Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 75
SONSTIGES/VDS
1 Editorial (Vorstand)
4 Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie (VdS-Geschäftsstelle)
4 100 Jahre Olbers-Gesellschaft in Bremen (Holger Voigt)
5 Astronomietag am 24. Oktober 2020 (VdS-Geschäftsstelle)
SPT
6 Grundlagen zur Infrarotastronomie (Riepe Peter)
12 V2494 Cyg und sein kometenartiger Nebel (K.-H. Kower)
16 Mein Einstieg in die Nahinfrarot-Astrofotografie (T. Daiber)
19 Das Unsichtbare sichtbar machen (M. Mrotzeck)
23 Infrarotastronomie aus wissenschaftlicher Perspektive (J. Beckmann)
27 Der Veränderliche V2007 Cygni (Riepe Peter)
SONSTIGES/VDS
29 Inserenten (VdS-Geschäftsstelle)
SPT
30 Die Mondfinsternis vom 21.09.2019 (P. C. Slansky)
SONSTIGES/VDS
33 Mond bedeckt Venus (Bernd Flach-Wilken)
SPT
34 Den Schleier lüften - Galaxienfotografie im Infraroten (M. Mrotzeck)
SONSTIGES/VDS
38 Impressum (VdS-Geschäftsstelle)
SPT
40 Dunkelwolken im Nahinfraroten (Celnik Werner E.)
45 Erkundung des Unsichtbaren (P. Remmel)
47 Infrarot-Astrofotografie mit einer DSLR? (Celnik Werner E.)
52 Mineraliensuche auf dem Mond (W. Bischof)
58 Faszination Infrarotfotografie (Hänel Andreas)
AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
62 Umbau einer Düring-Barlowlinse für 2-Zoll-Zubehör (M. Hellriegel)
63 Ein Sternwartenbau in Thailand (Wolfgang Weber)
ASTROFOTOGRAFIE
66 Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie (T. Zilch)
69 DeepSkyCamera-App für Android (Teil 2) ("M. Seeboerger- Weichselbaum")
73 Andromeda‘s Parachute (P. Bresseler)
76 Im Grenzgebiet von Cepheus und Cassiopeia (Teil 2) (H. J. Mayer)
78 SNR G206.9+2.3 - ein kaum bekannter Supernovarest ("D. Pölzl P. Riepe")
82 Neue Astroaufnahmen (Riepe Peter)
ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
86 Wir bringen allen Menschen den Himmel nah (Eva Walitzek)
90 Wie die Starlink-Satelliten unser Leben verändern (Carla Wengler)
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
92 Schwarze Löcher haben keinen Durchmesser (Pilz Uwe)
93 Basic Calculus of Planetary Orbits and Interplanetary Flight (Klaus Rohe)
"ATM. ERSCHEINUNGEN"
94 Kurz vor den Corona-Beschränkungen - 40. AKM-Seminar in Bad Kissingen (Elmar Schmidt)
DEEP SKY
97 Skyguide 2020 - 3 (Herbst) ("Robert Zebahl Rene Merting")
GESCHICHTE
101 Johann Georg Repsold (Manfred Holl)
104 Zur Frühgeschichte der Impakttheorien (Teil 3) (Oliver Maiwald)
KLEINE PLANETEN
106 Neues aus der FG Kleine Planeten (Lehmann Gerhard)
107 Kosmische Begegnungen ("Klaus Hohmann Wolfgang Ries")
KOMETEN
110 Bedeutende Kometen des ersten Quartals 2020 (Pilz Uwe)
112 Komet C/2020 F3 (NEOWISE) (Pilz Uwe)
MOND
118 Mondbilder (Riepe Peter)
PLANETEN
122 Venusfotografie unter optimalen Voraussetzungen (W. Bischof)
123 Die Venus im Frühjahr 2020 (Riepe Peter)
RADIOASTRONOMIE
127 Neues aus der Fachgruppe Radioastronomie (F. Theede)
STERNBEDECKUNGEN
127 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im November und Dezember 2020 (Riedel Eberhard)
VERäNDERLICHE STERNE
132 Beteigeuze trotz Schwäche ganz stark (Bannuscher Dietmar)
VDS-NOSTALGIE
134 Das war‘n noch Zeiten, Folge 38 (Völker Peter)
VDS VOR ORT
136 Astronomietag ohne Besucher (E. H. R. Bredner)
NACHRICHTEN
137 Wir begrüßen neue Mitglieder (VdS-Geschäftsstelle)
SERVICE
138 Himmelsvorschau Juli bis Dezember 2020 (Melchert Sven, Celnik Werner E.)
BEOBACHTERFORUM
141 Transit der ISS vor der Sonne (M. Ergün)
142 Amateuraufnahmen extragalaktischer Supernovae (Riepe Peter)
VORSCHAU
143 Vorschau auf astronomische Veranstaltungen Oktober bis Dezember 2020 (WEC)
Textinhalt des Journals 75
Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software.
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Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.
Nach Redaktionsschluss
100 Jahre Olbers-Gesellschaft in Bremen
von Holger Voigt
Am 19. November 2020 begeht die Olbers-Gesellschaft Bremen e. V. ihr 100-jähriges Jubiläum. In diesem Zusammenhang ist neben diversen Festakten eine Ausstellung im Bremer ,,Haus der Wissenschaft" geplant, die am 12. November 2020 eröffnet werden soll. Die Festakte in der Oberen Rathaushalle sowie in der Walter-Stein-Sternwarte sind für den 20./21. November vorgesehen, sofern nicht aufgrund der Corona-Pandemie eine Verschiebung nötig ist.
Zu diesem Anlass hat die Olbers-Gesellschaft ein Jubiläumsbuch herausgebracht: ,,100 Jahre Olbers-Gesellschaft", welches bereits im Buchhandel erhältlich ist.
Weitere Informationen und aktuelle Hinweise gibt es auf unserer Homepage unter www. olbers-gesellschaft.de.
Der Vorstand der VdS gratuliert dem langjährigen VdS-Mitglied zu diesem wirklich besonderem Jubiläum von ganzem Herzen und wünscht, dass die Festlichkeiten wie vorgesehen stattfinden können!
Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 76 ,,Astrotourismus/Astrourlaub" abgeschlossen haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen: ,,Doppelsterne" in Journal Nr. 77 Redaktionsschluss: 01.11.2020 Redakteur: Robert Zebahl (fg-deepsky@vds-astro.de)
,,Marsopposition 2020" in Journal Nr. 78 Redaktionsschluss: 01.02.2021 Redakteur: Sven Melchert (redaktion-planeten@vds-astro.de)
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-FachgruppenRedakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden. Vorher empfehlen wir, als Hilfestellung die Autorenhinweise zu nutzen (siehe www.vds-astro.de/ index.php?id=307). Dort finden Sie in der rechten Randspalte auch einen Musterartikel als Vorbild und das Artikeldeckblatt zum Eintragen der wichtigsten Daten.
Mit dem Einsenden gibt der Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im ,,VdS-Journal für Astronomie" und zur Veröffentlichung auf den Webseiten der VdS. Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion
4 | Journal für Astronomie Nr. 75
Bochumer Herbsttagung fällt aus
Vermutlich hat es der ein oder andere ja schon befürchtet: Wie etliche andere Veranstaltungen muss auch die BoHeTa 2020 wegen der Coronavirus-Pandemie ausfallen. Wir können die umfangreichen und gesetzlich verbindlichen Sicherungsmaßnahmen im Hörsaal, im Foyer und auf den Zuwegen weder umsetzen, erst recht nicht für Ihren sicheren Schutz garantieren. Schließlich tragen wir eine Verantwortung für die Tagungsteilnehmer. Dazu kommt noch folgende Überlegung: Unabhängig davon, ob wieder Großveranstaltungen gesetzlich zugelassen sind oder nicht - es werden in diesem Jahr vermutlich viele Besucher berechtigterweise solche Großveranstaltungen vermeiden. Ein Risiko würde in jedem Fall bestehen.
Wir sehen uns hoffentlich 2021 in gewohnter Umgebung wieder!
Peter Riepe (FG Astrofotografie) für das Organisationsteam der BoHeTa
Nach Redaktionsschluss
Wird es ein ,,richtiger" Astronomietag, findet er nur online statt oder fällt er noch einmal ganz aus? Heute, am 23. Juli, wissen wir das noch nicht. Die Sterne stehen zumindest günstig, besser gesagt der Mond und die Planeten:
In der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober werden die Uhren von Sommer- auf Normalzeit umgestellt. Sobald es abends dunkel wird, leuchtet der zunehmende Halbmond tief über dem südlichen Horizont. Rechts vom Mond findet man Saturn und Jupiter. Links vom Mond, in Richtung Osten, leuchtet hell Mars. Mars stand Mitte Oktober in Opposition, ist jetzt noch -2,4 mag (!) hell und 21 Bogensekunden groß - das ist einen Anblick im Teleskop wert. Neptun und Uranus sind rechts bzw. links von Mars zu finden. Am Ende der Nacht geht Venus
als Morgenstern über dem Osthorizont auf. Somit sind bis auf Merkur alle Planeten des Sonnensystems am Nachthimmel vertreten. Wo ist Merkur? Er steht direkt neben der Sonne, zieht am Sonntag an ihr vorbei und wird Anfang November am Morgenhimmel auftauchen.
Wer noch kurzfristig eine Veranstaltung anbieten möchte, kann sich unter www. astronomietag.de dazu registrieren. Die Plakate wurden bereits verschickt, sofern noch welche verfügbar sind, hilft Ihnen die Geschäftsstelle gern weiter: service@vds-astro.de.
Für Online-Aktivitäten schauen Sie bei uns unter facebook.com/sternfreunde und Twitter @astronomietag nach.
Wir wünschen uns sehr, dass dieser Astronomietag ohne größere Einschränkungen stattfinden kann. Falls nicht, dann sei hier bereits der Termin für den Astronomietag 2021 genannt: Es ist der 20. März.
Der Mond-, Sternen- und Planetenhimmel am 24. Oktober
Infrarotastronomie
Grundlagen zur Infrarotastronomie
von Peter Riepe
Das vom menschlichen Auge registrierte Licht ist der Natur nach eine elektromagnetische Welle. Jede elektromagnetische Wellenart wird durch elektrische und magnetische Felder begleitet und breitet sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit aus. Alle elektromagnetischen Wellenarten unterscheiden sich durch ihre Entstehung und durch ihre typischen Wellenlängen bzw. ihre Frequenz f (Tab. 1), was astronomisch gesehen unterschiedliche Erscheinungsformen zur Folge hat. Licht erstreckt sich auf Wellenlängen von ca. 400 bis 750 nm (0,4-0,75 m) und deckt den Farbbereich Violett bis Rot ab. Kürzere Wellenlängen wie Ultraviolett (UV), Röntgen- oder Gammastrahlung kann der Mensch nicht sehen, er nimmt jedoch ihre schädlichen Auswirkungen wahr. Auch die Infrarotstrahlung (IR) ist nur ein Teil des gesamten elektromagnetischen Spektrums (lat. infra = unterhalb). Sie ist für uns unsichtbar, aber wir spüren sie als abgestrahlte Wärme (z. B. Finger, Haut). Die noch langwelligeren Mikrowellen (z. B. Radar, Mobiltelefon) und die Radiostrahlung entziehen sich ebenfalls vollständig der menschlichen optischen Wahrnehmungsfähigkeit.
Der Infrarotbereich Friedrich Wilhelm Herschel widmete sich um 1800 in England der Erforschung des
Lichtes. Er zerlegte weißes Licht in seine Spektralfarben und maß dabei in allen Farbbereichen die Strahlungstemperatur. Herschels Feststellung: Die Temperatur nimmt vom violetten zum roten Licht zu. Dann eine Überraschung: Außerhalb des roten Lichts war die gemessene Temperatur am höchsten. Herschel nannte diese unsichtbare Strahlung ,,kalorische Strahlen" [1]. Er stellte auch fest, dass diese Strahlung gebrochen, reflektiert und absorbiert werden kann.
Das infrarote Spektrum wird in der Astronomie in drei Bereiche eingeteilt: - das nahe Infrarot (NIR): zwischen
750 nm und 5 m - das mittlere Infrarot (MIR): zwischen
5 m und 30 m - das ferne Infrarot (FIR): zwischen
30 m bis 300 m.
Die ,,Fenster" der Erdatmosphäre Auch wenn wir den Sternenhimmel sehen: Die Erdatmosphäre lässt nicht alle Strahlungen durch. Atmosphärischer Wasserdampf und Kohlendioxid verhindern das. UV- und FIR-Strahlung werden zu 100% absorbiert (Abb. 1). Nur Licht, NIR- und Radiostrahlung (außerhalb des Bildes) können infolge bestimmter ,,Fenster" (Durchlassbereiche) zum Erdboden ge-
langen. Darum befinden sich professionelle IR-Teleskope an Sternwarten in großer Höhe (z. B. Chile, Hawaii), wo die atmosphärische Behinderung erheblich geringer als am Erdboden ist. Nach [2] ergeben sich heute die folgenden üblichen IR-Beobachtungsund Filterbereiche: I (~ 0,8 m), Z (~ 0,9 m), Y (~ 1,0 m), J (1,25 m), H (1,65 m), K (2,2 m), L (3,45 m), M (4,7 m), N (10 m).
Astronomische IR-Beobachtungen Alle Körper im Weltall senden thermisch bedingt eine kontinuierliche elektromagnetische Strahlung aus, die aber nicht konstant über alle Wellenlängen verteilt ist [3]. Die Abbildung 2 zeigt nach [4] die Planck'sche Strahlungskurve für drei Beispielsterne:
a) Ein junger, heißer Stern wie Regulus hat eine Oberflächentemperatur von 13.000 K. Sein Strahlungsmaximum befindet sich im UV-Bereich bei einer Wellenlänge von 223 nm. Im UV wird auch der größte Strahlungsanteil abgegeben. Die Strahlung im optischen Spektralbereich ist schon merklich geringer, wobei blaues und violettes Licht im Vergleich zum roten Licht relativ am stärksten sind. Daher erscheint ein junger, heißer Stern dem Auge im blauen Licht am hellsten. Im Infraroten ist die
1 Durchlässigkeit der Atmosphäre für UV bis FIR. Auf der x-Achse steht die Wellenlänge in Nanometern, auf der y-Achse die
atmosphärische Absorption in Prozent. UV und FIR werden in der Atmosphäre zu 100% absorbiert, im optischen, NIR- und MIR-Bereich gibt es einige "Fenster", durch die die Strahlung den Erdboden erreicht (Grafik: P. Riepe).
6 | Journal für Astronomie Nr. 75
Infrarotastronomie
Strahlung bereits sehr schwach, ab etwa 2.000 nm Wellenlänge geht sie gegen Null.
b) Das Strahlungsmaximum unserer Sonne (5.800 K) liegt im grünen Licht bei 500 nm Wellenlänge. Für Wellenlängen kürzer als blau fällt die Intensität drastisch ab, für Wellenlängen länger als rot ist der Abfall weniger stark. Auch im NIR wird noch viel Energie frei.
c) Je kühler ein Stern, desto weiter ver-
schiebt sich sein Strahlungsmaximum zu
langen Wellenlängen (Wien'sches Gesetz).
Der Rote Zwerg Proxima Centauri mit
3.040 K hat sein Strahlungsmaximum be-
reits im NIR bei 953 nm. Dort liegt auch sein größter Strahlungsanteil. Zwar wird
2 Normierte Planck'sche Strahlungskurven für die Sterne Regulus, Sonne und Proxima
auch ein wenig Licht abgestrahlt, aber eine Centauri (von oben). Mit freundlicher Genehmigung von [4], Beschriftung der Achsen
blaugefilterte Aufnahme würde einen Ro- modifiziert.
ten Zwerg schon sehr schwach wiederge-
ben. Braune Zwerge von 1.200 K leuchten
im MIR (2,4 m) maximal und strahlen in Die tiefstmögliche Temperatur (der abso- an, in welcher IR-Wellenlänge die kalte Ma-
optischen Wellenlängen so gut wie keine lute Nullpunkt) liegt bei 0 K = -273,2 Grad C. terie strahlt. Was ist in den Bereichen NIR,
Energie mehr ab.
Auch wenn Materie nach menschlichem MIR und FIR beobachtbar?
Empfinden kalt ist, verfügt sie bei Tempe-
raturen oberhalb des Einer der grundlegenden erdgebundenen
absoluten Nullpunkts IR-Surveys ist der 2 Micron All Sky Sur-
Tabelle 1
Licht und IR-Strahlung im gesamten
über (mehr oder weniger) Wärme. Wärme - und damit verbunden
vey (2MASS). Zwei Teleskope von 1,3 m Öffnung - eines auf dem Mout Hopkins/ USA, das andere auf Cerro Tololo/Chile -
elektromagnetischen Spektrum
IR-Abstrahlung - hat wurden 2003 eingerichtet, um in den drei
Strahlungsart
Gamma
Wellenlänge
< 0,1 nm
Frequenz f
> 3 1018 Hz
ihre Ursache in der Bewegung der molekularen und atomaren Bau-
NIR-Bändern J, H und Ks (K short) den gesamten Himmel aufzunehmen. So konnte ein digitaler IR-Atlas entstehen.
Röntgen
0,1 nm - 10 nm 3 1018 - 3 1016 Hz
steine der Materie. So
Ultraviolett Licht
10 nm - 400 nm 400 nm - 750 nm
3 1016 - 7,5 1014 Hz 7,5 1014 - 4 1014 Hz
gibt eine interstellare Staubwolke, die nur 40 K (-233 Grad C) ,,warm" ist,
Ideal sind Beobachtungen außerhalb der Atmosphäre, was z. B. das Weltraumteleskop ,,Spitzer" durch sensationelle Beob-
Infrarot
750 nm - 300 m
4 1014 Hz - 1 THz (= 1012 Hz)
abgesehen vom schwachen Streulicht der um-
achtungsbefunde beweist [5]. Sehr bekannt ist auch das Projekt SOFIA (Stratospheric
Submillimeter 300 m - 1 mm Mikrowellen 1 mm - 10 cm
1 THz - 300 GHz 300 GHz - 300 MHz
gebenden Sterne, auch IR-Strahlung ins Weltall ab. Um diese geringe
Observatory For Infrared Astronomy). An Bord einer Boeing 747 SP operiert in ca. 13 km Höhe oberhalb der dichtesten
Radio
1 m - 5 km
300 MHz - 60 kHz
Wärme nachzuweisen, Atmosphärenschichten ein hochmodernes
kommt es ganz darauf IR-Teleskop von 2,7 m Öffnung im gesam-
Journal für Astronomie Nr. 75 | 7
Infrarotastronomie
3 Die Bildfolge zeigt die dichte Dunkelwolke Barnard 68, aufgenommen in verschiedenen zentralen Wellenlängen am New Technology
Telescope der ESO. Man erkennt, dass die Absorption vom optischen zum NIR-Bereich immer geringer wird. Bei 2,16 m ist Barnard 68 fast transparent. Credit: (C) ESO.
ten IR-Bereich [6]. Unbedingt zu empfehlen ist das NASA/IPAC Infrared Science Archive (IRSA). Es ermöglicht den Einblick in zahlreiche IR-Kataloge [7].
Typische NIR-Objekte für den Amateur sind rote Sterne (Zwerge, Riesen und Kohlenstoffsterne) mit Temperaturen von 3.700 K bis herunter zu ~1.000 K. Galaktische Staubwolken werden mit zunehmender NIR-Wellenlänge immer durchsichtiger (Abb. 3). So kann man im kurzwelligen NIR-Bereich als Amateur schon merklich in Staubwolken eindringen und dort mögliche Objekte aufspüren. Die Abbildung 4 zeigt das Sternentstehungsgebiet Mon R1. Im oberen Bild aus dem Digital Sky Survey (DSS) sehen wir im sichtbaren Licht die rötliche HII-Region NGC 2170, umgeben von den Reflexionsnebeln [RK68] 48, [RK68] 49 und [RK68] 51 aus dem Katalog von
Rojkovskij & Kurchakov (1968). Im unteren Bild aus dem 2MASS sind die blauen Nebel verschwunden. Die interstellare Materie vor NGC 2170 wird jetzt durchleuchtet und gibt einen jungen Sternhaufen frei [8]. Heiße blaue Sterne wie der oben rechts, die im sichtbaren Licht hell leuchten, treten im NIR bereits kaum noch in Erscheinung. Der Intensitätsabfall der Planck'schen Strahlungskurve belegt das (s. Abb. 2).
Ferne Galaxien, die aufgrund der Dopplerverschiebung ihr Strahlungsmaximum vom Optischen ins Infrarote verschieben, können durch Amateure ebenfalls im NIR nachgewiesen werden. Dem Amateur sollte jedoch klar sein, dass seine Ausrüstung für den NIR-Bereich relativ bescheiden ausfällt. Deswegen steht ihm per CCD- oder CMOS-Kamera auch nur der NIR-Bereich bis etwa 1.100 nm Wellenlänge offen, im
mittleren und fernen IR-Bereich muss er gänzlich passen. Zu aufwändig und teuer ist die benötigte Technik, die von den ProfiAstronomen verwendet wird: Detektoren aus speziellen Werkstoffen für den erweiterten IR-Bereich, dazu die Kryotechnik für flüssigen Stickstoff oder Helium.
Jetzt zum längerwelligen Infrarot: Objekte des Sonnensystems wie Kometen und Planeten werden durch die Sonne erwärmt, strahlen diese Energie im MIR-Bereich ab und können von Raumsonden erforscht werden. Staubwolken, die von Sternen auf 90 K und mehr erwärmt werden, lassen sich ebenfalls nachweisen. Auch Protoplanetare Scheiben werden für diesen Wellenlängenbereich interessant. Im FIR-Bereich schließlich lassen sich kalte Molekülwolken und Staub von 11 bis 140 Kelvin aufspüren. Die Zentralregionen der Galaxien senden
8 | Journal für Astronomie Nr. 75
4 Sternentstehungsgebiet Mon R1.
Oben: die rötliche HII-Region NGC 2170 im sichtbaren Licht (DSS) mit den blauen Reflexionsnebeln [RK68] 48, [RK68] 49 und [RK68] 51. Unten: exakt dasselbe Bildfeld, Darstellung aus dem 2MASS (siehe Aladin [8]).
ebenfalls FIR-Strahlung aus, denn hier liegen große Mengen an stellar erwärmtem Staub vor. Starburst-Galaxien (z. B. M 82), in denen heftige Sternentstehung stattfindet, sind ebenso Objekte für die FIR-Foschung wie auch aktive galaktische Kerne. Die Abbildung 5 zeigt die reale Verteilung galaktischer Materie am Beispiel eines Feldes um den Rosettennebel, Konusnebel und vdB 77. Links ist das optische Bild aus dem Digital Sky Survey zu sehen: Emissions- und Reflexionsnebel, durchmischt von Staubwolken. Rechts: HII-Regionen, Reflexionsanteile und Sterne gibt es in dieser Wellenlänge nicht - nur allein die reine
Infrarotastronomie
5 Das Gebiet um den Rosettennebel, Konusnebel und vdB 77. Links: Digital Sky Survey (optisch), rechts: 100-m-Bild (IRAS, [7]).
Erläuterungen im Text.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 9
Infrarotastronomie
6 Supernovarest Cas A in drei verschiedenen MIR-Wellenlängen, Erläuterungen im Text. Bild aus [11].
Staubverteilung, aufgenommen bei 100 m Wellenlänge mit dem Infrared Astronomical Satellite. Ein völlig anderes Bild!
Bis hierher ging es um thermische IRStrahlung. Angeregte chemische Elemente senden aber auch charakteristische Emissionslinien aus, die selbstverständlich nicht nur dem optischen Spektralbereich vorbehalten sind. Die im sichtbaren Licht wohlbekannte ,,Balmer-Serie" des Wasserstoffs mit der roten H-Linie, der blauen HLinie, der violetten H-Linie usw. findet im NIR-Bereich ein Pendant, die ,,Paschen-Serie" des Wasserstoffs. Die Hauptlinie, Pa, liegt bei 1.874 nm Wellenlänge, gefolgt von Pa (1.281 nm) und Pa (1.093 nm) usw. mit der Grenze bei 820 nm. Im NIR-Bereich wird in Planetarischen Nebeln bei = 906,9
und 953,2 nm eine [SIII]-Emission des zweifach ionisierten Schwefels gefunden, ferner bei 1.083,0 nm eine Emission von He I. Die letztere übertrifft in NGC 6572 den beobachteten Strahlungsfluss von H sogar 2,6-mal an Stärke [9]. Im Krebsnebel M 1 wird die [SIII]-Emission bei 906,9 nm beobachtet, dazu eine starke [C I]-Emission des Kohlenstoffs bei = 985,0 nm [10]. Die Abbildung 6 stammt aus [11] und zeigt den Supernovarest Cas A, als Ring abgebildet bei den MIR-Wellenlängen 6,99 m [Ar II] und 12,81 m [Ne II]. Diffuse Emission bei 34,8 m [Si II] prägt das Innere des Ringes.
Probleme bei IR-Beobachtungen Uns Amateuren macht die Wärme zu schaffen. Ein aufgewärmtes Teleskop und auch die Kuppel der Sternwarte erzeugen Luft-
turbulenzen und bewirken im Optischen ein schlechtes Seeing. Ebenso erzeugt ein erwärmtes Profi-IR-Teleskop störende IRStrahlung, die die Beobachtungen überlagert. Und so wie eine CCD-Kamera gekühlt werden muss, sind auch IR-Detektoren zu kühlen, und zwar noch deutlich tiefer bis um -200 Grad C. Schließlich entsteht auch in unserer Atmosphäre sowohl im optischen Spektralbereich Störlicht wie Airglow oder Polarlichter, als auch Störlicht im Infraroten, das dann die IR-Beobachtungen behindert.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2020): [1] Universität Stuttgart, Deutsches SOFIA Institut (DSI): "Einführung in die Infrarotastronomie", www.dsi.uni-stuttgart.de/
oeffentlichkeit/infrarotastronomie/ [2] Wikipedia: "IR-Bänder und Filterbereiche", https://de.wikipedia.org/wiki/Infrarotastronomie [3] P. Riepe, W. E. Celnik, H. Tomsik, 2019: "Kontinuumssubtraktion in der Astrofotografie - Grundlagen und Methodik",
VdS-Journal für Astronomie 68 (I/2019), S. 47 [4] M. Borchardt, 2015: "Die Plancksche Strahlungskurve", www.mabo-physik.de/plancksche_strahlungskurve.html [5] Wikipedia: "Spitzer-Weltraumteleskop", https://de.wikipedia.org/wiki/Spitzer-Weltraumteleskop [6] Wikipedia, Projekt SOFIA: https://de.wikipedia.org/wiki/Stratosphären-Observatorium_für_Infrarot-Astronomie [7] IRSA = NASA/IPAC Infrared Science Archive: https://irsa.ipac.caltech.edu/frontpage/ [8] Himmelsatlas Aladin in der Datenbank Simbad, http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/ [9] P. D. LeVan, R. J. Rudy, 1983: "Near-infrared spectrophotometry of planetary nebulae", Astrophys. J. 272, p. 137 [10] G. M. MacAlpine et al., 1989: "The geometry, composition and mass of the Crab nebula", Astrophys. J. 342, p. 364 [11] T. DeLaney et al., 2010: "The Three-Dimensional Structure of Cassiopeia A", Astrophys. J. 725, p. 2038
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ZWEI AUGEN FÜR DIE GALAXIE
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Infrarotastronomie
V2494 Cyg und sein kometenartiger Nebel
von Karl-Heinz Kower Der Umbau meines Deklinationsantriebes mit dem Einbau eines größeren Schneckenrades war abgeschlossen und ein erster Test der Nachführgenauigkeit zeigte die erhoffte Verbesserung. Da ich kein Aufnahmeobjekt geplant hatte, schlug mir ein Freund Koordinaten vor, um meine Montierung weiter zu testen. Stellarium zeigte in direkter Nähe der Koordinaten den Stern V2494 Cyg. Eine detaillierte Recherche konnte ich wegen der schlechten Internetverbindung am Beobachtungsort noch nicht durchführen. Mein Newton-Reflektor auf einer Selbstbaumontierung hat 254 mm Öffnung beim Öffnungsverhältnis von 1:4,9. Die Nachführkorrektur erledigt ein MGEN. Ich startete meine Atik 414EX und belichtete 120 Sekunden. Der Himmel war
1 NGC 2261 vom 30.12.2019, 125 x 20 s
2 V2494 Cyg. Links: ohne Filter, 48 x 120 s, invertiert. Rechts: mit UV/IR-Sperrfilter Filter, 50 x 120 s, invertiert
12 | Journal für Astronomie Nr. 75
Infrarotastronomie
3 Entwicklung von V2494Cyg und
seines assoziierten Nebels von 1952 bis 2006. a) 1952, POSS-1 R (SSS survey), b) 1983, Quick V Durchmusterung, c) 1989, DSS-2 B, d) 1991, DSS-2 R, e) 2003, IPAS survey, R, f) 2006, Subaru R
durch Halbmond und hohe Schleierwolken nicht gerade ideal, aber für einen Test ausreichend. Das Programm DeepSkyStacker live (DSS) lief parallel zu den Aufnahmen und stackte ständig mit. Überrascht war ich, als ich schon nach einigen Aufnahmen eine mir bekannt vorkommende Form eines Nebels sah, der mich sehr an Hubbles variablen Reflexionsnebel NGC 2261 im Sternbild Einhorn erinnerte (Abb. 1).
Neugierig geworden belichtete ich eine Sequenz von insgesamt 50 Aufnahmen. Anschließend folgten Flats und Bias und zusätzlich noch einige RGB-Aufnahmen. Beim Abbau des Teleskops und dem Verstauen der Kamera stellte ich dann fest, dass mein Filterrad bei den L-Aufnahmen falsch gestanden haben musste. Der übliche UV/ IR-Sperrfilter von Baader war nicht in den Strahlengang eingedreht gewesen und somit waren alle Luminanzaufnahmen ohne jeglichen Filter entstanden!
Für einen Vergleich beschloss ich, Aufnahmen mit dem UV/IR-Sperrfilter bei nächster Gelegenheit nachzuholen und eventuell auch eine bessere Sternabbildung zu erreichen. Einige Tage später konnte ich den Newton wieder auf V2494 Cyg richten, diesmal mit dem UV/IR-Sperrfilter. Schon beim Live-Stack mit DSS sah ich einen großen Unterschied zu den Aufnahmen ohne Filter - sehr viel weniger Sterne, eine viel größere Dunkelwolke und nur eine ganz schwache Abbildung des Nebels bei V2494 Cyg. Die gestackten und bearbeiteten Bilder zeigten dies noch viel deutlicher. Einerseits waren mehr Sterne und ein hellerer Nebel um V2494 Cyg (Abb. 2 links) und andererseits sah man die ausgedehnte Dunkelwolke L1003, die das Licht der Sterne und des Nebels abschwächt, viel deutlicher (Abb. 2 rechts).
Der kometenartige Nebel und einige Herbig-Haro-Objekte werden durch einen bipolaren Jet des variablen Sterns ausgelöst [4]. V2494 Cyg gehört zur kleinen Gruppe der FU-Orionis-Sterne. In den 1980er-Jahren hatte er einen kurzen Helligkeitsanstieg von ca. 2,5 mag im Roten [3], seitdem schwankt seine Helligkeit nur wenig. Die Entwicklung des Sterns und des von ihm beleuchteten Nebels wurde in [3] mit einer Auswertung von u. a. POSS-1R, DSS2-R bis hin zu Aufnahmen des 6-m-Subaru-Teleskops für den Zeitraum 1952 - 2006 gezeigt (Abb. 3 a-f).
Der Unterschied meiner Aufnahmeserien resultiert aus der spektralen Empfindlichkeit der Atik 414EX, des verbauten CCDChips IXC 825 von Sony und der Durchlasskurve des Sperrfilters. Die Kamera hat bei 900 nm noch eine Empfindlichkeit von ca. 18% der maximalen Empfindlichkeit bei ca. 600 nm. Sie ist also auch in der Lage, im nahen Infrarotbereich abzubilden (Abb. 4).
Die Durchlässigkeit des UV/IR-Sperrfilters von Baader reicht von 420 nm bis 680 nm und öffnet noch einmal ab ca. 1.150 nm (Abb. 5).
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Infrarotastronomie
4 CCD-Empfindlichkeit
der Atik 414ex, angelehnt an [1]
5 Durchlasskurve des
Baader-Filters (UV/IRSperrfilter) nach [2]
6 Bildkombination von Abb. 2 links und rechts durch Werner
E. Celnik, R ohne Sperrfilter, G und B mit Sperrfilter
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7 LRGB V2494 Cyg, L: 48 x 120 s, RGB: je 25 x 120 s, mit dunkelroter
Einblendung eines Teils der Differenz aus Abb. 2 links und rechts zur Hervorhebung des IR-Anteils.
8 V2494 Cyg und sein
assoziierter Nebel im Sept. 2019, Ausschnitt aus Abb. 7
Werner Celnik kam auf die Idee, aus den beiden S/WBildern ein Farbbild zu erstellen und nahm für den Rotkanal das Bild ohne Filter und für den Grün- und den Blaukanal das Bild mit Sperrfilter (Abb. 6).
Da ich auch einige RGB-Aufnahmen angefertigt hatte, konnte ich ein LRGB-Bild zusammensetzen. Zusätzlich mischte ich einen Teil der Differenz aus der Luminanz ohne und mit Filter als dunkelroten Anteil dazu. Der Infrarotanteil im Bild ist dadurch noch besser zu erkennen (Abb. 7 und 9). Wie hoch ein eventuell vorhandener UV-Anteil ist, müsste noch ermittelt werden.
Auch wenn ich vorher nicht recherchiert hatte, was sich bei den Koordinaten verbirgt, ergab die NichtAktivierung des Sperrfilters ein für mich überraschendes Ergebnis. Die Ausnutzung der kompletten Bandbreite des CCD-Chips hat sich in diesem Fall als sehr wirkungsvoll erwiesen und mich zu diesem interessanten Objekt geführt. Die nächsten Aufnahmen sind geplant, ist der Nebel (Abb. 8) ein weiterer Veränderlicher wie NGC 2261?
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2020): [1] Webseite der Firma Atik, www.atik-cameras.
com/product/atik-414ex/ [2] Baader UV/IR-Sperrfilter, www.baader-
planetarium.com/de/uvir-sperr--l-filter.html [3] T. Yu. Magakian et al., 2013: ,,V2494 CYG A
unique FU Ori Type Object in the Cygnus OB7 complex", Mon. Not. of the Royal Astron. Soc. 432, p. 2685 [4] T. Khanzadyan et al., 2012: ,,A wide-field nearinfrared H2 2.122 m line survey of the Braid Nebula star formation region in Cygnus OB7", Astron. Astrophys. 542, id. A111, 36 pp.
9 V2494 Cyg ohne Filter, 48 x 120 s
Infrarotastronomie Journal für Astronomie Nr. 75 | 15
Infrarotastronomie
Mein Einstieg in die Nahinfrarot-Astrofotografie
von Torsten Daiber
Bereits seit meinem 13. Lebensjahr interessiere ich mich für die Astronomie, habe aber nach einer längeren Pause erst mit der Sonnenfinsternis 1999 zurück zu diesem faszinierenden Hobby gefunden. Inzwischen habe ich eine Rolldachhütte im
Garten, in der ich mit zwei Montierungen arbeiten kann. Als Physiker interessieren mich an der Astronomie vor allem wissenschaftlich verwertbare Beobachtungen, die z. B. mittels Fotometrie oder Spektroskopie gewonnen werden. Da trifft es sich,
dass mein Standort am östlichen Rand des Ruhrgebiets keinen überragend dunklen Himmel bietet und Beobachtungen fast nur in nördliche Richtungen erlaubt, was für Langzeitbeobachtungen von Vorteil ist.
1 Die Galaxie NGC 5128 im Sternbild Centaurus in verschiedenen Wellenlängenbereichen. Oben links Blaufil-
ter, oben rechts Grünfilter, unten links Rotfilter, unten rechts IR807-Filter. Aufnahmen mit Kamera SBIG ST-10 am 127-mm-Refraktor (Astro-Physics Starfire) im Jahr 2010. (Bild: Torsten Daiber)
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Infrarotastronomie
2 Der Irisnebel NGC 7023 in einer NIR-Falschfarbenaufnahme, in der drei verschiedene Farbfilter im NIR-Bereich zu einem Farbbild zu-
sammengesetzt wurden. Die Filter wurden nach zunehmender Wellenlänge den Farbkanälen zugeordnet: 700-800 nm dem blauen Kanal, 800-900 nm dem grünen und >900 nm dem roten Kanal. Aufnahme mit Kamera Starlight Xpress Trius-SX814 an einem VSD100-Refraktor von Vixen mit 380 mm Brennweite. (Bild. Torsten Daiber)
Neben diesen Themen hat es mich aber auch schon lange gereizt, Aufnahmen im Nahinfrarotbereich (NIR) zu machen, also bei Wellenlängen von ca. 700 bis 1.000 nm. In der Planeten- und Mondfotografie bietet dies ein ruhigeres Bild, in der Deep-Sky-Fotografie sollten damit Sterne sichtbar werden, die im optischen Bereich durch Staubwolken stark verdunkelt werden. Der Staub selbst wird nicht sichtbar, dieser strahlt im noch längerwelligeren IR-Bereich, der nicht nur durch den Wasserdampf in der Atmosphäre absorbiert wird, sondern für den übliche Kameras auch nicht mehr nennenswert empfindlich sind.
Zum Einstieg und für weitere Hintergrundinformationen empfehle ich die Präsentation von Josh Smith in ,,The Astro Imaging Channel" auf Youtube [1]. Josh nutzt NIRAufnahmen als weiteren Kanal zusätzlich zu RGB- und Schmalbandaufnahmen, ei-
nige seiner Ergebnisse sind auf AstroBin zu sehen [2].
Meine ersten Versuche in dieser Richtung habe ich mit einem IR-Planet-Pro-807-Filter von Astronomik unternommen. Während eines Astrourlaubs 2010 in Namibia habe ich Bilder von NGC 5128, auch bekannt als Centaurus A oder ,,Hamburger Galaxy", mit dem prominenten Staubstreifen vor dem Kern durch Blau-, Grün-, Rotund eben dem IR-Planet-Pro-Filter aufgenommen. Dabei trat der Galaxienkern mit zunehmender Wellenlänge immer deutlicher hervor. Für diese Aufnahmen habe ich eine SBIG ST-10 an einem 127-mm-Refraktor (Astro-Physics Starfire) bei f/8 benutzt (Abb. 1).
Vor einiger Zeit habe ich einen 1,25-ZollNahinfrarot-Filtersatz der Firma Astrodon erworben, der anscheinend nicht mehr er-
hältlich ist. Auch finde ich praktisch keine Informationen dazu im Internet. Der Satz besteht aus einem ,,Luminanz"-Filter mit einem Durchlassbereich >700 nm und drei ,,Farb"-Filtern mit Durchlassbereichen von 700-800 nm, 800-900 nm sowie >900 nm. Für meine erste Testaufnahme habe ich eine Kamera Starlight Xpress Trius-SX814 an einem VSD100-Refraktor von Vixen mit 380 mm Brennweite benutzt. Die Pixelgröße beträgt 3,7 m, was einem Abbildungsmaßstab von 2 Bogensekunden pro Pixel entspricht. Da die Kamera in diesem Bereich deutlich weniger empfindlich ist, konnte ich so ein höheres Signal und damit ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis je Pixel auf Kosten der Auflösung erzielen.
Bei dem Objekt (Abb. 2) handelt es sich um den Iris-Nebel (NGC 7023), einen Reflexionsnebel im Sternbild Cepheus. In einem solchen Nebel leuchtet im Gegensatz
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Infrarotastronomie
3 Der Irisnebel NGC 7023 in einer LRGB-Farbaufnahme, für die im Luminanz- sowie in den Farbkanälen jeweils 12 x 5 min belichtet
wurde. Aufnahme mit Kamera QSI 683ws an einem Skywatcher-Quattro-CF-Newton 200 mm / 800 mm. (Bild: Michael Hoppe)
zu einer HII-Region kein angeregtes Gas, sondern Staubteilchen streuen das Licht eines benachbarten Sterns. Diese Nebel erscheinen im visuellen Licht meist bläulich (Abb. 3), weil die Lichtstreuung für kurzwelliges (blaues) Licht effektiver ist als für längerwelligeres (rotes) Licht. Es ist derselbe Effekt, durch den unser Himmel blau erscheint. Für mich ist der Iris-Nebel also ein lohnenswertes Objekt, um zu schauen, was im Bereich des Staubes auf meinen Aufnahmen sichtbar wird.
Das Falschfarbenbild im NIR (Abb. 2) habe ich folgendermaßen aus den IR-Filteraufnahmen zusammengesetzt: Von den Aufnahmen durch die Filter 700-800 nm (dem Blau-Kanal zugeordnet) und 800-900 nm (Grün-Kanal) habe ich je 26 x 10 min Belichtungszeit verwendet, von den Aufnahmen durch den Filter >900 nm (Rot-Kanal) habe ich 25 x 10 min verwendet. Die Bilder mit dem Luminanzfilter erwiesen sich als ungeeignet, da durch die schlechte Farbkorrektur des Refraktors in diesem Wellenlängenbereich die Sterne zu stark auf-
gebläht waren. Die Gesamtbelichtungszeit betrug fast 13 Stunden. Das Stacking der Aufnahmen sowie die Erstellung des Farbkomposits erfolgte mit AstroPixelProcessor (APP), die weitere Bildbearbeitung in Photoshop mit Hilfe des Astropanel PlugIn. Die Bildbearbeitung unterscheidet sich von derjenigen einer RGB-Aufnahme, es gibt z. B. keine Sternfarben, an denen man sich bei der Gewichtung der Farbkanäle orientieren könnte. Hier ist es für mich noch erforderlich, Erfahrung zu sammeln.
Im Bild gibt es sehr deutliche Halos um die Sterne, die auf Reflektionen zwischen Filter und CCD-Chip zurückgehen. Es finden sich aber bereits einzelne Sterne, die auf einer RGB-Aufnahme nicht erkennbar sind. Das ermutigt mich, dieses Objekt einmal mit größerer Brennweite und damit höherer Auflösung aufzunehmen.
Weiterhin benötigt die Aufnahme im NIR wegen der geringeren Empfindlichkeit der Kamera noch einmal deutlich längere Belichtungszeiten bzw. ein größeres Objektiv.
Im nächsten Schritt werde ich auf ein Spiegelteleskop wechseln, da dieses keine chromatische Aberration hat. Refraktoren sind in der Regel nur im visuellen Bereich korrigiert, wie ich bei meinem Versuch bestätigen konnte. Die Abweichungen im Fokus zwischen den Filtern sind deutlich sichtbar, so dass bei Filterwechseln nachfokussiert werden musste. Zu guter Letzt werde ich den Abstand zwischen Filter und Kamera erhöhen, um die Reflexe zu unterdrücken ohne gleichzeitig unerwünschte Vignettierung zu bekommen.
Vielen Dank an Michael Hoppe für seine RGB-Vergleichsaufnahme des Iris-Nebels (Abb. 3).
Internethinweise (Stand 26.04.2020): [1] J. Smith: Präsentation auf ,,The Astro
Imaging Channel", Youtube, www. youtube.com/watch?v=ez4CVGVp MTQ [2] AstroBin: www.astrobin.com/users/ Jooshs/
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Infrarotastronomie
Das Unsichtbare sichtbar machen
- Deep-Sky-Aufnahmen mit IR-Passfilter
von Manfred Mrotzek
Der Astrofotograf, der mit monochromer Kamera und L- oder RGB-Filtern arbeitet, nutzt nur den Wellenlängenbereich bis etwa 670 nm. Für den DSLR-Fotografen endet das Vergnügen durch den eingebauten IR-Sperrfilter häufig schon vor 650 nm, d. h. noch vor der Emissionslinie des Wasserstoffs bei 656 nm. Das menschliche Auge ist ebenfalls für Wellenlängen jenseits von 670 nm unempfindlich. Langwelligeres Licht ist unsichtbar. Bildsensoren auf Siliziumbasis, gleich ob vom CCD- oder CMOS-Typ, sind jedoch bis zu einer Wellenlänge von etwa 1.000 nm (= 1 m) für das einfallende Licht empfindlich.
Glücklicherweise gibt es Passfilter, die alles sichtbare Licht abblocken und erst bei infraroten Wellenlängen öffnen. Was kann man damit im Nahinfraroten etwa zwischen 700 und 1.000 nm sehen, das im sichtbaren Licht nicht sichtbar ist? Diese spannende Frage wollte ich mir beantworten, als ich mich beim letzten freien Filterplatz in meinem Filterrad für einen IR-Passfilter ProPlanet807 [1] von Astronomik entschied. Der Filter öffnet bei einer Wellenlänge von etwa 800 nm und hat bei 807 nm bereits 50% Transmission erreicht. Für die in diesem Artikel gezeigten Aufnahmen verwendete ich eine monochrome CCD-Kamera Atik 460EX mit dem Sensor Sony ICX694 an einem Refraktor mit 140 mm Öffnung und 750 mm Brennweite. Der Refraktor wurde durch einen Reducer auf die kurze Brennweite gebracht.
Der infrarote Himmel Die meisten Amateurastronomen wissen, dass Staubwolken bei infraroten Wellenlängen allmählich transparent werden. Mit zunehmender IR-Wellenlänge nimmt dieser Effekt zu. Man kann im Staub verborgene Sterne sichtbar machen. Wir können bei diesen Wellenlängen sogar bis ins Zentrum der Milchstraße sehen. Die meisten Ama-
1 Spektrale Empfindlichkeit des fotografischen Systems aus CCD-Sensor Sony ICX-694ALG
und den B-, R- und IR-Pass-Filtern von Astronomik. Der IR-Passfilter trägt die Bezeichnung ProPlanet 807. Die Filterkurven wurden der Webseite der Fa. Gerd Neumann entnommen.
teurastronomen wissen allerdings auch, dass die Staubwolken erst bei Wellenlängen um 2 m regelrecht durchsichtig werden, was weit jenseits der Wellenlängen ist, für die siliziumbasierte Bildsensoren empfindlich sind. Ich wusste deshalb, dass ich mit Hilfe des Filters nicht durch Staubwolken würde sehen können. Aber vielleicht doch ein kleines bisschen hinein?
Testaufnahmen des Kokonnebels IC 5146 am Ende der Dunkelwolke Barnard 168 zeigten keine neuen Sterne in der Wolke. Auch Aufnahmen von NGC 7219 führten nicht zu neuen Erkenntnissen. Die Sterne, die im sichtbaren Licht erkennbar waren, leuchteten auch im Nahinfraroten. Reflexionsnebel waren ebenfalls im Nahinfraroten sichtbar. Nur die Emissionsnebel fehlten erwartungsgemäß bei Wellenlängen ab 800 nm. Andere Gebiete waren ergiebiger.
Im Flammennebel NGC 2024 östlich des linken Gürtelsterns Zeta Orionis leuchteten mit IR-Passfilter etliche Sterne deutlich auf, die im Roten kaum oder nicht sichtbar waren.
Um die Unterschiede zwischen visuell sichtbarem und nahinfrarotem Himmel erkennen zu können, fertige ich Falschfarbenbilder an, bei denen ich durch den Blauund Rotfilter des RGB-Filtersatzes und den IR-Passfilter belichtete. Die Maxima der Filterbereiche haben dann einen Abstand von jeweils etwa 200 nm (Abb. 1). Die Zuordnung zu den RGB-Kanälen des Bilds erfolgt dabei nach der Wellenlänge des Filters. IR-helle Objekte erscheinen dann knallrot. Und tatsächlich treten in jedem Bild knallrote Sterne auf. Die Identifikation mit Simbad [2] ergab in der Regel sehr kühle Sterne, entweder Rote Riesen oder
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Infrarotastronomie
2 NGC 7419 im Kepheus. Falschfarbenbild aus einer blau-, rot- und IR-gefilterten
Aufnahme. Aufnahmedaten: 31.10.2015, Refraktor 140 mm, f = 750 mm, Atik 460EX, Belichtungszeit 12 x 3 min (B), 15 x 3 min (R) und 5 x 10 min (IR).
Kohlenstoffsterne. Viele, nicht ganz so helle Sterne kannte Simbad allerdings nicht.
Einige Sternhaufen ändern dadurch im Infraroten ihr Aussehen. Ein schönes Beispiel dafür ist der offene Haufen NGC 7419 (Abb. 2), der sich durch viele im Nahinfraroten strahlend helle Rote Riesen auszeichnet [3]. Auch in der Umgebung des Haufens leuchten etliche rote Sterne, allesamt sehr kühle Sterne. Ein weiterer Versuch war, Hubbles variablen Nebel mit dem IR-Passfilter abzulichten (Abb. 3) und diese Aufnahme mit einer Luminanzaufnahme zu kombinieren. Der Reflexionsnebel ist natürlich genauso im Infraroten sichtbar, aber der Himmel ist mit roten Sternen gesprenkelt. Interessanterweise ist ihre Konzentration in den Staubwolken nördlich von NGC 2261 (und da insbesondere bei der nordöstlichen bis zum Konusnebel NGC 2264 reichenden Staubwolke) besonders hoch. Kann man dort tatsächlich ein bisschen in den Staub blicken, oder rötet der Staub auch die roten Sterne und sie erscheinen deshalb noch röter?
Noch deutlicher beobachtete ich diesen Effekt bei einer Aufnahme von V1352 Aql und seiner Umgebung (Abb. 4). Diese wird durch viele Dunkelwolken geprägt wie z. B. LDN 673 nördlich des Variablen. Bei Verwendung eines IR-Passfilters und blau- und rotempfindlicher Fotoplatten des POSS II werden auf den IRR-B-Falschfarbenbildern viele Sterne in den Dunkelnebeln rot sichtbar, die vorher gar nicht oder nur als sehr schwache Sterne auf der rotempfindlichen Fotoplatte des POSS II sichtbar waren.
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3 NGC 2261 im Einhorn. Falschfarbenbild
aus einer Luminanz- und einer IR-gefilterten Aufnahme. Aufnahmedaten: 31.01.2019, Refraktor 140 mm, f = 750 mm, Atik 460EX, Belichtungszeit 19 x 3 min (L) und 6 x 10 min (IR).
Infrarotastronomie
4 Gebiet um V1352 Aql mit LDN 673 im Adler. Falschfarbenbild aus zwei POSS-II-Aufnahmen (B und R) plus einer eigenen IR-Aufnahme.
Aufnahmedaten: 24.08.2019, Refraktor 140 mm, f = 750 mm, Atik 460EX, Belichtungszeit 9 x 10 min für IR.
Es kann auch Sinn machen, die Filter IR, H und B zu kombinieren. In einigen Sternentstehungsgebieten (z. B. bei Parsamian 4 im Orion, Abb. 5) lassen sich dann noch im Staub verborgene Sterne im Infraroten erkennen, dazu die Stoßfronten der Jets von Herbig-Haro-Objekten mit dem H-Filter und die von heißen Sternen beleuchteten Reflexionsnebel im Blauen.
Galaxien und Reflexionsnebel mit IR-Passfilter aufnehmen? Um es vorwegzunehmen: Die meisten Galaxien sehen im (dem Amateur zugänglichen) Nahinfraroten ähnlich wie im Roten aus. Nur die Wasserstoffemissionsnebel fehlen. Aber bei einigen Galaxien lohnt sich der IR-Passfilter doch, nämlich bei den durch den vorgelagerten Staub der Milchstraße abgedunkelten Exemplaren. Die Galax ien Maffei 1 und Maffei 2 sind
zwei Galaxien in der Kassiopeia, auf die das genau zutrifft, siehe dazu meinen zweiten Artikel in diesem Heft.
Die bläulichen Reflexionsnebel, die durch das an Staubteilchen gestreute Licht heißer junger Sterne bei visuellen Wellenlängen sichtbar sind, werden im Nahinfraroten natürlich unsichtbar. Aber die Reflexionsnebel noch jüngerer Sterne, die sich noch in der Entstehung befinden und noch nicht
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Infrarotastronomie
5 Parsamian 4 im Orion. Falschfarbenbild aus einer blau, H- und IR-gefilterten Aufnahme.
Aufnahmedaten: 09.03. und 11.03.2016, Refraktor 140 mm, f = 750 mm, Atik 460EX, Belichtungszeit 22 x 5 min (B), 13 x 10 min (Ha) und 2 x 10 min (IR).
die Hauptreihe erreicht haben, die noch in der Staubwolke, in der sie geboren wurden, leben und sich mit ihrem Sternwind ein Loch in den Staubkokon blasen, die sind teilweise im Nahinfraroten heller als im Visuellen, speziell als im Roten. PV Cephei und V2494 Cygni sind Beispiele dafür.
Vergleichsaufnahmen Als Vergleichsaufnahmen eignen sich die infrarotempfindlichen Fotoplatten des POSS II, die bei der zweiten fotografischen Durchmusterung mit dem Schmidtspiegel auf dem Mount Palomar um 1990 herum gemacht wurden. Die mittlere Wellenlänge dieser Platten beträgt 840 nm, was sehr gut zu meinem Filter und der Empfindlichkeitskurve meines CCD-Sensors passt. Auch die moderneren SDSS- und PanSTARRS-Durchmusterungen mit CCDSensoren reichen bis ins Nahinfrarote. Hier sollte man sich auf die Filterbereiche i und z konzentrieren. Für meine Zwecke sind die Fotoplatten des POSS II ideal. Zum einen deckt sich die Tiefe der Aufnahmen im Infraroten recht gut mit meinen Aufnahmen und zum anderen lassen sich aus den eingescannten und im Internet abrufbaren blau-, rot- und infrarotempfindlichen Fotoplatten [4] Falschfarbenbilder wie meine oben be-
schriebenen erstellen. Diese Bilder geben gut wieder, was ich auf meinen Aufnahmen erwarten darf. Die Aufnahmen der SDSSund PanSTARRS-Projekte gehen hinsichtlich Auflösung und Tiefe weit über meine Möglichkeiten hinaus.
Spannend wird es, wenn man auf seinen eigenen Aufnahmen etwas findet, das auf den Vergleichsaufnahmen nicht vorhanden ist. Das passierte mir mit einem IR-hellen Nebel nahe des Sternentstehungsgebiets Cep A im Kepheus. Ich hatte darüber in unserem VdS-Journal für Astronomie 57 [5] und auch in Nr. 61 [6] berichtet. Dieser Nebel ist offenbar variabel, weil er zur Zeit des POSS II und auch danach nicht im Nahinfraroten sichtbar war. Viel häufiger findet man aber, wenn man eine blaugefilterte und eine rotgefilterte Aufnahme des POSS II mit der eigenen IR-Aufnahme zu einem Falschfarbenbild kombiniert, dass einige Sterne nicht deckungsgleich aufeinander zu liegen kommen. Das liegt daran, dass sie sich in den etwa 30 Jahren Zeitdifferenz weiterbewegt haben. Einige sind Simbad als Sterne mit hoher Eigenbewegung bekannt, viele jedoch nicht. Das wird sich sicherlich nach der Auswertung der Messungen des Astrometriesatelliten GAIA ändern.
Fazit Die Preise für IR-Passfilter sind im Vergleich zu Schmalbandfiltern sehr moderat. Besonders gut eignen sich die Filter zum Finden kühler Sterne. Wie ich schon in [5] und [6] titelte, lohnt sich ein (fotografischer) Blick in den nahinfraroten Himmel jenseits des Sonnensystems. Man sollte sich allerdings darüber klar sein, was man zu sehen erwarten darf. Aber gerade in den staubigen Gegenden der Milchstraße sind Überraschungen immer möglich. Wer noch einen Platz im Filterrad frei hat, sollte ihn an einen IR-Passfilter vergeben und sich so den nahinfraroten Himmel erschließen.
Literatur- und Internethinweise (Stand Februar 2020): [1] Astronomik Filter ProPlanet807,
www.gerdneumann.net/deutsch/ filter/astronomik-filters/ photographische-filter-astronomilkphotographic-filters/astronomikproplanet-807-ir-pass-filter.html [2] Astronomische Datenbank Simbad, http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/ sim-fid [3] Astrofoto der Woche 07/2018 (Februar 2018), www.astronomie.de/ aktuelles-und-neuigkeiten/astrofotoder-woche/archiv/detailseite/ 7-woche-sternhaufen-nichtsbesonderes/ [4] Formular zum Herunterladen von Ausschnitten des POSS I und POSS II, http://stdatu.stsci.edu/cgi-bin/dss_ form [5] M. Mrotzek, 2016: ,,Cepheus A - Ein Blick ins Infrarote lohnt sich (Teil 1)", VdS-Journal für Astronomie 57 (II/2016), S. 68 [6] M. Mrotzek (2017): ,,Cepheus A - Ein Blick ins Infrarote lohnt sich (Teil 2)", VdS-Journal für Astronomie 61 (II/2017), S. 46
22 | Journal für Astronomie Nr. 75
Infrarotastronomie
Infrarotastronomie
- aus wissenschaftlicher Perspektive
von Jan Beckmann
Im Jahre 1996 entschieden die Weltraumagenturen NASA, ESA und CSA gemeinsam, einen Nachfolger für das legendäre Hubble-Weltraumteleskop zu entwickeln. Das ,,James-Webb Space-Telescope" (kurz JWST) besitzt ca. 6,5 Meter Hauptspiegeldurchmesser und arbeitet, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, ausschließlich im infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums. Wenn es denn in naher Zukunft endlich mal startet ...
Infrarotastronomie findet aber auch auf der Erde statt (Abb. 1). Viele moderne Großteleskope besitzen Instrumente, welche auf diesen Bereich der Astronomie spezialisiert sind. Doch warum sind die Beobachtungen im Infraroten wissenschaftlich so interessant, und was gibt es dort für Besonderheiten?
Infrarotstrahlung ist wie das sichtbare Licht auch eine elektromagnetische Strahlung. Allerdings besitzt sie eine größere Wellenlänge als rotes Licht. In der Astronomie spricht man hier von einem Spektralbereich zwischen 750 Nanometern und 20 Mikrometern. Besonders interessant ist das sogenannte Nahinfrarot, also der Wellenlängenbereich zwischen 750 Nanometern und 5 Mikrometern.
1 Das Large Binocular Telescope LBT, ein Großteleskop mit Kameras und Spektrografen,
die auf die Beobachtung im Nahinfraroten spezialisiert sind. Credit: Univ. of Arizona, LBTO
2 Der Braune Zwerg
2MASS J00001354+ 2554180, Spektralklasse T4.5, Oberflächentemperatur ca. 1.000 Kelvin. 2MASS-Durchmusterung aus Aladin
Bei der Beobachtung im Infraroten spielen wie im sichtbaren Licht Kontinuumsspektren, allen voran Schwarzkörperspektren, eine große Rolle. Diese Spektren, welche von allen Objekten mit Temperaturen größer als 0 Kelvin erzeugt werden, kann man immer eindeutig der Temperatur des Strahlers zuordnen. Dabei ist einem vor allem das Wien'sche Verschiebungsgesetz behilflich, welches eine Beziehung zwischen der Wellenlänge maximaler Strahlungsintensität und der effektiven Temperatur des Strahlers beschreibt. Die Strahlung vieler astronomischer Objekte (z. B. Sterne) lässt
sich gut mit diesem Modell beschreiben. Je kälter z. B die Oberfläche eines Sterns, desto langwelliger ist also sein Schwarzkörperspektrum.
So können wir z. B. kältere Objekte mit Hilfe der Infrarotastronomie besser beobachten als im sichtbaren Licht. Ein besonderes Beispiel dafür ist die Beobachtung von Braunen Zwergen, Objekte größer und schwerer als Planeten, aber ohne normale Wasserstofffusion. Sie besitzen Oberflächentemperaturen von unter 2.500 Kelvin und strahlen
so am hellsten im Nahinfraroten. Ein Beispiel für einen solchen Braunen Zwerg ist das Objekt 2MASS J00001354+2554180, welches sich scheinbar neben dem MiraStern Z Peg befindet (Abb. 2).
Ein weiterer Vorteil der Beobachtung im Infraroten ist, dass Licht größerer Wellenlänge weniger stark von kosmischem Staub gestreut wird. Somit werden Objekte für Beobachtungen zugänglich, die im sichtbaren Licht nicht beobachtbar sind. Diesen Effekt sieht man sehr gut in der Abbildung 3, im
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Infrarotastronomie
3 Die ,,Säulen der Schöpfung" in
M 16, im sichtbaren und infraroten Licht. Credit: NASA, ESA/Hubble und das Hubble Heritage Team
Nahinfraroten sind deutlich weniger Sterne von den Staubsäulen im Adlernebel M 16 verdeckt. Das kann man sich zum Nutzen machen, um z. B. Sternentstehungsgebiete im Inneren solcher Staubwolken oder das galaktische Zentrum selbst zu beobachten. Neben den kontinuierlichen Schwarzkörperspektren kommen bei vielen astronomischen Objekten außerdem sogenannte Emissionsspektren hinzu, also Strahlung, welche z. B. bei atomaren Übergängen von Elektronen entsteht. Durch jeden Übergang wird Strahlung einer charakteristischen Wellenlänge emittiert. Bekanntestes Beispiel ist die H-Linie des Wasserstoffs, welche bei Amateurastronomen ja vor allem durch die Astrofotografie von Gasnebeln sehr beliebt ist. Im Nahinfraroten
gibt es eine Reihe anderer Emissionslinien, die in Gasnebeln vorkommen, so z. B. die Bracket-Gamma-Linie des Wasserstoffs (Br) bei ca. 2.166 Nanometern (Abb. 4). Diese Aufnahme des Katzenaugennebels NGC 6543 wurde mithilfe einer adaptiven Optik (AO) gemacht, sie korrigiert von der Atmosphäre deformierte Wellenfronten, um eine höhere Auflösung und somit ein schärferes Bild zu erzeugen. Dies funktioniert besonders gut im Nahinfraroten, dort ist das Seeing im Allgemeinen besser als im sichtbaren Licht.
Die Beobachtungspraxis ähnelt in vielen Punkten jener, die auch im sichtbaren Licht von Profis und Amateuren durchgeführt wird, z. B. in der Verwendung von CCD-Ka-
meras und der damit verbundenen Datenreduktion. In einer CCD-Kamera werden mithilfe des photoelektrischen Effekts von der eintreffenden Strahlung Elektronen aus dem Halbleitermaterial in den Pixeln herausgelöst, indem sie die so genannte Bandlücke überwinden. Die energieärmere infrarote Strahlung besitzt allerdings nicht genügend Energie, um dies bei konventionellen CCDs mit einer ausreichenden Effizienz zu tun. Deshalb müssen andere Halbleitermaterialien verwendet werden, die eine kleinere Bandlücke haben. Für thermische Elektronen ist es somit viel einfacher, die Bandlücke zu überwinden, wodurch diese CCDs einen wesentlich höheren Dunkelstrom besitzen. Sie müssen daher deutlich weiter heruntergekühlt wer-
4 NGC 6543 (Katzenaugennebel) in der Br-Linie des Wasserstoffs,
aufgenommen vom LBT. Credit: J. Heidt, W. Seifert und D. Thompson, LBTO
5 Der Quasar 3C 273 mit Jet, luci2-Kamera am LBT. Credit: J. Heidt,
W. Seifert und D. Thompson, LBTO
24 | Journal für Astronomie Nr. 75
Der Sternenhimmel
-- im Jahreslauf
-- Das »Kosmos Himmelsjahr« bietet Himmelsschauspiele, zuverlässige kalendarische Angaben und die beliebten Monatsthemen
-- Abendsichtbarkeit und enge Konjunktion von Merkur und Venus im Mai
-- Himmlisches Highlight im Jahr 2021: Die partielle Sonnenfinsternis am 10. Juni
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den als eine herkömmliche, in der Amateurastrofotografie verwendete Kamera (z. B. mit flüssigem Stickstoff auf ca. -196 Grad C). Dadurch wird der Dunkelstrom dieser Sensoren vernachlässigbar, es werden normalerweise keine Dunkelbilder aufgenommen. Ein besonders großes Problem im Nahinfraroten bei der Beobachtung am Boden ist der Himmelshintergund, selbst an hoch über dem Meeresspiegel gelegenen Orten mit geringer Lichtverschmutzung. Denn neben ,,normalen" atomaren Emissionsspektren gibt es im Nahinfraroten zusätzlich auch Strahlung, welche durch die Schwingung und Rotation von Molekülen entsteht. Diese erzeugen einen ganzen ,,Urwald" an Spektrallinien, wobei in der Astronomie vor allem Kohlenstoffdioxid/-monoxid, Wasser und Methan eine Rolle spielen.
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Der Hintergrund muss in der Datenreduktion extrahiert und abgezogen werden. Dafür wird beim Beobachten das Bildfeld zwischen jedem Bild in einem zufälligen Muster bewegt, weit genug, dass sich jedes Objekt im Bildfeld immer an einer anderen Position auf dem Sensor befindet. Diesen Vorgang, den man gerne auch in der Astrofotografie anwendet, nennt man ,,Dithering". Werden die Bilder dann mit geeigneten Algorithmen kombiniert (z. B. Median Kappa-Sigma-Clipping), ohne sie zueinander auszurichten, erhält man ein Bild, welches nur aus dem Hintergrund besteht und somit verwendet werden kann, um diesen von den wissenschaftlichen Bildern abzuziehen. Die reduzierten Objektbilder können nun ausgerichtet miteinander kombiniert und wissenschaftlich analysiert werden. Natürlich kann im Nahinfraroten auch Spektroskopie betrieben werden. Dieses ist für eine Vielzahl astronomischer Objekte äußerst interessant, es bedarf aber anderer Methoden, um den Himmelshintergund zu korrigieren. Dabei werden z. B. gezielt Spektren der Atmosphäre (so genannte tellurische Spektren) aufgenommen.
6 Der gelinste Quasar APM 08279+5255 in 3 sichtbare
Komponenten aufgespalten, Aufnahme mit der Kamera luci2 und adaptiver Optik am LBT. Bildautoren: J. Heidt und J. Beckmann, Landessternwarte Heidelberg
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7 Der Krebsnebel M 1, aufgenommen am 70-cm-Tele
skop der Landessternwarte Heidelberg, 12 x 300 s im Rund I-Band, im Bild ist außerdem der Asteroid (1602) Indiana zu sehen. Bildautoren: J. Beckmann und J. Zoller
8 Der Orionnebel M 42 im Infraroten, Aufnahme der
2MASS-Durchmusterung aus EsaSky; Credit: ESA, eigene Arbeit J. Beckmann
Allerdings gibt es auch Effekte wie z. B. die kosmologische Rotverschiebung, durch welche Spektrallinien (bzw. die kompletten Spektren astronomischer Objekte) aus dem sichtbaren oder UV-Licht ins Nahinfrarote verschoben werden können. Dies ermöglicht uns vor allem, weit entfernte Objekte wie Quasare zu beobachten, die dadurch im Nahinfraroten besonders hell leuchten. Ein Beispiel dafür ist der sehr bekannte Quasar 3C 273 (Abb. 5), der bereits mit kleinen Amateurteleskopen im Sternbild Virgo beobachtet werden kann. Er besitzt im VBand (grüner Anteil des sichtbaren Lichts) eine scheinbare Helligkeit von ca. 13 mag, während sie im K-Band (ca. 2,2 Mikrometer) bei rund 10 mag liegt.
Aufgrund der hohen Auflösung, die im Nahinfraroten mithilfe der adaptiven Optik erreicht werden kann, können durch den Gravitationslinseneffekt beinflusste Quasare in ihre einzelnen Komponenten aufgelöst werden. Oft beugt eine große elliptische Galaxie das vom Quasar ausgesandte Licht, so dass mehrere Abbildungen des gleichen Quasars mit verschiedenen Helligkeiten entstehen können (Abb. 6). Anhand der Geometrie und Helligkeitsverhältnisse der verschiedenen Abbildungen zueinander werden die Abstände vom Quasar zur linsenden Galaxie und dem Beobachter bestimmt und das Gravitations-
potential der Linse modelliert. Außerdem kann man durch Beobachtung zeitlicher Helligkeitsschwankungen der einzelnen Komponenten, die oft zeitversetzt auf der Erde ankommen, die Struktur und Dynamik eines weit entfernten Quasars genau analysieren.
Wenn man von der Beobachtung weit entfernter Quasare mit adaptiver Optik an wissenschaftlichen Großteleskopen hört, mag man berechtigterweise denken: Gibt es auch eine Möglichkeit, wie man als Amateurastronom etwas mit Infrarotastronomie anfangen kann? Viele CCD- oder CMOS-Kameras aus der Amateurastronomie sind im Nahinfraroten zwischen 750 und 1.000 Nanometern empfindlich. Vor allem Planetenfotografen benutzen gerne IR-Passfilter, die Licht mit einer Wellenlänge von über 700 Nanometern durchlassen. Dadurch können das im Nahinfraroten bessere Seeing ausgenutzt und so Strukturen besser festgehalten werden. Solche Filter kann man allerdings auch in der DeepSky-Astrofotografie einsetzen. Besonders interessant dafür sind Emissionsnebel mit Staubstrukturen, denn diese besitzen im Nahinfraroten durch die geringere Extinktion andere Strukturen als im sichtbaren Licht oder mit einer Schmalbandpalette wie [SII], H, [OIII]. Beispiele hierfür sind der Orionnebel M 42 oder Krebsnebel M 1
(Abb. 7). Sinnvoll ist es allerdings, brechende optische Elemente im Strahlengang zu vermeiden und mit Spiegelteleskopen zu beobachten. Diese optischen Elemente (Korrektoren, Reduzierungslinsen, ...) sowie viele Refraktoren sind nicht für die Benutzung im Nahinfraroten konzipiert. Deshalb wird bei der Astrofotografie mit Refraktoren gerne ein UV und IR abschneidender Luminanzfilter verwendet, um große Sternhalos und eine schlechte Abbildungsqualität zu vermeiden.
Möchte man nicht selbst beobachten, gibt es auch die Möglichkeit im Internet (z. B. auf der Seite https://sky.esa.int/) im ,,Explorer"-Modus im Fenster ,,Select Sky" die Einstellungen ,,Near-Infrared" und ,,2MASS color JHK" auszuwählen und so die Bilddaten der 2MASS-Himmelsdurchmusterung anzuschauen (Abb. 8).
Außerdem kann man sich diese Bilddatenbank auch zunutze machen, wenn man galaktischen Zirrus oder Dunkelnebel im Allgemeinen beobachten möchte. Mithilfe der Kataloge des Herschel-Instruments ,,SPIRE" in der Kategorie ,,Submillimetre", einem Wellenlängenbereich zwischen dem fernen Infrarot und der Radioastronomie, kann man diese Strukturen besonders deutlich sehen und so Astrofotos dieser Objekte planen.
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Infrarotastronomie
Der Veränderliche V2007 Cygni
- ein Kohlenstoffstern
von Peter Riepe
Beginnen wir mit einer Astroaufnahme aus dem Gebiet 6 Grad südwestlich des Sterns Gamma Cygni. Dieses Gebiet ist von interstellarer Materie geprägt. Das Originalfoto von Daniel Huber findet man als ,,Astrofoto der Woche 51/2019" im gelisteten AdW-Archiv [1] für den Monat Dezember 2019 (anklicken und herunterscrollen). Aus diesem AdW zeigt jetzt die Abbildung 1 (links) einen kleinen Ausschnitt. Innerhalb der Dunkelwolke Dobashi 2252 sitzt im Bildzentrum ein nur mäßig heller, aber auffallend orange leuchtender Stern. Eine solche Färbung hat stets astronomische Ursachen. Meine Recherchen in Internet und in Fachartikeln ergaben, dass es sich um einen sogenannten ,,Carbon Star" - einen Kohlenstoffstern - handelt (ab hier die Abkürzung ,,C-Stern", das C steht für Kohlenstoff).
In der Datenbank Simbad ist dieser CStern als Veränderlicher V2007 Cygni ge-
listet, aber auch als IRAS 20043+3508 aus dem Katalog des Infrared Astronomical Satellite. Und damit sind wir beim Schwerpunktthema. Um in einem Astrofoto Infrarotobjekte aufzuspüren, bietet sich der 2 Micron All Sky Survey (2MASS) an. Dieser nahinfrarote (NIR) Atlas ist in Simbad verfügbar, integriert im Himmelsatlas Aladin. Jeder Interessierte kann Aladin für seine Zwecke nutzen, egal ob Profi- oder Amateurastronom. Wie kommt man dahin?
Zuerst Simbad aufrufen [2]. In der Kopfleiste kann Aladin direkt angeklickt werden. Praktischer ist jedoch der Weg über die Objektwahl (query by identifier). Ein Objekt wird mit seinem Namen oder nach Koordinaten in Simbad gewählt, dann erscheint eine Seite mit objektbezogenen Daten. Rechts öffnet sich ein Fenster (Interactive AladinLite view), darin erscheint das gewählte Objekt in seinem unmittelbaren
Umfeld in sehr großem Bildmaßstab. Der Nutzer kann den Bildmaßstab nach Bedarf variieren. Ferner hat er die Wahl, das dargestellte Bildfeld im DSS (Digital Sky Survey) aufzurufen oder im SDSS (Sloan Digital Sky Survey), dazu auch im 2MASS. Beim Wechsel innerhalb dieser Surveys bleibt das jeweils gewählte Himmelsfeld stets gleich groß. In der Abbildung 1 ist rechts der gleiche Ausschnitt wie links um V2007 Cygni zu sehen, jedoch als NIR-Bild aus dem 2MASS. Ein intensiver Vergleich lohnt, was fällt auf?
Im NIR-Bereich verlieren die Dunkelwolken im Vergleich zum optischen Bereich deutlich an Absorptionsvermögen. Zudem sind die blauen Sterne in ihrer Helligkeit stark abgeschwächt. Dafür treten kühle Sterne mit gelber bis rötlicher Färbung zum Teil erheblich heller in Erscheinung. V2007 Cygni fällt im NIR besonders durch seine
1 Ausschnitt von 10' x 10' aus dem AdW 51/2019 (links, Bildautor: Daniel Huber). In der Bildmitte der orangefarbene Kohlenstoff-
stern LD159. Rechts ist der gleiche Ausschnitt gezeigt, jedoch im nahinfraroten Spektralbereich (2MASS-Survey im Himmelsatlas Aladin, Datenbank Simbad).
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Infrarotastronomie
2 Lichtkurve von LD159. Die visuelle
Magnitude ist in Abhängigkeit vom Julianischen Datum aufgetragen. Abbildung aus [3].
3 Der C-Stern LMC 297 zeigt ein
Bandenspektrum (Grafik: P. Riepe, in Anlehnung an [8]).
außergewöhnliche Leuchtkraft auf. Ob der Stern in oder hinter der Dunkelwolke steht, muss hier offen bleiben. Messungen ergaben eine Parallaxe von 0,468 Millibogensekunden, was zu einer Distanz von knapp 7.000 Lj führt.
Unabhängig vom Infrared Astronomical Satellite machte sich auch der schwedische Astronom Lennart Dahlmark in seiner Schaffenszeit in Südfrankreich auf die Suche nach Veränderlichen. Dazu durchsuchte er fotografisch mit angepassten Film/ Filter-Kombinationen die nördliche Milchstraße. Dahlmarks Katalog basiert auf vier Publikationen aus den Jahren 1982, 1986,
1993 und 1994 und umfasst insgesamt 185 Veränderliche, darunter auch V2007 Cygni. Er ist als LD159 (Stern Nr. 159) eingetragen [3]. Dahlmark fand heraus: Der Spektraltyp von LD159 ist M, der Farbindex B-V ist größer als 1,8 mag. Auch ohne Farbaufnahmen erklären diese Werte bereits die orangerote Sternfarbe. Die Periode liegt bei 460 Tagen, wobei die V-Helligkeit zwischen 12,6 und 15,1 mag schwankt, wie die Lichtkurve (Abb. 2) verdeutlicht.
Jetzt noch ein paar fachliche Allgemeininformationen zu C-Sternen. C-Sterne sind alte Sterne im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Im Hertzsprung-Rus-
Tabelle 1
Ungefähre effektive Temperaturen für die Spektraltypen C0 bis C9 nach [6] in K
C0
4.400
C1
3.800
C2
3.200
C3
2.700
C4
2.600
C5
2.450
C6
2.300
C7
2.200
C8
2.000
C9
1.800
sell-Diagramm befinden sie sich auf dem asymptotischen Riesenast, d. h. sie haben in ihrer Entwicklung die Phase als Rote Riesen schon hinter sich gelassen. Ihr charakteristisches Merkmal sind molekulare Absorptionsbanden (Swan-Banden) des C2 im grünen und blauen Spektralbereich (Abb. 3), dazu Banden des CN im Infraroten. Was für LD159 gilt, gilt für C-Sterne generell: Sie lassen sich heute auch durch eine prägnante infrarote Emission des Siliziumcarbids (SiC) im 11,2-m-Band nachweisen [4]. Die Abbildung 4 zeigt einen Profilausschnitt aus dem IR-Kontinuum mit vielen Absorptionslinien (Zacken nach unten), darin fällt das SiC-Band als Emission (Zacken nach oben) sofort ins Auge. Aus allen hier genannten Erscheinungsformen des Kohlenstoffs folgt: Der beim Heliumbrennen fusionierte Kohlenstoff wird konvektiv in die äußeren Schichten des Sterns transportiert. Knapp und Morris analysierten 25 C-Sterne mit CO-Emission und fanden einen jährlichen Massenverlust von etwa 10-7 bis 810-5 Sonnenmassen [5]. Dieses nach außen hin als Sternwind abgegebene Material bildet um die C-Sterne herum eine staubige Hülle, die zwangsläufig das Sternenlicht stark rötet.
Sterne des Spektraltyps M zeigen im NIRBereich die Absorptionslinien von CaII als Triplett bei 849,8 nm, 854,3 nm und 866,2 nm. Aus ihrer Stärke lässt sich die Sterntemperatur ableiten. Bei den kühleren C-
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Infrarotastronomie
4 C-Sterne zeigen im 11,2-m-Band eine typische
Emission, erzeugt vom SiC-Staub (Grafik: P. Riepe, in Anlehnung an [4]).
Tabelle 2
IJHKL-Fotometrie für drei veränderliche C-Sterne nach [7] in Größenklassen (mag)
C-Stern
Spektralband
I
J
H
K
L
ST And 6,26
5,29
4,04
3,58 2,82
RY Hya 5,23
4,06
2,93
2,32 1,25
T Cnc
3,86
2,77
1,62
0,87 -0,20
Sternen jedoch überlagert genau in diesem Bereich eine CN-Bande. Nur die Linie bei 866,2 nm ist ungestört und kann zur Temperaturbestimmung verwendet werden. Und so wurden für Kohlenstoffsterne zehn infrarote Spektralklassen eingerichtet in der Stufung von C0 bis C9. Es gibt aber keinen Anschluss an das gängige MK-System der Spektralklassen OBAFGKMRN nach Morgan-Keenan. Und doch gibt die Tabelle 1 einen groben Überblick über die ungefähren effektiven Temperaturen der C-Sterne.
[3] L. Dahlmark, 1994: "Light Curves for New Variable Stars in Cygnus, Lyra and Vulpecula", Journal of the American Association of Variable Star Observers 23, p. 34-63
[4] F. M. Olnon et al., 1986: "IRAS catalogues and atlases. Atlas of low-resolution spectra", Astron. Astrophys. Suppl. Ser. 65, p. 607-1065
[5] G. R. Knapp, M. Morris, 1985: "Mass Loss from Evolved Stars. III. Mass Loss Rates for 50 Stars from CO
J = 1-0 Observations", Astrophys. J. 292, p. 640 [6] H. B. Richer, 1971: "Some Intrinsic Properties of Carbon Stars", Astrophys. J. 167, p. 521 (8/1971) [7] J. Bergeat, M. Lunel, 1980: "IJHKL photometry of carbon stars", Astron. Astrophys. 87, p. 139-141 [8] H. B. Richer, B. E. Westerlund, 1983: "Carbon stars in Local Group Galaxies", Astrophys. J. 264, p. 114-125
C-Sterne besitzen eine ziemlich hohe Leuchtkraft. In der Tabelle 2 ist dargestellt, wie stark die Helligkeit dreier C-Sterne im NIR-Bereich ansteigt. Für einen mittleren C-Stern wurde eine Absoluthelligkeit von -2,7 Mag gefunden [6]. Das ist das Tausendfache der Leuchtkraft unserer Sonne. Daher sind C-Sterne gut geeignet, um nicht nur in unserer Milchstraße, sondern auch in benachbarten Zwerggalaxien eine mittelalte Sternpopulation nachzuweisen [8].
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2020): [1] AdW-Archiv: www.astronomie.de/
aktuelles-und-neuigkeiten/astrofotoder-woche/archiv/?L=0 [2] Astronomische Datenbank Simbad: http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/
INSERENTEN
144 APM Telescopes, Rehlingen 37 astronomie.de, Neunkirchen 11 Astroshop.de nimax GmbH, Landsberg U4 Baader Planetarium, Mammendorf 61 Gerd Neumann jr., Entwicklung und Herstellung feinmechanischer & optischer Instrumente
25 Kosmos Verlag, Stuttgart U3 Optical Vision Limited, UK 39 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg
Spektrum der Wissenschaft
81 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Sterne und Weltraum
U2 Vesting e. K. Fachhandel für Astronomie, Hamburg
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Infrarotastronomie
Die Mondfinsternis vom 21.01.2019
- analysiert mithilfe einer Vierkanal-Kamera-Fotometrie im visuellen Licht und im Infraroten
Teil 1: Methodik
von Peter C. Slansky
Dass eine Mondfinsternis nicht nur einen markanten Schatten- und Verfinsterungsverlauf zeigt, sondern auch einen markanten Farbverlauf ins Rötliche, ist allgemein bekannt. Das Licht der Sonne wird durch die Erdatmosphäre nach innen in den Kernschatten hinein gebrochen, wobei besonders die kurzwelligen Anteile durch Streuung abgeschwächt werden. Während der Totalität ist die Verfinsterung im blauen Licht daher am stärksten, im grünen etwas geringer und im roten am geringsten. Doch wie verhält sich dies jenseits der Grenze des sichtbaren Lichts, z. B. im Infraroten? Lassen sich die unterschiedlichen Verfinsterungsgrade in den unterschiedlichen Spektralbereichen getrennt voneinander messen? Und wie verhält sich dieser spektrale Verlauf an unterschiedlichen Positionen auf dem Mond, z. B. in
der Nähe der Schattenzentrallinie oder von dieser entfernt? Diese Fragen wollte ich mit Amateurmitteln beantworten. Und es eilte, denn die totale Mondfinsternis am Morgen des 21. Januar 2019 war die letzte von Europa aus beobachtbare für zehn Jahre (Abb. 1). Das Bild wurde um 06:25 Uhr MEZ, 14 Minuten nach Finsternismitte, im visuellen Licht aufgenommen. Aufgrund der starken Verfinsterung im visuellen Licht musste kräftig belichtet werden (ISO 3200, t = 2,5 s bei Blende 6). In der Folge zeigt das Bild im Original über 20 Sterne, der schwächste hat etwa 12 mag. Im Infraroten (Abb. 2) fällt die Verfinsterung sehr viel geringer aus als im Visuellen, daher musste weniger stark belichtet werden (ISO 800, t = 0,5 s). In der Folge sind im Original dieses Bildes - bei gleicher Mondhelligkeit - nur zwei Sterne zu sehen.
Zusammen mit Bernd Gährken fuhr ich auf die 2.576 m hohe Plose, den Hausberg von Brixen im Eisacktal. Auf 2.010 m Höhe fanden wir einen perfekten Beobachtungsplatz mit Horizontsicht nach Süden und Westen. Meine Instrumentierung bestand aus zwei Kameras des Typs Sony a7S, die über einen Flip-Mirror an einem Apochromaten 80 mm / 480 mm angebracht waren (Abb. 3). Kamera 1 war unmodifiziert; sie bildete das visuelle Spektrum ab, getrennt nach den Kanälen Blau, Grün und Rot. Bei Kamera 2 war der Infrarot-Sperrfilter entfernt worden, stattdessen wurde ein IR-Passfilter Kodak Wratten 92 (ab 695 nm) eingesetzt, sie bildete den Infrarot-Kanal ab. Mit dieser Instrumentierung konnte ich eine vollständige fotografische Beobachtungsreihe über den gesamten Finsternisverlauf bis zum Monduntergang vornehmen. Die Er-
1 Die totale Mondfinsternis vom 21.1.2019, Aufnahmedaten s. Text.
Bild: Peter Slansky
2 Aufnahme im nahen Infrarot am selben Teleskop wie Abb. 1.
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Infrarotastronomie
gebnisse werden in Teil 2 dieses Artikels präsentiert.
Opto-elektronische Übertragungsfunktion (OECF) Um aus einer fotografischen Aufnahmereihe eine Reihe fotometrischer Kurven in den vier Spektralbereichen zu gewinnen, musste die genaue opto-elektronische Übertragungsfunktion der Kamera (englisch: optoelectronical conversion function; OECF) ermittelt werden. Dies führte mich zu meiner Diplomarbeit zum Fotoingenieur zurück, in der ich vor 30 Jahren dies erstmals an analogen Fernsehkameras praktiziert hatte. Eine genauere Darstellung findet sich in [1]. Die Methodik lässt sich auch auf heutige Digitalkameras anwenden: Unter kontrollierter Beleuchtung nimmt man einen Graustufenkeil auf, ein Testbild mit einer Reihe von definierten Helligkeitsabstufungen von Weiß zu Schwarz. In einem Bildbearbeitungsprogramm (in meinem Fall Photoshop) ermittelt man dann den jeweiligen digitalen Signalwert im Bild und stellt diese Werte in einem Tabellenkalkulationsprogramm (in meinem Fall Excel) zu einer Tabelle zusammen. Die Zwischenwerte zwischen zwei Graustufenfeldern werden interpoliert. In der Wertetabelle erscheint dann zu jedem Helligkeitswert der dazugehörige Signalwert im Foto als sogenannter ,,Code Value".
Um die Auswertung zu vereinfachen, wurde für die Aufnahmen bewusst das Dateiformat JPG gewählt, da es lediglich 8 Bit umfasst, d. h. die Code Values 0 bis 255. Dies machte die Erstellung der OECFWertetabelle ,,zu Fuß" noch handhabbar. Außerdem ist, anders als bei einer RAWAufnahme, im JPG-Format die eingestellte OECF der Kamera fest in die Bilddatei ,,eingebacken". Verwendet wurde ein Graustufenkeil der Firma Kodak mit 20 Feldern mit einer Abstufung von einer 1/3 Blende
3 Apochromat 80 mm / 480 mm. Oben am Flip-Mirror befindet sich Kamera 1, eine
unmodifizierte Sony a7S, für die Spektralbereiche Blau, Grün und Rot. Hinten am Flip-Mirror befindet sich Kamera 2 desselben Typs, jedoch mit entferntem IR-Sperrfilter und mit KodakIR-Passfilter Wratten 92 für den Spektralbereich Nahinfrarot.
pro Feld. Das ist eine logarithmische Abstufung: Eine Blendenstufe entspricht jeweils einer Verdoppelung bzw. Halbierung der Belichtung, also Faktor 2 bzw. Faktor 1/2. Eine Drittel Blendenstufe entspricht der 3. Wurzel aus 2, also Faktor 1,25 bzw. der 3. Wurzel aus 1/2, also Faktor 0,8. Blendenstufen sind übrigens leicht in Magnituden umzurechnen: 1 Blendenstufe entspricht 0,8 Mag; 1,25 Blendenstufen entsprechen 1 Mag.
den relativen Grad der Verfinsterung ging. Die OECF gilt unabhängig vom Farb- bzw. Spektralbereich. Mithin konnte gemäß der Wertetabelle jeder der vier Spektralbereiche - Blau, Grün, Rot und Nahinfrarot - für sich fotometriert werden. Dieses Verfahren bezeichne ich als ,,Vierkanal-Kamera-FotoColorimetrie". Die genauen Spektralempfindlichkeitskurven der Sony a7S sind mir leider unbekannt, doch ist das Ergebnis dennoch aussagekräftig.
Der durch den Graustufenkeil abgebildete Motivkontrast umfasst 20 x 1/3 = 6 2/3 Blendenstufen. Da der durch die Kamera übertragbare Kontrastumfang höher ist, mussten zur vollständigen Ermittlung der OECF zwei verschieden belichtete Aufnahmen des Graustufenkeils gemacht werden. Die genaue Vorgehensweise zur Ermittlung der OECF ist auf meiner Website abrufbar [2]. Die Abbildung 4 zeigt das Ergebnis, das sich aus der Wertetabelle ergibt: Eine leicht S-förmige OECF-Kurve mit der relativen Belichtung in Blendenstufen auf der X-Achse und den Code Values für die Helligkeit von 0 bis 255 auf der Y-Achse. Man könnte diese Messung auch auf absolute Leuchtdichten kalibrieren, doch verzichtete ich auf diesen Aufwand, da es mir nur um
Korrektur der Belichtung und der Albedo Der Helligkeitsverlauf einer Mondfinsternis übersteigt den übertragbaren Kontrastumfang einer digitalen Kamera bei Weitem, daher musste im Verlauf der Mondfinsternis die Belichtung ständig angepasst werden. Da die Teleskopöffnung unverändert blieb, geschah dies nur über die Belichtungszeit und den ISO-Wert. Während der partiellen Phase wurden zudem mit beiden Kameras jeweils zwei unterschiedlich belichtete Aufnahmen gemacht, um den großen Kontrast zwischen der hellen und der verfinsterten Mondseite zu überbrücken. Da sowohl die Belichtungszeit als auch der ISO-Wert linear in die Belichtung eingehen, wurden die Variationen dieser
Infrarotastronomie Opto-electronical conversion function of the Sony a75 in photo mode with "standard" gamma
4 OECF (siehe Text) der Sony a7S in der Einstellung ,,Standard Gamma" im Dateiformat JPG. Oben und unten sind die
beiden unterschiedlich belichteten Aufnahmen des Graustufenkeils zu sehen [2].
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Infrarotastronomie
Parameter in der Auswertung jeweils durch einen entsprechenden Korrekturterm berücksichtigt. Ebenfalls korrigiert wurden die unterschiedlichen Werte der Albedo der Mondoberfläche in den Messfeldern in den vier Spektralbereichen. Auf diese Weise startet jede der vier fotometrischen Kurven bei Blende 0 und zeigt den zeitlichen Verlauf der Finsternis für das jeweilige Messfeld über die Zeit im jeweiligen Spektralbereich in negativen Blendenstufen.
Messfelder Meine Messmethode für Mondfinsternisse ist fotometrisch weniger exakt als integrale Messungen mit einem Fotometer [3]. Dafür ermöglicht sie aber erstens, die Fotometrie in verschiedenen Spektralbereichen sowie zweitens, die Ermittlung der räumlich-zeitlichen Verteilung der spektralen Helligkeitswerte auf der Mondoberfläche. Hierzu wurden auf der Mondoberfläche sieben Messfelder definiert, die jeweils einzeln für jede Aufnahme und für jeden der vier Spektralbereiche getrennt ausgewertet wurden.
Ergebnisse: ein Ausblick Über den gesamten Finsternisverlauf von 03:43 bis 07:28 Uhr MEZ wurden insgesamt 45 Fotos im Visuellen und 38 im Infraroten, getrennt in den sieben Messfeldern jeweils in den vier Spektralbereichen, ausgemessen, was insgesamt 869 Messwerte ergab. Die Ergebnisse folgen im zweiten Teil dieses Artikels im nächsten Heft 76. Hier nur ein kurzer Ausblick: Die Abweichungen zwischen den Messfeldern auf der Mondoberfläche sind zum Teil überraschend groß - nicht nur in Bezug auf die Helligkeit, sondern auch auf die Differenzen zwischen den Spektralbereichen. Im Durchschnitt über alle sieben Messfelder war die maximale Verfinsterung des Mondes im Blau mit -16,1 Blendenstufen am stärksten; das entspricht einem Verfinsterungsgrad von 1:70.000. Gefolgt wurde sie von -15,7 Blendenstufen im Grün (1:53.000) und -14,0 Blendenstufen im Rot (1:16.000). Im Nahinfrarot betrug die maximale Verfinsterung dagegen nur -10,5 Blendenstufen (1:1.440). Damit lag die Verfinsterung im Infraroten um 5,6 Blendenstufen geringer als im Blau, das ist
nur 1/50 so stark. Das liefert auch die Erklärung, warum in der Abbildung 2 gegenüber der Abbildung 1 - bei gleicher Mondhelligkeit - so viel weniger Sterne zu sehen sind.
Ich bedanke mich herzlich bei meinem CoBeobachter Bernd Gährken, der sehr zur Konzeption und Realisierung beigetragen hat.
Internethinweise (Stand April 2020): [1] P. C. Slansky, D. Möllering, 1993:
,,Handbuch der professionellen Videoaufnahme", edition filmwerkstatt, Essen [2] P. C. Slansky, Webseite: http:// slansky.userweb.mwn.de/bereiche/ astronomie/aufnahmetechniken/ bilder/oecf_sony_a7s_photo.pdf [3] N. Hernitschek, E. Schmidt, M. Vollmer, 2009: ,,Lunar eclipse photometry: absolute luminance measurements and modeling", in: Applied Optics 01/2009 (www.researchgate.net, 27.7.2019)
Impression
Mond bedeckt Venus
Er kam leise und auf schlanken Sohlen, um sich die helle Schöne zu holen ... blass und visuell nur noch im Rotfilter zu erkennen, schlich sich am 19.06.2020 der Mond an die nach der unteren Konjunktion am 03.06. schon wieder fülligere Venussichel heran, um sie etwa eine Stunde lang unserem Anblick zu entziehen. Aufnahme von Bernd FlachWilken mit einem 178-mm-Refraktor, DERF-Wärmeschutzfilter, ASI 174MM ab 9:49 Uhr MESZ.
Infrarotastronomie
Den Schleier lüften
- Galaxienfotografie im Infraroten
von Manfred Mrotzek
Manche Galaxien entziehen sich sehr erfolgreich den neugierigen Blicken der Sterngucker und Astrofotografen. Hinter einer dicken Staubschicht verborgen sind sie visuell und auf Luminanz- oder RGBAufnahmen kaum erkennbar und erst bei infraroten Wellenlängen sichtbar. Zwei prominente Vertreter solcher Galaxien sind Maffei 1 und Maffei 2 in der Kassiopeia, etwas südlich des bekannten Emissionsnebels Sh2-190 (gemeinhin auch als Herznebel bezeichnet oder als IC 1805 - das ist aber nur der offene Haufen in dem Nebel) und mitten in der Milchstraße gelegen. Gehört hatte ich von diesen Galaxien schon vor etlichen Jahren, aber nie so richtig nach den Positionen gesucht. Aber dann rückte ein Ereignis sie plötzlich ins Rampenlicht, und mein IR-Passfilter spielte dabei eine besondere Rolle.
Falscher Alarm Im Herbst 2016 erhielt ich die Mitteilung, dass in der Galaxie Maffei 2 möglicherweise eine Supernova explodiert sei. Ich konnte damals mit Aufnahmen durch einen IRPassfilter zeigen, dass es sich bei dem Ereignis keineswegs um eine Supernova in Maffei 2 handeln konnte, sondern dass es eine No-
1 Maffei 2 (UGCA 39, LEDA , SH2-197, Weinberger 21). Aufnahme vom 02.11.2016, Refraktor
140 mm/150 mm, Atik 460EX, Belichtungszeit 13 x 10 min mit IR-Pass-Filter IR807. (Bild: Manfred Mrotzek)
vaexplosion in unserer Galaxie sein musste [1]. Meine Recherchen zu Maffei 2 hatten ergeben, dass diese auch LEDA 10217 und UGCA 39 genannte Galaxie nicht nur im
Infraroten bei etwa 2 m Wellenlänge viel heller als im Visuellen ist, sondern bereits schon im Nahinfraroten bei etwa 850 nm deutlich heller als im Roten ist. Im Visuel-
2 Maffei 2 im Vergleich. Links: POSS II auf infrarotempfindlicher Fotoplatte bei etwa 840 nm. Mitte: CCD-Aufnahme
bei etwa 850 nm (Manfred Mrotzek), rechts: 2MASS im J-, K- und L-Band bei 1,25 m, 1,65 m und 2,2 m.
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Infrarotastronomie
len und Blauen ist sie so gut wie überhaupt nicht sichtbar. Da kam mir doch mein IRPassfilter, der ab etwa 807 nm Wellenlänge das nahe infrarote Licht durchlässt, sehr gelegen. Das Licht einer Supernova in Maffei 2 hätte durch den Staub in der Milchstraße genauso wie das restliche Licht der Galaxie mit ihren Sternentstehungsgebieten und offenen Sternhaufen geschwächt werden und genauso gerötet erscheinen müssen. Ein Falschfarbenbild aus der IR-Aufnahme (Rotkanal) und zwei Luminanzaufnahmen (Grün- und Blaukanal) zeigte die vermeintliche Supernova aber türkis, Maffei 2 dagegen wie erwartet rot. Damit war die vermeintliche Supernova im Visuellen deutlich heller als im Infraroten und damit kein Objekt in Maffei 2.
Galaxien im Infraroten Durch diese Geschichte wurde mein Interesse an Galaxien im Infraroten geweckt. Das nächste Ziel war eine länger belichtete Aufnahme von Maffei 2, um die Struktur, die Form zu zeigen. Anfang November 2016 war der Himmel mal wieder klar, so dass sich eine Infrarotaufnahme lohnte. Nach etwas über zwei Stunden Belichtungszeit waren die hellsten Teile der Galaxie gut sichtbar, insbesondere der von Süden hakenförmig sich im Westen um Maffei 2 herumwindende Galaxienarm (Abb. 1). Weiter südlich davon existieren noch schwache Ausläufer der Galaxie, die in meiner Aufnahme nicht recht herauskommen wollen. Der Vergleich (Abb. 2) mit Aufnahmen [2] der Durchmusterungen POSS II bei einer Wellenlänge von etwa 0,84 m, 2MASS bei einer Wellenlänge von etwa 2 m und Pan-STARRS bei einer Wellenlänge bis etwa 1 m lässt vermuten, dass diese schwachen Ausläufer erst bei größeren Wellenlängen als 1 m deutlich sichtbar werden. Im Norden sind kaum Details erkennbar. Auch die Pan-STARRS-Aufnahme wirkt dort nicht sehr strukturiert. Nordöstlich des
3 Maffei 1 (UGCA 34, Sh2-191, LBN 659, Weinberger 19). Aufnahme vom 02.09.2018,
Refraktor 140 mm / 750 mm, Atik 460EX, Belichtungszeit 12 x 10 min mit IR-Pass-Filter IR807. (Bild: Manfred Mrotzek)
Kerns sind in meiner Aufnahme einige diffuse Flecke sichtbar. Sie stellen sich in der 2MASS-Aufnahme als helle, diffuse infrarote Flecke dar und sind offenbar Sternentstehungsgebiete, vermutlich große offene Sternhaufen. Maffei 2 wird durch den vorgelagerten Staub in der Milchstraße um 7 bis 8 Größenklassen abgedunkelt.
Die Galaxie Maffei 1 befindet sich weniger als ein Grad östlich von Maffei 2. Das bot die Möglichkeit, eine Aufnahme von Maffei 1 (auch als UGCA 34 bezeichnet) mit der Aufnahme von Maffei 2 zu einem Mosaik (Abb. 4) zu verbinden. Allerdings erstellte ich die Aufnahme von Maffei 1 erst zwei Jahre später mit einer Belichtungszeit von 2 Stunden (Abb. 3). Maffei 1 ist eine ellip-
tische Riesengalaxie, vor der sich westlich des Kerns eine Staubwolke abzeichnet. Diese soll aber ein Vordergrundobjekt [3] in unserer eigenen Galaxie und nicht etwa Reste einer zerrissenen Zwerggalaxie sein, die sich Maffei 1 gerade einverleibt hat. Würde UGCA 34 nicht hinter den dicken Staubwolken der Milchstraße liegen, wäre sie um 3 bis 4 Größenklassen heller und eine der hellsten Galaxien am Himmel. Auf jeden Fall ist sie die uns am nächsten gelegene elliptische Riesengalaxie in einer nicht genau bekannten Entfernung. Schuld daran ist der Staub. Die Astronomen streiten um ein paar Millionen Lichtjahre Differenz. Sind es knapp 10 oder 15 oder doch fast 20 Millionen Lichtjahre bis zu Maffei 1 und Maffei 2? Unterschiedliche Auswerte-
Infrarotastronomie 36 | Journal für Astronomie Nr. 75
methoden selbst derselben Messdaten des Weltraumteleskops Hubble führen zu eklatant unterschiedlichen Resultaten [4]. Im Fall der kleinsten Entfernung würden die Maffei-Galaxien eine Gruppe mit IC 342 bilden, in den anderen Fällen würden sie eine eigene, weiter entfernte Gruppe darstellen.
Maffei 1 wird von uns aus gesehen von den Sternen des nicht sehr auffälligen offenen Haufens Czernik 11 umgeben, hauptsächlich im Westen. Der Haufen ist ca. 1.300 Lichtjahre entfernt und soll über 700 Mitglieder umfassen [5]. Südlich und ein wenig westlich von Maffei 1 ist ein schwacher Schimmer erkennbar. Das ist die ebenfalls nur im Infraroten sichtbare Galaxie PGC 166068, eine Zwerggalaxie, die ebenfalls zur Gruppe um Maffei 1 gehört.
Es geht auch mit einer Farbkamera Meine Aufnahmen wurden alle mit einer monochromen CCD-Kamera erzielt. Aber die Fotografie von Galaxien (und natürlich auch anderen Objekten) im Infraroten funktioniert auch mit einer DSLR, also einer Farbkamera. Man muss dafür den IR-Sperrfilter ausbauen, was wohl klar sein dürfte und auch für die Fotografie im Licht des ionisierten Wasserstoffs vonnöten ist. Die Farbfilter der Bayermaske auf den Pixeln des Sensors lassen interessanterweise alle im Infraroten Licht durch. Was bei der Farbfotografie als Leck gewertet wird, ist für die Infrarotfotografie die große Chance. Werner E. Celnik hat bei [6] für die Canon 450 D gefunden, dass die Farbfilter im Infraroten recht unterschiedliche Durchlasskurven haben. Dadurch empfangen die rot-, grün- und blaugefilterten Pixel bei den meisten infraroten
4 Zweifachmosaik von Maffei 1 (oben)
und Maffei 2. Aufnahmedaten siehe Abb. 1 und 3. Norden ist links.
Infrarotastronomie
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5 Maffei 1 und 2, Coloraufnahme in zwei Nächten am 29. und 30.10.2019, belichtet
insgesamt 8,6 Stunden am Newton 200 mm / 800 mm mit Canon 700Da bei ISO 400 ohne Filter (Bild: Werner E. Celnik).
Wellenlängen unterschiedlich viel Licht. Aber jenseits von ca. 850 nm sind die Intensitätsverläufe in allen drei Farben fast identisch. Bei einer Wellenlänge von etwa 870 nm wird noch eine Quanteneffizienz von 13-14% der maximalen Quanteneffizienz erreicht.
Nun heißt es, fleißig belichten, damit in der Summe genügend Intensität auf dem Sensor ankommt und um Galaxien im Nahinfraroten mit einer DSLR darstellen zu können. Dass das funktioniert, zeigen die Abbildungen 5 und 6. Die Abbildung 5 ist eine gewöhnliche Farbaufnahme von Maffei 1 und Maffei 2 unter Verwendung eines IR-Sperrfilters. Werner hat dafür 8,6 Stunden mit einem Newton (f/4) belichtet. Von der helleren Galaxie Maffei 1 ist ein diffuser rötlicher Fleck sichtbar, von Maffei 2 ein rötlicher Schimmer mehr zu erahnen. Die Abbildung 6 zeigt dasselbe Bildfeld, das in immerhin vier Nächten mit einem Refraktor (f/7,3) 16,3 Stunden lang durch einen Filter RG850 belichtet wurde. Jetzt treten die Galaxien prächtig hervor. Das Ergebnis ist durchaus mit meiner Aufnahme (Abb. 4) vergleichbar. Da geht also auch mit einer DSLR-Kamera etwas. Und wer die Abbildungen 5 und 6 genau vergleicht, findet auch die Sterne, die im Nahinfraroten deutlich heller als im Visuellen sind.
Schwierige Klassifikation Etwas kurios muten die Alternativbezeichnungen von Maffei 1 und Maffei 2 an. Maffei 1 wird als Sh2-191 und LBN 659 gelistet, Maffei 2 als Sh2-197. Sh2 steht bekanntlich für den zweiten von Stewart Sharpless erstellten Katalog heller Nebel auf den rotempfindlichen Fotoplatten des POSS I aus den 1950er-Jahren. Diese Objekte sind in der Regel Emissionsnebel, die im roten H-Licht leuchten. Auch Beverly T. Lynds hat die Nebel in ihren Katalog heller Nebel aufgenommen. Die wahre Natur dieser Nebel wurde erst 1968 von dem Mann entdeckt, dessen Namen die Galaxien seitdem tragen. Paolo Maffei war einer der ersten, die den Himmel mit hypersensibilisierten infrarotempfindlichen Fotoplatten fotografierten. Erst sie zeigten Maffei 2 als Balkenspirale. Solche Fehlklassifikationen kommen häufiger vor. Die Objekte behalten dann trotzdem die irreführenden Katalogbezeichnungen, obwohl sie wegen der Fehlklassifikationen nicht zu den Objekttypen dieser Kataloge gehören.
Infrarotastronomie
iopscience.iop.org/article/
10.3847/2041-8213/aafee6/pdf [5] A. L. Tadross et al., 2018: ,,The first
Charge Coupled Device photometry
of the poorly studied clusters Teutsch
126 & Czernik 11", Astron. Nachr.
339, S. 698-704, www.researchgate.
net/publication/330783881_The_
first_Charge_Coupled_Device_
6 Maffei 1 und 2, Nahinfrarotaufnahme in vier Nächten von Oktober bis Dezember 2019,
belichtet 49 x 1.200 s (16,3 Stunden) am Refraktor 150 mm / 1.100 mm mit IR-modifizierter
photometry_of_the_poorly_studied_ clusters_Teutsch_126_Czernik_11
,, [6] C. Maurer, 2009: Measurement of the
Canon 6D bei ISO 800 mit 2-Zoll-Filter RG850 (Bild: Werner E. Celnik).
spectral response of digital
cameras with a set of interference
Fazit
[4] G. S. Anand et al., 2019: ,,The Distance
filters", Thesis, Univ. Köln, S. 52, www.image-engineering.de/content/
Ein IR-Passfilter lässt Objekte, die durch
and Motion of the Maffei Group",
library/diploma_thesis/christian_
vorgelagerten Staub stark gerötet sind,
Astrophys. J. 872, L4, https://
mauer_spectral_response.pdf
deutlicher hervortreten. Ganz besonders
auffällig ist dieser Effekt bei den Galaxien
Maffei 1 und Maffei 2 im Sternbild Kassiopeia, die im visuellen Spektralbereich, den
IMPRESSUM
der Luminanzfilter abdeckt, kaum sichtbar sind. Bei Wellenlängen von 800-1.000 nm offenbaren sie sich fast in ihrer vollen Größe und zeigen bereits Strukturen. Wer noch
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
einen Platz im Filterrad frei hat, sollte ihn
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS)
an einen IR-Passfilter vergeben und sich
Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY
so den nahinfraroten Himmel erschließen.
Telefon: +496252 787154 | Fax: +496252 787220
Und wer ein bisschen mit verschiedenen
service@vds-astro.de | www.vds-astro.de
IR-Filtern probieren mag, kann alternativ
Redaktion: Dietmar Bannuscher, Dr. Werner E. Celnik, Otto Guthier,
auch mit einer DSLR zu schönen Ergebnis-
Sven Melchert. Redaktionelle Mitarbeit der VdS-Fachgruppen-Redakteure und
sen kommen.
VdS-Mitglieder
Bearbeitung von Bildern und Grafiken: Dr. Werner E. Celnik und die Autoren
Literatur- und Internethinweise
Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin
(Stand: Februar 2020):
Anzeigen: Kullmann & Matic GbR, anzeigen@vds-astro.de
[1] M. Mrotzek, 2017: ,,Eine Supernova
Litho und Druck: Kullmann & Matic GbR, Stuttgart
in der Kassiopeia?" VdS-Journal für
Vertrieb: Werner Teutsch GmbH, Laudenbach
Astronomie 62, III/2017, S. 42
Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mit-
[2] Sky Atlas Aladin Desktop V10:
gliedsbeitrag von 40,- E (EU) und 45,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E
https://aladin.u-strasbg.fr/aladin.gml ,,
[3] R. Buta, M. L. McCall, 2003: Maffei 1
pro Jahr enthalten. Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die
with the Hubble Space Telescope",
Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe unter www.vds-astro.de).
Astron. J. 125, p. 1150-1163,
Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169,
https://iopscience.iop.org/
64629 Heppenheim, E-Mail: service@vds-astro.de.
article/10.1086/367789/pdf
38 | Journal für Astronomie Nr. 75
JANUAR
Erde im Maximum der Perihel Quadrantiden 0,9833 AE
153 2 3
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41 5 6 7 8 9 10
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7 Uhr: Mond und Venus tief im Südosten
112 12 13 14 15 16 17
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Mars 1,5 Grad Mond 5 Grad nordwestlich südöstlich von von Uranus Mars
20 21 22
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Mond bei Aldebaran und Hyaden
Merkur in größter östlicher Elongation (Abend)
23 24
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Copyright (C) 2020 by WEINGARTEN
Der König der Planeten aus ungewöhnlicher Perspektive
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28 29 30 31
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01.01. Neujahr · 06.01. Heilige Drei Könige
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FEBRUAR
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Mond 5,5 Grad südwestlich von Mars
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Detaillierter Blick auf die Dreiecksgalaxie
Mond bei M 44 (Praesepe)
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15.02. Rosenmontag · 16.02. Fastnacht · 17.02. Aschermittwoch
DER NEUE BILDKALENDER
HIMMEL UND ERDE 2021
Sterne und Weltraum präsentiert im Bildkalender »Himmel und Erde« 13 herausragende Motive aus der astronomischen Forschung. Sie stammen aus verschiedenen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums wie dem sichtbaren Licht oder dem Infrarotlicht. Die Aufnahmen zeigen die Aschefontäne eines Vulkanausbruchs, den Astroiden Bennu, Eta Carinae, den jungen Stern PDS 70, den Jupiter und weitere Himmelsregionen und -objekte.
Zusätzlich bietet der Kalender wichtige Hinweise auf die herausragenden Himmelsereignisse 2021 und erläutert ausführlich auf einer Extraseite alle auf den Monatsblättern abgebildeten Objekte.
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MÄRZ
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Mars bei den Plejaden
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Merkur nahe bei Jupiter, SO
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Merkur in größter westl. Elongation
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Mond und Mars bei den Hyaden
Frühlingsanfang um 10:37 Uhr MEZ
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Dolchartige Aschefontäne durchstößt die Erdatmosphäre
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20.03. Frühlingsanfang · 28.03. Beginn der Sommerzeit
NOVEMBER
Uranus in Opposition, Maximum des Südlichen Tauriden-Stroms
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Mondsichel und Venus am Südwesthorizont
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Maximum der Nördlichen Tauriden
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Maximum der Leoniden
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partielle Mondfinsternis (morgens)
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Superstar Eta Carinae, ein Sterngigant in der Milchstraße
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01.11. Allerheiligen · 11.11. Martinstag · 14.11. Volkstrauertag · 17.11. Buß- und Bettag · 21.11. Totensonntag · 28.11. 1. Advent
DEZEMBER
Totale Sonnenfinsternis, in Europa unsichtbar
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Venus 8 Gr. Mond bei Jupiter WNW der und Saturn Mondsichel (Abend), SW
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Der blaue Planet vom Mond aus gesehen
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Maximum des GeminidenStroms
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Winteranfang Maximum
um 16:59 Uhr des Ursiden-
MEZ
Stroms
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Mondsichel 8 Grad westlich von Mars, SO
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05.12. 2. Advent · 06.12. Nikolaus · 08.12. Mariä Empfängnis (A) · 12.12. 3. Advent · 19.12. 4. Advent · 21.12. Winteranfang · 24.12. Heiligabend · 25./26.12. Weihnachten · 31.12. Silvester
Infrarotastronomie
Dunkelwolken im Nahinfraroten
- Dobashi 3135
von Werner E. Celnik
Auf die Dunkelwolke Dobashi 3135 bin ich während der Beobachtungen der Supernova SN2017eaw in der Galaxie NGC 6946 im Mai 2017 (zur SN siehe [1]) aufmerksam geworden, als ich meine neue für Infrarotfotografie modifizierte Canon 1300D mit einem Infrarotfilter RG 850 testete.
Im Atlas und Katalog von Dunkelwolken von Kazuhito Dobashi [2] auf Seite 280 ist die Dunkelwolke unter der Nummer 3135 mit den galaktischen Koordinaten Länge 95 Grad 32' und Breite +09 Grad 58' aufgeführt. Sie befindet sich im Sternbild Cepheus bei Rektasz. 20h 45m und Dekl. +58 Grad 59' (2000.0), 2,8 Grad südlich des 3,4 mag hellen Sterns Eta Cephei, genauer 10 Bogenminuten west-
lich des Sterns SAO 32880 (8,8 mag) und 14 Bogenminuten südlich von SAO 32863 (9,1 mag). Die Galaxie NGC 6946 steht 1,7 Grad nordwestlich und die HII-Region IC 1396 etwa 7 Grad östlich. 1,5 Grad nordöstlich von Dobashi 3135 befindet sich die große Dunkelwolke Barnard 150 (B 150). Die Abbildung 1 zeigt das betreffende Himmelsgebiet. Dobashi 3135 deckt eine Himmelsfläche von knapp 86 Quadratbogenminuten ab und ist damit viel kleiner als die Fläche des Mondes am Himmel.
Die Beschreibung der Lage von Dobashi 3135 ist deshalb so ausführlich, weil sie im visuellen Licht eher unauffällig erscheint. B 150 ist da viel markanter.
Die Extinktion in Dobashi 3135
Auf Dobashis Karte für den Farbexzess von 91 Grad bis 104 Grad galaktischer Länge und 3 Grad bis 13 Grad Breite (Seite 196 in [2]) ist 3135 als kleiner Knoten am südlichen Ende von Barnard 150 zu erkennen. In der Abbildung 35 auf Seite 93 in [2] wird die Dunkelwolke identifiziert. Dobashi gibt für das Zentrum der Dunkelwolke 3135 einen AV-Wert von (5,12 +- 0,15) mag an. D. h. ein hinter der Dunkelwolke befindlicher Stern der Helligkeit mV = 10,0 mag wird im V-Band um 5,1 mag geschwächt und erscheint als Stern der Helligkeit mV = 15,1 mag. Die Extinktion A bei einer bestimmten Wellenlänge ist stark von der Wellenlänge abhängig:
A ~ 1 /
1 Das Himmelsareal um die Dunkelwolke Dobashi 3135 im Sternbild Cepheus, aufgenommen in 5 Nächten von Juli bis November 2017,
Kameras: Canon 5D MkII und 1300D IR-modifiziert mit OWB-Filter, Objektiv Canon 1:2,8 / 200 mm (Arbeitsblende 3,5), Gesamtbelichtung 9,5 Stunden, Beobachtungsort Rheinberg. Die Bildfeldgröße ist 10,4 Grad x 6,9 Grad . Dobashi 3135 liegt in der Bildmitte.
40 | Journal für Astronomie Nr. 75
2 RGB- und NIR-Aufnahmen von Dobashi 3135 mit 200 mm Brennweite aus 2017. Links von oben nach unten: B-Kanal aus dem Colorbild,
R-Kanal aus dem Colorbild, NIR-Aufnahme mit IR850-Filter. Rechts von oben nach unten: Colorbild (RGB), Colorbild kombiniert mit NIR-Bild. Unten rechts Bildausschnitt mit Markierung der Dunkelwolke Dobashi 3135.
Dieser Zusammenhang gilt bis auf eine Anomalie im UV-Bereich. Jedenfalls ist die Extinktion für Nahinfrarotlicht ( 880 nm) bereits um den Faktor 1,6 geringer als im V-Bereich ( = 550 nm). Das entspricht für Dobashi 3135 einem ANIR von 3,2 mag. Aufnahmen im NIR zeigen also mehr Sterne in den abgebildeten Dunkelwolken als im visuellen Licht.
Bei der Interpretation von Aufnahmen oder fotometrischen Messungen kommt zur reinen Extinktion jedoch noch der Spektraltyp des betreffenden Sterns hinzu: Ein Stern vom Spektraltyp M hat sein Strahlungsmaximum im tiefroten Licht. Ein Stern vom Spektraltyp B jedoch weit im blauen Licht. Sind beide Sterne im Visuellen gleich hell und stehen benachbart hinter der Dunkelwolke bei demselben AV-Wert, so wird der
von der Eigenfarbe her blaue Stern deutlich stärker gerötet (und schwächer) erscheinen als der bereits tiefrote Stern, dessen Licht von der interstellaren Extinktion weniger stark beeinflusst wird. ,,Rot" erscheinen dann von der Erde aus beide Sterne.
Streulicht in Dobashi 3135 Die interstellare Extinktion durch Staub beruht auf Absorptionsprozessen und vor al-
Journal für Astronomie Nr. 75 | 41
Infrarotastronomie
3 Vergleich des Colorbildes (R-G-B) von
Dobashi 3135 mit der Bildkombination NIRR-(GB), Aufnahmen mit 200-mm-Teleobjektiv und jeweils 4,7 Stunden Belichtung für RGB und NIR. Bildfeldgröße ist 1,3 Grad x 1,6 Grad .
lem auf Streuungsprozessen, bei denen die Staubteilchen kurzwelligeres Licht stärker in alle Richtungen streuen als langwelligeres Licht, ähnlich wie beim Sonnenuntergang die Erdatmosphäre die Sonne rötet. Aber wo bleibt dann das weggestreute Licht?
Absorption bedeutet Aufheizung des Staubes. Diese Erwärmung des Staubes auf eine Temperatur von 10 bis 100 K wird durch Infrarot-Satellitenmessungen bestätigt (z. B. IRAS), die die Re-Emission im fernen Infrarot beobachten: Der Staub erscheint hell. Dieser Effekt kann bei den hier betrachteten ,,kurzen" IR-Wellenlängen von deutlich unter 1.000 nm noch nicht beobachtet werden.
Extinktion bedeutet, dass das gestreute Sternlicht seinen Weg durch die Dunkelwolke sucht und irgendwo wieder austritt. Dies ist dann zu beobachten, wenn die Dunkelwolke zum Reflexionsnebel wird.
Aufnahmen mit Teleobjektiv Der Test startete mit Aufnahmen mit einem
42 | Journal für Astronomie Nr. 75
Kleiner Exkurs zum Thema interstellare Extinktion
Unter [3] ist eine sehr gute Zusammenfassung zu diesem astrophysikalischen Thema zu finden, natürlich auch in den Standardwerken, z. B. [4].
Die interstellare Extinktion bewirkt die Abschwächung des Sternlichtes durch Streuung und Absorption, abhängig von der Menge des Staubes, durch die das Licht zum Beobachter hindurch muss. Sie verfärbt (rötet) das Sternlicht durch Verlust kurzwelligerer Strahlung auf dem Lichtweg durch die Staubwolke. Ein Maß für die Rötung ist der Farbexzess EB-V. Dieser ist definiert als
EB-V = (B-V ) - (B-V)0
Dabei ist (B-V)0 die ,,Eigenfarbe" des Sterns und (B-V) die beobachtete Farbe. Die
Eigenfarbe ergibt sich aus der Differenz seiner absoluten Helligkeiten im B- und V-
Band MB und MV
(B-V)0 = MB - MV
Zur Erinnerung: Als absolute Helligkeit wird die Helligkeit eines Objektes definiert, in der es erscheint, wenn es in 10 Parsec (= 32,6 Lichtjahre) Entfernung steht. Die absolute Helligkeit MV der Sonne beträgt z. B. +4,83 Mag, ihre scheinbare Helligkeit dagegen mV = -26,74 mag.
Die visuelle Extinktion AV in Größenklassen ist ein Maß für die Staubmenge in der
Sichtlinie und wird auf das V-Band bezogen ( = 550 nm). Man hat seit Langem fest-
gestellt, dass das Verhältnis zwischen der visuellen Extinktion AV und dem Farbexzess
EB-V konstant ist [3]:
AV / EB-V = 3,2 +- 0,2
Die durchschnittliche Extinktion in der Milchstraßenebene, in der sich die Staubwol-
ken konzentrieren, beträgt
AV = 1 mag d/kpc
Hier ist d die Länge der Sichtlinie (Distanz) zum Stern, gemessen in Kiloparsec. Ein Stern in der Entfernung von 1 kpc in der Milchstraßenebene wird im V-Band demnach um etwa 1 Größenklasse geschwächt. Senkrecht zur Milchstraßenebene verringert sich der Durchschnittswert von AV auf 0,2 mag d/kpc.
Infrarotastronomie
Canon-Teleobjektiv EF 1:2,8/200 mm. Als Kamera diente eine Canon 1300 D, im örtlichen Fachhandel als Sonderangebot erworben, im März 2017 für Infrarot modifiziert durch Astro-Shop [5]. Als Vorsatzfilter vor dem Objektiv wurde ein im Fotofachhandel erworbener ,,IR850"-Filter (OriginalBezeichnung des Filterglases von Schott: RG 850) mit 72 mm Einschraubgewinde verwendet. Coloraufnahmen wurden mit derselben Kamera ohne den IR-Filter, aber mit einem Original-White-Balance-Filter (OWB) gefertigt.
Die Coloraufnahmen wurden in vier Nächten von Juli bis Oktober 2017 mit Arbeitsblende 3,5 belichtet, huckepack auf einem Refraktor 150 mm/1.100 mm auf parallaktischer Montierung (GM2000 von 10Micron), sozusagen als ,,Beifang" langbrennweitiger Aufnahmen mit dem Refraktor. Nachführkorrekturen mit einem Autoguider waren nicht erforderlich. Da mein Beobachtungsstandort sehr hell ist (Kleinstadt-Zentrum Rheinberg), beschränkten sich die Einzelbelichtungszeiten auf 120 s, aufsummiert auf 7,8 Stunden. In der Abbildung 2 ist oben rechts das Summenbild dargestellt. Der helle Stern am oberen Bildrand ist Eta Cephei. In der Bildmitte die Galaxie NGC 6946 und der Sternhaufen NGC 6939. Die Dunkelwolke Dobashi 3135 befindet sich am Südende der markanten, ausgedehnten S-förmigen Dunkelwolke Barnard 150 links im Bild.
Die Schwarzweiß-Aufnahmen zeigen zum Vergleichen auf der linken Seite der Abbildung 2 v.o.n.u. den Blaukanal und den Rotkanal aus dem Colorbild, darunter das NIR-Bild. Man sieht bereits, dass die Dunkelwolken im blauen Licht deutlich ausgeprägter erscheinen als im roten Licht. Das NIR-Bild lässt die Dunkelwolken nur noch erahnen.
4 Vergleich des Colorbildes von Dobashi 3135 (R-G-B, Newton 200 mm / 800 mm, Canon
700Da, ohne Filter 6,9 Stunden belichtet in 3 Nächten) und der Bildkombination (NIR+R)-G-B. Aufnahme im NIR mit Refraktor 150 mm / 1.100 mm, Canon 1300D-IR, IR850-Filter, 13,5 Stunden belichtet in 3 Nächten im Oktober und November 2017.
Das NIR-Bild wurde am 27.07.2017 mit derselben Kamera-Ojektiv-Kombination gewonnen wie das Colorbild. Allerdings wurde ohne OWB-Filter, dafür mit dem IR850-Filter 74 x 6 min belichtet, deutlich länger als beim Colorbild. Zum einen, weil der Himmel im NIR deutlich dunkler erscheint als im visuellen Licht, zum an-
deren, weil die Kombination von Kamerasensor und IR-Filter eine sehr viel geringere Lichtmenge auf den Sensor gelangen lässt als mit dem OWB-Filter, der eigentlich nur die Modifizierung des Kamerasensors rückgängig macht. Zur Kombination des NIR-Bildes mit dem Colorbild wurden zuerst beide Aufnahmen manuell in Ebenen
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Infrarotastronomie
5 R-Kanal des Colorbildes von Dobashi 3135 (oben), NIR-Bild (Mitte)
und Differenzbild NIR - R (unten). Die infrarothellen Sterne treten deutlich hervor. Selbst helle blaue Sterne sind im Differenzbild nahezu verschwunden.
zeigt deutliche Unterschiede im Detail: Im gesamten Bildfeld und vor allem im Gebiet der Dunkelwolke Dobashi 3135 treten nun zahlreiche rote Sterne zutage, die im alten Colorbild in einer anderen Farbe, schwächer oder überhaupt nicht erkennbar sind. Sterne in der Dunkelwolke mit einer visuellen Helligkeit von 15 bis 16 mag erscheinen im NIR geschätzt 3 bis 5 Größenklassen heller. Das passt zum Wert des von Dobashi gemessenen Extinktionsparameters AV von 5,1 (s. o.).
Eine Strukturänderung innerhalb der Dunkelwolke ist hier (noch) nicht erkennbar, die Aufnahmen sind noch zu verrauscht und der Maßstab zu klein.
am Rand der Dunkelwolke. Die NIR-Aufnahme wurde mit dem 150-mm-Refraktor und der Canon 1300 D-IR gewonnen.
Natürlich ist das Auflösungsvermögen im teleskopischen Bild gegenüber dem Teleobjektiv-Bild viel besser, wodurch z. B. in der Dunkelwolke auch schwächere Objekte im NIR erfasst werden, die im RGB-Bild nur extrem lichtschwach oder gar nicht erkennbar sind. Aber es treten nun auch Strukturen in der Dunkelwolke hervor. Die Dunkelwolke ist auch nicht mehr ,,dunkel" im Sinne von schwarz. Sie ist in der Bildkombination deutlich gelblich-rötlich verfärbt. Womöglich das oben erwähnte Streulicht von eingebetteten Sternen.
in Photoshop aufeinander ausgerichtet und auf die gemeinsame Bildfläche beschnitten. Ein neues Colorbild wurde zusammengesetzt: Das Mittel aus G- und B-Kanal des alten Colorbildes wurde in den neuen BKanal kopiert, der R-Kanal aus dem alten Colorbild in den neuen G-Kanal, das NIRBild in den neuen R-Kanal. Da als Ergebnis ein recht unansehnliches Falschfarbenbild entstand, wurde die Farbbalance des neuen Colorbildes NIR-R-(GB) willkürlich angepasst (s. Abb. 2 Mitte rechts). Rechts unten in der Abbildung 2 ist ein Bildausschnitt dargestellt, um das Ergebnis bezogen auf die Dunkelwolken besser zu erkennen. Hier ist auch die Position von Dobashi 3135 markiert.
Der Vergleich zwischen dem Colorbild und dem (RGB+IR)-Bild in der Abbildung 3
Aufnahmen mit Teleskop Wie gestaltet sich das Erscheinungsbild, wenn größere Aufnahmeinstrumente eingesetzt werden, hier zum Beispiel ein vollapochromatischer Refraktor von Takahashi mit 150 mm Öffnung und 1.100 mm Brennweite und ein preiswerter Newton mit 200 mm Öffnung und 800 mm Brennweite?
Die Abbildung 4 zeigt oben das Colorbild (R-G-B), aufgenommen mit dem 200-mmNewton und astro-modifizierter DSLR Canon 700 Da ohne Einsatz von Filtern. Das schöne helle blau/blassgelbe Doppelsternpaar in der Bildecke links unten sind die SAO-Sterne 32922 (6,9 mag, Spektraltyp B9) und 32917 (7,8 mag, Spektraltyp K0). Der blassgelbe mittelhelle Stern direkt am westlichen Rand der Dunkelwolke ist PPM 38826 (9,2 mag, K0). Er steht wahrscheinlich VOR der Dunkelwolke, denn er ist nicht gerötet - im Gegensatz zu den beiden Sternen nördlich (3UC299-143136, mV = 13,7 mag) und südlich (3UC298-143543, mV = 14,3 mag) von PPM 38826, die im unteren Bild, der Bildkombination (NIR+R)-G-B, so extrem rot und relativ zu den anderen Sternen viel heller erscheinen. Sie stehen
Wie der Unterschied zwischen dem R-Kanal des Colorbildes und dem NIR-Bild bei etwa 880 nm Wellenlänge tatsächlich ist, verdeutlicht die Abbildung 5. Die infrarothellen Sterne treten im Differenzbild (unten) deutlich hervor. Selbst helle blaue Sterne sind im Differenzbild erwartungsgemäß nahezu verschwunden, z. B. PPM 38826 oder SAO 32922.
Fazit Nahinfrarot-Astrofotografie lohnt sich, gleich mit welchem Beobachtungsinstrument, ob Teleobjektiv oder Teleskop hoher Güteklasse. Man lernt eine Menge über die abgelichteten Himmelsobjekte. Wirkungsvoll und auch sehr eindrucksvoll sind Aufnahmen, die in verschiedenen Wellenlängenbereichen des Spektrums mit gut definierten Filtern gewonnen werden sollten, damit der Unterschied zwischen R/G/B und NIR auch deutlich wird. Vom Prinzip her lassen sich solche Aufnahmen auch quantitativ auswerten, um z. B. veränderliche Sterne und Nebel fotometrisch zu verfolgen. Dazu vielleicht ein Beitrag in einer der folgenden Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie.
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Infrarotastronomie
Literaturhinweise und Internetlinks (Stand 17.04.2020): [1] K.-O. Detken, 2018: ,,Feuerwerk in der Feuerwerksgalaxie: Supernova-Ausbruch in der Spralgalaxie NGC 6946",
VdS-Journal für Astronomie 66 (III/2018), S. 27-29 ,,
[2] K. Dobashi, 2011: Atlas and Catalog of Dark Clouds Based on the 2 Micron All Sky Survey", Publ. Astron. Soc. Japan 63, S1-S362, https://academic.oup.com/pasj/article/63/sp1/S1/2898206
[3] L. Baudis, 2007: ,,Interstellare Materie und Sternentstehung", Physikalisches Institut Ib, RWTH Aachen, www.physik.uzh.ch/~lbaudis/astroph 0607/lecture11_180107.pdf
[4] Th. Neckel, 1989: ,,Die Milchstraße und ihre Objekte", in: G. D. Roth (Hrsg.), ,,Handbuch für Sternfreunde", Band 2, S. 471ff, Springer Verlag
[5] Astro-Shop Vesting eK: www.astro-shop.com
Erkundung des Unsichtbaren
von Peter Remmel
Für mich faszinierend war beim Wechsel von der visuellen Astronomie in die CCDAstronomie die Tatsache, dass nach nur wenigen Sekunden Belichtungszeit Details sichtbar wurden, die ich visuell so niemals hatte wahrnehmen können.
Klar kannte ich die wunderschönen Bilder der Astrofotografie-Szene und daher auch diesen Effekt. Aber irgendwie sind die ersten Ergebnisse aus der eigenen Sternwarte, zumindest für mich, dann doch etwas anderes gewesen.
Die Erkenntnis, dass man mit einer CCDKamera auch ins für das menschliche Auge Unsichtbare schauen kann, kam mir erst nach einigen Monaten. Denn mit jeder L(oder RGB-) Filter-Aufnahme verliere ich für die Kamera erfassbare Informationen, schneiden diese Filter doch alle Informationen oberhalb von 700 nm gnadenlos ab. Die absolute Quanteneffizienz des monochromen KAF8300-Sensors ist aber auch oberhalb von 700 nm mit 40% immer noch recht hoch. Erst bei ca. 1.050 nm läuft beim KAF8300 die QE gegen Null. Ab diesem Wert ist der CCD-Sensor blind. Somit sind
mit einem IR-Passfilter Aufnahmen im nahen Infraroten mit einer solchen Kamera gut möglich. Der nahe Infrarotbereich (NIR) reicht per Definition von 780 nm (= 0,78 m) bis 2,5 m [1], andere Quellen geben bis zu 5 m an. So bewegt man sich zwar nur in den unteren knapp 300 nm des umfassenden NIR-Bereiches, aber immerhin im NIR.
Spannend fand ich das insofern, dass ich mit meiner Kamera Dinge erfassen konnte, die für das menschliche Auge absolut nicht mehr zugänglich sind.
80 min Ha
35 min IR-Pass
1 NGC 2024 in zwei Variationen: links H-, rechts IR-Passfilter. Aufnahmedaten: C14 mit Hyperstar (f/1,9),
Kamera: QHY 9, Montierung: Omegon pro Taurus GM-60
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Infrarotastronomie
Ok, jeder Stern leuchtet auch im infraroten Bereich und wird somit mit einem solchen Filter, sofern er nicht in einer Dunkelwolke liegt, kaum anders aussehen als im Bereich bis 700 nm. Je nach Spektraltyp schwächer oder auch heller als im Visuellen.
Aber die Sterne in den Dunkelwolken oder z. B. Braune Zwerge sind mit einem solchen Filter angesagte Ziele, denn hier nehmen Kameras mit einem IR-Pass-Filter Dinge auf, die im visuellen Bereich nicht mehr wahrnehmbar wären.
Vergleiche im Flammennebel So zeigten meine Versuche im Bereich des Flammennebels NGC 2024 schon, was die Sternabbildung betrifft, einen deutlichen Unterschied. Die IR-Pass-Aufnahme (Abb. 1) zeigte im Vergleich zu einer länger belichteten H-Aufnahme deutlich mehr Sterne im Nebel. Aber auch die Nebelstruktur zeigt sich verändert.
Vergleiche in der Dunkelwolke B 168 Fabian Neyers fantastisches APOD-Bild von IC 5146 [2] (Kokon-Nebel) brachte mich auf die Idee, den in diesem Bild auch zu sehenden Dunkelnebel Barnard 168 einmal mit
einem IR-Passfilter zu fotografieren. Bereits nach 2,25 Stunden sah ich in meinem Bild mehr Sterne in B 168 als in Fabians 29,4-Stunden-Aufnahme. Das Licht der Sterne innerhalb dieser Dunkelwolke wird im visuellen Beobachtungsbereich so stark gedämpft, dass diese Sterne auch auf länger belichteten Aufnahmen unsichtbar bleiben. Dagegen zeigt sich, dass die Wolke für IR durchlässig ist und das ,,NIR-Licht" der darin scheinbar verborgenen Sterne ihren Weg auf den Kamerasensor findet.
Jetzt muss man dazu sagen, dass meine Aufnahme mit f/1,9 und Fabians Aufnahme mit f/7,2 gemacht wurde. Wenn man dies berücksichtigt, sind die beiden Aufnahmen von der relativen Belichtung nicht sehr weit auseinander. Doch wenn man die unterschiedlichen Empfindlichkeiten der CCDSensoren oberhalb und unterhalb von 700 nm berücksichtigt, sollte Fabians Aufnahme eigentlich deutlich mehr Informationen enthalten. Das ist nicht der Fall.
Schöner ist Fabians Aufnahme aber ganz ohne Zweifel. Den Vergleich sieht man sehr gut in der Abbildung 2.
Fazit Ein IR-Passfilter ist sicherlich eine interessante Ergänzung zur eigenen Astrofotoausrüstung; zumal der Preis unter dem eines Schmalbandfilters liegt, der Spaßfaktor dafür aber sehr hoch sein kann.
Ich hatte mir einen 685-nm-Filter gekauft, weil ich befürchtete, dass mit einem IR-Passfilter von 785 nm Kantenlage oder höher nichts mehr auf dem CCD-Sensor aufgezeichnet wird. Das ist wohl bei einer Öffnung von 14 Zoll eine unberechtigte Befürchtung gewesen, ich würde heute einen 785-nm-Filter oder vielleicht sogar einen Filter mit über 800 nm nehmen.
Literatur- und Internethinweise (Stand: 10.04.2020): [1] Max- Planck-Institut für Radioastro-
nomie, Homepage: ,,Einteilung des elektromagnetischen Spektrums", www.mpifr-bonn.mpg.de/563197/ einteilung
,, [2] F. Neyer, 2012: Cocoon Nebula Wide
Field", NASA Astronomy Picture of the Day, https://apod.nasa.gov/ apod/ap120913.html
2 Dunkelwolke B 168 bei IC 5146. Oben: Bild von Fabian Neyer, unten: Bild von Peter Remmel, Aufnahmedaten: 27 x 5 min,
C14 mit Hyperstar (f/1,9), Kamera: QHY 9, Montierung: Omegon pro Taurus GM-60
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Infrarotastronomie
Infrarot-Astrofotografie mit einer DSLR?
von Werner E. Celnik
Astrofotografen, gleich ob Wissenschaftler oder Amateurastronomen, versuchen stets, die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für die Astrofotografie auszuschöpfen: sei es die Wahl des Standortes, die Art und Größe des Instrumentes, der Kamera, die Gesamtbelichtung eines Himmelsobjektes bis hin zur Bildbearbeitung. Warum nicht auch bei dieser Lichtwellenlänge?
Bleiben wir bei den Amateuren. Diesen stehen im Gegensatz zu den Wissenschaftlern aus Kostengründen nur in den seltensten Fällen Kameras mit erweiterten Empfindlichkeiten im ultravioletten oder infraroten Licht zur Verfügung. Amateure müssen in der Regel mit handelsüblichen, relativ kostengünstigen Kameras mit CCD- oder CMOS-Sensoren zurechtkommen. Aber auch mit diesen lässt sich etwas anfangen!
Amateur-Astrofotografen setzen bereits vor allem in der Planetenfotografie sehr häufig ,,exotische" Filter ein, wie zum Beispiel UV-/Violettfilter für die Fotografie der Strukturen in der Venusatmosphäre [1], Methan-Filter für Strukturen in den Atmosphären von Jupiter oder Saturn [2], oder Nahinfrarotfilter für die Marsfotografie [3]. Alles Objekte, die im Teleskop sehr hell erscheinen.
Aber wie sieht es bei lichtschwachen DeepSky-Objekten aus, bei der Milchstraße, Sternen, Dunkelwolken und Gasnebeln? Hier müssen wir uns etwas mit dem technischen Hintergrund auseinandersetzen.
Was ist Infrarot? Nach [4] lässt sich der Spektralbereich der Infrarotstrahlung in drei Unterbereiche aufteilen: Nahes (NIR, von 800 bis 5.000 nm Wellenlänge = von 0,8 bis 5 Mikrometer), Mittleres (MIR, von 5 bis 30 Mikrometer) und Fernes Infrarot (FIR, 30 bis 350 Mikrometer). Es schließt sich der ,,Submil-
1 Relative spektrale Transmissionskurve eines typischen Kameraobjektives,
blaue Punkte: nach [4], rote Punkte: extrapoliert
limeter"-Bereich von 350 bis 1.000 Mikrometern Wellenlänge an.
Wir beschäftigen uns hier nur mit dem NIR-Bereich und bewegen uns hierin auch nur am kurzwelligen Rand zwischen 800 und 1.000 nm Wellenlänge.
Die Optik Besitzer von Teleskopen mit reinen Spiegeloptiken sind fein raus: Alle Lichtwellenlängen werden gleich gut im Brennpunkt vereinigt. Theoretisch, wenn die optischen Flächen die ausreichende Genauigkeit besitzen. Jedenfalls hängt die Abbildung nicht von der Lichtwellenlänge ab, außer natürlich beim Auflösungsvermögen.
Bei Linsenoptiken, gleich ob Refraktoren oder Fotoobjektive, macht uns die unterschiedliche Durchlässigkeit (Transmission) für Licht verschiedener Wellenlänge einen Strich durch die Rechnung. Je länger der Lichtweg durch Glas, umsoweniger Licht gelangt auf den Kamerasensor. Im UV ist der Effekt extrem, im NIR immerhin bemerkbar, vgl. die Abbildung 1 (nach [4]). Bei größeren Glasdicken wird der Effekt stärker, bei Spezialgläsern wie z. B.
UV-durchlässigen Quarzgläsern, kann der Effekt geringer ausfallen. In der weiteren Betrachtung gehen wir von Linsenoptiken aus, da auch z. B. Newton-Teleskope oder Schmidt-Cassegrains Linsenelemente enthalten können (Korrektoren).
Im konkreten Fall der NIR-Fotografie bedeutet dies einfach längere Belichtungszeiten gegenüber einer reinen Spiegeloptik.
Der Kamerasensor Wir wollen mit einer DSLR Astrofotografie im NIR betreiben. Inzwischen gibt es handelsübliche Kameras mehrerer Hersteller (Canon, Nikon, Sony ...), die bei AmateurAstrofotografen zum Einsatz kommen. Der Autor ist Besitzer einiger Modelle von Canon und daher beschränken wir uns hier auf diesen unter Sternfreunden wohl immer noch verbreitetsten Kameratyp. Abweichungen bei Sensoren anderer Kamerahersteller scheinen gering zu sein.
Die CMOS-Sensoren handelsüblicher ,,normaler" Kameras für die TageslichtFotografie sind nicht infrarotempfindlich. Warum nicht? Vor den eigentlichen Sensor wird durch den Hersteller ein IR-Sperrfil-
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Infrarotastronomie
2 Relative spektrale Empfindlichkeit in den Farbkanälen R, G und B des CMOS-Sensors in der Kamera Canon EOS 450 D ohne IR-Sperrfilter
(nach [5]), die Kurven wurden extrapoliert für Wellenlängen größer als 900 nm. Die relative Transmission von optischem Glas vor dem Sensor (Abb. 1) wurde berücksichtigt. Die wichtigsten Emissionslinien von Gasnebeln sind mit ihren mittleren relativen Stärken angegeben (nach [7]).
3 Empfindlichkeitskurven der drei Farbkanäle des CMOS-Sensors (aus Abb. 2) und Transmissionskurven einiger handelsüblicher Filter.
tersystem gesetzt, der das langwellige Licht jenseits von ca. 650 nm Wellenlänge sperrt. Deshalb lassen sich mit einer ,,normalen" DSLR keine Wasserstoffemissionsnebel fotografieren, die vor allem in der roten H-Linie bei 656 nm Wellenlänge strahlen. Abhilfe schafft hier eine Astro-Modifikation der Kamera, bei der einer der Sperrfil-
ter ausgebaut wird (s. z. B. [6]). Eine Canon EOS 6D wird dadurch zu einer astro-modifizierten 6Da, mit der diese Emissionsnebel fotografiert werden können. Der CMOSSensor ohne jeden Filter ist jedoch auch noch für weitaus längere Lichtwellenlängen empfindlich, vgl. die Abbildung 2 (nach [5]). Dies wird nach der Entfernung aller
IR-Sperrfilter in der Kamera erreicht, durch den so genannten ,,IR-Umbau" (s. ebenfalls z. B. [6]). Interessant für unseren Fall ist hier die sehr ähnliche Empfindlichkeit aller drei Farbkanäle ab ca. 850 nm Wellenlänge. Ab ca. 1.000 nm Wellenlänge sinkt die Empfindlichkeit des Sensors auf nahe Null.
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Infrarotastronomie
4 Resultierende Empfindlichkeitskurven der Farbkanäle R, G und B aus der Kombination Sensor-Empfindlichkeit
und Transmission eines Filters RG 685.
5 Resultierende Empfindlichkeitskurven der Farbkanäle R, G und B aus der Kombination Sensor-Empfindlichkeit
und Transmission eines Filters RG 850.
Die Wahl eines IR-Filters Für Aufnahmen im NIR-Bereich des Spektrums müssen die kurzwelligeren Spektralbereiche durch optische Filter ausgeblendet werden. Dafür steht auf dem Markt eine große Auswahl zur Verfügung. Die Abbildung 3 zeigt neben den Empfindlichkeitskurven der drei Farbkanäle des CMOS-Sensors die
Transmissionskurven einiger handelsüblicher Filter. Es ist zwischen so genannten ,,Kantenfiltern" und ,,Bandpassfiltern" (BP) zu unterscheiden. Kantenfilter sind Farbgläser, sie besitzen eine Transmissionskurve, die für kürzere Wellenlängen sperrt und für längere Wellenlängen durchlässig ist, wie z. B. die Kurve für den Filter RG
742 in der Abbildung 3. Bandpassfilter sind mit dünnsten Metallschichten bedampfte Interferenzfilter, die einen definierten Wellenlängenbereich durchlassen und für kürzere und längere Wellenlängen sperren, wie die Kurve für den Filter BP RG 642 in der Abbildung 3. Da in unserem Fall der Kamerasensor für Wellenlängen jenseits von
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Infrarotastronomie
Tabelle 1
Verschiedene Filterkombinationen mit dem CMOS-Sensor der Canon 450D-Kamera
Filter
Emax
c/nm
Mittelwerte RGB HWB/nm Äquivalentbreite/nm
R : G : B
RG 685
0,282
794
147
42
3,0 : 1,9 : 1,0
BP RG 642
0,381
761
116
48
8,1 : 3,0 : 1,0
RG 742
0,270
818
124
33
1,7 : 1,5 : 1,0
RG 850
0,117
878
87
10
1,0 : 1,0 : 1,0
grafischen Praxis muss mit diesen Kameras bei gleich gutem Himmel mit dem RG 850 etwa genauso lang belichtet werden wie mit einem schmalbandigen H-Filter von 12 nm Bandbreite.
Relative Werte für maximale Empfindlichkeit Emax, Zentralwellenlänge c, Halbwertbreite der Glockenkurve HWB, Äquivalentbreite und das Verhältnis der Empfindlichkeiten in den resultierenden RGB-Kanälen
1.000 nm unempfindlich ist, genügt für die Sperrung kurzer Wellenlängen ein relativ preiswerter Kantenfilter.
Die Kombination Sensor und Filter Um die für die fotografische Praxis wichtige resultierende Empfindlichkeit für eine bestimmte Sensor-Filter-Kombination zu finden, werden Sensor-Empfindlichkeit und Transmission multipliziert. Die Abbildung 4 zeigt die resultierenden Empfindlichkeitskurven der Farbkanäle R, G und B aus der Kombination Sensor-Empfindlichkeit und Transmission eines Filters RG 685. Die Wasserstofflinien werden nicht mehr erfasst, nur noch einige schwächere Schwefellinien. Die drei Farbkanäle zeigen höchst unterschiedliche Äquivalentbreiten (= Flächen unter den Glockenkurven). Ein Farbbild würde rötlich erscheinen. In der Abbildung 5 ist die Kombination der Sensor-Empfindlichkeit und eines Kantenfilters RG 850 dargestellt. (,,RG 850" ist die Bezeichnung des Farbglases der Fa. Schott, im Handel gehen die Bezeichnungen etwas durcheinander: Es gibt den sehr preiswerten Filter in vielen Größen unter der Bezeichnung ,,IR 850".) Die Kurven für die drei Farbkanäle sind fast identisch - in der Praxis ergibt sich bei Astroaufnahmen mit meinen IR-modifizierten Kameras 1300D und 6D ein nahezu farbneutrales Bild mit einem nur leichten Rot- bis Magentastich. Die Kantenlage des Filters führt mit der zu langen Wellenlängen hin abfallenden
Empfindlichkeitskurve zu einer Glockenkurve mit recht schmaler Halbwertbreite, allerdings nur noch mit einer relativen Maximal-,,Empfindlichkeit" von rund 13%. Mit diesem Filter ist der Effekt der NIR-Fotografie gegenüber dem R-Kanal des Sensors jedoch recht groß. In der foto-
Tabelle 2
Johnson-Farbsysteme vom UV bis ins IR (nach [8, 9]) und die Einordnung des durch die Kombination CMOS-Sensor/ RG850-Filter aufgespannten Bandes
Band
c/ nm
/ nm
Johnson-System klassisch
U
366
54
B
436
98
V
545
88
R
641
147
I
798
150
RG850+CMOS 878
87
Johnson-Glass-IR-System (2,2m-Tel. ESO/La Silla)
J
1.240
202
H
1.630
368
K
2.190
511
L
3.780
1.050
M
4.660
570
N
8.360
510
Im Vergleich sind die resultierenden Daten für einige Filter in der Tabelle 1 aufgeführt. Mit einem RG 850 muss etwa 4,2-mal so lang belichtet werden wie mit einem RG 685, dafür liegt die Zentralwellenlänge der Kombination Sensor-Filter des RG 850 mit 878 nm viel weiter im NIR als die des RG 685. Den ,,IR 850" gibt es im Fotohandel in Fassungen mit Gewinde in vielen Größen, aber nicht als Clipfilter zum Einsetzen in Kameragehäuse. Im Astrofachhandel gibt es jedoch einen Kantenfilter ,,IR 807" als Clipfilter. Der IR-Effekt ist mit diesem Filter etwas geringer als beim RG 850. Die Firma Astronomik ist jedoch in der Lage, als Sonderanfertigung ein angeliefertes Filterglas RG 850 in einen Clipfilter einzubauen.
Die Einordnung in das astronomische Johnson-Filtersystem Die Tabelle 2 führt die Filter im JohnsonFarbsystem auf, welche auch heute noch vielfach für astronomische Fotometrie verwendet werden, auch wenn z. B. moderne Satelliten- und andere wissenschaftliche Teleskope leicht abweichende oder ganz andere Filtersysteme verwenden. Eine gute Zusammenfassung ist z. B. bei [8] zu finden. Die Vielfalt der Filtersysteme verdeutlicht auch die Darstellung in [9]. Gerade im Infraroten ist die Definition von Farbsystemen sehr problematisch, weil die durch Wasserdampf bedingten atmosphärischen Fenster oft kleiner sind als die Filterbandbreiten. Das in diesem Beitrag definierte NIR-Band mit einer Zentralwellenlänge von 878 nm und einer Bandbreite von 87 nm liegt also zwischen dem I- und J-Band nach Johnson, wenn auch recht na-
50 | Journal für Astronomie Nr. 75
Infrarotastronomie
he beim I-Band. Mit diesen Daten ist dann sogar eine NIR-Fotometrie auf DSLR-Aufnahmen möglich.
Anwendungsmöglichkeiten im Deep-Sky-Bereich NIR-Fotografie wird überall dort interessant, wo wir dichte interstellare Materie vorfinden. Die interstellare Extinktion durch Staub nimmt vom UV und blauen Licht in extremer Weise zum IR hin ab. Im Staubband der Milchstraßenebene werden entfernte Galaxien sichtbar, weil ihre Infrarotstrahlung durch interstellare Staubwolken durchkommt. In lokalen großflächigen Dunkelwolken wie auch in kompakten Globulen sehen wir plötzlich tiefrote Sterne mit hoher interstellarer Extinktion, die im Visuellen kaum oder gar nicht erkennbar waren. Ähnliches gilt für entfernte Galaxien, in deren eigenen Staubbändern wir Riesensterne aufspüren können. In variablen Nebeln in der Milchstraße werden Strukturveränderungen nachweisbar, wie im Visuellen z. B. in Hubbles Variablem
Nebel NGC 2261. Wir können ,,Pretty Pictures" aufnehmen durch Kombination von RGB-Farbaufnahmen mit NIR-Aufnahmen - solche unechten Farbaufnahmen in verschiedenen Farbpaletten können reizvoll sein. Interessant sind da v. a. Gebiete mit verschiedenen Arten von Objekten nebeneinander, z. B. Kombinationen von Reflexions-, Emissions- und Dunkelnebeln [10, 11]. Außerdem ist NIR-Fotometrie von Sternen in und am Rand von Dunkelwolken möglich. Einige dieser Anwendungen sind in weiteren Beiträgen in dieser Ausgabe des VdSJournals für Astronomie dargestellt.
Ein Fazit Nahinfrarot-Astrofotografie ist auch für Amateure möglich und eröffnet ein weites Beobachtungsfeld, welches den Sternfreunden erst seit wenigen Jahren zur Verfügung steht. Alles, was in Ergänzung zur ,,normalen" Astrofotografie nötig ist, sind eine Kamera ohne Infrarot-Sperrfilter und ein spezieller Infrarot-Durchlassfilter.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2020): [1] W. Bischof, Homepage: ,,Venusfotografie", www.magicviews.de/venus.htm [2] S. Kowollik, Homepage: www.silvia-kowollik.de/astro/Firewirecam/methanbandfilter.htm [3] W. E. Celnik, 2019: ,,Meine Mars-Opposition 2018", VdS-Journal für Astronomie 70 (3-2019), S. 25-30 [4] C. Scorza, O. Fischer, nach 2009: ,,SOFIAs unsichtbares Weltall, Handbuch zum Infrarotkoffer für die Schule mit Experimenten
zum selber Durchführen", Univ. Stuttgart und Deutsches Sofia-Institut, www.dsi.uni-stuttgart.de/dokumente/infrarot/ experimente/00_Handbuch-IR-Koffer.pdf
,, [5] C. Maurer, 2009: Measurement of the spectral response of digital cameras with a set of interference filters", Thesis, Univ. Köln,
S. 52, www.image-engineering.de/content/library/diploma_thesis/christian_mauer_spectral_response.pdf [6] G. Neumann, Homepage: ,,EOS Umbau", www.gerdneumann.net/deutsch/service/umbauservice.html [7] G. D. Roth (Hrsg.), 1989: ,,Handbuch für Sternfreunde" Bd. 2, Springer Verlag, S. 651
,, [8] M. S. Bessell, 2005: Standard Photometric Systems", Ann. Rev. Astron. Astrophys. 43, p. 293-336,
www.astro.caltech.edu/~george/ay122/Bessel2005ARAA43p293.pdf [9] Wikipedia: ,,Photometrische Systeme", https://en.wikipedia.org/wiki/Photometric_system [10] M. Mrotzek, 2016: ,,Cepheus A - Ein Blick ins Infrarote lohnt sich, Teil 1", VdS-Journal für Astronomie 57 (II/2016), S. 68-70 [11] M. Mrotzek, 2017: ,,Cepheus A - Ein Blick ins Infrarote lohnt sich, Teil 2", VdS-Journal für Astronomie 61 (II/2017), S. 46-49
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Infrarotastronomie
Mineraliensuche auf dem Mond
- Mondfotografie in mehreren Spektralbereichen
von Wolfgang Bischof
Ein völlig anderer Blick auf den Mond! Multispektrale Untersuchungsmethoden werden überall dort angewendet, wo ein direkter Zugriff nicht möglich ist. Deshalb wird die Reflexionsspektroskopie [1] zur Fernerkundung von Mineralienvorkommen in unzugänglichen Gebieten und im Sonnensystem eingesetzt. Reflexionsspektren sind charakteristisch für die reflektierenden Materialien, die auf diesem Wege identifiziert werden können. Solche Spektren können auch auf der Mondoberfläche gewonnen werden. Heute wird dies mit Hilfe von Hightech-Spektrometern realisiert [2], die in Mondorbitern installiert sind. In begrenztem Maße kann man aber auch mit Amateurmitteln von der Erdoberfläche aus interessante Resultate erzielen. In diesem Artikel wird ein Ansatz dazu gezeigt.
Benötigt wird eine Kamera, die in einem weiten Spektralbereich von UV bis IR hinreichend empfindlich ist und ein Sortiment von Filtern für die interessanten Spektralbereiche. Was aber sind die interessanten Spektralbereiche? Um das entscheiden zu können, benötigt man im Labor gewonnene Reflexionsspektren der Materialien, aus denen die Mondoberfläche zusammengesetzt ist. In der Abbildung 1 findet man eine Zusammenstellung. Mit eingeblendet sind fünf Wellenlängenbereiche, die mit han-
delsüblichen in der Amateurastronomie gebräuchlichen Filtern (hier UV, B, G, R und IR) untersucht werden können. Wegen der Winkelabhängigkeit des Reflexionsvermögens benötigt man Aufnahmen um die Zeit des Vollmondes herum, wenn der Reflexionswinkel nahe bei 180 Grad liegt.
In der Abbildung 1 erkennt man zunächst, dass der Reflexionsgrad, also die Albedo (!) vom UV bis zum tiefen Rot mit zunehmender Wellenlänge ansteigt. Der Mond muss also im roten Spektralbereich eine wesentlich höhere Albedo als im blauen Spektralbereich besitzen und demzufolge visuell eine rötlichbraune Farbe haben. Diese Tatsache erscheint zunächst überraschend, denn sie widerspricht dem Augenschein, wonach der Mond eher farblos-grau erscheint. Zur bräunlichen Grundfärbung des Mondes gibt es mittlerweile zahlreiche Hinweise im Netz [3, 4]. Nach einem ausgeprägten Maximum bei ca. 700-800 nm fällt der Reflexionsgrad wieder stark ab. Der Grund ist das Auftreten von spezifischen Absorptionsbanden im IR. Damit ist dieser Spektralbereich zur Identifikation einzelner Mineralien besonders wichtig.
Von den Mondmineralien ist besonders Ilmenit, ein Titan-Eisenerz (FeTiO3) von besonderer Bedeutung, einmal weil man dar-
1 Reflexionsver-
mögen einiger ausgewählter Mondmineralien (entnommen aus [9]). Zum besseren Verständnis des Textes wurden die Wellenlängenbereiche der Filter vom Verfasser eingefügt.
aus Sauerstoff zur Versorgung einer Mondbasis gewinnen könnte, andererseits weil Titan auch als Rohstoff interessant ist. In Gesteinsproben, die von den Apollo-Astronauten zur Erde gebracht worden sind, hat man Titananteile bis zu 12% gefunden. In der Abbildung 1 erkennt man sofort, dass Ilmenit vor allem im UV und im NIR (Nahinfrarot) einen nennenswerten Beitrag zur Luminanz besteuern kann. Im roten Spektralbereich spielt es dagegen nur eine geringere Rolle. Leider ist selbst im UV und NIR der Beitrag des Minerals Plagioklas, ein Kalk-Natron-Feldspat, wesentlich größer, so dass eine sichere Identifikation von Ilmenit zunächst unmöglich erscheint.
Zusätzlich muss bedacht werden, dass die Mineralien auf dem Mond nicht nur in reiner Form vorkommen, sondern als beliebige Gemische und Schmelzen, in denen die Kristallstruktur verloren gegangen, die ursprüngliche elementare Zusammensetzung aber noch vorhanden ist. Deshalb ist eine andere spektrale Aufschlüsselung der Mondmineralien für die Amateurastronomie interessanter. Dabei werden nur noch titanarme und titanreiche Böden in grobkörniger oder feinkörniger Struktur unterschieden (Abb. 2). Hier fällt auf, dass titanreiche Mineralien im UV und im IR2 überwiegend zum Reflexionsgrad und damit zur Luminanz beitragen, während ihr Beitrag im G- und vor allem im R-Bereich wesentlich geringer ist. In der Tabelle unter der Abbildung ist der prozentuale Anteil des Reflexionsgrades, also der Luminanzbeitrag, angegeben. Interessant ist, dass die Daten im UV- und im IR-Bereich sehr ähnlich sind. Diese Verhältnisse eröffnen eine Möglichkeit, mögliche Titanlagerstätten auf der Mondoberfläche zu finden und zu kartieren.
Soweit die Theorie, nun folgt die Praxis. Verwendet wurden die Filter UV, B, G und
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Infrarotastronomie
2 Reflexionsvermögen von titanreichen und -armen Mondgesteinen (entnommen aus [10]). Zum besseren Verständnis
des Textes wurden die Wellenlängenbereiche der Filter sowie die Tabelle vom Verfasser hinzugefügt.
R der Marke Astrodon sowie das IR-Passfilter IR850 der Marke ZWO (IR2 in Abb. 2). Dieses Filter ist in Richtung IR offen, d. h. der aufgenommene Spektralbereich wird durch die maximale Wellenlänge der Kamera begrenzt (hier ca. 1.000 nm). Versuchsweise wurde auch ein IR-Passfilter von Baader eingesetzt (IR1 in Abb. 2). Dieses öffnet allerdings schon bei 685 nm, was zunächst ungünstig erscheint, da der transmittierte Wellenlängenbereich zu groß und damit zu unspezifisch ist. Dieser Nachteil kann allerdings beseitigt werden, wenn man die Differenz der IR685- und der IR850-Aufnahmen bildet, wobei natürlich
die spektrale Empfindlichkeit der Kamera mit berücksichtigt werden muss. Es bleibt dann ein Wellenlängenband zwischen 685 und 850 nm übrig. Dieses Band liefert jedoch Ergebnisse, die vom rotgefilterten Ergebnis nur wenig abweichen. Deshalb wurde dieser Weg zunächst nicht weiter beschritten.
Die Aufnahmen wurden mit einer 20-Megapixel-Videokamera ASI 183 MM der Firma ZWO an einem Newton-Spiegelteleskop mit 200 mm Öffnung und 1.200 mm Brennweite erstellt. Mit dieser Kombination ist es möglich, mit einem Panorama aus
nur zwei Aufnahmen den gesamten Mond abzubilden. Die Panoramatechnik ist für solche Untersuchungen prinzipiell problematisch, weil geringste Unterschiede der atmosphärischen Transparenz und kleinste Ungenauigkeiten bei der Zusammensetzung des Panoramas sehr häufig zu sichtbaren Fehlern führen, wie der Verfasser in zahlreichen Versuchen feststellen konnte. Deshalb sollte man mit möglichst wenigen Einzelbildern auskommen. Die Kamera hat eine Pixelgröße von nur 2,4 m. Damit erzielt man ohne Verwendung von Linsenelementen annähernd das Grenzauflösungsvermögen des Teleskops. Bei Verwendung
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Infrarotastronomie
von Linsen kann die Transmission des Gesamtsystems in den Wellenlängenbereichen IR und vor allem UV sehr ungünstig beeinflusst werden. Es sei hier angemerkt, dass im Hinblick auf eine genauere multispektrale Auswertung der Einsatz einer Farbkamera, wenn auch nur für den RGBBereich, nicht empfohlen werden kann. Die Transmissionskurven der Bayermatrix sind nicht genügend voneinander separiert.
Die Aufnahme der Videos ist recht speicherintensiv und die Bildfrequenz ist mit ca. 6-7 Bildern pro Sekunde eher gering. Es wurden pro Teilbild 500 Einzelbilder aufgenommen, bei fünf Filtern sind das bereits
10 Videos von je 80 Sekunden Dauer. Da die Filter teilweise nicht homofokal sind, kommt zwischen den Aufnahmen noch die Anpassung des Bildbereichs und die Fokussierung hinzu. Insgesamt ist man mit einer kompletten Aufnahmeserie 20-30 Minuten beschäftigt.
Besondere Aufmerksamkeit benötigen die Aufnahmehistogramme. Auch nach der späteren Schärfung muss Übersättigung vermieden, der Histogrammbereich darf
3 Mond am
6. April 2020: Quotient aus der Summe von UV- und IR2-gefilterten Aufnahmen und der rotgefilterten Aufnahme
also nicht vollständig ausgenutzt werden. Am wichtigsten ist es aber, dafür zu sorgen, dass die Empfindlichkeitsschwelle (die bei Verwendung jedes Filters etwas anders liegt!) klar erfasst wird. Das Signal des dunklen Himmelshintergrundes darf also keinesfalls beschnitten sein! Das Histogramm muss etwas abgesetzt vom linken Rand bleiben.
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Infrarotastronomie
4 Graustufendarstellung von Titangehalten aus Aufnahmen des Lunar Reconnaissance
Orbiters (Ausschnitt aus [7]).
Die hier verwendeten Aufnahmen wurden am 6. April 2020 kurz vor Vollmond gewonnen. Aus den aufgenommenen Videos wurden 20% der Aufnahmen mit dem Programm AutoStakkert selektiert und gestackt und anschließend mit dem Programm Giotto geschärft. Vor der Weiterverarbeitung ist es erforderlich, über eine lineare Gradationsanpassung die Histogramme der Aufnahmen peinlich genau aufeinander auszurichten. Das Signal des Himmelshintergrundes muss bei allen Histogrammen exakt an derselben Stelle liegen. Nun kann man aus den resultierenden Graustufenbildern mittels eines Arithmetikmoduls eines astronomischen Bildbearbeitungsprogramms (hier AstroArt 6) direkt Farbquotienten der einzelnen Farbkanäle erzeugen. Das Ergebnis sind Luminanzverhältnisse der Spektralbereiche, also genau das, was man sehen möchte und direkt mit den Tabellenwerten in der Abbildung 2 in Beziehung setzen kann!
Wie wir schon wissen, ist der Luminanzanteil der titanreichen Böden im UV und IR2 sehr ähnlich und relativ hoch, im roten Spektralbereich dagegen relativ niedrig. Deshalb wurden die UV- und die IR2-Aufnahmen addiert und das Ergebnis durch die R-Aufnahme dividiert. Als Ergebnis erhält man die Graustufenkarte in der Abbildung 3. In den helleren Gebieten kann man einen erhöhten, in den dunklen Gebieten einen geringeren Titangehalt erwarten. Dabei fallen vor allem das Mare Tranquilitatis und einige Gebiete in der Mondmitte besonders ins Auge. Am Terminator (unten links) sind Artefakte erkennbar. Die Schatten der Kraterwälle führen bei der Quotientenbildung zu einer Division durch Null.
Zur Überprüfung des Ergebnisses findet man zahlreiche Publikationen im Netz [5, 6], dabei auch eine recht detaillierte Karte von TiO2-Vorkommen auf dem Mond [7], die von der Weitwinkelkamera des Lunar Reconnaissance Orbiter aufgenommen worden ist. Der Ausschnitt, der von der
Erde sichtbar ist, ist in der Abbildung 4 wiedergegeben. Zum Vergleich dient nun die Abbildung 5 als Ausschnitt aus der eigenen Aufnahme (Abb. 3).In der Abbildung 6 sind beide Bilder (Abb. 4 und 5) überlagert worden. Die Übereinstimmung ist überraschend gut! Offenbar sind auch amateurastronomische Arbeiten geeignet, auf dem sehr aktuellen Gebiet der Lagerstättenerkundung auf dem Mond mitzuwirken. Allerdings, und das sollte man immer bedenken, bleibt man normalerweise auf wenige Spektralbereiche beschränkt und damit auf einem bescheidenen Niveau.
Zum Schluss noch etwas für das Auge: Multispektrale Aufnahmen lassen sich immer auch als Falschfarbenaufnahmen kombinieren. Die in der Abbildung 3 verwendeten Farbkanäle wurden zu einem IR-R-UV Falschfarbenbild kombiniert (Abb. 7). IR ist dabei rot, R grün und UV blau codiert. Zur Erstellung solcher Bilder gibt es eine Webseite des Verfassers [8] mit weiteren Informationen.
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Infrarotastronomie
5 Ausschnitt aus der Abb. 3 (eigene Aufnahmen) zum Vergleich mit Abb. 4 (LRO-Aufnahmen).
6 Vergleich der unterschiedlichen Beobachtungen der Abb. 4 (LRO-Aufnahmen)
und 5 (eigene Aufnahmen), Details im Text
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Literatur- und Internethinweise (Stand 21.04.2020): [1] Max-Planck-Institut für Sonnen
systemforschung, Homepage: "Oberfläche des Mondes", www. mps.mpg.de/planetenforschung/ mond-oberflaeche [2] C. M. Pieters et al., 2009: "The Moon Mineralogy Mapper (M3) on Chandrayaan-1", Current Science 96, No. 4, 25.02.2009, www.planetary. brown.edu/pdfs/m3_curr_sci_96.pdf [3] Farbtemperatur: https://de.wikipedia.org/wiki/Farbtemperatur [4] Ciocca & Wang, 2013: Bild: "Comparison of sunlight and moonlight spectra..." https://i.stack.imgur. com/72dkh.png [5] B. Hapke et al., 2018: "A LROC WAC Algorithm for TiO2 Abundances in
the Lunar Highlands and Low-Ti Maria", 49th Lunar and Planetary Science Conference 2018 (LPI Contrib. No. 2083), www.hou.usra.edu/ meetings/lpsc2018/pdf/1194.pdf [6] H. Sato et al., 2015: "New LROC WAC TiO2 Abundance Map of the Moon", 46th Lunar and Planetary Science Conference (2015), www. hou.usra.edu/meetings/lpsc2015/ pdf/1111.pdf [7] Lunar Reconnaissance Orbiter, Homepage: "Lunar Reconnaissance Orbiter Camera, WAC TiO2 Abundance Map", http://wms.lroc.asu.edu/ lroc/view_rdr/WAC_TIO2 [8] W. Bischof, Homepage: "Mond in Farbe", http://magicviews.de/ mond%20farbe.htm
7 Falschfarbenaufnahme
des Mondes vom 6. April 2020 (Details im Text)
[9] M. Lemelin et al., 2013: "Ilmenite Mapping of the Lunar Regolith over Mare Australe and Mare Ingenii Regions: An optimized multisource approach based on Hapke radiative transfer theory", J. Geophys. Re.: Planets, Vol. 118, 2582-2593, doi:10.1002/2013JE004392, 2013, https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/ full/10.1002/2013JE004392
[10] P. J. Isaacson et al., 2011: "Reflectance Spectroscopy of Ilmenite: New Constraints from Apollo Sample Measurements", 42nd Lunar and Planetary Science Conference (2011), https://pdfs.semanticscholar.org/ dd2c/81ee963fe84e1145ec5d3d 0a4724ba464834.pdf
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Infrarotastronomie
Faszination Infrarotfotografie
von Andreas Hänel
In der Astronomie ist es immer wichtig, Bereiche zu erkunden, die dem menschlichen Auge nicht zugänglich sind. Dazu gehören die Strahlungsquellen, die das meiste Licht außerhalb des sichtbaren Spektralbereichs aussenden, wie im nahen Infrarotbereich. Die Rotgrenze für das menschliche Auge wird mit einer Wellenlänge von 760-780 Nanometern (nm) angegeben, Strahlung mit größeren Wellenlängen ist die Infrarotstrahlung. Den Nahinfrarotbereich wollen wir bis etwa 1.000 nm (oder 1 m) annehmen, das ist die übliche Empfindlichkeitsgrenze vieler optischer Empfänger. Früher gab es spezielle Infrarotfilme als Schwarzweiß- oder Falschfarbendiafilme mit dieser Empfindlichkeitsgrenze, jetzt sind es Halbleiterempfänger, deren langwellige Empfindlichkeitsgrenze in dem Bereich liegt. Oft wird der Infrarotbereich erst ab 1 m Wellenlänge so bezeichnet, dann ist er aber nur mit Infrarotempfängern nachzuweisen.
Moderne Kameras Astronomische CCD- oder CMOS-Kameras haben normalerweise keine Filter und sind bis ins nahe Infrarot empfindlich. Meist werden jedoch Filter eingesetzt, die die Infrarotstrahlung nicht durchlassen, um beispielsweise Farbfehler in den Aufnahmen zu vermeiden. Mit einem Infrarotfilter hingegen können Infrarotaufnahmen gemacht werden.
Eine andere Möglichkeit ist, Digitalkameras (mit oder ohne Spiegel) für den Infraroteinsatz modifizieren zu lassen. Die Kameras nutzen CMOS-Chips, deren Pixeln Interferenzfilter für die einzelnen Farben blau, grün und rot aufgedampft sind. Diese Filter lassen im nahen Infrarotbereich noch Strahlung durch, weswegen zusätzlich ein Infrarotsperrfilter eingesetzt wird. Da diese Filter bei der H-Linie (656,3 nm) meist nur wenige Prozent Licht durchlassen, werden sie für die Astrofotografie gerne durch
1 Die spektralen Empfindlichkeiten der einzelnen visuellen Farbkanäle B = Blaupixel, G = Grün-
pixel und R = Rotpixel bis ins Nahinfrarot ohne Infrarotsperrfilter. Das Diagramm wurde aus verschiedenen Quellen erstellt (RGB {Canon 600D}: R. Altmann, ct-Digitalfotografie 06/2014, S. 18; Filterkurven: Datenblätter der Hersteller Schott {RG 72} und Astronomik {PlanetPro 807}) und gibt die typische spektrale Empfindlichkeit einer Canon-Kamera an. Zusätzlich sind die Transmissionskurven der verwendeten Filter RG72 und ProPlanet 807 eingezeichnet.
einen ersetzt, der für H eine höhere Transmission hat. Wird der Infrarotsperrfilter hingegen durch ein Klarglas ersetzt, wird auch die nahinfrarote Strahlung durchgelassen. Erfahrene Bastler können die Filter selbst austauschen, im Internet sind Umbauanleitungen zu finden, ansonsten bieten verschiedene Firmen einen Umbau an.
Auswahl des Infrarotfilters Die resultierende spektrale Empfindlichkeit einer Kamera ohne eingebauten Infrarotsperrfilter zeigt die Abbildung 1. Dort erkennt man, dass die Blaupixel noch ein infrarotes Empfindlichkeitsmaximum bei etwa 810 nm, die grünen bei etwa 690780 nm haben, während die Rotpixel ihr Maximum bei etwa 630 nm haben. Wird bei der Aufnahme ein Rotfilter mit einer Durchlässigkeit ab etwa 620 nm vor das Objektiv gesetzt, bekommt man von allen, besonders aber von den roten Pixeln Informationen im roten (620-700 nm) Bereich, von den grünen im mittleren Nahinfrarot
(700-800 nm) und von den blauen eher im längerwelligen (über 800 nm) Nahinfrarotbereich. Bei Filtern mit längerwelligen Transmissonsgrenzen ist es sinnvoll, die Farbkanäle zusammenzufassen und nur als einfarbige Information zu nutzen, da die einzelnen Farben keine unterschiedlichen Informationen liefern. Je längere Wellenlängen die Filtergrenzen haben, desto weniger Licht wird natürlich durchgelassen und die Belichtungszeiten werden entsprechend länger. Ein Filter mit einer Durchlässigkeit ab ca. 720 nm (z. B. Hoya R72) wird oft als das Standardfilter in der normalen Infrarotfotografie bezeichnet, und die spektrale Empfindlichkeit zusammen mit einer IRmodifizierten Kamera entspricht dann ungefähr dem für astronomische Helligkeitsmessungen verwendeten Filterbereich I des internationalen Farbsystems UBVRI.
Neben den Objektivfiltern können auch Clipfilter (z. B. von Astronomik) direkt vor den Kamerasensor eingesetzt werden. Bei
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Infrarotastronomie
einigen Objektiven ist zudem eine zentrale Aufhellung (,,Hotspot") zu beobachten. Vermutlich ist dies auf die Antireflexbeschichtungen der Objektive zurückzuführen, die natürlich für den sichtbaren Bereich optimiert sind und sich im Nahinfrarot ganz anders verhalten können. Bei offenen Blenden, wie sie bei der Astrofotografie eingesetzt werden, scheint dieser Effekt aber keine große Rolle zu spielen.
Bei der Aufnahme benötigt man keine IR-Markierung am Objektiv mehr, die bei modernen Optiken ohnehin nicht mehr verwendet wird. Bei Digitalkameras kann die Fokussierung mit Hilfe des Liveview an helleren Sternen leicht durchführen werden.
Irdische Nachtszenen im IR Bevor man sich astronomischen Objekten zuwendet, kann man - etwa bei bedecktem Himmel - irdische Nachtszenen aufnehmen. In der Straßenbeleuchtung sind noch viele gelbe Natriumdampflampen im Einsatz. Neben der bekannten gelben Emissionslinie hat Natrium noch eine sehr helle Emissionslinie im nahen Infrarot bei einer Wellenlänge von 819 nm. Die neuen LEDLampen strahlen hingegen kaum infrarotes Licht ab. Eine Straßenszene mit Natriumdampflampen erscheint daher im nahen Infrarot hell, während eine mit LED-Beleuchtung im Infraroten dunkel erscheint (Abb. 2).
2 Eine Straßenszene mit LED (im Vordergrund) und Natriumdampfbeleuchtung im
Hintergrund, links im visuellen, rechts im Nahinfrarotbereich (mit Filter R72). (Fotos: A. Hänel)
wie klar die Atmosphäre ist oder ob leichte Zirren die Durchsicht trüben (Abb. 3).
Spektren Infrarotempfindliche Kameras ermöglichen es auch, Spektren über einen breiten Wellenlängenbereich aufzunehmen, vom Blauen bis zum nahen Infrarot. Als ein Beispiel seien hier Spektren gezeigt, die bei der totalen Sonnenfinsternis 2017 in den USA
aufgenommen wurden. Dazu wurde vor das Kameraobjektiv eine Transmissionsgitterfolie (der Firma Astromedia) angebracht, die das Licht der schmalen Sonnensichel kurz vor und nach der Totalität in ein Spektrum zerlegt, in dem die Fraunhoferschen Absorptionslinien als Sichel sichtbar sind. Im nahen Infrarotbereich fallen vor allem die Absorptionslinien des atmosphärischen A-Bands bei 760 nm auf, die durch
Atmosphäre und Wolken Wasserdampf in der Atmosphäre absorbiert Infrarotstrahlung sehr stark, wodurch dünne Wolken im Nahinfrarot wesentlich besser sichtbar werden, während sie im Sichtbaren oft kaum zu sehen sind. Zur Messung der Himmelshelligkeit benutze ich Fischaugenaufnahmen und meist nehme ich parallel dazu Fischaugenaufnahmen im Nahinfrarot auf, um beurteilen zu können,
3 Fischaugenaufnahmen an der Sternwarte Oldendorfer Berg. Im sichtbaren Licht (links)
sind keine Strukturen erkennbar, während im Nahinfraroten (mit Filter ProPlanet 807) Wolkenstrukturen erkennbar sind. (Fotos: A. Hänel)
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Infrarotastronomie
Sauerstoffmoleküle in der Luft verursacht werden. Zu Beginn und zum Ende der Totalität wird das sogenannte Flashspektrum sichtbar, das Emissionslinienspektrum der Chromosphäre (Abb. 4).
Infrarotsterne Natürlich wäre es spannend gewesen, Infrarotsterne in interstellaren Dunkelwolken aufzusuchen, da bei vielen das sichtbare Licht durch Staubabsorption unterdrückt wird. Tatsächlich sind die meisten dieser Objekte im nahen Infrarot aber noch nicht hell genug, dass man sie mit kleineren Geräten aufspüren kann oder man benötigt Empfänger für den langwelligeren Infrarotbereich. In der Abbildung 5 ist eine Region im Nordamerikanebel um den Stern 57 Cyg mit Wasserstoff-Emissionsnebeln und Dunkelwolken abgebildet. Auf der optischen Aufnahme fallen sehr rote Sterne auf, die oft in der Nahinfrarotaufnahme heller sind, es sind vermutlich durch die Absorption stark verfärbte Sterne.
Im nahen Infrarot sind aber vor allem Objekte mit geringen Oberflächentemperaturen von 4.000-3.000 K auch mit kleineren Geräten nachweisbar, wie Sterne vom Spektraltyp K oder M, wozu auch die langperiodischen Mira-Sterne gehören (Abb. 6). Im Farbbereich I
4 Sonnenspektren bis ins Nahinfrarot
bei der Sonnenfinsternis 2017 in den USA. Die beiden linken Spektren entstanden kurz vor dem 2., die beiden rechten kurz nach dem 3. Kontakt. Das Flash-Spektrum mit den Emissionslinien in der Mitte entstand kurz vor dem 3. Kontakt am Ende der Totalität. (Fotos: A. Hänel)
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5 Ausschnitt des Nordamerikanebels um den Stern 57 Cyg, aufgenommen
mit dem 60-cm-Teleskop mit Shapley-Linse des Naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück auf dem Oldendorfer Berg. Links im Sichtbaren (mit einem CLS-Filter mit modifizierter Canon 700D, ISO 3200, bel. 3 x 4 min), wobei schwache rote Sterne auffallen, die vermutlich durch Staubwolken verfärbt sind. Rechts im nahen Infrarot (mit ProPlanet 807-Filter, ansonsten wie vorher), wo diese schwachen Sterne viel heller sind, da sie mehr Infrarotlicht aussenden. (Fotos: A. Hänel, G. Holtkamp)
Infrarotastronomie
erscheinen diese Sterne etwa 1-5 Größenklassen heller als visuell. Und während die Mira-Sterne im Visuellen große Amplituden von mehreren Größenklassen haben, betragen sie im Nahinfrarot gerade mal 1-2 Größenklassen.
Auswahl, Auffinden und Identifizieren der Objekte Um Sterne im nahen Infrarot aufsuchen und identifizieren zu können, wäre es hilfreich, einen Sternatlas oder Katalog zum Auffinden zu haben. Tatsächlich wurde der fotografische Atlas der Mount-Palomar-Sternwarte, der Palomar Sky Survey neben dem Blauen auch im Roten und nahen Infrarot aufgenommen. Letzterer entspricht ungefähr dem Spektralbereich, der mit einem 720-nm-Infrarotfilter und modifizierter Kamera abgebildet wird. Alle Fotoplatten wurden digitalisiert und können vom Digital Sky Survey in kleinen Bildausschnitten (maximal 2 Grad x 2 Grad ) bei verschiedenen Sternwarten heruntergeladen werden, beispielsweise bei [1]. Eine etwas übersichtlichere Methode bieten die Daten der ersten Infrarot-Himmelsdurchmusterung aus dem Jahre 1967, dem Two-Micron Sky Survey von Neugebauer u. a. (1969) mit etwa 5.000 Sternen, die bei 2,2 m nachgewiesen wurden, deren Helligkeit aber auch bei 840 nm gemessen wurden. Die meisten
Objekte sind Sterne mit spätem Spektraltyp und langperiodische Veränderliche. Die Daten können beim Datenarchiv der Sternwarte Straßburg heruntergeladen werden [2] und wurden in das Planetariumsprogramm GUIDE 8 eingebunden. So können Sterne, die im Nahinfrarot hell leuchten, leicht identifiziert werden und die Helligkeiten können als Vergleichshelligkeiten zur Beobachtung veränderlicher Sterne herangezogen werden.
Ich hoffe, damit Anregungen zu eigenen Beobachtungen im Nahinfrarotbereich gegeben zu haben, da oft nur noch die Anschaffung eines geeigneten Infrarotfilters notwendig ist.
Internethinweise (Stand April 2020): [1] ESO Online Digitized Sky Survey:
http://archive.eso.org/dss/dss [2] VizieR Catalog: https://cdsarc.
u-strasbg.fr/viz-bin/w/VizieR?source=II/2B
6 Der Mira-Stern R Leo befindet sich 5,1 Grad westlich von Regulus und 29' südöstlich des 5,6
mag hellen rötlichen Sterns 18 Leonis. Er ist auf der Aufnahme im sichtbaren Licht (links) mit dem Pfeil gekennzeichnet, in der Nahinfrarotaufnahme (mit RG72-Filter) erscheint er sehr hell. Ausschnitt 1,4 Grad x 1,4 Grad von Aufnahmen mit Objektiv 1:1,4 / 30 mm bei ISO 800 (vis.) / ISO 1600 (IR), bel. 15 s / 60 s. (Fotos: A. Hänel)
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Journal für Astronomie Nr. 75 | 61
Amateurteleskope / Selbstbau
Umbau einer Düring-Barlowlinse für 2-Zoll-Zubehör
von Michael Hellriegel
Seit einigen Jahren verwende ich die inzwischen verbreitete, Koma korrigierende Düring-Barlowlinse für visuelle Beobachtungen mit meinem 10-Zoll-Newton. Was mich immer störte, war die okularseitige Einschränkung auf 11/4-Zoll-Zubehör. Praktisch alle Steckanschlüsse in meinem Inventar sind 2-zöllig, auch die Adapter für die verschiedenen Kameras.
Die Düring-Barlowlinse lässt sich über ihre Verschraubungen in ihre mechanischen Einzelteile zerlegen, so dass im Extremfall lediglich das optische Element mit beidseitigem Gewinde M 28,5 x 0,5 mm und Außendurchmesser von 11/4 Zoll übrig bleibt. Der mechanische Rest besteht im Wesentlichen aus einem massiven Metallzylinder mit angeschraubter 11/4-Zoll-Aufnahme.
Eher durch Zufall beim Herumspielen mit mehreren 2-zölligen Verlängerungstuben bemerkte ich, dass der Metallzylinder nahezu ,,saugend" in einen Verlängerungstubus mit 80 mm optischer Länge passte. Die Abbildung 1 zeigt, wie Verlängerungshülse
1 Der Umbau im Bild
und Barlowlinse zu einer Einheit wurden. Der einzige erforderliche ,,konstruktive" Eingriff waren drei radiale M4-Gewindebohrungen, die die Stiftschrauben (auch als
,,Madenschrauben" bekannt) zur Fixierung der Barlowkomponente aufnehmen. Eine einzelne Gewindebohrung hätte denselben Zweck erfüllt, zwei oder drei vermeiden aber jegliches Kippspiel, das bei nur einer Bohrung möglich wäre.
Eingesetzt werden soll diese Barlowadaption vor allem an dem Newton, fand aber ihren ersten Einsatz anlässlich des ,,Supermondes" Anfang April 2020 an meinem alten Takahashi-Refraktor FC100. Bei ca. 2.100 mm Brennweite erwartete ich durch die Koma korrigierende Eigenschaft der Düring-Barlowlinse erkennbare optische Abbildungsfehler am Rand des Vollformates meiner Kamera, einer Sony A7II. Eine Mondaufnahme ist natürlich kein echter Test der Abbildungsqualität, aber die Abbildungsschärfe des Mondrandes finde
62 | Journal für Astronomie Nr. 75
2 Der Vollmond als Prüfobjekt
nach der Barlowadaption
Amateurteleskope / Selbstbau
ich akzeptabel. Die Aufnahme (Abb. 2) ist ,,ausgefleckt" worden (der Sony-Chip hat zwei Verschmutzungen, die wohl nur mit Lösungsmittel zu entfernen sind), sonst aber unbearbeitet, auch nicht nachgeschärft. Überrascht hat mich, wie knapp der Fast-Vollmond auf die 24 mm Bildhöhe des Kleinbild-Vollformats passte.
Erste Testaufnahmen mit der Sony an Sternen lassen im äußeren Bereich des Vollfor-
matbildes erwartungsgemäß leichte komaähnliche Verzeichnungen erkennen, mit dem ,,Schweif " in Richtung Bildzentrum. Das APS-C-Format wird aber noch gut fehler- und vignettierungsarm ausgeleuchtet. Der Umbau selbst ist einfach: Das Kernloch der radialen Gewindebohrung(en) lässt sich mit einer kleinen Standbohrmaschine leicht in das Alu-Material der Verlängerungshülse bohren und das Gewinde mit einem einstufigen Gewindeschneider schneiden. Einzig
eine stabile Fixierung des Verlängerungstubus während des Bohrvorgangs ist Pflicht. Alles in allem sehe ich den Umbau als ein leichtes Unterfangen, das aber vor allem der Weitsicht der Düring-Barlow-Konstrukteure geschuldet ist, die astro-übliche Abmessungen bei Gewinden und Außendurchmessern verwendet haben.
Ein Sternwartenbau in Thailand
oder: Von einem, der in die Fremde auszog, um eine Sternwarte zu bauen.
von Wolfgang Weber
Der Autor, Amateurastronom seit seinem 18. Lebensjahr, mit einer langen beruflich bedingten Pause, wollte im Jahr 2011 nach seiner Pensionierung und mit seinem Umzug nach Thailand endlich wieder astronomisch tätig werden und eine neue Sternwarte gründen. In den Agrarfeldern von Ban Lueam, im Isaan, in der Nähe von Nakhon Ratchasima, stellte ihm seine Frau (selbst Thailänderin, da Ausländer keinen Grund erwerben dürfen) ein ordentlich großes Grundstück zur Verfügung, das auch das Wohnhaus aufnehmen konnte. Nach langem Visum-Prozedere in der thailändischen Botschaft in Frankfurt/ Main war es endlich soweit und der gesamte Hausrat einschließlich des astronomischen Equipments konnte verpackt werden. Da eine Umzugsfirma unbezahlbar war, wurde kurzerhand mit einem Container-Broker ein Deal gemacht und über 21 m³ Schiffscontainer-Zuladung gebucht, einschließlich Transport nach Bremerhaven. Da das Schiff sechs Wochen unterwegs war und an Somalia vorbeifuhr, unkten gute Freunde, wir sollten uns vorbereiten, alles auf einem somalischen Markt zurückkaufen zu müs-
1 Der Beginn
sen. Das damalige astronomische Equipment bestand aus einem 6-zölligen Richfield-Refraktor, einem 4-Zoll-Apochromaten, einem H-Teleskop sowie einer von Andreas Berger professionell umgebauten und erneuerten Oberndorfer-Montierung mit einer Traglast von etwa 45 kg und GotoFunktion. Allen Befürchtungen zum Trotz kam alles einigermaßen wohlbehalten nach fünf Wochen im Zollhafen von Bangkok an und wurde gegen entsprechendes ,,Tea Money" auf den Lastwagen verladen.
Es dauerte allerdings noch zwei Jahre, bis wir mit dem Bau anfangen konnten, da sich die Suche nach einem vorerst geeigneten Wohnhaus und dem Kennenlernen einer für uns Europäer vollkommen anderen Kultur und unterschiedlichen Lebensweise, von der lebensgefährlichen Fahrweise der Thailänder einmal abgesehen, leider lange hinzog. Schließlich fanden wir ein geeignetes Haus, allerdings 100 km von der Sternwarte entfernt.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 63
Amateurteleskope / Selbstbau
2 Sicht auf das Mauerwerk
3 Außenansicht der Sternwarte
Diese beiden Jahre musste ich das schweißtreibende subtropische Klima und das Leben in diesem buddhistischen Land möglichst schnell kennen und akzeptieren lernen. Unter anderem auch die unzähligen kleinen und größeren Tiere, die eine Sternwarte in diesem Klima heimsuchen können, von vielen Insekten, neugierigen Gekkos über manchmal auch Schlangen bis hin zu unzähligen Sperlingen, die sich das Gebäude als Behausung aussuchen wollen.
Doch zunächst (ich spreche ab jetzt in der Ich-Form) wurde die Bodenplatte des Observatoriums vermessen und die acht Betonpfeiler gesetzt, unter Zuhilfenahme der gesamten männlichen Einwohnerschaft des nahegelegenen Dorfes und des obligatorischen Segens der buddhistischen Mönche. Da ich auch heute noch diese für uns so schwierige Sprache nur rudimentär beherrsche, ist selbst der Kauf von einfachen Schrauben in einem Baumarkt ein Abenteuer, da zudem die ,,Fach"-Bedienung in allen Läden aus ungelernten Tagelöhnern (meist aus Laos, Kambodscha und Myanmar) besteht. Wofür man in unseren Landen nur Minuten benötigt, wird hier schnell ein ganzer Tag daraus, wobei man berechnen muss, das Ganze am nächsten Tag wieder umzutauschen, da es nicht oder nur teilweise funktioniert. Ich habe hier den ,,Segen" einer europäischen Qualitätssicherung (bei uns so verhasst, da überbürokratisch)
schmerzlich vermisst. Dies nur zum Verständnis der unzähligen Probleme, die man hier tagtäglich lösen muss.
Nach zwei Jahren konnte ich nun mithilfe eines meist betrunkenen, in diesem Zustand aber gut arbeitenden Reisbauern die Bodenplatte fertigstellen. Ein weiteres Jahr benötigte die Aufmauerung. Ich entschied mich wegen der enormen Hitze für ein großes Rolldach (Abb. 1), da eine Kuppel zu viel Luftunruhe hätte, und für ein doppeltes Mauerwerk mit Luftspalt und innenliegenden Keramiksteinen zur Stabilisierung (Abb. 2) sowie Eisenbewehrung zu den Betonpfeilern (thailändische Häuser haben nur 6 cm dickes Mauerwerk). Allein die immer wiederkehrende Belehrung der Thais, wegen der Hitze die Steine ständig feucht zu halten, damit sich eine stabile chemische Verbindung herstellt, benötigte meine größte Geduld (die ich hier massiv erlernen durfte). Da ich nun nicht die großen Gelder zur Verfügung hatte, musste alles ,,handmade" sein, von mir und ein paar bäuerlichen Helfern. Planung, Statik, Bauüberwachung und Materialeinkauf musste ich selbst übernehmen, da die hiesigen (bezahlbaren) Architekten mit meinen Vorstellungen überfordert waren. Mein Vorteil war, dass Architektur ein Teil meiner Lehrfächer war. In der Zwischenzeit wurden der Hausrat und das astronomische Equipment auf einem Bauernhof zwischengelagert.
Nun war es an der Zeit, das Wohnhaus zu erstellen. Weitere zwei Jahre gingen vorüber mit den üblichen kleinen und großen täglichen Schwierigkeiten, und der Bau samt Wohnhaus wurde nun langsam fertig. Da die Sternwarte direkt an das Wohnhaus angebaut war (Abb. 3), musste an der Stelle ein doppeltes Dach angebaut werden, um das Innere der Sternwarte vor Regen zu schützen. Ich durfte in diesen Jahren auch Tropenregen und Tropenstürme kennenlernen, bei denen einem Europäer angst und bange werden kann. Die Thais dagegen warten ab, bis der Sturm sich legt und gehen dann ans Aufräumen und Reparieren.
In diese Zeit fiel auch die Änderung des astronomischen Equipments. Der Apochromat musste weichen, dafür schickte uns Wolfgang Ransburg einen 10-Zoll-RC, der von Wolfgang Rohr als perfekt getestet worden war mit einem Strehlwert von 0,929. Die Zollformalitäten und die Übergabe von UPS in einem Bangkoker Hotel hatten schon etwas Konspiratives an sich. Nach dem Umbau der Montierung mit einer Aluminiumplatte zur Aufnahme der drei Teleskope und der Nachkollimation des RC (nach 13.000 km Flugweg) war Anfang August das First Light des RC fällig. Selbst Andreas war voll des Lobes. Für eine Obstruktion von 35% war selbst der visuelle Eindruck der Bildhelligkeit und der fantastischen Abbildung wirklich atemberaubend.
64 | Journal für Astronomie Nr. 75
Amateurteleskope / Selbstbau
4 Das ,,Firmenschild" der Sternwarte
<N.E.O.T> North East Observatory Thailand 85 Moo 10 Khokkrabuang/Amper Ban Lueam Nakhonratchasima 30350 Tel. +66808362779 (deutsch/englisch) www.north-east-observatorium-thailand.com
Koordinaten: 15 Grad 36' 04'' N, 102 Grad 09' 56'' E Höhe: 215 m ü. NN
In diese Zeit fiel auch die Selbstherstellung einer drehbaren Sternkarte für 15 Grad nördlicher Breite mit kleiner Internetanleitung. Nirgendwo kann man eine drehbare Sternkarte für diesen Breitengrad erwerben. Die Montierung hat damit eine gewöhnungsbedürftige Neigung der Stundenachse.
Inzwischen wurden auch die Tourismus-Experten der Provinz, der Gouverneur und eine Universitätsfakultät für Nachhaltigkeit auf meine Sternwarte aufmerksam. Derweil ist die Aufnahme in das ,,Nachhaltigkeitsprogramm" für das Touristenwesen (200 Seiten) erfolgt. Die Physiklehrerinnen und -lehrer und die älteren Schülerinnen und Schüler der umliegenden Schulen sowie Studenten von Universitäten warten teilweise schon ungeduldig, um an unserer Sternwarte beobachten zu können (Abb. 4). Diese soll nun in Zukunft ausgewählten lehrenden Physikern und deren Studenten für kleinere Forschungsarbeiten zur Verfügung stehen. Unser Programm erstreckt sich auf die Überwachung von Kleinplaneten, die Beobachtung der Planeten und der Sonne und natürlich auf die Deep-SkyFotografie. Ausreichendes Equipment dafür ist vorhanden (Abb. 5). Es fehlen noch eine professionelle All-Sky-Überwachungskamera sowie die Dachsteuerung. Nach jeder Beobachtungsnacht muss die gesamte Instrumentensäule vollständig wieder eingepackt werden, da in Thailand der Staubanteil der Luft sehr hoch ist, insbesondere wenn die Bauern ihr Zuckerrohr abbrennen (Umwelt ist hier kein Thema!).
Trotz aller Schwierigkeiten und unzähliger Arbeitsstunden (die hinter uns und vor uns liegen) sind wir bereit, intensiv weiterzumachen, um für uns selbst und für die Menschen hier eine Institution bereit zu stellen, die ihnen und uns einen neuen Blick über den Tellerrand ihres und unseres Lebens gewährt und damit vielen jungen und älteren Menschen die Schönheiten unseres Universums näher bringt.
5 Die Teleskope mit angeschlossenem Beobachtungsequipment
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Astrofotografie
Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie
- Das Astrofoto des Jahres 2019
von Thorsten Zilch
Wenn auch in diesem Jahr etwas verspätet, hatte die Fachgruppe Astrofotografie im März 2020 wieder die Aufgabe, das alljährliche ,,Astrofoto des Jahres" zu wählen. Aus einer Grundgesamtheit von insgesamt 50 Astroaufnahmen, die als ,,Astrofoto der Woche" (AdW) unter Astronomie.de innerhalb des Jahres 2019 veröffentlicht wurden, galt es wieder, die ersten drei Plätze zu nominieren.
Platz 1
Platz 2
Platz 3
Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg
Woche 40/2019 Im Skorpion - farbige Nebel in Hülle und Fülle
Björn Gludau und Torsten Daiber
Woche 1/2019 Die Radiogalaxie Centaurus A
Werner E. Celnik und Dieter Sporenberg
Woche 4/2019 Namibischer Mars mit Deimos und Phobos
Die drei Siegerbilder sind an dieser Stelle noch einmal abgebildet. Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern, aber auch herzlichen Dank an die vielen treuen Einsender. Nicht zu vergessen ist der Dank an unsere fleißigen FG-Mitglieder und FG-Freunde beim Wählen!
Ihr AdW-Team der FG Astrofotografie
1. Platz Rechte Seite: Diese Szenerie im Skorpion entstand einerseits zwischen dem 12. und 20. Juli 2015, belich-
tet mit einer CCD-Kamera SBIG STL-11000M durch ein Canon-Tele-Objektiv mit 200 mm Brennweite auf die Aufnahmeblende 3,5 abgeblendet. In Summe wurde ein erster Teilausschnitt mit jeweils 6 x 600 s pro Farbkanal durch Stefan Binnewies auf der Mittelmeerinsel Lastovo belichtet. Ein Jahr später nahmen Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg auf den Kanaren gemeinsam zwischen dem 3. und 6. Juli das restliche Bildfeld auf. Dabei kam eine DSLR Canon EOS 6D mit demselben 200-mm-Objektiv wie ein Jahr zuvor zum Einsatz. Belichtet wurde wieder bei der Aufnahmeblende 3,5, jeweils 60 s bzw. 120 s lang bei ISO 6400 bzw. ISO 3200, jedes Feld mit 120 min Gesamtbelichtungszeit.
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Astrofotografie Journal für Astronomie Nr. 75 | 67
2. Platz Oben: Björn Gludau
und Torsten Daiber hatten auf der Astrofarm Hakos die Gelegenheit, NGC 5128 an der Astrokamera 3 der IAS aufzunehmen. Der Newton hat 510 mm Öffnung und 1.884 mm Brennweite (= Blende 3,7). Als Kamera kam eine FLI-ML-29050 mit 5,5 m Pixelgröße zum Einsatz. Belichtet wurde 8 x 10 min (L) und je 5 x 5 min in RGB, alles ohne Binning.
3. Platz Werner E. Celnik und Dieter Sporenberg gelang von der Farm Tivoli in Namibia aus dieses Aufnahmekomposit des Mars. Als
Beobachtungsinstrument wurde ein Schmidt-Cassegrain-Teleskop der Marke Meade ACF mit 356 mm Öffnung und 3.560 mm Brennweite verwendet. Für die Aufnahme wurde die Brennweite mit einem Baader-Flatfieldconverter (FFC) auf 8.700 mm verlängert. Als Kamera kam eine CMOS-Farbkamera des Typs QHY5III178c von Astrolumina zur Anwendung. Die Aufnahmeserie entstand in der Nacht vom 28. auf den 29.07.2018, wobei die Monde über einen Zeitraum von 23:26 bis 00:22 Uhr UT in 15 Videos von je 60 s Dauer und 3-minütiger Pause zwischen den Videos nur mit UV/IR-Sperrfilter aufgenommen wurden. Die Einzelbelichtungszeit betrug 1 s. Mars selbst ist bei dieser Belichtungsdauer völlig überbelichtet und wurde daher im Endbild (Komposit) als derotierte Summenaufnahme maßstabsgetreu als Ersatz für den überbelichteten Mars hinzugefügt. Die dafür notwendigen Marsaufnahmen wurden unmittelbar vor der Aufnahmeserie für die Monde aufgenommen, und zwar zwischen 22:18 bis 22:49 Uhr UT. Es wurden insgesamt 13 Videos von 120 s Dauer angefertigt: 6 als Farbvideo mit UV/IR-Sperrfilter und 10 ms Integrationszeit sowie 3 mit IR850-Filter ohne Sperrfilter (Luminanz) mit 15 ms und 4 mit Violettfilter (Wratten #47) in Kombination mit UV/IR-Sperrfilter für den Blaukanal mit 27 ms. Mars zog im Aufnahmezeitraum am 11,5 mag hellen Stern TYC 69111579 (unten links) vorüber.
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Astrofotografie
DeepSkyCamera-App für Android
Astrofotografie mit dem Smartphone (Teil 2)
von Michael Seeboerger-Weichselbaum
In diesem zweiten Teil zur ,,Astrofotografie mit dem Smartphone" [1] beschreibe ich die Vor- und Nachteile der möglichen Aufnahmetechniken.
Aufnahmen ohne Teleskop Die Android-App ,,DeepSkyCamera" nutzt das Weitwinkelobjektiv des Smartphones und den Kamerasensor, um Aufnahmen zu tätigen. Das Smartphone kann dazu auf eine Reise- oder Teleskopmontierung installiert werden. Man benötigt nur noch einen Kugelkopf und eine SmartphoneKlemme (Abb. 1). Das weitere Vorgehen ist
dann wie bei der klassischen Astrofotografie mit einer DSLR oder DSLM, die anstelle des Smartphones platziert werden würde. Während der Nachführung kann man die maximal mögliche Belichtungszeit nutzen, die das Smartphone unterstützt. Viele Smartphones bieten zwischen 30 und 35 Sekunden an. Das Telefon mit der längsten Belichtungszeit ist derzeit das Xiaomi Mi Note 10, welches sagenhafte 60 Sekunden bietet und in der DeepSkyCamera-App genutzt werden kann. Es werden beispielsweise 100 Bilder aufgenommen, später die Darks, Flats und Bias Frames, die dann mit
Hilfe einer Stacking-Software und Bildbearbeitungssoftware prozessiert werden.
Auch ohne Nachführung kann das Smartphone betrieben werden. Es reicht sogar aus, wenn man das Telefon auf einen Tisch o. ä. legt, damit der Kamerasensor senkrecht in den Zenit zeigen kann. Es entstehen bekanntermaßen schnell Strichspuren, so dass die Belichtungszeit auf wenige Sekunden beschränkt ist, wenn punktförmige Sternabbildungen gewünscht werden. In unseren Breitengraden sind für Aufnahmen im Zenit bis zu 15 Sekunden möglich. Die
1 Smartphone mit Kugelkopf und Klemme auf der Reisemontierung
SkyTracker von iOptron
2 Befestigung eines Smartphones am Okular für ein voll
ausgeleuchtetes Bild
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Astrofotografie
die Klemmung erfolgt über eine Schraube von der Seite. Durch starkes Anziehen kann man den Adapter zwar festklemmen, aber bei schweren Smartphones kann der Adapter trotzdem verrutschen, insbesondere bei schnellen Schwenks. Es ist also darauf zu achten, dass man bei Teleskopschwenks langsam und ruhig vorgeht, auf keinen Fall hektisch und schnell. Einen weiteren Nachteil hat der Celestron-Adapter: Wenn das Smartphone in der Halterung eingeklemmt ist, wird es auch von einem kleinen Überstand auf der Unterseite gehalten. Das ist zunächst praktisch und hilft gegen ein Durchrutschen. Aber dieser Überstand verdeckt den USB-Anschluss. Dadurch kann das Telefon nicht geladen oder mit einem Computer verbunden werden. Ich habe mir geholfen, indem ich ein Loch in den Überstand gefeilt habe, durch das ich ein USB-Kabel ziehen kann. Das sollte Celestron standardmäßig anbieten!
3 Mond im Huawei P20 Pro und einem 60 Grad -Okular am Takahashi TOA 130
in Okularprojektion
Weitwinkelobjektive der Smartphones haben in der Regel eine Brennweite von 2 bis 5 mm, was umgerechnet dem Bildwinkel eines Kleinbildobjektivs von 13 bis 33 mm Brennweite entspräche. Nach der Formel
Tmax = 400 s / f (in mm)
kommen wir bei einem 4-mm-Objektiv (entspricht 27 mm Brennweite im Kleinbildformat) damit auf knapp 15 Sekunden maximale Belichtungszeit.
stand vom Objektiv zum Okular sehr genau ermittelt werden, ich komme weiter unten noch darauf zu sprechen. Am sinnvollsten sind hier Tests am Tage mit der Sonne (nur mit Sonnenfilter) oder am Mond. Viele Adapter sind preisgünstige Varianten, die oft nur eine Verstellung in zwei Achsen ermöglichen (links-rechts sowie obenunten). Besser sind Adapter, welche das Smartphone in drei Achsen verschieben können, also auch vor und zurück.
Befestigung am Teleskop Wenn man ein Teleskop benutzt, wird das Smartphone über einen Adapter vor dem Okular befestigt. Dies ist die klassische Okularprojektion. Hierbei muss der Ab-
Sehr gut geeignet sind nach meinen Tests nur zwei Adapter: Celestron NexYZ und Baader Microstage. Der Erstere hat einen Halter, in welchen das Smartphone direkt eingeklemmt wird (Abb. 2). Der Nachteil:
Der Adapter Baader Microstage ist eigentlich für Kompaktkameras gedacht, so dass man noch eine Smartphone-Klemme mit 11/4-Zoll-Schraubgewinde dazukaufen muss. Diese Klemme gibt es für wenige Euro bei Amazon, eBay oder AliExpress. Es gibt mittlerweile aus China unzählige Microstage-Klone, die dem Original sehr ähnlich sind und nur einen Bruchteil kosten - sie funktionieren genauso gut. Auf jeden Fall müssen die Klone eine Drei-Achsen-Verstellung besitzen. Weitere preisgünstige Smartphone-Adapter sind schon für 3 bis 20 Euro erhältlich, direkt aus China. Man kann damit experimentieren, aber die Verstellung in der z-Achse ist bei den günstigen Adaptern nicht möglich. Man muss selbst den Adapter am Okular vor- oder zurückschieben, was manchmal durch die Bauart des Okulars gar nicht geht, weil es schlicht zu dick ist. Dies betrifft auch die teuren Vixen- und Orion-Adapter (beide über 80 Euro). Abzuraten ist auch von den indivi-
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Astrofotografie
duell hergestellten Adaptern für bestimmte Telefone. Durch die schnelle Austauschrate von Smartphones muss man immer einen neuen Adapter kaufen und diese sind ohne eine Verstellmöglichkeit in der z-Achse.
Okulare Die Okulare tragen natürlich entscheidend zur Qualität bei. Meistens nutze ich 100 Grad -Okulare. Alles führt im Bildfeld zu einem mehr oder weniger großen Rand, da das Objektiv der Smartphone-Kamera weitwinkelig ist. Die Abbildung 3 zeigt einen solchen Rand mit einem 60 Grad -Okular. Gleichzeitig spielt auch hier die Brennweite des Objektivs eine Rolle. Das aktuelle Samsung S20 Ultra hat eine Brennweite von 7 mm, daher tritt selbst bei einem 60 Grad -Okular kein Rand auf. Bei einem Nokia 1 Plus mit 2,83 mm Brennweite dagegen sehr wohl.
Welche Okulare und Brennweiten verwendet werden, hängt natürlich immer vom Einsatzzweck ab. Der Astrofotograf Matthijs Burgmeijer aus Groningen nutzt für seine Deep-Sky-Aufnahmen an einem 10-Zoll-Newton ein 25-mm-Plössl-Okular und erzielt damit erstaunliche Resultate, wie sein Bild von M 16 zeigt (Abb. 4). Ich nutze häufig am Takahashi FS 60 bzw. TOA 130 ein 13- oder 20-mm-Okular für 100 Grad von APM Lunt.
Für Aufnahmen von Sonne und Mond müssen andere Okulare her - ich verwende hier viel die extremen Brennweiten 3,5 mm (APM Lunt 110 Grad ) und 6,7 mm von Explore Scientific 82 Grad (Abb. 5).
Abstand Okular - Smartphone Entscheidend für die Qualität der Aufnahmen und die Ausleuchtung des Kamerasensors ist der Abstand des Smartphones vom Okular. Da es sich um Aufnahmen mit dem Kameraobjektiv durch das Okular handelt, muss dieser Abstand sehr genau eingestellt
4 M 16, aufgenommen von Matthijs Burgmeijer im National Park Lauwersmeer mit Huawei
P20 Pro, 10-Zoll-Newton f/4,8, 25-mm-Super-Plössl, 61 Lights je 30 Sekunden, dazu 50 Darkund 50 Biasframes, ISO 1250. (Mit freundlicher Genehmigung des Bildautors)
werden. In der klassischen Astrofotografie gibt ein Hersteller von Flattnern, Reducern, Extendern und Koma-Korrektoren den korrekten Arbeitsabstand vor, der mit Hilfe von Zwischenringen und Hülsen erreicht werden kann.
Bei Smartphones gibt es diese Vorgaben nicht. Mit den beiden Adaptern von Celestron und Baader kann der Abstand (z-Achse) feinfühlig eingestellt werden, der genaue Wert muss experimentell ermittelt werden. Dieser hängt vom Okular und Smartphone ab. Werden diese gewechselt, wird sich auch der Abstand verändern. Ist der Abstand zu groß oder zu klein, tritt bei vielen Okularen
der Bohneneffekt (Kidney-Bean-Effekt) auf. Die Abbildung 2 zeigt einen typischen Abstand.
An meinem Setup (Takahashi TAO 130 mit 1,5x-Extender und 3,5-mm-Okular von APM Lunt) beträgt der Abstand mit einem Xiaomi Mi9T 8 mm. Tauscht man das Telefon gegen ein Xiaomi Redmi Note 8 Pro, sind es 10 mm. Mit einem Motorola One Vision dagegen sind es 12 mm.
Die Bildreihe in der Abbildung 6 verdeutlicht die Unterschiede. Links ist der Abstand vom Smartphone zum Okular zu gering, der Bohneneffekt ist sichtbar. Im rech-
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Astrofotografie
5 Krater Clavius mit Xiaomi Pocophone F1, Explore-Scientific-6,7-mm-Okular am Takahashi TOA 130 und TeleVue 2.5x Powermate.
200 DNG-Dateien, ISO 100, Belichtungszeit 1/80 s, prozessiert mit PIPP, AutoStakkert, RegiStax und Photoshop
ten Bild ist der Abstand zu groß, auch hier entsteht der gleiche Effekt. Im mittleren Bild dagegen ist der ideale Abstand erreicht. Das Bild wird maximal ausgeleuchtet.
Streulicht Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist der seitliche Lichteinfall bei der Okularprojektion. Da Verlängerungshülsen für derartige Zwecke am Smartphone nicht existieren bzw. nicht angebracht werden können, kann man bei einigen Okularen (z. B. Baader Hyperion) entsprechende
Ringe vorne anschrauben, um hier einen seitlichen Lichteinfall und Reflexionen zu minimieren. Oder man wickelt Verdunkelungsstoff um die ganze Aufnahmeeinheit.
In Zukunft ein Bajonettverschluss? Für die Astrofotografie mit dem Smartphone wäre es sehr hilfreich, wenn auch die Linse abgeschraubt werden könnte und ein Adapter für einen Bajonett-Verschluss - ähnlich wie bei einer DSLR, DSLM oder Astrokamera - für Fokalaufnahmen am Teleskop verwendet werden könnte. Aktu-
ell ist dies noch nicht möglich. Interessanterweise hat Apple im Jahr 2012 ein solches Patent eingereicht, das zwei Jahre später unter der Nummer US-Patent 8,687,299 akzeptiert wurde [2]. Die Abbildungen zu dem Patent zeigen einen sehr interessanten Bajonett-Verschluss, der Wechselobjektive und Adaption an Teleskopen ermöglichen würde. Bis heute haben wir einen derartigen Bajonett-Verschluss noch nicht im Handel gesehen, aber die Entwicklung schreitet stetig voran.
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Astrofotografie
6 Links: Der Abstand zwischen Okular und Telefon ist zu klein. Mitte: Idealer Abstand zwischen Okular und Smartphone,
das Bild wird voll ausgeleuchtet. Rechts: Der Abstand zwischen Okular und Telefon ist zu groß.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2020): [1] M. Seeboerger-Weichselbaum, 2020: ,,DeepSkyCamera-App für Android". VdS-Journal für Astronomie 72 (1/2020), S. 62-66 [2] MacTechNews, www.mactechnews.de/news/article/Apple-Patent-ueber-Bajonettverschluss-fuer-Kameralinsen-158097.html
Andromeda's Parachute
- ein vierfaches Gravitationslinsensystem
von Peter Bresseler
Im Februar 2018 nahm ich einen Quasar namens J014709+463037 im Sternbild Andromeda auf [1], acht Monate nach seiner Entdeckung am 11. Juni 2017 durch PanSTARRS (Panoramic Survey Telescope And Rapid Response System oder PS1). Damit gehörte ich seinerzeit zu den ersten Amateuren, die sich fotografisch an diesem Objekt versuchten. Das Aufnahmesystem Pan-STARRS besteht aus einem 1,8-mSpiegelteleskop mit einem korrigierten Feld von 7,7 Grad. Die verwendete CCDKamera erreicht eine Auflösung von 0,256 Bogensekunden. Pan-STARRS befindet sich auf dem Gipfel des Haleakala auf Hawaii [2]. J014709+463037 ist ein vierfaches Gravitationslinsensystem, das aufgrund seines Aussehens auch als ,,Andromeda's Parachute" (Andromedas Fallschirm) bezeichnet wird.
Nach erster Einschätzung der Wissenschaftler lag die Rotverschiebung des Objektes bei z = 2,6. Am 21. Juni 2017, genau 10 Tage nach der Entdeckung, wurde das Gravitationslinsensystem am Keck Cosmic Web Imager (KCWI) spektroskopisch untersucht und auf eine Rotverschiebung von z = 2,377 korrigiert. Für das Vordergrundobjekt, das für die Mehrfachabbildung verantwortlich ist, wurde eine Rotverschiebung von z = 0,57 bestimmt. Das Gravitationslinsensystem hat damit sein Licht vor ca. 11,3 Milliarden Jahren entsandt. Das Besondere an Andromeda's Parachute: Es gehört zu einer Handvoll bekannter vierfach gelinster Systeme mit z > 2 und vier relativ hellen Komponenten mit den Helligkeiten 15,4 mag für A, 15,5 mag für B, 16,2 mag für C und 17,7 mag für D [3].
Der aufmerksame Leser wird hier erkennen, das Gravitationslinsensystem ist mit der gegebenen Helligkeit zwischen 15,4 und 17,7 mag schon für Amateurteleskope mit eher kleinerer Öffnung von 6-8 Zoll als Aufnahmeobjekt geeignet. Das Schwierige an Andromeda's Parachute ist allerdings nicht die Helligkeit der Komponenten, sondern ihr geringer Winkelabstand zueinander, denn J014709+463037 besitzt insgesamt eine Winkelgröße von nur 3 Bogensekunden!
Wie kommt dieser Gravitationslinseneffekt zustande? Bei einem Gravitationslinsensystem liegt zwischen dem irdischen Beobachter und dem Quasar ein weiteres kosmisches Objekt, das als Schwerkraftlinse wirkt, z. B. eine Vordergrundgalaxie. Eine solche Massenkonzentration lenkt
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Astrofotografie
1 Der Autor bei der Astrofotografie im Garten an seiner Montierung
mal ausgenutzt wird. Die Näherungsformel zum erzielten Bildmaßstab lautet:
Winkelauflösung pro Pixel = Pixelgröße (in m)/Brennweite (in mm)
206 Bogensekunden
Für meine Ausrüstung erreiche ich also 3,8 m/2.000 mm 206'' = 0,39'' pro Pixel. Man sollte sich allerdings im Klaren sein, dass dieser Wert keine reale Auflösung darstellt, sondern nur den winkelmäßigen Abildungsmaßstab. Das reale Auflösungsvermögen im Bild wird durch den Optikdurchmesser, das Seeing und durch instrumentelle Fehler bestimmt.
die Lichtstrahlen vom geraden Weg ab und es entstehen bizarre Formen des Hintergrundobjektes wie Bögen oder Ringe. Der Beobachter auf der Erde kann dadurch ein Objekt auch doppelt oder mehrfach sehen, obwohl es in Wirklichkeit nur einmal existiert. In diesem Fall kommt es bei Andromeda's Parachute zu einer seltenen Vierfachabbildung.
Im Januar 2020 bot sich für meine Ausrüstung, die aus einem Takahashi TSC225 und einer ZWO ASI1600MM besteht, wieder die Gelegenheit, den Exoten aufzunehmen. Meine ,,Nachentdeckung" vom Februar 2018 entstand mit einem C 8 und einer ZWO ASI290MM bei einer Brennweite von ca. 1.000 mm. Nun sollte der Takahashi TSC-225 mit knapp 2.000 mm Brennweite ein mindestens vergleichbares Ergebnis erzielen.
Das TSC-225 wurde Anfang der 90er-Jahre in Japan in einer begrenzten Stückzahl gefertigt. Ähnlich wie bei den legendären ZEISS-APQ-Apochromaten waren die Fertigungskosten des TSC-225 zu hoch und damit unwirtschaftlich, so dass die Produktion eingestellt wurde. Vom Takahashi
TSC-225 wurden insgesamt nur 100 Stück produziert.
Nach dem optischen Design ist das TSC225 ist ein klassischer Schmidt-Cassegrain. Die Öffnung beträgt 225 mm (= 9 Zoll), das Gewicht liegt bei ca. 10 kg. Das TSC-225 ist als f/12-System gerechnet, d. h. auf 2.700 mm optimiert. Die Auflösung ist mit 0,52 Bogensekunden angegeben. Die Brennweite variiert bedingt durch die Hauptspiegelfokussierung zwischen 2.300 mm und 3.000 mm. Das TSC-225 ist ideal für Planetenbeobachtung und für fotografische Anwendungen aller Art.
Als Kamera stand mir eine ZWO ASI1600MM zur Verfügung. Ihr Sensor MN34230 von Panasonic ist ein so genannter 4/3-Zoll-Sensor mit einer sensitiven Fläche von 17,7 mm x 13,4 mm und 4.656 x 3.520 Pixeln bei einer Pixelgröße von 3,8 m. Die Quanteneffizienz der ASI1600MM ist mit 60% hoch, d. h. von 100 auftreffenden Photonen werden 60 registriert.
Bekanntlich sollte das Kamerasystem bzw. die Pixelgröße zur Teleskopbrennweite passen, damit das Auflösungsvermögen opti-
Dennoch, wie lassen sich solche Rahmenparameter auf die Aufnahmetechnik richtig anwenden? Für diese Art von hoch aufgelösten Aufnahmen kommt idealerweise das Kurzbelichtungsverfahren bzw. Lucky Imaging zum Einsatz [4]. Hierbei werden mehrere Tausend kurz belichteter Einzelaufnahmen erzeugt. Momente guter Seeingbedingungen werden in dem Verarbeitungsprozess softwaretechnisch ausgewertet und zu einem Summenbild generiert. Im Idealfall entspricht die real erzielte Auflösung dem theoretischen Auflösungsvermögen des Aufnahmeteleskops.
So fertigte ich einzelne Belichtungsreihen von 500 ms bis 1 s an, um das Seeing abzuschätzen und ggf. die Aufnahmeparameter zu verändern. Auf den Rohaufnahmen waren die hellsten Anteile von J014709 +463037 nur schemenhaft, die Komponente D gar nicht sichtbar. Das Seeing war in diesem Zeitraum offenbar durchschnittlich, aber nicht gut genug, um dem Objekt weitere Details zu entlocken.
Es entstanden verschiedene Aufnahmeserien von jeweils 300 Einzelaufnahmen, je eine Sekunde belichtet. Einige Serien davon wiesen besser definierte Sternabbildungen
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Astrofotografie
2 Der Vierfachquasar, Aufnahmedaten im Text. Das Bildfeld besitzt eine Größe von 10,3' x 7,0'.
Das Inset mit Andromeda's Parachute misst ca. 60 Bogensekunden.
auf, so dass diese in dem Programm AutoStakkert gestackt wurden. Bei der Bildauswahl habe ich ca. 50-60% der Aufnahmen verwendet, die restlichen nicht berücksichtigt. In der Summe lag die Belichtungszeit bei 20 Minuten.
Das Seeing war an dem Beobachtungsabend im Januar 2020 eher durchschnittlich, so dass dies sich direkt auf das Beobachtungsergebnis übertragen hat. Der ,,Schirm" in Andromeda's Parachute mit seinen Komponenten A-C zeigt dennoch eine längliche Darstellung mit allerdings kaum erkennbarer Differenzierung. Die Komponente D unterhalb des Schirms ist nur schwach auszumachen.
Um Details kleiner Objekte hoch aufgelöst darzustellen, sind längere Brennweiten sicherlich förderlich. Sie führen aber auch dazu, Seeingeffekte eher zu registrieren als
mit kürzeren Brennweiten. Das theoretische Auflösungsvermögen der Optik bzw. die optimale Anpassung der Pixelgröße an die Brennweite sollte mit den Beobachtungsbedingen harmonieren. Das heißt insbesondere, dass bei einem durchschnittlichen Seeing das Optimum nicht erreicht werden kann.
Fazit Zentraler Einflussfaktor für hoch auflösende Astrofotografie ist das Seeing, dessen Auswirkungen mithilfe von Kurzbelichtungen und Lucky Imaging optimiert werden können. Das von mir angewandte Verfahren, das Kurzbelichtungsverfahren, ist nicht neu, es bietet mir von meinem Hamburger Standort eine gute Chance, sinnvoll Deep-Sky-Aufnahmen anzufertigen. Wie man sich vorstellen kann, ist die Beobachtung aus einer Stadt bzw. Großstadt nicht ideal. Über meine Mailadresse peter.
bresseler@pixlimit.com stehe ich bei Fragen zur Technik und zur Anwendung des Kurzbelichtungsverfahrens gern zur Verfügung.
Literaturhinweise (Stand Februar 2020): [1] P. Bresseler, 2018: ,,Vierfach-Quasar
im Amateurfokus", Sterne und Weltraum 57 (11/2018), S. 64-67 [2] C. T. Berghea et al., 2017: ,,Discovery of the First Quadruple Gravitationally Lensed Quasar Candidate with PanSTARRS", Astrophys. J. 844, article id. 90, 9 pp. [3] K. H. R. Rubin et al., 2018: ,,Andromeda's parachute: a bright quadruply lensed quasar at z = 2.377", Astrophys. J. 859, article id. 146, 9 pp. [4] P. Bresseler, 2020: ,,Deep-Sky-Objekte kurz belichtet", Sterne und Weltraum 59, (2/2020), S. 72-77
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Astrofotografie
Im Grenzgebiet von Cepheus und Cassiopeia
(Teil 2)
von Hans Jürgen Mayer
Der erste Teil dieses Artikel [1] widmete sich der nördlichen, durch ausgedehnte Dunkelwolken geprägten Region des Grenzgebietes zwischen Cepheus und Cassiopeia mit dem beherrschenden Emissionsgebiet Sh2-171. Lassen wir den Blick nun weiter nach Süden schweifen, so offenbart sich uns ein gänzlich anderes Bild. Nahezu unbehindert durch vorgelagerten Staub blicken wir hier weit hinaus bis zu den Sternwolken des Perseusarms unserer Milchstraße.
1 Sh2-170, rechts
oben eine kleine, aber markante Globule. Der Stern im Nebelzentrum am oberen Rand der zentralen Verdunklung ist der einzige ionisierende Stern LS I+64 11.
Wenige Grad südlich von Sh2-171, am Rande des Dunkelwolkenkomplexes gelegen, stoßen wir auf die kleine, beinahe kreisrunde HII-Region Sh2-170, die das Emissionsgebiet Sh2-171 optisch zu einem kosmischen Fragezeichen zu ergänzen scheint. Physikalisch hat dieser Nebel allerdings nichts mit der im ersten Teil des Artikels beschriebenen Struktur zu tun. Sh2-170 ist mit ca. 2 kpc gut doppelt so weit entfernt, bei einer scheinbaren Größe von 20' entspricht das einem wirklichen Durchmesser von ca. 10 pc [2]. Die Anregung erfolgt durch einen einzigen Stern des Typs O9V mit der Bezeichnung LS I +64 11. Seine scheinbare Helligkeit beträgt 10,6 mag. Mit einem Farbindex B-V = +0,46 mag erscheint auch er aufgrund der Extinktion nicht blau, sondern lediglich weißlich. Er befindet sich von uns aus gesehen zentral am Ende einer blasenförmigen HII-Region, nahe einer dahinter gelegenen kleinen, aber dichten Molekülwolke. Die von ihm ausgehenden starken Sternwinde haben bereits eine Höhle geringerer Gasdichte geschaffen, die als zentrale Verdunklung zu erkennen ist (Abb. 1).
Nur wenig weiter südlich endet der Dunkelwolkenkomplex und der Blick fällt ungehindert auf die Sternwolken des Perseusarms. Hier stoßen wir auf eine weitere, aber wesentlich ältere OB-Assoziation: Cas
OB5, die beinahe dreimal so weit entfernt ist wie Cep OB4 und ein Raumgebiet von mehr als 140 pc im Durchmesser umfasst. Sie enthält allein fünf Sterne des Spektraltyps O und mehrere Sternhaufen mit jeweils mindestens einem ionisierenden Stern [3]. Mehrere HII-Regionen und drei Supernovaüberreste (SNR) liegen in Blickrichtung von Cas OB5. Der optisch hellste, CTB1, zeigt sich im Bild als roter Halbring zwischen den Sternen des Perseusarms, ca. 2 Grad südlich von Sh2-170 gelegen (Abb. 2). Bei den beiden anderen SNR handelt es sich einerseits um den Überrest der bekannten Tycho-Supernova sowie um das wenig bekannte Objekt G116.5+1.1, beide optisch extrem schwach und vornehmlich im Radiobereich auffällig.
Cas OB5 ist von einer gewaltigen auseinanderstrebenden Wasserstoffschale mit einem scheinbaren Durchmesser von etwa 6 Grad umgeben [4]. Sie enthält ca. 750.000 Sonnenmassen an atomarem und molekularem Gas. Dieses Gas entstammt vermutlich der Molekülwolke, aus der sich die Sterne der Assoziation einst gebildet haben. Die ex-
tremen Sternwinde, die von den jungen heißen O- und B-Sternen der Assoziation ausgehen, haben im Laufe der Zeit das Gas der ursprünglichen Molekülwolke hinweggeblasen, eine Entwicklung, die der jungen Assoziation Cep OB4 wohl noch bevorsteht. In der Folge hat sich das Gas mutmaßlich in der gewaltigen expandierenden Schale um die Assoziation herum gesammelt. Energetische Betrachtungen legen jedoch nahe, dass noch weitere Akteure bei der Entstehung dieser Superschale beteiligt gewesen sei müssen. Die Annahme, es könnte sich hierbei um die drei auf der Sichtlinie liegenden SNR bzw. deren Vorgängersterne handeln, scheint sich gemäß neueren Untersuchungen aber nicht zu bestätigen [5]. Während z. B. auch die Messdaten der Gaia-Mission [6] die OB-Assoziation eher in einer Entfernung von 3 kpc sehen, liegen zumindest CTB1 und G116.5+1.1 mit 1,6 kpc räumlich weit vor der Superschale.
Unter den in Blickrichtung von Cas OB5 gelegenen HII-Regionen ist Sh2-173, ca. 2 Grad östlich von CTB1 gelegen, die scheinbar hellste. Ihre Größe am Himmel ent-
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Astrofotografie
2 CTB1, am rechten Rand unterhalb der Mitte liegt der Sternhaufen
King 12, der Teil der Assoziation Cas OB5 ist.
3 Sh2-173. Der ionisierende Stern BD 60 Grad 39 befindet sich links
unterhalb der zentralen Verdunkelung, verursacht durch eine vorgelagerte Wolke interstellarer Materie. Am westlichen Rand der HIIRegion macht sich eine weitere lokal begrenzte Molekülwolke durch ihr Absorptionsverhalten bemerkbar.
spricht etwa einem Vollmonddurchmesser. Sieben heiße O- und B-Sterne liegen nahe des Zentrums. Einziger ionisierender Stern ist vermutlich der O-Stern BD+60 Grad 39. Die Entfernungsangaben in der Literatur schwanken zwischen 2 und 3 kpc. Legt man die neuesten Gaia-Daten zugrunde, finden sich fünf der sieben Sterne, darunter BD+60 Grad 39, in einer Entfernung von ca. 3 kpc, während die zwei verbleibenden Sterne räumlich nicht zu dieser Gruppe zu gehören scheinen. Sh2-173 liegt also mitten in der Randzone der gewaltigen expandierenden Wasserstoffblase, die Cas OB5 umgibt. Eine umfangreiche Studie [7] kommt zu dem Schluss, dass die mit ca. 1 Million Jahre deutlich jüngere HII-Region aus der Kollision der Randzone der Superblase mit einer damals an dieser Stelle befindlichen Molekülwolke hervorgegangen ist.
Den helleren westlichen Rand von Sh2-173 begrenzt heute eine Molekülwolke, die ca. 6.000 Sonnenmassen auf sich vereint, möglicherweise ein Rest der ursprünglichen Elternwolke. Eine weitere kleinere Wolke liegt direkt in Sichtlinie vor dem Zentrum
der HII-Region. Letztere verursacht durch ihren Staubanteil die deutlich sichtbare zentrale Verdunklung (Abb. 3). In beiden Dunkelwolken wurden Hinweise auf aktive Sternbildung gefunden, die man auf die Wechselwirkung der HII-Region mit den Wolken zurückführt. Trifft dieses Bild zu, so beobachten wir in dieser Region Sternentstehung in der dritten Generation. Während die Mitglieder der Assoziation Cas OB5 mit einem Alter von ca. 5 Millionen Jahren die erste Generation bilden, gehören die heißen Sterne der HII-Region Sh2-173 mit einem Alter von ca. 1 Million Jahren der zweiten Generation an. Deren Strahlung ist nun gerade dabei, eine weitere, dritte Generation von Sternen ins Leben zu rufen.
Eine ganze Reihe weiterer, wenngleich schwächer ausgeprägter HII-Regionen sind in Blickrichtung von Cas OB5 zu sehen. Es scheint naheliegend, dass auch sie eine ähnlich kausale Verknüpfung mit der Sternassoziation haben. Ob dies wirklich zutrifft, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2020): [1] H. J. Mayer, 2020: ,,Im Grenzgebiet
von Cepheus und Cassiopeia (Teil 1)", VdS-Journal für Astronomie 74, 3-2020, S. 62-65 [2] R. S. Roger et al., 2004: ,,Sharpless 170 and the surrounding interstellar medium", Astron. Astrophys. 425, p. 553 [3] M. Kuhn, 2008: ,,Handbook of Star Forming Regions Vol. I", Astronomical Society of the Pacific [4] M. Fich, 1986: ,,Supernova remnants associated with an HI supershell in the Perseus spiral arm", Astrophys. J. 303, p. 465 [5] L. A. Suad et al., 2016: ,,The HI supershell GS 118+01-44 and its role in the interstellar medium", Astron. Astrophys. 585, p. A154 [6] Gaia DR2: https://gea.esac.esa.int/ archive/ [7] S. Cichowolski et al., 2009: ,,Unveiling the birth and evolution of the HII region Sh2-173", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 394, p. 90
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Astrofotografie
SNR G206.9+2.3
- ein kaum bekannter Supernovarest
von Daniel Pölzl und Peter Riepe
Eine solche Bezeichnung? Das muss ein außergewöhnliches Objekt sein. Und das ist es auch. Der Katalogname SNR G206.9+2.3 beschreibt einen galaktischen Supernovarest (ab jetzt kurz: SNR) bei den galaktischen Koordinaten 206,9 Grad Länge und +2,3 Grad Breite. Wir stellen SNR G206.9+2.3 jetzt vor und geben sowohl Informationen zum Herstellungsgang des Bildes als auch ein paar astronomisch wissenswerte Fakten. Eine Nachbetrachtung rundet das Thema ab.
Zur Vorgeschichte (Daniel Pölzl) Im Sommer 2019 startete ich mit einer Reisemontierung vom Typ Star Adventurer und einer Sony A7 R II als Kamera, um mit einem Fotoobjektiv den Nachthimmel zu fotografieren. Die Nachführgenauigkeit erstreckte sich eher auf Weitwinkelaufnahmen mit Fotoobjektiven. Da Weitfeldaufnahmen (TWAN-Bilder) schön, aber nicht alles für mich waren, suchte ich nach einem preiswerten und für einen Einsteiger praktikablen Fernrohr und gekühlter Kamera mit Filterrad. Im Spätherbst 2019 wurde in eine ZWO ASI 1600MM Pro mit Filterrad investiert, dazu ein 72-mm-Apochromat mit f = 432 mm von Lacerta. Das Hobby wurde nun etwas ernster. Es war beachtlich, was mit einer Reisemontierung mit Autoguiding möglich war, natürlich auch nur, wenn das Stativ stabil steht bei perfekter Polarausrichtung, denn diese Montierung führte nur in RA/Stunde nach. Ein Problem blieb also: Tag für Tag das wackelige Setup genau gleich perfekt aufzustellen, auszurichten und das gleiche Bildfeld zu fotografieren - beinahe unmöglich.
Mein Vater Robert (Mitglied der FG Astrofotografie und der TBG-Gruppe) hat 2019 bereits in Spanien mit der Aufnahme des SNR G206.9+2.3 begonnen, konnte dieses interessante Objekt aber nicht fertigstellen. Aus diesem Grund wollte ich ausprobieren, ob mit meinem kleinen Setup dieses
1 Feld zwischen dem Rosettennebel und dem Konusnebel (oben Mitte). Das Kreuz markiert
den optischen Mittelpunkt des SNR Mon Loop. Der SNR G206.9+2.3 sitzt im roten Kreis. Kontrastverstärktes Bild aus [1], Bearbeitung P. Riepe
Vorhaben vielleicht realisierbar ist. Im Dezember 2019 stand der SNR dann optimal am Himmel. Ohne Goto und Ablesen der Koordinaten auf der Montierung war es schwierig, die richtige Position am Himmel zu finden. Nur durch Erkennen von Sternmustern und ,,Star hopping" kam ich an die gewünschte Position und belichtete eher mal so auf Verdacht ... Da nach 10 Minuten Belichtung in [OIII] jedoch schon etwas zu erahnen war, wusste ich, dass dies machbar ist. In den nächsten klaren Nächten baute ich also immer meine Reisemontierung auf und belichtete in [OIII]. Von den vielen gemachten Einzelbildern konnte ich aber nur einen kleinen Teil verwenden. Zu groß war der Ausschuss wegen Wind und Polaus-
richtung - die Star Adventurer war wohl etwas zu sehr am Limit - was man ihr auch nicht verübeln darf!
Um also das Projekt SNR G206.9+2.3 zu verwirklichen, kamen daher Teleskop und Kamera in die Sternwarte auf die ASA DDM85 meines Vaters. In den nächsten drei Wochen wurde mit [OIII]-Filtern in Zeiten ohne Mond so lange belichtet, bis ein aussagekräftiges Bild vorhanden war. Für ein Farbbild wurde in weiterer Folge noch zusätzlich in H und auch in R, G und B belichtet. Insgesamt wurde 12 Stunden in [OIII] (je 10 Minuten), 2 Stunden in H (je 10 Minunten) und jeweils 1,1 Stunden in R, G und B belichtet (je 3 Minuten). Die Bild-
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Astrofotografie
bearbeitung war auch neu für mich, gelang mit PixInsight und Starnet++ aber doch recht gut durch den Workflow, den mir mein Vater vorgab. Die Bildbearbeitung mit Starnet++ war auch für meinen Vater Premiere - er war von der Funktion ebenfalls begeistert. Sehr oft konnte ich dabei hören, wie wichtig die korrekte Bildkalibrierung ist!
Das Ergebnis ist dieses selten fotografierte Objekt. Man sieht daran: Auch mit einer kleinen kostengünstigen Ausrüstung aus Teleskop und Kamera - von der mitbenutzten Montierung einmal abgesehen - ist vieles machbar. Allerdings ist Ausdauer gefragt: Immerhin waren es 17,3 Stunden an gesamter Belichtungszeit bei Blende 6.
Objektinformationen (Peter Riepe) Zunächst zur Lage. Die Abbildung 1 zeigt unten den Rosettennebel im Einhorn. Direkt an seinem nordöstlichen Rand schließt sich der ausgedehnte, lichtschwache SNR
2 Das Bildfeld von 125' x 88' zeigt den türkis leuchtenden SNR G206.9+2.3 (Bild: D. Pölzl,
Aufnahmedaten im Text).
namens ,,Monoceros-Loop" von 3 Grad Durchmesser an. Dieses kontrastverstärkte Bild stammt aus dem Digital Sky Survey im Himmelsatlas Aladin [1]. Die Ostflanke des Monoceros-Loops sitzt in der HII-Region [GS55] 104, das ist der Nebel Nr. 104 aus dem Katalog von Gaze und Shajn von 1955 [2]. Ein wenig östlich davon liegt im rot umkringelten Bildbereich der SNR G206.9+2.3, man kann ihn aber nicht erkennen, denn dazu ist er zu lichtschwach.
Um den SNR in seiner Form gut ins Bild zu bringen (Abb. 2), hat Daniel Pölzl das Bildfeld gedreht. Mit Norden auf 13:30 Uhr liegt die Längsseite des Bildes etwa parallel zum galaktischen Äquator. Was rechts unten als roter Emissionsnebel ins Bildfeld ragt, ist der äußerste Teil von [GS55] 104. Und SNR G206.9+2.3 leuchtet als türkisfarbene
Ellipse mit einer ausgeprägten Filamentstruktur. Der SNR ist auch katalogisiert als PKS 0646+06, da er mit dem Radioteleskop von Parkes in Australien beobachtet wurde. Die Entdeckung von SNR G206.9+2.3 gelang Haslam & Salter [3].
Die Koordinaten des SNR werden in Simbad auf radioastronomische Beobachtungen bezogen: Rektasz. = 06h 48min 40,0s und Dekl. = +06 Grad 26' 00''. Der Mittelpunkt der optischen Ellipse liegt jedoch deutlich davon entfernt. Aus der Abbildung 2 lässt sich Rektasz. = 06h 49min 04s und Dekl. = +06 Grad 20' 23'' ableiten, ebenso der scheinbare optische SNR-Durchmesser zu 54' x 37'. Radioastronomisch dagegen scheint SNR G206.9+2.3 mit 80' größer zu sein [4]. Diese Autoren nennen auch eine Entfernung von ca. 7.500 Lichtjahren. Das Alter wurde nach Auswer-
Journal für Astronomie Nr. 75 | 79
Astrofotografie
3 Invertierte Darstellung der 12-stündigen [OIII]-Belichtungsserie. Die Sterne wurden mit
dem Programm Starnet++ entfernt (Bild: D. Pölzl).
tungen von Messungen im Röntgenbereich auf etwa 60.000 Jahre geschätzt [5].
Nachbetrachtung Die Abbildung 2 ist wegen der eingesetzten Schmalbandanteile eine Falschfarbenaufnahme, auch wenn die Sterne mit Hilfe der RGB-Belichtungen einkopiert wurden. Die türkise Nebelfarbe überwiegt, weil der Nebel separat (mit herausgerechneten Sternen) bearbeitet wurde und zwar das Summenbild der [OIII]-Aufnahmen allein (Abb. 3). Und während in H nur 2 Stunden belichtet wurde, waren es in [OIII] 12 Stunden, d. h. 6-mal soviel. Um eine Farbechtheit zwischen H und [OIII] herzustellen, müssten die Schmalbandaufnahmen auch entsprechend kalibriert werden, wenn sie beide zur Verwendung kämen. Zudem hat
der Sensor der ZWO ASI 1600MM Pro, der Panasonic MN34230ALJ, eine Quanteneffizienz von 77% bei H und 92% bei [OIII]. Der Türkisbereich ist also gegenüber dem Rotbereich von vornherein empfindlicher. Daniel Pölzl hat aber bewusst diese von vielen möglichen Farbvarianten gewählt, was bei Falschfarbendarstellungen stets eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Ein derart kräftiges Bild dieses SNR muss man erst einmal schaffen!
Literatur- und Internethinweise (Stand Mai 2020): [1] Himmelsatlas Aladin in der Daten-
bank Simbad, http://simbad. u-strasbg.fr/simbad/
[2] V. F. Gaze, G. A. Shajn, 1955: ,,Catalogue of emission nebulae", Izvest. Krym. Astrofiz. Obs. 15, p. 11-30
[3] C. G. T. Haslam, C.J. Salter, 1971: ,,Observations of some extended galactic radio sources", Monthly Not. Roy. Astron. Soc. 151, p. 385-395
[4] D. H. Clark, J. L. Caswell, 1976: ,,A study of galactic supernova remnants, based on Molonglo-Parkes observational data", Monthly Not. Roy. Astron. Soc. 174, p. 267-305
[5] D. A. Leahy, 1986: ,,Detection of X-ray emission from the supernova remnant PKS 0646+06", Astron. Astrophys. 156, p. 191-193
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UNSPLASH / SPACEX (https://unsplash.com/photos/PIOgkhaF3WA)
Astrofotografie
Neue Astroaufnahmen
Wieder gibt es aus der Fachgruppe Astrofotografie und ihrem Freundeskreis ein paar schöne, neue Ergebnisse. Die wollen wir unseren Lesern natürlich nicht vorenthalten. Informative Unterhaltung wünscht Peter Riepe
1 Andreas Rörig nahm den Nebel IC 410 mit dem offenen Sternhaufen NGC 1893 im
Fuhrmann auf (Falschfarbendarstellung in der modifizierten Hubble-Palette). Datum und Ort: mehrere Nächte von Dezember 2019 bis März 2020 in Wilsenroth (Westerwald). Teleskop: 200-mm-Newton (f/4 mit GPU-Korrektor), Kamera: Moravian G2-8300. Belichtung: 16 x 15 min für H, dazu je 25 x 15 min für [OIII] und [SII] mit Filtern von Astronomik. Autoguiding per ALCCD 5L-II am Off-Axis-Guider. Kalibrierung (Dark und Flat), Registrierung und Kombination wurden mit der vom Bildautor entwickelten Software Regim vorgenommen.
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2 Nahansicht des Herbig-Haro-Objekts HH 808 am
Veränderlichen V375 Lacertae (= LkH233, Bildmitte, Bildfeld 27' x 13'). Dieser junge Herbig-A4-Stern weist Emissionslinien auf in H, [O I] bei 630 nm und [S II] bei 671,7 nm. Teleskop: Newton 406 mm / 1.830 mm, Kamera: Watec N+, nach wie vor gepflegt von Bildautor Wilfried Wacker. Aufnahmedatum: bereits am 23.10.2011, nur 69 x 12 Sekunden belichtet, jetzt neue Bildbearbeitung.
Astrofotografie
3 Weiße Zwerge wie Sirius B oder Prokyon B sind UV-
leuchtstark. Die Distanz Sirius - Sirius B beträgt ~8''. Am 28.03.2020 nahm Bernd Gährken in München bei bestem Seeing Prokyon mit Prokyon B auf - viel schwieriger als das Sirius-System. Bei Prokyon gibt es im Visuellen zwar die gleiche Helligkeitsdifferenz von 10 mag, aber der Komponentenabstand ist viel kleiner. Die große Halbachse von 4,3'' entspricht laut Wikipedia (England) dem Abstand von Gamma Leonis (rechts zum Vergleich). Der Abstand Prokyon - Prokyon B (links) ist real mit ca. 2,5'' aber viel kleiner! Celestron 11 mit 2x-Barlowlinse, Schuler-UV-Filter, Kamera: ZWO ASI1600, 2.533 Einzelbilder je 0,08 Sekunden belichtet, 35% davon wurden weiter verwendet.
4 Orionnebel M 42 von Frank Breslawski (Sternwarte
Wasserberg, Bergisches Land). Takahashi Epsilon 130D mit 430 mm Brennweite, Kamera: ZWO ASI 294MC Pro. Belichtung am 21.01.2020 bei -10 Grad C einschließlich Baader-Filter UV/IR Cut 122 x 120 Sekunden, 20 x 15 Sekunden und 20 x 5 Sekunden, Gain 120 und ungebinnt. Nachführkamera: ZWO ASI120MM Mini am 8x50 Guidescope. Bildbearbeitung mit PixInsight 1.8.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 83
Astrofotografie
5 M 42 ist ein Standardmotiv, daher sind Vergleiche
unterschiedlicher Autoren immer interessant. Torsten Grossmann erzielte eine etwas andere farbliche Bildwirkung. Optik: 180-mm-Apochromat (f/7), Kamera: SBIG STL-11000, LRGB-Aufnahme mit 120 min Gesamtbelichtungszeit. Da die Serie als Test gedacht war, gab es keine Flats.
6 Der Supernovarest IC 443 bei Eta Geminorum war
Ziel von Peter Oertel. Teleskop: Veloce RH200, HSerie mit einer STF-8300 plus Baader-Filter (3,5 nm Halbwertbreite), kombiniert mit Farbaufnahmen mit einer ZWO ASI 071. Belichtungszeit 20 x 10 min für H und 30 x 2 min für die Farbe. Bildbearbeitung mit PixInsight und Lightroom.
7 Im Juni 2019 nahm Harald Kaiser im Allgäu die beiden Nebel IC 59 und IC 63 bei Gamma Cassiopeiae auf. Newton
250 mm/1.000 mm mit Farbkamera ZWO ASI071, Montierung AZ EQ6 (Skywatcher) mit Autoguider MGEN, 22 Bilder in zwei Nächten, insgesamt 144 Minuten belichtet. Das rote Objekt links unten setzt die Nebelkette fort.
8 Die ,,Corona-Situation" schuf beste atmosphärische Transparenz. Bruno Mattern gelang in der norddeutschen Lüneburger Heide diese
Sicht auf die südlichen Nebel M 8 und M 20 mit dem galaktischen Zentrum, alles zwischen 9 Grad und maximal 12 Grad Horizonthöhe. Canon EOS 250Da und 135-mm-Objektiv (Samyang), 16 Aufnahmen als Mitläufer insgesamt 54 min belichtet, abgeblendet auf f/4.
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Wir bringen allen Menschen den Himmel nah
Sternwarte St. Andreasberg - die erste (fast vollständig) barrierefreie Sternwarte in Deutschland
von Eva Walitzek
Als Niels Luithardt im Sommer 2012 zum ersten Mal am Sankt Andreasberger Teleskoptreffen (STATT) teilnahm, ahnte niemand, welche Entwicklung sein Besuch auslösen würde. Die Sichtweise des Physikstudenten aufs Universum beeindruckte nicht nur die Verantwortlichen des gemeinnützigen Vereins, denn Niels Luithardt ist blind (Abb. 1). Auch die Begegnung selbst mit dem blinden Amateurastronomen war Anlass, für die 2014 eröffnete Sternwarte St. Andreasberg ehrgeizige Ziele zu setzen. Sie sollte als erste vollständig barrierefreie Sternwarte in Deutschland allen - auch Menschen mit körperlichen, geistigen und psychischen Behinderungen - die Möglichkeit bieten, den Sternen- und Nachthimmel zu erleben und zu begreifen.
Um das Motto: ,,Wir bringen allen Menschen den Himmel nah" des Vereins umzusetzen und die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen, wurden schon vor dem Um- und Ausbau des Sternwartengebäudes Fachleute in die Planungen einbezogen.
1 Der blinde Physikstudent Niels Luithardt zeigt den sehenden Besuchern
seine astronomischen Modelle.
Zehn Millionen Menschen mit Behinderungen gibt es offiziell in Deutschland. Viele beschäftigen sich mit Astronomie oder würden es gerne tun. Doch oft ,,verstecken" sich gerade Menschen mit Beeinträchtigungen und man muss sie mit Geduld und Behutsamkeit motivieren, diesem Hobby nachzugehen und sich einem SternwartenVerein anzuschließen.
Wichtig und nicht ganz einfach war es, ein Netzwerk aufzubauen und ,,geeignete" ehrenamtliche Kräfte zu finden, die Besuchern mit Beeinträchtigungen ohne Berührungsängste astronomische Inhalte oder Beobachtungen vermitteln können. Inklusion ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und auf europäischer Ebene gesetzlich vorgeschrieben. Seit Jahren bemüht sich
2 Der blinde Physikstudent Niels Luithardt erklärt staunenden Besuchern
die weltweit erste audio-taktile Himmelsscheibe.
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Astronomische Vereinigungen
3 Barrierefreie Wege
zu den Teleskopsäulen
deshalb der Vorsitzende Utz Schmidtko, im Bildungsbereich z. B. während der astronomischen Lehrerfortbildung im Haus der Astronomie in Heidelberg, Kolleginnen und Kollegen von dem Inklusionsgedanken ,,Astronomie in Schulen" zu überzeugen. Barrierefreiheit sollte das Ziel aller astronomischen Institutionen sein - selbst wenn die Verwirklichung manchmal schnell an Grenzen stößt. Inzwischen hat das Beispiel unserer Sternwarte Schule gemacht: Auch andere Sternwarten in Deutschland streben Barrierefreiheit an.
Der Aufbau eines Netzwerks aus Vereinen und Institutionen im Behindertenbereich ist ebenfalls ein wichtiger Schritt. So pflegt der Verein enge Kontakte u. a. zu ,,Andersicht e.V.", ein Verein für hör- und tastsinnige Projektarbeit. Dieser Verein schenkte der Sternwarte St. Andreasberg die audiotaktile Himmelsscheibe (Abb. 2). Wertvolle Impulse und Anregungen brachte auch eine von den Vorstandsmitgliedern organisierte Fachtagung im Oktober 2013, an der Fachleute verschiedener Behinderungsarten teilnahmen. ,,Sie haben uns bei der Begehung der Räume auf mögliche Probleme und notwendige Maßnahmen aufmerksam gemacht und Möglichkeiten aufgezeigt, die wir bis dahin noch nicht bedacht hatten", erinnern sich Mitglieder des Vereins (Abb. 3).
Viele Maßnahmen wurden im Lauf der Jahre umgesetzt. Die Sternwarte St. Andreasberg ist inzwischen durch das Deutsche Seminar für Tourismus (DSFT) zertifiziert und gehört zu den anerkannten barrierefreien Tourismuseinrichtungen in Niedersachsen. ,,Wir durchlaufen gerade das Rezertifizierungsverfahren; das Zertifikat gilt dann wieder für die nächsten Jahre", erklärt Betriebsleiter Danny Neumann. Seit Mitte 2019 unterstützt der hauptamtliche Betriebsleiter mit beruflichen und persönlichen Erfahrungen im Behindertenbereich
4 Säulen in unterschiedlicher Höhe ermöglichen kleinen Menschen und
Rollstuhlfahrern den richtigen Einblick.
die ehrenamtliche Arbeit der Mitglieder - gefördert durch das europäische LEADERProgramm und die Agentur für Arbeit.
Der Vortragsraum und das Kleinplanetarium liegen ebenerdig im Erdgeschoss des Gebäudes. Damit auch gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer die Sternwarte problemlos nutzen können, sind der Weg vom Parkplatz zur Sternwarte und das Außengelände zum Beobachten barrierefrei und rollstuhlgerecht gestaltet (Abb. 4). Seit dem vergangenen Jahr gibt es außerdem einen barrierefreien Parkplatz direkt
an den Teleskopsäulen (Abb. 5). Auf ihnen können die Gäste eigene oder vereinseigene Teleskope in unterschiedlichen Höhen montieren - das erleichtert nicht nur Rollstuhlfahrern die Himmelsbeobachtung, sondern auch kleinwüchsigen Menschen und Kindern. Handläufe im Haus und im Außengelände bieten gehbehinderten, aber auch älteren Menschen mehr Sicherheit. Damit sich auch blinde und sehbehinderte Menschen in der Sternwarte zurechtfinden, sind Hinweise im Gebäude mit Brailleschrift versehen.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 87
geboten der Sternwarte profitieren nicht nur blinde und sehbehinderte Menschen - auch Sehende nutzen sie gerne, um neue, andere Einblicke zu gewinnen. Die Mitarbeiter der Sternwarte stellen sich auf Menschen mit körperlichen und geistigen sowie anderen Beeinträchtigungen ein und berücksichtigen bei Vorträgen, Führungen und Himmelsbeobachtungen deren spezielle Bedürfnisse (Abb. 7).
5 Ein barrierefreier Parkplatz am Beobachtungsgelände: gut erreichbar
und nur 4 Meter bis zur ersten Säule
Stufenlos ist nicht barrierefrei Längst nicht alle Beeinträchtigungen sind - wie bei Rollstuhlfahrern - sofort sichtbar. Deshalb bedeutet eine Rampe für Rollstuhlfahrer noch keine vollständige Barrierefreiheit. Auch die Belange von Menschen mit anderen Beeinträchtigungen, wie geistiger oder Lernbehinderung, mit Sprach-, Gehör- und Sehbehinderungen werden in der Sternwarte berücksichtigt. So können sehbehinderte und blinde Menschen mit Hilfe audiovisueller Medien einen ,,Blick" ins Universum werfen und den Sternenhimmel mit Tast- und Hörsinn entdecken. An der weltweit ersten sprechenden Himmelsscheibe - von Niels Luithardt - lassen sich beispielsweise Sterne und Sternbilder ertasten und auf Knopfdruck die entsprechenden Informationen abrufen (Abb. 2). Außerdem können die Besucherinnen und Besucher der Sternwarte an verschiedenen 3D-Modellen Monddetails, Kometen und weitere Himmelsobjekte erfühlen. Über Kameras werden an vielen Beobachtungsabenden Bilder und Videos direkt vom Teleskop in den Veranstaltungsraum der Sternwarte übertragen und auf eine große Leinwand projiziert (Abb. 6). Durch diese Projektion können zeitgleich etwa 30, auch sehbehinderte Menschen ,,durchs Teleskop
schauen", den Sternenhimmel beobachten oder besondere astronomische Ereignisse wie Mondfinsternis oder Merkurtransit live miterleben. Von den besonderen An-
Ein praktisches Beispiel für astronomische Inklusion im Jugendbereich war ein gemeinsamer mehrtägiger Workshop mit Schülern einer Förderschule und eines Gymnasiums in der Sternwarte. Finanziert werden konnte diese Aktion durch Preisgelder aus dem Gewinn eines Reiff-Preises. Die Vorgehensweise im Bereich ,,Astronomische Inklusion" hat einen weiteren Effekt.
6 Eine Videokamera an
einem Teleskop oder LiveStreaming ermöglichen das direkte und gleichzeitige Beobachten für viele Besucher.
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Astronomische Vereinigungen
Nichtbehinderte Menschen werden für die Probleme und Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen sensibilisiert. So können die Besucherinnen und Besucher bei besonderen Veranstaltungen erfahren, wie beispielsweise Nicht-Sehende astronomische Phänomene wahrnehmen: Bei der Vorstellung seines Buchs ,,Blind zu den Sternen" ließ Gerhard Jaworek, Mitglied der Deutschen Astronomischen Gesellschaft und unseres Vereines, den Sonnenwind knistern und Pulsare brummen (Abb. 8). Und er machte klar, was viele Amateurastronomen vergessen: Auch für Sehende bleibt vieles im Universum unsichtbar. ,,Im All sind höchstens vier bis fünf Prozent sichtbare Materie. Astronomen sehen oft nicht mehr als ihre blinden Kollegen."
Gute Bedingungen für Amateurastronomen
Die Sternwarte Sankt Andreasberg liegt im Oberharz und bietet sehr gute Sichtbedingungen für Amateurastronomen. 700 m über dem Meeresspiegel ist die Luft trübungsarm, die Lichtverschmutzung ist mitten im Nationalpark sehr gering. Sankt Andreasberg gehört laut Bundesamt für Naturschutz astronomisch zu den sechs besten Standorten in Deutschland. In vielen Nächten kann man mit bloßem Auge Milchstraße oder die Andromeda-Galaxie gut sehen, mit Teleskopen sogar Gasnebel oder Supernovae.
Fazit Der vom Verein Sternwarte Sankt Andreasberg eingeschlagene Weg war nicht immer leicht. ,,Vollständige Barrierefreiheit kann man kaum erreichen. Man muss an ein so ehrgeiziges Projekt realistisch herangehen - und mit Rückschlägen rechnen. Bei einem Projekt zur Umsetzung barrierefreier Maßnahmen stößt man selbst oft auf Barrieren", weiß der Vorsitzende Utz Schmidtko aus Erfahrung.
7 Frank Klauenberg erklärt Niels Luithard die Funktionsweise eines Teleskops.
Viel Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Durchhaltevermögen, Herzblut und Engagement sind nötig. Rund 70.000 Euro haben die Mitglieder des gemeinnützigen Vereins in den vergangenen Jahren privat und durch Arbeitsleistung aufgewendet. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen. Unsere Veranstaltungen sind regelmäßig ausgebucht. Inzwischen haben wir sogar Platzprobleme.
8 Der blinde Dipl.-Informatiker Gerhard Jaworek bei einer Lesung
aus seinem Buch ,,Blind zu den Sternen"
Journal für Astronomie Nr. 75 | 89
Astronomische Vereinigungen
Wie die Starlink-Satelliten unser Leben verändern
von Carla Wengel
Für mich ist der Sternhimmel das Atemberaubendste, was es gibt. Ich bin 15 Jahre alt und liebe es, mit meinem Teleskop Aufnahmen von Nebeln und Galaxien zu machen.
Vor wenigen Wochen erhielt ich in einer EMail ein Bild von der Milchstraße (Abb. 1), jedoch war etwas anders: Im Vordergrund waren viele helle Strichspuren, die durch Satelliten erzeugt wurden. Erschrocken begann ich zu recherchieren und fand heraus, dass diese Strichspuren von Starlink-Satelliten stammen. Als ich weitere Informationen sammelte, stieß ich auf Zusammenhänge, die für mich viel komplexer waren als erwartet.
Die Starlink-Satelliten gehören zu einer Satellitenkonstellation des Unternehmens ,,SpaceX". Dessen Chef Elon Musk hat sich vorgenommen, mit den Satelliten weltweit für Highspeed-WLAN zu sorgen. Bei dem Projekt sollen 42.000 Satelliten eingesetzt werden. 12.000 Satelliten wurden bereits genehmigt, und aktuell werden bis zu zweimal im Monat 60 Satelliten in eine Erdumlaufbahn geschossen. Weitere Firmen wie zum Beispiel ,,OneWeb" und ,,Amazon" haben ebenfalls Satellitenkonstellationen geplant. [1]
Durch die Internetanbindung steigen die Entwicklungschancen in Regionen, in denen es momentan noch kein WLAN gibt. Zirka vier Milliarden Menschen haben noch keine Internetanbindung. Sicherlich gibt es Menschen, die Internetanbindung dringend brauchen. Elon Musk hilft ihnen mit seinem WLAN, doch dies macht er auf Kosten anderer Menschen und auf Kosten unserer Umwelt.
Denn die Starlink-Satelliten haben auch negative Auswirkungen: Wissenschaftliche Arbeiten von Astronomen werden gestört, insbesondere die Radioastronomie mit
ihren Forschungsfrequenzen wird beeinträchtigt. Auch unsere Umwelt leidet unter den Satelliten, da diese langfristig den Weltraumschrott deutlich erhöhen werden [2]. In letzter Zeit hat die Sensibilität der Menschen für den Umweltschutz und hier ganz besonders für die Vermeidung von Müll deutlich zugenommen. Da das Universum auch Teil dieser Umwelt ist, sollte es meiner Meinung nach genauso geschützt werden.
Elon Musk hat die Absicht, mit seinem Unternehmen ,,Tesla" umweltschonende Autos zu bauen. Diesen Gedanken sollte er auch beim Einsatz seiner Satelliten im Blick behalten.
Des Weiteren könnte das sogenannte ,,Kessler-Syndrom" für das Ende der Raumfahrt sorgen. Das Kessler-Syndrom ist eine Art Kettenreaktion, bei welcher zunächst zwei Satelliten kollidieren, wodurch eine Trüm-
1 Das bin ich, Carla,15
Jahre alt. Zu meinem 11. Geburtstag habe ich mein erstes Teleskop (rechts) bekommen. Zwei Jahre später hatte ich den Wunsch, in die Astrofotografie einzusteigen. Mit einem zweiten Teleskop (links) habe ich mir den Traum zu meiner Konfirmation erfüllt. Inzwischen konnte ich bereits erste Aufnahmen von Nebeln und Galaxien machen. Ich liebe mein Hobby sehr und hoffe, dass ich ihm noch lange nachgehen kann.
merwolke entsteht. Mit den Trümmerteilen können weitere Satelliten kollidieren und mit den dabei entstandenen Trümmerteilen wieder weitere. Komplizierte Ausweichmanöver mit Satelliten sind nicht immer durchführbar.
Als leidenschaftliche Astrofotografin bin letztendlich auch ich selbst von den Auswirkungen betroffen. Die Satelliten hinterlassen Strichspuren auf den Bildern, welche sich nicht so einfach entfernen lassen. SpaceX hat bereits versucht, die Satelliten zu verdunkeln, jedoch war das bisher nicht erfolgreich. Wird es auch in Zukunft möglich sein, Aufnahmen vom Sternhimmel zu machen?
Obwohl das WLAN für viele Menschen große Vorteile mit sich bringt, zum Beispiel einen umfassenden Zugriff auf Informationen, ist es nicht gerecht, dass für die Ermöglichung dieser Technik andere Menschen
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Astronomische Vereinigungen
2 Die von Starlink-Satelliten durchkreuzte ,,Lyridennacht" am 21./22.04.2020, aufgenommen von Bernd Gährken, Bayrischzell, mit einer
Canon EOS-M bei ISO 6400, 18-mm-Objektiv. Es wurden 268 Aufnahmen zu 30 Sekunden per maximalem Helligkeitswert kombiniert.
negative Auswirkungen ertragen müssen. Es muss doch eine Möglichkeit geben, allen Menschen Internet zur Verfügung zu stellen, ohne dabei den Sternhimmel zu zerstören!
Ich finde, jeder sollte das Universum in seiner natürlichen Schönheit kennenlernen dürfen und jeder sollte es so schätzen, wie es ist. Denn dank dieses Universums existieren wir. Und genauso wie alle Menschen ein Recht auf eine Internetanbindung haben, haben auch alle ein Recht darauf, den Sternhimmel zu beobachten, ihn zu fotografieren und zu erforschen.
Es ist unerträglich, dass kommende Generationen und Jugendliche nicht mehr die Chance bekommen werden, die einzigartigen Objekte des Universums kennenzulernen. Die Bedeutung der Astronomie und auch die der Raumfahrt für die Zukunft der
Menschen sollte nicht derart in den Hintergrund gedrängt werden.
Wie kann es die Weltgemeinschaft zulassen, dass einzelne Personen und Konzerne unsere Umwelt derart beeinflussen und für immer verändern, ohne dass die Weltgemeinschaft, wir, darüber mitentscheiden können? Wir wurden ja nicht einmal darüber informiert!
Mit den Starlink-Satelliten wird ein rechtsfreier Raum besetzt, der eigentlich allen gleichermaßen gehört. Es kann nicht sein, dass Elon Musk mit seinem Unternehmen diesen Raum für sich verwenden darf und damit auch noch Geld verdient. Durch diese Technologie werden die Welt und ihre Machtverhältnisse verändert.
Ich erwarte, dass man sich um das Problem kümmert, denn es ist nicht akzeptabel, dass
man über unseren Nachthimmel bestimmen darf, nur weil man es sich leisten kann, so wie Elon Musk. Jeder sollte den natürlichen Nachthimmel beobachten dürfen. Der Nachthimmel gehört niemandem und gleichzeitig uns allen.
Wir, die VdS-Mitglieder, müssen zusammenhalten. Jeder kann etwas tun, eine Petition unterschreiben und mit anderen Menschen teilen, auch einen Artikel schreiben! Ich bin mir sicher, dass es gute Ideen gibt, die dazu beitragen, unseren Sternhimmel zu erhalten.
Literaturhinweise: [1] Franziska Konitzer: ,,Sonne, Mond
und Starlink", Sterne und Weltraum 06/2020 [2] www.sternzeit-online.de (Stand: Mai 2020)
Journal für Astronomie Nr. 75 | 91
Astrophysik & Algorithmen
Schwarze Löcher haben keinen Durchmesser
von Uwe Pilz
Schwarze Löcher sind die Spukgestalten des Universums. Sie sind unsichtbar und unerreichbar. Sie selbst und der Raum um sie herum haben schwer vorstellbare Eigenschaften und erzeugen ein Raumgebiet, in welches wir zwar hinein, aber nicht wieder herausgelangen können.
Einen ersten Weg zum Verständnis liefert die Betrachtung der Fluchtgeschwindigkeit: Das ist diejenige Geschwindigkeit, die man benötigt, um dem Schwerefeld eines Körpers zu entrinnen. Sie berechnet sich zu
v2 = 2 · G · M / r
Hierin ist G die Gravitationskonstante, M die Masse des Körpers und r der Abstand, für den die Fluchtgeschwindigkeit berechnet wird. Für die Erde ergibt sich der bekannte Wert von etwa 11 km/s. r ist gleich dem Erdradius, denn näher heran kommen wir ja nicht.
Wenn wir uns die Masse der Erde in ein kleineres Volumen gedrängt vorstellen, dann steigt die Fluchtgeschwindigkeit immer weiter. Irgendwann ist sie so groß, dass sie die Lichtgeschwindigkeit erreicht: Dann haben wir ein Schwarzes Loch produziert. Der Radius, in den man die Masse dafür einzwängen muss, wird nach Karl Schwarzschild, einem deutschen Astronomen, Schwarzschildradius rS genannt. Man gewinnt ihn, wenn man in obige Formel die Lichtgeschwindigkeit einsetzt:
rS = 2 · G · M / c2
Für die Erde beträgt er knapp 9 mm: So weit müsste man die Materie also verdichten. Solche Singularitäten können im Weltall entstehen, wenn Materie unter der eigenen Schwerkraft immer weiter komprimiert wird und schließlich diese Grenze überwindet. Das Innere eines solchen Raumgebietes ist von außen nicht zugänglich: Die Grenze, der Schwarzschildradius, wird deshalb auch als Ereignishorizont bezeichnet. Wir kön-
nen kein Maßband durch das Innere hindurchlegen, keinen Lichtstrahl dort entlang schicken und natürlich auch nicht mit einem Raumschiff hindurchfliegen. Und zwar aus prinzipiellen Gründen nicht, ganz abgesehen von den technischen Schwierigkeiten: Das Innere befindet sich nicht im beobachtbaren Universum. Wir können also den Durchmesser nicht messen und damit auch den Radius zum Zentrum nicht angeben.
Möglich ist es jedoch, ab irgendeiner Stelle einmal konzentrisch um das Schwarze Loch herumzufliegen und diese Strecke zu messen. Wir können uns einigen, den so gewonnenen Umfang durch 2 zu teilen und den Wert als Radius zu bezeichnen: So ist auch der Schwarzschildradius festgelegt. Allerdings verwenden wir damit Vorstellungen unserer gewohnten Alltagswelt in der Umgebung einer Singularität. Dies führt zu seltsamen Beobachtungen dort.
Stellen wir uns vor, wir könnten mit einem Raumschiff in die Nähe eines Schwarzen Lochs gelangen. Wir fliegen einmal konzentrisch herum und stellen fest: Der Radius beträgt genau 10 Schwarzschildradien, also 10 · rS.
1 Durch die Raum-
krümmung in der Nähe eines Schwarzen Lochs verlängert sich die bei Annäherung zurückzulegende Strecke s. Hierbei ist r der Abstand vom Zentrum, gewonnen aus der Umfangsmethode. Die im Text angegebenen Streckenpunkte sind markiert. Vom Start- bis zum Endpunkt wurde eine Strecke s = 10 · rS zurückgelegt, die Annäherung betrug aber nur r = 8,623 · rS.
Wir fliegen jetzt geradewegs auf das Schwarze Loch zu und legen eine Entfernung von 7 · rS zurück. Nach einer erneuten konzentrischen Umrundung stellen wir verwundert fest: Die Entfernung beträgt jetzt 3,6 · rS - und nicht 3,0 · rS, wie wir vermutet hatten. Eine weitere Annäherung um 1,5 · rS bringt uns auf 2,4 Schwarzschildradien an das Zentrum heran, der ,,Abstand" zum Ereignishorizont beträgt nur noch 1,4 · rS. Mit etwas Zagen legen wir nochmals 1,5 · rS zurück, eigentlich sollten wir hinter dem Ereignishorizont verschwunden sein. Aber nein! Unser Abstand vom Zentrum beträgt 1,377 · rS, immer noch 0,377 · rSaußerhalb!
Inzwischen haben wir ausgehend von 10 Schwarzschildradien Abstand genau diese Strecke zurückgelegt - 10 · rS. Nach dem gesunden Menschenverstand sollten wir uns genau im Zentrum des Schwarzen Loches befinden. In Wirklichkeit sind wir knapp außerhalb des Ereignishorizontes und können wieder umkehren. Schuld daran ist die Raumkrümmung, die in der Nähe dieser Singularität durch die so genannte Schwarzschildmetrik beschrieben wird. Darum wird es im nächsten Heft gehen.
92 | Journal für Astronomie Nr. 75
Astrophysik & Algorithmen
Rezension
Basic Calculus of Planetary Orbits and Interplanetary Flight: The Missions of the Voyagers, Cassini, and Juno
von Alexander J. Hahn, Springer International Publishing 2020, ISBN 978-3-030-24867-3 (Druck), ISBN 978-3-030-24868-0 (eBook)
Der Autor des Buches, Alexander J. Hahn, ist emeritierter Professor für Mathematik an der University of Notre Dame im USBundesstaat Indiana. Das Buch behandelt in 6 Kapiteln auf 375 Seiten im DIN-A4Format die mathematischen und physikalischen Grundlagen der klassischen Himmelsmechanik mit Anwendungen auf Planetenbahnen und interplanetare Raumfahrtmissionen. Die mathematischen Anforderungen, um den Text zu verstehen, umfassen Kenntnisse der Trigonometrie, der analytischen Geometrie der Ebene sowie der Differential- und Integralrechnung einer reellen Variablen.
Das erste Kapitel ist der geschichtlichen Entwicklung der Himmelsmechanik gewidmet und deckt den Zeitraum von der Antike bis zu aktuellen Themen ab. Es wird hier auch auf den Einfluss der Astronomie auf die Entwicklung des metrischen Systems eingegangen.
Das zweite Kapitel handelt von der Erforschung des Sonnensystems und enthält sehr schöne Farbaufnahmen von Planeten und deren Monden, die bei den entsprechenden Raumfahrtmissionen entstanden sind.
Das dritte Kapitel führt in die Darstellung von Funktionen mit Polarkoordinaten in der Ebene ein sowie die Anwendung der Differential- und Integralrechnung in diesem Bereich.
Im vierten Kapitel geht es um die Bewegung von Punktmassen im Gravitationsfeld. Es wird auch gezeigt, wie man aus der Bewegung auf Kegelschnittbahnen das Newtonsche Gravitationsgesetz herleiten kann und
umgekehrt, wie dieses Gesetz zu Bewegungen auf Kegelschnitten führt.
Ellipsenbahnen im Gravitationsfeld werden im fünften Kapitel betrachtet. Hier wird die Kepler-Gleichung hergeleitet und Lösungsmethoden diskutiert. Weiter wird in die Störungsrechnung eingeführt und gezeigt wie Abweichungen vom Newtonschen Gravitationsgesetz (~ 1 / r2) zu einer Präzession des Perihels führen, welche auch Apsidendrehung genannt wird. Dies wird am Beispiel der Merkurbahn diskutiert, wobei ebenso auf die Korrektur durch Einsteins allgemeine Relativitätstheorie eingegangen wird, die zur vollständigen Erklärung notwendig ist.
Das sechste Kapitel ist das umfangreichste und hat die mathematische Behandlung der Bahnen interplanetarer Raumsonden zum Thema. Hier werden vor allem hyperbolische Flugbahnen betrachtet, aber auch Orbitalmanöver wie Hohmann-Transfer und Swing-by (Gravity-Assist) behandelt.
Die Rechnungen und Ableitung von Formeln sind in allen Kapiteln sehr ausführlich und jeweils werden Beispiele detailliert durchgerechnet. Am Ende jedes Kapitels gibt es eine große Anzahl interessanter Übungsaufgaben. Für die Aufgaben mit ungerader Nummer gibt es auf der Webseite des Buches beim Springer-Verlag ein pdf-Dokument mit den ausführlichen Lösungen, welches frei zugänglich ist. Ein entsprechendes Dokument mit den Lösungen aller Aufgaben ist nur für registrierte Dozenten zugänglich. Viele der Aufgaben sind exzellent dazu geeignet, mit dem Computer z. B. mit einer Tabellenkalkulation wie Excel oder der Programmiersprache Python gelöst zu werden.
Meiner Ansicht nach gibt das Buch eine sehr gelungene Einführung in die Himmels- und Astrodynamik, in der auch die historischen Aspekte nicht zu kurz kommen. Außerdem zeigt das Buch den großen praktischen Nutzen von Trigonometrie, analytischer Geometrie und Differentialund Integralrechnung in einem sehr interessanten Gebiet an der Schnittstelle von Astronomie und Ingenieurwissenschaften.
Klaus Rohe
Journal für Astronomie Nr. 75 | 93
Atmosphärische Erscheinungen
Kurz vor den Corona-Beschränkungen
- 40. AKM-Seminar in Bad Kissingen, 13.-15.3.2020
von Elmar Schmidt
Christian Fenn aus Hammelburg hatte dem AKM für 2020 ein sehr schönes Tagungsquartier herausgesucht. Es handelte sich um den Heiligenhof im nordbayrischen Bad Kissingen.
Schon traditionell am ersten Abend war der Rückblick auf die atmosphärischen Erscheinungen des Vorjahrs durch Claudia Hinz. Sie bezeichnete das Jahr 2019 als schwach und das stimmte auch, speziell bei den Halos. Dennoch gab es spektakuläre Bilder teils von Webcams oder aus dem Flieger zu bestaunen, z. B. mit BottlingerRingen um eine Untersonne, einer Glorie bei -15 oC oder einem Unterhorizontalkreis. Gleiches gilt für Fotos der 2019 sehr ergiebigen Saison leuchtender Nachtwolken.
1 AllSky6-Kamera zur Feuerkugel- und Meteorbeobachtung. Foto: Andreas Möller
Frank Wächter aus Radebeul berichtete danach über einen kühlen Aprilbesuch mit seiner Frau auf Rügen, bei dem es weniger Luftspiegelungen als erhofft über der Ostsee gab, aber neben interessanten Aufnahmen von Geologie sowie der Tier- und Pflanzenwelt auch schöne Astrofotos gelangen.
Verdienste um das Gelingen des Treffens erwarb sich am Samstag dann Sirko Molau aus Seysdorf, der über seinen mit dem Telekonferenzsystem Webex ausgestatteten Laptop den aus verschiedenen Gründen Abwesenden per Link die Teilnahme am Seminar anbot, was von bis zu sieben Personen gleichzeitig auch genutzt wurde.
Gleich als erstes klinkte sich Oliver Schneider aktiv ein und trug aus Leopoldshöhe/ Ostwestfalen über die ihm in kurzer Zeit gelungene Einrichtung einer Funkempfangsanlage zur Aufzeichnung von Meteorechos mit dem Graves-Radar vor. Es schloss sich nahtlos ein zweiter Vortrag von ihm über seine an einem Raspberry Pi betriebene All Sky Kamera an.
Sirko Molau hatte das Thema ,,Meteor Flux Reloaded" mitgebracht. Gemeint ist die Überarbeitung einer Webapplikation zur Visualisierung von Flussdichtedaten der IMO-Videometeorkameras.
Hans Betlem hatte die Anreise aus Leiden (NL) nicht gescheut, um seinen Vortrag ,,The Czech and Benelux parts of the European All Sky Network" zu halten. Es ging um einen EU-Antrag, mit dem nach dem Vorbild der tschechischen Stationen auch in den Benelux-Ländern eine Feuerkugelüberwachung eingerichtet werden soll. Diskutiert wurde die geplante Verwendung kommerzieller DSLR-Kameras, mit der eine Winkelauflösung bei 0,002o angestrebt wird, was eine Größenordnung unter der der ASI-ZWO-Kameras liegt. Dafür spielt die ASI-Kamera ähnlich wie die nachfolgend diskutieren AllSky6-Kameras in einer anderen Preisliga.
Sirko Molau schloss sich mit einem Referat über das AllSky6-Projekt an, bei dem es sich um eine kostengünstige ,,hybride"
Überwachungsvariante handelt, da sie zur Feuerkugeldetektion mit der Grenzgröße +4 mag, aber auch als Meteorkamera taugt. Eines von sechs mit noch lückenhafter Abdeckung in Deutschland verteilten Exemplaren war im Vortragsraum zu besichtigen: Die von anfänglich 6 auf 7 Kameras (1:1,0/4 mm, Gesichtsfeld 45o x 80o, entsprechend einer KB-Brennweite von ca. 25 mm) umgerüsteten Systeme decken nun den gesamten Himmel ab (Abb. 1).
Ein spannender Höhepunkt des Seminars war der Vortrag von Dieter Heinlein aus Augsburg, dem Koordinator des DLR-Feuerkugelnetzwerks. Hier ging es um einen Meteoriten, welcher nach der nur unzulänglich gefilmten Tageslichtfeuerkugel am 12.9.2019 trotzdem, wenngleich zufällig, in Flensburg gefunden wurde. Das nur knapp 25 g schwere Fundstück wurde unter Mitwirkung der AKM-Mitglieder Laura Kranich und Carsten Jonas erstdokumentiert und dann von Dieter für die Wissenschaft sichergestellt. Untersuchungen an der Univ. Münster und vielen weiteren Instituten
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Atmosphärische Erscheinungen
2 Bärlappsporen-
Korona. Foto: Elmar Schmidt
zeigten rasch, dass es sich erst um den dritten gefundenen Chondriten C1 handelt.
Ulrich Sperberg aus Salzwedel setzte die nachmittäglichen Vorträge mit einer historischen Betrachtung fort. Dabei ging es um Vorstellungen, wonach Findlinge und Geschiebegeröll, ja ganze Berge einst vom Himmel gefallen seien, was erst durch die Arbeiten von Chladni und Olbers zurechtgerückt wurde.
Zum Abschluss der Nachmittagsvorträge zeigte Bernd Gährken aus München die Ergebnisse seiner mit Peter C. Slansky in einer 1.900 m hoch gelegenen Südtiroler Sternwarte mit mehreren Kameras (Watec, Canon EOS, Sony Alpha) durchgeführten Quadrantiden-2020-Videokampagne. Darin konnte ein breiter und 4 Std. früher als vorhergesagt aufgetretener Peak mit einer vorhergesagten ZHR von 80 bestätigt werden. Die Tatsache, dass in diesem Schwarm schon relativ schwache Meteore dennoch Nachleuchtspuren erzeugten, wurde lebhaft diskutiert.
Jürgen Rendtel aus Potsdam stellte aus dem Meteorjahr 2019 weniger beachtete Ströme vor, von denen die Aurigiden mit der ZHR von 40 sieben Mal mehr ,,performten" als vorhergesagt, die Alpha-Monocerotiden am 22. Nov. 2019 sogar kurzzeitig mit einer ZHR von 113 aufwarteten, während andere ,,abseitige" Ströme eher unauffällig blieben. Sabine Wächter widmete sich im kleinen Jubiläumsjahr einer Facette der AKM-Geschichte, nämlich den Beobachtungen auf der Lausche im Zittauer Gebirge. Ihre vielen Schwarzweißfotos lösten bei den alten Hasen ein Wiedererkennen und Weißt-Dunoch aus. Ihr schloss sich Ulrich Sperberg mit dem Angebot an, nicht mehr benötigte Zeitschriften und Bücher in seine bereits ansehnliche Sammlung astronomischer Literatur der DDR aufzunehmen.
Wie im AKM üblich, war am Abend immer noch nicht Schluss mit ,,Fachlich". Andreas Möller aus Berlin nahm das Publikum unter dem Titel ,,Polarlichter in Deutschland" auf einen Parforceritt mit, in welchem er das Zustandekommen dieser Leuchterscheinungen auf Flare-Eruptionen in magnetisch ,,rekonnektierten" Sonnenflecken zurückführte, wodurch große Plasmamassen mit eingefrorenen Magnetfeldern bis zur
3 Glasperlenbogen. Foto: Christian Fenn
Erde gelangen, wo sie dann erneut rekonnektieren, diesmal mit der Magnetosphäre der Erde. Hierdurch wird dann ionisierte Materie längs der Magnetfeldlinien in die Hochatmosphäre über den Polargebieten geleitet und regt das dortige Neutralgas zur Fluoreszenz an. Andreas warnte vor der Überschätzung des Kp-Index als Vorhersage für Polarlichter, er hält den Bz-Wert für zuverlässiger.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 95
Atmosphärische Erscheinungen
4 Gruppenfoto der Teilnehmer des 40. AKM-Treffens. Foto: Christian Fenn
Passend hierzu, wenngleich zeitlich etwas später, kommentierte Bernd Klemt aus Bergisch Gladbach über Webex einige aus 5-10 s langen Belichtungen zusammengesetzte Polarlichtvideos von seiner vorjährigen Hurtigrutenreise.
Einen Leckerbissen stellte Andreas' an den Polarlichtvortrag anschließender Reisebericht von einer mit Carsten Jonas geplanten, erfolgreichen Sonnenfinsternisreise nach Argentinien dar, und das nicht nur wegen der Fotos und Videos vom Ereignis selbst, sondern auch durch die Eindrücke von Naturlandschaften in diesem Teil Südamerikas, welche hinter den ungleich bekannteren Nationalparks des Westens der USA nicht zurückstehen müssen.
In Fortführung jahrelanger Arbeiten zeigte Reinhard Nitze aus Barsinghausen einigen alten und neuen ,,Kunden" im Vortragsraum seinen bereits beim AKM-Halotreffen vorgestellten 3D-Film einer Haareis-Erkundung. Gleichzeitig führte Alexander Haußmann aus Hörlitz auch die Experimentiertradition der AKM-Halotreffen im Seminar fort, indem er auf dem Parkplatz im Licht eines starken Strahlers seine Bärlapp-sporen-Koronen demonstrierte (Abb. 2).
Zum Sonntagmorgen gelang es Alexander
Haußmann, schon längst ein international anerkannter Regenbogen-Wissenschaftler, unter dem Titel ,,Das Kochrezept für einen Regenbogen" die Ergebnisse seiner Raytracing-Simulationen von Regenbögen zu veranschaulichen und in logischer Reihung und Abhängigkeit zu illustrieren. Fortschritte gemacht wurden dadurch in der Deutung von sehr seltenen dreifach gespaltenen Regenbögen, auch wenn dabei die Parameterräume oszillierender und abgeplatteter Tropfen noch nicht eindeutig trennbar sind. Ein für gezielte Beobachtungen nützliches Resultat ist die Aussicht auf das Vorkommen von Lichtknoten in den Kaustikscheiben von Regenbögen durch ovale Tropfen. Im Anschluss berichtete Alexander über seine Teilnahme und ausgewählte Vorträge der Light and Color in Nature Conference 2019 in Bar Harbour, Maine.
Nach ihm übernahm Andreas Möller wieder den Beamer mit einem Rückblick auf den letzten Sonnenfleckenzyklus mit seinem aktuell endenden, prolongierten Minimum und dem vorausgegangenen niedrigen Doppelmaximum. Dass die ihm folgenden Polarlichter inzwischen auch in Deutschland nicht mehr als selten gelten, hat sicher zum einen mit dem gestiegenen Interesse und besserer Kameratechnik zu tun, zum anderen trägt wohl auch die Nordwärtswanderung des in Kanada lie-
genden Magnetpols dazu bei. Wolfgang Hinz stellte die Halostatistik 2019 der systematischen Beobachter vor, in der sich trotz der scheinbar eindrucksvollen Zahlen von 3.410 Sonnen- und 196 Mondhalos (sowie 11 an künstlichen Lichtquellen) das von Claudia eingangs erwähnte schlechte Jahr widerspiegelte.
Vielleicht deshalb, und weil sie sich schon ein Jahr in beruflicher Quarantäne von hohen Bergen befindet, wandte sich Claudia Hinz im Kehraus-Vortrag einer historischen Halovermutung zu, nämlich der ,,Queste von Questenberg". Auf einem Berg über der kleinen Harzgemeinde wird jährlich zu Pfingsten ein mit einem Kranz mit seitlichen Streifen geschmückter Baumstamm aufgerichtet, was jeden Halobeobachter an einen 22 Grad -Ring mit Säule und Nebensonnen erinnert.
Claudia hat Kollegen dahin entsandt, die sich zwar davon überzeugten, dass es zur Eisnebelbildung aus einer Talniederung kommen könnte, will aber bis zu einer entsprechenden dortigen Halosichtung noch vorsichtig bleiben. Für diesen Fall wurde sie aber aus dem Publikum ermuntert, ihre Halo-Kulturarchäologie komplett zu publizieren, die ja schon die wilden Hörner vom Sudelfeld und den Sonnenwirbel vom Keilberg umfasst.
96 | Journal für Astronomie Nr. 75
Skyguide 2020 - 3 (Herbst)
von Robert Zebahl und Rene Merting
Unser Skyguide soll in erster Linie Anregungen für eigene Beobachtungen geben und wird dabei jährlich für jede Jahreszeit fünf Objekte kurz beschreiben. Es werden dabei sowohl leichte als auch schwierige Objekte ausgewählt, welche nach Schwierigkeitsgrad sortiert sind. Wie schwierig ein Objekt letztlich ist, hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab, vor allem der Himmelsqualität, der Teleskopöffnung und der persönlichen Erfahrung.
Zu jedem Objekt werden die wichtigsten Informationen in Kurzform angegeben. Des Weiteren ist eine Karte, erstellt mit der freien Software Cartes du Ciel (Skychart), für die grobe Orientierung vorhanden, welche Sterne bis zu einer Größenklasse von ca. 8,0 mag zeigt. Telradkreise (0,5 Grad ; 2 Grad ; 4 Grad ) auf der Karte markieren die Position des Objekts. Im Allgemeinen empfehlen wir aber, eigene Aufsuchkarten zu erstellen. Die visuelle Beschreibung des Objekts basiert weitestgehend auf eigenen Beobachtungen und soll lediglich als Anhaltspunkt dienen.
Übersichtskarte der Objekte für Skyguide 2020-3
Deep Sky
Karte erstellt mit Cartes du Ciel
Journal für Astronomie Nr. 75 | 97
Deep Sky
STF 2841 (A-BC)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0):
visuelle Helligkeit: Winkelabstand: Positionswinkel: Gültig für Jahr:
Doppelstern Pegasus 21h 54m 17,4s, +19 Grad 43' 05'' 6,5 / 8,0 mag 22,4'' 110 Grad 2018
STF 2841 mit den Komponenten A und BC ist ein recht weiter Doppelstern, dessen Spektralklassen mit K0 III (gelborange) und F7 V (gelbweiß) angegeben werden. Messungen zufolge handelt es sich hier nur um einen optischen Doppelstern. Das Paar BC findet sich unter der Bezeichnung COU 432 mit einem Winkelabstand von nur 0,1'' und ist ein physischer Doppelstern. Dennoch ist STF 2841 A-BC visuell sehr reizvoll, da er aufgrund des großen Winkelabstands bereits mit kleinem Teleskop beobachtet werden kann und einen schönen Farbkontrast zeigt. So werden von Beobachtern die Komponenten oft als geblich orange und
1 STF 2841 (A-BC), Karte erstellt mit Cartes du Ciel
bläulich gesehen. Sissy Haas beschreibt die Farben in ihrem Buch ,,Double Stars for small telescopes" als pfirsichgelb und atlantikblau. In unmittelbarer Nähe befindet sich noch der Doppelstern STF 2834 (AB,
6,9 mag, 9,9 mag, 4,2'', 298 Grad ) und etwas weiter entfernt STF 2804 (AB, 7,7 mag, 8,0 mag, 3,4'', 359 Grad ).
NGC 7331 (UGC 12113, H 1.53)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0): visuelle Helligkeit: Winkelausdehnung:
Galaxie Pegasus 22h 37m 04,1s, +34 Grad 24' 57,3'' 9,5 mag 10,7' x 4,4'
Eine recht bekannte Galaxie ist NGC 7331, welche zusammen mit vier weiteren, schwachen Galaxien die Deer-LickGruppe bildet, allerdings ohne gravitative Bindung untereinander. Bekannt ist NGC 7331 vor allem durch die scheinbare Nähe zur Galaxiengruppe Stephans Quintett (Hickson 92). Längere Zeit nahm man an, dass NGC 7331 der Milchstraße sehr ähnlich ist, wurde aber später widerlegt, da die Milchstraße im Gegensatz zu NGC 7331 eine Balkenspiralgalaxie ist. Untersuchungen zufolge ist die Rotationsrichtung der inneren und äußeren Bereiche gegensätzlich. Visuell kann ein erfahrener Beobachter unter dunklem Himmel die Galaxie bereits mit einem 8x40-Fernglas als kleinen, schwachen Nebel erkennen. Selbst im Teleskop bei geringer Vergrößerung erscheint sie nur als kleiner, länglicher Nebel. Mit zunehmender Vergrößerung wird das hellere, längliche Zentrum gut sichtbar, welches von einem ovalen Halo umgeben ist.
2 NGC 7331, Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei
98 | Journal für Astronomie Nr. 75
NGC 7479 (UGC 12343, H 1.55)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0): visuelle Helligkeit: Winkelausdehnung:
Galaxie Pegasus 23h 04m 56,7s, +12 Grad 19' 22,4'' 10,8 mag 4,1' x 3,1'
Besonders strukturreich präsentiert sich die Balkenspiralgalaxie NGC 7479 in einer geschätzten Entfernung von 105 Millionen Lichtjahren. Auffällig sind der Balken sowie ein besonders ausgeprägter Spiralarm. Durch den sehr hellen Galaxienkern wird diese Galaxie als Seyfertgalaxie klassifiziert. Die asymmetrische Spiralstruktur kommt möglicherweise von einem Verschmelzen mit einer viel kleineren, massearmen Galaxie. Visuell ist bei mittlerer Teleskopöffnung der helle, längliche Kernbereich besonders augenfällig. Der Halo erscheint nur sehr schwach. Bei Teleskopöffnungen ab 12 Zoll sind die Spiralarme zugänglich, bei 8 Zoll zumindest angedeutet.
3 NGC 7479, Quelle:
Pan-STARRS, gemeinfrei
NGC 7094 (PK 66-28.1)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0):
visuelle Helligkeit: Winkelausdehnung:
Planetarischer Nebel Pegasus 21h 36m 53,0s, +12 Grad 47' 19,0'' 13,3 mag 1,6' x 1,6'
NGC 7094 ist ein recht alter und damit eher schwacher Planetarischer Nebel. Der blau leuchtende Zentralstern hat eine visuelle Helligkeit von 13,0 mag. Auf Fotografien sind zahlreiche, feine Filamente im Inneren des Nebels gut erkennbar. Über die Natur des Nebels ist im Allgemeinen nur wenig bekannt. Er befindet sich nur knapp 2 Grad in nordöstlicher Richtung vom prominenten Kugelsternhaufen Messier 15 entfernt. Bei einer Teleskopöffnung von 8 Zoll erscheint NGC 7094 bei mittlerer Vergrößerung mit Nebelfilter als kleiner, runder Nebel. Der Zentralstern ist dabei bereits sichtbar. Je nach Bedingungen ist ein Nebelfilter für die erfolgreiche Beobachtung erforderlich. Zwischen UHC- und [OIII]-Filter gab es visuell kaum einen Unterschied. Bei einer Teleskopöffnung von 12 Zoll wirkt der Nebel eher ringförmig, bei noch größeren Instrumenten sind dann auch innere Strukturen erreichbar.
4 NGC 7094, Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei
Deep Sky
Journal für Astronomie Nr. 75 | 99
Deep Sky
NGC 7625 (UGC 12529, Arp 212, H 2.250)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0):
visuelle Helligkeit: Winkelausdehnung:
Galaxie Pegasus 23h 20m 30,1s, +17 Grad 13' 32,2'' 12,1 mag 1,6' x 1,4'
NGC 7625 ist eine recht ungewöhnliche Spiralgalaxie, welche am 15. Oktober 1784 von Wilhelm Herschel entdeckt wurde. Aufgrund ihrer Struktur wurde sie von Halton Christian Arp in seinen Katalog unter der Kategorie ,,Galaxien mit Unregelmäßigkeiten, Absorption und Auflösung" aufgenommen. Wegen der kleinen Winkelausdehnung dürfte sich das Herausarbeiten von Strukturen fotografisch und visuell schwierig gestalten. Die hohe Flächenhelligkeit lässt aber bereits Beobachtungen mit 4 Zoll Teleskopöffnung zu. Bei 8 Zoll Teleskopöffnung erscheint die Galaxie rundlich mit hellerem Kern. Besitzer von sehr großen Teleskopen können sich gerne an den Dunkelstrukturen versuchen. Unter exzellenten Bedingungen im Hochgebirge sind diese mit einer Teleskopöffnung von 27 Zoll sichtbar, wie eine Beobachtung von Uwe Glahn beweist.
5 NGC 7625, Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei
Geschichte
Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie
von Wolfgang Steinicke
In diesem Heft lesen Sie zwei Beiträge. Im ersten berichtet Manfred Holl über Johann Georg Repsold, den Hamburger Oberspritzenmeister, Teleskopbauer und Gründer der Hamburger Sternwarte. Der Beitrag wird im nächsten Journal fortgesetzt.
Im 3. Teil seiner Reihe ,,Zur Frühgeschichte der Impakttheorien" erläutert Oliver Maiwald ,,Die frühen Meteoritenhypothesen". Der vierte Teil folgt im nächsten Heft.
Die nächste Geschichtstagung wird voraussichtlich vom 30.10.-1.11.2020 stattfinden. Aufgrund der Corona-Krise stand der Tagungsort zum Redaktionsschluss noch nicht fest.
Aktuelle Informationen finden Sie auf der Webseite der Fachgruppe ,,Geschichte der Astronomie" http://geschichte.fg-vds.de. Versorgen Sie mich auch weiterhin mit interessanten Artikeln.
100 | Journal für Astronomie Nr. 75
Geschichte
Johann Georg Repsold
- Hamburger Oberspritzenmeister, Teleskopbauer und Gründer der
Hamburger Sternwarte (Teil 1)
von Manfred Holl
Die Hamburger Sternwarte in Bergedorf blickt auf eine ebenso wechselvolle Geschichte zurück, wie man sie bei seinem Gründer Johann Georg Repsold findet, der vor 250 Jahren am 19. September 1770 in Wremen, einer an der Nordseeküste nahe der Wesermündung gelegenen Ortschaft, als Sohn eines Predigers geboren wurde. Mit 10 Jahren wurde er von seinem Vater nach Stade geschickt, um dort Theologie zu studieren. Während dieser Zeit lebte er bei seiner Großmutter. Sehr zum Verdruss des Vaters zeigte Repsold jedoch kein sonderlich ausgeprägtes Interesse an theologischen Aufgaben. Um 1788 herum gehörte er zu den Schülern von Reinhard Woltman (1757-1837), der seinerzeit Wasserbaudirektor in Ritzebüttel bei Cuxhaven war, das damals zu den außerhamburgischen Besitztümern gehörte. Unterrichtet wurde er in den Bereichen Wasserbau, Deichbau, Mathematik, Instrumentenkunde, Zeichnen und Astronomie.
Mit nur 19 Jahren siedelte Repsold nach Hamburg über und wurde, wohl auf Vermittlung Woltmans, von dem Grenzaufseher Johann Theodor Reinke (1749-1825) angestellt. Dieser war mit 13 Jahren zum Vollwaisen geworden und nahm den jungen Repsold bei sich auf, wodurch er Kontakte zu vielen bedeutenden Hamburger Persönlichkeiten wie Ernst Georg Sonnin (1713-1794) erhielt. Reinke hatte unterdessen bereits ein bewegtes Arbeitsleben hinter sich und begann sich für die Elbe im Allgemeinen zu interessieren, etwa was die tidenbedingten unterschiedlichen Wasserhöhen anging. Vom Senat erbat er einen Zuschuss von 300 Mark, um einen Gehilfen einstellen zu können und dieser war Johann Georg Repsold. Eine der Aufgaben von Reinke bestand darin, die genaue geografische Position der Stadt zu ermitteln. Hierzu waren umfangreiche Himmelsbeobachtungen notwendig. Reinke und wohl
1 Johann Georg Repsold (Bild: Gerd Har-
dorff; Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, http://resolver.sub.unihamburg.de/goobi/PPN663944260)
auch Repsold versuchten, über den Umweg der Beobachtung von Sternbedeckungen durch den Mond oder die Beobachtung einer Sonnenfinsternis am 3. April 1791 die Position zu ermitteln. Die Ergebnisse waren jedoch kaum zu gebrauchen und zeigten Abweichungen, die bis ins 40 km östlich von Hamburg gelegene Kankelau bei Mölln reichten. Erst ein Aufenthalt des Schweizer Astronomen Johann Caspar Horner (17741834) und die Verwendung eines Theodoliten auf der von den Franzosen neugebauten Wilhelmsburger Brücke sollten dies entscheidend ändern. Vermutlich traf in jenen Tagen auch Repsold mit Horner zusammen, woraus sich eine langjährige Freundschaft entwickelte.
Repsold indes fand alsbald eine Anstellung als Geometer bei der Elbdeputation. Diese war zuständig für alle von Hamburg bis zur Elbmündung betreffenden Angelegenheiten des Elbstroms und eine der Ursprünge der späteren Handelskammer. 1796 wurde
Repsold zum Wassertechniker befördert und war ab 1798 erst Spritzenmeister (was vergleichbar ist mit dem Direktor der Hamburger Feuerwehr) und wurde 1809 Oberspritzenmeister und war damit für das gesamte Hamburger Löschwesen zuständig. Ihm unterstanden rund 800 Feuerwehrleute und, das war entscheidend für die weitere Entwicklung, er durfte nebenbei eine optische Werkstatt betreiben. Diese hatte er von seinem Vorgänger, den in Ruhestand getretenen Spritzenmeister Scharf übernommen, was den endgültigen Einstieg in Instrumentenbau und beobachtende Astronomie darstellte. Kurioserweise heiratete Repsold dann auch dessen Tochter Margaretha Eleonore Scharf, mit der er 8 Kinder zeugte, die jedoch oft nur wenige Monate oder Jahre lebten. Seine Söhne Adolf (18061871) und Georg (1804-1885) sowie seine Enkel Oscar (1842-1919) und Johann Adolf
2 Büste Repsolds auf dem Gelände des
Museums für Hamburgische Geschichte am Holstenwall (Bild: Christoph Braun; Quelle: Wikimedia Commons)
Journal für Astronomie Nr. 75 | 101
Geschichte
Nachdem die Arbeit bei der Konstruktion und Herstellung von Zusatzgeräten, aber auch Fernrohren, immer mehr wurde, insbesondere nach dem Tod Johann Georg Repsolds, machten seine Söhne und Enkel aus dem beschaulichen Familienunternehmen die Fa. ,,A. Repsold & Söhne", die praktisch zwischen 1830 und 1919 bestand und Weltruf erlangte. Sie hatte ihren Sitz zunächst am Herrengraben, dann ab 1854 in der Böhmkenstraße in Hamburg und ab 1872 am Mittelweg in Borgfelde, östlich des Stadtzentrums.
3 Historischer Stich der Beyerschen Sternwarte am Baumwall, Haus Nr. 18,
schräg hinter der Nr. 17. (Bild: Friedrich Probst; Quelle: Wikimedia Commons)
(1838-1919) sollten später sein Erbe fortführen. In unseren Tagen wurden daher gleich mehrere Löschboote im Hamburger Hafen nach Repsold benannt. Einzig sein Sohn Adolf Repsold war ebenfalls bei der Feuerwehr tätig, musste diese Tätigkeit aber schon nach wenigen Jahren aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen wieder einstellen.
Der Instrumentenkonstrukteur Mit der Ernennung zum Spritzenmeister konnte er am Herrengraben die Dienstwohnung von Scharf übernehmen, der er seine feinmechanische Werkstatt angliederte, die er zur Herstellung astronomischer und geodätischer Instrumente nutzte. Er wirkte dabei aber eher als Konstrukteur denn als Instrumentenbauer, wenngleich
er auch selbst Geräte anfertigte. So führte er Mikroskopie und Astronomie zusammen, in dem er kleine Mikroskope entwickelte, mit denen man die Teilkreise an Fernrohren leichter ablesen konnte. Dieses Prinzip verbesserte die Ablesegenauigkeit an Meridiankreisen erheblich und findet sich heute noch an einigen Teleskopen der Hamburger Sternwarte wieder. Ganz zu Anfang hatte er für Horner, der von der Hamburger Commerzdeputation den Auftrag zur Neuvermessung der Mündungen von Elbe, Weser und Eider erhalten hatte, mehrere nautische, geodätische und astronomische Instrumente hergestellt, die es seinerzeit nirgends zu kaufen gab. Dafür beriet Horner Repsold bei der Anschaffung bzw. dem Bau eigener astronomischer Instrumente.
Die Liste der noch unter Johann Georg Repsold gefertigten Instrumente ist lang und wurde immer umfangreicher. Man lieferte z. B. den großen Refraktor mit 76 cm Öffnung und 14 m Brennweite an die Pulkower Sternwarte aus, die Hamburger Sternwarte erwarb den 60-cm-Refraktor (1912) und man hatte mehrere Meridiankreise (1909) gebaut. Bekannt sind auch diverse geodätische Instrumente. Die Firma wurde zur größten Hamburger Optik- und Instrumentenschmiede. Leider reicht der Platz an dieser Stelle nicht aus, die wechselvolle Geschichte des Unternehmens zu würdigen.
Observatorien in Hamburg Die erste neuzeitliche Einrichtung dieser Art gab es ab 1722 am Baumwall, nicht weit entfernt von Repsolds erster Sternwarte. Gründer war Tischlermeister Johann Beyer (1673-1751), der ganz oben in einem Haus Mauerquadranten und Armillarsphären und wohl auch Fernrohre für die Beobachtung von Sonnenflecken und Jupitermond-Ereignissen nutzte. Dieses als ,,Steerenkiker-Huus" weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Objekt, über das in zahlreichen Artikeln des ,,Hamburger Correspondenten", der ersten Tageszeitung Hamburgs, berichtet wurde, empfing einige der damaligen namhaften Astronomen. Den-
102 | Journal für Astronomie Nr. 75
Geschichte
4 Jesse Ramsden (Bild: Alexander
Tilloch; Quelle: The Philosophical Magazine/Wikimedia Commons)
noch bewahrte es sein Bekanntheitsgrad nicht vor dem Abriss im Jahr 1823 durch den Grundeigentümer. Auch eine Initiative von Johann Elert Bode (1747-1826) nach Hinweisen von Johann Georg Büsch (17281800) aus dem Jahr 1770, dieses Gebäude als ,,Hamburger Sternwarte" zu deklarieren, half nicht.
Eine zweite Sternwarte wurde von Edmund Gabory errichtet. Er stammte aus dem Elsass, war beim Optiker Jesse Ramsden (1735-1800) in London in der Lehre und zog 1796 nach Hamburg und baute an der Neuenburg Nr. 14 nahe der Nikolaikirche eine kleine Sternwarte. Im Laden dieses Hauses verkaufte er optische Instrumente und betrieb eine kleine Sternwarte. Ob Repsold davon Kenntnis hatte, ist unklar. Allerdings litt auch er sehr unter der französischen Besatzung, denn alle seine Instrumente wurden konfisziert und auf den Wallanlagen installiert, um die Umgebung der Stadt beobachten zu können.
[4] Johann Georg Repsold: www. friedensblitz.de/sterne/repsold/ JG-Repsold.html
[5] Hamburger Sternwarte: https://de. wikipedia.org/wiki/Hamburger_ Sternwarte#Erste_Sternwarte_am_ Stintfang
[6] Johann Adolf Repsold: https://de. wikipedia.org/wiki/Johann_Adolf_ Repsold
[7] Hamburg Observatory: www.hs.unihamburg.de/DE/GNT/hh/biogr/ repsold.htm
Eine weitere wichtige Persönlichkeit war Ernst Georg Sonnin (1713-1794), der sich als Ingenieur vor allem beim Neubau der Michaeliskirche zwischen 1750 und 1762 einen Namen machte. Er war auch Astronom und beteiligte sich auf der Umrandung der Kirche an der Bestimmung der geografischen Position Hamburgs. - wird fortgesetzt -
Literatur- und Internethinweise (Stand: 14.06.2020): [1] J. Schramm, 1996: ,,Sterne über
Hamburg", Kultur- und Geschichtskontor, 1. Auflage [2] Johann Georg Repsold: https://de. wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_ Repsold [3] Johann Georg Repsold: www. friedensblitz.de/sterne/repsold/ JG-Repsold-frueh.html
[8] Hamburg Observatory: www.hs.unihamburg.de/DE/GNT/hh/ast/ repsinst.htm
[9] Johann Theodor Reinke: www. friedensblitz.de/sterne/grossvaeter/ Reinke.html
[10] Repsolds Beobachtungen: http:// articles.adsabs.harvard.edu/ pdf/1822AN......1..325R
[11] Beobachtungen auf der Hamburger Sternwarte: http://articles.adsabs. harvard.edu/pdf/1829AN......7..379R
[12] Edmund Gabory: http://www. friedensblitz.de/sterne/repsold/ Gabory.html
[13] Ernst Georg Sonnin: https://de. wikipedia.org/wiki/Ernst_Georg_ Sonnin
5 Ernst Georg
Sonnin (Bild: Johann Marcus David; Quelle: Wikimedia Commons)
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Geschichte
Zur Frühgeschichte der Impakttheorien
Teil 3: Die frühen Meteoritenhypothesen
von Oliver Maiwald
In den beiden vorausgegangenen Artikeln [1, 2] haben wir die Vorstellungen über die Folgen der Begegnung der Erde mit Kometen diskutiert - glücklicherweise lagen ihnen keine konkreten Erfahrungen zugrunde. Direkt erfahrbar wurden solche kosmischirdischen Wechselwirkungen mit der 1794 von dem Physiker Ernst Friedrich Florens Chladni (1756-1827) aufgestellten Theorie, dass Meteore einen kosmischen Ursprung hätten und mit ihnen Eisenmassen zur Erde fielen; was prompt durch einige spektakuläre Meteoritenfälle bestätigt wurde.
Offen blieb zunächst die kosmologische und kosmogonische Stellung der Meteore und Meteorite. Die überkommene Vorstellung, dass sich Dämpfe in der Luft zu ,,Aerolithen" zusammenballen, wurde weitgehend aufgegeben und auch die Deutung der Meteorite als Auswürflinge von Mondvulkanen konnte sich nicht durchsetzen. Chladni, der 1819 noch einmal auf das Problem zurückkam, sah in den Meteoren Miniaturausgaben von Kometen und verwies auf ihre Geschwindigkeit und räumliche Verteilung sowie auf ihr wolkiges Erscheinungsbild mit Schweif (was wir heute auf die Erhitzung beim Durchgang durch die Erdatmosphäre zurückführen). In diesem Zusammenhang äußerte er Sympathie für die Interpretation der Meteore als ,,Erdkometen", die sich zur Erde verhielten wie die Kometen zur Sonne. 1794 und 1819 stellte Chladni zwei Hypothesen zur Entstehung der Meteorite zur Diskussion: Sie seien entweder ,,Ur-Materie oder chaotische Materie", oder es handele sich um ,,Trümmer eines zerstörten Weltkörpers". Chladni bevorzugte die erste Hypothese, da nicht in Sterne auflösbare ,,Nebelflecken" die Existenz solcher Urmaterie belegten. Die Kometen galten dann als kleine, von Sonnensystem zu Sonnensystem irrende Nebel. Die Zerstörung eines Weltkörpers hielt Chladni zwar in Anknüpfung an Olbers' Hypothese, dass es sich bei den
Kleinplaneten um Reste eines zersprengten Planeten handele, für möglich. Er bemerkte jedoch, dass solche Trümmer nicht so homogen wie die ,,Meteor-Eisen" wären und die Erde als ,,unregelmäßige Felsstücke" statt als ,,Wolken" erreichten - wir sehen, wie Chladni sich hier durch das Erscheinungsbild der Meteore in der Erdatmosphäre irreführen ließ [3].
Für weitere kosmologische oder kosmogonische Folgerungen verwies Chladni 1819 auf das 1802 erschienene Werk der Brüder Carl Wilhelm (1763-1817) und Ernst Franz Ludwig (1770-1834) Marschall von Bieberstein, die behauptet hatten, dass alle Weltkörper ,,durch Zusammenstürze vieler kleinerer Körper ... zu ihren Massen herangewachsen sind" [4]. Solche Meteoritenhypothesen, wie wir sie im Folgenden nennen wollen, wurden zu Beginn des 19. Jhs. auch noch von anderen Autoren vertreten, die mit Ausnahme des Geologen Karl von Moll (1760-1838) am Rande oder außerhalb des wissenschaftlichen Establishments standen. Die Gebrüder Marschall von Bieberstein waren in den Naturwissenschaften dilettierende Politiker, Carl Ludwig Althans ,,königlich-preußischer Ober-Hütten-BauInspector". Anton von Zach (1747-1826), dessen Kosmogonie Peter Brosche vorgestellt hat [5], diente als österreichischer Offizier. Allerdings war er der Bruder des Astronomen Franz Xaver von Zach (17541832). Franz von Paula Gruithuisen (17741852) hatte als Lehrer an der Münchner Chirurgieschule fast die ganzen Naturwissenschaften vertreten und blieb auch später als Professor für Astronomie an der Universität München ein wissenschaftlicher Außenseiter, bekannt vor allem durch seine Beobachtungen von Bauwerken der Mondbewohner.
Diese frühen Meteoritenhypothesen sollten sowohl astronomische als auch geologische
Fragen beantworten. In der Astronomie spielten in dieser Zeit kosmologische oder gar kosmogonische Probleme eine untergeordnete Rolle und wurden meist von wissenschaftlichen Außenseitern behandelt. Vor allem ging es um das Sonnensystem, wo die Gleichheit von Bahnebene und Umlaufs- und Rotationsrichtung der Planeten (mit Ausnahme des Uranus) erklärungsbedürftig waren. Weitere Probleme waren die Massenverteilung der Planeten und die Herkunft der Kometen. Jenseits des Sonnensystems war die Natur der ,,Nebelflecken" strittig; manche Autoren vermuteten, dass zumindest einige dieser Gebilde Sternsysteme ähnlich der Milchstraße seien. Daraus konnte sich ein hierarchisches Modell des Kosmos ergeben, nach dem das Weltall aus strukturell ähnlichen Systemen verschiedener Größenordnung aufgebaut sein sollte: Mond - Planet; Planet - Sonne; Stern - Sternhaufen, Sternhaufen - Milchstraße ...). Solche Kosmologien vertraten zum Beispiel Immanuel Kant (1724-1804) und Johann Heinrich Lambert (17281777) [6].
Kant entwickelte eine Kosmogonie, bei der er nur Minimalvoraussetzungen machte, nämlich fast gleichmäßig verteilte Materie und die Grundkräfte von Anziehung und Abstoßung. Er demonstrierte dann, wie sich aus geringfügigen Verdichtungen größere Zusammenballungen gebildet hätten und wie beim Zusammensturz der Materie auf größere Zentren ein Teil in Kreisbahnen gelangt sei und sich zu konzentrischen Ringen mit gleicher Bahnebene geformt hätte, aus denen die Planeten entstanden seien. Die Massenverteilung der Planeten erklärte er damit, dass im sonnenfernen Teil des Urnebels die schwächere Anziehung der Sonne mehr Masse für die Planeten übrig ließ; da die dichteren Teile der Urmaterie beim Sturz auf die Sonne weniger leicht abgelenkt würde, seien die sonnennahen
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Geschichte
Planeten dichter. Die Kometen seien in sonnenfernen Teilen des Urnebels entstanden, mit geringerer Dichte, und hätten daher ihre exzentrischen Bahnen behalten. Eine andere Hypothese entwickelte ab 1796 Pierre Simon Laplace (1749-1827), einer der wenigen professionellen Astronomen, die sich mit Kosmogonie beschäftigten. Er ging von einer rotierenden, sehr heißen und darum sehr ausgedehnten Sonnenatmosphäre in pseudoflüssigem Zustand aus. Schrumpfte sie durch Abkühlung, bildeten sich in der Ebene des Sonnenäquators am Rand der Atmosphäre die konzentrischen protoplanetarischen Ringe; aus kleinen Unregelmäßigkeiten darin entwickelten sich die Planeten. Laplace wollte mit diesem Modell die geringe Exzentrizität der Planetenbahnen, die geringe Bahnneigung und die gemeinsame Umlaufs- und Rotationsrichtung erklären. Die Kometen erklärte er anfangs wie Kant, später als kleine interstellare Nebel [7].
Anders als in der Astronomie hatten in den Erdwissenschaften Spekulationen über Ursprung und frühe Geschichte der Erde bis in den Anfang des 19. Jhs. große Bedeutung [8]. Die meisten beruhten auf einem Standardmodell der Erdgeschichte (,,Neptunismus"), das von einem erdumspannenden Urozean ausging, dessen Wasserspiegel allmählich sänke und aus dem im Laufe der Zeit entsprechend dessen sinkender Temperatur und wechselnder chemischer Zusammensetzung zuerst Granit und Gneis, dann chemische Sedimente und zuletzt mechanische Sedimente abgelagert worden seien. Dieses einfache Bild gab die beobachtete Reihenfolge der Gesteine im Großen korrekt wieder, konnte aber Abweichungen im Detail nicht erklären. Unregelmäßige Lagerung und Unterbrechung von Gesteinsschichten erklärte man in diesem Modell mit Hilfe lokaler Einstürze, was unhaltbar wurde, als am Ende des 18. Jhs.
großräumige Verformungen von Gesteinen aus den Alpen beschrieben wurden.
Die alternative Theorie des ,,Vulkanismus" ließ für die meisten Gesteine die Ablagerung aus dem Wasser gelten, sah in einigen jedoch Produkte von Vulkanen. Sie erklärte die Verformung von Gesteinen und die Bildung von Gebirgen durch vulkanische Hebungen. Dagegen erhob sich Widerspruch, weil Vulkane nur als lokale Erscheinungen bekannt waren. Besondere Bedeutung erlangte der Streit über die Entstehung des Basaltes, da dieser den Laven aktiver Vulkane ähnelte, aber oft gänzlich andere Lagerungsformen zeigte.
Ein weiteres Problem der Erdwissenschaften, dem wir schon bei den Kometentheorien begegnet sind, betraf die Versteinerungen von Lebewesen. Insbesondere die Verteilung der Fossilien warf Fragen auf: So fand man fossile Muscheln und Fische im Hochgebirge, Tropentiere und -pflanzen in nördlichen Breiten. Und viele fossil überlieferte Arten fehlten in der Gegenwart. Waren sie ausgestorben? Umgekehrt schienen manche heutigen Arten fossil nicht überliefert zu sein.
Auf geologische Probleme, insbesondere auf die Entstehung der verschiedenen Gesteinsschichten, konzentrierte sich der Geologe von Moll. Sein um 1815 verfasstes Manuskript ist, soweit ich sehe, unveröffentlicht. Ich stütze mich im Folgenden auf das umfangreiche Referat und die Ausführungen von Siegmund Günther [9].
Wie im Rahmen des Neptunismus üblich, ging von Moll von einem ursprünglich flüssigen Erdball aus; durch Kristallisation von innen nach außen hätten sich die Gesteine gebildet. Ebenfalls wie in der Standardtheorie seien gleichartige Gesteine gleichzeitig entstanden. Die Verschiedenheit überein-
andergelagerter, also zeitlich verschiedener Gesteine erklärte er aber mit der Zufuhr außerirdischer Massen in flüssigem Zustand. Durch Zufuhr jeweils verschiedener Stoffe seien dann die verschiedenen Gesteine entstanden. Die seinerzeit sogenannte ,,Flötz-Trappformation", zu der auch der Basalt gehört, sei zuletzt auf die Erde gestürzt, ihr entsprächen auch noch die heutigen Meteoriten. Damit wäre das leidige Basaltproblem gelöst gewesen. Gewaltsame Einwirkungen von Meteoriteneinschlägen erkannte er nicht an, in expliziter Abgrenzung von der Theorie der Gebrüder Marschall von Bieberstein. Das Material zur Bildung der verschiedenen Gesteinsschichten stammte aus dem - modern gesprochen - interplanetaren Raum. Auch der Erdmond entstand aus diesen Massen, wobei der Zeitpunkt der Entstehung seiner Hauptmasse mit der einer Hauptgesteinsgruppe auf der Erde zusammenfiel.
Bezüglich des Fossilienproblems diskutierte Moll nur das Vorkommen von Resten tropischer Tiere im Norden, das er nicht auf Transport, sondern auf Klimawandel zurückführte. Das Leben sei auf der Erde erst entstanden, als der Großteil der Erdmasse bereits vorhanden war, weshalb man im Urgebirge keine Reste von Lebewesen finde.
Gerade bei von Moll ist offensichtlich, wie die Meteoritenhypothesen die Erklärungsdefizite des ,,Neptunismus" beseitigen sollten.
Literaturhinweise: [1] M. O. Maiwald, 2016: ,,Von Kometen
und Katastrophen: Zur Frühgeschichte der Impakttheorien (Teil 1)", VdSJournal für Astronomie 59, S. 80-81 [2] M. O. Maiwald, 2017: ,,Von Kometen und Katastrophen: Zur Frühgeschichte der Impakttheorien (Teil 2)", VdSJournal für Astronomie 63, S. 73-76
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[3] Ernst Florens Friedrich Chladni, 1794: ,,Ueber den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer ihr ähnlicher Eisenmassen und über einige damit in Verbindung stehende Naturerscheinungen", Leipzig. Wiederabgedruckt in: ,,Über den kosmischen Ursprung der Meteorite und Feuerkugeln", Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften 258, Leipzig 1971; ders.: ,,Ueber Feuer - Meteore, und über die mit denselben herangefallenen Massen", Wien 1819; J. G. Burke, 1986: ,,Cosmic Debris: Meteorites in History", Berkeley
[4] Carl Wilhelm Marschall von Bieberstein, Ernst Franz Ludwig Marschall von Bieberstein, 1802: ,,Untersu-
chungen über den Ursprung und die Ausbildung der gegenwärtigen Anordnung des Weltgebäudes", Gießen und Darmstadt [5] P. Brosche, 1986: ,,Die Kosmogonie Anton von Zachs", Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 9, S. 89-93; ders.: ,,Der Astronom der Herzogin", Acta Historica Astronomiae 12, Frankfurt am Main 2001, S. 110ff [6] J. Hamel, 1998, Geschichte der Astronomie, Basel, S. 231ff [7] Immanuel Kant, 1755: ,,Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels", Königsberg und Leipzig; Pierre Simon Laplace, 1925: ,,Ideen zur Kosmogonie", in: Heinrich Schmidt (Hrsg.): ,,Die Kant - Laplace-
sche Theorie", Leipzig [8] M. J. S. Rudwick, 2005: ,,Bursting the
Limits of Time", Chicago, p. 133ff.; Georg Wilhelm Muncke, 1828: ,,Geologie", in: Johann Samuel Traugott Gehlers Physikalisches Wörterbuch, neu bearbeitet von Brandes, Gmelin, Horner, Muncke und Pfaff, Bd. IV, 2. Abt., Leipzig, S. 1239ff [9] Siegmund Günther, 1908: ,,Die Entstehung der Lehre von der meteoritischen Entstehung des Erdkörpers", Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München, Mathematisch-Physikalische Klasse 38, S. 21-39
Kleine Planeten
Neues aus der FG Kleine Planeten
von Gerhard Lehmann
Der Herbst steht vor der Tür, die Nächte werden wieder länger und so findet sich im persönlichen Beobachtungsplan bestimmt auch die Möglichkeit, einen Kleinplaneten zu beobachten. Wenn nicht die Astrometrie oder Fotometrie das Ziel der Beobachtung sein soll, so vielleicht die nahe Begegnung mit einem hellen Deep-Sky-Objekt. Unser FG-Mitglied Wolfgang Ries hat für den Herbst solche Ereignisse zusammengestellt und ruft zur Beobachtung auf.
Wolfgang Ries hat selbst viele Kleinplaneten entdeckt [1]. So ist es nicht verwunderlich, das einige seiner Objekte nummeriert wurden und er danach einen Namensvorschlag beim Minor Planet Center in den USA einreichen konnte. Ein schönes Beispiel für einen Namensvorschlag von ihm ist der Kleinplanet (342000) Neumünster. Die Stadt Neumünster ist nach Kiel, Lübeck und Flensburg die viertgrößte Stadt Schleswig-Holsteins. Auf der Volkshochschule Neumünster befindet sich die vhs-Sternwarte [2], welche seit 1971 besteht und von der Stadt unterstützt wird. Die Sternwarte
1 Die Teilnehmer der 1. Kleinplanetentagung 1998 auf der Eingangstreppe zum Planetarium
der Sternwarte Drebach. (Bild: Archiv Sternwarte Drebach)
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Kleine Planeten
wird durch die Astronomie AG der Volkshochschule betreut.
Aufgrund der zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen aktuellen Lage konnte die 23. Kleinplanetentagung am 6./7. Juni 2020 wegen des Corona-Virus / COVID-19 nicht stattfinden. Damit wurde die Tradition der jährlich seit 1998 (Abb. 1) stattfindenden Kleinplanetentagungen unterbrochen, aber die Gesundheit geht vor. Deshalb wird die 23. Kleinplanetentagung auf den 29./30. Mai 2021 verschoben.
Die FG Kleine Planeten wird ihre 23. Kleinplanetentagung 2021 in der Volkssternwarte und dem Zeiss Planetarium Drebach [3] durchführen. Der seit 1993 bestehende Förderverein der Volkssternwarte Drebach
e.V. lädt ebenfalls ein und wird die Tagung tatkräftig unterstützen. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der Kleinplanetenseite [4].
Wenn Sie Lust bekommen haben, vielleicht auch einmal Kleinplaneten zu beobachten, dann sind Sie herzlich eingeladen. Als Mitglied in der FG Kleine Planeten werden Sie Gleichgesinnte treffen und von den Erfahrungen der anderen profitieren.
Internethinweise: [1] Entdeckungstabelle: www.sternwartealtschwendt.at/Entdeckungstabelle.htm [2] vhs-Sternwarte Neumünster:
www.sternwarte-nms.de/
(342000) Neumünster = 2008 RV26
Discovered 2008 Sept. 2 by W. Ries at Altschwendt. The German city Neumünster has supported astronomical education since 1969. Currently they operate an observatory that offers astronomical courses and public observing. The observatory focuses on education.
[3] Sternwarte Drebach: www.sternwarte-drebach.de/
[4] Kleinplanetenseite: www.kleinplanetenseite.de/
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiter bewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Diesmal können wir Ihnen zwei kosmische Begegnungen vorstellen. Beide Fotografen waren hier schon mit ihren Werken vertreten und daher freut es mich besonders, dass sie den kosmischen Begegnungen treu geblieben sind und weitere Aufnahmen eingeschickt haben. Die Bildautoren in alphabetischer Reihenfolge sind Wolfgang Bodenmüller und Jürgen Dirscherl, die bereits im VdS-Journal für Astronomie 63 gemeinsam Bilder für diesen Artikel be-
reitstellten. Ich bin gespannt, ob sie auch in der Ausgabe 87 wieder hier vertreten sein werden.
Die Aufnahme von Wolfgang Bodenmüller [1] zeigt die Begegnung des Kleinplaneten (33) Polyhymnia im reichen Galaxienfeld um NGC 524 (Abb. 1). Wolfgang loggt sich ab und zu für interessante astronomische Ereignisse in diverse Remote-Sternwarten ein. So entstand auch dieses Bild nicht im
Tabelle 1 Ausgewählte interessante kosmische Begegnungen im 4. Quartal 2020
Datum
08.10.2020 15.10.2020 08.11.2020 11.11.2020 07.12.2020 12.12.2020
Uhrzeit
24:00 24:00 20:00 22:00 20:00 22:00
Kleinkörper
mag
(68) Leto
9,7
(4749) Ledzeppelin 15,8
(784) Pickeringia 14,6
(285) Regina
15,1
(46598) 1993 FT2 16,0
(848) Inna
15,7
Objekt
NGC 145 NGC 1055 NGC 772 M 34 M 76 M 1
Art
mv
Abstand
Gx
12,7
1'
Gx
10,6
6'
Gx
10,3
8'
OC
5,3
15'
PN
10,1
4'
SNR
8,4
2'
Abkürzungen: Gx - Galaxie, OC - Offener Sternhaufen, PN - Planetarischer Nebel, SNR - Supernova-Überrest
Journal für Astronomie Nr. 75 | 107
Kleine Planeten
heimischen Allgäu, sondern am 3. Oktober 2019 im australischen Siding Spring.
Polyhymnia ist ein Hauptgürtelasteroid und wurde am 28. Oktober 1854 von Jean Chacornac (1823-1873) an der Pariser Sternwarte entdeckt. Benannt wurde er nach der Muse der hymnischen Dichtung, des Tanzes, der Pantomime und der Geometrie. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er ca. 150 Mio. km von der Erde entfernt. Der Brocken ist nur ca. 65 km groß und seine Bahn mit einer numerischen Exzentrizität von ca. 0,3315 deutlich elliptisch. Da 2019 die Opposition eher im sonnennahen Teil ihrer Bahn stattfand, erreichte Polyhymnia zum Zeitpunkt der Aufnahme eine Helligkeit von ca. 10,5 mag und hinterließ
im Bild eine dicke kurze Strichspur. Oppositionen in der Apheldistanz sind rund 3 mag schwächer, da dann der Kleinplanet rund 285 Mio. km weiter weg ist.
Die hellste Galaxie im Bild ist NGC 524, sie erscheint im Bild als großer runder Fleck. Sie ist vom Typ S0a und ca. 10,4 mag hell. Diese linsenförmige Galaxie ist rund 111 Mio. Lichtjahre von uns entfernt und hat einen Durchmesser von rund 90.000 Lichtjahren. Des Weiteren sind noch die drei fotografisch ansprechenden Spiralgalaxien NGC 516, NGC 518 und NGC 532 im Bild, die allesamt schwächer als 13 mag sind. Außerdem konnte Wolfgang auch noch die vier Kleinplaneten (28144) Chengzhendai mit 17,4 mag, (37144) 2000 VL44 mit 18,7
mag, (40385) 1999 NE49 mit 17,8 mag und (79962) 1999 CR199 mit 17,9 mag im Bildfeld als schwache Strichspuren abbilden. Eine tolle Ausbeute seiner Remotebeobachtung in Australien.
Ein gänzlich anderes Motiv zeigt uns Jürgen Dirscherl [2]. Er fotografierte am 16. Januar 2020 den Kaulquappennebel IC 410 im Fuhrmann (Abb. 2). Als Beifang gibt es den Asteroiden (2243) Lönnrot. Das Bild entstand mit dem 10-zölligen Newton auf der neuen Knicksäulenmontierung der Johann-Kern-Sternwarte in Wertheim, die Jürgen im VdS-Journal für Astronomie 72 vorgestellt hat. Dadurch entfallen das lästige Umschwenken und das damit verbundene Umbauen der Kamera am Teleskop. So
1 Die Galaxie NGC 524 und der Kleinplanet (33) Polyhymnia, aufgenommen mit einem 17-zölligen CDK und einer FLI PL-16803-Kamera
in Siding Spring von Wolfgang Bodenmüller
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Kleine Planeten
2 Der Kaulquappennebel IC 410 und der Kleinplanet (2243) Lönnrot, aufgenommen mit einem 10-zölligen Newton f/4
und einer ZWO-ASI-1600-MMC-Kamera von Dr. Jürgen Dirscherl
kann ein Objekt viel länger am Stück belichtet werden.
Der Kaulquappennebel IC 410 umschließt den offenen Sternhaufen NGC 1893 und ist ca. 20 Bogenminuten am Himmel groß. Tatsächlich befindet er sich in einer Entfernung von rund 12.000 Lichtjahren und ist ca. 125 Lichtjahre groß. Entdeckt wurde der Nebel vom deutschen Astronomen Max Wolf (1863-1932), der einer der führenden Asteroidenentdecker seiner Zeit war.
Damit spannt sich der Bogen zum Beifang. Neben den Kaulquappen im linken Teil des Bildes zappelte am rechten Bildfeldrand der
Asteroid (2243) Lönnrot im Netz. Er ist als farbige Strichspur zu sehen, da nacheinander die Filter H, [OIII] und Blau verwendet wurden, um die Daten für dieses Bild zu sammeln.
Der Kleinplanet (2243) Lönnrot ist ein Hauptgürtelasteroid und wurde 1941 von dem finnischen Astronomen Yrjö Väisälä (1891-1971) in Turku entdeckt. Der ca. 9 km große Brocken war zum Aufnahmezeitpunkt ca. 16,3 mag hell und ca. 240 Mio. km von der Erde entfernt. Der Asteroid ist nach dem finnischen Schriftsteller Elias Lönnrot benannt, der im 19. Jahrhundert lebte. Er sammelte auf Reisen durch Finnland
mündlich überlieferte volkstümliche und traditionelle Dichtungen. Auf deren Basis verfasste er das finnische Nationalepos Kalevala [3]. Da ich kein Finne bin, gebe ich zu, dass ich das Epos nicht kenne.
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die Tabelle 1 enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und Deep-Sky-Objekten, die von uns erstellt wurde. Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren,
Journal für Astronomie Nr. 75 | 109
Kometen
finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [4]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um
zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwarte-altschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Internethinweise: [1] W. Bodenmüller, Homepage: https://
portfolio.fotocommunity.de/ wolfgang-bodenmueller [2] Sternwarte Wertheim, Homepage: www.sternwarte-wertheim.de/ Results/ic410_ajd.jpg [3] Elias Lönnrot: https://de.wikipedia. org/wiki/Elias_Lönnrot [4] Kosmische Begegnungen, Homepage: http://astrofotografie. hohmann-edv.de/aufnahmen/ kosmische.begegnungen.php
Bedeutende Kometen
des ersten Quartals 2020
von Uwe Pilz
Der Komet C/2017 T2 (PANSTARRS) erreichte das Perihel zwar Anfang Mai 2020, durchlief aber den erdnächsten Punkt bereits Ende Dezember 2019. Aus diesem Grund stieg die Helligkeit nur langsam an, der Gewinn in diesem Quartal war weniger als eine Größenklasse. Der Komet war im März ein einfaches Fernglasobjekt und wurde viel beobachtet. Gegen Ende der Beobachtungszeit war der Schweif allerdings weniger prominent (Abb. 1).
C/2019 Y1 (ATLAS) erschien im Februar am Abendhimmel. Im Laufe des Monats verringerte sich die Elongation, aber die Helligkeit stieg auf 8-9 mag. Der Hellig-
1 C/2017 T2 (PANSTARRS),
2. Januar und 22. März 2020. Instrument: 16-Zoll-Astrograf, f/2,5, 10 Minuten belichtet auf CDS-5D-Kamera (Bild: Roland Fichtl)
110 | Journal für Astronomie Nr. 75
keitsanstieg war mit einem Aktivitätsparameter von n=8 typisch für einen dynamisch alten Körper, der schon mehrere Sonnenumläufe hinter sich hat. Der Komet war zwar ein prominentes Objekt (Abb. 2), konnte aber wegen des niedrigen Standes nicht mit dem Fernglas erreicht werden.
Der interessanteste Komet des Quartals war C/2019 Y4 (ATLAS). Über zwei Monate hinweg zeigte er einen starken Anstieg der Helligkeit mit einem Aktivitätsparameter n im Bereich von 15. Ich habe so etwas noch nie erlebt, im Grunde war es ein permanenter Ausbruch. Dieser starke Anstieg konnte nicht ewig fortbestehen, das war uns Kometenfreunden klar. Und so kam es dann auch: Ab etwa Anfang März knickte die Kurve ab und die Helligkeit stieg schwächer. Wie schwach, darüber gab es unterschiedliche Analysen: Von einer Maximalhelligkeit von 3 mag bis zu Venushelligkeit war alles an Prognosen dabei. Wenn dieses Heft erscheint, ist alles Geschichte und wir wissen es. Die Abbildung 3 zeigt die Ansicht Ende März: Durch die nachlassende Aktivität ist die Kondensation gestiegen. Der Schweif hat fast ein Grad Länge.
Komet C/2020 A2 (Iwamoto) durchlief das Perihel Anfang Januar und konnte kurz danach beobachtet werden. Der im Maximum 10 mag helle Komet verlor rasch an Helligkeit. Michael Jägers Bild von Anfang Februar zeigt den schönen Kontrast des gasreichen und deshalb blaugrünen Kometen zum Kohlenstoffstern V530 Lyrae (Abb. 4).
Kometen
2 C/2019 Y1 (ATLAS), 22. März 2020.
Instrument: 5-Zoll-Newton, f/2,5, 8 Minuten belichtet auf ASI120 (Bild: Walter Kutschera)
3 C/2019 Y4 (ATLAS),
27. März 2020. Instrument: 8-Zoll-RASA, f/2, 30 Minuten belichtet auf ASI533, Luminanz (Bild: Leszek Przybysz)
4 C/2020 A2 (Iwamoto),
6 Februar 2020. Instrument: 11-Zoll-RASA, f/2,2, 18 Minuten belichtet auf ASI-1600 (Bild: Michael Jäger)
Journal für Astronomie Nr. 75 | 111
Komet NEOWISE
Komet C/2020 F3 (NEOWISE)
zusammengestellt von Uwe Pilz
Der Komet NEOWISE wurde erst Ende März dieses Jahres entdeckt. Zunächst schien er nur eine blasse Erscheinung zu werden, aber Ende April erlebte der Komet einen Ausbruch um etwa zwei Größenklassen. C/2020 F3 ist ein langperiodischer Komet mit einer Umlaufzeit von ca. 6700 Jahren. Sehr wahrscheinlich ist er der Sonne schon einige Male nahegekommen. Solche Kometen sind zunächst von einer Staubschicht bedeckt, die erst bei Annäherung an die Sonne aufgebrochen wird. Diesen Effekt kann man bei NEOWISE gut beobachten: Vor dem Perihel war er gasreich und
erschien grün, aus den wenigen Aktivitätsgebieten wurde kaum Staub freigesetzt. Zum Perihel wurde eine große Menge Staub freigesetzt, NEOWISE war gelblich. Einige Wochen nach dem Perihel setzte sich der Gasanteil wieder durch.
NEOWISE war im Sommer ein auffallendes Objekt für das freie Auge und ein prachtvoller Fernglaskomet. Er konnte mit normalen Alltagskameras und sogar mit Smartphones fotografiert werden. Die nächsten Seiten zeigen eine erste Auswahl der Aufnahmen.
1 Vor dem Perihel war NEOWISE ein ausge-
sprochen gasreicher Komet. 20. Mai 2020, 17:26 Uhr UT. Instrument: 12-Zoll-Astrograph mit f/3,6, belichtet 32 Minuten mit einer FLIMicroline-CCD-Kamera (Gerald Rhemann).
112 | Journal für Astronomie Nr. 75
2 Nach dem Perihel war NEOWISE zu-
nächst ein Objekt des Morgenhimmels. 4. Juli 2020, 1:52 Uhr UT. Instrument: 11-ZollRowe-Ackermann-Schmidt-Astrograph mit f/2,2, belichtet eine Minute mit ASI6200-MC-CCD-Kamera (Thomas Lehmann).
Komet NEOWISE
3 Spätestens ab dem 5. Juli war der Ko-
met in jedem Fernglas sichtbar und wurde auch ein Ziel für das freie Auge. Große Instrumente offenbarten Details in Koma und Schweif. 5. Juli 2020, 2 Uhr UT. Instrument: 12-Zoll-Dobson mit f/5, Vergrößerungen zwischen 49 x und 275 x (Robin Hegenbarth).
4 Leuchtende Nachtwolken sind ein loh-
nendes Beobachtungsziel. Die Kometenbeobachter hätten dennoch lieber einen freien Himmel gehabt! 6. Juli 2020, 1:12 Uhr UT. Instrument: 8-Zoll-ASA-Astrograph mit f/2,9, belichtet 30 Sekunden mit ZWO-6200-MCCCD-Kamera (Gerald Rhemann).
5 Da die sonnenabgewandte Seite weniger
aktiv war, bildete sich in den ersten Tagen nach dem Perihel ein sogenannter Kernschatten. 7. Juli 2020, 2 Uhr UT. Instrument: 300-mm-Teleobjektiv bei f/4, belichtet 70 Sekunden mit Canon-6D-Kamera, ISO 1600 (Sven Melchert).
6 6. Juli 2020, 1:20 Uhr UT. Instrument: 75-mm-Teleobjektiv bei f/2,8,
belichtet 4 Sekunden mit Canon-600D-Kamera (Wolfgang Vollmann).
7 7. Juli 2020, 1 Uhr UT. Instrument: 300-mm-Teleobjektiv bei f/5,6,
belichtet 3 Sekunden mit Canon-50D-Kamera (Andreas Kaczmarek).
Journal für Astronomie Nr. 75 | 113
Komet NEOWISE
8 7. Juli 2020, 1:20 Uhr UT. Instrument:
12-Zoll-Dobson, V = 69 x und 96 x (Christian Harder).
9 7. Juli 2020, 1:20 Uhr UT. Instrument:
300-mm-Teleobjektiv, belichtet zwei Minuten mit Panasonic Lumix DC-FZ 1000 (Oliver Schneider).
1 0 7. Juli 2020, 1:40 Uhr UT. Instrument:
130-mm-Astrograph bei f/3,3, belichtet zwei Sekunden auf Canon-EOS-Ra-Kamera, ISO 1600 (Norbert Mrozek).
1 1 7. Juli 2020, 1:11 Uhr UT. Instrument: 200-mm-Teleobjektiv bei f/3,5, belichtet 26 Sekunden auf Canon-6D-Kamera, ISO 1600
(Stefan Binnewies).
1 2 7. Juli 2020, 1:11 Uhr UT. Instrument: 200-mm-Teleobjektiv bei f/2,8, belichtet 20 Sekunden auf Fuji-XH1-Kamera, ISO 6400
(Uwe Wohlrab).
114 | Journal für Astronomie Nr. 75
Komet NEOWISE
1 3 Um den 13. Juli herum konnte der Komet besser am
Abendhimmel aufgesucht werden. 11. Juli 2020, 21:30 Uhr UT. Instrument: 16 x 70-Fernglas (Uwe Pilz).
1 4 12. Juli 2020, 1:16 Uhr UT. Instrument: 135-mm-Teleobjektiv
bei f/2,8, belichtet 6 Sekunden mit Nikon-D800-Kamera, ISO 1000 (Winfried Berberich).
1 5 Dieses Bild vereinigt Dämmerungsfarben, Leuchtende Nachtwolken und den Kometen! 10. Juli 2020, 1:36 Uhr UT.
Instrument: 120-mm-Teleobjektiv bei f/3,2, belichtet 3,2 Sekunden mit Sony-a7II-Kamera, ISO 3200 (Thorsten Böckel).
Journal für Astronomie Nr. 75 | 115
Komet NEOWISE
1 6 Ein sehr langer Ionenschweif! 11. Juli 2020, 21:45 Uhr UT. Instrument: 100-mm-Teleobjektiv bei f/2,8,
belichtet 4 Minuten mit Nikon-D7500-Kamera, ISO 300 (Frank Wächter).
1 7 12. Juli 2020, 23:40 Uhr UT. Instrument: 135-mm-Teleobjektiv bei f/2,8, belichtet 18 Minuten mit
Canon-EOS-600D-Kamera, ISO 400 (Daniel Köhn).
116 | Journal für Astronomie Nr. 75
Komet NEOWISE
1 8 Die erste Aufnahme unter Hochgebirgsbedingungen (1400 m über NN). Der Schweif war mit dem freien Auge acht Grad
lang und wirkte fernab der Koma leicht aufgefächert. 12 Juli 2020, 21:30 Uhr UT. Instrument: 135-mm-Teleobjektiv bei f/2,8, belichtet 20 Minuten mit Moravian-G3-16200-Kamera, Mosaikaufnahme aus drei Feldern (Michael Jäger).
Journal für Astronomie Nr. 75 | 117
Mond
Mondbilder -
immer gern gesehen, oder?
Frau Luna ist ein dekoratives und beliebtes Objekt, sowohl für gut aufgelöste Detailansichten als auch für ästhetische Übersichtsaufnahmen mit interessantem Vordergrund. Für diese Ausgabe gab es erneut zahlreiche Zusendungen, dabei auch eine gelungene Zeichnung. Vielen Dank dafür, auch wenn nicht alle Bilder berücksichtigt werden konnten. Die Mond-Rubrik läuft jetzt seit einiger Zeit. Gern wüssten wir, ob diese Mondseiten vom Leser begrüßt werden oder nicht. Es wäre nett, wenn Sie Ihre Meinung dazu an die Mailadresse service@vds-astro.de schicken, vielen Dank Peter Riepe
118 | Journal für Astronomie Nr. 75
1 Thomas Schnitzbauer aus Hamburg,
frisch gebackenes VdS-Mitglied, nahm die Sichel des zunehmenden Mondes am 26.03.2020 um 20:30 Uhr MEZ über dem Containerterminal Altenwerder auf. Sony DSC RX 100, Blende 4, Brennweite 23 mm, 1/3 s bei ISO 200.
2 Diese Zeichnung von Jens Leich, eine
87-minütige Fleißarbeit, entstand bei Mond im Ersten Viertel am 01.05.2020 ab 20:00 Uhr UT und zeigt am Terminator das Gebiet zwischen den Kratern Plato und Goldschmidt. 130-mm-Apochromat Starfire, Okular TeleVue DeLite 3 mm, Amiciprisma, V = 279-fach.
Mond
3 Wer hat schon sein Zuhause auf 1.000 m Seehöhe? Hubert
Krapfl aus Rinegg/Steiermark schickte diesen Schnappschuss vom 07.04.2020, 18:50 Uhr MESZ. Kamera: Nikon D5100 mit Zoomobjektiv (Tamron 150-600 mm), 1/60 s bei Blende 6,3 und ISO 200.
4 Mond und Venus am Abendhimmel des 28.12.2019 um 17:41 Uhr
MEZ. Ort: Allgäuer Kugel 950 m, Kamera Sony a7II (mod.), Objektiv Sony 24-70 mm bei f = 54 mm, 5 x 1/15 Sekunde bei Blende 4 und ISO 2500. Bild: Harald Kaiser.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 119
Mond
5 Mond und Venus am 28.03.2020 über dem Turm der St.-Aldegundis-Kirche in Emmerich am Niederrhein. Der im
Krieg zerstörte Turm wurde 1967 wieder aufgebaut, gestaltet durch den Künstler Waldemar Kuhn. Canon EOS 100D, 2,5 s belichtet bei f = 108 mm, Blende 6,3 und ISO 800. Bild: Reinhard Kaltenböck.
6 Inzwischen ein
Ritual: Werner Probst nahm den Ostervollmond auf, diesmal am 08.04.2020 um 18:50 Uhr UT. Im Vordergrund die Saualpe in Kärnten. Apochromat TV 127 und Canon 5D, 1/640 s belichtet bei f = 660 mm und ISO 100.
Mond
7 Zunehmender Mond vom 26.04.2020 um
19:17 Uhr UT, fokal aufgenommen von Wolfgang Bischof in Recklinghausen mit 200-mmNewton f/6, Farbkamera ZWO ASI 178 MC, Zweifachpanorama mit jeweils 15% aus 1.000 Aufnahmen gestackt, Schärfung mit Giotto, Farbsättigung angehoben.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 121
Planeten
Venusfotografie
unter optimalen Voraussetzungen
von Wolfgang Bischof
Erst kam die Corona-Pandemie, der ich zunächst entkommen konnte, aber dann folgte doch noch eine Infektion - die VenusInfektion. Auslöser war die Anschaffung eines UV-Filters nach Johnson-Cousins, Marke Astrodon, mit einer Zentralwellenlänge von 366 nm. Dieser Filter war eigentlich zur Mondfotografie vorgesehen (s. Artikel ,,Mineraliensuche auf dem Mond" in diesem Heft). Er kann aber auch zur Beobachtung der Venus eingesetzt werden, denn mit seiner Hilfe lassen sich UV-absorbierende Wolken in der Venusatmosphäre dokumentieren.
Die Wolken sind Gegenstand der aktuellen Venusforschung. Obwohl die Venus sehr langsam rotiert (ein Venustag dauert 243 Erdentage und ist sogar länger als ein Venusjahr) benötigt eine Wolkenrotation um den Planeten nur 4 Tage. Die Folge sind Windgeschwindigkeiten von fast 400 km/h im Mittel!
Mit der Corona-Pandemie kam eine weitgehende Einstellung des Flugverkehrs und damit eine optimale Transparenz der Atmosphäre bei gleichzeitig sehr ruhiger Luft. Ähnliche Verhältnisse gab es im Jahr 2010 beim Ausbruch des Ejyafjallajökull. Darüber hinaus bestand zu der Zeit (Frühjahr 2020) eine nahezu optimale Abendsichtbarkeit der Venus. Die besten Beobachtungsbedingungen gab es regelmäßig vor Sonnenuntergang zu einem Zeitpunkt, als die Sonne das Teleskop nicht mehr erwärmen konnte. Das dann noch starke UV-Streulicht in der Atmosphäre verminderte visuell zwar deutlich den Kontrast, stellte aber fotografisch kein Problem dar.
Als Instrument kam ein Newton-Spiegelteleskop mit 200 mm Öffnung und 1.200 mm Brennweite zur Anwendung. Die Brennweite wurde mit einer Zeiss-Abbe-Barlowlinse mit geringem Verlust im UV um einen Faktor 2 verlängert. Aufnahmekamera war eine
monochrome CMOS-Videokamera des Typs ASI 178 MM der Firma ZWO. Zusätzlich zum UV wurden auch die Wellenlängenbereiche B und G belichtet und die Ergebnisse zu U-GBU-Farbkompositen vereinigt. Das entspricht quasi der Verschiebung eines lückenlos aufgenommenen Farbspektrums in den sichtbaren Spektralbereich. In allen anderen Farbfiltern, auch im NIR, waren selbst nach starker Schärfung keine Strukturen der Venusatmosphäre sichtbar. Aufgenommen wurden 16-Bit-SER-Videos mit bis zu 30.000 Einzelbildern. Davon wurden 10-50% zum Ergebnis gestackt. Die Schärfung erfolgte mit Giotto, einem Programm aus der gefühlten digitalen Steinzeit, aber für mich unverzichtbar. Zur Farbsynthese und Endbearbeitung kam Photoshop CS5 zum Einsatz.
Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Autors: http://magicviews.de/ venus.htm
122 | Journal für Astronomie Nr. 75
1 Venus zwischen
dem 18. März und dem 22. April. Sichtbar wird die Änderung in Phase und Durchmesser, dazu die täglich veränderten Strukturen der Venusatmosphäre. Aufnahmedaten im Text. (Bild: Wolfgang Bischof)
VdS-Bilderstrecke:
Die Venus im Frühjahr 2020
zusammengestellt von Peter Riepe
Das Frühjahr 2020 war aufgrund der Coronakrise frei von Flugzeugverkehr. Viele Sternfreunde stellten eine bessere Himmelsqualität fest. Offensichtlich war nicht nur die Transparenz besser, sondern auch das Seeing. Einige Hochdrucklagen konnten gut genutzt werden. Dies brachte die Szene der Planetenfotografen in Bewegung. Venus war das vorrangige Ziel, siehe auch Wolfgang Bischofs Beitrag in diesem Heft. Dazu kam dann der beeindruckende Vorübergang des Planeten an den Plejaden. Hier jetzt einige schöne Aufnahmen, die die Redaktion der Fachgruppe Astrofotografie erreichten. Sollten auch Ihnen schöne Ergebnisse zur Planetenfotografie gelingen, veröffentlichen wir sie gern in unserem VdS-Journal für Astronomie. Bitte einsenden an: service@vds-astro.de
Planeten
1 Michael Nolle nahm die Venus am 17.02.2020 um 18:28 MEZ in 32 Grad Hö-
he mit 17,1'' scheinbarem Durchmesser von der Mittelmeerinsel Malta auf. Daten: RC-Teleskop 200 mm / 1.625 mm, ZWO ASI 120MM mit einer Filterkombination aus UG1 + BG40 (ein BG40 schaltet das vom UG1 noch durchgelassene Rest-IR aus, immerhin 20% NIR-Transmission bei 750 nm), Video mit 10.000 Einzelbildern bei 6,5 ms/frame, 50% davon gestackt und vorgeschärft mit AutoStakkert, weitere Bearbeitung und Schärfung in Photoshop.
2 Aus Australien kommt ein Venusbild von Anthony Wes-
ley, ebenfalls vom 17.02.2020. Daten: 415-mm-Newton von Deep Sky Optics (Australien), 4-fache Barlowlinse (Siebert Elite series), Astrodon-UV-Filter (325-375 nm), Kamera FLIR BFLY-PGE-31S4M-C (mono) mit CMOS-Sensor von Sony, 3-minütiges Video bei 40 frames/s, AutoStakkert und Registax als Software.
3 Lukasz Sujka aus Polen gelang am 18.02.2020 um 17:35 Uhr MEZ diese Farbaufnahme der Venus. Daten: Teleskop
190 mm/3.560 mm (Dall-Kirkham), ZWO ASI178MM-C, Baader-UV-Filter, ZWO-NIR-Filter (850 nm), keine weiteren Belichtungsdaten. Aus den beiden Grundaufnahmen in UV und NIR wurde ein LBGR erstellt: L = UV, B = UV, G = UV+NIR, R = NIR. Die hellen Wolken erscheinen daher im Blauen verstärkt, die dunklen Gebiete leuchten heller im NIR.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 123
Planeten 124 | Journal für Astronomie Nr. 75
4 Venus am 01.06.2020 morgens
um 07:46 Uhr UT schon sehr nahe an der Sonne, scheinbarer Durchmesser 57,6'' mit weit übergreifenden Hörnerspitzen bei 0,7% Beleuchtung! Bildautor: Jens Leich. Daten: 130-mmApochromat (Starfire), Effektivbrennweite 3.250 mm, FFC und R-Filter, Videokamera DMK 21AU618.AS, 1.100 von 10.000 Einzelbildern je 0,4 ms, Software: AviStack 2.
5 Der Venusring am 02.06.2020
um 07:08 Uhr UT, 36 Stunden vor der Konjunktion, Abstand zum Sonnenrand 2,4 Grad , Beleuchtung 0,09%. Im Ring sind Inhomogenitäten zu sehen. Ursächlich ist möglicherweise die Durchlässigkeit der Wolken in der Venusatmosphäre. Teleskop: TSPhotoline- ED-Refraktor 110 mm/770 mm ohne Energieschutzfilter. Kamera ASI 178 MM mit Zeiss-Abbe-Barlowlinse und Astrodon-Grünfilter. 7% der 30.000 Videobilder wurden gestackt. Bildautor: Wolfgang Bischof.
6 Venus nähert sich den Plejaden.
Schon am 31.03.2020 um 19:53 Uhr UT gelang Werner E. Celnik in Rheinberg diese schöne Ansicht. Daten: 200-mm-Objektiv f/4, 15 x 90 s belichtet mit einer Canon 1300Dir und UV/ IR-Sperrfilter L2 bei ISO 400.
7 Werner Probst konnte am
02.04.2020 im Gurktal/Kärnten diese Ansicht aufnehmen. Daten: Canon EF 200 LII bei Blende 5,6, 10 x 30 s bei ISO 800 mit der Canon 5D MkII, nachgeführt mit der Vixen Polarie.
8 Bernd Gährken hatte in Mün-
chen Glück mit einem Wolkenloch, die maximale Annäherung der Venus an die Plejaden konnte gut dokumentiert werden. Canon EOS-M, 180-mm-Tele bei f/5,6 und 21 x 30 s Belichtungszeit.
9 Ralf Ingo Schäfer fuhr am
04.04.2020 von Dortmund nach Ascheberg ins Münsterland und baute dort seine Skywatcher-Montierung auf. Daten: Nikon D7000 mit AF-Nikkor 180 mm (f/2,8 auf f/4,0 abgeblendet), um 21:43 Uhr 2 Sekunden bei ISO 1600 belichtet.
Planeten Journal für Astronomie Nr. 75 | 125
126 | Journal für Astronomie Nr. 75
1 0 Michael Schomann nahm am
04.04.2020 über den Dächern der hell erleuchteten Stadt Hannover eine Zeitrafferserie zur Venuspassage auf. Die Canon 6D arbeitete von 21:00 bis 0:40 Uhr automatisch allein am Pentax SDHF 75/500 mit der kleinen Takahashi EM10. Um 23:44 Uhr sauste ein Meteor in Nordwestrichtung.
1 1 In Wirges/Westerwald verfolgte
Bernd Flach-Wilken die Konjunktion zwischen Venus und den Plejaden vom 02.-04.04.2020. Jeweils gegen 19:15 Uhr UT entstanden mit einem ,,bespiketen" 80-mm-Refraktor (f = 560 mm) diese zu einem Komposit zusammengesetzten Aufnahmen (Venusbewegung von rechts nach links).
1 2 Stephan Küppers fotografierte
Venus vom 4.-06.04.2020 bei den Plejaden von Krefeld aus - ein schöner Anschluss an Abb. 11. Daten: Canon 6D mit Zoomobjektiv 70-200 mm bei 200 mm und Blende 4, Belichtungszeit 35 x 30 s bei ISO 200.
Radioastronomie
Neues aus der Fachgruppe Radioastronomie
von Frank Theede
Das für den 28.03.2020 in Kiel geplante Fachgruppentreffen musste aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie und der damit verbundenen Kontakt- und Reisebeschränkungen auf einen späteren Termin verschoben werden. Bis zum Redaktionsschluss für dieses Heft im April 2020 wurde wegen der unklaren Lage noch kein Nachholtermin festgelegt. Der neue Termin wird auf der Webseite der Fachgruppe [1] bekanntgegeben. Falls wir um ein ganzes Jahr verschieben müssen und uns erst in 2021 treffen, sind Anmeldungen auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Journals an leitung@radioastronomie.vdsastro.de noch möglich. Die Teilnehmer des durch Mitglieder der Fachgruppe und der GvA Kiel organisierten Treffens erwartet ein spannendes Vortrags- und Besichtigungsprogramm.
Die Webseite unserer Fachgruppe wird kontinuierlich weiterentwickelt. Als ein Beispiel dafür sei die erweiterte Liste von Amateur-Radioastronomie-Anlagen erwähnt. Hier finden sich neben Hinweisen zum Stockert u. a. Informationen zur Regiomontanus Sternwarte in Nürnberg [2] und zur Walter-Hohmann-Sternwarte in Essen [3].
Ein Buchtipp, nicht nur für interessierte Neueinsteiger in die Radioastronomie, kommt von Michael Stöhr und Wolfgang Herrmann: ,,An Introduction to Radio Astronomy" von Burke, Graham-Smith und Wilkinson in der deutlich verbesserten vierten Auflage aus dem Jahr 2019. Dieses Buch ist absolut topaktuell und sehr gut gemacht. Das Standardwerk ,,Radio Astronomy" von John Kraus (1. Auflage 1966,
2. Auflage 1986), welches nur noch antiquarisch verfügbar ist, hat damit einen Nachfolger erhalten.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2020): [1] Webseite der Fachgruppe Radioastro-
nomie, www.vds-astro.de/ [2] J. Schneidewind, T. Lauterbach,
2019: ,,Das Arno-Penzias-Radioteleskop", VdS-Jounal für Astronomie 71 (4/2019), S. 44 [3] P. Riepe, F. Theede, 2019: ,,Das Treffen 2019 der Fachgruppe Radioastronomie", VdS-Jounal für Astronomie 71 (4/2019), S. 59
Sternbedeckungen
Streifende Sternbedeckungen durch den Mond
im November und Dezember 2020
von Eberhard Riedel
Die Monate November und Dezember bieten sechs sehenswerte streifende Bedeckungen von Sternen durch den Mond. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse quer über Deutschland, die der mittlere nördliche oder südliche Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns zu verfolgen. Alle Streifungen finden am unbeleuchteten Mondrand statt und sind bereits mit kleineren Fernrohren zu beobachten. Die nachfolgenden Erläuterungen und Grafiken verdeutlichen die genauen Umstände jedes Ereignisses.
Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden.
Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien
und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter Berücksichtigung der Höhe optimiert werden, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch in eine Google-Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
Alle hier dargestellten Grafiken sind für Meereshöhe gerechnet. Bei deutlich höher
Journal für Astronomie Nr. 75 | 127
Sternbedeckungen
gelegenen Beobachtungsstationen muss deren Höhe unbedingt in die Berechnung einbezogen werden, um eine genügend genaue Vorhersage zu erhalten.
Die Software kann kostenlos unter www. grazprep.com heruntergeladen und installiert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind dort ebenfalls herunterzuladen oder direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdSFachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.
Ereignis 1: 07.11.2020, 00:59 MEZ In der Nacht vom 6. auf den 7. November zieht ab 00:59 Uhr MEZ der zu 65% beleuchtete abnehmende Mond mit seinem Nordrand am 7,4 mag hellen Stern SAO 79804 vorbei. Die Streifung ist auf einer Linie von Bad Bergzabern über Germersheim, Tauberbischofsheim, Hof und Marienberg bis Görlitz zu sehen.
Die Abbildung 1 zeigt oben für die Länge 10 Grad Ost südlich von Würzburg, dass die scheinbare Sternbahn (blauweiß gestrichelte Linie mit Minutenangaben) den mittleren Mondrand (weiß gepunktet) im bequemen Abstand vom Terminator (rechter Bildrand) tangential berührt. Bei der Beobachtung von der Zentral-
1 07.11.2020 um 00:59 Uhr MEZ, die scheinbare Sternbahn von SAO 79804 (blau-
weiß gestrichelte Linie) bei Beobachtung genau von der vorhergesagten Grenzlinie, mit 12-facher Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 1.000 Meter
128 | Journal für Astronomie Nr. 75
Sternbedeckungen
linie aus (hier berechnet für Meereshöhe) würde der Mond aber am Stern ohne eine Bedeckung knapp vorbeiziehen. Die roten Begrenzungslinien geben den durch die Mondparallaxe verursachten Versatz der scheinbaren Sternbahn an, wenn man sich 1.000 Meter beidseits von der Zentrallinie entfernt (jeweils senkrecht zur Zentrallinie gerechnet). Dadurch wird abschätzbar, wie weit man sich von der für den mittleren Mondrand gerechneten Linie entfernen muss, um Sternbedeckungen sehen zu können. In der Abbildung rechts ist in einem Ausschnitt der Verlauf der scheinbaren Sternbahn dargestellt, wenn man von einem Ort ca. 950 Meter weiter südlich beobachtet. Hier kann der Stern gleich achtmal hinter den Erhebungen auf dem Mond verschwinden und wiederauftauchen.
In den Grafiken ist das Mondrandprofil in 12-facher Überhöhung dargestellt, weshalb auch die Krümmung der scheinbaren Sternbahn grafisch erforderlich
ist. Auf diese Weise kann besser beurteilt werden, wann und wie viele Bedeckungsereignisse im Einzelnen zu erwarten sind.
Einen erheblichen Einfluss auf die zu beobachtenden Kontakte hat auch die Höhe des Beobachtungsortes, für die die aufzusuchende Beobachtungsposition korrigiert werden muss. SAO 79804 ist mit 0,18'' ein sehr enger
Doppelstern. Die Komponenten sind 7,9 mag und 8,6 mag hell und stehen im Positionswinkel von 173 Grad . Deshalb kann die interessante Situation entstehen, dass es zeitweise nur zur Bedeckung der südlich stehenden Komponente kommt, wodurch das kombinierte Licht des Sterns zeitweise ein Flackern zeigen kann.
Ereignis 2: 07.11.2020, 01:07 MEZ In der gleichen Nacht, nur wenige Minuten nach Ereignis 1, wird auch der 6,8 mag helle SAO 79805 am fast gleichen Positionswinkel des Mondrandes gestreift. In den Genuss kommen aber nur Sylter oder Sylturlauber, wenn sie sich in der Mitte der Insel aufhalten.
Die Abbildung 2 zeigt zwischen 01:07 und 01:09 Uhr MEZ 12 Kontakte des Mondrandes mit dem Stern, wenn man knapp 1.700 Meter südlich der vorausberechneten Linie auf Meereshöhe beobachtet. Das Mondrandprofil ist erneut 12-fach überhöht dargestellt. Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz von +- 1.000 Meter.
SAO 79805 ist nicht als Doppelstern bekannt. Nicht selten wurden jedoch bei
2 07.11.2020 um 01:07 Uhr MEZ, die scheinbare Sternbahn von SAO 79805,
12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 1.000 Meter
Sternbedeckungen durch den Mond enge Doppelsterne entdeckt. Zu beobachten wäre dann ein langsameres oder nur teilweises Verschwinden und Wiederauftauchen des Sternlichtes.
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Sternbedeckungen
Ereignis 3: 07.11.2020, 03:36 MEZ Nicht nur Streifenden-Beobachter in Süddeutschland und im extremen Nordwesten kommen in der Nacht zum 7. November auf ihre Kosten, sondern auch solche in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Dort wird auf der Linie Lingen (Ems) über Celle und Stendal bis nach Bernau bei Berlin ab 03:36 Uhr MEZ der 6,4 mag helle Stern SAO 79864 ebenfalls vom Nordrand des Mondes gestreift.
Die Ausbeute an Kontakten kann aufgrund der Mondrandstruktur und der größeren Nähe zum Terminator in diesem Fall weniger ergiebig sein als bei den Ereignissen 1 und 2 der gleichen Nacht. Die Abbildung 3 zeigt die Situation bei 10 Grad Ost in der Nähe von Celle mit einer Ablage von 600 Meter südlich der Zentrallinie, wo ab 03:40:45 Uhr MEZ mit 6 Kontakten gerechnet werden kann. Die roten
3 07.11.2020 um 03:36 Uhr MEZ, die scheinbare Sternbahn von SAO 79864,
12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
Begrenzungslinien zeigen den Versatz der scheinbaren Sternbahn von +- 3.000 Meter, so dass man abschätzen kann, dass von anderen Beobachtungsstationen wegen der relativ steilen Mondstrukturen
(erneut 12-fach überhöht dargestellt) kaum mehr Kontakte möglich sind. SAO 79864 ist mit 2,1'' ein weiter Doppelstern. Der 9,8 mag helle Begleiter steht jedoch nordwestlich und wird nicht bedeckt.
Ereignis 4: 22.11.2020, 22:27 MEZ Dieses spektakulärste (!) Ereignis vor dem Jahresende findet in den Abendstunden des 22. November in Süddeutschland statt und ist auf einem Streifen von Überlingen über Bad Schussenried, Ingolstadt und Regensburg bis nach Cham zu verfolgen.
Der auf dieser Linie bedeckte Stern ist der 5,7 mag helle 69 Aquarii. Der zunehmende Mond ist zu 56% beleuchtet, weshalb bei gleichfalls großem Abstand zum Terminator die Beobachtung sehr leicht fallen dürfte. Etwas getrübt wird die Vorfreude durch die relativ geringe Höhe des Mondes über dem Horizont.
4 22.11.2020 um 22:27 Uhr MEZ, die scheinbare Sternbahn von 69 Aquarii,
12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
Die Abbildung 4 zeigt die Kontaktsituation auf einer Länge von 12 Grad Ost bei Regensburg, wenn man ca. 1.900 Meter nach Norden ausweicht, wo es ab 22:27:30 Uhr MEZ innerhalb von knapp 5 Minuten zu 16 Kontakten und mehr kommen kann. Die roten Begrenzungslinien zeigen hier den Versatz der scheinbaren Sternbahn in einem Abstand von +- 3.000 m von der
mittleren Streifungslinie an. Das erneut 12-fach überhöht dargestellte Mondrandprofil zeigt mittig im Bild eine ausgesprochen flach verlaufende Mondoberfläche, die bei der gerechneten Beobachtungsposition genau über den Stern läuft. Gerade in solchen Regionen ist mit einer Vielzahl von Kontakten zu rechnen, da bereits geringste Höhenunterschiede auf dem
Mond zu Bedeckungsereignissen führen. 69 Aquarii ist zwar ein Dreifachsystem, dessen übrige Komponenten jedoch sehr weit entfernt sind und nicht bedeckt werden können.
130 | Journal für Astronomie Nr. 75
Sternbedeckungen
Ereignis 5: 06.12.2020, 23:09 MEZ Am späten Abend des 6. Dezember wird der 7,3 mag helle Stern SAO 99091 vom 61% beleuchteten abnehmendem Mond am Nordrand bedeckt. Bereits auf der Zentrallinie für den mittleren Mondrand wird der Stern mehrfach bedeckt. Allerdings ist dieses Ereignis dem südöstlichen Bayern auf der kurzen Linie von Kiefersfelden über Reit im Winkl bis Bad Reichenhall vorbehalten.
Die Abbildung 5 zeigt die Situation in der Nähe von Bad Reichenhall, wo bei einer Ablage nach Süden von ca. 290 Meter ab 23:09 Uhr MEZ bis zu 12 Kontakte verzeichnet werden können. Etwas ungünstig kann sich nur die relativ geringe Horizonthöhe von 8 Grad auswirken. Das Mondrandprofil ist erneut 12-fach überhöht
5 06.12.2020 um 23:09 Uhr MEZ, die scheinbare Sternbahn von SAO 99091,
12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 1.000 Meter
dargestellt. Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz von +- 1.000 Meter. SAO 99091 wird als Einzelstern bedeckt.
Ereignis 6: 20.12.2020, 18:02 MEZ Den Abschluss des Jahres 2020 bildet am frühen Abend des 20. Dezember die streifende Südrandbedeckung des 7,1 mag hellen SAO 165551 (= HD 218928) durch den nur zu 38% beleuchteten zunehmenden Mond. Die Zentrallinie erstreckt sich in steil nordöstlicher Richtung von Merzig über Mastershausen, Lahnstein, Warburg, Hildesheim und Dannenberg (Elbe) bis nach Hiddensee.
Die Abbildung 6 zeigt die Streifungssituation für die Länge 10 Grad Ost. Das Mondrandprofil ist 12-fach überhöht dargestellt. Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz von +- 3.000 Meter. Bei einem Abweichen um ca. 2.640 Meter senkrecht zur Streifungszone nach Südosten kann es zu bis zu 12 Kontakten kommen.
SAO 165551 ist ein Doppelstern. Die zweite, 7,8 mag helle Komponente steht ca. 2'' westlich des Hauptsterns und befindet sich daher stets gemeinsam im
6 20.12.2020 um 18:02 Uhr MEZ, die scheinbare Sternbahn von SAO 165551,
12-fache Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
Bild. Bei der empfohlenen Beobachtungsposition mit einer Ablage von 2.640 Meter würde es nur zu Bedeckungen des Hauptsterns kommen. Stellt man sich aber nur 50 Meter weiter nordwestlich auf, sieht man zwar eine geringere Anzahl von Kontakten des Hauptsterns, kann aber dafür ebenfalls das Verschwinden des Begleiters beobachten. Bei günstigster Positionierung werden beide Sterne mehrfach bedeckt.
Journal für Astronomie Nr. 75 | 131
Veränderliche
Beteigeuze trotz Schwäche ganz stark
von Dietmar Bannuscher
Seit ich mich für Astronomie interessiere, warte ich eigentlich auf die Supernova-Explosion von Beteigeuze, dem hellen, roten Überriesen im Sternbild Orion. Endlich hörte man ab Ende Dezember 2019 wieder Ungewöhnliches von diesem Stern, allerdings sank seine Helligkeit, unerwartet und in dieser Tiefe bisher noch nicht da gewesen.
Üblicherweise schwankt Beteigeuze (Alpha Ori, im engl.: Betelgeuse) in seiner Helligkeit mit meist bis zu 0,6 Magnituden (bisherige Amplituden zwischen 0,4 bis zu 1,3 mag beobachtbar) innerhalb einer Hauptperiode von rund 420-430 Tagen. Man findet auch eine Periode von 5-6 Jahren sowie von 100-180 Tagen. Als Ursache für die Lichtwechsel werden Pulsationen der Oberfläche und auch Umwälzungen durch riesige konvektive Schichten (Supergranulen) angenommen. Beteigeuze, an die Stelle der Sonne gesetzt, würde die Jupiterbahn ausfüllen, dabei wäre die äußere Atmo
sphäre reichlich dünn (das so genannte ,,orange Vacuum"). Gleichwohl bewegt sich diese Hülle bei Pulsationen durchaus um bis zu 75 Millionen Kilometer innerhalb der o. g. Perioden [1, 2, 3].
Beteigeuze zählt zu den so genannten halbregelmäßigen Veränderlichen (Semireguläre) und zwar zur Untergruppe C. Diese zeigen Helligkeitsveränderungen von bis zu 1 mag innerhalb von kürzeren oder auch sehr langen Perioden. Normalerweise befinden sich späte Überriesen darin, dabei auch Antares und der Granatstern Cep.
Alpha Ori lässt sich als roter (eher oranger) Stern nicht so leicht am Himmel schätzen, für das menschliche Auge erscheinen diese Objekte generell heller als z. B. weiße oder blaue Vertreter [4]. Der geneigte Beobachter sollte die einzelnen Sterne nur indirekt anschauen, den Schätzvorgang kurz halten (nicht starren), sondern eher 2-5-mal wie-
derholen, um dann eine genauere Helligkeit zu erlangen. Fotografen sollten mit kleinen Objektiven arbeiten (Vergleichssterne mit im Bild), die Sterne leicht defokussieren.
Geeignete Vergleichssterne finden sich direkt im Orion und nahebei (AAVSOHelligkeiten):
Rigel ( Ori) Prokyon ( CMi) Aldebaran ( Tau) Bellatrix ( Ori) Saiph ( Ori)
0,1 mag 0,4 mag 0,9 mag 1,6 mag 2,1 mag
Bereits im Herbst 2019 sank erwartungsgemäß die Helligkeit von Beteigeuze, allerdings ab Dezember in bisher unerreichte Tiefen von fast 1,5 mag. In der Langzeitlichtkurve der AAVSO (Abb. 1) gibt es durchaus vergleichbare Absenkungen in den Jahren 1941, 1945 und 1953 sowie auch in den 1980er-Jahren. Allerdings beobachteten diese tiefen Einschnitte meist nur we-
1 Gesamtlichtkurve von Beteigeuze (AAVSO), mit freundlicher Genehmigung
132 | Journal für Astronomie Nr. 75
Veränderliche
2 Visuelle Lichtkurve von
Beteig euze, Ende Dez. 2019 bis Mitte April 2020, Dietmar Bannuscher
nige Personen. Im Februar 2020 wurde das Minim um von 1,6 mag (je nach Beobachter bis zu 2,3 mag in V) erreicht [5].
Meine Lichtkurve zeigt am 8. Februar 2020 (JD 2458888,5) 1,65 mag an (Abb. 2), später verläuft sie schnell nach oben. Zu Beginn der Beobachtung eher uneinheitlich, Trend aber erkennbar.
Aufgrund von unterschiedlichen Beobachtungsbedingungen, Augen und Vergleichssternhelligkeiten variieren die Lichtkurven der einzelnen Beobachter untereinander schon etwas, der Zeitpunkt der geringsten Helligkeit bleibt aber weitestgehend gleich. Der Stern wurde auch von der ESO fotografiert. Die Abbildung 3 zeigt Beteigeuze im Januar 2019 mit dem SPHERE-Instrument des Very Large Telescope der ESO, man sieht tatsächlich die Oberfläche. Im Dezember 2019 nahm dasselbe Instrument erneut Alpha Ori auf, eine deutliche Helligkeitsund Durchmesserabnahme erscheint gut sichtbar. Ob hier kühlere Materie im Rahmen der Konvektion erscheint und somit
den Helligkeitsverlust erklärt, oder ob eine der zahlreichen Materieabstoßungen der Vergangenheit den Stern nun verdunkelt, muss noch geklärt werden.
Beteigeuze ist fast ein halbes Jahr lang gut sichtbar, mit der richtigen Technik (siehe oben) leicht zu beobachten und immer wieder für eine Überraschung gut. Die Forscher haben allerdings die Supernova in ganz weite Ferne gerückt, bis dahin sollen womöglich noch 100.000 Jahre vergehen. Man kann nie wissen ...
Literatur- und Internethinweise (Stand 17.06.2020): [1] R. Burnham jr., 1978: ,,Burnham´s
Celestial Handbook, Vol. 2", Dover
Publ., New York, p. 1271ff [2] E. F. Guinan, R. J. Wasatonic, T. J.
Calderwood, 2019: ,,The Fainting of the Nearby Red Supergiant Betelgeuse", The Astronomers Telegram ATEL #13337, Dec. 2019 [3] E. O. Waagen, 2020: ,,Alpha Orionis (Betelgeuse)", www.aavso.org/vsots_ alphaori (6.1.2020) [4] BAV, 2009: ,,Einführung in die Beobachtung Veränderlicher Sterne", 4. ergänzte und erweiterte Auflage, Eigenverlag [5] E. F. Guinan, R. J. Wasatonic, T. J. Calderwood, D. Carona, 2020: ,,The Fall and Rise in Brightness of Betelgeuse", The Astronomers Telegram ATL #13512, Feb. 2020
3 Beteigeuze, aufgenommen mit dem SPHERE-Instrument des Very Large Telescope der ESO, links: Januar 2019, rechts: Dezember 2019,
mit freundlicher Genehmigung
Journal für Astronomie Nr. 75 | 133
VdS-Nostalgie ausgewählt und zusammengestellt von Peter Völker - Folge 38
In der Abbildung ist das SuW-Heft von April 1969 zu sehen, in dem die VdS-Nachrichten erstmals eingeheftet waren (Fotomontage). Die Faksimile der VdS-Nachrichten selbst zeigen die Titelseite und die Seite 2 mit den entsprechenden Begrüßungsworten, die leider ohne Namensunterschriften sind. Seite 1 könnte von Walter von Stein sein, Seite 2 hört sich (der Rhetorik nach) nach Harro Zimmer an. Der Vorgang ,,VdS-Nachrichten eingeheftet in SuW-Gesamtauflage" startete
recht friedlich. Der große ,,Knall" folgte erst im Herbst auf der denkwürdigen Mitgliederversammlung in Berlin ...
134 | Journal für Astronomie Nr. 75
VdS-Nostalgie Journal für Astronomie Nr. 75 | 135
VdS vor Ort / Tagungsberichte
Astronomietag ohne Besucher
von Eberhard H. R. Bredner
Als Folge der Situation durch das Virus Covid 19 musste in diesem Jahr der Tag der Astronomie am 28. März 2020 abgesagt werden, weil eine Beobachtung in der Öffentlichkeit durch das allgemeine Kontaktverbot unmöglich gemacht worden ist.
1 Abgeschiedener
Corona-Beobachtungsort
Als Thema war einmal die Beobachtung der Passage der nur zu 17% beleuchteten schmalen Mondsichel nahe der brillant leuchtenden Venus herausgestellt worden. Außerdem standen dort ganz in der Nähe die ,,sieben Schwestern" - auch als Plejaden bekannt - eindrucksvoll am sternklaren Himmel. Als für die Fachgruppe Sternbedeckung verantwortlich hatte ich auch auf eine totale Sternbedeckung eines 8,6 mag hellen Sterns am dunklen Mondrand hingewiesen.
Ich wollte auf jeden Fall den Abend für eine Beobachtung nutzen und habe mir im Garten ein provisorisches Fundament aus kleinen Betonplatten vorbereitet (Abb. 1). In der Nacht konnte ich dort dann weit entfernt von allen Nachbarn ein kleines Fernrohr aufbauen (Abb. 2).
Leider war dann in weiten Teilen Deutschlands der Himmel bedeckt, aber an meinem Standort im südlichen Münsterland ließen sich Mond und Venus durch eine geringe Bewölkung verfolgen. Nur knapp grenzwertig war es möglich, den Zeitpunkt der Sternbedeckung per Video aufzuzeichnen. Der Stern war durch den Dunst nur nach einer groben Verstärkung des VideoSignals sichtbar, was aber bedeutete, dass der ,,dunkle" Mondrand sehr hell abgebildet wurde. Eine Auswertung des Zeitpunktes war noch möglich.
Bei der Übersicht weiterer möglicher totaler Bedeckungen fand ich heraus, dass einen Tag später der mit 3,5 mag sehr helle Stern Ain (Epsilon Tauri) - nördlich von Aldebaran - bedeckt werden würde. Und nach der Wetterprognose sollten sich am Abend die Regenwolken verziehen. Genau das geschah dann auch rechtzeitig, so dass die wirklich eindrucksvolle totale Bedeckung an einem sternklaren Himmel am inzwischen zu 24% beleuchteten Mond beobachtet werden konnte. Entsprechend dem Leitsatz der Fachgruppe: Lassen Sie sich verzaubern!
2 Abendlicher Aufbau mit Beobachter
Die Abbildung 3 zeigt den Stern kurz vor der Bedeckung als Einzelbild des Videos, alle Astrofotografen mögen die Qualität gnädig tolerieren (keine Bildbearbeitung).
136 | Journal für Astronomie Nr. 75
VdS vor Ort / Tagungsberichte
Die Aufnahme war unter den geschilderten Bedingungen genau 20 Millisekunden lang belichtet worden. Immerhin deutet sich auf der Nachtseite des Mondes der Krater Grimaldi an.
Natürlich ist ein Tag der Astronomie unter diesen Bedingungen nur eingeschränkt als Werbung für unsere Beobachtungen geeignet, aber die Konstellation am Samstag war eindrucksvoll und sogar mit dem bloßen Auge zu verfolgen.
Der Tag war vom Vorstand der VdS also sehr gut gewählt worden, ich wünsche dem alternativen Astro-Tag am 24. Oktober einen besseren Ablauf, ohne die Einschränkungen durch ein Virus.
3 29.03.2020, Stern Epsilon Tauri vor der totalen Bedeckung durch die Nachtseite
des Mondes in Höhe des Kraters Grimaldi (Einzelbild aus Video, Bild: E. H. R. Bredner)
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
Mitgl.-Nr. Name
19691 Sablowski
Daniel
21259 Adler
21139 Vollmer
Engelbert
21260 Braunschmidt
21246 Schäufler
Christoph
21261 Kutta
21247 Dannhauer
Simon
21262 Schwab
21248 Dr. Kükenhöhner Thomas
21263 Schubert
21249 Saalbach
Lydia Marie
21264 Schuster
21250 Feldmann
Joerg
21265 Hoffmann
21251 Wiemann
Roland
21266 Stubinitzky
21252 Schneider
Manfred
21267 Stump
21253 Litschel
Reinhold
21268 Bischoff
21254 Hartmann
Markus
21269 Prohaska
21255 Varding
Miriam
21270 Dr. Brill
21256 Pein
Sabrina
21272 Förster
21258 Ing. Mag. Wenzel Bernhard
VdS-Nachrichten
Vorname
Stefan Bettina Marc Wolfgang Andreas Sebastian Tobias Jonathan Matthias Joachim Armin Mirko Wolfgang Kevin
Journal für Astronomie Nr. 75 | 137
FUHRMANN
PERSEUS Algol
Aldebaran
Plejaden STIER
R WIDDE
Uranus
DREIECK
EDA ANDROM
KASSIOPEIA
FISCHE Mars
KEPHEUS Deneb
SCHWAN
Wega
HERKULES
LEIER
EIDECHSE
PEGASUS
Albireo FÜCHSCHEN
PFEIL
DELFIN FÜLLEN
Atair
ADLER
SCHLANGENTRÄGER
Mira WALFISCH
ERIDANU S
SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. Oktober 23 Uhr MESZ
Neptun
WASSERMANN
SCHILD
SÜDL. FISCH Fomalhaut BILDHAUER
SÜD
STEINBOCK Saturn
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zusammengestellt von Werner E. Celnik, mit Beiträgen von Dietmar Bannuscher und Wolfgang Quester (Veränderliche Sterne), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Kleinplaneten).
Ereignisse im Oktober
01. 17h
Merkur (0,1 mag, 6,8'') in größter östl. Elong., 26 Grad
01. 22:05 Vollmond
02. 00:30 U Sge, Min.-Mitte 9,2 mag, Dauer gleicher Helligkeit 1,6 Std.,
Abstieg von 6,6 mag in rd. 5 Std., zum Schluss sehr schnell
03. 5h
Mond 1,2 Grad S Mars (-2,5 mag, 22,5'')
03. 5h
Venus (-4,1 mag, 15,3'') 15' SO Regulus ( Leo, 1,4 mag)
03. 18h
Mond erdfern, 29,4'
04. ca. 03:19 (406) Erna (14,3 mag) bedeckt HIP 15181 (8,1 mag) für
11,3 s, Hell.-Abnahme 6,2 mag, Pfad Österr., S-Deutschld.
06. 15h
Mars (-2,6 mag, 22,55'') in Erdnähe, 62,1 Mio. km
06. 22:50 Mond 3,7 Grad N Aldebaran ( Tau, 1,0 mag)
07. 00:10 Beta Per (Algol), Min. 3,4 mag, Abstieg von 2,1 mag in 3 Std.
07. 23:40 X Tri, Min. 1,3 mag, Abstieg von 8,6 mag in rd. 1,5 Std.
07. 24h
(8) Flora (8,4 mag) 54' N Stern Cet (2,5 mag), Sternbild
Walfisch, auch am 8.10.
08. ab 23:32 Streif. Sternbed. Mond - 8 Gem (SAO 78168) (6,1 mag),
Linie Bad Bentheim - Cloppenburg - Bremervörde -
Neumünster - Panker
09. ab 23:40 Streif. Sternbed. Mond - 48 Gem (SAO 79163) (5,9 mag),
Linie Radolfzell am Bodensee - Bad Saulgau - Laupheim
- Donauwörth - Schwarzenfeld
10. 01:40 Letztes Viertel
11.
max. Libration Ost
12. ca. 01:15 (245) Vera (12,9 mag) bedeckt TYC 1900-00992-1 (8,6 mag)
für 4,8 s, Hell.-Abnahme 4,3 mag, Pfad Schweiz, SO-
Deutschld. Österr.
12. 23:00 RZ Cas, Min. 7,7 mag, Abstieg von 6,1 mag in 2,5 Std.
13. 04:15 Mond 3,8 Grad N Regulus ( Leo, 1,4 mag)
138 | Journal für Astronomie Nr. 75
14. 0h
Mars (-2,6 mag, 22,32'') in Opposition zur Sonne,
Sternbild Fische
14. 5h
Mond 3,9 Grad NO Venus (-4,0 mag, 14,4'')
15. ab 05:46 Streif. Sternbed. Mond - SAO 119227 (7,5 mag), Linie
Offenburg - Ulm - Augsburg - Freising - Bad Füssing
16. 20:31 Neumond
17. 1h
Mond erdnah, 33,5'
18. ca. 23:17 (800) Kressmannia (14,2 mag) bedeckt TYC 1787-717-1
(9,1 mag) für 1,8 s, Hell.-Abnahme 5,1 mag, Pfad N-
Deutschld.
21. auf 22. Maximum Meteorschauer der Orioniden, 67 km/s, ca. 20/h
21.
Mira ( Cet), Maximum zw. 5-2 mag, Anstieg von 10 mag
in den letzten 6 Monaten
21. ab 19:28 Mond bedeckt Sgr (2,8 mag), Zeitpunkt abh. v. Standort
22. 5h
(4) Vesta (8,2 mag) 2,2 Grad N Regulus ( Leo, 1,4 mag),
Sternbild Löwe
22. 19h
Mond 2,9 Grad S Jupiter (-2,2 mag, 37,9'') u. 6,8 Grad SW Saturn
(0,6 mag, 16,6'')
23. 14:23 Erstes Viertel, max. Libration West
23.
R And, Maximum zw. 9-6 mag, Anstieg von 13 mag in den
letzten 8 Monaten
25. 19h
Merkur in unt. Konjunktion mit der Sonne
27. 02:00 Umstellung von Sommerzeit MESZ auf MEZ, Uhr um
1 Stunde von 3h MESZ auf 2h MEZ zurückstellen
29. 20:37 Mond 3,5 Grad SO Mars (-2,2 mag, 20,4'')
30. 20h
Mond erdfern, 29,4'
30. 22h
(8) Flora (8,0 mag) 3,7' W Doppelstern Cet (3,5 mag),
Sternbild Walfisch
31. 15:49 Vollmond
31. 17h
Uranus (5,7 mag, 3,8'') in Opposition zur Sonne, Sternbild
Widder
Castor Pollux
ZWILLINGE
FUHRMANN
Beteigeuze ORION
Aldebaran
Rigel
Capella
KASSIOPEIA
KEPHEUS
Algol
STIER
PERSEUS Plejaden
DREIECK WIDDER
ANDROM EDA
Uranus
FISCHE
EIDECHSE
Deneb PEGASUS
Wega
LEIER
SCHWAN
Albireo
FÜCHSCHEN PFEIL
DELFIN
Atair
FÜLLEN
ADLER
Mars
Mira WALFISCH
Neptun
WASSERMANN
SÜDOST
ERIDANUS
Sternkarte exakt gültig für 15. November 22 Uhr MEZ
Mondphasen im November 2020
BILDHAUER
STEINBOCK FomalhautSÜDL. FISCH SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
SÜD
www.sternfreunde.de
Quellen: US Naval Observatory, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto), Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA (Steve Preston), Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]), Homepage der International Meteor Organization (IMO).
Letztes Viertel 8.11.
Neumond 15.11.
Erstes Viertel 22.11.
Vollmond 30.11.
Ereignisse im November
01.
(15) Eunomia (9,8-8,9 mag) zieht eine Schleife östl. um
off. Hfn. Praesepe (M 44), bis 31.12.
01.
(8) Flora (8,0 mag) in Opposition zur Sonne
01. 5h
(29) Amphitrite (10,9 mag) 24' SW Stern Leo (3,5 mag),
Sternbild Löwe, vgl. auch Folgetag
03. 05:30 Mond 4,3 Grad NO Aldebaran ( Tau, 1,0 mag)
07. ca. 00:59 Streif. Sternbed. Mond - SAO 79804 (7,4 mag), Linie Bad
Bergzabern - Germersheim - Tauberbischofsheim - Hof
- Marienberg - Bad Schandau
07. ca. 01:07 Streif. Sternbed. Mond - SAO 79805 (6,8 mag), Linie
Westerland - Keitum
07. ca. 03:36 Streif. Sternbed. Mond - SAO 79864 (6,4 mag), Linie
Lingen (Ems) - Celle - Stendal - Bernau bei Berlin
07. 23:40 Cep, Max. 3,48 mag, An- und Abstieg in 5,36 Tagen,
zirkumpolar
08. 14:46 Letztes Viertel, max. Libration Ost
09. 05:30 Mond 6,2 Grad NW Regulus ( Leo, 1,4 mag)
10. 6h
Merkur (-0,5 mag, 6,9'') in größter westl. Elong., 19 Grad , O-Hor.
10. 23:40 X Tri, Min. 1,3 mag, Abstieg von 8,6 mag in rd. 1,5 Std.
12. 06:51 Venus (-4,0 mag, 12,5'') 1,3' N Doppelstern Vir (4,4 mag)
12. 21:40 AI Dra, Min. 8,1 mag, Abstieg von 7,0 in rd. 2 Std.
13. 4h
(15) Eunomia (9,7 mag) 1,0 Grad NO off. Hfn. Praesepe
(M 44)
13. 06:15 Mond 8,8 Grad NW Merkur (-0,6 mag, 6,4'') und 4,6 Grad O Venus
(-4,0 mag, 12,5'') und 6,0 Grad N Spica ( Vir, 1,1 mag)
14. 05:30 (4) Vesta (8,0 mag) 13' N Galaxie M 95 (9,8 mag),
Sternbild Löwe
14. 13h
Mond erdnah, 33,4'
15. 06:07 Neumond
15. 20h
Mars (-1,6 mag, 17,3'') wird rechtläufig
16. 05:30 (4) Vesta (8,0 mag) 4,2' S Galaxie M 95 (9,3 mag),
Sternbild Löwe
16. auf 17. Maximum Meteorschauer der Leoniden, 71 km/s, ca. 15/h
17. 6h
Venus (-4,0 mag, 12,3'') 3,8 Grad N Spica ( Vir, 1,1 mag)
19. ca. 05:47 (234) Barbara (12,9 mag) bedeckt TYC 0151-00841-1
(10,0 mag) für 7,0 s, Hell.-Abnahme 3,0 mag, Pfad
N-Deutschld.
19. 18h
Mond 5,1 Grad SO Jupiter (-2,1 mag, 35,3'') u. 3,7 Grad S Saturn
(0,6 mag, 15,9'')
20.
max. Libration West
20. 3h
(4) Vesta (8,0 mag) 40' S Doppelstern Leo (4,0 mag),
Sternbild Löwe
20.
R Cas, Maximum 8-4 mag, Anstieg von 13,5 mag in den
letzten 8 Monaten
21. 21:10 Per (Algol), Min. 3,4 mag, Abstieg von 2,1 mag in 3 Std.
22. ca. 22:27 Streif. Sternbed. Mond - 69 Aqr (SAO 165298) (5,7 mag),
Linie Überlingen - Bad Schussenried - Ingolstadt -
Regensburg - Cham
22. 05:45 Erstes Viertel
23. 5h
(29) Amphitrite (10,7 mag) 3' NW Stern 46 Leo (5,4 mag),
Sternbild Löwe, vgl. auch Folgetag
24. 3h
(29) Amphitrite (10,7 mag) 12' O Stern 46 Leo (5,4 mag),
Sternbild Löwe
26. 2h
Mond 4,8 Grad S Mars (-1,3 mag, 15,4'')
27. 1h
Mond erdfern, 29,4'
30. 5h
Mond 6,1 Grad W Aldebaran ( Tau, 1,0 mag)
30. 10:30 Vollmond, Halbschattenfinsternis, in EU unbeobachtbar
Journal für Astronomie Nr. 75 | 139
LUCHS
Pollux Castor
KREBS
ZWILLINGE
KLEINER HUND
Procyon
Beteigeuze
GIRAFFE Capella
KASSIOPEIA
FUHRMANN
STIER Aldebaran ORION
Algol PERSEUS
ANDROMEDA DREIECK
Plejaden
WIDDER
Uranus
FISCHE Mars
HSE EIDEC
SCHWAN PEGASUS
EINHORN
GROSSER HUND Sirius SÜDOST
Rigel HASE
Sternkarte exakt gültig für 15. Dezember 22 Uhr MEZ
Mondphasen im Dezember 2020
Mira WALFISCH
ERIDANUS CHEMISCHER OFEN
SÜD
Neptun WASSERMANN
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Alle Zeitangaben in MEZ für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben. Zum Umrechnen in MESZ im Zeitraum 29.03.2020, 2:00 Uhr MEZ, bis 25.10.2020, 2:00 MEZ, eine Stunde zu den Zeitangaben addieren. ,,Libration West" bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom westlichen Mondrand befindet.
Letztes Viertel 8.12.
Neumond 14.12.
Erstes Viertel 22.12.
Vollmond 30.12.
Ereignisse im Dezember
03. ca. 02:47 (556) Phyllis (12,5 mag) bedeckt UCAC4 583-29121
(9,8 mag) für 5,3 s, Hell.-Abnahme 2,8 mag, Pfad
S-Deutschld.
03. 5h
(29) Amphitrite (10,6 mag) 27' SW Galaxie NGC 3388
(10,9 mag), Sternbild Löwe
05.
max. Libration Ost
06. ca. 23:09 Streif. Sternbed. Mond - SAO 99091 (7,3 mag), Linie
Mittenwald - Reit im Winkl - Bad Reichenhall
06. 06:30 Mond 8,8 Grad NW Regulus ( Leo, 1,4 mag)
06. 22:30 RZ Cas, Min. 7,7 mag, Abstieg von 6,1 mag in 2,5 Std.
07. ca. 05:55 (123) Brunhild (14,5 mag) bedeckt TYC 5538-369-1
(9,9 mag) für 1,5 s, Hell.-Abnahme 4,6 mag, Pfad Österr.,
SO- nach W-Deutschld.
07. 06:30 Mond 6,8 Grad NO Regulus ( Leo, 1,4 mag)
08. 01:37 Letztes Viertel
09. ca. 06:18 (498) Tokio (15,0 mag) bedeckt TYC 0865-01220-1
(9,5 mag) für 4,3 s, Hell.-Abnahme 5,5 mag, Pfad W- nach
O-Deutschld.
10. 06:30 Mond 8,6 Grad NW Spica ( Vir, 1,1 mag)
10. 23:20 Gem, Max. 3,62 mag, An- und Abstieg in 10,15 Tagen
11. 22:50 Per (Algol), Min. 3,4 mag, Abstieg von 2,1 mag in 3 Std.
12. 22h
Mond erdnah, 33,0'
13. 5h
(29) Amphitrite (10,5 mag) am N-Rand der Galaxien-
gruppe um M 105 (9,5 mag), Sternbild Löwe
13. 06:15 Mond 5,8 Grad O Venus (-4,0 mag, 11,2'')
13. ab 07:49 Mond bedeckt Doppelstern Sco (2,6 mag), bis ca. 08:21,
Zeitpunkte abh. v. Standort!
140 | Journal für Astronomie Nr. 75
13. auf 14. Maximum Meteorschauer der Geminiden, 35 km/s,
ca. 150/h
14. 17:17 Neumond, totale Sonnenfinsternis, beobachtbar im
südl. Südamerika
17. 5h
(15) Eunomia (9,2 mag) 7,5' SO Stern Cnc (3,9 mag),
Sternbild Krebs
17. 17:45 Mond 6,9 Grad O Jupiter (-2,0 mag, 33,5'') u. 6,7 Grad O Saturn
(0,6 mag, 15,4'')
18.
max. Libration West
19. 23:50 U Cep, Min.-Mitte 9,1 mag, Dauer gleicher Helligkeit
2,3 Std., Abstieg von 6,8 mag in rd. 5 Std., zum Schluss
ganz schnell
20. 4h
Merkur in ob. Konjunktion mit der Sonne
21. 11:02 Winteranfang
21. 17:45 Jupiter (-2,0 mag, 33,3'') 6,2' S Saturn (0,6 mag, 15,4'')
oder früher am Taghimmel
21. auf 22. Maximum Meteorschauer der Ursiden, 32 km/s, ca. 10/h
22. 00:41 Erstes Viertel
20. ca. 18:02 Streif. Sternbed. Mond - SAO 165551 (7,1 mag), Linie
Merzig - Mastershausen - Lahnstein - Warburg -
Hildesheim - Dannenberg (Elbe) - Hiddensee
20. 22:00 Cep, Max. 3,48 mag, An- und Abstieg in 5,36 Tagen,
zirkumpolar
24. 1h
Mond 5,4 Grad S Mars (-0,4 mag, 11,3'')
24. 18h
Mond erdfern, 29,5'
27. 18h
Mond 3,8 Grad NW Aldebaran ( Tau, 1,0 mag)
30. 04:28 Vollmond
31. ca. 04:25 (2376) Martynov (17,3 mag) bedeckt UCAC4 438-56847
(9,1 mag) für 2,5 s, Hell.-Abnahme 8,1 mag, Pfad NW-
nach SO-Deutschld., Österr.
Beobachterforum
Transit der ISS vor der Sonne
von Mehmet Ergün
Am 11. April 2020 um 13:10:07 Uhr zog an meinem Standort in Rheinböllen die Internationale Raumstation ISS mit einer Geschwindigkeit von 8 km/s vor der Sonne vorbei. Die ISS in einer Distanz von 520 km, die Sonne war 288.000-mal weiter entfernt: 149.900.000 km.
Unbedingt wollte ich einmal einen solchen Transit beobachten und aufnehmen und habe die Beobachtung ausgehend von der Homepage https://transit-finder.com drei Wochen lang vor-
1 Beobachtung des ISS-Transits auf einem Parkplatz
2 11.04.2020, die ISS vor der Sonne im H-Licht. Teleskop: Lunt LS100 B3400, Kamera: QHY5III174m, Aufnahme mit 50 Frames/s
Journal für Astronomie Nr. 75 | 141
Beobachterforum
bereitet. Über Google Maps habe ich einen geeigneten Aufnahmeort gefunden, der etwa 30 km von meinem Wohnort entfernt ist. Und so konnte ich mein Equipment in der Nähe der Autobahn A61/Rheinböllen auf einem offenen Parkplatz aufstellen (Abb. 1). Für eine perfekte Aufnahme hatte ich auch keinen großen Spielraum bei der Platzauswahl.
Die Leute in den oft dicht vorbeifahrenden Autos starrten mich und meine Gerätschaften an: Was macht denn der da? Glücklicherweise blieb ich unbehelligt. Und prompt passierte dennoch etwas: Ein paar Sekunden vor dem Transit streikte der Laptop! Ich war sehr aufgeregt, doch 10 Sekunden vor dem Transit ging wieder alles ...
Der eigentliche ISS-Transit dauerte nur eine Sekunde, und ich konnte ein Video mit 50 Frames pro Sekunde aufnehmen (Abb. 2). Aufnahmeinstrument war ein Lunt-Teleskop LS100 B3400 auf einer Montierung Rainbow Astro RST-135. Als Aufnahmekamera diente eine QHY5III174m.
Ich möchte mich und mein faszinierendes Hobby, die Astrofotografie, gerne kurz vorstellen: In der Türkei geboren habe ich den Großteil meines Lebens in Deutschland verbracht. Für das Weltall und die Astronomie interessiere ich mich schon seit meiner Kindheit. In der Schule war Erdkunde mein Lieblingsfach und als wir ,,endlich" mit unserem Heimatplaneten fertig waren, wuchs meine Begeisterung für die unendlichen Weiten des Weltalls. Mein Wissen über
die Astronomie habe ich mir größtenteils selbst angeeignet. In meiner Jugend verbrachte meine Familie ihre Urlaube häufig in der Natur, fernab der lichtverschmutzten Großstädte, wo der Blick in unser Universum umso schöner und geheimnisvoller ist.
Ungefähr 2010 habe ich mir mein erstes Teleskop gekauft, mit dem ich meine ersten praktischen Erfahrungen in der Astronomie gemacht habe. Den faszinierenden Anblick wollte ich gerne mit meiner Familie und meinen Freunden teilen, wodurch der Wunsch entstand, diese Augenblicke fotografisch festzuhalten. So kam es, dass ich anfing, mich kurze Zeit später intensiver mit dem Thema Astrofotografie zu beschäftigen. Ich entdeckte, wie bunt unser Universum wirklich ist ...
Amateuraufnahmen extragalaktischer Supernovae
Im Zeitalter der weltweiten automatisierten Supernova-Überwachungen ist es für den Amateur eine spannende Herausforderung, mit
eigenen Mitteln die gefundenen Supernovae aufzuspüren. Falls Interesse besteht: Extragalaktische Supernovae werden z. B. publiziert auf
[1]. Wer sich das Ziel setzt, eine solche extragalaktische Supernova über einen längeren Zeitraum zu beobachten, hat auch die Chance,
ihren Helligkeitsverlauf nachzuverfolgen. Hier zeigen zwei Mitglieder der Fachgruppe Astrofotografie ihre Ergebnisse (siehe Bildunter-
schriften). Vielleicht ist das ja ein Ansporn zum Mitmachen?
[1] Webseite von David Bishop, www.rochesterastronomy.org/sn2020/
Peter Riepe
1 SN2020jfo vom Typ II in M 61, am 09.05.2020 um 22:26 Uhr UT,
etwa 14,5 mag hell, 18 x 180 s belichtet von Manfred Mrotzek mit Atik 460EX mono und L-Filter am 140-mm-Apochromaten (TEC) bei f/5,4. Bildfeld: 23,3 Bogenminuten.
2 SN2020ftl in NGC 4277, am 22.04.2020, etwa 14,7 mag hell,
28 x 60 s belichtet von Karl-Heinz Kower mit Atik 414EX am 10-ZollNewton (f/4,9). Bildfeld: 17,9 Bogenminuten.
142 | Journal für Astronomie Nr. 75
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