfinsterung von 0 und zeigt den zeitlichen Verlauf der Finsternis für das jeweilige Messfeld über die Zeit in negativen Blendenstufen für den jeweiligen Spektralbereich. Es handelt sich also lediglich um eine relative Fotometrie; der Aufwand der Kalibrierung auf absolu-
2 Meine Instrumentierung
te Leuchtdichten wurde vermieden. Über den gesamten Finsternisverlauf von 03:43 bis 07:28 Uhr MEZ wurden insgesamt 45 Fotos im Visuellen und 38 im Infraroten aufgenommen und in den sieben Messfeldern jeweils in den vier Spektralbereichen getrennt ausgemessen, was insgesamt 869 Messwerte ergab.
Ergebnisse Nachfolgend werden aus Platzgründen vier der insgesamt acht Messkurven gezeigt. Zusätzlich zur Betrachtung der maximalen
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Mond
3 Lage und Größe der sieben Mess-
felder. Grafik: P. Slansky auf der Basis eines Screenshots des Freeware-Programms Virtual Moon Atlas.
Verfinsterung in jeden Spektralkanal lohnt auch die Betrachtung der Differenz IR-V zwischen der maximalen Verfinsterung im visuellen Licht und im Infraroten.
Das Messfeld Goldschmidt liegt etwas westlich des Mond-Nordpols, mithin am weitesten von der Zentrallinie entfernt (Abb. 4). Die maximale Verfinsterung wird hier in allen vier Kanälen um 06:09 Uhr MEZ erreicht; sie beträgt -12,7 Blendenstufen im Blauen, -13,0 im Grünen, -12,6 im Roten, -12,8 in V und -8,9 im Infraroten. Erwartungsgemäß ist das die geringste Verfinsterung von allen sieben Messfeldern, und zwar in allen vier Kanälen. Ebenfalls am geringsten von allen Messfeldern ist die Differenz der maximalen Verfinsterung IR-V von 3,9 Blendenstufen. Nicht ohne Weiteres zu erwarten waren die sehr geringen Differenzen zwischen Blau, Grün und Rot bei gleichzeitig deutlicher Differenz zum Infraroten.
Das Messfeld Hipparcus (Abb. 5) liegt relativ zentral. Die maximale Verfinsterung wird dort im Visuellen mit einem breiten Plateau um 06:14 Uhr MEZ erreicht, im Infraroten dagegen bereits um 05:57 Uhr MEZ. Sie beträgt -16,7 Blendenstufen im Blauen, -16,2 im Grünen, -14,3 im Roten, -15,4 in V und nur -10,6 im Infraroten. Zu diesem Zeitpunkt beträgt die Differenz IRV = 4,9 Blendenstufen. Aufgrund der zentralen Lage ist hier ein Vergleich zur Durchschnittskurve über alle sieben Messfelder (Abb. 7) interessant.
Messfelder: -18,4 Blendenstufen im Blauen, -18,0 im Grünen, - 15,7 im Roten, -17,0 in V und -11,8 im Infraroten. Auch die Differenz IR-V ist in diesem Messfeld mit 5,2 Blendenstufen am höchsten. Damit zeigt dieses Messfeld nicht nur die tiefste Verfinsterung in allen Kanälen, sondern auch die größten Differenzen der Verfinsterung zwischen den Kanälen.
Im Durchschnitt über alle sieben Messfelder (Abb. 7) ist die maximale Verfinsterung des Mondes im Blauen mit -16,1 Blenden-
stufen am größten. Das entspricht einem Verfinsterungsgrad von 1:70.000. Gefolgt wird sie von -15,7 Blendenstufen im Grünen (1:53.000) und -14,0 Blendenstufen im Roten (1:16.000). Im Nah-Infraroten beträgt die maximale Verfinsterung dagegen nur -10,5 Blendenstufen (1:1.440). IR-V liegt bei 4,6 Blendenstufen; damit ist die Verfinsterung im Infraroten nur 1/24 so stark wie im Visuellen. Die Kurven zeigen nahezu einen idealtypischen Verlauf. Verfälschungen aufgrund von instrumentellem Streulicht werden durch die Mittelung
Das Messfeld Moretus (Abb. 6) liegt etwas östlich des Mond-Südpols, also am nächsten an der Schattenzentrallinie. Die abnehmende Flanke der Kurve (links) zeigt Aufhellungen, d.h. Verfälschungen aufgrund von instrumentellem Streulicht. Die maximale Verfinsterung wird in allen Spektralbereichen um 06:14 Uhr MEZ erreicht. Sie ist jeweils die stärkste aller sieben
4 Zeitlicher spektraler Helligkeitsverlauf in Blendenstufen für das Messfeld Goldschmidt
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Mond
5 + 6 Zeitlicher spektraler Helligkeitsverlauf in Blendenstufen für das Messfeld
Hipparcus (Abb. 5) und Moretus (Abb. 6)
7 Zeitlicher spektraler Helligkeitsverlauf in Blendenstufen für den Durchschnitt
aller sieben Messfelder. Die gestrichelte Linie markiert die Horizonthöhe des Mondes (Skala links unten).
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weitgehend ausgeglichen. Ab einer Horizonthöhe von weniger als 5 Grad macht sich die Morgendämmerung im Sinne einer Aufhellung, vor allem im Blauen, bemerkbar. Gleichzeitig traten jedoch auch Wolken auf, die eine Abdunkelung verursachten, so dass diese Werte nicht mehr exakt sind.
Zusammenfassung und Ausblick Die mit meinem Verfahren gewonnenen Ergebnisse zeigen eine signifikante Korrelation zur Geometrie des Erdschattens auf dem Mond. Aus den Helligkeitsverlaufskurven in den Kanälen konnten zudem Farbdifferenzen für die sieben Messfelder ermittelt werden, die ebenfalls signifikante Korrelation zur Schattengeometrie, getrennt nach den vier Spektralbereichen, aufweisen.
Dies könnte noch sehr viel genauer ausgewertet werden. In einem weiteren Schritt könnten die bisher relativen Helligkeitsmessungen zu absoluten Leuchtdichten hin kalibriert werden. Die Auswertung weiterer Mondfinsternisse nach der hier vorgestellten Methode erscheint sinnvoll. Der Einfluss des instrumentellen Streulichts soll zukünftig noch vermindert werden. Über einen Vergleich mit visuellen Schätzungen erfahrener visueller Beobachter könnte eine fotometrische Kalibrierung der visuellen, fünfstufigen Danjon-Skala (die 2021 übrigens 100 Jahre alt wird) abgeleitet werden. Für Anregungen zur weiteren Auswertung bin ich dankbar.
Ich bedanke mich herzlich bei meinem Co-Beobachter Bernd Gährken und bei Matthias Knülle, die beide sehr zur Auswertung dieser Beobachtung mit beigetragen haben.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2020): [1] P. C. Slansky, 2020: ,,Die Mondfinsternis
vom 21.1.2019, analysiert mithilfe einer Vierkanal-Kamera-Fotometrie im visuellen Licht und Infraroten, Teil 1: Methodik", VdSJournal für Astronomie 75 (4/2020), 30-33 [2] P. C. Slansky, Homepage: http://slansky. userweb.mwn.de/bereiche/astronomie/ aufnahmetechniken/bilder/oecf_sony_a7s_ photo.pdf [3] F. Espenak, NASA/GSFC: https://eclipse. gsfc.nasa.gov/LEplot/LEplot2001/LE2019Jan21T.pdf (12.4.2020)
Mond
Mondkrater Copernicus am 5-Zöller gezeichnet
von Jens Leich
Im Frühjahr 2020 war die Luft aufgrund des in den vorangegangen Wochen coronabedingt geringen Straßen- und auch Luftverkehrs außerordentlich transparent und ungestört.
Das Beobachten direkt am Teleskop machte dabei solch einen Spaß, dass ich am Abend des 31.05.2020 dem Anblick des majestätischen Copernicus, Gay-Lussac und seinem Rillensystem sowie Reinhold und Reinhold B einfach nicht widerstehen konnte. Bei angenehmen 12 Grad C Lufttemperatur und recht
trockener Luft (62% relativer Luftfeuchtigkeit) saß ich bequem auf meinem Astrostuhl in meiner Rolldach-Sternwarte und zeichnete zunächst ,,nur" den Mondkrater Copernicus.
Die Zeit verging wie im Flug und so dehnte ich die Zeichnung immer weiter aus und hielt u. a. auch das schöne Rillensystem des ca. 27 km großen Kraters Gay-Lussac fest, außerdem noch die Krater Reinhold (48 km Durchmesser) und den halb so großen Krater Reinhold B.
Die Zeichnung erfolgte auf schwarzem Zeichenpapier mit weißen, grauen und schwarzen Pastellstiften. Sie dauerte von 20:20 bis 21:57 Uhr UT. Sie gehört mit insgesamt über 90 Minuten Dauer zu meinen eher umfangreicheren Zeichnungen. Als Instrument kam ein apochromatischer Refraktor vom Typ ,,Starfire" der Firma AstroPhysics mit einer Öffnung von 130 mm und 838 mm Brennweite zum Einsatz. Die Vergrößerung betrug mit Amici-Prisma und einem 3-mm-Okular der Marke Televue DeLite etwa 279-fach.
1 Mondkrater Copernicus, gezeichnet am 31.05.2020 von Jens Leich am 5-Zöller
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Radioastronomie
Neues aus der FG Radioastronomie
von Frank Theede
Mitglieder unserer Fachgruppe haben im August unabhängig voneinander per Meteorscatter Beobachtungen der Perseiden durchgeführt. So auch Fritz Lensch, der in diesem Jahr 2020 wegen der vielen Störungen nur Meteore ausgewertet hat, die mindestens 5 s beim Verglühen beobachtet wurden (Abb. 1). Da die vielen kleinen Staubkörner nicht berücksichtigt wurden, gibt es vor allem an den frühen Nachmittagen keine Ereignisse. Weitere Details sind auf Fritz` Webseite [1] zu finden.
Unser Fachgruppenmitglied Michael Stöhr war an Messungen beteiligt, die in dem im Oktober 2020 erschienen Buch ,,Radioastronomie" von Thomas Lauterbach [6] beschrieben werden. Der Autor leitet die Fachgruppe Radioastronomie der Nürnberger Astronomischen Gesellschaft (NAG) e.V. (nicht zu verwechseln mit unserer Fachgruppe der VdS) und ist Professor für Physik an der Technischen Hochschule Nürnberg. Auf 55 Seiten wird ein Überblick über
die Grundlagen der Radioastronomie gegeben, der insbesondere Erstinteressierte, die z. B. im Rahmen von Veranstaltungen der Regiomontanus-Sternwarte entsprechende Lektüre nachfragen, im Blick hat. Es werden trotz des knappen Umfanges die Themen Geschichte der Radioastronomie, physikalische und technische Grundlagen der Radioastronomie und ihrer Beobachtungsinstrumente und Beobachtungsmöglichkeiten mit ,,kleinen" Radioteleskopen, hierzu zählt der Autor Parabolantennen mit 3 m Durchmesser, angerissen. Eingebettet in den Text sind etwas kleiner gesetzte Passagen, in denen vertiefende Informationen mit gehobenem mathematisch-physikalischen Anspruch, z. B. Integralen, zu finden sind. Der Aufbau eines Radioteleskops wird prinzipiell erläutert, es kann aber natürlich keine erschöpfende Anleitung für den Selbstbau gegeben werden. Man muss im Hinterkopf behalten, welche professionellen Ansätze und Möglichkeiten (z. B. durch Mitarbeit von Studenten im
Rahmen von universitären Aufgaben) am Arno-Penzias-Radioteleskop [2] geleistet wurden. Dieses ,,nachzubauen" wird für die meisten Amateure nicht möglich sein. Die ausgeführten Beobachtungen wurden von der Fachgruppe Radioastronomie der NAG durchgeführt und zeigen insbesondere am Beispiel der Messungen der 21-cm-Linie in der Milchstraße die Möglichkeiten auf. So ist das ,,Büchlein" ein erster, aber nicht trivialer Überblick zur Radioastronomie mit einer Einführung der wichtigsten Begriffe sowie eine Hinführung zur Vertiefung des Wissens. In den Quellen und Literaturhinweisen finden sich dazu die relevanten Materialien. Uns gefällt natürlich, dass unsere Fachgruppe und ihre Webseite [3] erwähnt werden.
Den meisten Fachgruppenmitgliedern werden die Inhalte nicht neu sein, aber Einsteiger und unsere Familien und Freunde, die endlich verstehen wollen, was ein Amateurradioastronom so macht, werden nach
1 Anzahl der nachgewiesenen Perseiden mit mehr als 5 s beobachteter Reflexion zwischen dem 11. und 13. August 2020, Uhrzeiten in UTC.
(Grafik Fritz Lensch)
98 | Journal für Astronomie Nr. 77
Radioastronomie
der Lektüre eine Idee davon bekommen haben.
Wer ohne Kosten weiter in die Themen einsteigen möchte, kann dies z. B. mit den Büchern ,,Open Skies - The National Radio Astronomy Observatory and Its Impact on US Radio Astronomy" [4] und ,,Interferometry and Synthesis in Radio Astronomy" [5] machen, die in der Open-Access-Reihe des Springer-Verlages kostenlos als PDF heruntergeladen werden können.
In dieser Journal-Ausgabe finden sich jeweils die ersten Teile zweier umfangreicherer Arbeiten. Unser Fachgruppenmit-
glied Thomas Freina erläutert das Jansky, die Intensität von Radioquellen und ihre Beobachbarkeit mit Amateuranlagen. Axel Jessner vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie beleuchtet das Wechselspiel zwischen Radioastronomie und den sie störenden Einflüssen.
Literatur- und Internethinweise (Stand Oktober 2020): [1] F. Lensch, Homepage: www.lensch.
at/meteore-1/?fbclid=IwAR3VUNT nuJdAkKS22y727h_ILFR2T5F8IE yn279nd4RBlmo-oBC3dvoXxuU [2] J. Schneidewind, T. Lauterbach, 2019: ,,Das Arno-Penzias-Radiotele-
skop", VdS-Jounal für Astronomie 71 (4/2019), S. 44 [3] VdS-Fachgruppe Radioastronomie, Homepage: www.sternfreunde.de/ index.php?id=radioastronomie [4] PDF ,,Open Skies": www.springer. com/gp/book/9783030323448 [5] PDF ,,Interferometry": www.springer. com/gp/book/978331944429 [6] T. Lauterbach, 2020: ,,Radioastronomie - Grundlagen, Technik und Beobachtungsmöglichkeiten kleiner Radioteleskope", in der Reihe }essentials{, Springer (eBook 4,48 EUR, Softcover 14,99 EUR), www.springer. com/de/book/9783658314149
Radioastronomie und die Nutzung der Radiowellen - Teil 1
von Axel Jessner
Seit Jahrtausenden sind die Menschen vom Himmelsgeschehen fasziniert. Die Beobachtung der Himmelserscheinungen war zu Anfang nur mit dem bloßen Auge und ohne Hilfsmittel, von ein paar Landmarken als Fixpunkte einmal abgesehen, möglich. Dafür war der Himmel nachts aber auch dunkel. Erst in der Neuzeit, mit Galilei und Kepler kam dann das optische Fernrohr zur Verstärkung der Empfindlichkeit und dem Auflösungsvermögen des menschlichen Auges hinzu. Gleichzeitig verschlechterten sich die Bobachtungsbedingungen besonders in den Städten und ihrer Umgebung, dort wurde es heller und rauchiger. Bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts gab es immer nur das sichtbare Licht als Boten der Vorgänge außerhalb unseres Planeten. Seitdem hat der technische Fortschritt es aber möglich gemacht, dass wir astronomische Informationen über die ganze Breite des elektromagnetischen Spektrums und
zudem noch über Neutrinos und Gravitationswellen erhalten können. Allerdings nehmen alle erdgebundenen astronomischen Empfangsanlagen, mit Ausnahme derjenigen für Gravitationswellen, heute auch mehr oder minder starke störende lokale Emissionen als Folge menschlicher Aktivitäten wahr.
Die Radioastronomie entwickelte sich in einer Zeit, in der die Funktechnik und die Nutzung der Radiowellen schon weit fortgeschritten waren. Ja, dieser Fortschritt war auch zugleich eine notwendige Voraussetzung für die Möglichkeit radioastronomischer Forschung. Genau wie für die optische Astronomie, war hier der technische Fortschritt Segen und Fluch zugleich. Einerseits ermöglichte er immer größere Empfindlichkeiten und besseres Auflösungsvermögen der Empfangsanlagen, andererseits hatte die immer billiger
werdende Technik auch die breitere Nutzung und damit verstärkte Emissionen durch menschliche Aktivitäten zur Folge. Die optische Astronomie war dabei zuerst ein wenig im Vorteil, da Licht, im Gegensatz zur langwelligeren Radiostrahlung, durch undurchsichtige Hindernisse leichter abgeschirmt werden kann. Noch im 19. Jahrhundert wurden Sternwarten in oder in der Nähe großer Städte betrieben, aber die modernen astronomischen Großinstrumente der optischen und der Radioastronomie müssen heutzutage in abgelegenen Bergregionen oder Wüsten errichtet werden, um den meisten menschlichen Störemissionen zu entgehen.
Wenn aber etwa Flugzeuge oder sogar Satelliten Quelle der Störungen sind, dann hilft das leider auch nicht mehr. Als Alternative bleibt nur noch der Weltraum, der jetzt schon gut mit Observatorien bestückt
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Radioastronomie
1 Temperatur des Himmelsrauschens als Funktion der Frequenz nach Cane (1979, Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 189, 465) und
Ellington (2005, IEEE Trans on Antennas and Propagation 53, No. 8, 2480). Blaue Intervalle bezeichnen die der Radioastronomie zugewiesenen Frequenzbänder und grüne Intervalle bezeichnen die Bänder, in denen keinerlei Emissionen erlaubt sind.
ist. Insbesondere solchen, die im Bereich der Wellenlängen arbeiten, für die unsere Atmos phäre undurchsichtig ist.
Regulierung der Nutzung des Radiospektrums Wenngleich die erste Nutzung der Radiowellen um 1900 erst sehr spät in der Zivilisationsgeschichte erfolgte, so wurde die Notwendigkeit zu einer Koordinierung durch gesetzliche Regulierung sofort offenbar [1, 2]. Die Radiowellen, die durch die damalige einfache Technik erschlossen wurden mit Frequenzen von einigen 10 kHz bis MHz, haben eine große Reichweite und überwinden mühelos die Ozeane und natürlich auch Staatsgrenzen. Um aber eine effektive Kommunikation über Ländergrenzen hinweg zustandezubringen, mussten von Anfang an gemeinsame Standards für Sender und Empfänger geschaffen werden. Diese Aufgabe wurde der bereits 1865 gegründeten ,,Internationalen Telegraphie Union" (ITU), einem internationalen Gremium aus Mitgliedern der nationalen Post- und Telegraphenverwaltungen, übertragen. Auf der
ersten Weltfunkkonferenz (WRC) 1906 in Berlin wurden dazu der erste Weltfunkvertrag und die erste Vollzugsordnung für den Funkverkehr (zu Deutsch: VO Funk, engl.: Radio Regulations) verabschiedet. Seit dieser Zeit ist die internationale VO Funk auch zugleich Bestandteil des nationalen Verwaltungsrechts, an das die staatlichen Stellen auch in Deutschland gebunden sind [3, 4]. Der tragische Untergang der Titanic im Jahr 1912 zeigte die Notwendigkeit der Festlegung von allgemeinen Funkfrequenzen für Notrufe [1]. Weitere Festlegungen von Frequenzbändern für zivile und militärische Nutzung erfolgten auf der Weltfunkkonferenz 1927. Gleichzeitig wurde auch die Notwendigkeit für eine gegenseitige Verträglichkeit der einzelnen Funkdienste und deren Sende- und Empfangsanlagen erkannt. Im Artikel 0.4 der VO Funk wurde deswegen sinngemäß vereinbart: ,,Dass alle Funkanlagen, ganz gleich zu welchem Zweck diese erbaut und betrieben werden, nur so betrieben werden dürfen, dass sie keine schädlichen Störungen des Betriebes anderer anerkannter Funkdienste und
Stationen verursachen." Dieser Schutz erstreckt sich aber auch auf Störungen, die von anderen, z. B. industriellen Anlagen oder Haushaltsgeräten ausgehen. Hierzu steht dann sinngemäß im Artikel 15.12, dass ,,die Verwaltungen aufgefordert werden, alle notwendigen und praktikablen Maßnahmen vorzunehmen, die sicherstellen, dass von dem Betrieb aller Arten von elektrischen Geräten und Installationen, so auch die zur Stromversorgung und Kommunikation gehörenden, keine schädlichen Störungen anderer anerkannter Funkdienste, insbesondere die der Radionavigation und der Rettungsdienste, ausgehen ..." Die Nutzung der Radiowellen ist also schon seit Langem weitgehend international reguliert - ganz im Gegensatz zur Erzeugung von künstlichem Licht.
Der regulatorische Schutz radioastronomischer Stationen Die Radioastronomie wurde im Jahre 1959 als eigenständiger Funkdienst von der ITU anerkannt und zugleich wurde ihr erstmals der Bereich der 21-cm-Linie (1400-1427
100 | Journal für Astronomie Nr. 77
Radioastronomie
MHz) des neutralen Wasserstoffs als Frequenzbereich zugewiesen. Im Laufe der Jahre kamen dann immer mehr Frequenzbereiche dazu, die häufig auch mit den durch den Erderkundungsfunkdienst (z. B. Meteorologie) genutzten zusammenfallen. Diese Bänder sind aber nicht willkürlich gewählt worden oder sogar beliebig verschiebbar, sondern liegen auf Frequenzen, die zu den Spektrallinien von Atomen und Molekülen im interstellaren Medium gehören.
Diese Frequenzzuweisungen sind unter anderem im Frequenznutzungsplan der BNetzA zu finden [5] und für diese Bänder wurden ergänzende Bestimmungen zu den Frequenzzuweisungen (,,Fußnoten") in der VO Funk erlassen: FN 5.340 (in Deutschland D340 [5]) sagt ,,In den folgenden Frequenzbereichen sind Aussendungen nicht zugelassen: ...Liste..." sowie FN 5.149 (in Deutschland D149 [5]): ,,Bei der Nutzung der Frequenzbereiche ...Liste... durch Funkdienste, die diesen Frequenzbereichen ebenfalls zugewiesen sind, werden alle nur möglichen Maßnahmen getroffen, um den Radioastronomiefunkdienst vor Störungen zu schützen." Die Bänder mit der Fußnote 5.340 werden deswegen auch kurz als ,,passive Bänder" bezeichnet. Für sie ist damit ein ganz besonders starker Schutz international gesetzlich verankert worden. Bänder, die von der Fußnote 5.149 betroffen sind, sind solche, in denen unter bestimmten Umständen auch aktive (d. h. sendende) Funkdienste arbeiten dürfen.
Die Abbildung 1 zeigt die Verteilung der zugewiesenen Frequenzbänder zwischen 10 MHz und 100 GHz und deren Schutzstatus. Das Radiospektrum ist aber ein knappes Gut, welches nicht mehr vermehrt werden kann und es ist deswegen wertvoll und heiß umkämpft. Der Radioastronomie sind dabei nur 0,7% des Spektrums unter-
halb von 30 GHz in schmalen Frequenzbändern exklusiv zugewiesen worden, und sie teilt sich zusätzliche Frequenzbänder mit weiteren Funkdiensten. Die zugewiesenen Frequenzbänder überdecken aber nicht alle wichtigen Spektrallinien und sind bei Weitem nicht ausreichend breit, um den verbesserten Möglichkeiten und gestiegenen Anforderungen der modernen Radioastronomie zu genügen. Es ist den Astronomen aber nicht verboten, breitere oder andere Frequenzbänder zu empfangen, im Gegenteil: Die ITU-R-Empfehlung RA. 314 [6] sagt hier, dass ,,... die Verwaltungen gebeten werden, auch die Beobachtung von Spektrallinien außerhalb der zugewiesenen Bänder zu ermöglichen ...". Allerdings müssen die Radioastronomen sich hier mit dem Empfang legitimer Aussendungen anderer Funkdienste abfinden. Diese können die Messungen der Radioastronomen empfindlich stören, sind aber eben keine ,,schädlichen Störungen" im Sinne des Artikel 0.4 der VO Funk, weil diese nur Funkstellen betreffen, die innerhalb der zugewiesenen Bändern nach den dort geltenden Regeln arbeiten. Hier zeigt sich leider der sehr begrenzte Horizont dieses gut gemeinten menschlichen Regelwerkes, von dem die Realität der physikalischen Prozesse und der Rest des großen Universums aber einfach keine Notiz nehmen will.
Im nächsten Teil des Artikels wird dann auf technische Schutzkriterien, Grenzwerte und die Zusammenarbeit von Radioastronomen und Regulierungsbehörden eingegangen werden.
Literatur- und Internethinweise (Stand Oktober 2020): [1] ITU-Publikation: http://search.itu.int/
history/HistoryDigitalCollectionDoc Library/12.28.71.en.pdf [2] Ryszard Struzak: "Introduction to
International Radio Regulations", www.osti.gov/etdeweb/servlets/ purl/20945052 [3] ITU-Publikation: www.itu.int/pub/ R-REG-RR-2016 [4] Drucksache des deutschen Bundesrates No. 211/13: www. bundesrat.de/SharedDocs/ drucksachen/2013/0201-0300/ 211-13.pdf [5] Frequenzplan 2019 der Bundesnetzagentur: www.bundesnetzagentur.de/ SharedDocs/Downloads/DE/ Sachgebiete/Telekommunikation/ Unternehmen_Institutionen/ Frequenzen/20191202_ Frequenzplan.html [6] ITU-Publikation: www.itu.int/rec/ R-REC-RA.314
Impression
Ein Gedicht
Im Zentrum der Galaxie zu Hause, Saugt es Material auf ohne Pause. Es wird von Sternen rasant umkreist, Was uns seine Existenz beweist.
DAS SCHWARZE LOCH
Ein kosmisches Schwergewicht, Zu keiner Diät bereit;
Sternenstaub das Hauptgericht, Verschmäht wird keine Mahlzeit.
Die Materie superdicht, Stark verbogen die Raumzeit; Dem Monster entkommt kein Licht, Gefängnis für die Ewigkeit. Der Ereignishorizont ist Grenze,
Dahinter ist einfach Sense.
Rainer Kirmse
Journal für Astronomie Nr. 77 | 101
Radioastronomie
Wie hell leuchten Radiosterne?
- Teil 1
von Thomas Freina
In diesem ersten von zwei Artikeln wird die in der Radioastronomie gebräuchliche Maßeinheit für die spektrale Flussdichte, das Jansky, näher beschrieben. Im zweiten Teil wird an Hand von eigenen Beobachtungen dargestellt werden, welche Flussdichten für einfache Amateuranlagen erreichbar sind.
Radioastronomische Strahlungsquellen sind in der Regel mit kosmischen Objekten verbunden, die auch optisch sichtbar sind. Ebenso wie diese können sie dem Beobachter auf der Erde näherstehen oder weiter entfernt sein. Die Entfernung, also der Weg, den zum Beispiel Licht oder Radiowellen von der Quelle bis zum Beobachter zurücklegen müssen, bestimmt, wie viel Strahlung beobachtet werden kann. Dadurch erscheinen weiter entfernte, helle Strahlungsquellen am Beobachtungsort unter Umständen weniger hell als schwache, aber nahestehende Quellen. In der optischen Astronomie nutzt man deshalb unter anderem die so genannte scheinbare Helligkeit, um Sterne zu klassifizieren. Eine ähnliche Aufgabe übernimmt in der Radioastronomie die Bemessung einer Radioquelle durch ihre spektrale Flussdichte. Die Maßeinheit dafür ist nach Karl Guthe Jansky benannt, dem Wissenschaftler, der 1932 feststellte, dass die Milchstraße Radiostrahlung aussendet.
Das Jansky (Jy) ist definiert als eine Einheit für die spektrale Flussdichte, d. h. für die von einer Quelle ausgehende und dann beim Beobachter eintreffende Energie pro Zeit, Fläche und Frequenzintervall. Ein Jansky ist der hundertquadrillionste Teil eines Watt pro Quadratmeter und Hertz:
1 Jy = 10-26 J / (s Hz m2)
Die in der Formel genannten Einheiten verdeutlichen sofort die Abhängigkeit der Flussdichte sowohl von der Integrations-
zeit (Sekunden) als auch von der Bandbreite (Hertz) sowie von der Flächengröße des Rezeptors (Antenne) der verwendeten Empfangssysteme.
Die Einheit wurde so sehr klein gewählt, weil die meisten Radioquellen sehr weit von uns entfernt sind, so dass man den daraus resultierenden kleinen Flussdichten Rechnung tragen muss. 1 Jansky als Zahl geschrieben stellt sich so dar:
1 Jy = 0,000 000 000 000 000 000 000 000 01 W / (Hz m2)
Da der Wert der spektralen Flussstärke, wie wir oben gesehen haben, unmittelbar von der Beobachtungsfrequenz abhängt, müssen sich Angaben zur Flussstärke deshalb immer auf die Beobachtungsfrequenz beziehen. Die hier folgenden Beispiele wurden ausnahmslos bei Frequenzen um 1420 MHz gewonnen.
Beginnen wir mit der Sonne. Sie ist der uns am nächsten stehende Radiostrahler und somit auch die stärkste extraterrestrische Radioquelle. Die Radiostrahlung, welche die Sonne aussendet, ist von sehr vielen Zustandsgrößen unseres Zentralgestirns abhängig, die jedoch an anderer Stelle näher erörtert werden sollen. Für die Darstellung der relativ großen Signalstärke des solaren Radioflusses hat man sich auf die Einheit SFU (Solar Flux Unit) geeinigt:
Ein SFU entspricht 10.000 Jansky.
Der solare Radiofluss, welcher bei 10,7 cm Wellenlänge (etwa 2800 MHz) weltweit permanent durch verschiedene Institute gemessen wird, schwankt zwischen einigen zig SFU bis zu einigen hundert SFU. Im Sonnenfleckenminimum, einer Phase geringer solarer Aktivität, beträgt der Wert beispielsweise um die 50 oder 60 SFU. Das sind in der Tat schon mal stolze 500.000 oder 600.000 Jansky. Ein derart starker
Strahlungsfluss lässt sich schon mit einfachen Mitteln jederzeit nachweisen. Anleitungen und Berichte dazu gibt es massenhaft im Internet zu finden, z. B. auf der Webseite von Fritz Lensch [1].
Der tagesaktuelle Strahlungsfluss der Sonne, der so genannte ,,solar flux index" wird zum Beispiel täglich auf dem Space Weather Service des Bureau of Meteorology in Australien [2] für verschiedene Frequenzen veröffentlicht. Auf der Website des Space Weather Prediction Center [3] kann man sich ebenfalls tagesaktuell über die ,,Witterungsverhältnisse" im erdnahen Weltraum informieren. Aber nun wieder zurück zu unseren Überlegungen bezüglich der zu erwartenden Signalstärken bei der Beobachtung kosmischer Radioquellen mit einfachen Mitteln.
Wird der Mond ins Visier eines kleinen Radioteleskops genommen, wird es dann schon schwieriger, eine Beobachtung durchzuführen, als das bei der Sonne der Fall ist. Der Erdtrabant ist insgesamt ein relativ schwacher Strahler. Er ist geologisch inaktiv, leuchtet nicht und durch die fehlende Atmosphäre ist seine Oberfläche der Weltraumkälte ausgesetzt. Vom Mond geht daher nur wenig thermische Radiostrahlung aus. Der zu erwartende Strahlungsfluss sollte deshalb deutlich geringer als die Radiostrahlung der Sonne sein. Ich selbst konnte den Mond bei 1419 MHz mit etwa 950 Jansky beobachten. Die Ermittlung dieses Wertes aus den eigenen Beobachtungsdaten ist von der Güte des Empfangssystems abhängig, sie entsprechen jedoch ganz gut den Angaben in der Fachliteratur. Wie sich die Güte eines Empfangssystems ermitteln lässt, soll später an anderer Stelle erörtert werden.
Ziemlich tricky wird es dann, wenn noch schwächere Radioquellen wie zum Beispiel
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Radioastronomie
1 Die Aufzeichnung einer Transitbeobachtung des Mondes am 18. Dezember 2019.
die elliptische Riesengalaxie M 87, die von Radioastronomen mit VIRGO-A bezeichnet wird, ins Visier genommen werden. Der von dort bei uns ankommende Strahlungsfluss bei 1420 MHz bzw. 21 cm Wellenlänge wird in der Literatur mit ca. 200 Jansky angegeben. Das kann schon eine Herausforderung für ein kleines Empfangssystem werden. Jegliche Fluktuationen im Empfangssystem, zum Beispiel schleichende Veränderungen bei der Systemtemperatur oder in der Stromversorgung der Verstärker sowie zwischen Steckverbindern unterschiedlicher Qualität, und seien sie noch so gering, führen unweigerlich zu störenden Phantomsignalen, welche die gesuchten Signaturen bis zur völligen Unkenntlichkeit maskieren können.
Um nun einen Eindruck davon zu erhalten, wie sich die Flussstärken von prominenten Quellen tatsächlich voneinander unterscheiden, zeigen die Grafiken im zweiten Teil des vorliegenden Artikels einen Vergleich von Empfangssignalen, die auf einem einfachen Amateurempfangssystem gewonnen wurden.
Zum Abschluss als Ausblick auf den zweiten Teil eine Messung der Radiostrahlung
des Mondes. Weitere Messungen werden in Teil 2 vorgestellt. Der Mond ist immer eine Beobachtung wert, wandert er doch durch die Tierkreissternbilder. Dabei kann man einerseits nur den Mond selbst bei verschiedenen Beleuchtungsphasen beobachten oder andererseits Bedeckungen verschiedener radioastronomischer Objekte wie zum Beispiel Taurus-A aufzeichnen. Der Mond alleine ist mit etwa 950 Jy Flussstärke noch relativ gut zu erfassen.
Internethinweise (Stand Oktober 2020): [1] F. Lensch, Homepage: ,,Einfache Be-
obachtung der Sonne", www.lensch. at/erste-radioastronomie [2] Bureau of Meteorology: "Space Weather Service", www.sws.bom.gov.au/ Solar/3/4/2 [3] Space Weather Prediction Center: www.swpc.noaa.gov
INSERENTEN
128 APM Telescopes, Sulzbach/Saar 37 ATT 75 astronomie.de, Neunkirchen U4 Baader Planetarium, Mammendorf 25 euro EMC, Postau 15 Gerd Neumann jr. Entwicklung und Herstellung feinmechanischer & optischer Instrumente
49 Kosmos Verlag, Stuttgart U3 Optical Vision Limited, UK 11 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg
Spektrum der Wissenschaft
81 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Sterne und Weltraum
U2 Vesting e. K. Fachhandel für Astronomie, Hamburg
Journal für Astronomie Nr. 77 | 103
Sonne
Die ersten großen Fleckengruppen des 25. Zyklus
von Wolfgang Bischof und Andreas Zunker
Der neue, nach offizieller Zählung 25. Zyklus der Sonnenaktivität (s. Beitrag von Andreas Bulling in diesem Heft) brachte im Oktober und November 2020 seine ersten großen Fleckengruppen hervor.
Die aktive Region AR2778 bildete am 26.10.2020 die ersten Flecken, entwickelte sich schnell und erreichte bereits zwei Tage später ihre größte Länge und Fleckenzahl. Am 02.11.2020 verließ sie aufgrund der Sonnenrotation die von uns aus sichtbare Seite der Sonne.
Bereits einen Tag später tauchte auf der gegenüberliegenden Seite der südlichen Sonnenhemisphäre eine neue Gruppe auf,
AR2781. Einen weiteren Tag später war klar, dass sie ihre Vorgängerin in Sachen Komplexität und Ausdehnung noch übertreffen könnte.
Dies bestätigte sich am 05.11.2020. An diesem Tag gelang Wolfgang Bischof (Recklinghausen) mit seinem 8-Zoll-Newton trotz tiefen Sonnenstandes eine schöne Weißlicht-Aufnahme von AR2781 (Abb. 1).
Am 07.11.2020 folgten eine Ha-Aufnahme (Abb. 2) sowie eine Weißlicht-Aufnahme der gesamten Sonne, die zeigt, wie groß AR2781 tatsächlich war (Abb. 3). Alle Aufnahmen wurden mit dem Mexican-HatFilter in GIOTTO [1] geschärft.
Auf solche Gruppen haben die Sonnenbeobachter lange warten müssen, jetzt sind sie endlich da! Das macht Lust auf mehr und es ist auch ein guter Zeitpunkt, in die Sonnenbeobachtung einzusteigen. Schicken Sie uns bitte Ihre Ergebnisse, nähere Infos dazu finden Sie auf www.vds-sonne.de
Internethinweis (Stand Dez. 2020): [1] Bildbearbeitungssoftware GIOTTO:
www.giotto-software.de
1 Aufnahme vom 05.11.2020, 09:06 UT, mit 8-Zoll-Newton bei 2,5 m eff. Brennweite mit Astrosolarfolie ND 3,8;
Kamera ASI 178MM, 20% von 2.000 Frames mit AutoStakkert gestackt.
104 | Journal für Astronomie Nr. 77
2 Ha-Aufnahme vom 07.11.2020, 12:15 UT, mit 110-mm-TS-Photoline-Refraktor, Brennweite 770 mm und D-ERF-Energieschutzfilter,
SolarSpectrum 0,05 nm und Baader-4-fach-Telezentrik, Kamera ASI 174 MM, 20% von 2.000 Frames gestackt.
3 Weißlicht-Aufnahme vom
07.11.2020, 13:19 UT, mit 110-mmTS-Photoline-Refraktor, Brennweite 770 mm und D-ERF-Energieschutzfilter, Lunt-Herschelprisma und ASI-183MM -Kamera, ebenfalls 20% von 2.000 Frames gestackt.
Journal für Astronomie Nr. 77 | 105
Sonne
Sonnenaktivität
- Auf dem Weg zum Minimum (Teil 4)
von Andreas Bulling
Minimum des Fleckenzyklus 25 durchschritten Die Entwicklung der Sonnenfleckenaktivität in den letzten Monaten zeigt eindeutig: Das Minimum ist durchschritten und wir befinden uns im neuen Fleckenzyklus Nr. 25. Die nach der P17-Methode geglätteten Monatsmittel der Wolf 'schen Relativzahl des SONNE-Netzes erreichten mit Re = 1,2 im November 2019 ihren Minimalwert (Abb. 1). Eine Flaute mit wochenlang fleckenfreier Sonne wie in der zweiten Jahreshälfte 2019 kann fast sicher für die nächsten 10 Jahre ausgeschlossen werden. Ab jetzt wird die Kurve wieder ansteigen und in einigen Monaten kann die zu erwartende Höhe des kommenden Maximums mit Hilfe der Anstiegsgeschwindigkeit abgeschätzt werden.
Noch ist diese moderat, aber gerade nach der langen ,,Saure-Gurken-Zeit" der letzten Jahre ist die Beobachtung der Sonne und die daraus ermittelte Statistik in den kommenden Monaten deshalb umso spannender.
Nach Prognosen einer Expertengruppe soll der neue Zyklus Mitte 2025 sein Maximum
in ähnlicher Höhe erreichen wie der letzte Zyklus Nr. 24 [1].
Unterschiedliche Minimumswerte? Auf zwei Unterschiede der veröffentlichten Relativzahlen des SONNE-Netzes und des international maßgeblichen SIDC (Solar Influences Data analysis Center) in Brüssel sei hingewiesen: Die SONNE-Zahlen liegen aufgrund einer geänderten Skalierung beim SIDC seit 2015 um den Faktor 1,44 niedriger (Abb. 2). Durch die ,,Demokratisierung" des Auswertungsverfahrens beim SIDC schwankt dieser Faktor inzwischen auch kaum noch.
Der zweite Unterschied betrifft die Bestimmung der Minima bzw. Maxima: Hierzu wird beim SIDC die traditionelle ,,R13"Mittelung verwendet, um die Monatsmittel der Relativzahlen weiter zu glätten. Bei SONNE kommt die mathematisch günstigere P17-Mittelung zum Einsatz. Der Vorteil wird in der Abbildung 2 ersichtlich: Just zur Zeit der ausgedehnten Flaute Mitte bis Ende 2019 zeigt R13 einen ,,Buckel", der durch die starke Gewichtung der benach-
barten hohen Monatsmittel zustandekommt. Auch das schnelle ,,Abtauchen" zum (geglätteten) Minimumswert stellt ein ähnliches mathematisches Artefakt dar.
Bei P17 werden die Randbereiche weniger stark gewichtet und der Verlauf der Kurve ist sowohl glatter als auch näher an den Monatsmitteln. Für R13 sprach in Zeiten des Taschenrechners die einfache Berechnung, inzwischen wäre problemlos auch die mathematische Ideallösung in Form der Gaußfunktion anwendbar.
Es mag spitzfindig erscheinen, doch führt ein Unterschied bei der Bestimmung des Minimumszeitpunktes indirekt auch zu einer geringfügig anderen Vorhersage des folgenden Maximums.
Internethinweise (Stand Dez. 2020): [1] NASA Space Weather, 2020: "Solar
Cycle 25 Is Here. NASA, NOAA Scientists Explain What That Means", www. nasa.gov/press-release/solar-cycle25-is-here-nasa-noaa-scientistsexplain-what-that-means/
1 Verlauf der Monatsmittel und P17-Monatsmittel der Wolf'schen
Relativzahl des SONNE-Netzes seit 2017
106 | Journal für Astronomie Nr. 77
2 Verlauf der Monatsmittel und P17-Mittel der Wolf'schen Relativ-
zahl des SONNE-Netzes im Bereich des aktuellen Minimums. Zum Vergleich die nach der R13-Methode geglätteten Monatsmittel des SIDC (Version 2.0)
Sternbedeckungen
Streifende Sternbedeckungen durch den Mond
im 2. Quartal 2021
von Eberhard Riedel
Im 2. Quartal dieses Jahres kommen nur Beobachter in Nord- und Mitteldeutschland in den Genuss der Beobachtung zweier interessanter streifender Bedeckungen von Sternen durch den Mond. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse, die der mittlere Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns bereits in einem kleinen bis mittleren Fernrohr zu verfolgen. Beide Streifungen finden am unbeleuchteten Nordrand des Mondes in ausreichendem Abstand zum hellen Mondterminator statt und sind daher relativ leicht zu beobachten. In beiden Fällen ist der Mond zunehmend, weshalb die Beobachtungen in der ersten Nachthälfte bequem zu verfolgen sind.
den, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch in eine Google-Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
Die Software kann kostenlos unter www. grazprep.com heruntergeladen und installiert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind
dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.
Karte mit den Grenzlinien der beiden vorgestellten Streifungsereignisse
Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden.
Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter Berücksichtigung der Höhe optimiert wer-
Journal für Astronomie Nr. 77 | 107
Sternbedeckungen
Ereignis 1: 15.04.2021
Am späten Abend des 15. April findet das beste Ereignis des Quartals statt. Ab 22:50 Uhr MESZ wird der 4,9 mag helle Stern Omega 2 Tauri auf einer Linie von Nordhorn über Rheine, Gütersloh, Bad Driburg, Erfurt und Blankenhain bis nach Falkenstein/Vogtland streifend bedeckt. Der nur zu 11% beleuchtete Mond steht jedoch in den östlichen Landesteilen nur noch 7 Grad über dem Horizont, was dort die Beobachtung etwas erschwert.
Die Abbildung 1a zeigt die scheinbare Sternbahn (blauweiß gestrichelte Linie mit Minutenangaben) für die geografische Länge 10 Grad Ost, wie sie bei einer Beobachtung von der vorhergesagten Grenzlinie verläuft. Das Mondrandprofil ist 12-fach überhöht dargestellt, weshalb auch die Krümmung der scheinbaren Sternbahn grafisch erforderlich ist. Die engste Annäherung zum mittleren Mondrand (weiß gepunktete Linie) findet in nur geringer Entfernung zum Terminator statt. Wegen der Absenkung des Mondterrains wäre von dieser Position keine Sternbedeckung zu verfolgen.
1 a Die scheinbare Sternbahn von Omega 2 Tauri (blauweiß gestrichelte Linie)
bei Beobachtung von der vorhergesagten Grenzlinie, mit 12-facher Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 500 m
Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz der scheinbaren Sternbahn bei einer Ortsänderung von 500 Metern in nordöstlicher bzw. südwestlicher Richtung senkrecht zur Bewegungsrichtung des Mondschattens.
Die Abbildung 1b zeigt die scheinbare Sternbahn von einer Beobachtungsstation ca. 1.170 Meter südwestlich der vorherigen. Von dieser Stelle kommt es innerhalb von zwei Minuten zu 18 oder sogar mehr Kontakten zwischen Stern und Mondrand (ungefähre Zeiten s. Inset), d. h. der Stern verschwindet neunmal nacheinander. Es ist auch erkennbar, warum es sinnvoll ist, soweit von der vorhergesagten Linie auszuweichen, da dann die
1 b Die scheinbare Sternbahn von Omega 2 Tauri bei einer Beobachtung 1.170 Meter
südwestlich der vorhergesagten Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 500 m
ersten Kontakte im bequemen Abstand zu den beleuchteten Mondstrukturen stattfinden und so leichter zu beobachten sind.
achtungsortes, für die die aufzusuchende Beobachtungsposition korrigiert werden muss.
Aber auch innerhalb des von den roten Grenzlinien gekennzeichneten 1.000 Meter breiten Streifens kommt es zu mehrfachen Bedeckungsereignissen mit jeweils ganz unterschiedlichen Kontaktzeiten.
Einen Einfluss auf die zu beobachtenden Kontakte hat auch die Höhe des Beob-
Omega 2 Tauri ist ein sehr enger Doppelstern, dessen Verschwinden und Wiedererscheinen am Mondrand jeweils nicht schlagartig erfolgt. Dieses Phänomen ist aber nur bei Aufzeichnungstechniken mit sehr hoher zeitlicher Auflösung feststellbar und visuell nicht erkennbar.
108 | Journal für Astronomie Nr. 77
VdS-Nachrichten
Ereignis 2: 17.04.2021
Nur zwei Tage später zieht am späten Abend des 17. April der nördliche Schattenrand des Mondes über Borkum, Edewecht, Nienburg (Weser), Hannover, Lengede, Halberstadt, Halle und Leipzig bis nach Freiberg. Bei einem Beleuchtungsgrad von mittlerweile 26% wird der 7,4 mag helle Stern SAO 77790 gestreift.
Auch in diesem Fall muss man ein ganzes Stück nach Süden ausweichen, damit der Mond mit möglichst vielen unbeleuchteten Strukturen den Stern bedecken kann.
2 Die scheinbare Sternbahn von SAO 77790 bei Beobachtung ca. 1.100 m südwestlich
der Grenzlinie, 12-fache Mondhöhendehnung; rote Begrenzungslinien bei +- 500 m
Die Abbildung 2 gibt die ungefähren Kontaktzeiten eines achtmaligen Verschwindens und Wiedererscheinens des Sterns zwischen 22:24 und 22:26 Uhr MESZ wieder.
Die Zeiten gelten für die in der Grafik angegebene geografische Position von von 10 Grad östl. Länge und ändern sich entlang der Streifungslinie.
SAO 77790 ist nicht als Doppelstern bekannt. Nicht selten wurden allerdings bei Sternbedeckungen durch ein zeitversetztes Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns Doppelsterne entdeckt.
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
21302 21303 21304 21305 21306 21307 21308 21309 21310 21311 21312 21313 21314 21315 21316 21317 21318 21319 21320 21321 21322 21323 21324 21325 21326
Seidl Stephan Hollinger Hulsch Gräpel Holzner Rückriem Tessmer Schafhausen Beyer Albrecht Cymorek Müller Knepel-Stoll Rennhak Nemes Quast Fischer Schierhorn Pötschick Schumacher Lehmann Schmidt Krieger Grief
Christian Andreas Siegfried Albert Holger Philipp Robert Tabea Shirin Georg Hans-Joachim Marcus Kamila Jörg Claudius Jörg Peter Martin Bettina Louis Holger Harald Reiner Rainer Reinhold Matthias
Mitgl.-Nr.
21327 21328 21329 21330 21331 21332 21333 21334 21335 21336 21337 21338 21339 21340 21341 21342 21343 21344 21345 21346 21347 21348 21349 21350 21351
Name
Michalik Klingler Geilke Reese Hay Drexelius Gärtner Hanke Brustbauer Plenk Sittinger Maurer Götte Feder Bruns Hinz Jonczik Girard Schumann Hoffmann Lesaar Strowick Resem Rupprecht Greve
Vorname
Rudolf Thomas Michael Carsten Christopher Markus Peter Henning Reinhard Steven Frank Christian Armin Uwe Stefan Sebastian Uwe Frank Robert Stefan Johannes Karin Andre Gero Matthias
Journal für Astronomie Nr. 77
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VdS-Nachrichten
Astronomietag im Herbst 2020 mit Fotowettbewerb
Text und Foto-Nachbearbeitung von Michael Schomann, Korrektur: Carolin Liefke
,,Virtuell" war diesmal das Zauberwort, denn aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie waren neue Ideen gefragt, zumal es leider auch sehr viel weniger Teilnehmer gab.
29 Vereinigungen von Sternfreunden waren über Deutschland verteilt aktiv. Hinzu kamen noch einmal sieben Organisatoren, die eine virtuelle Veranstaltung angeboten hatten. Leider spielte das Wetter nicht überall mit, waren doch neben dem Mond auch ganze sechs Planeten über die Nacht verteilt am Himmel zu sehen. Der Planet der Nacht war natürlich der Mars, der kurz nach seiner Opposition vom Abend bis zum Morgen sichtbar war.
https://astronomietag.de https://astronomietag.de/veranstaltungen-suchen/
Der letztjährige Herbsttermin des Astronomietages war nicht nur die ,,lange Nacht der Planeten", sondern hatte auch wieder einen
Fotowettbewerb im Programm. Diesmal waren passend zum Thema Bilder von Planeten gefragt. 16 Bildgeber mit insgesamt 36 Fotos waren am Start. Dreimal gingen die Buchpreise nach Norddeutschland. Vielleicht ein Wink des Schicksals, hatten doch insbesondere die Nordvereine im letzten Jahr für einen zweiten Astronomietag im Herbst gestimmt.
Jeweils einmal geht das Buch ,,Mars-Guide" von Werner E. Celnik aus dem Kosmos Verlag an Marco Ludwig, Thorsten Schipmann und Rainer Anton. Über den 3. Platz hatte das Los entschieden, da es insgesamt fünf dritte Plätze gab. Große Gratulation von den Organisatoren.
https://astronomietag.de/aktuelles/ https://astronomietag.de/2020/10/18/fotowettbewerbplaneten-parade-zur-langen-nacht-der-planeten/#more-285
1. Platz
Venus am Abendhimmel des 19. April 2020, Ort: Tungendorf. Bild von Marco Ludwig
110 | Journal für Astronomie Nr. 77
VdS-Nachrichten
2. Platz Venus mit Wolken im UV- und IR-Licht.
Bild von Thorsten Schipmann
3. Platz Saturn am 29. Mai 2019 in Namibia.
Bild von Rainer Anton
Herzlichen Dank allen Teilnehmern! Und ihr wart klasse! Denn die Vielfalt der Bilder spricht für sich. Die Fotos, die am Samstag bis 19 Uhr eingereicht wurden, hat Carolin Liefke in ihrem einstündigen Beitrag zum Astronomietag auf YouTube vorgestellt. Auch bei Facebook und Co. findet sich das Bildmaterial wieder, das eine echte Bereicherung für alle Zuschauer war.
www.youtube.com/watch?v=uI5d_D42aNY https://www.facebook.com/sternfreunde https://twitter.com/astronomietag
In Memoriam
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
11015 11115 11556 12380 13553 13669 14486 15231 16022 16561 18356 18494 18737 19237 19677 19922 20106 20682 20768 20897 21145
Paesler Wagner Reim Mattes Döttling Nagel Preuschmann Bucher Loose Kett Linnemann Dighaye Wetzel Kern Straußberger Thies Zerzawy Matok Fosanelli Hendricks Beck
Martin Alfred Walter Jürgen Karl-Ernst Bernd Rolf Rolf Karl-Heinz Bernd Günter Jean-Luc. L. J. Gerald Hartmut Klaus Wolf Reinhard Marijan Patrik Johann Jochen
Spenden an die VdS von Dr. Andreas Klug, VdS-Schatzmeister
Im Jahr 2020 erhielt unsere Vereinigung wieder zahlreiche Spenden von Mitgliedern. Der Vorstand bedankt sich bei allen Spendern ganz herzlich, auch bei den vielen ungenannten Mitgliedern, die bei der Überweisung der Jahresrechnung den Betrag aufrundeten. Insgesamt erhielt die VdS Spenden in Höhe von 2.640,55 EUR, die teilweise zweckgebunden verwendet werden. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Mitgl.-Nr.
11849 12075 12451 13211 13448 13921 14604 14617 16245 16561 17898 17994 18175 18264 18860 19472
Name
Vorname
Tessin Hartmut und Gisela
Kessler Thomas
Quester Wolfgang
Hosters Peter
Stuck
Gunter
Kuppers Stephan
Jonscher Peter
Grimm Wolfgang
Purwin Rene
Kett
Bernd
Spindler Rudolf und Maria
Henze Werner
Reim
Thomas
Rutten H. G.
Dr. Bork Jens Peter
Sternwarte Riesa e.V.
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
20037 20243 20262 20288 20320 20424 20468 20617 20626
Levenhagen Marco
Sternenfreunde Dieterskirchen
Astronomie Verein Pegasus
Leitz
Bruno
Dettling Josef
Dr. Michalides Axel
Ritter
Rainer
Apel
Ingo Walter
Hahner
Frank
20737 Schlosserei-Metallbau-Schlüsseldienst Steinhart GmbHh
21213
Van Duin A. P.
Becker
Thomas
Dr. Mueller Klaus
Hoerakustik Brenner e. K.
Journal für Astronomie Nr. 77 | 111
VdS vor Ort / Portrait
20 Jahre EXPO-Sternwarte Melle
von Peter Riepe
Das 20-jährige Jubiläum unserer Sternwarte im letzten Jahr erfüllte uns mit Stolz. Am 4. Juni 2000 wurde die EXPO-Sternwarte in Melle-Oberholsten im niedersächsischen Wiehengebirge eröffnet. Nach fünfjähriger Planungs- und Bauzeit war das zertifizierte, dezentrale Projekt der EXPO 2000 Hannover betriebsbereit. Die Betreiber sind fünf Mitglieder der Astronomischen Gesellschaft Bochum/Melle (Abb. 1). Für den offiziellen Sternwartenbetrieb wurde sowohl eine GmbH als auch eine GbR gegründet.
Sternwarte und Teleskop Die Sternwarte ist ein dreistöckiges Gebäude aus Kalksandstein auf freiem Feld, von Bäumen und Büschen eingefasst. Der Bau ist in 10 cm Abstand ringsum mit Aluminiumblechen verkleidet. Das minimiert die unerwünschte Sonnenerwärmung und schafft dazu noch eine gute Isolation. Mit seiner ungewöhnlichen Form ist das Gebäude von der 1 km entfernten Landstraße Melle/Bad Essen weithin sichtbar (Abb. 2). Im Erdgeschoss finden im Vortragsraum die Beamervorträge für Besuchergruppen statt. Tief unter dem Fußboden liegt das 3,5 m x 2,5 m messende Fundament der massiven Betonsäule. Sie verläuft in Pyramidenform absolut getrennt vom Gebäude durch die Raummitte und stößt durch die Decke in das Mittelgeschoss. Dort endet sie in acht Metern
1 Die Betreiber der EXPO-Sternwarte auf der Aluminiumbrücke; von oben: Bernd
Schröter, Harald Tomsik, Peter Riepe, Ludger Herkenhoff, Rainer Sparenberg, nicht dabei: Heiner Gerdiken, verstorben. (Bild: Rainer Sparenberg)
2 Der Südblick zeigt die Sternwarte weithin sichtbar mit geöffneter Kuppel. (Bild: Justus Tomsik)
112 | Journal für Astronomie Nr. 77
VdS vor Ort / Portrait
3 Der Newton-Reflektor vor dem Kuppel-
spalt mit Blick auf Mars, im Vordergrund das Lasalle-Hebelsystem, das die Spiegeldurchbiegung verhindert. (Bild: Rainer Sparenberg)
Höhe als 2 m x 2 m messende Plattform. Darauf steht die von uns selbst entwickelte und mit Sponsorenhilfe gebaute parallaktische Gabelmontierung. Sie ist trotz ihrer 6,7 Tonnen in Azimut und Höhe justierbar. Eine Etage höher im Dachgeschoss nimmt die Gabel das 2,5 Tonnen schwere Teleskop auf, einen von Philipp Keller konzipierten Newton-Reflektor von 1,12 m Öffnung und 4,40 m Primärbrennweite. Ein 5-zölliger Wynne-Korrektor sorgt für knapp 5.000 mm Sekundärbrennweite. Den 300 kg schweren Sitall-Spiegel erwarben wir bei der russischen Firma Lomo. Eine um 360 Grad drehbare 9-m-Metallkuppel überdacht das Obergeschoss. Die beiden Kuppelhälften können vier Meter weit auseinandergefahren werden. Hier sitzt in 11 Metern luftiger Höhe das Teleskop (Abb. 3). Dank dieser bewussten Planung ist das Bodenseeing erheblich reduziert. Zur visuellen Beobachtung gelangen die Besucher über eine mobile Aluminiumbrücke bequem an den Okularauszug.
Führungen auf der Sternwarte In der EXPO-Zeit fand vom 4. Juni bis zum 31. Oktober täglich ab 18 Uhr der Führungsbetrieb statt. In diesen fünf Monaten kamen insgesamt 6.000 Besucher. Anlaufpunkt für Besuchergruppen ist unsere Geschäftsstelle. Hier werden Buchführung, Terminvergabe und die Besucherbetreuung verplant. Interessantester offizieller Gast war der Prinz von Nepal, der mit seinem Gefolge eine eigene Führung miterleben konnte. Selbst an wolkenverhangenen Tagen, wenn es nur trocken blieb, fanden unangemeldete Passanten den Weg zur Sternwarte. Viermal besuchten uns Fernsehteams des Norddeutschen Rundfunks, um live über das Projekt EXPO-Sternwarte und die himmlischen Sehenswürdigkeiten zu berichten.
Der Führungsbetrieb bleibt Teil der Absprachen zwischen uns und der Stadt Melle, sozusagen als Gegenleistung für öffentliche und städtische Dienste. Ein Teil der Besucher - bis heute etwa 20.000 - besteht aus Kindern und Jugendlichen, sowohl als Schülergruppen in Begleitung von Lehrern als auch privat mit Eltern und Freunden. Erfreulich zugenommen hat die Zahl naturwissenschaftlich interessierter Gruppen und Vereine. Etliche Besucher besitzen zwar zuhause ein eigenes Teleskop, aber wer hat schon mit 1,12 m Öffnung die Himmelsobjekte beobachtet? Bei jeder Sternwartenführung wird zunächst die Technik erläutert. Bei bewölktem Himmel folgt ein astronomischer Beamervortrag, bei gutem Wetter
beginnt nach Einbruch der Dunkelheit die Live-Beobachtung am Teleskop. Dort werden die Beobachtungsobjekte erläutert, wobei sich der breite Kuppelspalt ideal dazu eignet, auch den Himmel selbst mit den aktuellen Sternbildern, Milchstraße oder vorbeifliegenden Satelliten vorzustellen. Stressig wird es bei der jährlichen sommerlichen Ferienpassaktion, wenn ca. 60 Kinder mit ihren Eltern anreisen. Dann werden Gruppen gebildet, und es gibt auch draußen vor der Sternwarte Beobachtungen mit kleineren Zusatzteleskopen (Abb. 4).
Öffentliche Beobachtungen am 1,12-m-Teleskop Ideale Bedingungen zum Beobachten der
Journal für Astronomie Nr. 77 | 113
VdS vor Ort / Portrait
4 Ludger Herkenhoff (2. v. l.) im Außeneinsatz vor der Sternwarte bei der Ferienpass-Aktion. (Bild: Peter Riepe)
Deep-Sky-Objekte bietet die Zeit vom Spätsommer bis zum Frühjahr. Helle Kugelsternhaufen wie M 13 oder M 56 sind im 30-mm-Okular bei 6,5 mm Austrittspupille bis ins Zentrum aufgelöst zu beobachten. In den Sternbildern Schild, Schwan, Cassiopeia bis hin zum Fuhrmann folgen die Standardobjekte unter den offenen Sternhaufen. Zur Winterzeit erfreut der prächtige Orionnebel M 42 die Besucher. Bei mondlosem Himmel und guter Durchsicht werden Galaxien beobachtet. M 82 im Großen Bären zeigt kontrastreich ihre inneren Dunkelgebiete. Die edge-on-Galaxie NGC 891 in der Andromeda präsentiert ihren breiten Staubstreifen in der galaktischen Ebene. NGC 7331 zeigt eine spindelförmige Gestalt, dazu vier kleinere Begleiter. Unglaublich ist es, die Spiralarme des Andromedanebels mit den vielen Dunkelwolken abzufahren und dort in der größten Assoziation NGC 205 die hellsten Blauen Überriesen von 16 bis 17 mag aufzuspüren. Galaxiengruppen wie Stephans Quintett sind schwieriger und bleiben erfahrenen Beobachtern vorbehalten. Je tiefer wir ins All schauen, desto weiter schauen wir zurück in die Vergangenheit. Beim Anblick des 400 Lichtjahre entfernten Doppelsterns Albireo wurde den Besuchern bewusst, dass das heute ins Teleskop fallende Licht den Stern bereits verließ, als Johannes Kepler astronomisch wirkte.
Der Planetarische Nebel NGC 6543 im Drachen zeigt eine enorme Flächenhelligkeit, dazu ein lebhaftes Grün, NGC 7662 in
der Andromeda heißt nicht von ungefähr ,,Blauer Schneeball". Der Hantelnebel M 27 gehört zu den Objekten, bei denen die Besucher immer die typische Form erkennen und beschreiben können. Sommerobjekte wie der Wolf-Rayet-Nebel NGC 6888 oder der ,,Sturmvogel" im Cirrusnebel hoch im Schwan sind ohne Filter mühelos zu sehen. Der Mond ist ein beliebtes Beobachtungsobjekt. Er wird zunächst mit einem Celestron 8 und dem 6-Zoll-Leitrefraktor bei kleiner Vergrößerung in der Übersicht betrachtet, dann folgt am Newton der hoch aufgelöste Blick auf die Krater und Gebirgsketten. Dank der Handtastbox können die Besucher langsam den Mondterminator abfahren.
Astrofotografie Das dörfliche Oberholsten hat einen dunklen, transparenten Landhimmel. Für die Astrofotografie nutzen wir drei CCD-Kameras. Die Höhenlage des Teleskops und die wirksame Gebäudekühlung sorgen bei menschenleerer Kuppel für überdurchschnittlich gute Luftbedingungen. Nicht selten haben wir Seeing-Werte im Bereich von 1 bis 1,5 Bogensekunden. Außerdem erzeugen zwei Ventilatoren direkt über dem Hauptspiegel einen ständigen Luftstrom und verhindern so schlechtes Instrumentenseeing. Was wir an Astrofotografie betreiben, wird auch überwiegend veröffentlicht (Abb. 5 und 6), am liebsten in Verbindung mit einem Artikel über das aufgenommene Objekt [1, 2].
Zum Schluss In der Corona-Zeit 2020 sanken die Besucherzahlen drastisch. Ab und zu kamen Familiengruppen. Die Zeit wurde aber auch genutzt für intensive Wartungsarbeiten wie das Nachlackieren von Fernrohrteilen, das Fetten des Schneckengetriebes oder neue Anstriche in der Kuppel. Zurzeit (Winter 2020/2021) wird nach 20 Jahren Betrieb die Teleskopsteuerung von Grund auf erneuert.
Die EXPO-Sternwarte Melle steht der Öffentlichkeit für Besuche und Beobachtungen grundsätzlich zur Verfügung. Alle Besucher sind herzlich willkommen. Interessenten erfahren mehr - gerade jetzt während der Corona-Pandemie -auf unserer Homepage www.sternwarte-melle. de oder bei einem Telefonat mit unserer Geschäftsstelle: Bernd Schröter, Oststr. 17, 49324 Melle, Tel. 05422/3986.
Literaturhinweise: [1] P. Riepe, R. Sparenberg, H. Tomsik,
2012: ,,IC 2574, ein Mitglied der Ursa-Major-Gruppe", VdS-Journal für Astronomie 41, S. 65-69 [2] P. Riepe, R. Sparenberg, 2016: ,,IC 10, ein Begleiter der Andromedagalaxie", VdS-Journal für Astronomie 60, S. 28-32
114 | Journal für Astronomie Nr. 77
5 Elefantenrüssel IC 1396A, 11.09.2020, SBIG STL-11000,
belichtet 10 x 10 min (L), je 3 x 10 min (RGB). (Aufnahme: Rainer Sparenberg und Peter Riepe)
6 Die Höhle im Kopf von IC 1396A (Detail aus Abb. 5) wird innen durch den
hellsten Höhlenstern LkH 349, einen Emissionslinienstern, gelb erleuchtet. Einige durchscheinende Hintergrundsterne sind sichtbar. Rechts unten der B3-Stern HD 239710 mit dem bekannten Reflexionsnebel vdB 142.
VdS-Nostalgie Ausgewählt und zusammengestellt von Peter Völker - Folge 39
Die Berliner VdS-Tagung währte vom 23. bis 26.10.1969 und hatte es in sich! Fast wäre die VdS "geplatzt", denn es fand sich nach Walter Stein kein neuer Vorsitzender, und der Geschäftsführer wurde erstmals nicht entlastet. Als kommissarischer Vorstand erklärte sich Friedrich Frevert, Wetzlar, der bereits im Ruhestand war, bereit, mit Adolph Kunert, dem wissenschaftlichen Leiter der Wilhelm-Foerster-Sternwarte, Berlin, der das "nebenbei" machen
wollte, und Hans Oberhofer von der Volkssternwarte München. Liest man den Tagungsbericht aufmerksam, so wird auch Neues verkündet. Es bilden sich Arbeitsgruppen - auch "Zentralstellen" genannt. Auf Seite 168 des Nachrichtenblattes rufen Lutz Iltzsche und Joachim Gerhard auf, sich in einem
"Arbeitskreis Astrofotografie" fachlich auszutauschen. Der Begriff VdS-Fachgruppe war noch nicht erfunden.
116 | Journal für Astronomie Nr. 77
VdS-Nostalgie Journal für Astronomie Nr. 77 | 117
HERKULES NÖRDL. KRONE Gemma
SCHLANGE (KOPF)
WAAGE SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. April 23 Uhr MESZ
BOOTES
JAGDHUNDE
Arktur
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
GROSSER BÄR
KLEINER LÖWE
LÖWE
Regulus
Capella FUHRMANN
LUCHS
Castor Pollux
Mars ZWILLINGE
STIER
KREBS
ORION Beteigeuze
Procyon
KLEINER HUND
Spica RABE
BECHER
SEXTANT
Alphard
RSCHLANGE WASSE
SÜD
EINHORN
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zusammengestellt von Werner E. Celnik, mit Beiträgen von Dietmar Bannuscher (Veränderliche Sterne), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Kleinplaneten).
Ereignisse im April
01. Monats- R Leonis (Mira-Stern), Min. 11,3 mag, Max. Anf. Sept.,
anfang schwierig
02. 3h
Mond 4,4 Grad NO Antares (Alpha Scorpii, 1,1 mag)
04. 11:02 Letztes Viertel
05.
max. Libration West
05. ca. 21:15 (515) Athalia (16,6 mag) bedeckt TYC 1372-01216-1
(10,0 mag, Sternbild Zwillinge) für 2,8 s, Hell.-Abnahme
6,6 mag, Pfad Schweiz
06. 04:30 Mond 5,8 Grad SW Saturn (0,8 mag, 16,1'')
07. 5h
Mond 5,9 Grad S Jupiter (-2,1 mag, 35,2'')
11. 5h
Io mit Schatten vor Jupiter
12. 3h
(9) Metis (9,6 mag) 8,8' NO Galaxie NGC 4910 (11,3 mag,
4,9'), Sternbild Jungfrau
12. 03:31 Neumond
14. 19h
Mond erdfern, 29,4'
15.
Streif. Sternbed. Mond - Omega 2 Tauri (4,9 mag), Linie
Nordhorn - Rheine - Gütersloh - Bad Driburg - Erfurt -
Blankenhain - Falkenstein/Vogtland
15. 21h
Mond 6,2 Grad W Aldebaran (Alpha Tauri, 1,0 mag)
15. ab 21:35 Mond bedeckt Omega Tauri (4,9 mag), Zeitpunkt abh. v.
Standort
17. 0h
(9) Metis (9,7 mag) 12' SO Galaxie NGC 4772 (10,7 mag,
3,2'), Sternbild Jungfrau
17.
Streif. Sternbed. Mond - SAO 77790 (7,4 mag), Linie
Borkum - Edewecht - Nienburg (Weser) - Hannover -
Lengede - Halberstadt - Halle - Leipzig
17. 21h
Mond 3,2 Grad O Mars (1,5 mag, 4,9'')
19. ab 19:11 Mond bedeckt Kappa Geminorum (3,6 mag), Zeitpunkt
abh. v. Standort
20. 07:59 Erstes Viertel
21.
max. Libration Ost
22. 21h
Mond 5,7 Grad NO Regulus (Alpha Leonis, 1,4 mag)
22. auf 23. Maximum Meteorschauer der Lyriden, 48 km/s, ca. 18/h
23. ab 04:35 Ganymed vor Jupiter, bis 08:23
25. 18:13 Merkur (-1,6 mag, 5,3'') 1,2 Grad NW Venus (-3,9 mag, 9,8''),
Taghimmel
26. 3h
Mond 6,1 Grad N Spica (Alpha Virginis, 1,1 mag)
26. 21:45 Mars (1,5 mag, 4,7'') 36' N off. Sternhfn. M 35
27. 04:32 Vollmond, erdnah (33,4')
29. 03:30 Mond 5,2 Grad NW Antares (Alpha Scorpii, 1,1 mag)
30. 23h
(9) Metis (10,1 mag) 15' S Galaxie NGC 4636
(9,4 mag, 5,6') und 28' N Galaxie NGC 4643 (10,8 mag,
3,1'), Sternbild Jungfrau
118 | Journal für Astronomie Nr. 77
SCHWAN LUCHS
LEIER Albireo
Wega HERKULES
GROSSER BÄR
Castor Pollux
ZWILLINGE Mars
NÖRDL. KRONE
Gemma
BOOTES
SCHLANGE (KOPF)
Arktur
JAGDHUNDE
HAAR DER BERENIKE
INER LÖWE KLE
KREBS
LÖWE
Regulus
KLEINER HUND
Procyon
SCHLANGENTRÄGER
SÜDOST
SKORPION
JUNGFRAU
WAAGE
Spica RABE
BECHER
Sternkarte exakt
gültig für 15. Mai
23 Uhr MESZ
SÜD
SEXTANT
Alphard
RSCHLANGE WASSE
SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Quellen: US Naval Observatory, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto), Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]).
Ereignisse im Mai
01. ab 04:11 Europa mit Schatten vor Jupiter
03. 20:50 Letztes Viertel, max. Libration West
04. 03:30 Mond 6,7 Grad SO Saturn (0,7 mag, 16,8'')
05. 03:30 Mond 5,5 Grad SO Jupiter (-2,2 mag, 37,9'')
05. auf 6. Maximum Meteorschauer der Eta-Aquariden, 67 km/s,
bis zu 40/h
06. ca. 22:00 (1244) Deira (15,7 mag) bedeckt HIP 42594 (7,6 mag,
Sternbild Krebs) für 1,4 s, Hell.-Abnahme 8,3 mag,
Pfad Deutschland - Österreich
11. 20:00 Neumond, erdfern (29,4')
11. 23h
(4) Vesta (7,2 mag) 6,8' N Galaxie NGC 3447 (13,3 mag,
3,4'), Sternbild Löwe
12. 20:30 Mond 2,4 Grad SW Venus (-3,9 mag, 10,0'') und 8,5 Grad W
Aldebaran, tief im NW
13. 21:30 Mond 2,7 Grad S Merkur (0,1 mag, 7,4''), tief im NW
15. 22h
Mond 4,5 Grad W Mars (1,7 mag, 4,4'')
15. ab 23:07 Mond bedeckt Epsilon Geminorum (3,0 mag), Zeitpunkt
abh. v. Standort
17. 7h
Merkur (0,5 mag, 8,2'') größte östl. Elong (22 Grad ), Abend-
sichtbarkeit
19. ca. 02:04 (801) Helwerthia (15,9 mag) bedeckt HIP 92878 (8,7 mag,
Sternbild Adler) für 5,2 s, Hell.-Abnahme 7,2 mag, Pfad
O-Deutschld. - O-Österreich
19. 20:13 Erstes Viertel, max. Libration Ost
19. 23:27 20. 23:30
23. 22h 26. 12:14
26. 23h 28. 21h
31. 2h
Mond 4,0 Grad N Regulus (Alpha Leonis, 1,4 mag) (9) Metis (10,5 mag) 12' O Galaxie NGC 4536 (10,3 mag, 7,2'), Sternbild Jungfrau Mond 5,5 Grad NO Spica (Alpha Virginis, 1,1 mag) Vollmond, erdnah (33,4'), totale Mondfinsternis, in EU unbeobachtbar Mond 4,4 Grad NO Antares (Alpha Scorpii, 1,1 mag) Merkur (2,2 mag, 10,6'') 32' O Venus (-3,9 mag, 10,2''), tief im NW Mond 5,1 Grad S Saturn (0,6 mag, 17,6'')
Journal für Astronomie Nr. 77 | 119
LUCHS
Deneb SCHWAN
DRACHE
FÜCHSC HEN
DELFIN
PFEIL
Albireo
Wega LEIER
HERKULES
NÖRDL. KRONE
Gemma
Atair
ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)
SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER
GROSSER BÄR
JAGDHUNDE
BOOTES Arktur
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
LÖWE EINER KL
LÖWE
Regulus
SCHILD
SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. Juni 23 Uhr MESZ
SKORPION Antares
WAAGE
Spica RABE
WOLF SÜD
WASSERSCHLANGE
BECHER
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Alle Zeitangaben in MEZ, für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben. Zum Umrechnen in MESZ im Zeitraum 28.03.2021, 2:00 Uhr MEZ, bis 31.10.2021, 2:00 MEZ, eine Stunde zu den Zeitangaben addieren ,,Libration West" bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom westlichen Mondrand (Mond-Osten) befindet.
Ereignisse im Juni
01. Monats- T Cephei (Mira-Stern), Max. 5 mag
anfang
01.
max. Libration West
01. 2h
Mond 7,8 Grad SW Jupiter (-2,4 mag, 41,2'')
02. 08:24 Letztes Viertel
05. ab 01:23 Ganymed verfinstert Io, bis 01:42, beide Schatten auf
Jupiter
05. ab 01:39 Io mit Schatten u. Ganymed-Schatten vor Jupiter, bis
02:40
06. 23h
(3) Juno (10,1 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild
Schlangenträger
08. ca. 02:58 (12) Victoria (9,8 mag) bedeckt TYC 5189-00393-1
(9,4 mag, Sternbild Wassermann) für 17,8 s, Hell.-
Abnahme 0,9 mag, Pfad W-Österreich - SO-Deutschld.
- O-Deutschld.
08. 3h
Mond erdfern, 29,4'
08. 23h
(4) Vesta (7,5 mag) 31' NO Galaxie NGC 3593 (11,0 mag,
5,0'), Sternbild Löwe
10. ab ca. Kallisto vor Jupiter, bis 03:38
01:30
10. ab ca. ringförmige Sonnenfinsternis, in Mitteleuropa partiell
10:17 beobachtbar (Bed. 4,4 bis 18,8%), bis ca. 12:48, genaue
Zeiten abh. v. Standort
10. 11:53 Neumond
10. 23h
(4) Vesta (7,5 mag) 17' S Galaxie M 65 (9,2 mag, 9,6'),
Sternbild Löwe
11. 23h
(4) Vesta (7,5 mag) 22' S Galaxie M 66 (8,9 mag, 8,7'),
Sternbild Löwe
120 | Journal für Astronomie Nr. 77
12. 21:30 13. 22h 15. 22h 16. 17. 0h
18. 04:54 19. 23h 21. 04:32 22. 23:30 23. 11h 24. ab 00:23
24. 19:40 27. ab 0:30 27. 01:30 28. ab 01:37 29. 1h 29. 30. 00:30
Mond 5,8 Grad O Venus (-3,9 mag, 10,6'') Mond 2,0 Grad N Mars (1,8 mag, 4,0'') Mond 5,3 Grad NW Regulus (Alpha Leonis, 1,4 mag) max. Libration Ost (80) Sappho (11,2 mag) 25' NW Kugelhfn. M 2 (6,6 mag, 15,8'), Sternbild Wassermann Erstes Viertel Mond 5,8 Grad N Spica (Alpha Virginis, 1,1 mag) Sommeranfang Mond 5,8 Grad NW Antares (Alpha Scorpii, 1,1 mag) Mond erdnah, 33,2' Mond bedeckt Theta Ophiuchi (3,3 mag), Zeitpunkt abh. v. Standort Vollmond Europa mit Schatten vor Jupiter, bis 01:08 Mond 7,9 Grad SW Saturn (0,4 mag, 18,2'') Io mit Schatten vor Jupiter, bis 02:51 Mond 5,3 Grad SO Jupiter (-2,6 mag, 45,0'') max. Libration West (6) Hebe (8,8 mag) 5,6' NW Doppelstern 57 Aquilae (5,7 mag)
Beobachterforum
Die Sonnenuhr in Atzenhain als Partnerstation des Weltprojekts EarthLAT1200.org
von Kurt Niel und Gerhard Benna
Eine sehr detaillierte vertikale Sonnenuhr hat Gerhard Benna in Atzenhain, Mittelhessen, in einem Jahreszyklus geschaffen. In langwieriger Beobachtung hatte er den Gang des Schattens auf der Wand festgehalten, in malerischer Kleinarbeit ausgeformt und daraus ein Ablesen der Uhrzeit und des Datums ermöglicht (Abb. 1). Sein Fliesengeschäft ist im Gebäude untergebracht und so konnte er bei passendem Wetter häufig weitere Markierungen anbringen. In Form von Analemma-Schleifen sind für jede Viertelstunde des Schattengangs Stundenlinien fixiert. Gerade Stundenlinien an Sonnenuhren weisen auf das Ablesen der Sonnenzeit (WOZ, Wahre Ortszeit). Die Schleife verdeutlicht den Unterschied der Sonnenzeit (Mittag ist dann, wenn die Sonne genau am Nord-Süd-Meridian steht) zur
Uhrzeit (konstante Zeitschritte). Die sich je nach Datum ergebende Abweichung entsteht aus der ellipsenförmigen Umlaufbahn der Erde um die Sonne sowie der Neigung der Erdachse zur Umlaufebene (Ekliptik) und beträgt über das Jahr bis zu +- 20 min. Darüber hinaus sind an der Atzenhainer Sonnenuhr Tageslinien für jedes Datum vorhanden (Abb. 2). Die Sonnenuhr kann live mittels Webkamera über die Homepage des Projekts EarthLAT1200.org [1] betrachtet werden (Abb. 3). Dort sind globale (UTC, Coordinated Universal Time) und lokale Zeitangaben (LAT, Local Apparent Time, Wahre Ortszeit) sowie als Hinweis für die dortigen Witterungsverhätnisse Temperaturwerte um die Sonnenuhr ablesbar. Eine Aktualisierung der Bilder findet zu Tageszeiten alle 2 Minuten statt.
Projekt EarthLAT1200.org Bennas Sonnenuhr ist eine Partnerstation des weltweiten Projekts EarthLAT1200.org. Hier sind aktuell Live-Bilder von Sonnenuhren aus Thailand, Rumänien, Deutschland und Österreich abrufbar. Stationen aus Spanien und Neuseeland werden bald dazustoßen. Aus Oberösterreich ist etwa die Kepleruhr [2, 3] (Abb. 4) sichtbar, die mit einer Fläche von 240 m2 wahrscheinlich größte vertikale Sonnenuhr Europas. Diese zeichnet sich durch eine Vielzahl von weiteren Eigenschaften aus: Durch Spiegel am Gnomon (schattenwerfende Kugel) werden in der Früh und abends Sonnenstrahlen auf die Wand geworfen, während diese noch im Schatten liegt; ein Nord-Süd-Schlitz in der Kugel gestattet eine Ablesegenauigkeit von +-15 s von Mittag; aktuelle Tierkreiszeichen
1 Sonnenuhr in Atzenhain im Überblick (Bild: Gerhard Benna)
Journal für Astronomie Nr. 77 | 121
Beobachterforum
2 Sonnenuhr in Atzenhain im Detail
(Bild: Gerhard Benna)
können aus der Schattenposition abgelesen werden. Ein Ziel des Projekts EarthLAT1200.org ist, den Betrachtern die große Dynamik der Erdrotation im Verhältnis zur Sonne spürbar zu machen. Diese Verhältnisse sind zwar in Zahlen beschrieben bekannt, aber wegen der Größenordnungen für den Menschen nicht ohne Weiteres wahrnehmbar.
In weiterer Folge sollen immer mehr weltweit verteilte Partnerstationen Live-Bilder von Sonnenuhren liefern, damit eine 24/7-Verfolgung der von Ost nach West über den Globus wandernden Mittagslinie möglich ist: Einspielungen von etwa 200 Webkameras von Sonnenuhren sind dazu notwendig, um den Globus in ca. 10 Grad -Schritten abzudecken und zur Witterungsrobustheit Ausweichen am Längengrad bereitzustellen.
Die Darstellung der beweglichen globalen Sonnenstandsituation soll auch im Erdkundeunterricht Verwendung finden. Ein weiteres didaktisches Ziel ist, dass sich kleine Gruppen als Partnerstationen mit der Thematik befassen, eine Sonnenuhr zu errichten und dazu eine Webkamera mit Übertragungseinheit zu bauen. Technisch könnte so eine Übertragungsstation mit einem RaspberryPI und einer PI-Cam realisiert werden. Im Rahmen eines Projektunterrichts im Ausbildungsfachgebiet IoT (Internet of Things), Physik, Programmieren, Schaltungstechnik oder ähnliche könnte sich die Gruppe eine via GitHub [4] zur Verfügung gestellten Software-Lösung zunutze machen oder sie entwirft eine eigene Software, die die Aufgabenstellung erfüllt.
Literatur- und Internethinweise (Stand Dez. 2020): [1] Projektseite von EarthLAT1200.org: https://
earthlat1200.org/de-atzenhain [2] K. Niel, 2015: ,,Die Grieskirchner Kepleruhr. Eine
vertikale, ebene Ganztagssonnenuhr"; Sterne und Weltraum, 5/2015 [3] Projektseite der Kepleruhr: https://Kepleruhr.at, mit Links zu YouTube-Kanal mit Zeitraffervideos [4] Projektseite von EarthLAT1200.org, https:// earthlat1200.org/project-outlook, Resources
122 | Journal für Astronomie Nr. 77
3 Live-Webbild mit lokalen Zeit- und Temperaturdaten mit Spinne als
Fotobombe (Bild: EarthLAT1200.org)
4 Die Kepleruhr in Grieskirchen, Österreich (Bild: Kurt Niel)
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