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Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 71

SONSTIGES/VDS
  1 Editorial (Melchert Sven)
  4 Vorschau auf astronomische Veranstaltungen Oktober bis Dezember 2019 (WEC)
  5 Neues aus dem Vorstand (Gallus Astrid)
  5 Hinweis zu Bezugskosten von "Sterne und Weltraum" (VdS-Geschäftsstelle)
  5 Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie! (VdS-Geschäftsstelle)

SPT
  6 Zum Schwerpunktthema Radioastronomie ("Peter Riepe,Frank Theede")
  7 Was kann man mit Radiowellen beobachten? (Wolfgang Herrmann)

SONSTIGES/VDS
  11 Die Sonne ("Bernd Flach-Wilken,Franz Xaver Kohlhauf,Günther Strauch")

SPT
  12 Was kann ich mit meiner Antenne beobachten? (Ernst Lankeit)
  18 Radiometeorbeobachtung und RMOB ("Christian Steyaert")
  22 Meteorbeobachtung mit Radiowellen (Georg Dittie)
  26 Radio-Meteorbeobachtung mit SDR-Empfängern (Fred Espey)

SONSTIGES/VDS
  35 Impressum (VdS-Geschäftsstelle)

SPT
  36 Radioastronomie an Raumsonden und Satelliten ("Klaus Fenger,Frank Theede")
  40 Astropeiler Stockert ("Wolfgang Herrmann")
  44 Das Arno-Penzias-Radioteleskop ("Jens Schneidewind,Thomas Lauterbach")
  48 Der "Effelsberg-Bonn HI Survey" (Jürgen Kerp)
  57 Ein Seminar über Amateur-Radioastronomie in Süd-Frankreich ("Frederic Schuller")
  59 Das Treffen 2019 der Fachgruppe Radioastronomie ("Peter Riepe, Frank Theede")

KINDERSEITE
  62 Wie Astronomen Unsichtbares sichtbar machen - Radiostrahlung macht’s möglich! ("Gerhard Wagner")
  63 Wie kam das Radio in die Astronomie? ("Stefanie Bönisch-Alert")
  64 Unendliche Weiten im Universum - Astronomische Entfernungen ("Harald Tesar")
  64 SETI - auf der Suche nach außerirdischen Radiosendern ("Tim S. Holderer")
  67 Steckbrief Jugendgruppe der Johannes-Kepler-Sternwarte, Weil der Stadt (Katja Schuller)

AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
  68 Neues aus der Fachgruppe Amateurteleskope/Selbstbau (Andreas Berger)
  68 Spiegelreinigung wie die Profis (Eversberg Thomas)
  69 Optimierung einer Transportbox für die EQ8-Montierung (Bernhard Suntinger)

ASTROFOTOGRAFIE
  70 Ferne Welteninseln ("Gerhard Althoff")

ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
  76 Let‘s do Astronomy (Rusbeh Nawab)
  79 10. Jahrestreffen der Astronomischen Vereine und Sternwarten in Mecklenburg-Vorpommern ("Henning Schmidt")
  81 Das Norddeutsche Astrofotografen-Treffen ("Hans Karl Engeldinger")
  "ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN"
  83 Flächentreue Karten (Pilz Uwe)
  ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
  85 Modellierung und Simulation eines Bedeckungsveränderlichen (Teil 2) ("Jochen Grühser")

"ATM. ERSCHEINUNGEN"
  90 Vom Himmelsglühen bis zum Leuchtpilz: AKM-Seminar 2019 ("Daniel Fischer")

SONSTIGES/VDS
  92 Inserentenverzeichnis (VdS-Geschäftsstelle)

DEEP SKY
  94 Skyguide 2019 - 3 (Herbst) ("Robert Zebahl, Rene Merting")

SONSTIGES/VDS
  97 Nah und fern (Gährken Bernd)

KLEINE PLANETEN
  98 Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten (Lehmann Gerhard)
  98 Einladung zur 23. Kleinplanetentagung 2020 in Drebach (Lehmann Gerhard)
  98 NEOCP und PCCP - Beobachtungen in Drebach (Lehmann Gerhard)
  101 Kosmische Begegnungen ("Klaus Hohmann, Wolfgang Ries")

KOMETEN
  103 Auffallende Kometen des ersten Quartals 2019 (Pilz Uwe)
  105 C/2017 K2 (PANSTARRS) (Maik Meyer)

METEORE
  108 Draconiden 2018 ("Jürgen Rendtel, Sirko Molau")

MOND
  112 Reiner Gamma ("Jens Leich,Wolfgang Bischof,Bernd Gährken")

PLANETEN
  115 Die Merkursichtbarkeit im Februar 2019 (Melchert Sven)
  116 Merkur am 27.02.2019 (Bernd Huhn)
  116 Merkur in größter Elongation Ost (Sabine Mauer)

SONNE
  118 Sonnenaktivität - auf dem Weg zum Minimum (Teil 2) ("Andreas Bulling")

SPEKTROSKOPIE
  119 Das ganze Spektrum in einem Schuss (Teil 2) (Eversberg Thomas)
  123 Spektroskopie von Galaxien (Teil 3) ("Michael König")

STERNBEDECKUNGEN
  127 Die Fachgruppe Sternbedeckungen aktuell ("Eberhard H.R. Bredner")

"STERN BEDECKUNGEN"
  128 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 4. Quartal 2019 (Riedel Eberhard)
  VERäNDERLICHE STERNE
  133 Argelander-Tagung in Bonn (Bannuscher Dietmar)
  133 Das Minimum von Theta1 Ori A = V1016 Ori (Wolfgang Vollmann)

VDS VOR ORT
  136 Der Astronomie-Workshop 2019 (Riepe Peter)

ZUM NACHDENKEN
  139 Die dünne Lufthülle der Erde (Braune Werner)

SERVICE
  141 Himmelsvorschau Oktober - Dezember 2019 (Melchert Sven, Celnik Werner E.)

Textinhalt des Journals 71

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Vorschau auf astronomische Veranstaltungen
Oktober bis November 2019
Zusammengestellt von Werner E. Celnik und der Redaktion aus vorliegenden Informationen (Angaben ohne Gewähr).

Oktober 2019
Do, 03.10. - So, 06.10.2019 Astronomietage Ostfriesland Ort: Wiesmoor/Zwischenbergen. Kontakt: Astronomie Club Ostfriesland e.V., astronomieclubostfriesland@googlemail.com, Info: www.astronomie-club-ostfriesland.de
Do, 03.10.2019 - So, 06.10.2019 38th International Meteor Conference Internationale Konferenz rund um Meteorbeobachtungstechniken (Visuell, Video, Radio), Instrumente u. Auswertesoftware, Meteorströme, Kameranetze sowie Feuerkugeln und Meteorite. Ort: Bollmannsruh, westl. v. Berlin. Info: https://imc2019.imo.net
Sa, 05.10.2019 VdS-Innovationsworkshop ,,Jugendliche in der
Astronomie" Workshop zum Thema Nachwuchsgewinnung für Fachgruppen und Astro-Vereine. 11 Uhr bis ca.16 Uhr. Besichtigung der Hans-Ludwig-Neumann-Sternwarte auf dem Kleinen Feldberg im Taunus möglich. Ort: Frankfurt a.M., Physikalischer Verein mit Sternwarte, Robert-Mayer-Straße 2, 60325 Frankfurt a.M.. Veranstalter: VdS Fachgruppe Astronomische Vereinigungen. Anm: Dr. Rolando Dölling, rolando.doelling@vds-astro.de. Anfahrt u. Übernachtung: www.physikalischer-verein.de/find-us
Sa, 12.10.2019 11. Jahrestreffen der astronomischen Vereinigungen
und Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern Ort: Planetarium Lübz, Anmeldungen u. Anfragen: schmidt@astronomieverein.de

essen für alle, die teilnehmen möchten. Ort: 92431 Neunburg vorm Wald, Oberpfalz. Übernachtungsmöglichkeiten: www.gasthof-sporrer.de, www.panorama-hotel-am-see.de, www.landhotel-neunburg.de, www.landhotel-birkenhof.de, u. a. Info: www.sternfreunde.de
Sa, 19.10.2019 16. Praktischer astronomischer Samstag - PaS Astronomische Vorträge u. Workshops. Eintritt frei. Ort: Sternwarte und Planetarium, Veldhausener Straße 46, 49828 Neuenhaus, Grafschaft Bentheim, Beginn 12:30 Uhr. Info: www.avgb.de, Kontakt: Christoph Lohuis, c.lohuis@avgb.de
Fr, 25.10. - So, 27.10.2019 11. Stuttgarter CCD-Workshop Traditionsveranstaltung rund um die digitale Astrofotografie. Vorträge u. ausführliche Diskussionen bieten Anfängern wie Profis viele neue Anregungen. Ort: Keplersaal des Planetariums Stuttgart, Info u. Kontakt: www.sternwarte.de/ccd-workshop
November 2019
Fr. 01.11. - So. 03.11.2019 16. Tagung der VdS-Fachgruppe ,,Geschichte der
Astronomie" Vorträge und Führungen. Ort: Bamberg, Dr. Karl-Remeis-Sternwarte, Anm.: Dr. Wolfgang Steinicke, Gottenheimerstr. 18, 79224 Umkirch, Tel. 07665-51863, steinicke-zehnle@t-online.de, Info: http://geschichte.fg-vds.de
Fr, 08.11. - So, 10.11.2019 35. Tage der Raumfahrt in Neubrandenburg Info: www.raumfahrt-concret.de

Sa, 12.10.2019 H-alpha-Treff (HaTR) Ort: Ewald-Becher-Sternwarte, Am Schnepperberg, 65428 Rüsselsheim am Main. Beginn 10 Uhr. Veranstalter: Rüsselsheimer Sternfreunde e.V. 1975, www.ruesselsheimer-sternfreunde.de
Fr, 18.10. - So, 20.10.2019 VdS-Tagung und Mitgliederversammlung
Freitagabend Anreise u. gemütliches Beisammensein. Samstag Vortragsprogramm und Mitgliederversammlung der VdS. Sonntag Besuch der Sternwarte Dieterskirchen u. gemeinsames Mittag-

Sa, 09.11.2019 38. Bochumer Herbsttagung (BoHeTa)
Vortragsprogramm und Verleihung des Reiff-Preises für Amateurund Schulastronomie Ort: Ruhr-Universität Bochum, Hörsaal HZO 20 Kontakt: Peter Riepe, fg-astrofotografie@vds-astro.de Info: www.boheta.de
Do, 14.11. - Sa, 16.11.2019 Bundesweite Lehrerfortbildung Astronomie in Heidelberg Physik im Weltraum, Astronomie als Fächerverbund, Technik von Raumfahrt und Beobachtung. Vormittags Vorträge, nachmittags

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Aktuelle Informationen im Terminkalender der VdS unter www.vds-astro.de

Nach Redaktionsschluss

Freiraum für Austausch und Anwendung sowie kleine Vorträge in Parallelveranstaltungen. Ort: Haus der Astronomie in Heidelberg Info: www.haus-der-astronomie.de/fortbildungen/bundesweit
Sa, 16.11.2019 4. Astro-Börse Berlin Verkauf von 14 bis 18 Uhr. Anschließend ist noch bis 21 Uhr ein gemeinsames ,,Filmsehen" im Auditorium oder allgemeines Fachsimpeln angesagt. Ort: Archenhold-Sternwarte Berlin, Info: www.astro-boerse.berlin
Sa, 16.11.2019 WAA-Jahrestagung Die Jahrestagung der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. Dabei wird diese Präsentation ergänzt durch Fachvorträge aus der astronomischen Forschung und verwandten Bereichen. Ort: Albert Schweitzer Haus, Wien 9, Schwarzspanierstraße 13 Info: www.waa.at/feat_program/prog_jahrestagung.shtml

Fr, 22.11. - Sa, 23.11.2019 Argelander-Tagung 2019 175 Jahre Beobachtungsaufruf für Veränderliche durch F. W. Argelander. Vorträge von Profis und Amateuren, persönliche Treffen und Austausch. Ort: Bornheim bei Bonn, Info: www.bav-astro.eu
Sa, 30.11.2019 24. HATT - Hattinger Tausch- und Trödeltag Ausstellung für Amateurastronomen und Astronomischer Gebraucht- und Neuwarenmarkt. Ort: Gebläsehalle der Heinrichshütte, Werksstraße 31-33, 45527 Hattingen in Hattingen. 10 bis 16 Uhr Info: www.sternwarte-hattingen.de
Dezember 2019
Keine Informationen bis Redaktionsschluss

Hinweis zu Bezugskosten von ,,Sterne und Weltraum"

Mit der Ausgabe 5/2019 hat die Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH die Preise für die Zeitschrift Sterne und Weltraum erhöht. VdS-Mitglieder zahlen aber erst ab dem Jahr 2020 etwas mehr: das Abo Inland kostet statt aktuell 69,40 dann 70,20 , der ermäßigte Abopreis bleibt unverändert:

Abo Inland: Abo Inland ermäßigt: Abo Ausland: Abo Ausland ermäßigt:

EUR 93,00 EUR 69,60 EUR 101,40 EUR 78,00

für VdS-Mitglieder: für VdS-Mitglieder: für VdS-Mitglieder: für VdS-Mitglieder:

EUR 70,20 EUR 57,00 EUR 78,60 EUR 65,40

Foto: Sven Melchert

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Journal für Astronomie Nr. 71 | 5

Radioastronomie

Zum Schwerpunktthema Radioastronomie

Am 3. Februar 2018 wurde die jüngste VdS-Fachgruppe, die Fachgruppe Radioastronomie, gegründet. Das Gründungstreffen fand am Astropeiler auf dem Stockert in der Eifel statt. Seitdem sind bis zum Erscheinen dieses Heftes nur rund 1,5 Jahre vergangen. Und schon zeigt ein Blick auf die Aktivitäten und die Mitgliederentwicklung, welche Dynamik der neuen FG innewohnt: Die Zahl der FG-Mitglieder ist mit Stand Mai 2019 auf 38 gewachsen. Ein wesentlicher Punkt in der gesamten positiven FG-Entwicklung war, dass die Mannschaft des Astropeilers auf dem Stockert so rege mitgezogen hat und heute einen fachlichen Rahmen bietet. Ausgangspunkt dabei waren die Kontakte seit der BoHeTa 2013, als Dr. Wolfgang Herrmann in Bochum über die radioastronomischen Aktivitäten auf dem Stockert berichtete.
Wo viele Aktivitäten laufen, da gibt es auch viele Dinge zu berichten. Daher darf es niemanden verwundern, dass wir bereits jetzt, so kurz nach der Gründung, die Gestaltung eines Schwerpunktthemas übernommen haben. Die zum Einsatz kommenden Instrumente und das benötigte Wissen unterscheiden sich deutlich von denen, die in den anderen Fachgruppen verwendet werden. So kommen viele Radioastronomen aus dem Lager der Amateurfunker und bringen von daher ihr Wissen mit ein. Die Themengebiete in der Amateur-Radioastronomie sind vielfältig. Je nach instrumenteller Ausstattung befassen sich unsere Mitglieder mit Meteor-Detektion, mit Aufspüren und Verfolgung von Satelliten, mit Radiobeobachtungen der Sonne und planetarer Körper, auch mit galaktischer Radioastronomie wie Beobachtung der Verteilung des neutralen Wasserstoffs, Aufspüren von Pulsaren und sogar extragalaktischen Radioquellen. Natürlich ist das Erreichbare - ähnlich wie in der optischen Astronomie - auch immer von der Größe und Empfindlichkeit der zur Verfügung stehenden Antennen, Empfänger sowie den Aufzeichnungs- und Auswertungsmöglichkeiten abhängig. Hier eröffnet die Entwicklung im Bereich der Elektronik, auch hin zu kostengünstigeren Geräten, in den letzten Jahren dem Amateur Möglichkeiten, die vor einigen Jahren undenkbar waren.
Das Schwerpunktthema soll unseren Lesern zeigen, welche Breite die Amateur-Radioastronomie heutzutage bietet. Berichtet wird über Grundlagen der Radioastronomie: Was kann der Amateur machen und welche Technik ist nötig - sprich: Empfangsanlagen. Sehr informativ ist der Artikel von Dr.

Jürgen Kerp vom Bonner Argelander-Institut der Universität Bonn über den ,,Effelsberg-Bonn HI Survey". In den Berichten unserer Mitglieder geht es auch stets um Auswertungen und Ergebnisse. Vielleicht hat ja der ein oder andere Sternfreund nach der Beschäftigung mit diesem Schwerpunktthema Interesse, in unserer FG mitzuwirken. Wir beiden, die Unterzeichnenden, sind bisher keine aktiven Selbstbauer, und auch keine aktiven radioastronomischen Beobachter und nicht einmal Funkamateure. Und doch haben wir ein großes Interesse an diesem modernen astronomischen Fachgebiet gefunden, sowohl was die wissenschaftlichen Grundlagen der Radioastronomie betrifft als auch die Praxis in der Amateur-Radioastronomie. Zwei Beispiele für die Verbindung zu anderen Disziplinen: Auch die FG Meteore, die zwei Beiträge beisteuert, wendet radioastronomische Methoden an. Weiterhin wird die Beobachtung ferner Galaxien, die sich optisch allein durch Bildgewinnung auszeichnet, mit Hilfe radioastronomischer Methoden quantifizierbar. Über die Rotverschiebung der 21-cm-Linie (siehe Berichte dazu) können Entfernungen von Galaxien bestimmt werden. So besteht seitens der TBG-Gruppe (tief belichtete Galaxien) der FG Astrofotografie ein guter Kontakt zum Bonner Argelander-Institut der Universität Bonn.
An dieser Stelle bedanken wir uns ganz herzlich für die zahlreichen, interessanten Berichte, ohne die ein Schwerpunktthema undenkbar wäre. Und so wünschen wir allen Lesern viel Spaß an der Beschäftigung mit einem Thema, welches absolut nicht ,,trocken" ist, sondern viele interessante Ansätze fürs praktische Betätigen birgt. Und wer vor der Einstiegshürde zurückschreckt, bedenke mit einem Augenzwinkern, dass einer der Urväter der Radioastronomie, Grote Reber, schließlich auch ,,nur" Amateur-Radioastronom war.
Peter Riepe und Frank Theede

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Radioastronomie

Was kann man mit Radiowellen beobachten?
von Wolfgang Herrmann

Wenn man sich mit Radioastronomie erstmalig beschäftigt, dann steht natürlich die Frage im Raum: Was kann man denn als Amateur mit mehr oder weniger bescheidenem Aufwand beobachten? Dieser Artikel soll einen Überblick darüber geben, was grundsätzlich machbar ist.
Zunächst ist wichtig zu wissen, dass die im Radiobereich ,,sichtbaren" Objekte und Strukturen vielfach ganz andere sind als die im optischen Bereich. Dies liegt an den unterschiedlichen physikalischen Prozessen, die jeweils die Strahlung erzeugen. Im optischen Bereich ist es vielfach thermische Strahlung, d. h. die Objekte sind heiß und ,,glühen" daher für uns sichtbar. Im Gegensatz dazu sind Radioobjekte vielfach kalt und erzeugen Radiostrahlung durch das Zusammenwirken von Magnetfeldern und Ladungsträgern, oder es sind Übergänge zwischen Energieniveaus von Atomen und Molekülen.
Welche Objekte erschließen sich nun dem Amateur im Radiobereich?
Sonne Die Sonne ist eigentlich ein thermischer Strahler. Im Radiobereich jedoch ist die Strahlung stärker als bei einem rein thermischen Strahler zu erwarten wäre. Hinzu kommt, dass diese Strahlung gelegentlich ausbruchartig verstärkt auftritt. Diese Variabilität macht die Sonne zu einem interessanten Objekt für die Beobachtung.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich mit der Radiostrahlung der Sonne zu beschäftigen: Das Unmittelbarste und Einfachste ist, mit einer Satellitenschüssel und einem Sat-Finder den Anstieg des Signals zu beobachten, wenn die Schüssel auf die Sonne gerichtet wird (Abb. 1). Dies ist natürlich ein relativ einfaches Projekt und nicht unbedingt für einen längeren Zeitraum interessant. Zum Kennenlernen der

Materie oder als Schülerexperiment ist es aber durchaus lohnenswert. Darüber hinaus ist es möglich, mit diesen einfachen und preiswerten Mitteln die Temperatur der Sonne zu messen; mehr dazu findet man unter [1].
Eine beliebte Methode der Sonnenbeobachtung wird ,,Sudden Ionospheric Disturbance (SID)" genannt. Hier wird die Sonne nicht direkt beobachtet, sondern es wird die Auswirkung der Sonnenaktivität auf die Ionosphäre gemessen. Sonnenausbrüche führen hier zu einer Veränderung in der D-Schicht, welche wiederum auf die Ausbreitungsbedingungen von Funkwellen Einfluss nimmt, siehe hierzu z. B. [2]. Für den Amateur bietet sich hier die Gelegenheit, in Langzeitbeobachtungen die Sonnenaktivität zu verfolgen. Es gibt eine Webseite für das Programm, auf der man Näheres erfahren kann [3]. Die Hardware, wie in der Abbildung 2 gezeigt, kann hierfür käuflich erworben werden.
Eine weitere Methode zur Sonnenbeobachtung nennt sich ,,CALLISTO". Dieses Kunstwort steht für ,,Compound Astro-

1 Einfaches Radioteleskop aus
Satellitenfernsehkomponenten für Sonnenbeobachtung, Bild: Mike Stewart
2 Sudden-Ionospheric-Disturbance-
Empfänger, Bild: Mike Stewart
nomical Low Cost Low Frequency Instrument for Spectroscopy and Transportable Observatory ". Das Prinzip hierbei ist, dass die Radiointensität über einen weiten Frequenzbereich hinweg beobachtet wird. Sonnenausbrüche machen sich dadurch bemerkbar, dass ein Anstieg der Strahlung

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Radioastronomie

3 Ein CALLISTO-Empfänger,
Bild: Christian Monstein

gen, insbesondere die Verfügbarkeit von kostengünstigen ,,Software Defined Radios". Aber zunächst einmal: Worum geht es?

auf allen Frequenzen sichtbar wird. Am besten orientiert man sich auf der Webseite des Projektes [4], hier ist auch die Hardware und Software beschrieben. Die Abbildung 3 zeigt die Hardware des Empfängers. Als Antennen können sehr unterschiedliche Konstruktionen verwendet werden, hier zeigt die Projekt-Webseite die vielen Varianten. CALLISTO dient ebenfalls der Langzeitbeobachtung und ist somit für Amateure interessant, die sich längerfristig mit dem Thema beschäftigen wollen.
Meteore Meteore werden durch Amateure nicht direkt beobachtet, die Radiostrahlung ist dafür viel zu schwach. Vielmehr werden sie indirekt nachgewiesen: Der in die Atmosphäre eintretende Meteor erhitzt sich sehr stark, und diese extreme Temperatur führt zu einer Ionisation der Luft. Es bildet sich eine Art ,,Ionisationsschlauch". An dieser ionisierten Luft können Radiostrahlen reflektiert werden. Dadurch werden auf einmal kurzzeitig Sender empfangbar, die sonst nicht zu hören sind. Dieses Verfahren nennt sich Meteoscatter. In Belgien gibt es spezifisch für diesen Zweck installierte Sender, die für die Meteordetektion durch diverse Empfangsstellen genutzt werden [5]. Sehr beliebt für den Nachweis von Meteoren ist auch die starke französische Radarstation in Graves [6]. Unter dem Stichwort Meteoscatter ist im Internet eine Vielzahl von Artikeln zu finden, da dies auch ein be-

liebtes Betätigungsfeld für Funkamateure ist. Diese nutzen die kurzzeitig auftretenden Verbindungsmöglichkeiten für Funkverkehr. Die Meteorbeobachtung kann mit recht kleinen Antennen gemacht werden und eignet sich daher auch bei beengten Platzverhältnissen.
Jupiter Jupiter ist der einzige Planet, der mit Amateurmitteln im Radiobereich beobachtet werden kann. Jupiter hat die Besonderheit, dass er eine Magnetosphäre hat. In diesem Magnetfeld bewegen sich Ladungsträger, die dann die Ursache für die Radiostrahlung sind. Die Strahlung ist gelegentlich ausbruchartig verstärkt und kann dann leicht nachgewiesen werden. Diese Strahlung tritt insbesondere im Kurzwellenbereich um 20 MHz auf. Die NASA hat für die Beobachtung dieses Effektes ein Programm unter dem Namen RadioJove aufgelegt. Auf der Webseite dieses Programms ist alles Wissenswertes zu finden [7]. Da diese Beobachtungen bei vergleichsweise niedrigen Frequenzen stattfinden, sind geeignete Antennen schon ein wenig größer (Abb. 4).
Wasserstoff in unserer Milchstraße Die Beobachtung der Emission des neutralen Wasserstoffs in unserer Galaxie ist ein absoluter Klassiker der Radioastronomie. Das Gute daran ist, dass diese Beobachtung heute für Amateure ohne Weiteres möglich ist. Hier helfen technologische Entwicklun-

Sterne bestehen zum weitaus größten Teil aus Wasserstoff. Nun ist keineswegs aller Wasserstoff in Sternen gebunden, vielmehr sind im interstellaren Raum einzelne Wasserstoffatome in geringer Dichte vorhanden. Diese Wasserstoffatome können, obwohl die Dichte sehr gering ist, gelegentlich miteinander kollidieren. Die Kollision kann dazu führen, dass eines oder beide Wasserstoffatome in einen angeregten Zustand übergehen. Dieser energetisch angeregte Zustand zerfällt dann wieder, und die Energie wird in Form elektromagnetischer Strahlung abgegeben. Diese Strahlung befindet sich im Radiobereich bei einer Frequenz von ca. 1420 MHz, das bedeutet eine Wellenlänge von ca. 21 cm. Dies ist dann die berühmte 21-cm-Linie des Wasserstoffs.
Diese 21-cm-Linie ist eine ,,Linie", weil die Emission auf einen engen Frequenzbereich begrenzt ist. Dies unterscheidet sie von allen anderen oben beschriebenen Mechanismen. Weil es eine Linie ist, sind auch sehr gut Dopplerverschiebungen aufgrund der Bewegung der verschiedenen Teile unserer Galaxie zu erkennen. Dies erlaubt einen tiefen Einblick in die Struktur und Dynamik unserer Milchstraße.
Viele Amateure, die sich mit diesem Thema befassen, nutzen Parabolspiegel mit Größen von um die 3 Meter, wie in der Abbildung 5 exemplarisch zu sehen. Mit einem solchen Spiegel sind sehr beachtliche Beobachtungen möglich. Ein Beispiel hierfür ist der Scan der galaktischen Ebene in der Abbildung 6, der die Geschwindigkeitsverteilung und Intensitätsverteilung des Wasserstoffs in unserer Milchstraße zeigt. Wenn man aber mit einer geringeren räumlichen Auflösung zufrieden ist, dann geht es auch

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Radioastronomie

4 Antenne für RadioJove,
Bild: Dave Typinsky

deutlich kleiner. Schließlich sind auch beachtliche Resultate mit anderen Antennen, also ganz ohne Parabolspiegel, möglich. Insoweit ist dieses Thema ein interessantes Betätigungsfeld. Im Internet gibt es eine Vielzahl von Informationen zu dem Thema. Eine Orientierung gibt hier die Linkliste der Fachgruppe Radioastronomie der VdS [8].
Wasserstoff in anderen Galaxien Nicht nur unsere Milchstraße, sondern auch die anderen Galaxien haben Wasserstoffwolken, die Emissionen bei 21 cm aufweisen. Aufgrund der großen Distanz sind die Signale entsprechend schwächer. Daher bedarf es schon eines Teleskops vom mindestens 3 m Durchmesser, um sich an dieses Thema heranwagen zu können. Auch

muss das Teleskop optimiert sein, um etwas erreichen zu können. Die Anzahl von Galaxien, die man so ,,entdecken" kann, ist auch eher klein. Das Ganze ist daher ein Thema für den fortgeschrittenen Amateur mit Erfahrung.
Kontinuumsquellen: Radiogalaxien, Supernova-Überreste und Sternentstehungsgebiete Hier reden wir von sehr unterschiedlichen Objekten. Gemeinsam ist allen, dass sie Radiostrahlung in einem weiten Frequenzbereich abgeben und für Teleskope der

Amateurklasse punktförmig erscheinen. Die Intensität der Strahlung nimmt mit der Frequenz ab, d. h. sie sind z. B. besser bei 1,4 GHz als bei 10 GHz zu beobachten.
Die stärkste Radioquelle dieser Art ist Cassiopeia A. Dies ist ein Supernova-Überrest in etwa 11.000 Lichtjahren Entfernung. Direkt gefolgt ist sie von Cygnus A, diese Quelle ist nur wenig schwächer. Sie ist jedoch ein vollkommen anderes Objekt: Es ist eine Radiogalaxie in 750 Millionen Lichtjahren Entfernung, die durch ihre enorme Radiohelligkeit so kräftig erscheint. Der nächste in der Reihe wäre der Krebsnebel (Taurus A), noch immer mehr als halb so stark wie Cassiopeia A. Alle diese Angaben beziehen sich übrigens auf 1,4 GHz, bei anderen Frequenzen sieht die Reihenfolge zum Teil etwas anders aus. Sternentstehungsgebiete wie etwa W3 sind ebenfalls breitbandige Strahler, kommen aber in ihrer Intensität nicht an die bereits genannten heran.

Übrigens wird gelegentlich von der Beobachtung des galaktischen Zentrums berichtet. In der Tat ist in der Richtung starke Kontinuumsstrahlung zu beobachten (Sagitarius A). Diese kommt aber nicht vom galaktischen Zentrum selber, vielmehr liegen genau in der Richtung ein Supernova-Überrest und ein Sternentstehungsgebiet. Der Beitrag des galaktischen Zentrums selbst (Sagitarius A* genannt) ist nur gering.

5 Ein vollbeweglicher
3-m-Spiegel für die Radioastronomie, Bild: Wolfgang Herrmann

Um Objekte dieser Klasse beobachten zu können, sind Teleskope ab 3 m Durchmesser aufwärts notwendig (bei 1,4 GHz). Bei niedrigeren Frequenzen sind durchaus Erfolge mit weniger aufwändigen Antennen

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Radioastronomie

ße und 1400 MHz. Alternativen sind andere Antennen mit hohem Gewinn bei niedrigeren Frequenzen. Die Gesamtanlage muss in allen Aspekten optimiert sein und man muss genau wissen, was man tut. Insbesondere ist ein Verständnis der Eigenschaften der Pulsarstrahlung erforderlich.

6 Die Geschwindigkeits- und Intensitätsverteilung des neutralen Wasserstoffs in der
galaktischen Ebene, Messung mit 3-m-Spiegel, Wolfgang Herrmann

Eine schöne Sache ist, mit den einfacheren Dingen (z. B. Wasserstoff) anzufangen und sich dann Stück für Stück voranzuarbeiten. Auf diesem Weg kann man seine eigene Anlage kennenlernen und sie immer weiter optimieren. So kann schließlich das Ziel erreicht werden, einen Pulsar zu beobachten.

berichtet worden. Hier hängt der Erfolg allerdings maßgeblich davon ab, ob der Frequenzbereich einigermaßen ,,sauber" ist. Vielfach wird das in unserer dicht besiedelten Landschaft mit all ihren verschiedenen Sendern nicht der Fall sein.
Maser ,,Laser" sind vielen als intensive Lichtquellen bekannt. ,,Maser" sind intensive Quellen im Mikrowellenbereich (daher das ,,M" statt dem ,,L"), die letztlich auf dem gleichen physikalischen Prinzip beruhen. Erstaunlicherweise können solche Maser nicht nur im Labor gebaut werden, sie entstehen auch natürlich im Weltall. Dies kann dann auftreten, wenn sich Moleküle in extremen Umgebungen wie in der Hülle von Infrarotsternen oder in der intensiven Strahlung von Sternentstehungsgebieten befinden. Diese intensive Strahlung führt zu einer Anregung von höheren Energieniveaus des Moleküls und schließlich zur Ausbildung von Masern.
Die für den Amateur interessantesten Maser sind der OH-Maser bei 1612, 1665, 1667 und 1720 MHz, der Methanol-Maser bei 12 GHz und der Wasser-Maser bei 22 GHz. Amateurbeobachtungen von Masern wurden bisher meistens mit Parabolspiegeln der eher größeren Art (> 7 m) gemacht. Der

stärkste OH-Maser ist aber auch mit einem 3-m-Spiegel durchaus noch detektierbar. Maserbeobachtung ist ein schönes Thema für jemanden, der genug Wasserstoff gesehen hat und eine neue Herausforderung sucht.
Pulsare Pulsare sind so etwas wie der heilige Gral der Amateur-Radioastronomie. Es bedarf schon einiger Erfahrung, um hier zum Erfolg zu kommen. Als Anfängerprojekt sollte man es jedenfalls nicht angehen. Zum Zeitpunkt, als diese Zeilen geschrieben wurden, gab es weltweit 17 Amateure, denen dies gelungen ist. Zum Teil haben diese mehrfach mit unterschiedlichen Anlagen Erfolg gehabt.
Zunächst aber zu den Pulsaren selber: Es gibt eine große Menge an Informationen in Internet, so dass man sich gut einen Überblick verschaffen kann. Die wohl beste Zusammenstellung dessen, was man beachten muss, wenn man dieses Thema angehen möchte, ist von Steve Olney, einem australischen Radioastronomie-Amateur, gemacht worden [9]. Eine deutsche Übersetzung einiger Ausschnitte ist, mit freundlicher Genehmigung des Autors, bei [10] zu finden. Die Möglichkeit, Pulsare zu beobachten, beginnt bei Parabolantennen von 3 m Grö-

Wie geht man es an? Wenn man in die Radioastronomie ,,einsteigen" möchte, ist die unvermeidliche Frage: Wie fange ich es an, was brauche ich und was muss ich investieren? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil es eben sehr unterschiedliche Ansätze gibt. Am Anfang steht auf jeden Fall, dass man sich möglichst gründlich informiert. Die Webseite der Fachgruppe Radioastronomie der VdS bietet einen Überblick über die im Internet verfügbaren Ressourcen [8]. Nach und nach werden dort auch tiefer gehende technische Informationen eingestellt [11]. Unbedingt zu empfehlen ist, dass man den Kontakt zu anderen Amateur-Radioastronomen sucht. So kann man sich wertvolle Ratschläge holen und sich den einen oder anderen Umweg ersparen. Die Fachgruppe Radioastronomie der VdS ist hier sicher eine wichtige Anlaufstelle. Darüber hinaus gibt es Foren, die sich diesem Thema widmen, z. B. das ,,SARA"-Forum [12], das deutschsprachige Forum im ,,Astrotreff " [13] oder das VdS Forum [14].
Radioastronomie ist auch für den Amateur ein interessantes und abwechslungsreiches Betätigungsfeld. Technik und Physik der Beobachtungsobjekte bieten einige Herausforderungen, aber gerade darin liegt das Befriedigende, wenn sich dann die Beobachtungserfolge einstellen.

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Radioastronomie

Internetlinks (Stand April 2019): [1] Th. Freina: ,,Solare Radioastronomie", http://
radioastronomie.vdsastro.de/doku.php?id= sonnefreina [2] Der Mögel-Dellinger-Effekt, https://de.wikipedia. org/wiki/Mögel-Dellinger-Effekt [3] Stanford SOLAR Center, http://solar-center. stanford.edu/SID/sidmonitor/ [4] Webseite des Projektes CALLISTO, www.e-callisto.org/ [5] Belgian Radio Meteor Stations, http://brams. aeronomie.be/ [6] Französisches militärisches Radarsystem, https://de.wikipedia.org/wiki/GRAVES [7] NASA: ,,The Radio Jove Project", https:// radiojove.gsfc.nasa.gov/ [8] VdS-FG Radioastronomie: ,,Linkliste Grundlagen Radioastronomie", http://radioastronomie. vdsastro.de/doku.php?id=links [9] Neutron Star Group: ,,Infos über Amateur-

Pulsar-Entdeckungen", http://neutronstar. joataman.net/ [10] VdS-FG Radioastronomie: ,,Über Pulsare und deren Entdeckungen", http://radioastronomie. vdsastro.de/doku.php?id=pulsar_heraus forderungen [11] VdS-FG Radioastronomie: ,,Technik und Physik", http://radioastronomie.vdsastro.de/doku.php? id=technikseite [12] Society of Amateur Radio Astronomers, https:// groups.google.com/forum/#!forum/sara-list [13] Forum Astrotreff, hier Radioastronomie, www.astrotreff.de/forum.asp?FORUM_ID=94 [14] Forum der VdS, hier Radioastronomie, https:// forum.vdsastro.de/viewforum.php?f=123&sid= 000976493148d2b5c942bd9e1cbb890b

Die Sonne
1 Der Sonnenfleck AR2738 im De-
tail, aufgenommen am 16.04.2019, Instrument: Celestron 14 Edge auf Montierung K100F, Primärbrennweite verlängert mit Baader FFC auf Effektivbrennweite 13 m, H-Filter mit HWB 50 nm, AstroSolar-Filterfolie D5, Kamera: ASI174MM, Bildverwendungsrate 40% von 5.000 aufgenommenen Frames, Stackingsoftware: Autostakkert3, Beobachtungsort: Wirges/Westerwald, Bild: Bernd Flach-Wilken

Impression

Journal für Astronomie Nr. 71 | 11

Radioastronomie

Was kann ich mit meiner Antenne beobachten?
- Ein Erfahrungsbericht
von Ernst Lankeit

Dem Beobachter im optischen Frequenzbereich stellt sich zunächst die Frage: Was will ich beobachten und welches Teleskop ist dafür geeignet? Für den Einsteiger in die Radioastronomie sieht die Fragestellung zumeist anders aus: Welche Antenne bringe ich eigentlich im Garten, auf dem Dach oder auf dem Balkon unter? Welche Konstruktion toleriert der misstrauische Reihenhausnachbar? Und was kann ich damit beobachten? Alleine im Vergleich der Radiowellenlängen zu optischen Wellenlängen müssen wir Amateur-Radioastronomen Beschränkungen einräumen. Dass dennoch viele interessante Beobachtungen

möglich sind, möchte ich nach 30-jähriger Aktivität ohne Langeweile kurz darstellen.
Die Helixantenne im Vorgarten Die grundsätzliche Ausführung der Helixantenne (auch Helical- oder Wendelantenne) zeigen die Abbildungen 1 und 2. Auf einem Hartholzrahmen ist eine Wendel aus Aluminiumdraht (Blitzableiter) mit Kabelschellen geschraubt. Ein stabiler, mit Kükendraht bespannter Rahmen aus Montagewinkeln bildet die Reflektorfläche. Der unsymmetrische Antennenausgang wird über ein einfaches koaxiales Anpassglied (Cu-Heizungsrohr) auf ein Hochfrequenz-

kabel zum Empfänger geschaltet. Details zur Dimensionierung finden sich in [1]. Die Helixantenne ist sehr breitbandig (Frequenzbereich problemlos bis 1:1,5) und hat eine große Halbwertsbreite des Strahlungsdiagramms, meine Ausführungen in den Abbildungen 1 und 2 kommen auf 30 Grad bis 40 Grad . Damit findet man immer eine weitgehend ungestörte Beobachtungsfrequenz und muss die Elevation als Meridiantransit-Instrument nur selten verstellen.
Die Sonne als stärkste Strahlungsquelle am Himmel ist wohl das interessanteste Beobachtungsobjekt für diese Antenne. Zum

1 Helixantenne für 140 MHz
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2 Doppelte Helixantenne für 235 MHz

Radioastronomie

3 24-stündiger Meridiandurchgang der Milchstraße und ruhigen Sonne,
die Ordinate zeigt die gemessene spektrale Flussdichte. Die Flussdichte der Radiostrahlung ist definiert als Strahlungsleistung pro m2 Empfangsfläche und Hz.

4 Oben: Im abklingenden 23. Sonnenzyklus
wurde zwischen 1990 und 1997 bei 235 MHz die spektrale Flussdichte beim Meridiandurchgang der Sonne gemessen. Angezeigt sind monatliche Minima, Maxima und Mittelwerte.
5 Dynamisches Spektrum von Typ-I-Bursts.
Abszisse: Zeit 12:00:12 bis 12:02:12 UT, Ordinate: Frequenz/MHz, farbcodierte z-Achse: die Flussdichte der Radiostrahlung in relativen Werten

6 Dynamisches Spektrum einer Typ-III-
Burstg ruppe. Abszisse: Startzeit 10:51:00 UT, Dauer 3 min am 08.09.2017. Ordinate: Frequenz/MHz. Wegen der schnellen Frequenzänderung werden diese Emissionen auch Fast-drift-bursts genannt.
Journal für Astronomie Nr. 71 | 13

Radioastronomie

7 Logarithmisch-periodische Antenne
für 100 bis 1300 MHz

Verständnis der vielfältigen physikalischen Vorgänge in der solaren Korona verweise ich auf das Handbuch [4] der VdS-Fachgruppe Sonne und insbesondere auf [6], zwar ein Fachbuch, aber auch für uns Amateure genießbar. Die Abbildung 3 zeigt die Aufzeichnung eines Meridiandurchgangs, registriert mit der Helical aus der Abbildung 2 am 4. Mai 1997 ab 21:42 Uhr UT in 55 Grad Elevation bei 235 MHz. Zunächst durchläuft die Milchstraße mit dem galaktischen Zentrum den Meridian, später folgt die Sonne. Für den hoffentlich ab 2020 zu erwartenden Anstieg der Sonnenaktivität des 25. Zyklus wären Langzeitmessungen bei einer diskreten Frequenz von Interesse, wie z. B. meine Messungen des ausklingenden 23. Zyklus (Abb. 4). Um diese Messungen (der slowly-varying-component oder S-Komponente) mit den Sonnenfleckenrelativzahlen gut zu korrelieren, wären diese allerdings besser im Frequenzbereich 3 bis 6 GHz zu tätigen, da dort die S-Komponente ihr Maximum aufweist. Die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) registriert und veröffentlicht ihre Ergebnisse bei 2,8 GHz [2], ebenso die NASA [3]. Bei Messungen in der Nähe dieser Frequenz könnte man sich durch Vergleichen der Messwerte auch die mühsame Eichung der spektralen Flussdichte in sfu erleichtern (1 sfu = 104 Jy = 10-22 W/m2/Hz).
Weitaus aufschlussreicher für die physikalischen Vorgänge in der Korona als Beobachtungen bei diskreten Frequenzen sind Aufzeichnungen, die einen breiteren Frequenzbereich abdecken und damit dy-

namische Spektren der Emissionsvorgänge liefern. Die häufigsten Kurzzeiteffekte im Frequenzbereich 10 bis 1000 MHz werden als Bursts bezeichnet und sind klassifiziert als Typ-I, Typ-II, Typ-III usw. Zur Lage der Bursts im Zeit-Frequenz-Bereich siehe z. B. die Abbildung 11.4 in [4]. Ein Beispiel für hoch aufgelöste Typ-I-Bursts eines oft stundenlangen Rauschsturms zeigt

die Abbildung 5 im Zeit-Frequenz-Diagramm; die Flussdichte in relativen Werten ist farbcodiert aufsteigend von Dunkelviolett nach Weiß. Die senkrechten hellcodierten Streifen sind die Spuren der Bursts mit Bandbreiten von einigen MHz und Dauern von einigen 100 ms. Die Ordinate der Grafik (Abb. 5) verläuft von hohen zu niedrigen Frequenzen entsprechend der Höhe der aufsteigenden Strahlungsquelle in der Korona und der mit der Höhe abnehmenden Elektronendichte des solaren Plasmas, Details in [4] und [6]. Der Frequenzbereich dieser Aufzeichnungen von 120 bis 160 MHz wird von der Helixantenne (Abb. 1) ausreichend abgedeckt. Zur Registrierung wird der (in meinem Fall) spezialisierte Empfänger vom
8 Parabol-
antenne mit 1420-MHz-Erreger im Primärfokus

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Radioastronomie
9 wie Abb. 8, mit 22-GHz-Horn
im Sekundärfokus

trägt und ein Objekt mit < 0,1 Grad nachführt, erfordert jahrelange Arbeit! Die Alternative: eine leichtere Spiegelkonstruktion aus perforierten Segmenten (gibt es im Internet) auf einer kommerziellen Äquatorialmontierung, die aber sündhaft teuer ist.

PC mit 10 bis 50 Messungen pro Sekunde und Frequenzstep durchgestimmt; da weder Antenne noch Empfänger über diesen Frequenzbereich konstante Pegel liefern, wird je Frequenzstep auch die Verstärkung eingestellt.
Für die Beobachtung vieler Emissionen reicht die Bandbreite der Helixantenne allerdings nicht aus. Als Beispiel zeigt die Abb. 6 das Spektrum einer Typ-III-Burstgruppe; obwohl die Bandbreite der Aufnahme mit 80 MHz verdoppelt wurde, sehen wir nur einen begrenzten Ausschnitt der Emission, die mit der als nächstes beschriebenen Antenne gewonnen wurde (hier lohnt sich ein Vergleich der Abbildung 6 mit einer Aufnahme aus dem wissenschaftlichen Bereich bei [7], die den Burst in seinem gesamten Frequenzbereich zeigt).
Logarithmisch-periodische Dipolantenne (LPDA) auf dem Dach oder Balkon Meine LPDA (Abb. 7), eine kommerzielle Ausführung für 100 bis 1300 MHz auf einem alten TV-Rotor, wartet auf steigende Aktivität des nächsten Zyklus. Die Halbwertsbreite des Strahlungsdiagramms einer LPDA ist in Azimut > 50 Grad , in Elevation > 90 Grad , so dass die Nachführung einfach ist. In meinem Fall interpoliert ein Controller Stundenwerte aus Monatstabellen. Anhand der ausführlichen Grundlagen in [1] sind Eigenbauten in einem weiten Wellenlängenbereich möglich. Die Abbildungen 5 und 6 zeigen mit den horizontalen helleren Streifen ein Problem dieser breitbandigen

Messungen: Es gibt fast keine störungsfreien Frequenzkanäle!
Breitbandige Störungen können Bursts vortäuschen, siehe z. B. die schmalen Peaks in der Abbildung 3. Daher vergleiche ich fragliche Erscheinungen auf den Aufnahmen mit den täglichen Beobachtungen wissenschaftlicher Institute: im Bereich 50 bis 400 MHz mit den Datensätzen im Format *.png bzw. *.fits der Humain Radioastronomy Station des Royal Observatory of Belgium [7] und für 1 bis 2 GHz mit den Spektren im Format *.gif des Astronomical Institute Ondrejov, Czech Republic (registriert bis 5 GHz) [8]. Nicht behandelt habe ich die solaren Mikrowellenbursts; mit denen sei übergeleitet zum nächsten Thema.
Parabolantenne (PA) Die PA erschließt einen weiten Frequenzbereich und mit ihrem (größen- und frequenzabhängigen) hohen Gewinn auch ganz neue Beobachtungsobjekte. Die Abbildung 8 zeigt meine Lösung: ein voll nachführbarer Spiegel auf einer Altazimut-Montierung. Die Größe der PA ist mit 2,2 m Durchmesser im Reihenhausgarten gerade noch tolerierbar. Die Abbildung zeigt auch das Problem der Bäume und Sträucher in der Nachbarschaft: Jeder in die Antennencharakteristik hineinwedelnde Zweig täuscht ein schwaches Objekt vor. Andererseits: Nachbars Pinie im Hintergrund liefert ein sauberes Eichsignal! Ich will niemanden abschrecken, aber gebe zu bedenken: Der Eigenbau einer Montierung, die einen 30-kg-Spiegel sturmsicher

Der nutzbare große Wellenlängenbereich erfordert angepasste Erreger im Primäroder Sekundärfokus der Antenne. In der Abbildung 8 dient ein Viertelwellen-Stab (nicht sichtbar) in einem büchsenförmigen Hohlleiter als Empfangsantenne für HI-Beobachtungen bei 1420 MHz. Die Abbildung 9 zeigt ein Pyramidalhorn im Sekundärfokus eines hyperbolischen Cassegrainreflektors bei ersten Tests auf 22 GHz.
Welche radioastronomischen Quellen sind mit einer PA dieser Größe erreichbar? Sonne und Mond liefern auf allen Frequenzen gute Eichsignale. Aber auch mehrere kpc entfernte kalte Wasserstoffwolken unserer Milchstraße (die 21-cm-Wasserstofflinie des Hyperfeinstrukturübergangs im atomaren Wasserstoff, kurz HI-Quellen) liefern rauschfreie Signale, wie das HI-Profil in der Abbildung 10 beispielhaft zeigt: ein Frequenzscan bei der galaktischen Breite b = 0 Grad und der galaktischen Länge l = 85 Grad , die Abszisse ist von Frequenzen in Radialgeschwindigkeiten relativ zum Beobachter umgerechnet. Alle im Abstand von 5 Grad galaktischer Länge bei b = 0 Grad über den beobachtbaren Teil der Milchstraße gemessenen Profile zusammengefasst ergeben den Contourplot in der Abbildung 11; die Contourlinien verbinden die Orte gleicher Signalpegel. Ein horizontaler Schnitt bei l = 85 Grad ergibt das Profil in der Abbildung 10. Der Contourplot gibt also die Radialgeschwindigkeitsverteilung (und damit indirekt deren Entfernung vom Beobachter) der HI-Wolken in der Milchstraße wieder. Aus diesen Daten konnte ich tatsächlich die Lage einiger Spiralarme mit etwas Rechnerei bestimmen.

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Radioastronomie
1 0 HI-Profil gemessen bei galaktischer
Länge l = 85 Grad , galaktischer Breite b = 0 Grad , Ordinate: Signalpegel als Spannung/Volt, Abszisse: Radialgeschwindigkeit der HI-Quelle relativ zum Beobachter in km/s.
1 1 Unteres Bild: Geschwindigkeitsverteilung
der HI-Emission als Contourplot der Signalpegel bei galaktischer Breite b = 0 Grad , gemessen für alle im Sichtbarkeitsbereich meines Parabols liegenden galaktischen Längen in 5 Grad -Schritten. Ordinate: gal. Länge, Abszisse wie Abb. 10. Der Signalpegel ist farbcodiert: weiß entspricht Spannungen > 4 V, schwarz < 0,5 V.
Auch einige wenige heiße Wasserstoffquellen (HII) sind bei 6,7 GHz und 10,7 GHz in Reichweite des 2,2-m-Parabols, wenn auch nur schwach über dem Rauschsockel: der Orion-Nebel ORI A, die Quellen W51 und W49 (mit viel Glück). Außerdem: die nichtthermische Strahlung der Supernovareste Krebsnebel TAU A, CAS A und mit Vorbehalt die Radiogalaxie CYG A (Kataloge mit den Daten der Radioquellen bei [9]). Trotz jahrelanger Bemühungen nicht gelungen ist der Empfang der Methanol-Maser-Linien bei 6,7 GHz. Damit sind die Grenzen eines 2,2-m-Parabols aufgezeigt. Mit 3-m-Spiegeln gelang Amateuren der Nachweis von Methanollinien und Pulsaren.
Zu Technik und Software hinter den Antennen stelle ich gerne Unterlagen zur Verfügung. Literaturhinweise und Internetlinks (Stand Oktober 2018): [1] A. Krischke, 2013: ,,Rothammels Antennenbuch", DARC Verlag [2] National Oceanic and Atmospheric Administration: www.swpc.noaa.gov/phenomena/107-cm-radio-emissions [3] Spaceweather, täglich neu von Dr. Tony Phillips: www.spaceweather.com [4] K. Reinsch et al. (Hrsg.), 1999: ,,Die Sonne beobachten", Verlag Sterne und Weltraum [5] E. Lankeit, 2001: ,,Sonnenbeobachtung im Radiobereich", Sterne und Weltraum, 10/2001 [6] A. Krüger, 1979: ,,Introduction to Solar Radio Astronomy and Radio Physics", D. Reidel Publishing Corp. Dordrecht [7] Humain Radioastronomy Station des Royal Observatory of Belgium: http://sidc.be/humain/realtime.php [8] Astronomical Institute Ondrejov, Czech Republic: http://www.asu.cas.cz/~radio/ [9] Kataloge mit den Daten der Radioquellen: http://vizier.cfa.harvard.edu/vizier/
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Radioastronomie

Radio-Meteorbeobachtung und RMOB
von Christian Steyaert, ins Deutsche übertragen von Sirko Molau

Meteore emittieren keine Radiowellen, aber Meteorspuren sind gute Reflektoren für Radiowellen, wenn diese die Meteorspur im richtigen Winkel treffen. Ein Empfänger wird auf einen Sender eingestellt, der nicht direkt empfangen werden kann (d. h. der ausreichend weit entfernt ist oder hinter einem Berg liegt). Wenn ein Meteor aufleuchtet (vgl. Abb. 1), dann wird der Sender (links) kurzzeitig für den Empfänger (rechts) sichtbar.

Je größer die Wellenlänge ist (= geringe Frequenz), desto länger und stärker sind die Reflektionen. Es gibt jedoch ein praktisches Limit bei etwa 30 MHz. Unterhalb dieser Frequenz ,,biegen" sich die Radiowellen um die Erdoberfläche und der Sender kann überall empfangen werden. In der Regel werden Wellenlängen von 2 bis 6 Meter (150 bis 50 MHz) benutzt.

Die bekanntesten Sender in Europa sind: - Das GRAVES-Megawatt-Radar bei 143,05 MHz, nahe Dijon in
Zentral-Frankreich: Der Sender ist so stark, dass er für Meteorbeobachtungen in bis zu 1.000 km Entfernung genutzt werden kann. - Der belgische VVS-Sender bei 49,99 MHz mit 50 W Leistung (Zillebeke, West-Belgien) und der BRAMS-Sender bei 49,97 MHz mit 250 W Leistung (Dourbes, Süd-Belgien): Auch wenn die Leistung gering scheint, ist sie in einem engen Trägersignal konzentriert und kann damit in hunderten Kilometern Entfernung genutzt werden. - Fernsehsender im Band II (ca. 40 MHz): Es gibt immer weniger Fernsehsender in diesem unteren Frequenzband, weil sie entweder auf höhere Frequenzbänder wechseln oder durch digitale Sender abgelöst werden. - FM-Radiosender: Nicht brauchbar, da die Frequenzen von vielen Stationen überlappend genutzt werden und es nahezu keinen freien Bereich gibt, den man einstellen kann.

Ein Empfänger besteht aus den folgenden Komponenten: - Einer Yagi-Antenne: Üblicherweise wählt man sie in der Grö-
ße der halben Wellenlänge, was die Antenne etwas unhandlich macht. Die Antenne kann dicht am Boden montiert werden (um lokale Interferenzen zu vermeiden) und ist ,,aufwärts" in Richtung des Senders gerichtet. - Als Empfänger kann heutzutage ein guter TV-Dongle hergenommen werden. - Das Tonsignal wird mit einer Spektrumanalyse-Software verarbeitet, zum Beispiel ,,Spectrumlab".

1 Prinzip der Ausbreitung von Radiowellen vom Sender (links) über
die Meteorspur (oben) zum Empfänger (rechts)

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Radioastronomie

2 Typisches Spektrogramm
von Meteoren

Die Abbildung 3 zeigt die Radioreflektion einer Feuerkugel. Die geschwungenen Linien sind Reflektionen von Flugzeugen, die sich durch den Sendestrahl bewegen.

Die Zahl der Radiometeore ist generell höher als die Zahl der visuellen Meteore. Kurze ,,underdense"-Meteore können visuelle Helligkeiten von 7 bis 8 mag haben! Ein Nachteil ist, dass sich Meteorströme nicht gut in den Daten widerspiegeln, wenn die Zählrate hoch ist. Die Zahl der schwachen sporadischen Meteore ist dann viel größer und kann den Meteorstrom verdecken.

Die Zählung der Meteore kann automatisch erfolgen, z. B. mit HROFFT, oder manuell. Das ist zwar zeitraubend, erzielt aber bei Interferenzen bessere Ergebnisse. Viele Beobachter in der Welt laden ihre Ergebnisse mit ,,Colorgramme" auf die RMOB-Webseite hoch (Abb. 4). Es ist anzumerken, dass kein Qualitätscheck der Daten erfolgt. Sprunghaften Variationen und isolierten Peaks darf man keinen Glauben schenken - sie müssen erst validiert und mit anderen Beobachtungen bestätigt werden.

3 Spektrogramm einer Feuerkugel

Das RMOB-Datenarchiv reicht bis in das Jahr 2001 zurück und enthält die stündlichen Meteorcounts pro Monat aller Beob-

Auf einem typischen Spektrogramm (Abb. 2) sind folgende Dinge zu sehen: - ,,underdense" Meteore: Kurze vertika-
le Striche aufgrund der punktförmigen Reflektion der Radiowelle. - ,,overdense" Meteore: Länger anhaltende, manchmal bizarre Formen, bei denen mehrere Punkte entlang der Meteorspur das Signal reflektieren. Die unterschiedlichen ,,Stränge" bei bestimmten Fre-

quenzen spiegeln die Expansion der ionisierten Spur in Richtung des Beobachters oder in die Gegenrichtung wider.
Die Mittelpunkte der Meteorreflektionen liegen nahe der Trägerfrequenz (in diesem Fall 850 Hz), einige sind etwas davon entfernt (verursacht durch zufällige horizontale und vertikale Winde in der entsprechenden Höhe). Damit ergibt sich eine Normalverteilung rund um die Trägerfrequenz.

Relevante Webseiten
RMOB Live: www.rmob.org/index.php#live RMOB-Datenarchiv: www.rmob.org/index.php#data RMOB-Bulletin November 1998: www.rmob.org/rmob/rmobtext/ rmob9811.txt IMC 2019: https://imc2019.imo.net/

Journal für Astronomie Nr. 71 | 19

Radioastronomie

4 Live-Daten auf der RMOB-Webseite K

achtungen in grafischer und in Textform. Die mehr informellen ,,Radio Meteor Observation Bulletins" (RMOB) gibt es bereits seit August 1993. So liegen z. B. Reports vom Ausbruch der Leoniden 1998 vor (s. Linkliste S. 19).

Die Orioniden (Oktober) und Leoniden (November) sind durch ihre hohe Geschwindigkeit, die sie zu einem schlechten Radiowellenreflektor machen, nur bedingt sichtbar. Darüber hinaus gibt es Variationen von Jahr zu Jahr.

schrift der International Meteor Organization (IMO), präsentiert. Zwei interessante Artikel finden sich in der Literaturliste [1, 2]. Die nächste IMC findet übrigens vom 3. bis 5. Oktober 2019 in Bollmannsruh, westlich von Berlin, statt.

Es gibt auch ein Tool namens RMOBSurvey, mit dem man die Daten jahresweise offline analysieren kann (Abb. 5 und 6).
Folgende Meteorströme sind erkennbar: - Quadrantiden am 3./4. Januar - Lyriden Ende April - Eta Aquariiden Anfang Mai - Tageslicht-Meteorströme (zeta Perseiden
und beta Tauriden) im gesamten Juni - Südl. delta Aquariiden Ende Juli - Perseiden über einen längeren Zeitraum
im August - Geminiden und Ursiden im Dezember

Die kontinuierliche Überwachung von Radiometeoren ermöglicht interessante Entdeckungen oder die Bestätigung bekannter Meteorströme. Beispiele werden regelmäßig auf der International Meteor Conference (IMC) und in WGN, der Zeit-

Software

Spektrumlab HROFFT Colorgramme RMOB Survey

www.qsl.net/dl4yhf/spectra1.html http://radio.meteor.free.fr/hrofft2rmob/ www.rmob.org/file/colorgramme_rmob_lab_v1_3.zip www.rmob.org/articles.php?lng=en&pg=29

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5 Datensatz des Jahres 2015 von Felix Verbelen, Kampenhout/Belgien
6 Datensatz des Jahres 2016 von Felix Verbelen, Kampenhout/Belgien
Literaturhinweise: [1] C. Steyaert, 2015: ,,The 2015 February 5 event"; Proceedings of the International Meteor
Conference, Mistelbach, Austria, 27-30 August 2015, 73-77 [2] H. Ogawa, C. Steyaert, 2017: ,,Major and Daytime Meteor Showers using Global Radio
Meteor Observations covering the period 2001-2016"; WGN, Journal of the International Meteor Organization, 45-5, 98-106
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Radioastronomie

Meteorbeobachtung mit Radiowellen
von Georg Dittie

Die Beobachtung von Sternschnuppen ist so eine Sache: Macht man das im sichtbaren Licht, so schiebt sich die nächste Wolkenfront ins Bild, oder man hat was anderes um die Ohren oder es ist schlichtweg Tag. Es gibt da aber Abhilfe: die Beobachtung von Meteoren per Radar, im Fachjargon ,,Forward Meteor Scatter" genannt.

Funktionsprinzip Ein entfernter Sender strahlt Radiowellen ab, die am Beobachtungsort auf direktem Weg nicht empfangen werden können. Wenn nun ein kleines Teilchen in die Atmosphäre eintritt, schlägt es beim Verglühen Elektronen aus den Luftmolekülen. Dieser Ionenschweif wirkt dann wie ein Reflektor für die abgestrahlten Radiowellen. Die reflektierten Radiowellen können nun von uns empfangen und aufgezeichnet werden. Und weil sich Radiowellen auch tagsüber und bei schlechtem Wetter ausbreiten, kann man die Sternschnuppenaktivität rund um die Uhr beobachten.

1 Yagi-Antenne für 6 Meter Wellenlänge mit drei Elementen. Die eigentliche Antenne ist der
gebogene Stab in der Mitte, die anderen Querstäbe konzentrieren die Radiowellen auf den so genannten Dipol. Zum Testen ist das Ganze provisorisch schräg nach oben aufgebockt.

Man schließt dazu einen kleinen Empfänger an eine Antenne an und lauscht, wie kleine Pakete von Radiowellen an den Ionenschweifen gestreut werden. Diese Pakete zählt man dann und bekommt eine Information, mit welcher Intensität und Rate Sternschnuppen im belauschten Volumen aufleuchten. Wenn man einen besonders stabilen Sender anzapft und die Radiopakete durch Demodulation entschlüsselt, kann man sogar auf die Geschwindigkeit und die Größe der belauschten Sternschnuppe schließen.
Der Sender Der Sender muss vom eigenen Standort aus unterhalb des Horizonts und/oder hinter Bergen liegen und die Radiowellen müssen so kurz sein, dass sie sich nicht als Bodenwelle ausbreiten. Die besten Frequenzen liegen dabei so zwischen 50 und 200 MHz.

In der Praxis haben sich dabei zwei Sender als besonders geeignet erwiesen: Der Sender in Dourbes an der französisch-belgischen Grenze auf 49,970 MHz sowie das Satellitenradar in Graves in Südfrankreich auf 143,050 MHz. Beide senden rund um die Uhr mit einer Leistung, die ausreicht, in ganz Mitteleuropa zu beobachten. Dazu sind sie ungemein frequenzstabil, lassen also auch Geschwindigkeitsmessungen per Dopplereffekt zu.
Normale Fernseh- und Radiosender sind nur bedingt geeignet, zumal es in diesen Frequenzbereichen sehr ,,laut" zugeht. Das Nutzsignal, also Bild, Sprache und Daten auf dem Funksignal verbreitern das Sendesignal so weit, dass man nur noch Schnuppen zählen kann, sinnvolle Geschwindigkeitsmessungen per Dopplersignal sind

nicht mehr möglich. Mobilfunkfrequenzen sind völlig ungeeignet, die Sender sind abgehackt, viel zu nahe und das Frequenzband ist viel zu breit.
Der Empfänger In früheren Zeiten war als Empfänger ein ganzer Turm aus Geräten notwendig - seit einigen Jahren sind alle relevanten Bausteine dank der Digitalisierung in einem kleinen Kästchen verschwunden, das man per USB an einen PC anschließt. Das Stichwort heißt Software Defined Radio, kurz SDR. Das Antennensignal wird nur noch verstärkt und grob gefiltert, um dann sofort in einen digitalen Datenstrom gewandelt zu werden. Alles Weitere geschieht per Algorithmus im Rechner, am einfachsten mit der Freeware HDSDR [1].

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Radioastronomie

Etwas Geld muss man schon investieren: eine Yagi-Antenne (Abb. 1) ist für so um die 100 Euro zu haben, geeignete SDR-Empfänger kosten unter 200 Euro [2]. Eine Rundum-Antenne, also ein simpler Stab, kann nicht funktionieren. Wir brauchen ja keine Rundumsicht, sondern müssen dort hin ,,lauschen", wo die Senderwellen reflektiert werden können. Woran man auch nicht sparen sollte, ist das Kabel zwischen Antenne und SDR-Kästchen. Sehr wichtig ist, dass die Stecker für die Hochfrequenz wirklich wasserdicht sind, wozu sich N-Stecker und die Kabelsorte Ecoflex10 oder etwas preiswerter Aircell7 bewährt haben. Das Antennenkabel sollte nur so lang sein wie nötig, aber natürlich auch sauber verlegt und nicht gespannt werden. Auch ein Blitzschutz ist mehr als empfehlenswert, gebraucht für weniger als 30 Euro zu haben.
Als SDR-Empfänger sind alle Geräte geeignet, die das Radiosignal mit mindestens 12 Bit digitalisieren. Die kleinen billigen USBSticks, z. B. fürs Digitalfernsehen, funktionieren nicht, zu wenig Auflösung, zu wenig Empfindlichkeit. Sehr empfehlenswert ist vor allem der SDRplay, der schon alles an Elektronik enthält, und den ich auch selber betreibe. Noch etwas leistungsfähiger, aber auch etwas anspruchsvoller, ist der Airspy R2, der allerdings noch einen externen Antennenverstärker braucht.
Die Beobachtung Man baue die Antenne auf und richte sie so aus, dass sie Richtung Dourbes oder Graves zeigt [3, 4]. Die Antenne sollte Pi mal Daumen auf ein Volumen etwa 100 km über dem gewählten Sender zeigen. An die Antenne wird der SDR-Empfänger über das Antennenkabel angeschlossen. Bitte Blitzschutz vor dem SDR-Empfänger nicht vergessen. Der SDR-Empfänger wird per USB-Kabel an den PC gestöpselt. Sehr empfehlenswert sind kleine ITX-Einplatinencomputer mit

2 Empfängerhardware aus SDRplay und einem kleinen Stromspar-PC mit USB-
Schnittstelle. Die Antenne wird über N-Steckeradapter am SDRplay angeschlossen.

Laptoptechnik, weil sie wenig Strom verbrauchen (Abb. 2).
Die Software und der Treiber sind schnell installiert, bei HDSDR ist das simpel und auf der Webseite gut beschrieben. Wenn HDSDR läuft, bekommt man zwei so genannte Wasserfalldiagramme, die mit der fortlaufenden Zeit von unten nach oben laufen und ständig aktualisiert werden. Auf diesen Diagrammen ist der empfangene Frequenzbereich als Spektrum in jeder Diagrammzeile dargestellt. Alle paar Sekunden oder Sekundenbruchteile kommt eine Zeile hinzu, die ganz unten eingefügt wird und so das Wasserfalldiagramm nach oben schiebt. Im ersten Spektrum wird alles bis +/- 4 MHz oder auch enger rund um die eingestellte Empfangsfrequenz dargestellt. Im zweiten Spektrum wird das eigentliche Funksignal demoduliert. Da die Sender in Dourbes und Graves keine Information enthalten, wird das demodulierte Signal ausschließlich von der Meteorspur geformt. Wir können uns die Demodulation also als Frequenzlupe vorstellen, statt einige MHz sehen wir dann einige 100 Hz (Abb. 3).
Der Meteoroid, der in die Erdatmosphäre eintritt, ist zwar etliche Kilometer pro Se-

kunde schnell, aber die Ionenspur hat maximal Schallgeschwindigkeit. Das ist aber wiederum nur ein Millionstel der Lichtgeschwindigkeit, mit der sich die Radiowellen ausbreiten. Von den 49,97 MHz des Senders Dourbes bleiben also nur winzige 50 Hz Dopplereffekt übrig, bei Graves ca. 140 Hz. Weil so tiefe Töne schwer hörbar sind, stellt man die Demodulation noch so ein, dass z. B. ein Kilohertz auf das eigentliche Tonsignal aufaddiert wird. Es gibt also bei jeder Sternschnuppe einen Pfeifton, der von der Software via Soundausgang ausgegeben wird.
Wenn man alles erstmal in Betrieb genommen hat, braucht man dann nur noch rund um die Uhr das anfallende Audiosignal aufzeichnen, alternativ auch das Wasserfalldiagramm des demodulierten Signals, und dann die Bursts im Spektrum zu zählen, die als typischer Piepton zu hören sind.
Die Inbetriebnahme selbst ist ziemlich einfach, aber nicht trivial. Neben Sternschnuppen sind auch Flugzeuge hilfreich, die zufällig durch den Sendestrahl fliegen. Flugzeugspuren zeigen sich im Wasserfalldiagramm als gestreckte S-Kurve, die sich bis zu zwei Minuten lang durchs Diagramm

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schlängelt. Kann man die gut nachweisen, sind Antenne und SDR-Empfänger gut ausgerichtet, eingestellt und die Software richtig konfiguriert.
Apropos Störungen: Die erscheinen im Wasserfalldiagramm als senkrechte oder langsam hin und her schwankende Kratzer. Und Störungen sind zahlreich, z. B. mein eigener Büromonitor störte gewaltig, bis ich ihn durch einen anderen ersetzt habe. Gewitter oder Motoren in der Nachbarschaft erzeugen nur sehr breite, aber kurze waagerechte Streifen, die sehr gut von Meteor- und Flugzeugspuren zu unterscheiden sind.
Die Auswertung Jetzt braucht man eigentlich nicht mehr zu tun, als zuzuschauen, wie sich die Festplatte mit Daten füllt. Die können recht umfangreich sein, man kann in einem Beobachtungsjahr mehrere Terabyte Daten produzieren. Sehr empfehlenswert beim Programm HDSDR ist, das Wasserfalldiagramm für das demodulierte Signal auf Kosten der übrigen, nicht so wichtigen Anzeigen besonders groß zu machen, den Monitor hochkant zu betreiben und alle paar Minuten einen Screenshot zu machen. Die neueste Version 2.80 hat dazu sogar eine eingebaute Funktion. Ich selber mache alle 10 Minuten eine Aufzeichnung, 144 Spektrogramme pro Tag durchzugucken, ist nicht weiter belastend. Es gibt alternativ auch Software, die das parallel aufgezeichnete Audiosignal analysiert.
Eine typische Sternschnuppe hinterlässt im Wasserfalldiagramm eine praktisch waagerechte Spur, die bei winzigen, visuell wohl
3 Typischer Screenshot der HDSDR-Software
im Hochformat. Auf dem stark vergrößerten Wasserfalldiagramm für das demodulierte Signal sind zahlreiche kleine, aber auch große Sternschnuppen mit verwehten Nachleuchtspuren zu sehen.

Radioastronomie

nicht mehr wahrnehmbaren Meteoren nur schwach ausgeprägt ist, bei sichtbaren aber schon ein mehr als deutliches Signal bis zur Sättigung ergibt. Hinterlässt das eingetretene Teilchen eine Nachleuchtspur, so hängt an dem Streifen eine oder mehrere Fahnen, die durch die Höhenwinde verweht werden und bei Boliden bis zu mehrere Minuten lang die Radiowellen streuen (Abb. 4). Was ein kleiner Meteor oder eine Feuerkugel ist, kann man richtig an der Form im Wasserfalldiagramm ablesen. Über die Form ist auch die Unterscheidung von Flugzeugspuren, elektrischen Störungen oder Gewittern sehr einfach.
Die Beobachtungen per Radioscatter sind mit parallel laufenden optischen Beobachtungen etwas schwierig zu vergleichen, denn wir weisen erstmal nach, dass und nicht wo ein Meteor aufgeleuchtet ist, das allerdings auch mit höherer Nachweisempfindlichkeit. Vor allem schauen wir aber immer hin, solange der Radiant überm Horizont steht. Schon eine grobe Auszählung zeigt vergleichbare Aktivität der bekannten Meteorströme an, wie wir das aus der visuellen Beobachtung kennen.

Und so erfährt man Tag für Tag, was so an kosmischer Materie die Erde trifft und gleichzeitig, wie die Winde hoch über unseren Köpfen an der Grenze zum Weltraum wehen. Auch bei Schmuddelwetter aus dem bequemen Büro heraus.

4 Ein heller Meteor im Wasserfall-
diagramm, zusammen mit der Spur eines kleinen Meteors, im Detail, zusammen mit einigen Störkratzern und einer senkrecht geschwungenen Flugzeugspur unten.

Wichtige Internetlinks: [1] Software HDSDR: www.hdsdr.de [2] SDR-Empfänger: www.sdrplay.com, airspy.com/airspy-r2/ [3] Sender Dourbes: brams.aeronomie.be [4] Sender Graves: de.wikipedia.org/wiki/GRAVES [5] Arbeitskreis Meteore: www.meteoros.de [6] Liste der Meteorströme: www.imo.net/resources/calendar

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Radioastronomie

Radio-Meteorbeobachtung mit SDR-Empfängern
am Beispiel der Perseiden- und Quadrantidenschauer
von Fred Espey

Neben der visuellen Beobachtung von Meteoren am wolkenlosen, nächtlichen Himmel gibt es die Möglichkeit, auf radioastronomischem Wege Meteore nahezu wetterunabhängig zu beobachten. Dieser Beitrag beschreibt den Aufbau und Betrieb einer automatisierten Meteor-Empfangsstation in einer Sternwarte bzw. für den mobilen Einsatz bei Beobachtungsabenden. Mit SDR-Empfängern, SDR steht für Software Defined Radio, und einer 2-m-Yagiantenne sowie entsprechender Aufzeichnungs- und Analyse-Software werden die Meteorsignale auf einem Laptop aufgezeichnet und ausgewertet. Einige Grundlagen zur elektronischen Meteorzählung und zur Auswertung von Ergebnissen bilden den Einstieg in das Thema.

Viele kennen sicherlich die visuelle oder fotografische Beobachtung von Meteoren, die jedoch stark wetterabhängig ist; Tageslicht, Wolken oder Dunst können eine Beobachtung nahezu unmöglich machen. Meteore lassen sich aber auch unter einer geschlossenen Wolkendecke beobachten. Dies funktioniert mittels Empfang von Radiowellen, die von Meteoren nach dem Radio-Echo-Verfahren reflektiert werden. Dieses Prinzip wird u. a. seit 2005 beim GRAVES-Weltraumradar zur Bahnbestimmung künstlicher Satelliten eingesetzt. Ähnlich wie bei der VLF (Very Low Frequency) -Radioastronomie (Frequenzbereich von 3 bis 30 kHz) und dem Sonnenund Ionosphären-Monitoring nutzt man bei der Meteorzählung Vorgänge in der Ionosphäre, die beim Eintritt von Meteoroiden in die Erdatmosphäre auftreten. Ergebnisse lassen sich dabei nicht nur bildlich als Spektrogramme darstellen, sondern es können gleichzeitig Audiosignale als WAV-Dateien aufgezeichnet werden. Zunächst möchte ich noch einige astronomische Definitionen und grundsätzliche Informationen zum Meteorempfang geben. Näheres hierzu findet man im Detail sehr ausführlich beschrieben unter [1], [2] und [3].
Die meisten Meteoroide sind Fragmente von Kometen, die während der Sonnennähe durch den Sonnenwind große Mengen an Staub und Gasen verlieren. Als Meteor wird dabei die Leuchterscheinung beim Eindringen eines Meteoroiden in die Erd-

atmosphäre bezeichnet. Diese dann sichtbaren, sehr schnell über den Nachthimmel ziehenden, hellen Lichtstreifen bezeichnet man landläufig auch als Sternschnuppe. Nicht vollständig verglühte Bruchstücke können dabei auf dem Erdboden aufschlagen, man nennt sie dann Meteorite.
Das Eindringen der fremden Partikel in die Erdatmosphäre ist mit entsprechenden Begleitleuchterscheinungen verbunden. Wenn ein Meteoroid in die dichteren Schichten der Erdatmosphäre eindringt, erhitzt er sich durch die Reibungswärme, bis er meist vollkommen verdampft und eine Spur ionisierten Gases erzeugt wird. Es findet allerdings keine Oxidation (Brennen) im eigentlichen Sinne statt, sondern eine Ionisation des Abtrages vom Meteoroiden und der Luftmoleküle.
Schaut man sich die Häufigkeit der Meteore in Abhängigkeit von der Tageszeit an, zeigt sich, dass zur Zeit des Sonnenaufgangs besonders viele im interplanetaren Raum befindliche Teilchen durch die Erde eingefangen werden und die Zahl der Meteore damit am größten ist. Die Erdrotation bewirkt somit eine Modulation der Anzahl der täglichen Echos. Auch von Tag zu Tag ist die Häufigkeit der Meteore verschieden. Das liegt daran, dass die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne im Laufe des Jahres auf eine unterschiedliche Dichte der Partikel stößt. Hieraus lässt sich auch eine gewisse Jahresmodulation nachweisen, die durch

1 Selbstgebaute 2-m-Groundplane,
Bild: Fred Espey
die Verteilung der Kometenbahnen um die Sonne für die umlaufende Erde vorgegeben wird. Eine Übersicht der periodisch wiederkehrenden Meteorströme ist unter [4] zu finden.
Der Meteoroid selbst und die hinterlassene Spur von ionisiertem Gas sind in der Lage Radiowellen zu reflektieren oder zu streuen, was wir uns bei der Meteor-Radioastronomie zunutze machen. Die Reflexionsdauer kann dabei abhängig von der Größe des Körpers von einigen Sekundenbruchteilen bis zu mehr als zwei Minuten andauern. Dieses Phänomen tritt in einer Höhe zwischen 80 und 120 km auf, die Geschwindigkeiten liegen bei 10 bis 70 km/s. Die schnelle Bewegung des reflektierenden Objekts verursacht dabei eine Doppler-Verschiebung, ähnlich dem akustischen Gegenstück eines sich bewegenden Martinshornes. Die Verschiebung wird dann im Spektrum als Frequenzänderung sichtbar. Die Länge eines solchen Radio-Meteor-Echos ist abhängig von der Dauer der Ionisation.

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2 5-Element-Yagi-Antenne in Vormastmontage für den
Stationsbetrieb, Bild: Fred Espey

3 4-Element-Yagi-Antenne in Vormastmontage für den Mobilbetrieb,
Bild: Fred Espey

Zum Empfang der Reflexionen an Meteoren braucht man einen starken UKW-Sender, der aufgrund der Erdkrümmung ab einer Entfernung zwischen 300 und 1.000 km nicht direkt zu empfangen ist. Diese Methode wird als Vorwärtsstreuverfahren bezeichnet, wobei das gesendete Signal nur über den Ionisationsweg eines Meteors kurzzeitig empfangen wird. Ich habe für meine Empfangsstation den Weltraum-Radar-Sender GRAVES in Dijon, Frankreich verwendet. Dieser Sender liegt von meinem Standort Hildesheim in etwa 640 km Entfernung und sendet rund um die Uhr ein Dauersignal auf der Frequenz 143,050 MHz. Diese Frequenz nahe dem unteren Ende des 2-m-Amateurfunkbandes erlaubt es mir außerdem, für meine Versuche ohne große Anpassung Yagi- oder Groundplane-Antennen für das 2-m-Band (144 bis 146 MHz) zu verwenden. Zum Empfang der Radiosignale werden in der Regel SSB-Empfänger (Single-Sideband Modulation) mit einer typischen Bandbreite von 2,4 kHz verwendet, womit bereits ein sehr gutes Nachweisniveau (hohe Empfindlichkeit) erreicht wird. Die Reflexionen können als unmodulierte Pfeiftöne gehört werden.
Groundplane und Yagi-Antenne für den Empfang Meine ersten Empfangsversuche begann ich mit einer selbstgebauten 2-m-Groundplane-Antenne nach DC9VC [5] (Abb. 1). Abgestimmt habe ich die Antenne auf eine

Frequenz von 143 MHz, passend für den Empfang des GRAVES-Senders. Montiert auf einem 6 m hohen Steckmast aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und verbunden durch eine ca. 10 m lange Koaxialkabel-Verbindung vom Typ RG 213 konnte ich das Empfangssignal in meiner Radio-Sternwarte weiterverarbeiten. Der Empfang war durchaus zufriedenstellend, aber für einen dauerhaften Betrieb fehlte es etwas an Verstärkung; eine Antenne mit Richtwirkung schien die bessere Wahl zu sein.
Nach kurzen Tests stellte ich daher den Betrieb auf eine Yagi-Antenne um. Ich verwende seither eine kommerzielle 5-Element-Yagi-Antenne (Abb. 2) für das 2-m-Amateurfunkband ohne Veränderung am Aufbau der Antenne, die darüber hinaus mit etwa 9 dB einen ordentlichen Antennengewinn verspricht. Die 143 MHz des zu empfangenden GRAVES-Signals lassen sich damit ohne Weiteres noch abdecken, ohne dass man die Antenne auf die spezielle Frequenz anpassen müsste. Die Antenne wurde in Vormastmontage mit einer Neigung von etwa 20 Grad an einem 6-m-GFKMast montiert und auf den GRAVES-Sender in Richtung SSW ausgerichtet. Die vorhandene Koaxial-Kabelverbindung vom Typ RG 213 konnte ich wieder verwenden. Für den Mobilbetrieb der Empfangsstation, z. B. bei Beobachtungsabenden unseres Vereins, verwende ich zusätzlich noch eine 4-Element-Vormast-Yagi-Antenne auf

einem mobilen Stativ mit GFK-Rohr (Abb. 3 und 4). Sie ist ebenfalls mit einer leichten Neigung versehen und kann dank des drehbaren Aufbaus leicht in die gewünschte Richtung gestellt werden. Wer keine kommerzielle Antenne verwenden möchte, kann sich diese natürlich auch selbst herstellen. Geeignete Bauanleitungen findet man im Internet.
4 GFK-Stativ für den Mobilbetrieb,
Bild: Fred Espey

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Die Empfänger Erste Empfangsversuche habe ich 2016 mit dem PC-Breitbandempfänger IC-PCR1000 von ICOM durchgeführt. Er bot hierfür ideale Voraussetzungen, konnte man ihn doch über den PC direkt steuern und das Allmode-Gerät erzeugte an einer entsprechenden Ausgangsbuchse die NF-Signale zur Weitergabe an eine PC-Soundkarte. Eine Überprüfung der Empfangseigenschaften zeigte jedoch, dass der Empfänger für die Modulationsarten SSB/CW völlig taub war, ein Empfang war nur auf FM und AM möglich. Daher ist er für den Meteorempfang nicht geeignet. Auch ein zweites Gerät dieses Typs hatte das gleiche Problem. Ich ging also dazu über, mich auf die klassischen Breitbandempfänger zu konzentrieren.
Mein IC-R7000 von ICOM zeigte sehr gute Empfangseigenschaften. Als Allmode-Gerät bot er die Modulationsart SSB, und die NF-Signale konnten über die integrierte Kopfhörerbuchse direkt auf eine Soundkarte des Computers gegeben werden. Ein wesentlicher Nachteil dieses Gerätetyps ist allerdings das eingebaute Netzteil, das im Dauerbetrieb zu einer enormen Wärmeentwicklung führt. Der Empfänger neigt daher zur Frequenzdrift. Die Deaktivie-

5 Stationsüberblick der Meteorstation, Bild: Fred Espey

rung des 220-V-Netzteils und Umstellung auf 12-V-Betrieb zeigte erhebliche Verbesserungen. Das Gerät wurde nicht mehr so warm und zeigte eine bessere Frequenzstabilität. Ein zweiter Punkt, der hier noch genannt werden sollte, ist die eingebaute automatische Verstärkungsregelung (AGC). Diese sollte in jedem Fall umgangen werden, da sie für den Empfang von Meteorsignalen nicht notwendig ist.
Ein weiterer Empfänger, der eine Zeitlang bei mir zum Einsatz kam, war der Yaesu FRG 9600. Er bot eine ausreichende Empfindlichkeit in dem zu empfangenden Frequenzband und hatte den Vorteil, dass kein 220-V-Netzteil im Gerät eingebaut war. Im vorgesehenen 12-V-Betrieb blieb die eingestellte Frequenz stabil und es zeigte sich kaum Wärmeentwicklung. Nach einigen Monaten Dauereinsatz unter Sternwartenbedingungen mit schwankenden Temperaturen zeigten einige Module des Empfängers irreparable Defekte, so dass der Betrieb mit diesem Empfänger eingestellt wurde. Diese 30 Jahre alten Geräte sind für einen Dauerbetrieb nur bedingt geeignet und

brauchen eine möglichst konstante Umgebungstemperatur, um länger zu halten.
Da sich mittlerweile die SDR-Empfänger-Technik sehr stark weiterentwickelt hatte, habe ich Anfang 2017 einige dieser Empfänger für den Meteorempfang getestet, um den kontinuierlichen Betrieb wieder aufnehmen zu können. Zwei davon sind noch heute bei mir im Dauer- bzw. Mobileinsatz und mit etwa 25 bis 35 Euro deutlich preiswerter als o. g. Breitbandempfänger. Mit einer direkten Steuerungsmöglichkeit über den PC, einer sehr guten Empfindlichkeit und Frequenzstabilität bieten sie außerdem noch den Vorteil einer einstellbaren HF-Verstärkung, also alles, was man für den Betrieb braucht. Die Zusammenstellung in der Tabelle 1 zeigt die von mir getesteten Geräte sowie nach meiner Einschätzung deren Vor- und Nachteile für den Einsatz als Empfangseinheit für Meteorsignale.
Auf Grund der geringen Wärmeentwicklung im Dauerbetrieb verwende ich in der Sternwarte seit geraumer Zeit den RTL-

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Radioastronomie

6 Perseidenereignis am frühen Abend des 11.08.2018, mit einem größeren Meteor, der fortschreitend verdampft, Bild: Fred Espey

SDR.COM V.3. Das Gerät läuft nunmehr seit vielen Monaten ohne Probleme und wurde lediglich mit einem zusätzlichen Kühlkörper zur besseren Wärmeableitung versehen. Für den Mobilbetrieb verwende ich den NooElec NESDR Smart. Bei kurzzeitigem Einsatz zeigten sich keinerlei Probleme im Betrieb, wobei die anderen von mir getesteten Geräte genauso geeignet sind.
Beide bei mir im Einsatz befindlichen SDR-Empfänger (Bezug über einschlägige Internet-Händler) können mit der frei verfügbaren Software SDR# [6] betrieben werden. Bevor der SDR-Empfänger am PC funktioniert, muss der erforderliche Treiber über die Software ZADIG installiert werden. Wie das funktioniert, wird sehr ausführlich auf der unter [7] genannten Internetseite beschrieben und soll an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden. Nachdem nun der SDR-Empfänger vom PC erkannt wird, kommt die Steuerungssoftware SDR# zum Einsatz, die unter [6] heruntergeladen werden kann. Eine kurze Beschreibung auf Deutsch findet sich u. a. unter [8]. Die für den Meteorempfang notwendigen und

wichtigsten Einstellungen in SDR# sind in der Tabelle 2 kurz beschrieben, wobei die in der Software gemischt verwendeten englischen und deutschen Schlüssel angegeben sind. Damit sollten eintreffende Signale bereits in der Wasserfall-Darstellung in SDR# sichtbar werden. Für die Weiterleitung des Empfangssignals von SDR# zur entsprechenden Auswertesoftware ist noch eine virtuelle Verbindung zwischen den Programmen erforderlich. Hierfür verwende ich die Software VB-Audio, die man unter [9] findet. Nach Installation der Software erscheinen in der Sound-Systemsteuerung des PCs unter <Wiedergabe und Aufnahme> jeweils die neuen Einträge <Cable Input> und <Cable Output>. Damit sind die Voraussetzungen zur Signalweitergabe zwischen den verwendeten Programmen gegeben. In SDR# wird jetzt im Menü <Audio> als Output <MME-Cable Input (VB-Audio-Virtual C)> gewählt, womit SDR# das Audiosignal an das virtuelle Kabel zur Weiterverarbeitung gibt. Die Auswertesoftware verwendet als Input das Eingangssignal von VB-Cable, womit die Verbindung beider Programme hergestellt ist.

PC-Betrieb Für den ununterbrochenen Stationsbetrieb kommt bei mir ein lüfterloser Mini-PC zum Einsatz. Hiermit werden ein möglichst geringer Stromverbrauch und eine funktionierende WLAN-Verbindung für die Bereitstellung von Daten im Internet realisiert. Beim Mobilbetrieb mit einem Laptop sind eine lange Akkulaufzeit, sofern keine 220-V-Netzspannung vorhanden ist, und eine SSD-Festplatte von Vorteil. Um bei Dauerbetrieb keine Sommer-/ Winterzeit-Umstellung vornehmen zu müssen bzw. Datensätze von unterschiedlichen Empfangsstationen besser vergleichen zu können, sollten die Systemuhren auf UTC umgestellt werden. Außerdem ist eine Zeitsynchronisation über das Internet von Vorteil, um auch sekundengenaue Auswertungen vornehmen zu können. Die Datenarchivierung erfolgt in vorgegebenen Verzeichnissen, die einmalig angelegt werden müssen und beim Mini-PC, der als Server-PC fungiert, zusätzlich in einer SQL-Datenbank. Die Abbildung 5 zeigt einen Stationsüberblick und das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten.

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Radioastronomie

7 Quadrantiden-Schauer am frühen Morgen des 04.01.2019, wieder mit einem größeren Meteor, Bild: Fred Espey

Datenerfassung und Auswertung Neben dem Empfang der Meteorsignale bildet die Anzeige und Auswertung der Signale einen wesentlichen Bestandteil einer Meteor-Empfangsstation, um aussagekräftige Informationen aus den Meteorbeobachtungen zu gewinnen. Hierzu zählen neben der Signaldarstellung als Spektrogramme (Signalstärke über die Zeit in Farbdarstellung) auch die Zählung der einzelnen Meteorpings pro Zeiteinheit. Parallel dazu erfolgt eine Aufzeichnung der Meteorsignale in Audioform als WAV-Dateien. Beim Empfang ist darauf zu achten, den Empfänger möglichst vor Umwelteinflüssen und ihren Änderungen zu schützen, da z. B. große Temperaturunterschiede die Frequenzmessung beeinflussen können.

Aus den aufgezeichneten Daten lassen sich verschiedene Informationen über die einzelnen Meteore ableiten. Die Zahl der reflektierten Signale pro Stunde sagt etwas über die auftretenden Meteoraktivitäten aus. Die Intensität (Dauer eines Meteor-Events) des eintreffenden Meteors spiegelt sich dabei in der Länge des aufgezeichneten Signals wieder. Auch lässt sich aus der Stärke und Form des Signals ableiten, ob ein Meteoroid auf dem Weg durch die Atmosphäre teilweise verglüht, in verschiedene Bestandteile zerfällt oder explodiert.

Lab führt eine Frequenzanalyse des Signals durch und zeichnet entsprechende Ergebnisse auf. Das Script ist dabei so parametriert, dass es den Unterschied der Intensität zwischen Hintergrundrauschen und Signalping misst und bei 15 dB Abweichung aktiv wird. Störquellen wie Flugzeuge, ISS, Satelliten und sogar der Mond bleiben dabei unberücksichtigt und werden nicht als Meteorpings identifiziert. Starke Sonnenaktivitäten können allerdings die Zählungen ebenso beeinflussen wie vorbeiziehende Gewitterfronten.

Für die eigentliche Aufzeichnung und Zählung der Signale verwende ich die allgemein verbreitete Software SpectrumLab, eine freie Version in der jeweils aktuellen Fassung ist unter [10] zu finden. Spectrum-

Bei jedem erkannten und gezählten Signal wird automatisch eine Bilddatei im PNG-Format erzeugt und in einem vorgegebenen Dateiverzeichnis abgespeichert. Stündlich wird die Zählung zu einem Stun-

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Radioastronomie
Tabelle 1
Getestete und verwendete Empfänger mit Einschätzung der Vor- und Nachteile für Meteorsignale

Bez: VT:
Kom.:

RTL-SDR.COM V.3 Metallgehäuse zur HF-Abschirmung SMA-Antennenanschluss frequenzstabil gute Empfindlichkeit für Dauerbetrieb im Einsatz

Bez: VT:
NT: Kom:

NooElec schwarz NESDR Smart Metallgehäuse zur HF-Abschirmung SMA-Antennenanschluss frequenzstabil gute Empfindlichkeit wird etwas wärmer als RTL-SDR.COM für Mobilbetrieb im Einsatz

Bez: VT:
NT: Kom:

NooElec gold NESDR Smart XTR Metallgehäuse zur HF-Abschirmung SMA-Antennenanschluss frequenzstabil gute Empfindlichkeit wird etwas wärmer als RTL-SDR.COM für Mobil- und Dauerbetrieb geeignet

Bez: VT: NT:
Kom:

NooElec blau NESDR mini 2+ frequenzstabil Kunststoffgehäuse ohne HF-Schirmung nur steckbarer Antennenanschluss wird sehr warm im Dauerbetrieb nicht geeignet für Dauerbetrieb

Bez: VT:
NT:
Kom:

FunCube Dongle sehr empfindlich frequenzstabil Kunststoffgehäuse ohne HF-Schirmung hohe Anschaffungskosten zu teuer für alleinigen Meteorempfang

Abkürzungen: SDR-Bezeichnung (Bez), Vorteile (VT), Nachteile (NT), Kommentar (Kom)

denwert zusammengefasst. Die Abbildung 6 zeigt ein Beispiel für einen automatisch erzeugten und abgespeicherten Screenshot des Perseidenschauers am frühen Abend des 11.08.2018, mit einem größeren Meteoroiden, der fortschreitend verglüht. Unten links findet man dabei Datum und Zeitstempel, vertikale Linien bilden die Zeitschiene im Minutenraster und auf der rechten Seite findet man den Signalpegel. Außerdem erzeugt die Software eine Datendatei mit Zeitstempel und Intensität des Signals, die zur weiteren Verarbeitung über ein Transferprogramm zyklisch in eine Datenbank übertragen wird. Diese Datei wird ebenso in einem Dateiverzeichnis abgelegt wie die bereits erwähnte Audiodatei. Die Abbildung 7 zeigt einen Ausschnitt des Quadrantiden-Schauers am frühen Mor-

gen des 04.01.2019, wieder mit einem größeren Meteor.
Sehr häufig findet man in diesen Spektrogrammen kleine Punkte, die durch Mikrometeore verursacht werden. Die Ionisationsspur ist dabei nur von kurzer Dauer, die Objekte dringen wohl nicht sehr weit in die Atmosphäre ein. Vertikale Linienspuren, wie in der Abbildung 7 zu sehen, findet man ebenfalls häufig in den Aufzeichnungen. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um schnell verzögernde Meteoroide mit deutlichen Anzeichen einer Doppler-Verschiebung, die nicht sofort explodieren (s. Anmerkungen oben zu den physikalischen Prozessen). Sie dringen schnell in die Atmosphäre ein, bevor sie vollständig verglühen. Eher selten findet man L-förmige

Spuren, eine Kombination aus vertikaler Linienspur gefolgt von einer durchaus auch länger, anhaltenden horizontalen Spur. Wahrscheinlich handelt es sich um einen eindringenden Meteoroid, der in der Atmosphäre explodiert. Ein Beispiel hierfür ist ebenfalls in der Abbildung 7 zu sehen.
Ein sehr seltenes Ereignis, sowohl visuell als auch im Radiobereich, sind die Feuerkugeln. Die charakteristische Struktur eines solchen Ereignisses mit einer Dauer von über einer halben Minute beim Eintritt in die Atmosphäre in der Nacht vom 11. auf den 12.08.2016 zeigt das Spektrogramm in der Abbildung 8. Weitere Kategorisierungen von Radio-Meteor-Spektrogrammen findet man unter [11].

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Radioastronomie

8 Die charakteristische Struktur einer Feuerkugel in der Nacht vom 11. auf den 12.08.2016, Bild: Fred Espey

9 Beispielhafte Auswertung vom 31.12.2018 mit Tagesprofil, Monatsübersicht
und einigen Benutzerdaten, Bild: Fred Espey

Um nun eine quantitative Aussage über die Anzahl der Meteorereignisse pro Stunde machen zu können, verwende ich die Software ,,Colorgramme", die in der aktuellen Fassung unter [12] zu finden ist. Diese Software greift bei der Auswertung auf die über ,,SpectrumLab" erzeugten RMOB-Dateien (Radio Meteor Observing Bulletin) zurück und erzeugt daraus eine farblich abgestufte stündliche Darstellung der Meteorereignisse für jeden Monat. Die Daten werden, wie beispielhaft für den 31.12.2018 mit Tagesprofil, Monatsübersicht sowie einigen Benutzerdaten in der Abbildung 9 dargestellt, stündlich abgerufen, aktualisiert und dem RMOB-Netzwerk [13] zur Verfügung ge-

stellt. Sehr schön ist dabei in der Monatsdarstellung das Maximum der aufgezeichneten Geminiden am 14. Dezember um 5:00 Uhr UTC mit insgesamt 106 gezählten Ereignissen zu sehen.
In der Abbildung 10 habe ich zum Vergleich die Januar-Auswertung der Jahre 2017 bis 2019 gegenübergestellt. Hier zeigt sich sehr deutlich das Maximum der Quadrantiden jeweils in den frühen Morgenstunden des 3. bzw. 4. des Monats. Was man außerdem anhand dieser Auswertungen recht gut erkennen kann, ist die eingangs beschriebene Variation der Meteorereignisse in Abhängigkeit von der Tageszeit.

Eine weitere Art der Zählung und Auswertung von Radiometeoren bietet die Python3-basierte Software ,,MeteorLogger", die ich seit Anfang 2019 parallel verwende. Hierbei wird, nicht wie bei ,,SpectrumLab", ein Radiometeor-Signal auf Basis eines Amplitudenschwellwertes detektiert, sondern auf dessen Signatur im Frequenzbereich. Eine Anpassung der Programmfunktionen ist über die Menüleiste möglich. Außerdem wird hierüber die Signalquelle ausgewählt, in meinem Fall <Cable Input>. Die Beschreibung der vielfältigen Möglichkeiten zur Zählung und Auswertung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen und daher verweise ich auf die Ausführungen

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Radioastronomie

unter [1]. Hier findet man neben ausführlichen Beschreibungen zu den Programmfunktionen und einer Möglichkeit zum Download der notwendigen Programme und Skripte eine detaillierte Installationsanleitung für Python 3 und der erforderlichen Module. Bei mir hat die Installation auf Anhieb funktioniert und das Tool zeichnet seitdem kontinuierlich Daten auf. Die Besonderheit bei der Aufzeichnung ist die kontinuierliche numerische Ausgabe des detektierten Signals mit sehr hoher zeitlicher Auflösung. Spektrogramme werden nicht angezeigt. Die Abbildung 11 zeigt einen Screenshot der Software ,,MeteorLogger" nach dem Start des Monitorings.

Darüber hinaus nutze ich noch die ebenfalls Python-3-basierte Nachbearbeitungs-Software ,,ProcessData" (Abb. 12), mit der es möglich ist, Rohdaten zu verarbeiten, zu betrachten, zu analysieren und zu exportieren. Als Basis dienen die von MeteorLogger erzeugten Rohdaten, die kontinuierlich in einer CSV-Datei abgelegt werden. Neue Daten werden dabei immer an eine bestehende Datei angehängt. Bei jedem Neustart von MeteorLogger startet die Meteornummer (laufende Nummer der aufgezeichneten Meteorereignisse) wieder bei 1. Dies soll sicherstellen, dass man Programmunterbrechungen im Datensatz schnell erkennt. Beim Einlesen der Daten in ,,ProcessData" wird der Datensatz auf eine durchgehende aufsteigende Nummerierung geprüft und ggf. neu durchnummeriert. Die Abbildung 12 zeigt einen Screenshot von ,,ProcessData" mit Aktivierung der Funktionen <Reduce Interference> (Ausfiltern von Störsignalen) und <Conflate> (Korrektur von Signalen, die einem starken Fading ausgesetzt waren). Das Ergebnis ist im unteren Teil des Bildes sichtbar.

Unter dem Menüpunkt <Functions> habe ich danach beispielhaft den Punkt <Hourly Count Rates> ausgewählt und im Ergebnis die korrigierte stündliche Meteorrate grafisch dargestellt. Die Abb. 13 zeigt einen vergrößerten Teil der Gesamtauswertung für die Tage vom 21.01.-25.01.2019.

1 0 Auswertung jeweils
Januar mit Maximum der Quadrantiden. Oben 2017, Mitte 2018, unten 2019, Bild: Fred Espey

Tabelle 2

Wesentliche Einstellungen in der Steuersoftware SDR#

Parameter

Einstellung

Frequenz RF-Gain Mute Modulation Bandwidth Correct IQ Snap to Grid Audio output Sample Rate Tuner AGC RTL AGC

143,049020 MHz 43,4 dB 46,0 dB USB 2400 Hz Haken setzen Haken setzen [MME] Cable input 2.4 MSPS aus aus

Journal für Astronomie Nr. 71 | 33

Radioastronomie 34 | Journal für Astronomie Nr. 71

1 1 MeteorLogger im Monitoring-Einsatz
mit Darstellung kontinuierlicher Signale, Bild: Fred Espey
Ich konnte an dieser Stelle leider nur einige Funktionen darstellen und kurz beschreiben, für weitere Auswertungen bieten sich noch diverse Möglichkeiten, die man einfach mal ausprobieren sollte. Alles in allem bilden die beiden Programme ein sehr gutes Komplettpaket, um nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aussagen zu Radiometeoren zu erhalten.
Radioastronomische Aufzeichnung in Verbindung mit Videobeobachtung von Meteorschauern Eine interessante Beobachtungsmöglichkeit ist die Aufzeichnung von Meteor-Spektrogrammen mittels SDR-Empfänger parallel zur Videobeobachtung mit Hilfe einer AllSky-Kamera. Im Rahmen einer Beobachtungsnacht am 11.08.2018 der Hildesheimer Gesellschaft für Astronomie (HiGA) haben wir diese Beobachtungen beim Perseidenschauer den interessierten Besuchern auf unserem zukünftigen Sternwartengelände in Lechstedt vorführen können. Dabei lief auf dem einen Laptop die radioastronomische Aufzeichnung der Meteorsignale mit entsprechenden Spektrogramm-Darstellungen und parallel dazu wurde auf einem zweiten Laptop das Live-Videobild einer AllSky-Kamera gezeigt und aufgezeichnet. Anhand der sich aufbauenden mehrere Sekunden dauernden Meteorsignale konnte mitunter auf dem zeitgleichen Videobild der visuelle Meteorverlauf mitverfolgt werden und man hatte somit einen guten Indikator dafür, wann am Himmel eine Meteorbahn zu beobachten sein sollte. Einige deutliche Meteorspuren konnten somit am Himmel direkt und auf Video verfolgt und nachgewiesen werden.
1 2 ProcessData im Einsatz für die
Nachbearbeitung von Rohdaten, Bild: Fred Espey

Radioastronomie

1 3 Auswertung der bereinigten,
stündlichen Meteorrate, Ausschnitt vom 21.-25.01.2019, Bild: Fred Espey

Literaturhinweise und Internetlinks (Stand: April 2019): [1] W. Kaufmann: ,,Radio Observati-
ons", www.ars-electromagnetica. de/robs/index.html [2] K. von der Heide: ,,Die Geometrie von Meteorscatterverbindungen", www. ars-electromagnetica.de/robs/Media/MS_Geometrie.pdf [3] J.-L. Rault, 2015: ,,Meteor Science using Radio", 2015 IMO (International Meteor Organisation), https:// proamwetal-2015.sciencesconf. org/conference/proamwetal-2015/ pages/Meteors_radio_Giron_2015_ JLR.pdf [4] Wikipedia: ,,Liste von Meteorströmen", https://de.wikipedia.org/wiki/ Liste_von_Meteorstr%C3%B6men [5] D. Heyland (DC9VC): ,,CQ DL Spezial UKW-Antennen", S. 86 [6] Airspy, Windows SDR-Software, https://airspy.com/download/ [7] OverClocked Inside, SDR-Installation-Anleitung, www.ocinside.de/ modding/sdr_anleitung_d/3/ [8] Lutz Bär, DL1RLB: ,,Beschreibung der Software SDR#", http://lutzbaer.homepage.t-online.de/files/ sdr_anleitung_deutsch.pdf [9] VB-Audio Software, www.vb-audio.

com/Cable/index.htm [10] DL4YHF, ,,Amateur Radio Software
,,SpectrumLab", www.qsl.net/ dl4yhf/spectra1.html

[11] Philip, G0ISW: ,,Meteor-Spektrogramme", www.qsl.net/g0isw/
[12] radio.meteor.free.fr/color_ma/ index.html
[13] Radio Meteor Observing Bulletin, www.rmob.org/livedata/main.php

IMPRESSUM
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY Telefon: +496252 787154 | Fax: +496252 787220 service@vds-astro.de | www.vds-astro.de Redaktion: Dr. Werner E. Celnik, Dietmar Bannuscher, Sven Melchert, Peter Riepe. Redaktionelle Mitarbeit der VdS-Fachgruppen-Redakteure und VdS-Mitglieder Bearbeitung von Bildern und Grafiken: Dr. Werner E. Celnik und die Autoren Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin Anzeigen: Kullmann & Matic GbR, anzeigen@vds-astro.de Druck: raff mediagroup gmbh, Riederich Vertrieb: Werner Teutsch GmbH, Laudenbach Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitgliedsbeitrag von 35,- E (EU) und 40,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten. Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe unter www.vds-astro.de). Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169, 64629 Heppenheim, E-Mail: service@vds-astro.de.

Journal für Astronomie Nr. 71 | 35

Radioastronomie

Radioastronomie an Raumsonden und Satelliten
von Klaus Fenger und Frank Theede

Neben der ,,klassischen Radioastronomie" natürlicher Radioquellen wie z. B. Pulsaren und der 21-cm-Wasserstofflinie gibt es ein weiteres Gebiet, auf dem der interessierte Amateurradioastronom tätig werden kann: die Beobachtung und der Empfang der Aussendungen künstlicher Satelliten und Raumsonden. Derartigen Aufgabenstellungen widmet sich neben anderen das Team der Satellitenstation in Kiel-Rönne unter Leitung des Besitzers und Betreibers Per Dudek.

Dabei ergeben sich viele Verbindungen zur Astronomie: - Zum Auffinden und Verfolgen (,,Track-
ing") der Raumsonden und Satelliten sind umfangreiche Bahnberechnungen und damit Kenntnisse der Himmelsmechanik notwendig. - Berücksichtigung und Auswertung des Dopplereffektes bei den Empfangsfrequenzen - Empfang und Weiterleitung astrophysikalischer Messergebnisse, z. B. von Sonne und Mars, durch die wissenschaftlichen Geräte auf den Raumsonden - Betrieb einer Erde-Mond-Erde-Bake auf 10 GHz auf dem Mond als natürlichem Satelliten der Erde - Kooperation mit astronomischen Arbeitsgruppen an Universitäten, Forschungseinrichtungen und Raumfahrtorganisationen

1 Deep Space Network Goldstone Complex California, Bild: JPL/NASA

der NASA betriebene Deep Space Network (DSN) [1] kommuniziert wird. Das DSN besteht aus den Empfangs- und Sendestationen in Madrid, Goldstone (Abb. 1) und Canberra. Es kommen jeweils Antennen mit 70, 34 und 26 Meter Durchmesser zum Einsatz - und so ist es (auch für die dortigen Profis) überraschend, dass mit den deutlich kleineren Spiegeln in Kiel-Rönne ebenfalls Daten empfangen und weitergeleitet werden, so dass Kiel-Rönne Teil dieses Netzwerkes ist. Alle in Rönne betriebenen Empfangs- und Datenübertragungssysteme arbeiten und übertragen die empfangenen Daten vollautomatisch.

der Energieeinsparung, konnte die Sonde durch die Kieler Station nicht wieder aufgefunden werden, obwohl theoretisch die Beobachtung bis zum Pluto möglich sein sollte. Nachfragen bei der Missionskontrolle ergaben zuerst keine Begründung, da eine Änderung der Polarisation oder der Frequenzen ausgeschlossen wurde. Erst später war zu erfahren, dass doch eine Frequenzänderung vorgenommen wurde, die eine weitere Beobachtung in Rönne verhinderte. Wie kann man sicher sein, dass es wirklich New Horizons ist? Genau diese Frage stellte sich im August 2009 auch eine Mitarbeiterin der New-Horizons-Mission.

Auf einige Themen soll in diesem Artikel detailliert eingegangen werden, da die Beschreibung aller Aktivitäten im Detail nicht möglich ist. In Kiel-Rönne wurden über die letzten 20 Jahre mehr als 1.500 Beobachtungen, dokumentiert durch Einträge im Logbuch, Bildschirmfotos, Vermerken besonderer Ereignisse, an mehr als 30 DSN-Raumsonden vorgenommen. Als DSN-Raumsonden werden Raumsonden bezeichnet, mit denen über das von

New Horizons Das am weitesten entfernte beobachtete Objekt war die Raumsonde New Horizons am 01.05.2011 bei einer Entfernung von 21 AE, also 2,9 Milliarden Kilometern, zwischen Uranus und Neptun. Die Messung erfolgte bei 8,4 GHz mit dem 7-m-Spiegel und war bei einer Signalstärke von 8 dB Nutzsignalstärke über dem Rauschen sicher nachweisbar. Nach dem letzten ,,Winterschlaf ", d. h. einer Sendepause zum Zwecke

"Hi, Klaus - I work in Mission Operations for New Horizons. I heard that you had detected the radio signal from our spacecraft with a 7-meter dish. I and my co-workers are all very curious how you did that, where is your dish, how you hook up, what wavelength you observed at, what was the signal strength, how you decided that you had NH rather than some other target, etc. Could you send us some of the details?? thanks, Helen Hart"

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Radioastronomie

2 Space-Weather-Beacon-
Stationen, Screenshot: Frank Theede

Dieser Bitte ist Klaus Fenger natürlich gerne nachgekommen, hier ein übersetzter Auszug aus seiner Antwort: ,,... Zuerst wird die Position und die Frequenz unter Berücksichtigung des Dopplereffektes bestimmt. Die Antenne wird möglichst genau auf die Position ausgerichtet. Wenn das Signal gefunden wurde, wird die Antenne um einige 0,01 Grad verstellt. Wenn es das korrekte Signal ist, wird es verschwinden. Die Dopplerverschiebung ist für jeden Beobachtungszeitpunkt sehr genau berechnet und die Empfänger werden automatisch darauf abgestimmt, so dass die korrigierte Empfangsfrequenz konstant ist. Dann wird die Korrektur abgeschaltet und die empfangene Frequenz ändert sich auf charakteristische Weise ...".
Weitere Raumsonden Lohnende, weit entfernte Raumsonden sind oder waren unter anderen: Juno (Jupiter), Cassini (Saturn), Rosetta (Komet 67P/ Tschurjumow-Gerassimenko), Venus Express (Venus), Messenger (Merkur). Bei Letztgenannten wurden, da von der NASA keine Bahndaten verfügbar waren, eigene Bahnberechnungen durchgeführt, um die Beobachtungszeiten und Positionen zu bestimmen.

Center [4] übermitteln. Die bei 8,44 GHz empfangenen Bakendaten stehen so weltweit nach 3 Minuten allen Organisationen zur Verfügung. Am 1. Oktober 2014 ist für alle irdischen Empfangsstationen der Kontakt zu Stereo B aus unbekannten Gründen abgebrochen. Diverse Versuche, eine stabile Verbindung zu etablieren, scheiterten. Es besteht aber Hoffnung, dass in Erdnähe mit erhöhter Sendeleistung der Satellit noch einmal reaktiviert werden kann. Auf der Webseite des Stereo Science Centers findet man die ,,STEREO Space Weather Beacon Coverage", eine Darstellung der aktiven Empfangsstationen (Abb. 2). Neben dem

DSN und Kiel ist z. B. auch das National Institute of Information and Communications Technology in Koganei, Japan (KOGA) beteiligt. Die von Kiel-Rönne empfangenen und übermittelten Daten können auf der Webseite des SSC eingesehen werden. Diese Daten werden auch direkt an die Arbeitsgruppe Heliosphärische Astroteilchenphysik der Universität Kiel [5] weitergeleitet. Das mit dem 7-m-Spiegel empfangene Signal liegt bei 30 dB, dieser Wert ist notwendig, um dekodierbare Daten zu empfangen. Eine 2-m-Schüssel würde noch ca. 10 dB liefern und reine Beobachtungen wären auch damit möglich.

STEREO Während des Verfassens dieses Artikels gab es ein besonderes Jubiläum zu feiern: am 05.03.2019 sind es genau 10 Jahre, dass die Amateure in Kiel-Rönne an der Mission Stereo [2, 3] beteiligt sind. Der Wert der Mission zur Bestimmung des Weltraumwetters wird gesteigert, wenn beide Sonden ununterbrochen beobachtet werden. Dazu wurden von der NASA Partner gesucht, welche die Bakenaussendungen, d. h. die Übertragung aller aktuellen Bilder und Messwerte, mit den wichtigsten Daten empfangen können und diese Daten online der NASA und dem Space Weather Prediction

3 Spektrum und Wasserfalldiagramm ACE, Grafik: Klaus Fenger

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Radioastronomie

4 Die Raumsonde Mars Odyssee über dem Marspol, Bild: JPL/NASA

Advanced Composition Explorer (ACE) Ein weiteres Projekt, an dem Kiel-Rönne seit drei Jahren beteiligt ist, ist der Advanced Composition Explorer (ACE), eine Raumsonde zur Messung des Sonnenwinds am Lagrange-Punkt zwischen Sonne und Erde. Dabei wird mit dem 6-m-Spiegel auf 2,28 GHz der Schmalband-Datenstrom empfangen, der Breitband-Datenstrom wird von der NASA mit einem 30-m-Spiegel verarbeitet. Die empfangenen Daten werden in Rönne nicht ausgewertet, obwohl die Software vorhanden ist, sondern direkt an das Space Weather Prediction Center weitergeleitet. Auch hier ist Kiel-Rönne in eine weltweite Gruppe von Beobachtungsstationen eingebunden, die sich je nach Sichtbarkeit der Sonde aufgrund der Erddrehung beim Empfang abwechseln. Das Spektrum des empfangenen Signals ist in der Abbildung 3 zu sehen.
Mars-Sonden Der Mars ist neben der Erde der am besten erforschte Planet. Insgesamt 47 Marsmissionen haben bis Ende 2018 stattgefunden. Und einige von ihnen, Mars Odyssee (Abb. 4) (Start 07.04.2001), Mars Express (Start 02.06.2003), Mars Reconnaissance Orbiter (Start 12.08.2005) wurden ebenfalls beobachtet, dabei kommt die 7,2-m-Antenne (Abb. 5) zum Einsatz. Bei jedem Empfang von Signalen von Raumsonden, die ja auf einer bestimmten Fre-

quenz senden, ist die

D o p p l e r - Ve r s c h i e -

bung zu berücksich-

tigen und sehr schön

zu erkennen, da sie

sich direkt im so ge-

nannten Wasserfalldiagramm darstellt.

5 Radioschüssel für Raumsondenempfang, insb. Marsorbiter,

Im Wasserfalldia- Bild: Theede

gramm wird auf der

Abzisse die Frequenz, auf der Ordinate die dem 15. Dezember 2010 die am längsten

Zeit aufgetragen und die Signalstärke farb- aktive Raumsonde ist [6] und noch Treib-

lich codiert. Dabei wird die Zeitachse von stoff bis 2025 hat.

oben kontinuierlich fortgesetzt, so dass

das Diagramm beim Anschauen an einen Bei den Messungen zeigte sich ein über-

Wasserfall erinnert. Ein konstantes Signal raschender Effekt, für den eine Erklärung

einer nicht variablen Frequenz ergibt einen nicht einfach zu finden war. Die ,,Bahnen"

geraden vertikalen Strich. Wenn eine Ge- im Wasserfalldiagramm zeigen mehr oder

schwindigkeitsveränderung die Frequenz weniger regelmäßige ,,Dellen". Ein Beispiel

aufgrund des Dopplereffektes verschiebt, ist in der Abbildung 7 gegeben. Die Ursa-

ergeben sich andere Muster. In der Abbil- che für die Dellen liegt in der Anordnung

dung 6 ist ein vollständiger, ca. zweistün- der Sendeantennen der Raumsonden rela-

diger Umlauf der Sonde Mars Odyssee tiv zur Rotationsachse und den damit ver-

am 30.11.2008 auf einer Kreisbahn in 400 bundenen Geschwindigkeitsvariationen in

km Höhe um den Mars dargestellt. Man Sichtlinie während einer Umdrehung. De-

erkennt die Verschiebung der Frequenz, tailliert wird dieses auf [7] unter ,,Sonden

wobei bekannte Dopplereffekte aus Rota- mit Spin" für die Raumsonde Ikaros (Start

tion der Erde und Entfernungsänderung 20.05.2010) veranschaulicht, die der Er-

zwischen Erde und Mars herausgerechnet probung von Sonnensegeln als Antrieb und

wurden.

Energieversorgung für Raumschiffe dient.

Der Orbiter dient zusätzlich als Relais-

station zwischen auf der Marsoberfläche Aktuell

aktiven Landern wie Curiosity und Insight Zurzeit stehen die Sonden Bepi Colombo

und Empfangsstationen auf der Erde. Zu und Parker auf ihrem Weg zum Merkur

bemerken ist noch, dass Mars Odyssee seit bzw. zur Sonne im Zentrum des Interesses.

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Radioastronomie

6 Vollständiger Umlauf der Sonde
Mars Odyssee um den Mars, Grafik: Klaus Fenger

Weitere Möglichkeiten Und neben der Beobachtung von Raumsonden und Satelliten gibt es ein weiteres Feld, auf dem Amateurfunker im Weltraum bzw. in der Erdumlaufbahn aktiv sind: die Verwendung von Amateurfunksatelliten [8] als Transponder für den Amateurfunk. Der erste Satellit mit dem Namen OSCAR 1 (Orbiting Satellite Carrying Amateur Radio) wurde bereits am 12. Dezember 1961 gestartet und momentan findet der Satellit Es'hail-2 [9] (Start 15.11.2018, auch Qatar-OSCAR 100) große Beachtung. Es handelt sich um den ersten geostationären Kommunikationssatelliten, der unter anderem für den Amateurfunk eingesetzt wird. Dieses war möglich, da der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident von Qatar als Funkamateur eine derartige Erweiterung des Satelliten unterstützte.

[6] Mars Odyssey Lebensdauer: www.spektrum.de/news/odysseydie-marssonde-mit-der-laengstenlebensdauer/1057183
[7] Satellitenstation in Kiel-Rönne: https://sat-sh.lernnetz.de
[8] Wikipedia-Eintrag zu Amateurfunksatelliten: https://de.wikipedia.org/ wiki/Amateurfunksatellit
[9] Wikipedia-Eintrag zu Es'hail-2: https://de.wikipedia.org/wiki/ Es%E2%80%99hail-2
[10] Homepage Klaus Fenger: http:// klaus.fengers.de
[11] O. Montenbruck, E. Gill, 2005: ,,Satellite Orbits", Springer Verlag
[12] F. Sicha, 2018: ,,Kosmische Kommunikation", beam-Verlag

Informationsquellen Wer sich weitergehend mit den beschriebenen oder anderen Möglichkeiten der Beobachtung und Verwendung künstlicher Satelliten und Raumsonden beschäftigen möchte, findet Informationen auf den Webseiten von Klaus Fenger [10] und der Satellitenstation Kiel Rönne [7]. Als Literaturtipp sei noch auf die Bücher von Oliver Montenbruck [11] und Frank Sicha [12] verwiesen.

Literaturhinweise und Internetlinks (Stand April 2019): [1] Deep Space Network: https://
deepspace.jpl.nasa.gov [2] 10 Jahre Stereo: https://stereo.gsfc.
nasa.gov/10year [3] Stereo Science Center: https://
stereo-ssc.nascom.nasa.gov/ spaceweather.shtml [4] Space Weather Prediction Center: www.swpc.noaa.gov [5] AG Heliosphärische Astroteilchenphysik: www.physik.uni-kiel.de/de/ institute/ieap/ag-heber

7 Dopplerverschiebung aufgrund der Rotation des Orbiters, Grafik: Klaus Fenger

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Radioastronomie

Astropeiler Stockert
Ein Großinstrument in der Hand von Amateuren
von Wolfgang Herrmann

1 Der Astropeiler auf dem Stockert nach
der Wiederinbetriebnahme, Bild: Wolfgang Herrmann

Es war im Jahr 1956, als das erste Großforschungsprojekt der noch jungen Bundesrepublik eröffnet wurde: das Radioteleskop Astropeiler auf dem Stockert bei Bad Münstereifel. Es war damals mit einem Spiegeldurchmesser von 25 Metern zusammen mit dem gleich großen Teleskop im holländischen Dwingeloo das weltweit größte Radioteleskop. Die Universität Bonn wurde so zu einem Zentrum der Radioastronomie, zumal sich in den 60er-Jahren noch ein weiteres Teleskop mit 10 Metern Durchmesser hinzugesellte. Noch forciert wurde die Entwicklung mit der Gründung des Max-Planck-Institutes für Radioastronomie, welches fortan die Anlage betrieb und wissenschaftlich nutzte.
Das Bessere ist jedoch des Guten Feind, und mit dem neu gebauten 100-m-Radioteleskop in Effelsberg verlagerte sich das wissenschaftliche Interesse auf dieses Instrument. Der Astropeiler ging zurück an

die Universität, und nach Aufrüstung der Empfangsanlage konnten weitere wertvolle wissenschaftliche Ergebnisse erzielt werden. Zu den besonderen Arbeiten aus dieser Zeit zählen die Surveys der Kontinuumsstrahlung bei Wellenlängen von 11 cm und 21 cm [1, 2, 3].
Schließlich schienen wissenschaftlicher Ertrag einerseits und Betriebsaufwand anderseits nicht mehr im Einklang zu stehen. Daher wurde der Astropeiler im Jahr 1995 von der Universität aufgegeben und vom Land Nordrhein-Westfalen an eine Privatfirma verkauft. Dieser Zeitpunkt war die Geburtsstunde des Vereins ,,Astropeiler Stockert e. V." [4]. Dieser Verein hatte sich zum Ziel gesetzt, trotz aller widrigen Umstände dieses Instrument auf die eine oder andere Art für die Nachwelt zu erhalten. Zunächst waren die Möglichkeiten recht begrenzt, aber immerhin gestattete der neue Eigentümer dem Verein, den klei-

neren 10-m-Spiegel als Sende- und Empfangseinrichtung für den Amateurfunk zu nutzen. Als schließlich der Eigentümer im Jahr 2005 Insolvenz anmelden musste, galt es, die Gunst der Stunde zu nutzen. Es gelang dem Verein, die Nordrhein-Westfalen-Stiftung [5] dafür zu gewinnen, die Anlage zu erwerben und die Mittel bereit zu stellen, die Anlage wieder herzurichten (Abb. 1).
Mit den so gewonnenen Möglichkeiten und dem tatkräftigen Einsatz der Vereinsmitglieder gelang es, die erforderlich gewordenen Sanierungsarbeiten umzusetzen und das Teleskop mit einer neuen Steuerung und Empfangstechnik auszurüsten. Schließlich kam im Jahr 2011 der Moment, der eines jeden Astronomen Herz höher schlagen lässt: ,,First Light!" Natürlich war einer der Klassiker der Radioastronomie das Objekt beim First Light: die Emission der 21-cm-Linie des neutralen Wasserstoffs

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Radioastronomie

in der Milchstraße. Damit begann für die Vereinsmitglieder die Herausforderung, sich die Möglichkeiten des Instrumentes nach und nach zu erschließen und gleichzeitig zu lernen, welche Phänomene sich mit einem 25-m-Spiegel beobachten lassen.

2 Das 10-m-Radioteleskop,
Bild: Wolfgang Herrmann

Heute, nunmehr acht Jahre nach dem First Light, gibt es eine Vielfalt von Aktivitäten über die ganze Breite der Radioastronomie. Bei den spektralen Messungen gehört die Beobachtung der 21-cm-Linie nicht nur in unserer Milchstraße, sondern auch in anderen Galaxien nach wie vor zu den Schwerpunkten. Etwas exotischer und aufgrund der geringen Intensität auch herausfordernder, sind Radio-Rekombinationslinien. Diese treten vorwiegend in Sternentstehungsgebieten auf, wo sie durch die dort vorherrschende starke UV-Strahlung angeregt werden. Die Messung ihrer Emissionsparameter erlaubt die Bestimmung zum Beispiel der Temperatur in diesen Gebieten.
Zu den spektralen Messungen gehört auch die Beobachtung von Hydroxyl-Masern (OH-Maser), die Emissionen bei einer Wellenlänge von 18 cm aufweisen. Solche Maser entstehen unter anderem in der Umgebung von großen Sternen. Diese Maser zeigen zyklische Schwankungen in der Intensität, die die Zyklen der Infrarotsterne widerspiegeln. Diese Variabilität ist Gegenstand eines längerfristig angelegten Untersuchungsprogramms, das zusammen mit den Universitäten Hamburg und Manchester verfolgt wird [6].
Mit der Universität Dortmund gab es im Rahmen einer dort vergebenen Bachelor-Arbeit [7] eine Zusammenarbeit. Diese hatte die parallele Beobachtung von ,,Flachspektrum-Radioquasaren" in verschiedenen Wellenlängenbereichen zum Thema. Der Radiobereich wurde dabei

vom Astropeiler Stockert abgedeckt, während im Gamma- und Röntgenbereich mit dem Teleskop MAGIC auf La Palma und den Weltraumteleskopen Fermi-LAT und Swift-XRT beobachtet wurde.
Eines der interessantesten Gebiete der Radioastronomie sind Pulsare, und selbstverständlich gehören diese Quellen zu den Lieblingsobjekten auf dem Stockert. Über 100 dieser Exoten wurden schon beobachtet. Schwerpunkt des Interesses sind spezielle Phänomene bei manchen Pulsaren wie z. B. ,,Giant Pulses", deren physikalische Ursachen auch heute noch nicht verstanden sind.
Noch mysteriöser sind ,,Fast Radio Bursts (FRB)". Dieses sind Pulse, die meistens nur einmalig auftreten und höchstwahrscheinlich aus kosmologischen Entfernungen stammen. Diesem Phänomen widmet sich das Team am Astropeiler gleich in mehrfacher Hinsicht. Einerseits wird die Zeit genutzt, in der das Teleskop in Parkposition ist. Dann werden fortlaufend Daten gesammelt und auf das Auftreten von FRB untersucht. Sicher sind die Chancen für ein 25-m-Teleskop gering, aber es ist den Versuch wert. Anderseits gibt es bisher zwei bekannte FRBs, bei denen Pulse mehrfach beobachtet wurden. Diese Quellen werden immer wieder vom Stockert beob-

3 Das 3-m-Radioteleskop,
Bild: Tobias Häusler
achtet, um gegebenenfalls weitere Pulse zu entdecken. In diesem Fall arbeitet der Astropeiler mit dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie zusammen. Eine der Früchte dieser Zusammenarbeit ist die erste wissenschaftliche Veröffentlichung, die seit der Wiederinbetriebnahme unter Beteiligung des Astropeilers entstanden ist [8].
Ein weiterer Exot, der das spezielle Interesse auf dem Stockert geweckt hat, ist der Magnetar XTE J1810-197, der nach längerer Pause plötzlich wieder im Radiobereich aktiv geworden ist [9]. Hier läuft ein Beobachtungsprogramm, um zu verfolgen, wie er sich weiterentwickelt. Alle diese Objekte, Pulsare, Magnetare und FRBs haben gemeinsam: Bei ihrer Beobachtung fallen sehr große Datenmengen von bis zu 200 GByte am Tag an. Die Auswertung dieser Daten erfordert zudem eine hohe Rechenleistung.

Journal für Astronomie Nr. 71 | 41

Radioastronomie

Es stellt für einen Verein eine Herausforderung dar, hier auf der Höhe der Zeit zu sein. Natürlich hat es das Team vom Astropeiler gereizt, auch das kleinere Instrument, den 10-m-Spiegel astronomisch nutzbar zu machen (Abb. 2). Dieser ist geeignet, auch bei Frequenzen oberhalb von 10 GHz betrieben zu werden. Hier haben die Entwicklung und Inbetriebnahme eines neuen Empfängers erste Früchte getragen. Es konnten Methanol-Maser bei 12 GHz und Wasser-Maser bei 22 GHz von verschiedenen Quellen beobachtet werden. So eröffnet sich ein weiteres großes und interessantes Feld für Beobachtungen.

Die vielfältigen Möglichkeiten auf dem Stockert werden mittlerweile von mehreren Universitäten im Rahmen der Physik-Ausbildung genutzt. Hierfür werden Praktika für Studierende im Masterstudiengang angeboten. Beobachtungen mit dem 25-m-Teleskop gehören auch zum Programm des ,,Advanced Lab Course" der Universität Bonn im Rahmen des Physikstudiums.

4 Regelmäßige Korrosionsschutzwartung zum Erhalt der Anlage,
Bild: Wolfgang Herrmann

Es ist ein besonderes Anliegen des Vereins, Schülern die Naturwissenschaften nahe zu bringen. Die Faszination, die von den großen Instrumenten ausgeht, hilft hier, Neugier und Forscherdrang zu entwickeln. Zwei Studierende des Lehramtes für Physik haben im Rahmen ihrer jeweiligen Masterarbeit Programme für Schüler der Sekundarstufe I bzw. II entwickelt. Das Programm für die Sekundarstufe I bringt Schülern die physikalischen Prinzipien der Radioastronomie in spielerischer Form nahe. Für die Sekundarstufe II wird es dann anspruchsvoller, hier werden mit den Teleskopen Messungen durchgeführt und ausgewertet. Im Hinblick auf diese Schulveranstaltungen wurde ein weiteres Radioteleskop errichtet: Hier geht es mit einem Durchmesser von 3 Metern ,,eine Nummer kleiner"

(Abb. 3). Dadurch lassen sich jedoch die einzelnen Komponenten besser im Zusammenhang erläutern. Es ist auch erstaunlich, welche Leistungsfähigkeit insbesondere für Beobachtungen der 21-cm-Linie mit einem solchen Instrument erreicht werden kann. Um der Allgemeinheit einen Einblick in die Radioastronomie zu geben und das Verständnis für Grundlagenforschung zu fördern, bietet der Verein regelmäßig Führungen an. Jeweils sonntags von Mai bis Oktober ist das Teleskop für Besucher geöffnet. Daneben finden Gruppenführungen nach Vereinbarung statt.
All diese Aktivitäten wären nicht möglich, kämen nicht zwei Dinge zusammen: Da ist zum einen die NRW-Stiftung, die das Abenteuer eingegangen ist, ein solches Objekt zu

erwerben und die erforderlichen Mittel zu investieren. Da sind zum anderen die Mitglieder des Astropeilers Stockert e. V., die unermüdlich, mit viel Engagement, Herzblut und Sachkenntnis die Anlage betreiben, warten und weiterentwickeln (Abb. 4 und 5). Nur in dieser Kombination konnte das Projekt ,,Astropeiler" ein Erfolg werden. Der Lohn dieser Mühe ist die weltweit größte und leistungsfähigste Radioastronomie-Anlage in der Hand von Amateuren (Abb. 6).

42 | Journal für Astronomie Nr. 71

Radioastronomie

Literaturhinweise und Internetlinks (Stand: Mai 2019): [1] W. Reich, 1982: ,,A radio continuum survey of the
northern sky at 1420 MHz, Part I", Astron. Astrophys. Suppl. Ser. 48, 219 [2] W. Reich und P. Reich, 1987: ,,A radio continuum survey of the northern sky at 1420 MHz. Part II"; Astron. Astrophys. Suppl. Ser. 63, 205 [3] K. Reif et. al., 1987: ,,The Stockert 2.72 GHz Radiocontinuum Survey of the Galactic Plane - Part I"; Mitt. Astron. Ges. 70, 419 [4] Homepage Astropeiler Stockert e.V: www.astropeiler.de [5] Homepage der NRW-Stiftung: www.nrw-stiftung.de [6] W. Herrmann, D. Engels, S. Etoka, 2019: ,,Stockert 1612 MHz monitoring of OH/IR stars", www.hs.uni-hamburg.de/DE/Ins/Per/Engels/ engels/nrt_monitoring/stockert.html [7] K. Schmidt, 2016: ,,Untersuchung von Flachspektrum-Radioquasaren", Bachelorarbeit, Techn. Univ. Dortmund

5 Vereinsmitglieder bei der Instandsetzung eines Motors,
Bild: Elke Fischer
[8] L. G. Spitler, W. Herrmann, G. C. Bower et al., 2018: ,,Detection of Bursts from FRB 121102 with the Effelsberg 100 m Radio Telescope at 5 GHz and the Role of Scintillation", Astrophys. J. 2018, 863
[9] A. Lyne et al., 2019: ,,Intense radio flare from the magnetar XTE J1810-197", Astronomer's Telegram #12284, www.astronomerstelegram. org/?read=12284

6 Luftaufnahme der Gesamtanlage, Bild: Klaus Göhring

Journal für Astronomie Nr. 71 | 43

Radioastronomie

Das Arno-Penzias-Radioteleskop
auf der Regiomontanus-Sternwarte Nürnberg
von der Fachgruppe Radioastronomie der Nürnberger Astronomischen Gesellschaft e. V., federführend Jens Schneidewind und Thomas Lauterbach

Mit der Übergabe des 3-m-Radioteleskops an der Regiomontanus-Sternwarte Nürnberg am 26. April 2019 wurde allen an Astronomie Interessierten ein neues Tor zum Weltall geöffnet. Doch bis dahin war intensive Arbeit zu leisten.

Die Fachgruppe Radioastronomie Seit dem Frühjahr 2015 gibt es in der Nürnberger Astronomischen Gesellschaft e. V. (NAG) eine Fachgruppe Radioastronomie. Ihr gehören ca. 15 hoch engagierte Personen aus der Region an. Durch die Vernetzung zwischen astronomisch interessierten Mitgliedern von NAG und der Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft (NAA), die den Sternwartenbetrieb organisiert, mit Funkamateuren und mit der Technischen Hochschule Nürnberg mit dem Namen Georg Simon Ohm steht das erforderliche Knowhow nicht nur von astronomischer Seite, sondern auch im Hinblick auf die funk- und nachrichtentechnischen Aspekte zur Verfügung. Ziel der Fachgruppe ist es, das Angebot der Nürnberger Regiomontanus-Sternwarte um das Thema Radioastronomie zu erweitern.

Ziel war es, alle notwendigen Vorarbeiten zu leisten, die für die Realisierung eines 3-m-Radioteleskops notwendig sind. Dazu gehörte zuerst das Sammeln von Erfahrungen mit Hard- und Software-Komponenten. Außerdem war die elektromagnetische

1 Schematischer
Aufbau des Radioastronomie-Vorversuchs, Grafik: Th. Lauterbach
Störsituation in der Zielumgebung zu erforschen. Dafür konnte zu Beginn auf vorhandene Komponenten (Yagi-Antenne für eine Wellenlänge von 23 cm, Vorverstärker) zurückgegriffen werden (Abb. 1).

Die Fachgruppe, die allen Interessierten offensteht, trifft sich regelmäßig, um in der Art eines Seminars Wissen auszutauschen und zu vertiefen. Der Leiter der FG Radioastronomie ist NAG-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Thomas Lauterbach, Professor an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm. Dort vertritt er die Lehrgebiete Experimentelle Physik, Hochfrequenztechnik und im Wahlfachbereich auch Astronomie.

Die Radioastronomie-Vorversuche Um praktische Erfahrungen mit Radioastronomie an der Sternwarte zu sammeln, hat die Fachgruppe Radioastronomie Vorversuche konzipiert und diese seit August 2015 in mehreren Phasen durchgeführt.

2 Verbesserter Vorversuchsaufbau mit 1,5-m-Spiegel, Bild: Th. Lauterbach

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Radioastronomie

3 Erstes auf dem Stern-
wartengelände gemessenes 21-cm-Spektrum, Grafik: Th. Lauterbach

Als innovativer Ansatz wurde von Anfang an der Einsatz eines ,,Software-Defined-Radio"-Empfängers (USRP der Fa. Ettus) realisiert, wodurch sich vielfache Möglichkeiten für die Gewinnung und Auswertung der Messdaten mit digitaler Signalverarbeitung ergeben. So konnte die Radiostrahlung der Sonne gemessen und die Verschiebung der örtlichen Mittagszeit im Lauf eines Jahres über mehrere Monate hinweg ermittelt werden. Der Vorversuch wurde im Mai 2016 durch neue Komponenten, beschafft aus Mitteln der NAG, entscheidend verbessert. An die Stelle der fest nach Süden ausgerichteten Yagi-Antenne trat ein 1,5-m-Gitterspiegel, der auf einem Azimut- und Elevationsrotor frei in 1 Grad -Schritten beweglich ist (Abb. 2).
Durch die Möglichkeit zur Steuerung der Messungen über das Internet waren von nun an neben den Empfangsparametern auch die Antennenausrichtung ,,remote" einstellbar. Auf dem Sommerfest der NAA auf der Regiomontanus-Sternwarte am 9. Juli 2016 wurde das Erreichte der Öffentlichkeit präsentiert. Die Bedienung des Radioteleskops erfolgte dabei schon direkt vom Rechner im Vortragssaal aus über das Netzwerk. Die Bewegung der Antenne konnte während der Messung im Bild einer Webcam beobachtet werden, die Rauschleistungsdaten wurden fortlaufend ausgewertet.

21. Oktober 2017 von einem Hörsaal der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm aus.
Dem Ziel schon recht nahe Mit den beschriebenen Umbaumaßnahmen war bereits ein Stand erreicht, der sich von der angestrebten 3-m-Antenne nur noch durch die Größe unterschied. Die Schlüsselkomponenten Rotor, Spiegelbefestigung, Verstärker, Empfänger und Signalverarbeitung konnten, entsprechend skaliert, übernommen werden. Das Konzept der Fachgruppe Radioastronomie,

das 3-m-Spiegelteleskop auf einem kleinen Container aufzubauen, in dem die Empfänger und die benötigten Computer untergebracht werden können, wurde vom Vorstand der NAG und dem Vereinsrat der NAA einstimmig befürwortet. Zur Finanzierung wurde ein Förderantrag an die Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg gestellt. Mit dem positiven Bescheid am 19. Januar 2017 war der Weg frei für die Detailplanung und die Beschaffung der Komponenten. Der Aufbau des 3-m-Radioteleskops konnte beginnen. Die Stadt Nürnberg als Eigentümerin der Sternwarte unterstützte durch die Erstellung der Fundamente und die denkmalschutzgerechte Begrünung des Containers. Nach Anlieferung von Container, Mast, Rotor und Spiegel wurde die komplette Anlage am 5. Mai 2018 aufgebaut. Nach umfangreicher

Als weitere Schritte folgten 2017 die Umstellung von Feed und Vorverstärker auf 1420 MHz. So konnte die Fachgruppe die 21-cm-Strahlung des atomaren Wasserstoffs aus verschiedenen Gebieten der Milchstraße erstmalig beobachten. Daraus ergeben sich Erkenntnisse über die Rotation der Milchstraße (Abb. 3). Ein Höhepunkt war sicher die Fernvorführung des 1,5-m-Radioteleskops im Rahmen der ,,Langen Nacht der Wissenschaften" am

4 Die Teleskopanlage steht, Bild: Th. Lauterbach

Journal für Astronomie Nr. 71 | 45

Radioastronomie

Erprobung und Optimierung steht das Radioteleskop nun für die geplanten Zwecke zur Verfügung.

Nutzung der Radioteleskopanlage Das 1,5-m-Radioteleskop wird weiter als Erprobungsträger für neue Hard- und Softwarekonzepte gute Dienste leisten. Dazu wurde auch dessen Antennenmast am Radioastronomie-Container angebracht und die Elektronik in den Container umgezogen. Seit August 2018 ist der Parallelbetrieb des 1,5-m- und des 3-m-Radioteleskops möglich (Abb. 4). Derzeit dient das 1,5-m-Radioteleskop der Erprobung eines Webinterface zur Steuerung der Messungen, das Studierende der TH Nürnberg im Rahmen einer Projektarbeit entwickelten. Messungen können damit im Voraus programmiert werden und laufen dann automatisch ab.
Damit hat unsere FG Radioastronomie ihr Ziel erreicht, Veranstaltungen zum Thema Radioastronomie auf der Regiomontanus-Sternwarte im Rahmen öffentlicher Führungen mit entsprechenden Vorführungen anbieten zu können. Dies stellt keinesfalls nur ein interessantes ,,Schlechtwetterprogramm" für die Sternwarte dar. Vielmehr öffnet sich mit dem Radioteleskop ein weiteres astronomisches Fenster, das den Blick weit über das vom menschlichen Auge erfassbare Lichtspektrum hinaus ermöglicht. Auch Signale von Satelliten oder der Internationalen Raumstation können empfangen werden und bieten völlig neue Möglichkeiten für Astronomie- und Raumfahrtinteressierte. Ebenso wird es durch die Fernbedienmöglichkeit und das Webinterface möglich sein, das Radioteleskop an Schulen oder Hochschulen in die Lehre einzubeziehen und für Projekte zu nutzen und es in Shows des Nicolaus-Copernicus-Planetariums Nürnberg einzusetzen.

5 Der Schriftzug ,,Arno-Penzias-Radioteleskop" wird von NAG-Präsident Dr. Hölzl,
Bürgermeister Dr. Gsell und Ministerpräsident Dr. Söder enthüllt (von links), Bild: B. Lauterbach

Einweihung des Radioteleskops: Ein Nobelpreisträger steht Pate und der Ministerpräsident gibt das Startsignal Für den Tag der Einweihung des neuen Radioteleskops wurde nicht zufällig der 26. April 2019 gewählt. Es war der 86. Geburtstag des Nobelpreisträgers Arno Penzias. Er wurde in München geboren und musste als jüdisches Kind 1939 in die USA emigrieren. Dort wuchs er auf und studierte später an der Columbia University Physik und Astronomie. Er erhielt 1978 zusammen mit Robert Woodrow Wilson den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung.
Arno Penzias zeigte sich sehr erfreut von den Aktivitäten der Nürnberger Astronomischen Gesellschaft und entsprach deren Bitte, das neue Radioteleskop nach ihm benennen zu dürfen. Am 26. April um 17 Uhr fanden sich zahlreiche Gäste auf dem Sternwartengelände ein, um an der Einweihung und der Namensgebung teilzunehmen. Bei leider regnerischem Wetter bat NAG-Präsident Dr. Dieter Hölzl zunächst in den Vortragssaal und begrüßte die Gäste. Dann sprach der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder ein Grußwort, in dem er nicht nur seine eigene Begeisterung für Astronomie und Raumfahrt zum Ausdruck brachte, sondern auch das große Engage-

ment der ehrenamtlichen Mitarbeiter auf der Sternwarte würdigte. Er betonte erneut, dass der Freistaat Bayern künftig Aktivitäten auf dem Gebiet der Raumfahrt fördern werde. Am Container enthüllte der Ministerpräsident zusammen mit dem Nürnberger Bürgermeister Dr. Klemens Gsell und Dr. Hölzl den darauf angebrachten Schriftzug ,,Arno-Penzias-Radioteleskop" (Abb. 5). Mit einem symbolischen Knopfdruck nahmen sie schließlich das Radioteleskop in Betrieb, für alle daran erkennbar, dass sich die Antenne aus ihrer Parkposition nach Süden bewegte. Schließlich übergab Dr. Hölzl das Radioteleskop offiziell der Stadt Nürnberg und überreichte Bürgermeister Dr. Gsell eine entsprechende Urkunde.
Im Anschluss fand an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm ein Festkolloquium statt. Nach der Begrüßung durch den Präsidenten der Hochschule Prof. Dr. Michael Braun stellte Dekan Prof. Dr. Walter Müller die Projekte vor, mit denen Studierende der TH zur Entwicklung des Radioteleskops beigetragen haben. Dann erläuterten Vertreter der beteiligten Organisationen ihre Beiträge zum Gelingen des Projekts: Dr. Hölzl erläuterte die Rolle der NAG, die sich sowohl um die technischen Aspekte als auch um die

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Radioastronomie

Einwerbung der Fördermittel gekümmert hatte. Bürgermeister Dr. Gsell, der auch die Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg vertrat, betonte die Wichtigkeit, auch in Dinge zu investieren, die nicht unmittelbar Aufgabe einer Stadtverwaltung sind. Er sagte zu, den künftigen Erhalt und Betrieb des neuen Radioteleskops zu gewährleisten. Prof. Dr. Niels Oberbeck, Vizepräsident der Hochschule, betonte die Bedeutung solcher ,,Service Lernen"-Projekte mit gemeinnützigen Organisationen für die praxisnahe Ausbildung der Studierenden im Rahmen der ,,Third Mission" der Hochschule, die - neben Lehre und Forschung - auch in die Gesellschaft hineinwirken sollen. Schließlich erläuterte Christian Entsfellner, Vorstandsmitglied des Deutschen Amateur Radio Clubs, warum die Funkamateure die idealen Partner für die Radioastronomie sind: Sie sind mit dem Aufbau großer Antennenanlagen vertraut und darin geübt, schwächste Empfangssignale auszuwerten (Abb. 6).
Im Anschluss hielten vier Mitglieder der Fachgruppe Radioastronomie einen gemeinsamen Fachvortrag über die historische Entwicklung der Radioastronomie und über die technischen Details des Radioteleskops, insbesondere über die Hochfrequenzkomponenten, die digitale Signalverarbeitung mit dem Software-Defined-Radio und die Steuerung von Messungen über das Webinterface. Am Ende stand eine Live-Vorführung des Radioteleskops, bei der das Spektrum der 21-cm-Strahlung des Wasserstoffs aus der Richtung des Sternbilds Cassiopeia demonstriert wurde - trotz bedeckten Himmels und Regens (Abb. 7). Beim anschließenden Stehempfang konnten sich die zahlreichen Gäste über ihre Eindrücke und Gedanken austauschen.

6 Talkrunde in der TH Nürnberg (von links: Moderator Pierre Leich, Dr. Gsell, Dr. Hölzl,
DARC-Vorstandsmitglied OM Entsfellner, TH-Vizepräsident Prof. Dr.-Ing. Oberbeck), Bild: B. Lauterbach

Gesellschaft e. V., die vier Jahre lang auf diesen Tag hingearbeitet hatten, wollen sich nun aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen, denn schon am 11. Mai 2019 werden sie im Auftrag der NAA die erste öffentliche Radioastronomie-Führung auf der Sternwarte durchführen, damit der Wunsch von Arno Penzias in seinem Schreiben an die NAG, das Dr. Hölzl im Rahmen des Festkolloquiums verlas, in Erfüllung geht: "May those who visit and engage with this telescope discover many pleasures of our universe." Übersetzt bedeutet dies sinngemäß: Mögen alle, die das Radioteleskop besuchen und sich mit Radioastronomie befassen, viele Wunder unseres Universums entdecken.

Literaturhinweise: [1] Th. Lauterbach, H. Lieske et al., 2016:
,,Radioastronomie auf der Regiomontanus-Sternwarte: Erste Schritte", Regiomontanusbote 2/2016, S. 5 [2] Th. Lauterbach, 2016: ,,Bulletin 3/2016", Regiomontanusbote 2/2016, S. 24 [3] Th. Lauterbach, 2017: ,,Bulletin 3/2017", Regiomontanusbote 2/2017, S. 23 [4] Th. Lauterbach, R. Puchta, 2018: ,,Bulletin 3/2018", Regiomontanusbote 3/2018, S. 19 [5] Th. Lauterbach, 2018: ,,Bulletin 4/2018", Regiomontanusbote 4/2018, S. 27

Die Mitglieder der Fachgruppe Radioastronomie der Nürnberger Astronomischen

7 Live aus dem Kosmos während des Festkolloquiums: Spektrum der 21-cm- Wasserstoff-
strahlung aus der Richtung des Sternbilds Cassiopeia, Bild: B. Lauterbach

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Der ,,Effelsberg-Bonn HI Survey"
von Jürgen Kerp

Seit der Entdeckung des neutralen atomaren Wasserstoffs (HI) vor rund 70 Jahren gab es einige Versuche, seine großräumige Verteilung am Himmel vollständig zu kartieren. Im Jahr 2008 starteten Wissenschaftler an der Universität Bonn mit dem 100-m-Radioteleskop Effelsberg [1] eine Durchmusterung des nördlichen Himmels. Warum sie die Aufgabe angingen und welche Probleme dabei zu überwinden waren, zeigt dieser Artikel.
Wasserstoff ist das mit großem Abstand häufigste Element im Universum. Es ist der elementarste Baustein von Sternen. In ihrem Kern verwandeln Sterne über die Kernfusion Wasserstoff in Helium. Trotz des beträchtlichen Alters des Universums von rund 13,6 Milliarden Jahren hat sich die relative Häufigkeit von Wasserstoff zu Helium seit dem Urknall nicht wesentlich verändert. Aus dem interstellaren Gas der Galaxien bilden sich die Sterne. Wie dieser Prozess im Detail abläuft, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Z. B. ist immer noch unklar, auf welchen Längenskalen, wenige hundert Astronomische Einheiten oder viele Lichtjahre, die Sternbildung abläuft. Kommt ein wesentlicher Anteil des Gases aus dem intergalaktischen Raum oder handelt es sich bei dem Gas größtenteils um ein Recyclingprodukt [2]? Das ist der wissenschaftliche Rahmen, in dem der ,,Effelsberg-Bonn HI Survey" (EBHIS) sein Forschungsfeld hat.

1 Der 21-cm-Linienübergang wird
durch einen winzigen Energieunterschied erzeugt, hervorgerufen von der relativen Orientierung des Protonen- und Elektronenspins im Wasserstoffatom. Das Photon, das dieser so genannte Hyperfeinstrukturübergang entsendet, besitzt grob 1.000.000-mal weniger Energie als die Photonen des sichtbaren Lichts. Einmal durch einen Stoß angeregt, verbleibt das Wasserstoffatom für rund 10 Millionen Jahre in diesem Zustand der parallelen Ausrichtung. Daher ist die natürliche Linienbreite so gering, dass über die beobachtete Linienbreite auf die Anregungsbedingungen in der Gaswolke geschlossen werden darf [3].

Die Häufigkeit des Wasserstoffs im Universum ebenso wie sein einfacher Aufbau aus nur einem Proton und einem Elektron macht ihn so unvergleichlich. Elektron und Proton sind Spin-1/2-Teilchen. D. h. wir können sie sehr vereinfacht als kleine Stabmagnete betrachten. Aus unserer alltäglichen Erfahrung wissen wir, dass es einfach ist, zwei Stabmagnete gegenpolig einander zu nähern. Sie ziehen sich stark

2 HI-21-cm-Linienspektrum in Richtung auf die HVC 142.8-46.9 aus dem
LAB-EBHIS-Vergleichsbild (vgl. Abb. 4). Aufgetragen ist die sogenannte Helligkeitstemperatur, die für niedrige Frequenzen die Helligkeit eines Schwarzen Körpers beschreibt, gegen die radiale Geschwindigkeit, gemessen im ,,Local Standard of Rest" (System der sonnennahen Sterne). Die Wasserstoffemission des lokalen Gases, das sich mit nahezu der gleichen Geschwindigkeit bewegt wie die Sonne, ist bei vLSR = 0 km/s zu sehen. Die HVC ist deutlich schwächer und nähert sich im Maximum mit vLSR = -108 km/s dem Beobachter.

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an. Aber es ist sehr schwierig bis unmöglich, gleichpolig die Stabmagnete einander zu nähern. Aufgrund von Stößen zwischen Wasserstoffatomen und Ionen im Weltraum wird jedoch genau diese energetisch höhere, gleichpolige Orientierung des Protonen- und Elektronenspins erreicht. Für rund elf Millionen Jahre verbleibt das neutrale Wasserstoffatom in diesem angeregten Zustand, um dann ,,spontan" in den energetisch günstigeren Grundzustand, der gegenpoligen Anordnung, durch die Emission eines 21-cm-Photons überzugehen (Abb. 1), fachlich ,,Hyperfeinstrukturübergang" genannt.

Mit Hilfe von Radioteleskopen lässt sich diese 21-cm-Linienstrahlung heute problemlos beobachten. Mehr noch, wir können die Bewegung des Wasserstoffatoms aufgrund des Dopplereffekts mit hoher Genauigkeit messen. Zudem zeigt uns die gemessene Breite der 21-cm-Linie, wie die physikalischen Bedingungen am Ort ihrer Entstehung sind (Abb. 2 und 3): viel Information mit nur einer Messung.
Trümmer in der Erdumlaufbahn Der Ausgangspunkt der EBHIS-Durchmusterung war ein neuer ,,7-Beam-Empfänger", der um 2005 am 100-m-Teleskop in Betrieb ging. Konstruiert und gebaut wurde das Empfangssystem für den Empfang von 1,4-GHz-Radarstrahlung. Das ,,Tracking and Imaging Radar" (TIRA) des nahegelegenen Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik in Wachtberg Werthofen beleuchtet mit seiner Radarstrahlung die Trümmer- und Bruchstücke von Satellitenkollisionen im nahen Erdorbit. Das von den Trümmerstücken gestreute Radarlicht wird anschließend durch den 7-Beam in Effelsberg empfangen. Die 7 Empfänger dienen dazu, auch noch kleinste Bruchstücke, bis hinab zu 1 cm Größe, in den Umlaufbahnen der Low-Earth-Orbit-Satelliten (LEO)

3 Vergleich einer Kanalkarte (oben, vLSR = -40 km/s) mit einer Säulendichtekarte (unten,
-30 kms/s < vLSR < 0 km/s). Aus den HI-21-cm-Linienspektren errechnet die EBHIS-Software Bilder. Dazu wird die Helligkeitstemperatur umgerechnet in die Anzahl der Wasserstoffatome,
die sich entlang der Sichtlinie befinden und emittieren. Dieser Wert ist die Säulendichte NHI. Deutlich unterschiedlich sind die Strukturen der Gaswolke auf einer Sichtlinie, wie der Ver-
gleich der beiden Bilder zeigt.

zu beobachten. Die gewonnenen Daten aktualisieren das Master-Modell der ESA, das die Verteilung von Weltraummüll für die Höhen von 250 bis 2.000 km umfasst. Rein technisch gesehen werden für diese Aktualisierung nur wenige Tage im Jahr benötigt, da die Trümmerwolken, wenn sie einmal kartiert sind, sich sehr gut modellieren lassen. Die ersten Messungen starteten erfolgreich im Jahr 2006.

vor dem EBHIS-Programm in Effelsberg auf Beobachtungen mit einem einzelnen Horn beschränkt. Die Winkelauflösung des 100-m-Teleskops bei 21 cm Wellenlänge entspricht etwa 9 Bogenminuten, grob einem Viertel des Monddurchmessers. Auch wenn diese Winkelauflösung optischen Astronomen als sehr grob erscheint, so ist die damit messbare Fläche am Himmel winzig klein.

Vom Weltraumschrottdetektor zum wissenschaftlichen Empfänger 21-cm-Linienbeobachtungen des HI waren

Mit nur einem Horn im Brennpunkt ausgestattet, wurde in den 1990er-Jahren eine Kartierung des gesamten Wasserstoffhim-

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jedoch waren noch einige wirklich dicke Steine aus dem Weg zu räumen, bevor wir an den Himmel konnten.

4 Hochgeschwindigkeitswolken (HVC, vom engl. High-Velocity Cloud) sind sehr spezielle
Gaswolken, da sie nur in der 21-cm-Linienemission des neutralen atomaren Wasserstoffs beobachtet werden. Hier dargestellt ist ein direkter Vergleich einer HVC, die sich mit rund 108 km/s dem Beobachter nähert. Links ist die Gasverteilung mittels der LAB-Durchmusterung beobachtet, rechts mittels der EBHIS-Durchmusterung im gleichen Maßstab und gleichem Helligkeitsinterval.

mels erstmals angegangen. Dazu wurden das 25-m-Teleskop in Dwingeloo/Niederlande und das 30-m-Radioteleskop in Villa Elisa (Argentinien) genutzt. Für die Aufgabe, den gesamten Himmel mit rund 100.000 Messpunkten in nur rund 5 Jahren zu vermessen, mussten die Wissenschaftler eine entsprechend angepasste Beobachtungsstrategie entwickeln. Sie beschränkten sich darauf, ein Vermessungsmuster am Himmel zu wählen, das wir als ,,beamby-beam-Abtastung" beschreiben. Eine Messung wird direkt neben der anderen am Himmel platziert, ohne Überlapp. Diese beam-by-beam-Kartierung des Himmels bewirkt, dass die wissenschaftlich verwertbare Winkelauflösung der Himmelskarte bei rund einem Grad liegt. Nach mehr als einem Jahrzehnt der Beobachtung und der Datenauswertung konnte der ,,Leiden/Argentine/Bonn (LAB) Survey" im Jahr 2005 veröffentlicht werden. Es ist die bis heute häufigste zitierte Referenz für 21-cm-Linienbeobachtungen des Wasserstoffs [4].
Einfach übertragen konnten wir diese Beobachtungsstrategie nicht auf das 100-m-Teleskop. Denn wir haben es hier nicht mit einem wenig genutzten Teleskop zu tun, sondern mit einem der größten vollbeweglichen Radioteleskope der Welt.

Selbst wenn wir beam-by-beam messen würden, würde mehr als ein ganzes Jahrzehnt ins Land gehen, um den Himmel abzutasten. Um drittmittelfinanziert Forschung durchzuführen, muss eine neue Größenordnung erreicht werden. Entweder in der Genauigkeit der Messung, der Schärfe der Karten oder im Umfang der Daten (Abb. 4). Daher musste eine Himmelsdurchmusterung mit dem 100-m-Teleskop die höchste erzielbare Winkelauflösung erreichen, einen größeren Anteil des Wasserstoffspektrums als LAB abdecken und zusätzlich etwas ganz anderes angehen: Wir entschieden uns, alle Galaxien im nahen Universum vollständig am Nordhimmel zu kartieren. Die EBHIS-Himmelsdurchmusterung hat daher zwei primäre Ziele. Erstens, die Durchmusterung der 21-cm-Linienemission des neutralen atomaren Wasserstoffs der Milchstraße, und zweitens, die der nahen Galaxien bis zu einer Entfernung von rund 600 Millionen Lichtjahren. Beide Strahlungsquellen können dabei gleichzeitig kartiert werden.
Dicke Steine blockieren den Weg zum Himmel Tatsächlich ist die Messung der 21-cm-Linie mit heutigen technischen Möglichkeiten betrachtet sehr einfach. Vor zehn Jahren

Erster Stein Der Empfänger war nicht als wissenschaftliches Messinstrument zertifiziert. Diese Hürde war höher, als wir zunächst annahmen. Grund dafür war die Spezifikation des Instruments durch die ESA. Der Empfänger war nicht dafür konzipiert, flusskalibrierte Messungen durchzuführen. Die astronomischen Signale, die ein Empfänger registriert, müssen jedoch geeicht werden. Dazu wird in regelmäßigen zeitlichen Abständen eine Eichquelle am Himmel beobachtet. Einige wenige Minuten an Beobachtungszeit genügen, um ein 21-cm-Signal auf 1 bis 3% Genauigkeit zu eichen. Nach einigen Messnächten hatten wir unser Vorgehen optimiert, so dass wir eine absolute Flusskalibration erstellen konnten. Verstärkerschwankungen der einzelnen Empfangskanäle ereignen sich auf viel kürzeren zeitlichen Abständen, innerhalb weniger Minuten oder gar Sekunden. Um diese zu überwinden wird mehrfach pro Sekunde eine so genannte Rauschdiode eingeschaltet. Abwechselnd zu dem Signal des Himmels werden so die zeitlich kurzen Verstärkerschwankungen erkennbar, da wir wissen, welche Leistung die Rauschdiode zum Signal hinzufügt. Der ausgezeichneten Hilfe und dem Einsatz von Herrn Dr. Reinhard Keller ist es zu verdanken, dass eine Rauschdiode als Eichquelle in das Multi-Feed eingesetzt wurde. Damit gelang es, einen Space-Debris-Detektor in ein radioastronomisch nutzbares Instrument zu verwandeln.
Zweiter Stein Wir hatten kein geeignetes Spektrometer. Autokorrelatoren (AK) waren bis 2005 Stand der Technik. Wir nutzten für unsere 21-cm-Linienmessungen mit nur einem

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5 Prof. Bernd Klein (links) und Dr. Stephan Stanko (rechts) im Jahr 2005 mit dem
Prototypen unseres FPGA-Spektrometers. Diese PC-Einsteckkarte ersetzt problemlos den alten Autokorrelator, der sich hinter den beiden Wissenschaftlern befindet und zwei große Schränke ausfüllt.
Horn den sogenannten ,alten AK`. Es war klar, dass der alte AK nicht zukunftsfähig war, zudem hatten wir nur einen und nicht 14 davon. 14 Spektrometer benötigen wir jedoch, damit jede Polarisationsebene, die für sich gesehen ein eigenständiges wissenschaftlich verwertbares Signal erbringt, spektral zerlegt werden kann. Wir entschieden uns dafür, ein ambitioniertes Projekt zu starten. Prof. Bernd Klein leitete zu dieser Zeit die Digitalgruppe am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). Er entwickelte die Idee, dass ein Field-Programmable-Gate-Array (FPGA) einen sehr potenten Lösungsweg für unser Problem darstellen könnte. Zusammen mit meinem Kollegen Dr. Stephan Stanko gelang es mir am Radioastronomischen Institut der Universität Bonn, Mittel einzuwerben, die es uns erlaubten, einen Prototypen eines FPGA-Spektrometers an das 100-m-Teleskop zu bringen. Weltweit gehörten wir damals zu den Pionieren in dieser Technik. Es gelang uns, ein Gerät aufzubauen, das ebenfalls 1.024 spektrale Kanäle zur Verfügung stellte, jedoch für einen Bruchteil der Kosten eines klassischen AK aufgebaut wurde. Zudem ist dieses FPGA-AK-Board so klein, dass es in einen langen Slot eines PCs problemlos hineinpasste, z. B. in unseren liebevoll als ,,Nähmaschine" bezeichneten portablen PC. Wichtigster Vorteil: Im Fall einer Fehlfunktion ist die FPGA-Karte schnell und einfach zu tauschen (Abb. 5). Es muss nur das entsprechende VHDL-Programm geladen werden, schon kann die Messung fortgesetzt werden. Heute sind FPGA-Spektrometer als Standardgeräte an den allermeisten Radioteleskopen verfügbar. Denn sie haben noch einen weiteren, für uns im Folgenden noch essentiellen Vorteil: Sie können problemlos zu einem Pulsar-Detektor umkonfiguriert werden.
Dritter Stein Finanzierung des Projektes. Trotz der vergleichbar geringen Kosten von rund 20.000 Euro für ein FPGA-Spektrometer um 2005 waren 14 davon, zuzüglich der notwendigen Ersatzteile und Bandpassfilter, schon eine Investition. Für ein Universitätsinstitut ist ein solcher Betrag nicht einfach zu finanzieren. Es musste also ein Antrag an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gestellt werden. Der DFG-Antrag für EBHIS war erfolgreich, jedoch forderte die DFG eine verbindliche Zusage eines substanziellen Teils der Beobachtungszeit für unser Projekt. Zu jener Zeit wurde Prof. Michael Kramer als Direktor für Fundamentalphysik in der Radioastronomie an das MPIfR berufen. Für uns ein wahrer Glücksfall, denn auch ihm schwebte vor, mit ei-

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nem Multibeamsystem den gesamten Himmel zu kartieren, nicht nach Wasserstoff, sondern nach Pulsaren. Auch er benötigte 14 Empfangskanäle, und unser FPGA-Ansatz war in der Lage, spektroskopische sowie Pulsarbeobachtungen auszuführen. Das war Wind unter unseren Flügeln.
Vierter Stein Es existierte keine Kategorie für ein solches Beobachtungsprojekt wie EBHIS. Das Effelsberger 100-m-Teleskop ist als eines der weltgrößten vollbeweglichen Radioteleskope notorisch überbucht. D. h. dass Beobachtungsanträge, trotz exzellenter wissenschaftlicher Begründung, aus Zeitmangel abgelehnt werden müssen. 21-cm-Beobachtungen sind ,,Schlechtwetterprojekte" und damit ein wenig weg von der starken Konkurrenz bei den hohen Frequenzen. Jedoch würde EBHIS auf Jahre hinaus den B-Plan von Effelsberg dominieren und andere Projekte verdrängen. Aber ein solches Dauerprojekt hat auch Vorteile. Für den Effelsberger Stationsleiter Dr. Alexander Kraus als ,,Scheduler" von verschiedensten Beobachtungsprojekten am 100-m-Teleskop bot EBHIS die Möglichkeit, flexibel auf einen großen Bestand von Plan-B-Beobachtungen zurückgreifen zu können. Für jedes Sternzeitintervall stand eines unserer Felder zur Verfügung. Doch ein Beobachtungsantrag von 500 Stunden Dauer musste das Programmkomitee Effelsberg wissenschaftlich überzeugen. Wir mussten zeigen, dass die Wissenschaft es wert ist, 500 Stunden Messzeit an uns zu vergeben. Dies in Hinblick darauf, dass aus den 500 Stunden schließlich einige tausend Stunden werden und wir für rund fünf Jahre auf dem Plan B stehen würden. Auch dies gelang, und EBHIS wurde das erste ,,Key-Science Project" des Effelsberg-Teleskops.
Fünfter Stein Datenverarbeitung und wissenschaftliche Nutzung. Doch wir konnten noch nicht

6 Skizze der Verteilung der Empfindlichkeit eines Radioteleskops
über den Raumwinkel. Die Antennenschüssel und der Empfänger sind hier nach links gerichtet. In dieser Raumrichtung (Winkel = 0 Grad ) ist die Empfindlichkeit am größten. In den anderen Richtungen (z. B. bei 25 Grad oder 50 Grad ) ist das Teleskop jedoch ebenfalls empfindlich für von dort kommende Strahlung, wenn auch sehr viel weniger (hier ca. 1/100 der Maximalempfindlichkeit). Im Optischen wäre es in etwa vergleichbar mit den Beugungsringen um einen beobachteten Stern. Die Empfindlichkeitsskala im Diagramm ist logarithmisch, das Diagramm selbst in Polarkoordinaten. Die Empfindlichkeitsverteilung hat in einem solchen Diagramm die Form von aneinander liegenden ,,Keulen".

wirklich aus den Messungen wissenschaftliche Daten erstellen. Alles, was wir an Software benötigten, bedurfte einer neuen Entwicklung. So auch der ,,on-the-fly"-Beobachtungsmodus für Effelsberg. On-thefly bedeutet, dass das Teleskop während der Messung fährt. Es muss daher alle 500 ms ein Spektrum auf die Festplatte geschrieben werden, das mit einem Zeitstempel versehen ist und natürlich mit den Informationen über die Position, parallaktischem Winkel, Feed-Nummer, Kalibrationsinformation der Rauschdiode etc. Dieses Stück Software war bislang nicht Teil des Fahrprogrammes in Effelsberg und musste erst erstellt werden. Auch die Synchronisation von Speichern der Daten, das Ein- und Ausschalten der FPGA-Spektrometer, musste ein Teil des Fahrprogramms werden. Auch diese Hürde wurde erfolgreich überwunden.
Nun hatten wir alles und noch mehr. Das ,,Mehr" sind die Teammitglieder Dr. Benjamin Winkel und Dr. Peter Kalberla. Dr. Benjamin Winkel kam im Jahr 2004 zu uns. Ich durfte mit ihm als Diplomanden, Doktoranden und PostDoc zusammenarbeiten.

Er entwickelte sich zum Herzen der EBHIS-Himmelsdurchmusterung. Er schrieb die wesentlichen Teile der EBHIS-Software, die sich grundsätzlich in ihrer Struktur von der Standarddatenverarbeitung in der Radioastronomie unterscheidet. Mit Dr. Peter Kalberla war ein HI-Experte Teil unseres Teams, der weltweit als Koryphäe für die Modellierung der Streustrahlung der 21-cm-Linienbeobachtungen gilt. Streustrahlung ist ein systematischer Messfehler, der nur bei 21-cm-Linienbeobachtungen wesentlich ist. Es gibt keine einzige Stelle am gesamten Himmel, die nicht im Licht des neutralen atomaren Wasserstoffs bei 21 cm Wellenlänge leuchtet. Ein Radioteleskop empfängt das Licht der Radioquellen nicht so wie ein optisches Teleskop. Mittels Blenden und einem Tubus lässt sich Streulicht im optischen Wellenlängenbereich minimieren. Ein Radioteleskop empfängt dagegen aus allen Richtungen elektromagnetische Strahlung, auch von seiner Rückseite (Abb. 6). Zwar werden rund 70% der einfallenden Strahlung durch die Hauptkeule (,,main-beam") empfangen, aber 30% kommen von den nahen und fernen Nebenkeulen. Das klingt eigentlich nicht

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Radioastronomie

problematisch, da diese Nebenkeulen rund um einen Faktor 100 bis 1.000 weniger empfindlich sind als die Hauptkeule. Beobachten wir jedoch hoch über der galaktischen Scheibe der Milchstraße, so ist die 21-cm-Linienemission dort schwach. Gleichzeitig beleuchtet die sehr helle Milchstraße nun hauptsächlich die Nebenkeulen. Die Strahlung aus den Nebenkeulen trägt damit wesentlich zum beobachteten Signal bei. Daher ist das beobachtete Wasserstoffspektrum systematisch falsch und muss entsprechend um diesen Fehler korrigiert werden. Dies zu korrigieren ist schwierig, kompliziert, zeitaufwändig und benötigt vor allem eines - Erfahrung. All dies hat Dr. Peter Kalberla. Bewiesen hat er dies bei nahezu allen HI-Himmelsdurchmusterungen in den vergangenen Jahrzehnten. Die LAB-Durchmusterung, die federführend von Dr. Kalberla veröffentlicht wurde, hat sich seit 2005 zum de-facto-Standard entwickelt.
Im August 2008 starteten die regulären EBHIS-Beobachtungen. Wir beschlossen, den Himmel in 5 Grad x5 Grad -Felder zu unterteilen. An ihren Rändern überlappen die Felder. Jedes Feld benötigt rund 60 Minuten für eine Abdeckung. In einen Zeitraum von knapp fünf Jahren vermaßen wir so den nördlichen Himmel. Da die Pensionierung von Dr. Kalberla im Jahr 2011 vor der Türe stand, konzentrierten wir uns darauf, möglichst die Milchstraße komplett zu kartieren und damit das große Problem der Streustrahlung zeitnah anzugehen. Mit den ersten großen zusammenhängenden Feldern konnten wir Tests der EBHIS-Streustrahlungskorrektur durchführen. Zudem gingen wir erste wissenschaftliche Projekte an und konnten Diplom- und Doktorarbeiten mit EBHIS-Beobachtungsdaten aufwerten und so zu einzigartigen Werken machen. Finanziert durch DFG-Mittel gelang es, ein Team an der Universität Bonn zusammenzustel-

len, welches Diplom-, Bachelor-, Masterstudenten und Doktoranden umfasste und das wirklich gut aufeinander eingespielt war. Im April 2013 konnte Dr. Winkel auf einer internationalen Konferenz in Bonn das erste vollständige Bild des EBHIS-Wasserstoffhimmels präsentieren (Abb. 7) [5].
,,Memorandum of understanding" mit der Planck-Kollaboration 2013 erhielten wir eine Nachricht von Dr. Francois Boulanger und Dr. Guilaine Lagache - weltweit führende Experten in der Ferninfrarot-Astronomie und Teil des Teams, das die Daten des Planck-Satelliten [6] wissenschaftlich auswertet. Sie hatten von unseren erfolgreichen EBHIS-Teilprojekten Notiz genommen und wollten mit uns problematische Himmelsregionen in der Modellierung der Ferninfrarotstrahlung des Planck-Satelliten besprechen. Nach zwei Treffen in Bonn und Paris war klar, wir können einen wesentlichen Beitrag zu der Modellierung des kosmologischen Vordergrundes leisten. Wir unterzeichneten hochoffiziell eine exklusive Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Teams. Der kosmologische Vordergrund wird zum größten Anteil durch den interstellaren Staub in der Milchstraße hervorgerufen. Staub und Gas sind so stark und homogen miteinander vermischt, dass ein nahezu konstantes Staub-zu-Gas-Verhältnis beobachtet wird [7]. Durch eine Korrelationsanalyse zwischen den Planckund EBHIS-Daten lassen sich kleinste Abweichungen identifizieren. Im Gegenzug erhielten wir einen exklusiven Zugriff auf Planck-Daten und konnten wirklich einzigartige Forschung betreiben. Heute ist klar, dass die Grenzen unserer Erkenntnis nicht durch die Messgenauigkeit des Planck-Satelliten begrenzt sind, sondern durch die Genauigkeit, mit der wir das Gaszu-Staub-Verhältnis des interstellaren Gases in der Milchstraße vermessen können.

Hier sind wir mit Hilfe von EBHIS schon ein schönes Stück weitergekommen.
LOFAR-Beobachtungen der Phase der Rekombination Staub und Gas in der Milchstraße weisen einen so hohen Grad an Korrelation auf, dass selbst die polarisierende Wirkung des Staubs mit der räumlichen Verteilung der 21-cm-Linienstrahlung sinnvoll untersucht werden kann. Bekannt ist der Davis-Greenstein-Effekt in der optischen Astronomie. Streuung von Licht an Staubkörnern spielt in der Radioastronomie keine Rolle. Viel zu groß ist der Unterschied zwischen der Größe des Staubkorns und der Wellenlänge der Radiostrahlung. Es muss einen anderen, indirekten Zusammenhang geben, der dazu führt, dass Wasserstoff und Staub sich zu Filamenten am Himmel vereinigen. Im Winter 2015 hielt ein führender Forscher des Low Frequency Arrays (LOFAR [8]) aus Groningen in Bonn einen Vortrag zur Epoche der Re-Ionisation, also einer Rotverschiebung von einem Faktor 7 (entspricht 1,4 m Wellenlänge für die 21-cm-Linie). Ein Problem der LOFAR-Daten ist, dass stark polarisierte Strukturen beobachtet werden, die selbst nicht leuchten. Das neutrale und ionisierte Gas der Milchstraße wirken sich auf die langwelligen Radiowellen so aus wie eine Glasscheibe, in der eine filigrane Struktur eingeritzt ist, auf sichtbares Licht. Das Licht von weit entfernten Quellen wird unterschiedlich gebrochen, abhängig davon, wie dick die Glasscheibe an einer Stelle ist. Ein erster Vergleich des LOFAR-Teams mit den Staubmessungen des Planck-Satelliten zeigte tendenziell eine Verbindung zwischen Staub und diesen polarisierten Strukturen im Milchstraßenvordergrund. Da diese Strukturen nur die Polarisationseigenschaften der langwelligen LOFAR-Radiostrahlung beeinflussen, jedoch nicht ihre Helligkeit, sah das LOFAR-Team nur,

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Radioastronomie

7 Karte des gesamten Nordhimmels im HI-Licht, aufgenommen im Rahmen des ,,Effelsberg-Bonn HI Surveys". Unsere Heimatgalaxie, die
Milchstraße, erscheint hier als leuchtendes Band quer über den Himmel. Die Wasserstoffstrahlung von der Andromeda-Galaxie (M 31) ist als helle Ellipse gerade unterhalb des Milchstraßenbandes leicht zu erkennen. Bei den rötlich erscheinenden Flecken auf der entgegengesetzten Seite handelt es sich um nahe gelegene Galaxien in nur wenigen Millionen Lichtjahren Entfernung. Die Bewegung des Wasserstoffgases relativ zur Erde (die sogenannte Radialgeschwindigkeit) ist farbkodiert dargestellt (siehe Skala der Farbtöne unten rechts), wobei die Helligkeit der Farben der Intensität der aufgenommenen Wasserstoffstrahlung entspricht.

dass sie vorhanden sind, konnte aber kein physikalisches Gegenstück identifizieren. Das gelang meinen Kollegen Dr. Kalberla und Dr. Haud. Diese Gegenstücke sind vergleichsweise hoch magnetisierte Filamente kalten Wasserstoffgases. Mehr noch: Es gelang ihnen zu zeigen, dass dort ein Phasen-

übergang zwischen dem warmen und kalten Gas beobachtet wird.
Von EBHIS zu HI4PI Zwischen 2013 und 2015 war in Bonn eine sehr gute Zeit für die Wasserstoffastrophysik. Fünf Doktoranden plus die Kern-

wissenschaftler zogen an einem Strang. Es gelang, die Talente der Einzelnen so zu kombinieren, dass wir unser Wissen, welches wir aus dem EBHIS-Projekt über Jahre erarbeitet hatten, auf den Galactic All Sky Survey (GASS, Parkes 64-m-Teleskop, frühe 2000er-Jahre [9]) übertragen konn-

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Radioastronomie

ten. Neben der verbesserten Korrektur der Streustrahlung gelang es Dr. Kalberla und Dr. Haud vom Tartu-Observatorium Estland, auch sehr schwache, aber sehr zahlreich vorhandene Interferenzen zu identifizieren und aus den Daten zu entfernen. Mit der EBHIS-Software von Dr. Winkel wurde eine neue Karte des gesamten Wasserstoffhimmels erstellt. Erneut bewies sich die Qualität der von Dr. Winkel programmierten EBHIS-Datenreduktion. Diese neue Karte ist in der Lage, die LAB-Himmelsdurchmusterung zu ersetzen und trägt den Namen HI4PI, ein Akronym für ,,HI über 4 Pi", der Fläche des Himmels in der Einheit Radiant [10]. All diese Daten sind, ebenso wie die EBHIS-Daten, frei verfügbar und ermöglichen es jedem, einen Blick auf den Wasserstoffhimmel zu werfen und seine eigene Forschung zu betreiben [11].
Was bleibt zu tun? Offen ist eines der beiden wesentlichen Ziele von EBHIS, die 21-cm-Linienemission der nahen Galaxien. Etwa 3.200 Galaxien konnten im Rahmen einer Dissertation im Jahr 2015 in EBHIS identifiziert werden. Auch konnten rund 70 unbekannte Galaxien in der Zone of Avoidance, der Ebene der Milchstraße, erstmals entdeckt werden. Es fehlt jedoch der Katalog. Klar ist, dass aufgrund der homogenen Himmelsabdeckung durch EBHIS alle Galaxien erstmals vollständig, d. h. in ihrer gesamten Ausdehnung, kartiert wurden. Für die Mehrzahl der nahen Galaxien sind bis heute die Wasserstoffmengen nur mittels eines einzigen Messpunktes durch eines der großen Radioteleskope bestimmt worden. Wir unterschätzen somit ganz systematisch die Wasserstoffmassen der nahen Galaxien.
Es liegen noch zahlreiche Schätze in unseren Daten verborgen. Einer, der verhältnismäßig leicht zu bergen ist, zeigt die kontinuierliche Strahlung der Milchstraße und der nahen Galaxien. Dies ist ein unerwartetes, da ungeplantes Nebenprodukt unserer FPGA-Spektrometer. Deren Ana-

log-zu-Digital-Wandler arbeiten so fantastisch gut, dass wir nebenbei eine Effelsberg-Himmelsdurchmusterung der kontinuierlichen Radiostrahlung des gesamten nördlichen Himmels durchgeführt haben. Schwierig aber lösbar ist es, diese kontinuierliche Strahlung zu eichen. Damit wäre ein weiteres eigenständiges Datenprodukt von EBHIS wissenschaftlich verfügbar.
Vermutlich dürfen wir auch noch weitere Fortschritte im Verständnis über die Bildung und Entwicklung vom atomaren zum molekularen Gas erwarten. Diese Phasenübergänge haben sich bereits gezeigt, nun müssen wir die Physik besser verstehen. Damit wird der Vordergrund der Milchstraße besser quantifizierbar, und vielleicht gelingt es uns, ein Niveau der Modellierung zu erreichen, so dass wir einen ungetrübten Blick auf die Objekte im fernen Universum erlangen werden.
Die Software, die Dr. Winkel für EBHIS entwickelte, wird nun in angepasster Form auch ihren Dienst am 500-m-Teleskop FAST in China verrichten. Von Februar bis März 2019 haben wir mit einem Wissenschaftler des FAST-Teams für mehrere Wochen in Bonn zusammengearbeitet. Die Modularität der EBHIS-Software erlaubt es, die Wirkung einzelner Datenverarbeitungsschritte auf das Gesamtprodukt zu kontrollieren und so beständig zu verbessern. Ebenso wirkte an diesem Prozess Dr. Kalberla mit, da die Streustrahlung auch ein Problem von FAST-Beobachtungen der Milchstraße sein wird. Ein schönes Ergebnis für das EBHIS-Team, wenn nach einem Jahrzehnt Entwicklungsarbeiten die Reduktionsprogramme auch für das FAST nützlich erscheinen. In diesem Jahr wird die zweite Abdeckung des nördlichen Himmels, die orthogonal zu der Orientierung der ersten Abdeckung aufgenommen wurde, abgeschlossen. Ich bin mir sicher, die Geschichte von EBHIS ist noch lange nicht zu Ende. Auf diesem Wege möchte ich mich bei meinen Kollegen

ganz herzlich dafür bedanken, mit welchem - auch sehr persönlichen - Engagement sie unser Projekt EBHIS verwirklicht haben!
Literaturhinweise und Internetlinks (Stand Mai 2019): [1] R. Wielebinski, N. Junkes und B.
Grahl, 2012: ,,Radioteleskop Effelsberg, vier Jahrzehnte Astronomie mit dem 100-Meter-Riesen", Sterne und Weltraum 9/2012, S. 36 [2] P. Richter, 2009: ,,Kosmisches Gas"; Sterne und Weltraum 9/2009, S. 28 [3] Wikipedia (public domain): ,,Hydrogen SpinFlip", https://commons. wikimedia.org/wiki/File:HydrogenSpinFlip.svg [4] P. Kalberla et al., 2005: ,,The Leiden/ Argentine/Bonn (LAB) Survey of Galactic HI: Final data release of the combined LDS and IAR surveys with improved stray-radiation corrections", arXiv.org:astro-ph/0504140 [5] B. Winkel et al., 2015: ,,The Effelsberg-Bonn HI Survey: Milky Way gas. First data release", arXiv.org: astro-ph/1512.05348 [6] J. Tauber, M. Bersanelli, J.-M. Lamarre, 2008: ,,Die Planck Mission", Sterne und Weltraum 2/2008, S. 38 [7] U. Keller, 2008: ,,Staub im Weltall", Sterne und Weltraum 3/2008, S. 44 [8] M. Brüggen, 2015: ,,Von Blitzen und kosmischen Zahnbürsten - Erste Ergebnisse mit dem Low Frequency Array (LOFAR)", Sterne und Weltraum 9/2015, S. 38 [9] P. Kalberla et al., 2010: ,,GASS: The Parkes Galactic All-Sky Survey II: Stray-Radiation Correction and Second Data Release", arXiv.org: astro-ph/1007.0686 [10] HI4PI collaboration, 2016: ,,HI4PI: A full-sky HI survey based on EBHIS and GASS", arXiv.org: astro-ph/1610.96175 [11] Bonner HI-Daten: www.astro.unibonn.de/hisurvey/AllSky_profiles/

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Radioastronomie

Ein Seminar über Amateur-Radioastronomie in Süd-Frankreich
von Frederic Schuller

Jedes Jahr seit 2014 organisieren der Verein PSTJ (Provence Sciences Techniques Jeunesse) und die französische Vereinigung für Astronomie (AFA) ein dreitägiges Treffen für Amateur-Astronomen: das technische Treffen in Valbonne [1]. Bei der Anmeldung kann sich jeder entscheiden, an welchem spezifischen Seminar er/sie teilnehmen will, z. B. Astrofotografie, Spektroskopie, oder Radioastronomie (seit 2016).

Das Treffen findet auf dem Campus des Lycee international de Valbonne statt, in der Nähe von Nizza, wo der Verein ein Radioteleskop mit 2,3 m Durchmesser der italienischen Firma PrimaLuce besitzt. Das Teleskop ist fest gebaut, mit einer Montierung des Typs EQ6 von Skywatcher. Das ganze System steht unter einem Radom, das als Schutz gegen starken Wind und Regen zugemacht wird. Zusammen mit dem Spiegel und der Montierung liefert PrimaLuce den Empfänger, einen RAL10PL, der die Leistung in einer Bandbreite von ca. 250 MHz zentriert um 11,2 GHz misst. Mit diesem System können wir die Sonne problemlos beobachten, aber auch den Mond (Abb. 1).
Beim Scannen durch den Mond können wir die Beam-Breite messen: wir erwarten 0,7 Grad und wir haben 0,75 Grad gemessen (Abb. 2). Das System funktioniert also ziemlich gut! Auch mit einer kleinen 80-cm-Schüssel (Abb. 3) kann man schon Radiowellen beobachten. Relativ einfach zu finden sind die Sonne ... und Fernseh-Satelliten (Abb. 5)! Die ganze Kommunikation mit TV-Satelliten läuft im Frequenzbereich um 11 GHz (das heißt, eine Wellenlänge von ca. 3 cm). Deshalb sind Empfänger, Verstärker, und alles, was man braucht, um diese Frequenz zu beobachten, ziemlich billig. Aber um schwächere Quellen zu sehen, wie z. B. unsere Galaxie oder Pulsare, braucht man entweder eine deutlich größere Schüssel, oder viel Geduld!

Wie üblich bei Amateur-Radioastronomen gibt es auch im Verein die Ausstattung (Abb. 4), um Meteore zu detektieren, dank der Reflexion von starken Radiosignalen durch ionisierte Teilchen hoch in der At-

1 Es gibt ein paar
Wolken? Es ist noch nicht dunkel? Egal, wir beobachten den Mond!
2 Die Kurve zeigt das Signal, wie vom
Empfänger gespeichert, wenn das Teleskop durch den Mond scant. Da wir die Scan-Geschwindigkeit kennen, können wir die Zeit in den Winkel am Himmel umrechnen; so messen wir beim Beobachten um 11 GHz mit einem 2,3-m-Spiegel eine Beam-Breite von 0,75 Grad , wie erwartet.
mosphäre. Für die Bahnbestimmung von künstlichen Erdsatelliten verwendet die französische Armee das GRAVES-Radarsystem [2]. Es besteht aus einem starken Sender in der Nähe von Dijon in Burgund,

Journal für Astronomie Nr. 71 | 57

Radioastronomie

4 Ein SAT-Finder. Das Signal von
Satelliten bei 11 GHz ist stark!

3 Eine andere Antenne des Vereins: eine SAT-Schüssel,
mit Empfänger für das 11-GHz-Frequenzband
der ein Signal bei 143,05 MHz sendet, und einer Empfangsstation fast 400 km weiter südlich, wo jedes Echo von Objekten bis zu 1.000 km hoch detektiert wird. Nicht nur die Armee, sondern auch Radio-Amateure können bei dieser Frequenz zuhören, um die Spuren von Meteoren und von Satelliten wahrzunehmen. Vor ein paar Jahren brauchte man noch extrem teure Radio-Empfänger, um solche Signale zu verarbeiten. Heutzutage ist so etwas möglich mit einem nur 20 Euro teuren ,,Dongle" und einer kostenlosen Software! Zwei solche Software-Defined-Radio-(SDR)-Programme wurden bei dem Treffen in Valbonne vorgestellt: SDRangel und GNU-Radio.
Internetlinks (Stand 10.06.2019): [1] Rencontres Techniques de Valbonne: www.afastronomie.fr/
rencontres-techniques-valbonne [2] GRAVES-Radarsender: https://de.wikipedia.org/wiki/
GRAVES

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5 Die Stabantenne für Meteorscatter-Beobachtungen

Radioastronomie

Das Treffen 2019 der Fachgruppe Radioastronomie
von Peter Riepe und Frank Theede

Am 6. April 2019 fand das diesjährige Treffen der FG Radioastronomie statt. Gastgeber war die Walter-Hohmann-Sternwarte (WHS) in Essen. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Claudia Henkel und ihre Kolleginnen und Kollegen, die entscheidend zum Gelingen des Treffens beigetragen haben. Abgesehen vom leiblichen Wohl sorgten die Essener auch für ein sehr schönes Rahmenprogramm.

1 Wolfgang Herrmann
bei seinem Vortrag über die Radioastronomie am Stockert. Bild: P. Riepe.

Bereits am späten Freitagnachmittag (5. April) trafen sich zahlreiche FG-Mitglieder im Restaurant ,,12 Apostel" im uralten Bischofssitz Essen-Werden zur gemütlichen Einstimmung. Um 20 Uhr hielt dann Wolfgang Herrmann in der WHS einen gut besuchten öffentlichen Vortrag über Radioastronomie am Astropeiler Stockert (Abb. 1). Der Samstagmorgen drehte sich ab 10 Uhr zunächst um organisatorische FG-Fragen (Abb. 2). Kommunikationsplattform ist die Mailingliste. Neue Mitglieder sollten sich für die Mailingliste anmelden und können dies auf der Webseite der Fachgruppe tun. Aktuell hat die Fachgruppe 38 Mitglieder. Im VdS-Forum wurde ein Unterforum Radioastronomie angelegt. Unser vorrangiges Ziel ist es, die Amateure in der Radioastronomie zu vernetzen, wobei auch Amateure des deutschsprachigen Auslands herzlich willkommen sind. Zur fachlichen Information untereinander und nach außen dient unser Wiki. Aktuell wird es hauptsächlich von Wolfgang Herrmann bearbeitet. Jedes Mitglied kann etwas zum Wiki beitragen. Derzeit wird daran gearbeitet, mehr Überblick über die radioastronomischen Anlagen der Amateure im deutschsprachigen Raum zu geben. Die Adresse des Wiki lautet: http://radioastronomie.vdsastro.de/ doku.php?id=start

Walter Gengel informierte über ,,Ein Beobachtungsprojekt am Astropeiler Stockert mit Schülern der British International School in Ho Chi Minh City und Vorstellung der Ergebnisse". Frederic Schuller gab einen ausführlichen ,,Bericht über einen Workshop für Amateur-Radioastronomen in Südfrankreich", siehe dazu auch seinen Beitrag auf Seite 57 in dieser Ausgabe.

Ab 12:30 Uhr sorgten die Essener für ein geselliges gemeinsames Mittagsbuffet auf der Sternwarte. Nach dem Gruppenbild (Abb. 3) stand ab 14 Uhr die WHS mit ihren Anlagen im Blickpunkt. Jochen Pleßmann (WHS Essen) berichtete über die radioastronomische Ausstattung der Sternwarte. Helena Relke stellte ,,Das E-Callisto-Projekt, Sonnenbeobachtung im VHF- und

Nachfolgend gab es drei Vorträge seitens der FG-Mitglieder. Ernst Lankeit sprach über ,,Dynamische Spektren solarer Bursts".

2 Während des FG-Treffens in der Walter-Hohmann-Sternwarte; hinten links: Frederic und
Katja Schuller (FG-Leitung). Bild: P. Riepe.

Journal für Astronomie Nr. 71 | 59

Radioastronomie

3 Die Teilnehmer des Treffens der FG Radioastronomie vom 6. April 2019 in Essen vor der
3-m-Radioantenne der WHS (von rechts nach links): Helena Relke, Beatrix Woyth, Wolfgang Kinzel, Frederic Schuller, Raphael Schuller, Hans Wilschut, Katja Schuller, Thomas Buchsteiner, Norbert Tellmann, Wolfgang Herrmann, Thomas Wassmuth, Thomas Freina, Ernst Lankeit, Walter Gengel, Frank Theede, Jochen Pleßmann und Peter Riepe. Bild: Helmut Metz.

4 Hans Wilschut und Thomas Wassmuth
schauen sich die zum Empfang der Wetterdaten von Fritz Tillmann selbst gebaute Antenne mitsamt ihrer Steuerung an. Bild: P. Riepe.

UHF-Bereich" vor. Beatrix Woyth wechselte zur optischen Astronomie mit dem Thema ,,Sterne funkeln für Jeden". Die Essener haben ein mit holländischen Amateuren gemeinsam laufendes Projekt, das die Astronomie mit Hilfe teleskopischer Beobachtungen in Schulen hineintragen soll.
Dann folgte die direkte Besichtigung der Anlagen. Neben den beeindruckenden optischen Teleskopen fand natürlich die 3-m-Parabolantenne höchste Aufmerksamkeit. Sie soll - mit Hilfe der Kollegen vom Stockert - baldmöglichst in Betrieb genommen werden. Besonders informativ und spannend verlief eine Durchgangsbeobachtung des Satelliten NOAA 19, der während des Treffens den Tagungsort überquerte. Fritz Tillmann (WHS Essen) hatte die dazugehörige Antennenanlage (Abb. 4) mitsamt Antennenbewegung, Steuerung und der Software für Steuerung und Datenauswertung selbst gebaut. So konnten wir sehr schön mitverfolgen, wie das Wetter über Westeuropa vom Weltraum aus aufgenommen und in Essen aufgezeichnet wurde (Abb. 5). Sowohl Jochen Pleßmann als auch Fritz Tillmann vielen Dank für die

ausführliche Führung über das Sternwartengelände und die fachlich kompetenten Erklärungen!
Nach dem offiziellen Ende des FG-Treffens fand dann abends noch ein kleiner Ausklang statt - für alle Interessierten und für diejenigen, die ihre Abreise auf den Sonn-

tag verlegt hatten. Bei leckerer Ruhrgebietskost und einem Ruhrgebietspils in einem Werdener Restaurant wurde noch bis zum späten Abend über das Treffen und über Fragen zur Amateur-Radioastronomie geplaudert. Wir freuen uns schon auf das nächste FG-Treffen 2020.

5 Durchgang des Wettersatelliten NOAA 19. Links: IR-Bild von Zentraleuropa
am 06.04.2019 um 15:44 Uhr UTC, zeitgleich rechts: Westeuropa im optischen Spektralbereich. Bild: Fritz Tillmann.

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UNSPLASH /ALFONS TAEKEMA

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Wie Astronomen Unsichtbares sichtbar machen
- Radiostrahlung macht's möglich!
von Gerhard Wagner

Wenn ihr in einer klaren Nacht in den Himmel schaut, seht ihr das Licht von vielen leuchtenden, heißen Sternen und das Licht von einigen, von unserer Sonne beleuchteten Planeten. Die Sterne (wie auch unsere Sonne) könnt ihr euch als riesige, heiße Gaskugeln vorstellen. Astronomen können mit ihren Fernrohren die hellen Sterne sehen oder sie auch fotografieren. Das sichtbare Licht der Sterne ist für uns die wichtigste Informationsquelle, denn zum Hinfliegen ist es doch wirklich viel zu weit! Aus dem Weltall gelangt aber nicht nur sichtbare Strahlung (= Licht) zu uns auf die Erde - auch sehr viel unsichtbare Strahlung kommt zu uns.
Macht dazu einmal das folgende kleine Experiment: Schaltet eine starke Glühlampe (z. B. eine Schreibtischlampe) ein. Die Glühlampe sendet sichtbares Licht aus - aber wenn ihr eure Hand in ihre Nähe bringt, spürt ihr zusätzlich eine Wärmestrahlung auf der Haut. Das kennt ihr auch von der Sonne. Ihr könnt es auch mit einer Tasse mit heißem Wasser versuchen. Bringt eure Hände nah an die Tasse, ohne sie zu berühren! Könnt ihr die Wärmestrahlung fühlen?

1 Auf dieser Abbildung könnt ihr einige Antennenarten sehen, mit denen
Astronomen Radiostrahlung aus dem Weltall empfangen. Als erstes links zwei Parabol-Antennen (Foto von Thomas Freina), dann als zweites eine Yagi-Antenne (Foto von Frano Delic), an dritter Stelle eine bikonische Antenne (Foto von schwarzenbeck.com) und rechts eine Parabolantenne ,,Spider" (Foto von Frederic Schuller).

Alle diese verschiedenen Strahlungen sind sehr nahe ,,Verwandte" unseres sichtbaren Lichtes, welches in verschiedenen Farben erscheinen kann. Die Radiostrahlung kann aber etwas, was unser sichtbares Licht nicht kann: Im Weltall gibt es große Gas- und Staubwolken, da kommt fast kein sichtbares Licht durch. Die unsichtbaren Radiowellen jedoch,

welche aus den Tiefen unserer Milchstraße oder von fernen Galaxien stammen, kommen da viel besser durch! Auch dichte Wolken in unserer Atmosphäre können Radiowellen aus dem Weltall gut durchdringen.
Aber wie können nun Astronomen diese unsichtbare Strahlung ,,sichtbar" machen? So wie wir mit unse-

Es gibt noch einige andere Strahlungen, die ihr nicht sehen könnt. Ihr habt sie dennoch in eurem Alltag schon kennengelernt. Seht euch die Abbildung 3 mit den Alltagsgegenständen an. Sie zeigt euch, bei welchen Alltagsgegenständen unsichtbare Strahlung eine wichtige Rolle spielt. Mit einigen Arten dieser sehr unterschiedlichen, unsichtbaren Strahlungen beschäftigt sich die so genannte RADIOASTRONOMIE.

2 Auf den drei Bildern seht ihr jeweils die gleiche Region: die Reste einer Super-
nova. Diese wurde ,,Supernova 1987A" genannt. Bei einer Supernova explodiert ein Stern am ,,Ende seines Lebens". Zurück bleiben heißes Gas und eine Staubwolke, die sich in alle Richtungen ausbreitet. Auf dem ersten Bild links schauen wir mit unseren Augen durch ein Teleskop. Auf dem zweiten Bild in der Mitte mit einem Radioteleskop. Hier wird die Staubwolke sichtbar, die bei der Explosion entstanden ist und sich ausbreitet. Bei dem dritten Bild wurden noch weitere Strahlungen hinzugenommen. So können Astronomen besser verstehen, was nach einer Supernova passiert.

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KINDERSEITEN

rer kleinen Radioantenne (z.B. einer Drahtantenne am Auto) das Musiksignal vom Radiosender empfangen können, können wir auch die unsichtbare Strahlung aus dem Weltall mit sehr unterschiedlichen Antennen und Verstärkern empfangen und auswerten (Abb. 1, Abb. 2).
Sehr große Sorgen bereitet den Radioastronomen die starke Zunahme der weltweiten (kabellosen) Datenübertragungen, Funkverbindungen sowie die unzähligen Handygespräche. Denn eine Antenne kann nicht unterscheiden, ob das Signal, das sie empfängt, aus dem Weltall kommt oder von einem Handy. Daher stören die Strahlungen, die wir Menschen erzeugen, unseren Radioblick ins Weltall.
Ihr seht: ,,RADIOASTRONOMIE" ist viel mehr als ,,RADIO HÖREN". Mit ihr können Astronomen das Unsichtbare sichtbar machen.

s, bei welche rah n lu A n l g ltagsinde herau ichtbare St d
3 F gegenständen uns Rolle spielt! (Idee un Schuller)
eine w U ic m h s ti e g t e zung: Katja grafische

Wie kam das Radio in die Astronomie?
von Stefanie Bönisch-Alert

Hat da jemand versucht, ein Radio an ein Teleskop zu binden? Oder haben sich Außerirdische plötzlich in einer Radiosendung gemeldet? Nein, natürlich nicht. Aber wie kam denn nun das Radio in die Astronomie? Wie bei vielen wichtigen und großen Entdeckungen war auch hier der Zufall wichtig. Seit Jahrtausenden blickt man nun schon in das Licht der Sterne, aber erst vor 87 Jahren, im Jahr 1932, bemerkte man die Radiostrahlung von astronomischen Objekten. Der junge Ingenieur Karl Jansky arbeitete eigentlich für eine Telefongesellschaft. Er wollte störende Signale mit einer großen Antenne erforschen. Dabei bemerkte er ein Signal, dass jeden Tag fast zur selben Zeit - nämlich immer nach 23 Stunden und 56 Minuten - am deutlichsten zu hören war. Diese komische Zeit ist genau ein

Sterntag, also die Zeit, in der sich der Sternenhimmel scheinbar einmal um die Erde bewegt. So kam Karl Jansky darauf, dass er ein Signal außerhalb unseres Sonnensystems aufgefangen haben musste. Heute wissen wir, dass Karl Jansky die Radiostrahlung vom Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxis - der Milchstraße - gefunden hat. Wow! Zu Ehren dieser wichtigen Entdeckung wurde sogar eine Einheit in der Physik nach Jansky benannt. Es gab in der Radioastronomie sehr wichtige wissenschaftliche Erfolge. Erst vor Kurzem, 87 Jahre nach Entdeckung der Radiostrahlung, stellten im April 2019 Forscher das Bild eines Schwarzen Loches in einer anderen Galaxis vor. Das schafften sie, indem sie viele Radioteleskope auf der ganzen Welt zusammenarbeiten ließen.

1 Der junge Ingenieur Karl Jansky
mit seinem ,,Karussell" (engl. ,,Merrygo-round"). Diesen Spitznamen erhielt die von ihm gebaute, in alle Richtungen drehbare Antenne, mit der er das immer wiederkehrende Radiosignal aus dem Zentrum unserer Galaxie entdeckte. (Bild von NRAO/AUI/NSF)

Quellen der Abbildung 2: Links: Digitized Sky Survey, Mitte: NRAO/VLA/Argentinian Institute of Radioastronomy/G.Dubner, rechts: X-ray: NASA/CXC/Morehead State Univ/T.Pannuti et al., optical: DSS, Infrared: NASA/JPL-Caltech, Radio: NRAO/VLA/Argentinian Institute of Radioastronomy/G.Dubner

Journal für Astronomie Nr. 71 | 63

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SETI - Auf der Suche nach außerirdischen Radiosendern
von Tim S. Holderer

Im Weltraum gibt es nicht nur natürliche Radiostrahlen. Seit fast einhundert Jahren strahlen auf der Erde Rundfunksender und Fernsehstationen Signale aus. Diese erreichen nicht nur die Apparate der Zuhörer und Zuschauer, sondern verlassen auch die Erde. Sie bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit ins All. Einige der nächsten Sterne und ihre Planeten haben sie so schon erreicht. Auf einem ausgedachten Planeten um den hellen Stern Sirius, der gut acht Lichtjahre von uns entfernt ist, könnte man etwa das TV-Programm von vor acht Jahren anschauen. (Vorausgesetzt, man hätte dort einen Fernseher.)
Doch was wäre, wenn es dort uns ähnliche Lebewesen gäbe? Dann würden sie vielleicht auch Radiostrahlen ins All schicken - und wir könnten sie auf der Erde empfangen. Allerdings ist es nicht so einfach, wie es sich anhört. Tatsächlich suchen seit über 30 Jahren Forscher nach solchen Signalen. Dafür haben sie Apparate gebaut, mit denen sie gleichzeitig mehrere Tausend Radiokanäle gleichzeitig abhören können. Die größten Radioteleskope auf der Erde

werden dafür am Himmel ausgerichtet. Und da es sehr viele verschiedene Arten von Strahlen gibt, wissen sie auch gar nicht so genau, wonach sie eigentlich suchen sollen.
Bisher wurde kein außerirdisches Rundfunk- oder Fernsehprogramm empfangen. Auch eine direkte Botschaft, mit der Außerirdische auf sich aufmerksam machen, konnten die Forscher noch nicht entdecken. Und wenn es doch einmal so ist - was dann? Eine Antwort würde Jahre brauchen, bis sie ankommt. Wie soll sie aussehen? Was würdest Du tun? Diese Fragen sind so spannend, dass die Suche weitergeht. Bisher gibt es keine Beweise dafür oder dagegen, dass es außer der Erde noch andere Planeten mit den Menschen ähnlichen (,,intelligenten") Lebewesen gibt.
Das Projekt nennt sich ,,SETI". Die Abkürzung steht für ,,Search for Extra-Terrestial Intelligence". Das bedeutet auf Deutsch ,,Suche nach außerirdischer Intelligenz".

Unendliche Weiten im Universum
- Astronomische Entfernungen
von Harald Tesar
Wenn wir von ,,astronomischen" Entfernungen sprechen, meinen wir Entfernungen, die unvorstellbar groß sind. Und ja, genau das sind sie, die Entfernungen im Weltall - unvorstellbar groß!
Ich will aber erst einmal ,,klein" anfangen: Einige hundert Kilometer Urlaubsreise im Auto, der Bahn oder über tausend Kilometer im Flugzeug kennt heute fast jeder von euch. Der durchschnittliche Autofahrer bei uns kriegt etwas über zehntausend Kilometer im Jahr zusammen, bräuchte also etwa vier Jahre für eine Umrundung der Erde (Umfang vierzigtausend Kilometer).
1 In dieser Abbildung seht ihr, wie schnell sich das Licht im
Vergleich zu einem Auto und einem Flugzeug bewegen kann. Das Licht könnte in einer Sekunde 7,5-mal die Erde umkreisen! Ein Auto bräuchte für eine Erdumrundung 4 Jahre, ein Flugzeug 24 Stunden. (Grafik von Silke Müller-Michelsen) 1s
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Antwort: Die Bilder, die die Kamera des Marsrover sendet, brauchen mehrere Minuten, bis du sie auf deinem Bildschirm auf der Erde sehen kannst. Wenn du den Marsrover am Abgrund siehst, ist dieser längst einige Minuten weitergefahren. Ziehst du die Bremse, braucht dieses Signal wieder einige Minuten, bevor es beim Marsrover ankommt. In der Zeit fährt er immer weiter, bis er endlich deinen Bremsbefehl empfängt. Und da kann es für ihn schon zu spät sein. Deshalb müssen solche Fahrzeuge selbsttätig ,,autonom" fahren, um rechtzeitig selbst stoppen und einem Hindernis ausweichen zu können.

Das kommt dir lange vor? Zum Mond würde man mit dem Auto vierzig Jahre brauchen! Mit einer Rakete schafft man die dreihundertachtzigtausend (380.000) Kilometer immerhin in vier Tagen. Jetzt kommt die Lichtgeschwindigkeit ins Spiel: Licht bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 300.000 Kilometer in der Sekunde (km/s). Ein Lichtstrahl könnte also in einer Sekunde 7,5-mal die Erde umkreisen. Ein Flugzeug braucht hierfür länger als einen Tag (Abb. 1). Das Licht braucht vom Mond nur etwa 1,3 Sekunden bis zur Erde. Wenn ihr den Mond betrachtet, schaut ihr 1,3 Sekunden in die Vergangenheit! Funksignale bewegen sich genauso schnell wie das Licht. Die Funksignale der Astronauten auf dem Mond am 20. Juli 1969 konnten wir auf der Erde also auch nur mit dieser Verzögerung hören.

Kasten 1
Gedankenexperiment

???

Stell dir vor, du steuerst einen Marsrover von der Erde aus. Der Marsrover hat eine

Kamera, so dass du seine Bewegungen am Bildschirm verfolgen kannst. Nun siehst

du auf dem Bildschirm, wie der Marsrover direkt auf einen Abgrund zusteuert.

Nur noch wenige Meter, dann wird er hineinstürzen. Du ziehst sofort ferngesteu-

ert die Bremse. Aber es ist zu spät, der Marsrover ist abgestürzt, das Bildsignal

verschwindet. Warum konnte es dir nicht gelingen, den Marsrover rechtzeitig zu

stoppen?

Es folgt in meiner Aufzählung die Sonne. Sie ist 149 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Wie ihr merkt, werden die Entfernungen nun immer größer und immer unübersichtlicher. Deshalb haben sich Astronomen neue Einheiten ausgedacht, um Entfernungen im Weltall anzugeben. Für 149 Millionen Kilometer bräuchte unser Autofahrer 15.000 Jahre. Das Licht aber schafft es von der Sonne zur Erde in nur 8,3 Minuten! Astronomen sprechen bei dieser Entfernung von ,,einer Astronomischen Einheit" (1 AE).

Im vergangenen Heft war der Mars das Thema. Betrachten wir doch einmal seine Entfernung von der Erde: Sie schwankt zwischen 55 und 400 Millionen Kilometern. Licht oder auch Funksignale benötigen für diese

2 Viele Himmelsobjekte sind unvorstellbar weit von unserer Erde entfernt!
(Grafik von Silke Müller-Michelsen)

Journal für Astronomie Nr. 71 | 65

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Idee und grafische Umsetzung: Katja Schuller

Entfernungen zwischen drei und 22 Minuten. Wer den Mars beobachtet, sieht also die Marsoberfläche so, wie sie vor drei bis 22 Minuten aussah! Er sieht in die Vergangenheit. Versucht einmal das ,,Gedankenexperiment" im Kasten 1.
Wenn wir uns den Sternenhimmel im Winter ansehen, können wir als hellsten Stern nicht weit vom Horizont Sirius finden, den Hauptstern im Sternbild Großer Hund. Sirius ist der sonnennächste Stern, den wir von der Nordhalbkugel der Erde aus mit bloßem Auge beobachten können. Sein Licht benötigt mehr als 8 Jahre, bis es zu uns kommt. Anders gesagt: Würde Sirius jetzt explodieren, würden wir erst in 8 Jahren etwas davon merken, denn Sirius' letzter Lichtstrahl würde unsere Erde erst in 8 Jahren erreichen. Astronomen sagen: Sirius ist 8 Lichtjahre von uns entfernt. Ein Lichtjahr ist also eine Entfernungsangabe! Das ist die Strecke, die Licht in einem Jahr zurücklegt. Könnt ihr sagen, wie viele Kilometer das Licht in einem Jahr

zurücklegt? Schaut mal auf das Bild Von der Nordhalbkugel der Erde aus

mit dem Notizzettel und versucht, es können wir als nächste Nachbargala-

genau auszurechnen.

xie bei sehr guten Sichtbedingungen

die Andromedagalaxie in der Nähe

Habt ihr es geschafft? Richtig, das des Sternbildes Cassiopeia (Him-

Licht legt rund 10 Billionen Kilo- mels-W) erkennen. Andere Galaxien

meter (10.000.000.000.000 km) pro sind mit bloßem Auge nicht mehr

Jahr zurück. Es wird nun schon ganz zu erkennen. Da braucht ihr min-

schön schwierig, diese Strecke in Ki- destens ein Fernglas oder sogar ein

lometern anzugeben. Deswegen wur- Teleskop! Die Andromedagalaxie ist

de das Lichtjahr ,,erfunden".

etwas größer als die Milchstraße und

über 2 Millionen Lichtjahre von uns

Die Zahlen werden aber erst noch entfernt. Wer sie sieht, sieht 2 Millio-

richtig ,,astronomisch"! Seid ihr noch nen Jahre in die Vergangenheit - eine

dabei? Dann geht es weiter mit unse- Zeitmaschine!

rer Galaxie, der Milchstraße. Sie ist ei-

ne Ansammlung von Milliarden Ster- Die entferntesten, bisher beobach-

nen, von denen einer unsere Sonne teten Objekte im Weltall sind sogar

ist. Der Durchmesser der Milchstraße mehr als 13 Milliarden Lichtjahre

beträgt ungefähr 100.000 Lichtjahre. entfernt.

Rechnet das mal in Kilometer um,

dann wird klar, warum es Lichtjahre

gibt!

in die Vergangenheit! Mit bloßem

Schaut ins Weltall, also

leskop. Es gibt

Auge, mit einem Fernglas oder einem Te

viel zu entdecken!

66 | Journal für Astronomie Nr. 71

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Journal für Astronomie Nr. 71 | 67

Amateurteleskope / Selbstbau

Spiegelreinigung wie die Profis
von Thomas Eversberg

Kürzlich haben Peter Riepe und Harald Tomsik eine Me-

thode beschrieben, wie sie ihren 112-cm-Hauptspiegel

in Melle reinigen [1]. Sie verfolgen im Wesentlichen eine

von Amateuren schon lang angewandte Technik, inklu-

sive mechanischer Behandlung mit einem Wattebausch.

Angesichts der Größe des Melle-Teleskops liegt es aller-

dings nahe, die bei Amateuren verbreitete Reinigungs-

technik (siehe auch [2]) nicht einfach ,,nach oben" zu

skalieren, sondern sich an den Profis zu orientieren. Das

an Profi-Observatorien verwendete Reinigungsmittel ist

Kohlendioxid-Schnee (CO2) (Abb. 1). Schließt man eine

mit einem Ventil verstellbare Düse an eine CO2-Gasfla-

sche an und bläst damit das Gas mit hoher Geschwindigkeit über den Spiegel, passiert Folgendes: Das flüssige Koh-

1 CO2-Reinigung am VLT, Bild: ESO/Y. Beletsky (mit freundlicher Genehmigung)

lendioxid expandiert um den Faktor 700 zu Gas, kühlt da-

bei adiabatisch ab und entwickelt CO2-Schnee. Die -60 Grad C

kalten Schneeflocken stoßen auf die Staubpartikel, welche sich bei der Die CO2-Methode wird an allen Profi-Observatorien angewendet.

tiefen Temperatur schlagartig zusammenziehen und sich dadurch ex- Einzig am Gemini-Teleskop wird nach der Behandlung mit CO2zu-

plosionsartig von der Spiegeloberfläche lösen. Der Gasdruck schiebt sätzlich mit Wasser und so genannter ,,Pferdeseife" (Horse Sham-

die Partikel dann von der Oberfläche (Abb. 1). Die CO2-Flocken und poo) gereinigt (Abb. 2). Diese Seife hat eine sehr hohe Reinigungs-

der Staub verkratzen dabei nicht die Spiegelbeschichtung, weil sie kraft, wirkt jedoch nicht abrasiv. Dazu werden Naturschwämme

auf einem CO2-Gaspolster über die Oberfläche gleiten, welches von mit der Lauge getränkt und man wischt damit über die Spiegel-

den Schneeflocken sublimiert. Die Methode ist sanft genug, um sie segmente. Allerdings können auch Naturschwämme mechanische

so oft anwenden zu können, bis der Spiegel mit neuem Aluminium Beschädigungen des Spiegels durch Staubpartikel bewirken. Daher

belegt wird. Und sie ist wegen der geringen Kosten (reines CO2-Gas wird diese Technik erst nach einer gründlichen CO2-Reinigung

ist für unter 50 Euro pro Kilo erhältlich) auch für Amateurinstru- eingesetzt.

mente geeignet.

* * * Neues aus der Fachgruppe Amateurteleskope/Selbstbau * * *

Langsam aber sicher, dennoch mit einigen Stolper- Ich überlege, an einem der folgenden Tage ein Fach-

steinen, entsteht die Fachgruppe Amateurteleskope/ gruppentreffen in Solingen zu organisieren, damit

Selbstbau neu und im frischen Glanz. Hubert Her- man sich kennenlernt, austauscht und auch liebend

melingmeier hat sich die ,,notdürftig" eingerichtete gerne vortragen kann! Die möglichen Tage wären:

Webseitenpräsenz vorgenommen und komplett neu 01., 16. oder 23.11.2019. Wer ein ernsthaftes Interesse

überarbeitet. Diese ist nun online gestellt worden unter: http://selbstbau.vdsastro.de. An dieser Stelle

hat, an einem solchen Treffen teilzunehmen, der möge mich bitte unter fg-selbstbau@vds-astro.de an-

ein Dankeschön an Hubert!

schreiben. Weitere Informationen werde ich dann per

Mail mitteilen. Wer Lust hat, dort sein Projekt vor-

Die Mailingliste wurde vorerst gestoppt, da es hier ei- zutragen, kann dies sehr gerne machen. Ein Beamer

nige Schwierigkeiten gab. Ich hoffe auf euer Verständ- steht zur Verfügung.

nis. Sinniger wird es sein, sich im dafür eingerichteten VdS-Forum auszutauschen: https://forum.vdsastro. de/viewforum.php?f=43

Andreas Berger

68 | Journal für Astronomie Nr. 71

Amateurteleskope / Selbstbau

2 Reinigung des Gemini-Hauptspiegels
mit Wasser und ,,Pferdeseife", Bild: Kirk Pu'uohau-Pummill/Gemini Observatory (mit freundlicher Genehmigung)

Nach meiner eigenen Erfahrung bei der Reinigung des 1,6-m-Spiegels am Mont-Megantic-Observatorium in Kanada ist die Reinigung mit CO2 hinreichend. Bei seitlichem Blick auf den Spiegel scheint das Ergebnis dieser Prozedur zwar nicht optimal zu sein, allerdings sieht jede Spiegeloberfläche bei streifendem Einfall schmutzig aus. Bei senkrechtem Lichteinfall ist der Lichtverlust durch wenige auf dem Spiegel verbliebene Staubteilchen jedoch extrem gering und daher vernachlässigbar.

Literaturhinweise: [1] P. Riepe und H. Tomsik, 2019: ,,Praktische Tipps zur Reinigung eines
großen astronomischen Spiegels", VdS-Journal für Astronomie 68, S. 37 [2] T. Eversberg und K. Vollmann, 2013: ,,Frühjahrsputz im Teleskop",
Sterne und Weltraum 5/2013, S. 84

Optimierung einer Transportbox für die EQ8-Montierung
von Bernhard Suntinger

Die bei Hobbyastronomen sehr beliebte parallaktische Montierung Skywatcher-EQ8 wird in einer hochwertigen Transportbox mit Rollen angeliefert.
Nachdem man die Polhöhe der Montierung auf die geografische Breite seines Beobachtungsstandortes eingestellt hat, kann die EQ8 allerdings nicht mehr in die weiche Schaumstoffeinlage der Box zurück verpackt werden, weil die Schaumstoffeinlage die Form hat, in der die Montierung ausgeliefert worden ist und diese eine andere Polhöhe und somit Passform hat.

Verpackungs-Schaumstoffplatten. Diese können privat über diverse Ver packungsf ir men erworben werden (z.B. Firma Eurofoam; Bezeichnung der Schaumstoffplatten: Zuschnitt D35 E220 weiß) Diese sind in verschiedenen Dicken erhältlich und werden auf die benötigten Außenmaße zugeschnitten.

Die Lösung ist einfach. Mit etwas Bastelarbeit kann das Schaumstoff-Innenleben der Transportbox so umgestaltet werden, dass die justierte Montierung inklusive des Montierungszubehörs gut geschützt darin Platz findet.
Im ersten Schritt wird die ursprüngliche Schaumstoffeinlage aus der Transportbox und deren Deckel entfernt. Dies gelingt am einfachsten mittels Cutter- bzw. Teppichmesser und einem Spachtel. Als neues Schaumstoff-Innenleben empfehlen sich

Dann wird ein Raum-

konzept für die Transportbox überlegt. Platte

1 Der fertig neu bepolsterte Koffer

für Platte wird ange-

zeichnet oder mit Na-

deln abgesteckt und anschließend mittels Abschließend werden die fertigen Schaum-

eines Messers und Lineals ausgeschnitten. stoffeinsätze in die Transportbox einge-

Um dickere Platten zu erzielen, werden die setzt und bei Bedarf mittels 2-Komponen-

fertig bearbeiteten Schaumstoffplatten de- ten-Epoxydharz-Kleber festgeklebt. Fertig.

ckungsgleich übereinander gestapelt und

durch Erhitzen mittels Heißluft-Fön mit- Internetlink (Stand 19.8.2019):

einander ,,verschweißt".

[1] B. Suntinger: ,,Astronomie und For-

schung", www.unendlicheweiten.at

Journal für Astronomie Nr. 71 | 69

Astrofotografie

Ferne Welteninseln
Über die wunderbare Welt der Galaxien am Südsternhimmel
von Gerhard Althoff

In den letzten Jahren habe ich mich ausführlich mit HII-Regionen beschäftigt und wie man das meist leuchtende Rot dieser Nebel mit Hilfe lichtstarker Optiken und dem Einsatz von Schmalbandfiltern gut darstellen kann. Doch als Mitte 2017 feststand, dass ich im September 2018 wieder einmal für zwei Wochen auf Kiripotib in Namibia sein würde, hatte ich den Wunsch, etwas anders zu machen. Ich war, ehrlich gesagt, etwas ,,Hmüde" geworden. Und so entwarf ich für mich das ,,Projekt Galaxienzeit": 14 Nächte ferne Welteninseln fotografieren! Fotomodelle sollten einige recht selten besuchte Galaxien des Südsternhimmels, aber auch ein paar alte Bekannte sein ...

Es war für mich ,,evolutionär" folgerichtig (die Aufnahmetechnik betreffend), Galaxien als nächste Zielobjekte anzuvisieren. Bis auf wenige Ausnahmen (Magellansche Wolken, M 31 im Sternbild Andromeda und vielleicht noch M 33 im Sternbild Dreieck) sind Galaxien recht kleine Objekte und erfordern eine höhere Brennweite als manch ausgedehnte Nebelgebiete der Milchstraße. Die für Galaxien erforderliche höhere Brennweite stellt aber auch höhere Ansprüche an die Nachführgenauigkeit der verwendeten Montierung. Die Optik wird in der Regel eine geringere Lichtstärke aufweisen und in der Folge steigt die Belichtungszeit der Einzelaufnahmen. Unter diesem Aspekt ist die Galaxienfotografie technisch aufwändiger und schwerer zu beherrschen als die Fotografie ausgedehnter HII-Regionen.
Passend zu meiner Projektplanung ist im September in Namibia Galaxienzeit, insbesondere in der zweiten Nachthälfte. Zahlreiche der auf Kiripotib am Septemberhimmel erreichbaren Galaxien haben scheinbare Durchmesser von 10-20 Bogenminuten und können daher mit einem für den Hobbyastronom erschwinglichen Aufnahmeequipment noch hinreichend gut aufgelöst werden.

Die Suche nach einer für diese Aufgabe geeigneten, transportablen Optik führte mich zu dem eher weniger verbreiteten Reflektor Vixen VC200L mit 1.800 mm Brennweite und dem Öffnungsverhältnis von 1:9. Die Optik ist vergleichsweise preiswert und leicht, dabei robust, gut verarbeitet (guter Fokussierer!) und hat ein sehr gut korrigiertes Gesichtsfeld von 42 mm Durchmesser. Eingewickelt in eine Isomatte und mit viel Schaumgummi an den Enden überstand die Optik die Flüge nach und von Namibia in einer normalen Reisetasche als aufgegebenes Gepäck (Air Namibia hatte zwei Gepäckstücke inklusive) ohne Beschädigung, ja sogar ohne Kollimationsverlust!

1 Das verwendete
Equipment auf der Beobachtungsplattform auf Kiripotib
Als Kamera kam eine gekühlte CMOS-Kamera vom Typ ASI071MC Pro mit BayerMatrix zum Einsatz. Sie zeichnet sich durch ein geringes Ausleserauschen, relativ große Pixel und einen großen Dynamikumfang aus. Vorteil gegenüber einer DSLR sind die geregelte Kühlung und ,,echte" RAW-Bilder, Vorteil gegenüber einer CCD-Astrokamera mit RGB-Filtern die deutliche Verkürzung der Belichtungszeiten. Nachteil dieser Kamera mit Bayer-Matrix ist ihre geringere Empfindlichkeit im roten Spektralbereich. HII-Regionen - insbesondere die schwachen - kommen nicht so gut zur Geltung. Aber diesen Nachteil habe ich für dieses Projekt bewusst zu Gunsten der geringeren Belichtungszeit in Kauf genommen. Die Datenreduktion

70 | Journal für Astronomie Nr. 71

2 NGC 55 - neben NGC 253 die zweite gro-
ße Galaxie im Sternbild Sculptor
der Rohbilder wurde mit Hilfe der Software Theli [1, 2] durchgeführt. Alle Bilder wurden, ebenfalls in Theli, astrometrisch und fotometrisch (mit Hilfe des Katalogs UCAC4 [3]) kalibriert.
Eine für das Gelingen des Projektes wichtige Komponente war die ,,Adaptive Optik" SVX-AOL von Starlight Xpress, die ich auch schon zu Hause seit Jahren erfolgreich einsetze. Diese korrigiert durch das (von einem Leitstern gesteuerte) Verkippen einer 13 mm dicken Glasplatte im Strahlengang Störungen in der Nachführung der Montierung, die zum Beispiel durch Windstöße, aber auch durch Mängel in der Mechanik entstehen können. Je nach Helligkeit des Leitsterns ist eine Korrektur der Nachführung mit Frequenzen von 5 Hz durchaus möglich. Der Begriff ,,Adaptive Optik" ist allerdings etwas irreführend. Im Vergleich zu den Vorrichtungen bei Großteleskopen, die der Reduzierung atmosphärischer Störungen dienen, wird hier das Seeing nicht oder nur unwesentlich verbessert. Aber die Nachführgenauigkeit kann zuverlässig auf unter 0,5 Pixel (RMS) gehalten werden. Meiner Erfahrung nach verringert sich durch den Einsatz dieser Adaptiven Optik bei einem Bildmaßstab von deutlich unter 1 Bogensekunde/Pixel, besonders bei Optiken über 1.500 mm Brennweite, dramatisch der Ausschuss an nicht sauber nachgeführten (und dadurch unbrauchbaren) Aufnahmen.
3 M 110 (NGC 205) ist eine Begleitgalaxie
der Andromedagalaxie M 31, deren Ausläufer unten links schwach zu sehen sind
4 M 32 (NGC 221) links im Bild vor der Spirale
von M 31 - rechts unten die Sternwolke NGC 206

Astrofotografie

Astrofotografie 72 | Journal für Astronomie Nr. 71

5 NGC 247 im Sternbild Walfisch,
rechts oben die Galaxie PGC 2683
Getragen und den Sternen nachgeführt wurden Optik und Kamera von einer iOptron iEQ45, die sich jetzt als Betreuermontierung auf Kiripotib befindet. Einmal einjustiert ist diese recht solide Montierung leicht zu bedienen und trägt fotografisch Fernrohre und Zubehör bis zu einem Gewicht von 10 kg.
Ein wichtiges Detail galt es schon vor der Reise nach Namibia festzulegen: Die Belichtungszeit der Einzelaufnahmen. Die Belichtungszeit sollte so gewählt werden, dass einerseits das Ausleserauschen deutlich geringer ist als das Himmelsrauschen, andererseits helle Sterne im Gesichtsfeld nicht unnötig überbelichtet werden. Es zeigte sich, dass 10 Minuten Belichtungszeit pro Einzelaufnahme auch unter dem dunklen Himmel in Namibia ausreichend sind, damit das Himmelsrauschen mindestens zweimal größer ist als das Ausleserauschen.
6 NGC 300, eine fantastische Galaxie, die
aber trotz ihrer Größe recht wenig Beachtung bei Hobbyastronomen findet
7 M 33 (NGC 598) - die Triangulumgalaxie -
viel zu groß für die hier gewählte Feldgröße

8 Die Seyfertgalaxie NGC 1097 könnte
mehr Brennweite und besseres Seeing vertragen
Die mit dem oben beschriebenen Equipment gewonnenen Aufnahmen sind in einem weitestgehend standardisierten Verfahren kalibriert und bearbeitet worden. Das Bildfeld beträgt jeweils 36,7 x 27,5 Bogenminuten zum Quadrat, Norden ist stets oben. Die Aufnahmen wurden bei -15 Grad C oder -20 Grad C Chiptemperatur gewonnen, lediglich NGC 6822 bei -10 Grad C. Dieser Bericht gibt einen Überblick über die Bildergebnisse dieses Projektes - die Aufnahmen in voller Auflösung sowie Details zur Verwendung des Equipments und zur Bildbearbeitung sind auf [4] zu finden.
Insgesamt bin ich mit dem Ergebnis meines Projektes ,,Galaxienzeit" sehr zufrieden. Einzig das Seeing war in der Zeit auf Kiripotib fast durchgängig mäßig bis schlecht. Ursache dafür war der andauernde, ausgeprägte Jetstream in der oberen Atmosphäre. In der Folge sind einige Aufnahmen leider auffällig unscharf ausgefallen.
9 NGC 1316 - auch Fornax A - zusammen
mit NGC 1317 (oben) und NGC 1310 (rechts)
1 0 Die wunderschöne Balkenspirale NGC
1365, zusammen mit NGC 247 und NGC 300 mein Lieblingsobjekt

Astrofotografie Journal für Astronomie Nr. 71 | 73

Astrofotografie 74 | Journal für Astronomie Nr. 71

1 1 NGC 5128, die allseits bekannte
Radiogalaxie Centaurus A
Literaturhinweise und Internetlinks (Stand: April 2019): [1] M. Schirmer, 2013: ,,THELI: Conve-
nient Reduction of Optical, Near-infrared, and Mid-infrared Imaging Data", Astrophys. J. Suppl. 209, article id. 21, 16 pp [2] T. Erben et al., 2013: ,,The Garching-Bonn Deep Survey. IV. Methods for the image reduction of multi-chip cameras demonstrated on data from the ESO Wide-Field Imager", Astron. Nachr. 326, S. 432-464 [3] N. Zacharias et al., 2013: ,,The fourth U.S. Naval Observatory CCD Astrograph Catalog (UCAC4)", Astron. J. 145, p. 44 [4] Homepage des Autors: www.astrodeepsky.de/reiseberichte [5] NASA/IPAC Extragalactic Database: http://ned.ipac.caltech.edu/ [6] Revised New General Catalogue and Index Catalogue (Version: 10. March 2019): http://www.klima-luft.de/ steinicke/
1 2 M 83 (NGC 5236), recht klein,
aber sehr viele Details
1 3 Die ,,Pavo-Galaxie" NGC 6744 mit ihrem
lichtschwachen Begleiter NGC 6744A (rechts oberhalb)

Astrofotografie

1 4 Barnards Galaxie NGC 6822, ein sehr schwieriges Objekt
aufgrund der geringen Flächenhelligkeit

1 5 NGC 7582 (rechts) mit NGC 7590 (oben)
und NGC 7599 (links)

Tabelle 1

Daten zu den fotografierten Galaxien, sortiert nach NGC-Nummern

NGC Messier

55

-

205

110

221

32

247

-

300

-

598

33

1097 -

1316 -

1365 -

5128 -

5236 83

6744 -

6822 -

7582 -

Sternbild
Sculptor Andromeda Andromeda Cetus Sculptor Triangulum Fornax Fornax Fornax Centaurus Hydra Pavo Sagittarius Grus

D/Mio. Lj
6,2 2,7 2,5 10,7 6,3 2,8 56,0 66,2 54,0 12,1 20,9 23,7 1,7 69,2

a/arcmin
33,0 19,3 8,3 21,1 22,0 64,3 10,1 12,8 11,0 23,8 11,9 18,3 14,7 5,5

d/Lj
59.000 15.000 6.000 65.000 40.000 53.000 164.000 247.000 173.000 84.000 73.000 126.000 7.000 111.000

mv /mag
7,8 7,9 8,1 8,9 8,1 5,5 9,5 8,4 9,5 6,6 7,5 8,3 8,7 10,5

S/(mag/arsec2)
22,2 22,7 21,4 22,7 22,8 22,9 22,7 21,9 22,8 22,2 21,7 23,1 23,3 21,9

FWHM / arcsec
1,9 3,9 4,2 2,5 2,4 2,5 4,1 2,1 4,1 4,0 2,9 3,5 2,5 3,3

T/min
150 100 70 150 180 130 120 220 210 120 160 130 150 100

Spalten 1 und 2: NGC- und Messier-Nr., Spalte 4: Distanz der Galaxien D in Millionen Lichtjahren, Spalte 5: größte Winkelausdehnung a der Galaxien in Bogenminuten, ermittelt aus den eigenen Aufnahmen, Spalte 6: Galaxiendurchmesser d in Lichtjahren (errechnet aus den Werten in Spalte 4 und 5), Spalte 7: scheinbare visuelle Helligkeit mv in mag, Spalte 8: Flächenhelligkeit S in mag pro Quadratbogensekunde, Spalte 9: FWHM (full width at half maximum) in Bogensekunden (FWHM-Werte ermittelt mit der Software CCD-Inspector), Spalte 10: Belichtungszeit T der einzelnen Aufnahmen in Minuten. Die Daten für die Entfernung D wurden [5] entnommen, die Daten für die Helligkeit V und die Flächenhelligkeit S der Galaxien stammen aus [6]. Die größte Winkelausdehnung von NGC 598 (M 33) konnte wegen der Größe der Galaxie nur näherungsweise bestimmt werden.

Journal für Astronomie Nr. 71 | 75

Astronomische Vereinigungen

Let's Do Astronomy!
von Rusbeh Nawab

Lernen als bloße Wissensanhäufung ist out! Freiem und forschendem Experimentieren gehört die Zukunft, egal ob in der Schule oder am außerschulischen Lernort. Lernen kann Begeisterung wecken, wenn das didaktische Konzept stimmig ist und die Lerninhalte attraktiv aufbereitet sind. Die Disziplin der Astronomie ist hervorragend geeignet, diese Begeisterung fürs Hinzulernen zu wecken und über den gesamten Bildungsweg aufrecht zu erhalten [1]. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit Schwarzen Löchern, kosmischer Strahlung oder der Dreidimensionalität des Weltalls verschafft insbesondere Kindern und Jugendlichen alternative und Motivation stärkende Zugänge zu den Fachdisziplinen der Biologie, Chemie, Mathematik und Physik.

1 Die Master-Class ,,Teilchenphysik" ist ein Highlight jeder Ferienakademie,
Bild: Witold Franke / SCO

Liebe Leserinnen und Leser,
in der Rubrik der Fachgruppe ,,Astronomische Vereinigungen" werden Artikel zusammengefasst, die aus den Sternwarten und Vereinen kommen, die Mitglieder unserer Fachgruppe sind, nicht von Einzelamateuren. Dabei handelt es sich um Berichte über Vereinsaktivitäten vor Ort, die völlig unterschiedliche Themen behandeln können, wie zum Beispiel in dieser Ausgabe unseres VdS-Journals für Astronomie. Natürlich könnte man zum Beispiel den Bericht über den Besuch einer Sternwarte oder eines Sternenparks auch unter der Rubrik ,,VdS vor Ort" abdrucken, aber hier wird über die Unternehmungen der Sternwarten der Fachgruppe berichtet, die nicht untereinander abgestimmt sind.

Abstraktes Formelwerk wird plötzlich nützlich für die Erklärung greifbarer und sichtbarer Phänomene. Die Astronomie eignet sich auch aufgrund ihrer ästhetischen Dimension für kognitives und visuelles Lernen. Die mediale Aufmerksamkeit für Luft- und Raumfahrtthemen sowie die ungebrochene Begeisterung für das Science-Fiction-Genre verstärken die Popularität der Astronomie insbesondere bei Schülerinnen und Schülern. Dies dokumentieren die Erfahrungen am Science College Overbach in Jülich [2].

Sie werden daher in dieser Rubrik vielleicht über Sonnenbeobachtungen lesen oder einen Bericht über eine gelungene Spektralanalyse oder - wie ebenfalls in diesem Journal abgedruckt - über Wege, wie man die heutige Jugend ohne spektakuläre Mondlandungsereignisse für die Astronomie begeistern kann.
Diese Rubrik wird nur - wie zuletzt geschehen - wenn sie Schwerpunktthema des Journals ist, thematisch Artikel sammeln. Ansonsten dient sie der gegenseitigen Unterrichtung, Befruchtung, Anregung, dem Austausch, dem Kennenlernen sowie gerne zur Kontaktaufnahme.
Viel Vergnügen bei der, wie ich finde, auch dieses Mal wieder sehr anregenden Lektüre aus der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen. Ihre Fachgruppen-Redakteurin
Astrid Gallus

Innovationspool für Pädagogik und Didaktik Im Fokus des pädagogischen Konzepts stehen das freie und forschende Experimentieren in der Freizeit oder als handlungsorientierte Ergänzung zum Schulunterricht. Beim ,,forschenden Experimentieren" arbeiten die Kinder und Jugendlichen an vorgegebenen Fragestellungen mit eigenen Lösungsvorschlägen. Selbstständig Fragestellungen zu entwickeln und zu erforschen ist Ziel des ,,freien Experimentierens". Lernen wird dabei nicht als bloße Wissensanhäufung verstanden, sondern als ein ergebnisoffener und dynamischer Prozess, bei dem das forschende Kind bzw. der

76 | Journal für Astronomie Nr. 71

Astronomische Vereinigungen

forschende Jugendliche im Mittelpunkt steht. Es gilt, zu einem naturwissenschaftlichen Phänomen oder einem technischen Zusammenhang eine relevante Fragestellung oder Hypothese zu entwickeln und mithilfe verschiedener Methoden nach Antworten zu suchen. Die Kinder und Jugendlichen gestalten somit den Forschungsprozess und die Reflexion in eigener Regie, die Dozenten unterstützen und fördern, greifen jedoch nicht aktiv ein.

Um dieses Konzept umsetzen zu können, bedarf es einerseits didaktischer Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte. Andererseits muss der Lernort, an dem diese Konstellation ermöglicht wird, auch über die erforderliche Laborinfrastruktur und die entsprechenden Lehrmittel verfügen. Denn für viele Kinder und Jugendliche hat es einen ganz besonderen Reiz, sich insbesondere außerhalb der Schule an Wissen und Experimente heranzuwagen. Am außerschulischen Lernort können Geräte und Techniken ausprobiert werden, die in den meisten Schulen nicht verfügbar sind. Erst recht für die Durchführung von Workshops in Astronomie und Astrophysik sind kostenintensive Mess- und Beobachtungsinstrumente erforderlich. Das Science College Overbach bietet hierfür hervorragende Bedingungen. Es herrschen weder Leistungsdruck noch Notenzwang. Elterngespräche werden nur dann geführt, wenn Mutter oder Vater, angesteckt vom Astro-Virus, die jungen Nachwuchs-Astronominnen und -Astronomen in ihrer Freizeit begleiten und gemeinsam mit ihren Kindern experimentieren und konstruieren. Das Angebot eröffnet Kindern, Jugendlichen und ihren Familien neue Perspektiven, die nicht nur auf die fachliche Vermittlung ausgerichtet sind, sondern auch Raum für philosophische und ethische Diskussionen bieten.
Astronomie als Fantasiequelle Das Science College Overbach hat seit Eröffnung rund 25.000 Kinder, Jugendliche,

2 Kinder erforschen in den Ferien naturwissenschaftliche Phänomene,
Bild: Gisela Poos/SCO

3 Kinder auf Expeditions-Tour, Bild: Witold Franke/SCO

pädagogische Fachkräfte und Wissenschaftsinteressierte mit seinen Bildungsangeboten begeistert. Die Disziplin der Astronomie spielt seit Gründung der Bildungseinrichtung eine besondere Rolle. Denn der außerschulische Lernort für die Disziplinen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) beherbergt auf der obersten Etage des Gebäudes ein Astro-Laboratorium (AstroLab) mit einem Übungsraum und einer Frei-

klasse. Dieser Unterrichtsraum auf dem Dach des Gebäudes bietet einen lichtsmogfreien Ausblick auf Gestirne und Planeten. In Kombination mit den anderen Laborräumen und der Gästeinfrastruktur auf dem Campus wird das AstroLab zum attraktiven Spielfeld für kreative Workshops, Schüler-Akademien und Fortbildungsveranstaltungen für pädagogische Fachkräfte. So bildet der Mars den Nukleus für ein Workshop-Angebot, das bereits

Journal für Astronomie Nr. 71 | 77

Astronomische Vereinigungen

4 Vater-Kind-Wochenenden schaffen neue Beziehungen, Bild: Witold Franke/SCO

die Kleinsten aus Kindergarten und Grundschule begeistert. Die ,,Expedition Mars" regt die Fantasie der Kinder an und führt sie an naturwissenschaftliche Phänomene heran. Sie werden motiviert, auf ihrer eintägigen Reise durch die Labore des Science College Overbach die künstliche Marslandschaft zu inspizieren, Sonnenflecken zu beobachten, Mineralien zu mikroskopieren, Schokoküsse in der Vakuumglocke aufzublähen oder an Lernstationen die Schallwellen zu messen.
Die Innovationskraft des pädagogischen und programmatischen Konzeptes der Bildungseinrichtung liegt darin begründet, dass die Entwicklung des fachdidaktischen Wissens und der einzelnen Veranstaltungsformate in interdisziplinären Teams erfolgt. Insbesondere Ferienakademien und Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte werden in Zusammenarbeit mit Lehrkräften, Wissenschaftlern

und Stiftungen entwickelt und in Kooperation mit Forschungs- und Hochschulinstituten sowie Verbänden umgesetzt. Die pädagogisch und altersstufengerecht aufbereiteten Inhalte werden auf die Lehrpläne in den MINT-Fächern abgestimmt, lassen aber auch genügend Raum für persönliche Interessen der Kinder und Jugendlichen.
Ferienspaß mit Wissenschaft So richtet beispielsweise ein Forschungsverbund aus Nordrhein-Westfalen seit 2015 bei uns alljährlich eine Ferienakademie zur Mädchenförderung aus. Dieser so genannte Sonderforschungsbereich 956 erforscht die ,,Bedingungen und Auswirkungen der Sternentstehung" im Rahmen der Grundlagenforschung und bündelt die einzigartige Expertise mehrerer Astrophysik-Gruppen der Universitäten Köln und Bonn und des Max-Planck-Institutes für Radioastronomie

Science College Overbach, Jülich

Astro-Termine 2019 15.10. - 18.10.2019 22.10. - 25.10.2019 15.11. - 16.11.2019 06.12.2019

Ferienakademie Teilchenphysik Mädchen-Akademie Astrophysik-Radioastronomie Neues aus dem Weltall - Kinder-Workshop Overbacher Astro-Marathon

in Bonn. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ermöglicht die Durchführung der Schülerinnen-Akademie im Rahmen der Projektförderung. Das Bildungsangebot richtet sich an 15- bis 18-jährige Mädchen und umfasst vier Tage mit Übernachtung und Vollverpflegung. Die Workshop-Inhalte umfassen astrophysikalische Messmethoden, eine Einführung in Software-Anwendungen, Planung und Durchführung von Mini-Forschungsprojekten zur Radioastronomie sowie Fachvorträge. Abends, nach dem Abendessen im Speisesaal des Klosters Haus Overbach, werden auf der Himmelsbeobachtungsstation bis in die späten Abendstunden Gestirne und Planeten beobachtet. Schlaf finden die Schülerinnen dann in den komfortablen Gästehäusern, bevor es nach einem reichhaltigen Frühstück wieder ins AstroLab geht.
Grundlagenforschung vom Feinsten vermittelt alle zwei Jahre eine Schüler-Akademie zur Teilchenphysik des Transregionalen Sonderforschungsbereichs 110. Im diesem Forschungsverbund erforschen die Ruhr-Universität Bochum, die TU München, das Forschungszentrum Jülich, die Peking University sowie die Chinese Academy of Sciences die Fragen zur Strukturbildung in der Quantenchromodynamik (QCD) und der Rolle der Symmetrien. In der Akademie werden durch Forschungsbeteiligte der aktuelle Wissensstand sowie einige zentrale Forschungsgegenstände dieser spannenden Grundlagenforschung vorgestellt, diskutiert und in Projekten vertieft. Chinesische Projektmitarbeiter vermitteln in Abendvorträgen und persönlichen Gesprächen auch Eindrücke vom Schulalltag und Studentenleben im Land der aufgehenden Sonne.
Dialog kreiert Vorbilder Die Ferienakademien ermöglichen den Dialog mit den Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Forschung und erweitern den persönlichen Horizont der Jugendlichen.

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Astronomische Vereinigungen

Sie erhalten Einblicke in Themenfelder, die im Schul- und Privatleben oft nicht wahrgenommen werden. Häufig gehören auch eintägige Erkundungen von fachbezogenen Hochschul- und Forschungseinrichtungen in der Region Aachen, Jülich, Köln und Bonn zum Wochenprogramm. Vorher abstrakte Unterrichtsinhalte wie Algorithmen, Teilchenphysik oder Wellenlehre entwickeln sich im Rahmen von Mini-Forschungsprojekten, Master-Classes und Computer-Simulationen zu einem spannenden Interessensfeld, in das die Schülerinnen und Schüler eintauchen können. Wenn das außerschulische Engagement über einige Jahre anhält, kann sich aus anfänglicher Neugierde für Einzelthemen eine Passion entwickeln, die nicht selten auch in eine Studien- oder Berufsentscheidung mündet, die in Richtung der so genannten MINT-Disziplinen führt. Relevantes Wissen für pädagogische Fach-

kräfte zur experimentellen Praxis im Unterricht vermitteln Hospitationen und Workshops für aktive und angehende pädagogische Fachkräfte in unserem Campus. Konkrete Anleitungen, Methoden und Materialien zum Experimentieren und zum forschenden Lernen unterstützen die erfolgreiche Einbettung in das Unterrichtsgeschehen und in einzelne Lerngruppen. Hierzu gehört auch die Disziplin der Astronomie. So legte die mobile Lehrerfortbildung des Hauses der Astronomie aus Heidelberg auf seiner Tour durch NRW und Hessen 2016 einen Stopp am Science College Overbach ein. Grundschullehrkräfte aus der Region Jülich waren eingeladen, sich in schulastronomischen Themen weiterzubilden.
Die Aktivitäten des Science College Overbach demonstrieren deutlich, dass sich die Astronomie ganz besonders für das außerschulische Lernen eignet. Pädagogisch aufbe-

reitet, initiiert diese fächerübergreifende Disziplin Bildungsprozesse durch unmittelbare Begegnungen, Lernen mit allen Sinnen und den Dialog mit Expertinnen und Experten sowie potenziellen Vorbildern.
Literaturhinweise und Internetlinks (Stand 19.8.2019): [1] R. Nawab, 2019: ,,Lernen mit Begeis-
terung - innovative Jugendarbeit in der Astronomie", VdS-Journal für Astronomie 70, S. 66 [2] Websites des Science College Overbach: www.letsdoscience.de, www.overbach.de

10. Jahrestreffen der Astronomischen Vereine und Sternwarten in Mecklenburg-Vorpommern
von Henning Schmidt

Bei sommerlichen Temperaturen fand am 13. Oktober 2018 in Dalwitz (etwa 40 Kilometer südöstlich von Rostock im Mecklenburger Parkland gelegen) das 10. Jahrestreffen der astronomischen Vereinigungen und Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern statt. Das Treffen ist bereits das zehnte dieser Art und wurde 2009 anlässlich des Internationalen Jahres der Astronomie vom Astronomischen Verein Rostock e.V. ins Leben gerufen. Die Idee war nicht ganz neu. Bereits Anfang der 1990er-Jahre trafen sich die astronomischen Einrichtungen im Land insgesamt dreimal zu einem gemeinsamen Gedankenaustausch. Dann allerdings endeten die regelmäßigen Treffen, und in der Folgezeit gab es nur noch wenig Kontakt zwischen einzelnen Einrichtungen.

1 Der Gastgeber Heinrich Graf von Bassewitz bei der Vorstellung seines
Familienbetriebs und des Guts Dalwitz, Bild: Henning Schmidt

Bei der Neuauflage des Jahrestreffens im Jahre 2009 kamen auch diejenigen astronomischen Vereinigungen hinzu, die sich zwischen-

zeitlich in den beiden größten Städten des Landes neu gegründet hatten: Schwerin und Rostock. Erklärte Ziele des Jahrestreffens sind

Journal für Astronomie Nr. 71 | 79

Astronomische Vereinigungen

2 Die Teilnehmer des Treffens, Bild: Bernhard Moldenhauer

eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit sowie ein regelmäßiger Kontakt und Gedankenaustausch zwischen den astronomischen Vereinigungen und Einrichtungen.
Dies ist bereits größtenteils gelungen. In einem ersten Schritt wurde beispielsweise eigens für das Treffen und als Informationsplattform für astronomische Aktivitäten im Land die Internetseite: www.astronomiein-mv.de bereitgestellt, die vom Astronomischen Verein Rostock e.V. betrieben wird. Hier können sich alle Sternfreunde und an unserem Hobby Interessierten nicht nur über die Einrichtungen und Vereine in ihrer Umgebung, sondern auch über das jährlich stattfindende Mecklenburger Teleskoptreffen in Lohmen am Garder See informieren, welches der Astronomische Verein Rostock e.V. seit 2009 organisiert.
Letztendlich sollen die Jahrestreffen zur Förderung der astronomischen Bildung sowie zur Stärkung des Astronomie-Unterrichts beitragen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist eines der glücklichen Bundesländer, in dem die Astronomie zumindest in der 9. Klasse Pflichtfach ist. Astronomische Lerninhalte sind hierzulande nicht nur auf unterschiedliche Fächer und Schuljahre aufgeteilt, sondern werden im Fach Astronomie auch im Zusammenhang vermittelt und verbessern auf diese Art und Weise die astronomische Bildung.
Beim ersten Treffen in Rostock am 30. Mai 2009 standen zunächst das gegenseitige Kennenlernen sowie das Vorstellen der einzelnen

Akteure im Vordergrund. In den Folgejahren wechselten nicht nur die Veranstaltungsorte, sondern die Treffen fanden seitdem unter einem besonderen Schwerpunktthema statt. Die bisher gewählten Themen waren ,,Astronomieunterricht in Mecklenburg-Vorpommern", ,,Mobile Astronomie" sowie ,,Geschichte der Astronomie in Mecklenburg-Vorpommern".
Das Thema ,,Dark Sky-Sternenparkprojekte in Mecklenburg-Vorpommern" stand beim diesjährigen Treffen in Dalwitz im Mittelpunkt. Gastgeber war der Park-Land-Sterne e.V., bestens vertreten und organisiert von Maibritt Olsen und Dr. Heinrich Graf von Bassewitz. Der Verein bemüht sich seit Jahren um die Umsetzung und Förderung eines Sternenparkprojektes im Mecklenburger Parkland - das zu den Gebieten mit der geringsten Lichtverschmutzung in Deutschland zählt - und strebt die Verknüpfung des Projektes mit Astrotourismus in der Region an, wobei auch der Rat astronomischer Fachleute einfließen soll.
An diesem Treffen in Dalwitz nahmen insgesamt 36 Sternfreunde teil. Zu den Höhepunkten der Veranstaltung zählte der Vortag von Dr. Andreas Hänel, Leiter der Fachgruppe Dark Sky der VdS, zum Thema ,,Lichtverschmutzung und Sternenparkprojekte in Mecklenburg-Vorpommern und anderswo". Herr Hänel gab viele neue und interessante Ein- und Ausblicke in die Thematik und stellte zahlreiche Projekte vor. Aber auch das Referat von Ralf Koch zum Sternenparkprojekt Nossentiner/Schwinzer Heide stieß auf reges

Interesse und Zuspruch. Dr. Michael Danielides vom Planetarium und der Sternwarte Demmin stellte in seinem Beitrag den Eigenbau und Prototyp seiner All-Sky-Kamera vor.
Dietmar Fürst vom Förderverein der Rempliner Sternwarte e.V. berichtete anhand zahlreicher Bilder über die Wiedereröffnung der ältesten Sternwarte in Mecklenburg-Vorpommern und die ersten Erfahrungen bei öffentlichen Veranstaltungen. Im Anschluss daran stellte Dr. Tobias Röwf von der Greifswalder Sternwarte e. V. die Pläne zur Generalrestaurierung der Greifswalder Sternwarte im Jahre 2024 sowie zur möglichen Gründung einer Astronomie-Stiftung vor.
Fred Schmidt vom Astronomischen Verein Rostock e. V. referierte über das größte Freiluftobservatorium in Jaipur (Indien) anlässlich seines dortigen Besuches. Abschließend berichtete Armin Liebig, ebenfalls vom Astronomischen Verein Rostock e.V., über das 9. Mecklenburger Teleskoptreffen (MTT) mit interessanten Einblicken.
An dieser Stelle sei nochmals dem Veranstalter, insbesondere Maibritt Olsen, und allen Referenten für diese gelungene Veranstaltung gedankt.
Das 11. Jahrestreffen ,,Astronomie in Mecklenburg-Vorpommern" ist für den 12. Oktober 2019 geplant. Gastgeber wird der Verein Lübzer Land e. V. sein, der den Teilnehmern insbesondere die Sternwarte und das Planetarium in Lübz vorstellen möchte.

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Astronomische Vereinigungen

Das Norddeutsche Astrofotografen-Treffen
am 27.10.2018 in Tornesch
von Hans Karl Engeldinger

Das NAFT auszurichten war für unseren Verein, die ,,Regionale Volks- und Schulsternwarte Tornesch e.V.", kurz RVST genannt, ein Novum. Daher war die Spannung auf die zu erwartenden Bilder und die Vorträge besonders groß, und wir wurden nicht enttäuscht.
In der geräumigen Aula der Klaus-GrothSchule zu Tornesch, auf deren Dach sich die Sternwarte befindet, waren 46 Sternfreunde zusammengekommen (Abb. 2). Es waren Vertreter der Sternwarten Glücksburg, Neumünster, GvA Hamburg und Kiel, AVL Lilienthal, Bremen, Hannover, Braunschweig

sowie St. Andreasberg angereist. Zum Empfang wurden Kaffee, Tee, Kuchen und Mandelhörnchen gereicht.
Bodo Hübner, Vorsitzender der RVST, begrüßte die Teilnehmer, gab den vorgesehenen Ablauf der Tagung bekannt und präsentierte die wesentlichen Aktivitäten unseres Vereins. Als Sprecher der VdS-Fachgruppe Astronomische Vereinigungen der Region Nord schloss sich Michael Schomann mit einem Grußwort an und warb um öffentliche Aktionen in den Sternwarten zum Astronomietag am 30. März 2019.

Es war Peter Zemlin, der an der Sternwarte Tornesch die Astrofotografie eingeführt hatte; inzwischen sind Annette Sieggrön und Finn Pietruska mit von der Partie. So stellte der Abiturient Finn einige Ergebnisse des gastgebenden Teams vor und zeigte unter anderem Fotos von bekannten Galaxien, TeleAufnahmen der ISS beim Überflug sowie den schrittweise aufgenommenen Bahnverlauf des Planeten Merkur während seines Transits vor der Sonne am 9. Mai 2016.
Am Beispiel der Perseiden führte Hartwig Lüthen von der GvA Hamburg vor, wie man

1 NGC 6995, Kombination von H-, [OIII]- und RGB-Aufnahmen, Bild: Jens Zippel

Journal für Astronomie Nr. 71 | 81

Astronomische Vereinigungen

2 Die Teilnehmer des NAFT 2018, Bild: Karl Engeldinger

verschiedene Aufnahmen mit jeweils einem Meteor zu einem Bild exakt zusammenführen kann. Diese Operation bedarf mehrerer Schritte, wobei es hier auf große Genauigkeit ankommt. So kann man am Ende - wenn man denn will - einen Himmel mit vielen Sternschnuppen auf einem einzigen Foto darstellen.
Zur Mittagspause servierten die Sternfreunde aus Tornesch das NAFT-Standardmenü ,,Wiener Würstchen". Zur Unterhaltung dienten Fachgespräche über die verschiedenen Formen der Fotografie (H-, [OIII]- oder RGB). Es gab zudem die Möglichkeit, per Fahrstuhl hinauf auf die Sternwarte zu fahren, um in der Kuppel das Celestron 14 und weitere optische Geräte zu besichtigen.
Mathias Levens brachte für den Nachmittag gleich zwei Präsentationen aus Hannover mit: Aus einem La-Palma-Urlaub zeigte er einen Videoclip von der Dämmerung bis zum Nachthimmel sowie Sternfeld-Fotos, die er mit dem Skywatcher-Teleskop erstellt hat. Ganz unterschiedlich dazu waren die Motive seiner bestechenden Deep-Sky-Aufnahmen:

Diese Bilder zeigten den so genannten Herznebel in der Kassiopeia (IC 1805), den Supernovarest Abell 85 sowie den offenen Sternhaufen NGC 7510 im Kepheus.
Weitere hochprofessionelle Deep-Sky-Fotos präsentierten Jens Zippel, Sternwarte Lilienthal, und Andreas Zirke aus Springe. Als Highlights seien hier die Whirlpool-Galaxie (NGC 5194) in den Jagdhunden und insbesondere Pickerings Triangle (NGC 6979) als Teil des Cirrusnebels genannt (Abb. 1). Einer der Teilnehmer war von den Aufnahmen so fasziniert, dass er deren Qualität mit den Fotos des Hubble-Teleskops verglich.
Michael Schomann berichtete über den beliebten Wettbewerb ,,Astrofoto des Monats" verschiedener Vereinsmitglieder in der Sternwarte Braunschweig-Hondelage und präsentierte dazu aktuelle Bilder. Danach zeigte er einige Sequenzen seiner inzwischen berühmten 360 Grad -Zeitraffer-Clips und kündigte sein neues Werk ,,Juwelen am Sternhimmel" an, das im März 2019 im Planetarium Wolfsburg an den Start ging.

Von Bruno Mattern, GvA Hamburg, gab es Bilder von unserer Galaxis und Deep-Sky-Aufnahmen von Kugelsternhaufen im Herkules (M 13) und im Bärenhüter (M 3). Die Fotos hatte er in der Lüneburger Heide im Frühjahr und im Herbst 2018 aufgenommen.
Mit eindrucksvollen Polarlichtbildern von Carsten Jong, GvA Kiel, die er nördlich von Kiel mit seiner Kamera festhalten konnte, begann der Ausklang des an Eindrücken reichen Tages. Derselbe Fotograf machte dann einen Riesensprung bis nach Namibia, um den NAFT-Teilnehmern von dort attraktive Himmelsfotos des Südhimmels zu zeigen und beendete damit die Vortragsreihe.
Es war für alle Beteiligten ein gelungenes Treffen, wenn auch der norddeutsche Abendhimmel wieder einmal keine Beobachtung, geschweige denn auch nur den Versuch, an Astrofotos zu denken, zuließ. Beendet wurde der inoffizielle Teil der Tagung mit einem gemeinsamen Abendessen und vielen wertvollen Gesprächen im nahe gelegenen Restaurant.

82 | Journal für Astronomie Nr. 71

Astrophysik & Algorithmen

Flächentreue Karten
von Uwe Pilz

Im vorigen Teil [1] habe ich im Rahmen der Einführung die flächentreue Karte nach Lambert vorgestellt. Bei rechteckigen Karten verlängern sich die Breitenkreise zu den Polen hin. Um dies bezüglich der Fläche auszugleichen, wurde der Abstand dieser Kreise untereinander im selben Maß verringert.

Wenn man das rechteckige Kartenbild aufgibt, dann kann man die Breitenkreise einfach in ihrer natürlichen Länge darstellen: Sie verringern sich mit dem Kosinus der geografischen Breite. Die Längenkreise bilden in diesem Entwurf Sinuskurven (Abb. 1). Die Verzerrungen zu den Polen werden im Gegensatz zur Lambert-Karte geringer, Nordund Südpol bleiben Punkte. Eine solche Karte wird Sinusoidal-Projektion genannt. Am Mittenmeridian und am Äquator ist sie unverzerrt.

Im abgedruckten Python-Programm (s. Kasten S.84) sind nur zwei Zeilen für die Projektion notwendig. Das Programm selbst stellt den Ausschnitt dar, der gegenüber dem Beitrag in [1] unterschiedlich ist. Ich stelle die komplette Version wieder in unser Forum.

1 Bei der Sinusoidal-Projektion bilden die Längenkreise Sinuskurven
(Python-Programm). Bild: Daniel R. Strebe, mit freundlicher Genehmigung

Da diese Projektion besonders leicht berechenbar ist, wird sie auch in der Astronomie eingesetzt. Als Beispiel mag die Merkurkarte dienen, in welcher der Anteil von Gebieten vulkanischen Ursprungs gut erkennbar ist (Abb. 2).

Um die Verzerrungen am Rand der Karte weiter zu verringern, entwickelte Carl Brandan Mollweide eine flächentreue Karte, deren Breitenkreise Ellipsen sind. Diese Karte ist nur an zwei Punkten unverzerrt, zu den Rändern hin nimmt die Verzerrung zu (Abb. 3). Die Projektionsformel lässt sich nicht auf anschauliche Weise herleiten. Sie ist aber einfach genug, um in ein kleines Python-Programm eingefügt zu werden.

2 Merkur in
SinusoidalProjektion. Bild: NASA, gemeinfrei

Journal für Astronomie Nr. 71 | 83

Astrophysik & Algorithmen

3 Die Mollweide-Projektion eignet sich gut für politische Karten (Python-Programm). Bild:
Daniel R. Strebe, mit freundlicher Genehmigung
Python-Programm
Der Sinusoidal-Entwurf ist auskommentiert (vgl. [1]).
for i in range(z): l= k[-i][0] f= k[-i][1]

Neben der Flächentreue hat der Mollweide-Entwurf den Vorzug, dass die Breitenkreise wie auch beim Sinusoidal-Entwurf parallel bleiben. Breitenabhängige Phänomene können damit gut dargestellt werden. Der Entwurf ist für politische Weltkarten geeignet. Er wird auch wird oft benutzt, um Darstellungen der gesamten Himmelssphäre zu geben (Abb. 4).
Die Flächentreue geht immer mit Verzerrungen einher, in jeder flächentreuen Weltkarte gibt es Gegenden, die sich selbst unähnlich sind. Winkeltreue Karten hingegen entstellen die wahren Größenverhältnisse. Besonders anschaulich finde ich den Vergleich zwischen Grönland und Afrika. Ich habe deren Abbildung für die bisher besprochenen Karten einmal skizziert (Abb. 5).

#Sinusoidal-Projektion #y=f #x=l*cos(f)

# Mollweide # Hilfswinkel t t=f*pi/4 tAlt=f while(fabs(t-tAlt)>1e-4):
tAlt=t t=(pi*sin(f)-sin(t+t))/2 # Koordinaten über Ellipsengleichung des Hilfswinkels x=l*cos(f) y=1.15*sin(f);

4 Kosmischer Mikrowellenhintergrund im
Mollweide-Entwurf. Bild: NASA, gemeinfrei

plot(150*x,150*y) update() # Bildschirm anzeigen

84 | Journal für Astronomie Nr. 71

Astrophysik & Algorithmen

Literaturhinweis: [1] U. Pilz, 2019: ,,Einführung
in die Kartenprojektionen", VdS-Journal für Astronomie 70, S. 75

5 Verzerrung von Größe und Form:
Afrika und Grönland in verschiedenen Kartenprojektionen
Modellierung und Simulation eines Bedeckungsveränderlichen
Teil 2 - Beispiel eines physikalischen Prozesses
von Jochen Grühser

Im Teil 1 dieser Reihe [1] wurde eine allgemeine Struktur für die Erforschung physikalischer Prozesse mit modernen Forschungseinrichtungen beschrieben. In dem vorliegenden Beitrag wird die dort gezeigte Struktur anhand einer konkreten Anwendung, nämlich der Nutzung des Weltraumteleskops Kepler [2], näher erläutert (Abb. 1). Zunächst soll der linke Teil der Grafik erklärt werden.

Im Gesichtsfeld des Kepler-Teleskops befanden sich Objekte ganz unterschiedlicher Natur. Daher können die gemessenen Helligkeitsveränderungen [3] eine Vielzahl von Ursachen haben. Zum Beispiel ist zu unterscheiden, ob die Ursache Pulsationen des betreffenden Sterns sind, durch einen oder mehrere Planeten verursacht werden oder ob es sich etwa um ein Doppelsternsystem handelt, dessen Komponenten sich gegenseitig bedecken.
Für die weiteren Erläuterungen wurde als Beispiel das Kepler-Objekt 1026032 ausgewählt. Dessen Lichtwechsel beruht auf einem

1 Prozess der Modellierung und Simulation am Beispiel des Kepler-Teleskops

anschaulichen physikalischen Prozess und lässt sich leicht analysieren.
Die Daten Die von Kepler gelieferten Daten stehen in verschiedenen Formaten zum Download be-

reit. Die Aufbereitung der Daten ist auf den Internetseiten der Fachgruppe beschrieben [4]. Die Erklärungen zur Normalisierung finden sich ebenfalls in [4]. Die Abbildung 2 zeigt das erste Datensegment. Auffällig sind die tiefen Einbrüche im Lichtstrom, die so

Journal für Astronomie Nr. 71 | 85

Astrophysik & Algorithmen

2 Gemessene Kepler-Lichtkurve von
1026032: empfangener Lichtstrom (Flux) über der Zeit

das Prinzip. Wenn die Bahnebene zu stark gegen die Sichtlinie geneigt wäre, würden die beiden Sterne aneinander vorbeiziehen, ohne sich zu bedecken.

genannten Dips. Die Dips erscheinen ziemlich regelmäßig und man kann tiefe und flache Dips unterscheiden. Zusätzlich ist den Werten noch eine Schwingung überlagert, die man sich z. B. mit Pulsationen erklären könnte.

Jetzt geht es um den im rechten Teil der Grafik 1 dargestellten Arbeitszyklus, bestehend aus Modellerstellung, Simulation und Bewertung. Zunächst wird die Erstellung eines mathematischen Modells vorbereitet.

Zielstellung und Annahme Das zu erstellende Modell soll auf der Grundlage eines mathematischen Modells den gemessenen Lichtstrom (in relativen Einheiten) liefern können. Im Fall von 1026032 ist dies ein Bedeckungsveränderlicher mit dem Lichtstromverlauf L in Abhängigkeit von der Zeit t:

L = f (t)

(1)

Abb. 3a). Dabei wird der Bahnmittelpunkt in einen der Sterne gelegt, in diesem Fall S1, so dass sich dieser scheinbar in Ruhe befindet, während der andere Stern, S2, um ihn kreist. Bedeckungen lassen sich nur beobachten, wenn sich die Sichtlinie des Beobachters in oder nahe bei der Bahnebene des Systems befindet. Die Abbildungen 3b und 3c zeigen

Die Position von S2 auf der Bahn kann man mit Hilfe des Radius r und des Positionswinkels angeben. Dazu benötigt man eine Definition, von welcher Grundlinie aus der Winkel gemessen werden soll. Hier wurde die Sichtlinie des Beobachters gewählt ( = 0), von der aus in mathematisch positiver Richtung gezählt wird. Für einen vollständigen Umlauf benötigt S2 die Umlaufzeit T. Mit Hilfe von T kann man den Positionswinkel in Abhängigkeit von der Zeit t angeben:

(t) = 2 · · t / T

(2)

Damit sich die Sterne aus Sicht des Beobachters gegenseitig bedecken können, muss ihr scheinbarer Abstand d kleiner werden als die Summe ihrer Radien r1 und r2:

3 Ein einfacher grafischer
Ansatz für das Kreisbahnmodell

Bei einem Bedeckungsveränderlichen wird die Helligkeit des Systems dadurch reduziert, dass durch die gegenseitigen Bedeckungen die sichtbare (strahlende) Oberfläche beider Sterne in Summe reduziert wird.

Das Modell Der einfachste Ansatz für das Modell eines Doppelsternsystems ist eine Kreisbahn (s.

86 | Journal für Astronomie Nr. 71

Astrophysik & Algorithmen

d < r1 + r2

(3)

Der zum Zeitpunkt t während des Umlaufs vorhandene Abstand d berechnet sich zu:

d (t) = sin () · r

(4)

Bei den gegenseitigen Bedeckungen muss man unterscheiden zwischen dem Transit und der Verfinsterung. Als Transit wird der Durchgang von S2 vor S1 definiert; dementsprechend ist eine Verfinsterung der Durchgang von S2 hinter S1.

In dem Modell wird angenommen, dass die resultierende Helligkeit des Systems (der gemessene Lichtstrom) proportional zu der Summe der sichtbaren Oberfläche beider Sterne ist. Da diese während einer Bedeckung reduziert wird, nimmt dementsprechend der gemessene Lichtstromwert ab. Die Abbildung 4 zeigt die geometrischen Verhältnisse bei einer Bedeckung. Man kann die Abbildung verstehen als einen begonnenen Transit, d. h. S2 schiebt sich langsam vor S1 (von links nach rechts), oder als die Endphase einer Verfinsterung, in der S2 (bewegt sich von rechts

nach links) schon zum größten Teil wieder aus der Abdeckung herausgetreten ist. In beiden Fällen geht es um die schraffierte Fläche U. Um diese Fläche wird die sichtbare Oberfläche des jeweils im Hintergrund stehenden Sterns reduziert.

Wie in der Abbildung 4 gezeigt, setzt sich U aus zwei Kreissektoren Sek1 und Sek2 zusammen. Die Sektorflächen lassen sich mit Hilfe des Kosinussatzes aus dem Abstand d und den Radien r1 und r2 der Sterne berechnen (siehe [4], Abschnitt ,,Das Modell"):
Sek = 0,5 · r2 · [ - sin () ] (5)
jeweils mit r1 und 1 für Sek1 und r2 und 2 für Sek2. Die Winkel müssen im Bogenmaß eingesetzt werden.

Die gesuchte (verdeckte) Fläche U (schraffiert in Abb. 4) ergibt sich dann zu

U = Sek1 + Sek2

(6)

Für die beiden möglichen Konstellationen ergeben sich die sichtbaren Flächen A1,rest und A2,rest der Einzelsterne zu

bei Transit (A2 voll sichtbar):

A1,rest = A1 - U

(7)

bei Verfinsterung (A1 voll sichtbar):

A2,rest = A2 - U

(8)

Hierbei sind A1 und A2 die gesamten Oberflächen von S1 bzw. S2.

Zur Berechnung des zusammengefassten Lichtstroms Lges des Systems wird angenommen, dass der Beitrag der Sterne proportional zum sichtbaren Anteil ihrer Fläche ist. Es werden die Parameter L1 und L2 als die im Teleskop ankommenden Lichtströme der Einzelsterne in das Modell eingeführt. Der resultierende gemessene Gesamtlichtstrom des Systems ergibt sich in Abhängigkeit von der aktuellen Konstellation zu:

außerhalb einer Bedeckung (A1 und A2 voll

sichtbar):

Lges = L1 + L2

(9)

bei Transit (A2 voll sichtbar):

L
Transit

=

(A1

-

U)

/

A1

·

L1

+

L2

(10)

bei Verfinsterung (A1 voll sichtbar): Leclipse = L1 + (A2 - U) / A2 · L2 (11)

In der Tabelle 1 sind die bisher besprochenen Modellparameter zusammengefasst.

Simulation, Bewertung und Optimierung Wenn man einen ersten Wurf für das Modell implementiert hat, beginnt der Zyklus bestehend aus Simulation, Bewertung und Optimierung. Dieser Zyklus ist in der Abbildung 1 im rechten Teil dargestellt. Dabei versucht man, durch geeignete Wahl der Parameterwerte das Simulationsergebnis an die Messdaten anzugleichen. Es kommt darauf an, die beobachteten Abweichungen zwischen Messdaten und Simulation zu minimieren.

4 Die Geometrie der Bedeckungsphase zweier Sterne

Zunächst werden die Modellparameter mit Werten versehen. Leider kann man aus den

Journal für Astronomie Nr. 71 | 87

Astrophysik & Algorithmen

Helligkeitsverläufen allein keine absoluten Werte für die Parameter bestimmen, verfügbar sind nur Verhältniszahlen. Einzige Ausnahme ist die Umlaufzeit T, die sich direkt aus den Messdaten bestimmen lässt und in diesem Fall in Tagen gemessen wird (Tab. 2). Die Abbildung 5 zeigt das Ergebnis der Simulation des einfachen Kreisbahnmodells mit den Parametern der Anfangskonfiguration aus der Tabelle 2. Aus Übersichtsgründen wurde nur das erste Segment der Keplerdaten verwendet. Die Abweichungen zwischen Messdaten und Simulation sind noch erheblich: Die simulierten Dips sind wesentlich tiefer als die Originale, sie sind alle gleich groß und zeitlich versetzt. Trotz der großen Abweichungen erlaubt dieses Ergebnis doch wesentliche Schlussfolgerungen. Wenn man annimmt, dass eine Kugel eine gute Näherung für die Form eines Sterns darstellt, und weiter, dass Sterne undurchsichtig sind, dann müssen zwei gleich große Sterne mit gleicher Helligkeit den in der Abbildung 5 gezeigten Helligkeitsverlauf (grün) erzeugen, da sie

5 Simulationsergebnis mit der Anfangskonfiguration von Parametern: Das Simulationser-
gebnis ist der grüne Verlauf.
6 Simulationsergebnis mit der optimierten Konfiguration von Parametern

Tabelle 1

Die Parameter des einfachen Kreisbahnmodells

Parameter Bedeutung

T

Umlaufzeit in Tagen

r

Bahnradius des

Doppelsternsystems

r1

Stern S1, Radius

L1

Stern S1, empfangener

Lichtstrom

r2

Stern S2, Radius

L2

Stern S2, empfangener

Lichtstrom

88 | Journal für Astronomie Nr. 71

Tabelle 2

Anfangskonfiguration der Parameter für die Simulation V1

Parameter
T r r1 L1 r2 L2

Anfangswert
8,4595 1 107 1 106 (Bezugswert) 1 (Bezugswert) = r1 = L1

T wird hier in Tagen angegeben.

Tabelle 3

Ergebnis der Optimierung der Parameter

Parameter
T t0 r r1 L1 r2 L2

optimierter Wert
8,4595 125,31 2 107 1 106 1 0,28 106 0,03

Der Versatz zwischen den Lichtkurven wurde durch den Parameter t0 in Tagen berücksichtigt.

Astrophysik & Algorithmen

sich gegenseitig vollständig bedecken. Dabei wird die Summe der sichtbaren Oberflächen halbiert und demzufolge auch die Anteile am gemessenen Lichtstrom. Das Diagramm erlaubt also den Schluss, dass die beiden Sterne bezüglich Radius und Helligkeit nicht gleich sein können.

Messungen, erzeugt mit den Parametern in der Tabelle 3.
Die Tiefe der simulierten Dips stimmt in etwa mit den Messdaten überein. Die Simulation generiert flache und tiefe Dips, deren Form schon recht ähnlich zu den Originalen ist.

Aussagen über grundlegende Eigenschaften des betrachteten Systems erhalten. Der dargestellte Einstieg in das Thema Modellierung und Simulation ist ein erster Schritt, um sich die kaum vorstellbaren Datenschätze zu erschließen, die auf den Servern im Internet bereit liegen.

Ein weiterer Effekt ist der zeitliche Versatz zwischen den Lichtkurven. Der erste Dip der Simulation beginnt zu spät. Dies kann man durch die Erweiterung des Modells mit einem Parameter t0 beheben, mit dem sich der Anfangswert der Simulationszeit einstellen lässt (auch hier alle Zeiten in Tagen). Gleichung (2) verändert sich also zu:
(t) = 2 . . (t - t0) / T (12)
Das Problem bei der Anpassung der Parameterwerte bzw. der Anpassung des Modells besteht darin, dass die Abweichungen in den Daten nicht direkt auf bestimmte Modellparameter bezogen werden können. Häufig überdecken sich die Parameter in ihrer Wirkung auf die simulierten Daten. Man muss also ein wenig experimentieren, um ein Gefühl für die Wirkung der Parameter zu bekommen. Die Abbildung 6 zeigt eine wesentlich bessere Annäherung der Simulationsdaten an die

Bei genauerer Betrachtung zeigen sich aber noch systematische Abweichungen, die sich mit den bisher vorhandenen Modellparametern nicht korrigieren lassen. Daraus kann man Hinweise auf Modellerweiterungen ableiten.
Mit steigender Komplexität der Modelle wird eine manuelle Bewertung und Optimierung unmöglich. Das führt dazu, dass der Bewertungsprozess, ebenso wie die Simulation selbst, als Software implementiert werden muss. Der verwendete Algorithmus sucht durch Veränderung der Modellparameter und anschließender Berechnung der Abweichungen nach einem Minimum des Restfehlers. Das ist jedoch ein Thema für sich.
Wie man in der Abbildung 6 und in den erweiterten Versionen in [4] sieht, kann man mit einem relativ einfachen Ansatz schon

Literaturhinweise und Internetlinks: [1] J. Grühser, 2019: ,,Prinzip der Erfor-
schung eines physikalischen Prozesses", VdS-Journal für Astronomie 69, S. 60 [2] Wikipedia: ,,Kepler (Weltraumteleskop)", https://de.wikipedia.org/wiki/ Kepler_(Weltraumteleskop), abgerufen 23.11.2018 [3] ,,Mikulski Archive for Space Telescopes", http://archive.stsci.edu/kepler, abgerufen am 31.10.2018 [4] ,,Modellierung und Simulation", http://fg-astrophysik.vdsastro.de/ Modellierung_und_Simulation-9.pdf, abgerufen am 25.1.2019

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Journal für Astronomie Nr. 71 | 89

Atmosphärische Erscheinungen

Vom Himmelsglühen bis zum Leuchtpilz: AKM-Seminar 2019
von Daniel Fischer

Von Innovationen bei elektronischen Feuerkugel-Kameras über Halos, die wiederum Halos erzeugen, bis zu leuchtenden Pilzen reichte das wieder einmal besonders breite Spektrum der Vorträge beim 39. Treffen des Arbeitskreises Meteore vom 15. bis 17. März im Urwald-Life-Camp Lauterbach im Nationalpark Hainich bei Eisenach in Thüringen.

Gleich vier All-Sky-Systeme zur Aufzeichnung von Feuerkugeln waren das Thema von drei Referaten. Jörg Strunk experimentiert mit der ASI178MM, die 6 Megapixel große Bilder liefert und automatisch die Helligkeit regelt, so dass auch der Mond am Himmel nicht stört. Sirko Molau verglich die beiden fertig gelieferten Systeme FRIPON und AllSky6, die speziell für die Feuerkugel-Detektion entwickelt wurden, Interessenten für rund 2.000 bzw. 800-1.100 Euro zur Verfügung gestellt werden und sehr verschiedene Ansätze verfolgen. Das französische FRIPON [1] mit einer einzelnen Kamera ist einfach, robust und ziemlich ausgereift, aber ein kommerzielles und weitgehend geschlossenes System. Über 150 dieser Kameras sind bereits in Europa im Einsatz, sie decken den ganzen Himmel ab, mit allerdings nur 5 Pixeln pro Grad und einer Grenzgröße von -4 mag.
Ein AllSky6-System [2] besteht aus 6 Kameras, die in der ersten Version den Himmel nur lückenhaft abdeckten, dafür aber mit 25 Pixeln pro Grad und Grenzgröße +2 mag. Die hohe Auflösung bei geringerem Preis ist der Vorteil, dafür ist AllSky6 noch in einer ,,Reifephase" und mehr für experimentierfreudige Nutzer. Der Vorteil der AllSky6-Kamera ist, dass die Daten lokal zur Verfügung stehen und bei FRIPON nur mit Mühe vom französischen Netzbetreiber zu erhalten sind. Die MOBOTIX-Q25-Kameras schließlich, die Andre Knöfel vorstellte, sind eigentlich Überwachungskameras. Ihre Fischaugen-Optik aber erweist sich als feu-

1 Der große Tagungsraum erfüllte alle Erwartungen in Bezug auf die Vorträge,
und auch für das Wohl der Teilnehmer war bestens gesorgt, Bild: Elmar Schmidt

erkugeltauglich, und die Empfindlichkeit steigt mit jedem neuen Modell. Hier kostet ein Gesamtsystem etwa 1.500 Euro und ist dem normalen harten Einsatz in der Sicherheitsbranche entsprechend außerordentlich robust.
Bernd Gährken referierte ausführlich über eine ganz spezielle Feuerkugel während der Perseiden 2018, die ihm und Peter Slansky u. a. vor eine Sony Alpha7s geraten war. Nicht nur konnte der folgende Persistent Train in hoher Auflösung dokumentiert werden, es gab auch eine Parallelbeobachtung in Tschechien, mit der zusammen die dreidimensionale Flugbahn berechnet werden konnte. Und die Farbkamera registrierte ein mysteriöses blaues Glühen in der Nähe der Meteorbahn, das sich trotz aller Bemühungen nicht als Kamera-Artefakt wegdiskutieren ließ und daher für ein reales geophysikalisches Phänomen gehalten wird. Es wurde außerdem auch ein Radioecho von ihrer Ionisationsspur empfangen.
Mit bistatischer Radiobeobachtung von Meteoren beschäftigte sich auch Georg Dittie, der in Königswinter ein vollautomatisches

System mit dem belgischen Beacon in Dourbes als besonders stabilem Sender betreibt. In über 800 Tagen sind 500 Gigabyte Daten (in Gestalt archivierter Wasserfall-Diagramme) zusammengekommen, die nun einer systematischen Auswertung harren. Dopplereffekte an den Echos sind oft deutlich erkennbar, womit sich die Raumgeschwindigkeit der Meteore ableiten lässt.
Auch die klassisch-visuellen Meteorbeobachter im AKM sind erfolgreich, wie Jürgen Rendtel (im Rahmen der Mitgliederversammlung) berichten konnte: 2018 haben 21 Beobachter zusammen genau 725 Stunden lang an den Himmel geschaut und dabei 16.396 Meteore gesichtet - allein im August so viele wie im ganzen Jahr 2017. Neben den mondfreien Perseiden waren 2018 besonders die Draconiden interessant, die - nach zuletzt 2011 und 2012 - einen schönen (und vorausgesagten) Ausbruch lieferten. Die visuelle ZHR erreichte 120 bis 160. Diesen Oktober ist leider keine Wiederholung in Aussicht, und der nächste ordentliche Schauer mit auch guter Mondlage sind sogar erst wieder die Quadrantiden 2020.

90 | Journal für Astronomie Nr. 71

Atmosphärische Erscheinungen

Das zweite große Thema des AKM, Halos und andere Erscheinungen der atmosphärischen Optik, wurde in Lauterbach von drei Seiten beleuchtet. Zum einen natürlich in traditionellen Jahresrückblicken der Highlights 2018 von Claudia Hinz und einem weiteren Referat zu Refraktionseffekten an Wolken [3]. Besonderes Aufsehen erregten dabei zwei Extra-Videos: einmal Gerd Franzes Wolkenspiegelung und ein urkomischer Dashcam-Zeitraffer eines Beobachters, der kreuz und quer über Dorfstraßen und Feldwege nahe Jena einem besonders ausgeprägten Halophänomen hinterherjagte. Zu feiern gibt es heuer 40 Jahre Halo-Beobachtung im AKM, denn seit dem 1.1.1979 wird systematisch beobachtet. Es ist die längste durchgehend aktive Halo-Gruppe weltweit. Vom Beginn der elektronischen Erfassung 1986 bis 2018 wurden 170.371 Haloerscheinungen registriert, die meisten an der Sonne und fast alle von Cirren verursacht.
Ein besonders exotisches Thema behandelte Alexander Haußmann: Können Halos selbst wieder Haloerscheinungen hervorrufen? Mitunter sind Halos ja relativ kompakt und hell, und ihr Licht könnte weitere Reflexion, Brechung und Beugung erfahren. A. Haußmann wusste von immerhin neun derartigen Mehrfachstreuungshalos zu berichten, die tatsächlich nachgewiesen wurden, etwa Nebensonnen von Nebensonnen, 22 Grad -Ringen an Untersonnen oder Nebensonnen des oberen Berührungsbogens. Dabei präsentierte er ein Display vom letzten Dezember aus Schweden.

2 Ein Thema bildeten Vorträge zur atmo-
sphärischen Optik, Bild: Kevin Förster
Unter den weiteren Themen des 39. Seminars bildete die Mondfinsternis von Januar 2019 gleich zu Beginn einen kleinen Schwerpunkt.

Andreas Möller und Elmar Schmidt hatten sie am nordmexikanischen Observatorio de San Pedro Martir unter erschwerten Bedingungen beobachtet, denn insbesondere die partiellen Phasen waren stark von durchziehenden Wolken beeinträchtigt. Trotzdem gelang E. Schmidt die Messung der Gesamthelligkeit des total verfinsterten Mondes zu -2,0 mag (mit nur einem Fehler von +- 1/4 Größenklasse, dank des zuvor unter besten Bedingungen fotometrierten Sirius als Vergleichsstern). Damit war die Finsternis exakt so dunkel wie die vom Juli 2018, als der Mond mitten durch den Kernschatten gelaufen war, und mithin ,,zu dunkel" für eine Finsternis mit nur ,,flachem" Eindringen in die Umbra. Das Wolkenproblem von Mexiko hat immerhin einen ungeplanten Bogen zum Hauptthema Halos geschlagen: Visuell war nämlich noch bis 9 Minuten vor der Totalität ein 22 Grad Ring zu erkennen und 8 Minuten nach ihrem Ende erneut einer. Fotografisch ließ sich der Ring jeweils noch einige Minuten näher an die Totalität heran nachweisen, während dieser jedoch selbst durch das Stacken Dutzen-

In Bezug auf Polarlichter kam ein Zeitrafferfilm zur Vorführung, welcher von Ina Rendtel bei einem Silvesterurlaub auf Island entstand. Des Weiteren gab es Bilder in einem Vortrag über einen Polarlichtbeobachtungsflug von Clara Dittie, der mit 11 Jahren jüngsten Referentin der AKM-Geschichte.

3 Experimente zu Pollenkoronen, Bild: Andreas Möller

Journal für Astronomie Nr. 71 | 91

Atmosphärische Erscheinungen

4 Die Teilnehmer der 39. AKM-Tagung im Urwald-Life-Camp in Lauterbach/Thüringen, Bild: Andreas Möller

der Einzelbilder nicht. Derselbe Effekt also, der Beobachter 2017 bei der letzten totalen Sonnenfinsternis verblüfft hatte. Der Helligkeitsunterschied zwischen Halo und Lichtquelle muss schlicht so groß sein, dass ersterer einfach unter jedwede Nachweisgrenze fällt, wenn die Sonnen- bzw. Mondhelligkeit in der Totalität um viele Größenordnungen abgestürzt ist.
Bleiben noch fünf Vorträge, um den Reigen abzuschließen. Jürgen Rendtel fragte sich, warum man vom Observatorio del Teide auf Teneriffa das Kreuz des Südens komplett sehen kann, obwohl dessen südlichster Stern Acrux eigentlich 1,4 Grad unter dem Horizont stehen müsste. Die Refraktion schafft das nicht, da sie ein Objekt am Horizont bestenfalls um etwa 1/2 Grad anheben kann - aber der Kimmtiefe durch die 2,4 km Höhe des Beobachtungsortes über NN gelingt dies ohne Weiteres, denn der Horizont wird dadurch auf erstaunliche 91,6 Grad vom Zenit entfernt. Frank Wächter demonstrierte, dass man im Bayerischen Wald - namentlich an einem entlegenen Grenzübergang nach Tschechien bei Finsterau - nicht nur den

Gegenschein fotografieren (und auch sehen) kann, sondern sogar die noch lichtschwächere Lichtbrücke, die ihn mit den Zodiakallicht-Pyramiden zum Zodiakalband verbindet. Christian Fenn erläuterte in großem Detail den Bau einer Gartensternwarte (unter den eher exotischen Rahmenbedingungen eines Süd-Steilhangs) und unter kreativer Interpretation des Baurechts. Ulrich Sperberg faszinierte mit Astronomie und vor allem atmosphärischer Optik auf alten Sammelbildern namentlich eines Herstellers von Fleischextrakt und Bernd Gährken schilderte seine Abenteuer mit dem Leuchtpilz Panellus stipticus, dem einzigen Pilz, bei dem auch das Mycel leuchtet. Ein Spektrum dieses schwachen ,,Foxfire" 812 aufzunehmen gelang zwar noch nicht, wohl aber die Fotometrie der Reaktion des Pilzes auf allerlei äußere Einflüsse.
Egal was Pilze, Halos oder Feuerkugeln in den kommenden 12 Monaten vorhaben, auf dem nächsten AKM-Seminar (über dessen Ort noch kein Beschluss gefasst wurde) wird man davon hören.

Internetlinks (geprüft 12.06.2019): [1] Fireball Recovery and InterPlanetary
Observation Network, www.fripon.org [2] AllSkyCams Products,
www.mikehankey.com/products [3] Fichtelberg im Erzgebirge und Um-
gebung, https://fichtelbergwetter. wordpress.com/2019/02/22/ luftspiegelungen-an-wolken/

92 | Journal für Astronomie Nr. 71

Atmosphärische Erscheinungen Journal für Astronomie Nr. 71 | 93

Deep Sky

Skyguide 2019 - 3 (Herbst)
von Robert Zebahl und Rene Merting

Unser Skyguide soll in erster Linie Anregungen für eigene Beobachtungen geben und wird dabei jährlich für jede Jahreszeit fünf Objekte kurz beschreiben. Es werden dabei sowohl leichte als auch schwierige Objekte ausgewählt, welche nach Schwierigkeitsgrad sortiert sind. Wie schwer ein Objekt letztlich ist, hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab, vor allem der Himmelsqualität, der Teleskop-Öffnung und der persönlichen Erfahrung.
Zu jedem Objekt werden die wichtigsten Informationen in Kurzform und gegebenenfalls ein DSS-Bild (Digitized Sky Survey) angege-

ben. Des Weiteren ist eine Karte, erstellt mit der freien Software ,,Cartes du Ciel" (Skychart), für die grobe Orientierung vorhanden, welche Sterne bis zu einer Größenklasse von ca. 8,0 mag zeigt. Telradkreise (0,5 Grad ; 2 Grad ; 4 Grad ) auf der Karte markieren die Position des Objekts. Im Allgemeinen empfehlen wir aber, eigene Aufsuchkarten zu erstellen. Die visuelle Beschreibung des Objekts basiert weitestgehend auf eigenen Beobachtungen und soll lediglich als Anhaltspunkt dienen.

Übersichtskarte zu den Objekten für Skyguide 2019-3

Karte erstellt mit Cartes du Ciel
94 | Journal für Astronomie Nr. 71

Deep Sky

Delta Cep (STFA 58)

Typ:

Doppelstern

Sternbild:

Cep

Rektaszension (2000.0): 22h 29m 10,25s

Deklination (2000.0): +58 Grad 24' 54,7''

visuelle Helligkeit:

4,21/6,11 mag

Winkelabstand:

40,9''

Positionswinkel:

192 Grad

Epoche:

2016

Delta Cephei ist ein heller Doppelstern mit großem Winkelabstand, so dass ein kleines Fernglas für die Beobachtung genügt. Die Hauptkomponente selbst ist dabei ein Veränderlicher, dessen Helligkeit mit einer Periode von etwa 5,4 Tagen zwischen 3,49 und 4,36 mag schwankt. Neben der Trennung des Doppelsterns hätte man hier auch die Möglichkeit, eine Lichtkurve in kurzem Zeitraum zu erstellen. Aufgrund der geringen Amplitude sollten die Schätzungen möglichst genau sein. In kleinem

1 Aufsuchkarte für Delta Cep, Quelle: Cartes du Ciel
Instrument ist deutlich der Helligkeits- und Farbunterschied erkennbar: Die Hauptkomponente erscheint leicht orange, die schwächere Komponente eher bläulich.

NGC 40 (H 4.58, Bow Tie Nebula)

Typ:

Planetarischer

Nebel

Sternbild:

Cep

Rektaszension (2000.0): 00h 13m 01s,

Deklination (2000.0): +72 Grad 31' 19,1'

visuelle Helligkeit:

11,46 mag

Winkelausdehnung

1,2' x 0,8'

Dieser Planetarische Nebel gehört sicher nicht zu den hellsten seiner Art, sollte aber dennoch auch unter Vorstadtbedingungen mit mittlerem Instrument noch erreichbar sein. Sein Zentralstern hat nur etwa die Größe der Erde, durch seine enorm hohe Dichte erreicht der Stern allerdings ca. 2/3 der Sonnenmasse. Bei 8 Zoll Teleskopöffnung ist der Nebel unter ländlichen Bedingungen ein einfaches Ziel und kann bereits bei schwacher Vergrößerung als kleines Scheibchen gesehen werden. Bei mittlerer Vergrößerung ist auch der 11,6 mag helle Zentralstern sichtbar. Mit 12 Zoll Teleskopöffnung zeigt der Nebel bereits erste Details. Nebelfilter können hilfreich sein. Bei welcher Teleskopöffnung ist der Nebel auch unter vorstädtischen Bedingungen sichtbar?

2 Planetarischer Nebel NGC 40, Quelle: DSS

Journal für Astronomie Nr. 71 | 95

Deep Sky

NGC 7023 (H 4.74, Irisnebel)

Typ:

Heller Nebel

Sternbild:

Cep

Rektaszension (2000.0): 21h 01m 36,9s

Deklination (2000.0): +68 Grad 09' 48''

visuelle Helligkeit:

6,8 mag

Winkelausdehnung: 18' x 18'

Der Irisnebel ist wohl einer der eindruckvollsten Reflexionsnebel und zeigt auf Fotografien unzählige Strukturen. Der Nebel ist dabei von dunklen Staubwolken umgeben, was auf Fotografien, aber auch visuell indirekt erkennbar ist. Unter ländlichem Himmel mit 8 Zoll Teleskopöffnung ist der helle Zentralstern bei schwacher Vergrößerung einfach zu sehen. Auffällig ist dabei, dass in unmittelbarer Umgebung keine helleren Sterne zu sehen sind. Bei genauem Hinsehen ist ein kleiner Halo um den Zentralstern erkennbar. Hohe Vergrößerungen sind sehr hilfreich und zeigen erste Strukturen des Nebels. Da es sich überwiegend um einen Reflexionsnebel mit geringen Emissionsanteilen handelt, sind Nebelfilter vermutlich nicht gewinnbringend. Was offenbart der Nebel bei 4 Zoll Teleskopöffnung?

3 Heller Nebel NGC 7023, Quelle: DSS

NGC 6939 (H 6.42)

Typ:

Offener Sternhaufen

Sternbild:

Cep

Rektaszension (2000.0): 20h 31m 30s

Deklination (2000.0): +58 Grad 24' 54,7''

visuelle Helligkeit:

+60 Grad 39' 42''

Winkelausdehnung: 10' x 10'

NGC 6939 ist mit 1,6 Milliarden Jahren einer der ältesten, bekannten offenen Sternhaufen. Er ist sehr sternreich und besteht aus eher schwachen Mitgliedern. Fotografisch und visuell sehr reizvoll ist die scheinbare Nachbarschaft zu der Galaxie NGC 6946 mit einem Winkelabstand von knapp 0,7 Grad. Unter ländlichem Himmel ist der Sternhaufen schon mit einem kleinen Fernglas als runder Nebel erkennbar, bei 8 Zoll Teleskopöffnung ist er teilweise auflösbar.

4 Offener Sternhaufen NGC 6939, Quelle: DSS

96 | Journal für Astronomie Nr. 71

Deep Sky

NGC 6946 (UGC 11597, Arp 29, H 4.76, Feuerwerksgalaxie)

Typ:

Galaxie

Sternbild:

Cep

Rektaszension (2000.0): 20h 34m 52,3s

Deklination (2000.0): +60 Grad 09' 13,2''

visuelle Helligkeit:

9,0 mag

Winkelausdehnung: 11,5' x 9,8'

Diese Spiralgalaxie zeigt große Ähnlichkeit zu Messier 101, bei welcher man praktisch von ,,oben" draufschaut. Beide Galaxien sind im Arp-Katalog unter der Gruppe ,,Spiralgalaxien mit einem ausgeprägten Arm" enthalten. Da sich NGC 6946 nahe unserer galaktischen Ebene befindet, wird das von ihr kommende Licht durch viel Staub und Gas abgeschwächt. Dennoch ist eine Beobachtung lohnend. Schon im Fernglas unter einem Landhimmel kann man sie als schwache Aufhellung sehen. Doch auch unter Vorstadtbedingungen ist sie bei mittlerer Teleskopöffnung gut sichtbar. Mit 12 Zoll Teleskopöffnung ist die Spiralstruktur teilweise sichtbar. Was ist unter dunklem Himmel mit 6 Zoll Teleskopöffnung sichtbar?

5 Galaxie NGC 6946, Quelle: DSS

Nah und fern
Bernd Gährken nahm am 27.02.2019 den Kometen C/2018 Y1 (Iwamoto) im Fuhrmann auf. Das Bild zeigt den Winterhimmel mit den offenen Sternhaufen M 36 und M 38 sowie den Nebelgebieten IC 410 und IC 405. Belichtet wurde 23 x 1 min mit einer astromodifizierten Canon EOS 700Da und einem 180-mmTeleobjektiv bei Blende 3,5.

Impression

Journal für Astronomie Nr. 71 | 97

Kleine Planeten

Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten
von Gerhard Lehmann

Die Nächte werden im Herbst wieder länger und vielleicht haben Sie auch Lust, einen Kleinplaneten zu beobachten. Es muss nicht immer die Astrometrie im Vordergrund stehen. Nahe scheinbare Begegnungen mit Deep-Sky-Objekten haben ebenfalls ihren Reiz. Unser FG-Mitglied Wolfgang Ries hat für den Herbst solche Ereignisse zusammengestellt und ruft zur Beobachtung auf.
In diesem Journal lesen Sie auch über die Beobachtung von schnellen erdnahen Objekten, so genanten NEOs (englisch: near-Earth object). Hier steht nicht die Verschönerung des Bildes durch allerlei Tricks im Vordergrund. Es geht einzig und allein um eine hochgenaue Astrometrie.
Die FG Kleine Planeten der VdS hat momentan 92 Mitglieder, wobei Erich Meyer aus Österreich zum Urgestein gehört. International gehört er zu den bekanntesten Amateuren, die

schon frühzeitig die CCD-Kamera zur Astrometrie von Kleinplaneten, auch Asteroiden oder Planetoiden genannt, einsetzten. Im Jahr 2005 entdeckte er einen Kleinplaneten, welchen er nach Volker Bialas [1] benannte. Als wissenschaftlicher Leiter der Herausgabe von Johannes Keplers (1571-1630) gesammelten Werken hat sich Volker Bialas in der Wissenschaft einen Namen gemacht.
Im kommenden Jahr wird die FG Kleine Planeten ihre 23. Kleinplanetentagung durchführen. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Kasten auf Seite 101 und der Kleinplanetenseite [2].
Wenn Sie Lust bekommen haben, vielleicht auch einmal Kleinplaneten zu beobachten, dann sind Sie herzlich eingeladen. Als Mitglied in der FG Kleine Planeten werden Sie Gleichgesinnte treffen und von den Erfahrungen der anderen profitieren.

Internetlinks: [1] Volker Bialas: https://de.wikipedia.
org/wiki/Volker_Bialas [2] Kleinplanetenseite:
www.kleinplanetenseite.de/
(318723) Bialas = 2005 RN6
Discovered 2005 Sept. 8 by E. Meyer at Linz.
Volker Bialas (b. 1938) received his doctorate in 1968 in Munich on the Rudolphine Tables of Johannes Kepler. From 1985 to 2003 he was Scientific Director of the publication of Kepler's Collected Works at the Bavarian Academy of Sciences. He is a member of the working group Johannes Kepler of the IAU.

NEOCP und PCCP - Beobachtungen in Drebach
von Gerhard Lehmann

Die gewohnheitsmäßige Beobachtung von Kleinplaneten lohnt sich leider kaum noch. In den Anfangsjahren standen in der Sternwarte Drebach Tautenburger Kleinplaneten im Mittelpunkt der Beobachtung. Sie sind alle nummeriert und ihre Bahnen sind gesichert. Oft finden sich für einen Tautenburger Kleinplaneten mehr als 1.000 Positionsbeobachtungen, verteilt über viele Jahre, im Datenarchiv des Minor Planet Centers (MPC).
Seit 1998 beobachten wir deshalb in Drebach auch Kleinplaneten von der NEO Confirmation Page (NEOCP) [1] und Kometen von der Possible Comet Confirmation Page (PCCP) [2]. Kleinplaneten von der NEOCP sind in der Mehrzahl sogenannte NEOs. Streng genommen unterteilen sich die NEOs in die Near-Earth Asteroids (NEAs) und in die Ne-

ar-Earth Comets (NECs). Deshalb auch die beiden WWW-Seiten im Netz.
NEO-Beobachtungen Seit einigen Jahren liste ich alle unsere NEO-Beobachtungen, bei welchen wir in einem Minor Planet Electronic Circular (MPEC) [3] mit unseren Beobachtungen gelistet werden, in einer eigenen WWW-Seite [4] auf. Die Tabelle 1 listet alle MPECs mit Drebacher Beobachtungen von der NEOCP und PCCP auf. Die Grafik in der Abbildung 5 veranschaulicht noch einmal diese Tabelle. Auf den ersten Blick ist für die 20 Beobachtungsjahre eine stetige Steigerung erkennbar. Einen großen Anteil hat daran auch unser Gastbeobachter Andre Knöfel, welcher in den vergangenen Jahren oft einen Teil seines Urlaubs in Drebach verbrachte.

An der Spitze der Objekte befinden sich die Apollos, gefolgt von den Amor- und Aten-Kleinplaneten. Etwas Besonderes sind immer wieder die Kometen. Unser erstes beobachtetes Objekt war der Komet C/1998 Y1 (LINEAR). Hier erschien ein IAU-Circular [5].
Bildbeispiele Seit ca. 10 Jahren wird in Drebach der 20-zöllige CDK (f/4,6) mit einer STL1001-CCD-Kamera der Firma SBIG zur Beobachtung von Kleinplaneten eingesetzt. Bei allen Bildbeispielen handelt es sich um gestackte, also gestapelte Aufnahmen. Dies bedeutet, dass mehrere Aufnahmen entsprechend der scheinbaren Winkelgeschwindigkeit und dem Positionswinkel des Kleinplaneten aufeinander addiert werden. Das erledigt sehr komfortabel das

98 | Journal für Astronomie Nr. 71

Kleine Planeten

1 Apollo-Kleinplanet 2018 GN = ZG35163 am 08.04.2018

2 Amor-Kleinplanet 2018 VM6 = ZV32C22 am 10.11.2018

Programm Astrometrica von Herbert Raab [6]. Nach dem Astrometrieren werden die gestackten Bilder als Bitmap gespeichert.
Um die Bewegung des Kleinplaneten zu zeigen, wurden für diesen Artikel die gestackten Bilder wiederum mit dem Bildverarbeitungsprogramm Photoshop addiert und auf ein

Viertel der ursprünglichen Bildgröße beschnitten. Diese Bilder haben deshalb ein Gesichtsfeld von ca. 9 x 9 Quadratbogenminuten. Norden ist oben und Osten links.
Eine Bildverarbeitung zur ,,Verschönerung" verbietet sich von selbst, um die Astrometrie nicht zu gefährden. Es erfolgt nur eine einfa-

che Dunkelbild- und Flatfieldkorrektur. In den Bildern finden sich die originalen temporären Bezeichnungen aus der aktuellen NEOCP, denn die dauerhaften provisorischen erscheinen erst im späteren MPEC.
Der Apollo-Kleinplanet 2018 GN = ZG35163 [7] wurde in den Abendstunden des 08.04.2018

Tabelle 1

Liste aller MPECs mit Drebacher Beobachtungen von der NEOCP und PCCP

Jahr Apollo Amor Aten Komet Andere Summe

1998 -

1

-

1

-

2

1999 -

1

-

-

1

2000 5

5

1

-

-

11

2001 1

2

2

-

-

5

2002 7

3

-

3

1

14

2003 8

5

1

1

-

15

2004 4

1

-

5

-

10

2005 -

-

-

-

-

0

2006 4

4

3

2

-

13

2007 6

3

-

3

1

13

2008 10

4

2

-

2

18

Jahr Apollo Amor Aten Komet Andere Summe

2009 6

2

-

3

1

12

2010 8

6

1

1

-

16

2011 5

7

1

1

-

14

2012 5

8

1

3

2

19

2013 12

15

2

3

-

32

2014 5

4

1

1

-

11

2015 13

6

2

3

1

25

2016 17

8

3

1

-

29

2017 14

4

1

-

-

19

2018 27

9

6

1

-

43

Summe 157

98 27

32

8 322

Journal für Astronomie Nr. 71 | 99

Kleine Planeten

3 Apollo-Kleinplanet 2017 SD12 = YSAC392 am 22.9.2017

4 Amor-Kleinplanet 2017 UR = YU30007 am 16.10.2017

fotografiert (Abb. 1). Zu sehen ist ein aufaddiertes Bild aus fünf Summenbildern, welche im Einzelnen aus vier Aufnahmen mit je 5 s Belichtungszeit bestehen. Der ca. 17 mag helle Kleinplanet hatte bei einem Positionswinkel von ca. 5 Grad eine Winkelgeschwindigkeit von ca. 45''/min.

16.10.2017 fotografiert (Abb. 4). Zu sehen ist ein aufaddiertes Bild aus sechs Summenbildern, welche im Einzelnen aus zehn Aufnahmen mit je 3 s Belichtungszeit bestehen. Der ca. 17 mag helle Kleinplanet hatte bei einem Positionswinkel von ca. 8 Grad eine Winkelgeschwindigkeit von ca. 50''/min.

Resümee Zwischen den Jahren 1998 und 2018 wurden in 20 Beobachtungsjahren insgesamt 322 Kleinplaneten und Kometen beobachtet, für welche ein MPEC mit Drebacher Beobachtungen erschienen ist. Immerhin 157 Apollos, 98 Amors und 27 Atens mit einem Anteil

Der Amor-Kleinplanet 2018 VM6 = ZV32C22 [8] wurde in den Abendstunden des 10.11.2018 fotografiert (Abb. 2). Zu sehen ist ein aufaddiertes Bild aus drei Summenbildern, welche im Einzelnen aus fünf Aufnahmen mit je 5 s Belichtungszeit bestehen. Der ca. 16 mag helle Kleinplanet hatte bei einem Positionswinkel von ca. 333 Grad eine Winkelgeschwindigkeit von ca. 53''/min.

Der Apollo-Kleinplanet 2017 SD12 = YSAC392 [9] wurde in den Abendstunden des 22.9.2017 fotografiert (Abb. 3). Zu sehen ist ein aufaddiertes Bild aus zwei Summenbildern, welche im Einzelnen aus zehn Aufnahmen mit je 10 s Belichtungszeit bestehen. Der ca. 17 mag helle Kleinplanet hatte bei einem Positionswinkel von ca. 114 Grad eine Winkelgeschwindigkeit von ca. 20''/min.

Der Amor-Kleinplanet 2017 UR = YU30007 [10] wurde in den Abendstunden des

5 Verteilung der von der NEOCP und PCCP erfolgreich beobachteten Objekte

100 | Journal für Astronomie Nr. 71

Kleine Planeten

von ca. 87,6% konnten nachgewiesen werden. Der Reiz einer solchen Beobachtung liegt aber auch, bedingt durch ihre Erdnähe, in der meist großen scheinbaren Winkelgeschwindigkeit dieser Objekte. Es ist immer wieder faszinierend, nach kurzer Zeit die Bewegung im Vergleich zu den Hintergrundsternen zu verfolgen.
Internetlinks: [1] NEOCP: https://minorplanetcenter.
net//iau/NEO/toconfirm_tabular. html [2] PCCP: https://minorplanetcenter. net/iau/NEO/pccp_tabular.html [3] MPEC: https://minorplanetcenter. net/iau/services/MPEC.html [4] Drebacher Beobachtungen: www. kleinplanetenseite.de/Entdeckg/ mpec.htm

[5] AUC 7072: C/1998 Y1: www.cbat. eps.harvard.edu/iauc/07000/07072. html
[6] Astrometrica: www.astrometrica.at/ [7] MPEC 2018-G35: www.minorplanet-
center.net/mpec/K18/K18G35.html [8] MPEC 2018-V147: www.minorpla-
netcenter.net/mpec/K18/K18VE7. html [9] MPEC 2017-S138: https://minorplanetcenter.net//mpec/K17/K17SD8. html [10] MPEC 2017-U64: https://minorplanetcenter.net//mpec/K17/K17U64. html

VdS-Veranstaltung
Einladung zur
Kleinplanetentagung
in Drebach/Deutschland
Die Fachgruppe ,,Kleine Planeten" der VdS lädt recht herzlich am 6. und 7. Juni 2020 zur 23. Kleinplanetentagung in das Zeiss Planetarium und in die Volkssternwarte Drebach ein.
Weitere Informationen unter www.kleinplanetenseite.de

Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries

Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiter bewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.

nenlebens mit. Ein sonnenähnlicher Stern hat vor einigen tausend Jahren seine äußere Hülle abgestoßen und ist zu einem Weißen Zwerg geworden. Die Winkelausdehnung des Planetarischen Nebels beträgt ca. 4 Bogenminuten und er ist 10,9 mag hell. Die Entfernung zu NGC 246 wird mit ca. 2.000 Lichtjahren angenommen, und die Gasblase hat sich seit ihrer Entstehung auf ca. 2 bis 3 Lichtjahre ausgedehnt. Die Strukturen dieser ,,Sternenleiche"

erinnern ein wenig an einen Totenschädel, daher wird er im englischen Sprachraum auch ,,skull nebula", also Schädelnebel, genannt. In den Beobachtungsvorschlägen ist übrigens eine weitere makabre Begegnung mit dem Schädelnebel aufgelistet, falls jemand auf den Geschmack gekommen ist.
Weniger gruselig ist (17617) Takimotoikuo. Der Hauptgürtelasteroid läuft auf einer

Nachdem der Bilderpool aus der Leserschaft ziemlich ausgetrocknet ist, bitten wir an dieser Stelle wieder einmal um Zusendung von Aufnahmen kosmischer Begegnungen. Für diese Herbstausgabe gab es keine Zusendung von Lesern, so dass ich ein Deep-Sky-Objekt aus unserem Archiv [1] ausgewählt habe, das zur Jahreszeit passt. Halloween steht vor der Tür! Am 5. September 2005 bekam der fotogene Planetarische Nebel NGC 246 Besuch vom Kleinplaneten (17617) Takimotoikuo.

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NGC 246 befindet sich im Sternbild Walfisch und wurde 1785 von Friedrich Wilhelm Herschel entdeckt. Bei einem Planetarischen Nebel erleben wir praktisch das Ende eines Ster-

Journal für Astronomie Nr. 71 | 101

Kleine Planeten

1 Der Planetarische Nebel NGC 246 und der Kleinplanet (17617) Takimotoikuo, fotografiert am 05.09.2005 von Stefan Heutz und Wolfgang
Ries mit einem 12-Zoll-Newton (f/4,6) und einer SXV-H9 CCD-Kamera.

Tabelle 1

Ausgewählte interessante kosmische Begegnungen im 4. Quartal 2019

Datum
04.10.2019 29.10.2019 03.11.2019 22.11.2019 25.11.2019 03.12.2019 03.12.2019 25.12.2019 26.12.2019

Uhrzeit
23:00 22:00 23:00 20:00 20:00 24:00 24:00 24:00 24:00

Kleinkörper

mag

(19719) Glasser

15,6

(1148) Rarahu

14,4

(2309) Mr. Spock

15,2

(9333) Hiraimasa

15,7

(783) Nora

14,6

(1074) Beljawaskya

14,0

(4700) Carusi

15,1

(244) Sita

14,2

(35) Leukothea

13,3

Objekt
NGC 246 NGC 1087/90 M 77 M 74 M 77 M 35 M 35 NGC 2304 IC 405

Art

mag

PN

10,9

Gx

10,8/11,8

Gx

8,9

Gx

9,1

Gx

8,9

OC

5,1

OC

5,1

OC

10

GN

10

Abstand
3' 10' 1' 11' 3' 1' 1' 10' 1'

Abkürzungen: OC - Offener Sternhaufen, GN - Galaktischer Nebel, PN - Planetarischer Nebel, Gx - Galaxie.
102 | Journal für Astronomie Nr. 71

Kometen

unspektakulären Umlaufbahn im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und braucht ca. 5,2 Jahre für die Umkreisung der Sonne. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er 15,9 mag hell und ca. 245 Mio. km von der Erde entfernt. Der 20 km große Brocken wurde 1995 von dem erfolgreichen japanischen Amateurentdeckerduo Kin Endate [2] und Kazuro Watanabe [3] gefunden. Auf das Konto der beiden gehen über 600 Entdeckungen! Benannt haben sie ihn nach einem japanischen Amateurastronomen.
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die Tabelle auf Seite 102 enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und Deep-Sky-Objekten, die von uns erstellt wurde. Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.

Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [4]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwartealtschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht,

das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Internetlinks: [1] Astro-Kooperation, http://astro-
kooperation.com/?attachment_ id=537 [2] Kin Endate, https://de.wikipedia.org/ wiki/Kin_Endate [3] Kazuro Watanabe, https://de. wikipedia.org/wiki/Kazur%C5%8D_ Watanabe [4] Homepage: "Astrofotografie: Kosmische Begegnungen", http://astrofoto grafie.hohmann-edv.de/aufnahmen/ kosmische.begegnungen.php

Auffallende Kometen des ersten Quartals 2019
von Uwe Pilz

Das bedeutendste Ereignis im ersten Quartal war der Komet C/2018 Y1 (Iwamoto). Er wurde erst am 20. Dezember 2018 entdeckt, allerdings auf Aufnahmen vom 18. Dezember.

Durch die große Erdnähe von nur 0,3 Astronomischen Einheiten erreichte er um den 13. Februar 2019 herum seine visuelle Maximalhelligkeit von 6,5 mag. Er war für einige

Wochen ein ansehnliches Fernglasobjekt. Mir selbst gelang keine Sichtung mit dem freien Auge, aber die Datenbank COBS [1] der Kometenbeobachtungen verzeichnet eine Hand-

1 Komet C/2018 Y1 (Iwamoto) am 07./12./16.02.2019. Instrument: 8-Zoll-Rowe-Ackermann-Schmidt-Astrograph (f/2,0), 40 Minuten auf
CCD-Kamera ASI1600, Bild: Michael Jäger
Journal für Astronomie Nr. 71 | 103

Kometen
2 Komet 46P/Wirtanen am 02.01.2019 um
21:00 Uhr UT. Instrument: 12-Zoll-Astrograph (f/3,6), 86 Minuten belichtet mit CCD-Kamera G4-16000EC, Bild: Martin Nischang
voll solcher Beobachtungen. Unsere Fachgruppe konnte diesen Schweifstern über viele Wochen mit 5-cm-Ferngläsern beobachten.
Die große Erdnähe ergab sich daraus, dass der Komet die Erde an der sonnenabgewandten Seite passierte. Aus diesem Grund war der Schweif in etwa von der Erde hinweg gerichtet. Er ließ sich visuell nicht erkennen. Michael Jäger gelangen jedoch beeindruckende Aufnahmen, welche die Veränderung der Schweifsituation in der Nähe des Perihels darstellen (Abb. 1).
Komet 46P/Wirtanen hatte seine glanzvollste Zeit im Dezember 2018. Aber auch Anfang des Jahres 2019 blieb er zunächst ein Fernglaskomet, was auch die Aufnahme von Martin Nischang (Abb. 2) belegt. Er konnte das ganze Quartal hindurch beobachtet werden, wenngleich er etwa Ende März die 13-mag-Grenze unterschritt.
38P/Stephan-Oterma konnte am Jahresanfang noch gut beobachtet werden. Die visuelle Helligkeit sank von 10,5 mag Anfang Januar auf unter 14 mag Ende März. Die Aufnahme von Oliver Schneider (Abb. 3) zeigt den gekrümmten Schweif, der auch visuell bis in den Februar hinein erkennbar war.
Swift-Gehrels (64P) zeigte um das Perihel herum einen Helligkeitsausbruch, und wahrscheinlich Anfang Januar noch einen. Dadurch war er viel länger zu beobachten als vorher prognostiziert. Wie in der Lichtkurve (Abb. 4) zu sehen, war er bis Anfang März heller als 12 mag. Danach fiel die Helligkeit sehr rasch ab und sank bis Ende des Monats auf 15 mag.
Internetlinks (geprüft 13.06.2019): [1] Comet Observation Database, https://
cobs.si
4 Lichtkurve des Kometen 64P/Swift-
Gehrels. Parameter, vor dem Perihel: m1 = 7,0 mag, n = 13,8, nach dem Perihel: m1 = 9,6 mag, n = 2,3.
104 | Journal für Astronomie Nr. 71

3 Komet 38P/Ste-
phan-Oterma am 19.01.2019 um 20:00 Uhr UT. Instrument: 340-mm-Hypergraph, (f/3,2), 25 Minuten belichtet mit CCD-Kamera QHY11, Bild: Oliver Schneider

Kometen

C/2017 K2 (PANSTARRS)
- ein heller Komet 2022-2023?
von Maik Meyer

Als am 24.05.2017 die Entdeckungszirkulare [1, 2] des Kometen C/2019 K2 (PANSTARRS) veröffentlicht wurden, war das einzig Beeindruckende, dass der Komet offensichtlich in ca. 20 AE Entfernung von der Sonne entdeckt worden war und dass sein Perihel erst 10 Jahre später erfolgen sollte - allerdings in einem respektablen Abstand von ca. 10 AE. Sechs Tage später wurde eine aktualisierte Bahn berechnet [3], die bereits relativ nah an der Wahrheit lag: Ein Perihel bei etwa 1,7 AE Mitte 2023. Später wurden tatsächlich noch Pre-Discovery-Beobachtungen gefunden, die bis zum 12.05.2013 zurückgehen [4]! Der Komet befand sich damals in einer Entfernung von 23,7 AE mit einer Helligkeit von sportlichen 23,1 mag. Somit ist der Komet auf dem zweiten Platz der entferntesten Kometenentdeckungen, und die Pre-Discovery-Beobachtungen machen ihn sogar zu dem Kometen, der in der größten Sonnenentfernung vor seinem Perihel beobachtet wurde.

Die aktuelle Bahn des Kometen zeigt, dass er seine Sonnennähe am 19.12.2022 in einer Entfernung von 1,8 AE durchlaufen wird (s. Kasten Seite 107). Die alle interessierende Frage ist natürlich: Wie hell wird der Komet?
Die geometrischen Sichtbarkeitsbedingungen Die Abbildung 1 zeigt zunächst die Bewegung des Kometen vor dem Himmelshintergrund für den Zeitraum von 2021 bis 2025 für eine geografische Breite von +50 Grad . Schon hier ist zu sehen, dass der Komet während der Zeit des Perihels am südlichen Himmel unterwegs ist. Vor und nach dem Perihel, in den Jahren 2021 und 2024 ist der Komet nahezu über das ganze Jahr beobachtbar. In den Jahren 2022 und 2023, d. h. zu den Zeiten der größten Helligkeit, stellt sich die Situation etwas anders dar. 2022 kann der Komet ungefähr bis zum Sommer in ausreichenden Höhen verfolgt werden. Das Perihel selbst ist für uns nicht beobachtbar. Erst im Herbst 2023 wird der Komet wie-

der für uns sichtbar. Damit definiert sich das Fenster der Unsichtbarkeit für unsere Breiten auf Sommer 2022 bis Herbst 2023. Auf den Internetseiten der Fachgruppe [9] können die detaillierten Sichtbarkeitsdiagramme für 50 Grad nördliche Breite, eine Sonnenhöhe von -15 Grad und für jeweils den Abend-, Nacht- und Morgenhimmel aufgerufen werden.
Leider ist die Bahn in Kombination mit dem Periheldatum nicht optimal. Die größte Erdnähe wird im Juli 2022 mit nur 1,8 AE erreicht, und zum Zeitpunkt des Perihels befindet sich C/2017 K2 bereits wieder in einer Erddistanz von 2,5 AE.
Alt oder neu? Bevor wir uns mit der Vorhersage der Helligkeit beschäftigen, muss geklärt werden, ob der Komet als dynamisch neues Objekt aus der Oortschen Wolke gilt oder ob er schon früher durch das Sonnensystem gereist ist. Der Grund dafür ist die häufig gemachte Be-

1 Lauf des Kometen C/2017 K2 (PANSTARRS) am Himmel vom 01.01.2021 bis 01.01.2025. Grafik: Andreas Kammerer
Journal für Astronomie Nr. 71 | 105

Kometen

Die Beobachtungen, die vor der eigentlichen Entdeckung gemacht wurden und bis 2013 zurückgehen, und die in der Datenbank für Kometenhelligkeiten COBS [10] enthaltenen Messungen. Die Helligkeiten in der COBS-Datenbank sind in vielen Fällen Gesamt- und keine Kernhelligkeiten, wie es oft bei astrometrischen Beobachtungen der Fall ist. Die zahlreichen Helligkeiten der rein astrometrischen Messungen aus der Datenbank des Minor Planet Center wurden nicht berücksichtigt.

2 Verschiedene Lichtkurven für C/2017 K2 (PANSTARRS), basierend auf Helligkeitsmes-
sungen bis ca. April 2019. Grau markiert ist der Bereich der Unsichtbarkeit für unsere Breiten. Grafik: Uwe Pilz

obachtung, dass dynamisch neue Kometen, d. h. Kometen, die das Sonnensystem das erste Mal durchlaufen, einen geringeren Aktivitätsfaktor und oft auch einen Bruch in der Lichtkurve vor dem Perihel aufweisen. Ein bekannteres Beispiel ist der Komet C/1973 E1 (Kohoutek), welcher hinter den Vorhersagen deutlich zurückblieb, sich aber nachträglich gesehen aufgrund des Fakts, dass er ein dynamisch neuer Komet war, eigentlich erwartungsgemäß verhielt. Im Gegensatz dazu zeigen dynamisch ,,alte" Kometen einen höheren Aktivitätsfaktor. Allerdings bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel. Kurzperiodische Kometen weisen übrigens einen noch höheren Aktivitätsparameter auf.
Aufgrund der Auffindung der Pre-Discovery-Beobachtungen haben sich in den letzten Monaten verschiedene Autoren mit dieser Frage beschäftigt [5, 6]. Der Konsens der Analysen weist dabei auf einen dynamisch ,,alten" Kometen hin. (Dass die aktuellen Bahnelemente einen leicht hyperbolischen Überschuss zeigen, sollte dabei nicht verwirren, dies ist durch aktuelle Störungen verur-

sacht.) Somit wird der Komet C/2017 K2 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine kontinuierliche Helligkeitsentwicklung und einen normalen Aktivitätsfaktor zeigen (n = 4).
Die Helligkeitsvorhersage Es sollte klar sein, dass eine Vorhersage der Helligkeitsentwicklung zum jetzigen Zeitpunkt mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Zum einen sind die verfügbaren CCD-Helligkeitsmessungen sehr heterogen und typischerweise meist schwächer als visuelle Schätzungen. Zum anderen beruht die Aktivität des Kometen in den derzeitigen Sonnendistanzen auf anderen chemischen und physikalischen Prozessen als in Sonnennähe. Trotzdem sollte es möglich sein, eine grobe Abschätzung geben zu können, welche Helligkeit der Komet mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erreichen sollte, auch wenn manche Autoren das zum jetzigen Zeitpunkt als unmöglich erachten [7]. Auch in unserer Fachgruppe gab es dazu bereits eine Diskussion und Berechnungen [8].
Für die folgende Darstellung wurden im Wesentlichen zwei Datensätze verwendet:

Die Lichtkurve in der Abbildung 2 enthält die oben erwähnten Helligkeitsmessungen bis etwa Anfang April 2019. Die magentafarbene Lichtkurve ist der mathematische Bestfit, welcher die Beobachtungen am besten darstellt. Die blaue Lichtkurve basiert auf einem auf n = 4 fixierten Aktivitätsfaktor. Der Unterschied zwischen beiden Kurven ist relativ gering und beträgt im Perihel etwa 1 mag. Auffällig ist bei beiden Kurven die hohe absolute Helligkeit H0 von 0,8 bzw. 1,6 mag. Zum Vergleich: C/1995 O1 (Hale-Bopp) hatte eine absolute Helligkeit von -0,5 mag bis -1,1 mag, der ,,durchschnittliche" Komet liegt bei etwa 6 mag. Somit scheint das Objekt zu den größeren Exemplaren zu gehören.
Die beiden roten Kurven geben die Lichtkurven für einen hohen und einen niedrigen Aktivitätsfaktor an. Der hohe Aktivitätsfaktor wäre sehr ungewöhnlich und ist eher typisch für kurzperiodische Kometen. Der niedrige Aktivitätsfaktor ist eher repräsentativ für dynamisch neue Kometen. Sollte die Einschätzung richtig sein, dass der Komet dynamisch alt ist, wäre dies eher als Untergrenze zu sehen.
Es soll aber nochmals darauf hingewiesen werden, dass der Komet wahrscheinlich visuell heller erscheinen wird, als die roten und blauen Kurven zeigen. Dies kann erst mit Eintreffen der ersten visuellen Schätzungen

106 | Journal für Astronomie Nr. 71

Kometen

bewertet werden, die eventuell sogar schon Ende 2020 verfügbar sein werden. Der graue Bereich der Lichtkurve gibt grob das oben erwähnte Unsichtbarkeitsfenster für unsere Breiten an.
Aufgrund der relativ großen Erdentfernung selbst um das Perihel herum ist mit einem kompakten und gut kondensierten Kometen zu rechnen, welcher auch bei geringeren Helligkeiten noch gut erkennbar sein sollte.

Bahnparameter von Komet C/2017 K2 (PANSTARRS)

Periheldatum: Epoche: Periheldistanz: Exzentrizität: Argument des Perihels: Länge des aufsteigenden Knotens: Bahnneigung: Quelle:

2022-12-19.67412 2022-12-07.0 1.7969470 AE 1.7969470 236.19691 Grad 88.23521 Grad 87.56309 Grad MPC 112391

Fazit Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Feldstecherkometen über mehrere Monate beobachten zu können, relativ hoch ist. Dennoch bleibt die aktuelle Entwicklung natürlich abzuwarten. Kometen sind dafür bekannt, sich nicht an die Vorhersagen zu halten - im Positiven wie im Negativen. In einem weiteren Artikel nächstes Jahr an dieser Stelle werden wir eine erste Bilanz ziehen und die Vorhersage aktualisieren.
Literaturhinweise und Internetlinks (Stand: 19.8.2019): [1] COMET C/2017 K2 (PANSTARRS):
Central Bureau Electronic Telegram, No. 4393, 24.05.2017

[2] COMET C/2017 K2 (PANSTARRS), Minor Planet Electronic Circular, No. 2017-K35, 24.05.2017
[3] COMET C/2017 K2 (PANSTARRS), Minor Planet Electronic Circular, No. 2017-K89, 30.05.2017
[4] Minor Planet Circular, No. 105321, 09.07.2017
[5] M. Królikowska, P. A. Dybczyski, 2018: "Dynamical evolution of C/2017 K2 PANSTARRS", Astron. Astrophys. 615, A170
[6] R. de la Fuente Marcos, C. de la Fuente Marcos, 2018: "Comet C/2017 K2 (PANSTARRS): Dynamically Old or New?", Research Notes Am. Astron. Soc. 2, No. 2

[7] D. Jewitt, J. Agarwal, M.-T. Hui, J. Li, M. Mutchler, H. Weaver, 2019: "Distant Comet C/2017 K2 and the Cohesion Bottleneck", Astron. J., 157, No. 2
[8] ,,C/2017 K2 - Erste Analyse", https:// forum.vdsastro.de/viewtopic. php?f=52&t=5674
[9] Homepage der VdS-Fachgruppe Kometen, http://kometen.fg-vds.de/ index.htm
[10] Datenbank der Kometenbeobachtungen, http://cobs.si

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Journal für Astronomie Nr. 71 | 107

Meteore

Draconiden 2018
von Jürgen Rendtel und Sirko Molau

Die Draconiden sind einer der periodisch aktiven Meteorströme. In den meisten Jahren sind sie unmerklich. Wenn die Erde je- 200 doch einen Abschnitt hoher Teilchendichte durchquert, kommen eindrucksvolle Stern- 175 schnuppenregen zustande. Ursprungsobjekt ist der kurzperiodische Komet 21P/Giacobi- 150 ni-Zinner. Daher wurde der Strom auch als Giacobiniden bezeichnet. Die Umlaufzeit 125 des Kometen um die Sonne beträgt rund 6,6 Jahre. Das letzte Perihel erreichte er am 10. 100 September 2018.

ZHR

75

Lange nahm man an, dass die intensivsten

Meteorschauer auftreten, wenn die Erde

50

kurz nach dem Kometen dessen Bahnebene

durchquert. Doch wissen wir spätestens seit 25 den großen Leonidenschauern ab 1998 ge-

nauer, dass die Teilchen erst nach Störungen
0
ihrer Bahnen tatsächlich in Erdbahnnähe ge-

langen. Somit sind alle Meteoroide, die wir

als Meteore am Nachthimmel sehen, min-

destens einen Umlauf seit ihrer Freisetzung

unterwegs. Der kurze zeitliche Abstand zwi-

schen Perihelpassage des Kometen 21P und

dem Maximum der Draconiden am 8./9. Ok- 200 tober war also nicht der Auslöser möglicher

Aktivität.
175

Die Möglichkeit erhöhter Raten der Draconiden im Oktober 2018 ergab sich nach 150 Modellrechnungen vielmehr aus der Annäherung der Erde an Meteoroide, die 1953 125 aus dem Kometen freigesetzt wurden. Alle bekannten Prognosen werden im Meteor- 100 strom-Kalender der International Meteor
75

ZHR

1 Oben: Aktivitätsprofil der Draconiden am
50
08./09.10.2018 bei einem Populationsindex
von r = 2,3, abgeleitet aus 2.060 visuellen Meteoren von 40 Beobachtern 25

0
2 Unten: Wie Abbildung 1, jedoch mit einem
Populationsindex von r = 3,0 gerechnet.

108 | Journal für Astronomie Nr. 71

Draconids 2018 ZHR Graph - Peak
Corrected hourly meteor rate

21:00

22:00

23:00

9. Oct

UT Date and Time

01:00

02:00

Highcharts.com

Draconids 2018 ZHR Graph - Peak
Corrected hourly meteor rate

22:00

23:00

9. Oct

UT Date and Time

01:00

02:00
Highcharts.com

Meteore

Meteoroids / 1000 km2 h ZHR (r=2.3, =1.50)

Organization (IMO) bzw. in der vom Arbeitskreis Meteore e. V. (AKM) herausgegebenen deutschen Übersetzung vorgestellt (Tab. 1). Die Zeit des Durchgangs der Erde durch die Bahnebene des Kometen (Knotenpassage) war am 9. Oktober 2018 um 00:10 Uhr UT (195,403 Grad Sonnenlänge).
Der letzte beobachtete Ausbruch ereignete sich am 9. Oktober 2011 um 20:10 UT (195,036 Grad Sonnenlänge) mit einer ZHR von 300. Das Ereignis war auch vorausberechnet worden, so dass Beobachter des AKM im Rahmen einer kurzfristig an die Wetterlage angepassten Aktion das Ereignis in der Altmark verfolgen konnten, allerdings mit störendem Mondlicht. Die hohe Rate im Oktober 2012 erschien nur in Radardaten, da die Erde offenbar nur auf winzige Meteoroide traf.
Angesichts der Prognosen für 2018 waren die Beobachter nicht unbedingt in Alarmstimmung, aber lohnend schien die Nacht schon.
Beobachtungsbedingungen Der Radiant des Stromes ist zirkumpolar und befindet sich unweit des Sterns Beta Draconis bei Rektaszension = 17h 32m und Deklination = +56 Grad (2000.0). Je nach Beobachtungsort in Deutschland findet man den Radianten zwischen 80 Grad (abends) und knapp 20 Grad Höhe (gegen 3 Uhr Ortszeit). Zu den wahrscheinlichen Maximumszeiten war der Radiant also noch deutlich über 20 Grad hoch und der Himmel mondfrei.
Neben den astronomischen Bedingungen muss für optische Beobachtungen auch das Wetter geeignet sein. Über weiten Teilen Deutschlands befand sich abends dichte Cirrusbewölkung, an einigen Beobachtungsorten zog zudem dichter Nebel auf. Die Beobachtungsbedingungen variierten im Laufe der Nacht, aber insgesamt konnten gute Daten gewonnen werden.

Solar longitude (J2000.0)
195.272 195.313 195.354 195.395 195.436 195.478 195.519 195.560

70 60 50 40 30 20 10 0
21:0 2 0 2:0 2 0 3:0 0 0 0:0 0 0 1:0 0 0 2:0 0 0 3:00
Time (UT, 08 Oct 2018) 3 Aktivitätsprofil der Draconiden am 08./09.10.2018, abgeleitet aus 3.770 Video-
meteoren von 68 Videokameras

190 163 136 109 82 54 27 0.0 04:00

Ergebnisse Zur Auswertung lagen sowohl visuelle (Tab. 2) als auch Video-Beobachtungsdaten (Tab. 3) von AKM-Mitgliedern vor. Wir haben die Auswertung jedoch nicht auf deutsche Beobachtungen beschränkt, sondern alle Beobachtungen einfließen lassen, die an die International Meteor Organization (IMO) gemeldet wurden.
Zum einen konnte die Aktivität des Stroms aus einer Stichprobe von insgesamt 2.060 visuellen Draconiden bestimmt werden (Abb. 1). Bereits um 19 Uhr UT war eine ZHR in der Größenordnung von 20 zu beobachten. Ab etwa 21 Uhr steigt die ZHR langsam und stetig an und erreicht kurz nach 22 Uhr UT ein Niveau von 100. Der Einfluss des Popu-

lationsindex r auf die ZHR ist angesichts der oft guten Beobachtungsbedingungen (Grenzgröße +6 mag und besser) nur gering. Mit r = 2,3 finden wir die maximale ZHR von 157 +- 17 um 23:15 UT (195,364 Grad Sonnenlänge). Das entspricht einer räumlichen Teilchendichte von 800 / 109 km3 (also 800 Draconidenmeteoroide in einem Würfel von 1.000 km Kantenlänge). Wegen der geringen relativen Geschwindigkeit der Draconiden beträgt die Flussdichte rund 60 / 103 km2 / h (also 60 Draconidenmeteoroide durchqueren eine Sammelfläche von 1.000 Quadratkilometern im Laufe einer Stunde). Setzen wir r = 3,0 (Abb. 2) ergibt sich eine ZHR von 160 +- 22 um 22:46 UT (195,345 Grad Sonnenlänge). Interessant ist da noch ein einzelner Wert (ZHR = 156 +- 21) um 0 Uhr UT, der nur beim Profil

Tabelle 1

Prognosen für die Draconiden 2018

Autor
Mikiya Sato Jeremie Vaubaillon Sergei Maslov

Maximumszeit (UT)
09.10.2018, 00:14 08.10.2018, 23:31 08.10.2018, 23:34

Sonnenlänge [ Grad ]
195,406 195,374 195,374

mögliche ZHR
20-50 etwa 15 etwa 15

Journal für Astronomie Nr. 71 | 109

Meteore

Werte um 40, bevor sie um 23:46 Uhr UT (195,386 Grad Sonnenlänge) ein zweites Maximum von (62,3 +- 6,5) / 103 km2 / h erreicht. Danach fällt die Aktivität linear ab, stagniert jedoch ab 00:45 Uhr UT. In der nächsten Stunde zeigen sich starke Fluktuationen mit einem dritten Höhepunkt um 01:14 Uhr UT (195,446 Grad Sonnenlänge) und einer Flussdichte von (61,6 +- 7,5) / 103 km2 / h. Erst nach 01:45 Uhr UT sinkt die Flussdichte dann endgültig ab. Im Zeitraum von 22:15 bis 01:45 Uhr UT ist die Aktivität in den Videodaten größer als die halbe Maximalaktivität. Die Halbwertsbreite (FWHM) des Ausbruchs beträgt also etwa 3,5 Stunden.

4 Komposit der Meteore, die am 08./09.10.2018 mit dem Videokameras REMO1 bis
REMO4 in Ketzür aufgenommen wurden

mit r = 3,0 zu finden ist. Nach 1 Uhr UT sinkt die ZHR zwar wieder unter 100 - der Strom ist dann immer noch sehr aktiv. Wegen der tiefen Radiantenposition in Mitteleuropa ist die Anzahl der sichtbaren Strommeteore allerdings gering.
Die Stichprobe an Videometeoren ist insgesamt größer (3.770 Draconiden), weshalb das
Tabelle 2

Aktivitätsprofil (Abb. 3) mit einer höheren zeitlichen Auflösung von bis zu 5 min pro Datenpunkt gerechnet werden kann. Bis 22 Uhr UT zeigt sich ein gleichmäßiger Anstieg der Aktivität, danach geht es deutlich steiler nach oben. Um 22:50 Uhr UT (195,348 Grad Sonnenlänge) ist ein erstes Maximum mit einer Flussdichte von (57,7 +- 5,4) / 103 km2 / h erreicht. Danach sinkt die Flussdichte auf

Die Abbildung 4 gibt den Draconidenausbruch bildlich wieder. Dazu wurden alle Aufnahmen der Videokameras REMO1 bis REMO4 in Ketzür zu einem Komposit zusammengefügt. Es ist schön zu erkennen, dass der überwiegende Teil der Meteore von einem Punkt am oberen Bildfeldrand auszugehen scheint. Es sind jedoch auch verschiedene sporadische Meteore sowie Mitglieder anderer Meteorströme zu erkennen.
Fazit Sehr zur Freude der Beobachter ist der Draconidenstrom 2018 deutlich stärker in Erscheinung getreten als vorhergesagt und konnte in Deutschland gut beobachtet werden. Das

Visuelle Beobachtungen des AKM am 8./9. Oktober 2018

Beobachter
Christoph Gerber Sirko Molau Jonas Plum Ina Rendtel Jürgen Rendtel Kai Schultze

Ort
Heidelberg Seysdorf Kassel Potsdam Potsdam Berlin

Zeitraum (UT)
21:36 - 01:12 21:56 - 00:30 18:00 - 02:45 22:18 - 01:18 22:15 - 02:10 23:30 - 01:00

eff. Beobachtungszeit (h)
3,60 2,57 8,75 3,00 3,75 1,45

Grenzgröße (mag) Anzahl DRA

6,05

71

6,08

117

6,00

66

6,45

92

6,28

90

5,40

15

110 | Journal für Astronomie Nr. 71

Meteore

Tabelle 3
Beobachter
Rainer Arlt Kevin Förster Wolfgang Hinz Bernd Klemt Bernd Klemt Sirko Molau Sirko Molau Sirko Molau Sirko Molau Sirko Molau Sirko Molau Sirko Molau Hans Schremmer Jörg Strunk Jörg Strunk Jörg Strunk Jörg Strunk Jörg Strunk

Videobeobachtungen des AKM am 8./9. Oktober 2018

Kamera
LUDWIG2 AKM3 HINWO1 HERMINE KLEMOI AVIS2 DIMCAM1 ESCIMO2 REMO1 REMO2 REMO3 REMO4 DORAEMON MINCAM2 MINCAM3 MINCAM4 MINCAM5 MINCAM6

Ort

Zeitraum (UT) Eff. Beobachtungszeit (h) Grenzgröße (mag) Anzahl DRA

Ludwigsfelde 17:22-04:27

9,19

6,2

100

Carlsfeld

19:03-04:02

7,22

5,1

92

Schwarzenberg 17:33-04:29

11,08

5,1

115

Herne

18:26-04:42

10,14

4,2

116

Moitzfeld

17:46-04:44

10,93

4,6

91

Seysdorf

17:45-04:54

8,61

6,9

57

Seysdorf

17:33-03:34

6,68

6,7

46

Seysdorf

17:33-04:10

8,33

8,1

7

Ketzür

17:24-04:21

9,83

6,5

163

Ketzür

17:24-04:25

10,42

6,4

193

Ketzür

17:24-04:30

11,07

6,4

155

Ketzür

17:24-04:25

10,98

6,5

259

Niederkrüchten 17:58-23:41

5,10

3,0

40

Herford

17:40-04:36

10,91

5,4

191

Herford

17:45-04:34

10,80

5,5

89

Herford

17:40-04:45

11,06

5,0

85

Herford

17:45-04:37

10,86

5,0

141

Herford

17:40-04:39

10,85

5,0

43

Aktivitätsprofil zeigt nicht nur ein einzelnes Maximum, sondern ist von komplexer Natur. Die visuellen Beobachtungen ergeben um 23:15 Uhr UT ein Maximum. Zu diesem Zeitpunkt zeigen auch die Videodaten eine kleine Spitze - noch höher ist die Aktivität in den Videodaten jedoch bereits um 22:50

Uhr UT. Ein zweites Maximum ergibt sich in den visuellen Daten um 0 Uhr UT. Auch diese Spitze zeigt sich in den Videodaten, wobei der höchste Einzelwert bereits um 23:46 Uhr UT beobachtet wird. Ein drittes Maximum in den Videodaten nach 1 Uhr UT finden wir in den visuellen Daten nicht. Die Vorhersagen von

Sato, Vaubaillon und Maslov geben den mittleren Zeitpunkt des Draconidenausbruchs recht gut wieder, passen aber nicht exakt zu einer der beobachteten Aktivitätsspitzen. Auch die Stärke des Ausbruchs wurde in den Vorhersagen um eine Größenordnung unterschätzt.
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130/1170 F9,2 (3,7" OAZ) 5.700,00

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Journal für Astronomie Nr. 71 | 111

Mond

Reiner Gamma
- Eine rätselhafte Wirbelstruktur auf dem Mond
von Jens Leich, Wolfgang Bischof und Bernd Gährken

Fast zeitgleich und völlig unabhängig voneinander beobachteten drei Mitglieder der VdS-Fachgruppe Astrofotografie im Februar und März 2019 die Region um die Mondkrater Cavalerius, Hevelius und Lohrmann am Rande des Oceanus Procellarum. Nordöstlich dieser schönen Dreierkette ist neben dem rund 29 km großen Krater Reiner der sogenannte ,,Swirl" Reiner Gamma zu finden, bei 7,7 Grad N und 59 Grad W lunarer Breite und Länge [1]. Er weist nicht die typischen Erscheinungsformen eines Einschlagskraters oder einer Verwerfung auf und gibt auch heute noch Rätsel auf, die sich aufgrund neuerer Studien allerdings langsam zu lichten scheinen.

Reiner Gamma ist der bekannteste und mit rund 70 km Größe der auffälligste Wirbel auf der von der Erde aus sichtbaren Mondoberfläche. Auf der Mondrückseite befinden sich dagegen die meisten Swirls, oft als Antipoden der großen Mariabecken der Vorderseite. Diese seltsam erscheinenden, teils kilometerlangen Wirbel und Schleifen heben sich in ihrer Albedo erheblich heller von den um sie herum befindlichen Regionen ab, die deutlich dunkler erscheinen.
Es gibt Untersuchungen [2], die zeigen, dass Mondmaterial, das lange Zeit dem Beschuss elektrisch geladener Teilchen (dem Sonnenwind) ausgesetzt ist, dunkler erscheint, es verwittert. Junge Einschlagkrater (wie z. B. Aristarchus) sind dagegen noch deutlich heller.
Anfangs vermutete man in den Wirbeln Folgen von Kometeneinschlägen, die nach Computermodellen loses Mondmaterial der obersten Monddecke aufgewirbelt und dabei tiefer liegende Schichten hellen Materials freigelegt haben könnten. Doch besonders die Tatsache, dass die Wirbel keine an der passenden Position befindliche Einschlagsenke zeigen, widerspricht dieser Theorie [3].

1 Zeichnung an einem 130-mm-Apochromaten (Starfire) bei 279-facher Vergrößerung. Bild:
Jens Leich

Wissenschaftler um Sonia Tikoo von der Rutgers University und Douglas J. Hemingway von der Universität Berkeley brachten die Wirbel mit magnetischen Feldern in Verbindung, die schon früher im unmittelbaren Umfeld der Strukturen gemessen wurden [7, 8]. Dabei wurde die Idee formuliert, dass Magnetfelder verhindert haben könnten, dass der Sonnenwind, der ja aus elektrisch geladenen Teilchen besteht, die Mondoberfläche an den entsprechenden Stellen abträgt, wodurch die betroffenen Strukturen heller erscheinen. Rätselhaft blieb das Phänomen allerdings trotzdem, da der Mond sein globales Magnetfeld bereits vor sehr langer Zeit verloren hat. Man fragte sich demnach, was diese regionalen magnetischen Felder hervorruft. Es galt herauszufinden, welche geologischen Merkmale solche Magnetfelder

erzeugt haben und warum sie so stark sind. Anhand geophysikalischer Modelle auf Basis der Wirbelformen und der messbaren Magnetfeldstärken wurde entdeckt, dass die verwirbelten Strukturen magnetischen Objekten folgen, die knapp unter der Mondoberfläche verlaufen. Man geht heute davon aus, dass es sich um Lavaröhren handelt, die in der Frühzeit des Mondes von flüssigem Gestein aus vulkanischen Prozessen gefüllt wurden. Diese Gesteinsschmelze war laut einer im ,,Journal of Geophysical Research" vorgestellten Studie während der Erstarrung des Mondes vom damals noch vorhandenen globalen Magnetfeld magnetisiert worden [3]. Frühere Experimente untermauern diese Theorie, wonach Mondgestein beim Erkalten stark magnetisiert werden kann, wenn es zuvor in sauerstoffloser Umgebung auf über 600 Grad C

112 | Journal für Astronomie Nr. 71

Mond

2 Overlay aus einem Luminanzbild vom 12.12.2016 mit einem Farbauszug vom 18.02.2019, Celestron 11 + Omegon Proteus120 + ASI290,
rechts: Markierung des grünblauen Innenbereichs und des rötlichen Außenbereichs. Bild: Bernd Gährken

erhitzt wurde. Diese Untersuchungen hatten gezeigt, dass bei diesem Prozess eisenhaltige Minerale im Gestein zerfallen und metallisches Eisen freisetzen. Wenn diese Vorgänge in einem Magnetfeld stattfinden, wird das neuentstandene Eisen dauerhaft magnetisiert. Bei dieser Reaktion könnte es sich um das fehlende Puzzleteil des Rätsels rund um die ,,Swirls" handeln. Um diese Theorie tatsächlich zu belegen, bräuchte es Bodenuntersuchungen vor Ort. Im September 2018 hat sich bereits eine Kommission für eine künftige Mondmission gegründet, es bleibt abzuwarten, ob das Problem angegangen wird. Weitere Arbeiten zum Thema sind z. B. zu finden unter [5] und [6].
Die Abbildung 1 zeigt Reiner Gamma in einer Zeichnung, die am 17.02.2019 von Jens Leich am Okular eines 130-mm-Apochromaten (Starfire) bei 279-facher Vergrößerung angefertigt wurde. Man erkennt sofort, dass es sich um eine sehr ungewöhnliche Mondstruktur handeln muss, deutlich anders als die üblichen Mondkrater und Wallebenen.
Auch fotografisch sind die Swirls dankbare Objekte. Zunächst gilt es, die Strukturen in möglichst hoher Auflösung zu dokumentieren. Vor allem bietet aber die Farbfotografie ungeahntes Potenzial, denn sie ermöglicht eine Bodenuntersuchung aus der Ferne. Mit freiem Auge erscheint der Mond in fast allen Einzelheiten aschgrau, doch tatsächlich gibt

es ganz schwache Farben die nur bei einem extremen Anziehen der Sättigung sichtbar werden. Diese Farben erlauben Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung des Gesteins. Metallarme Basalte erscheinen eher rötlich, während metallreiche Basalte einen bläulichen Farbton besitzen [4]. Auch als Amateur kann man dies durch eine Steigerung der Farbsättigung sichtbar machen. Großflächige Farbunterschiede sind besonders in den Mariabecken zu beobachten. In der Region um Reiner Gamma sind die Farbunterschiede eher kleinskalig. Es ist plausibel anzunehmen, dass zeitliche Änderungen in der Magnetfeldstärke und in der Staubzusammensetzung in den Farben des Swirls einen Niederschlag gefunden haben. Da die Farben sehr schwach sind, haben minimale Unterschiede in der Beleuchtung, bei der verwendeten Kamera und bei der Bildbearbeitung einen spürbaren Einfluss auf das Ergebnis. Es lässt sich jedoch sagen, dass die Farbe des Swirls im Vergleich zur sonstigen Oberfläche eher unüblich ist und sich von der Umgebung abhebt.
Um Reiner Gamma herum ist der Boden rötlich, im Kernbereich dagegen eher blau-grünlich. Auf der Abbildung 2 von Bernd Gährken hat der Kernbereich des Swirls einen Durchmesser auf der Nord-Süd-Achse von etwa 30 km. Der Krater Reiner mit 29 km kann gut als Maßstab dienen. Der rötliche Außenbereich um den Swirl kommt auf etwa 50 km

Durchmesser in der Nord-Süd-Achse. In der Ost-West-Achse ist der Swirl schlechter abzugrenzen. Ein Wert um 100 km wäre passend. Am 18.03.2019 befand sich der Terminator, die Licht-Schattengrenze des Mondes, in unmittelbarer Nähe von Reiner Gamma. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Swirl von Wolfgang Bischof mit einem 200-mm-Newton und einer Kamera des Typs ASI 178MC aufgenommen (Abb. 3). So nah am Terminator werfen schon relativ unbedeutende Erhebungen deutliche Schatten. Im Swirl erkennt man zwar ansatzweise Schatten der durchlaufenden Rücken, die eigentliche Swirlstruktur scheint jedoch schattenfrei zu sein. Fraglich ist das jedoch am nördlichen Rand, der immerhin leicht ,,plastisch" wirkt. Die Farben des Swirls erscheinen durch den sehr flachen Lichteinfall recht schwach.
Die Abbildung 4 zeigt Reiner Gamma einen Tag später mit gleicher Ausrüstung wie bei Abbildung 3. Durch den höheren Sonnenstand kommen die Farben nun deutlicher zum Vorschein. Die Bildbearbeitung wurde allerdings nach einem anderen Verfahren vorgenommen als bei der Abbildung 2. Es wurde verstärkt darauf geachtet, die Sättigung so zu begrenzen, dass keine Farbartefakte entstehen. Das dazu entwickelte Verfahren wird in einer der nächsten Ausgaben im VdS-Journal für Astronomie ausführlich dargestellt. Auf der Homepage von B. Gährken finden sich weitere Infos zum Thema [9, 10].

Journal für Astronomie Nr. 71 | 113

Mond

3 Reiner Gamma am 18.03.2019 am Terminator, mit 200-mm-
Newton (f/6) und Kamera ASI 178MC. Bild: Wolfgang Bischof

4 Farben von Reiner Gamma am 19.03.2019 bei höherem
Sonnenstand, mit 200-mm-Newton (f/6) und Kamera ASI 178MC. Bild Wolfgang Bischof

Literaturhinweise und Internetlinks (geprüft 21.6.2019): [1] A. Rükl, 1999: ,,Mondatlas", Verlag Werner Dausien, Hanau,
S. 83 [2] NASA, Feb. 2019: "NASA Mission Reveals Origins of
Moon's `Sunburn'", www.nasa.gov/feature/goddard/2019/ nasa-mission-reveals-origins-of-moons-sunburn [3] D. Hemingway, I. Garrick-Bethell, 2012: ,,Magnetic field direction and lunar swirl morphology: Insights from Airy and Reiner Gamma", J. Geophys. Res. 117, E10012, https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/ full/10.1029/2012JE004165 [4] F. Alves, 2003: ,,Color Atlas of the Moon", in: www. abovetopsecret.com/forum/thread828322/pg1 [5] J. F. Bell, B .R. Hawke, 1982: ,,The Reiner Gamma Formation - Composition and origin as derived from remote sensing observations", in: 12th Lunar and Planetary Science Conference, Houston, 16.-20.03.1981, Proceedings Sc.1, pergamon Press Oxford, p. 679, http://cdsads.u-strasbg.fr/ full/1982LPSC...12..679B

[6] L. L. Hood, C. R. Williams, 1989: ,,The lunar swirls - Distribution and possible origins", in: 19th Lunar and Planetary Science Conference, Houston, 14.18.03.1988, Proceedings, Cambridge Univ. Press, p. 99, http://cdsads.u-strasbg.fr//full/1989LPSC...19...9 9H/0000109.000.html?high=5790e4bb3d03570
[7] D. J. Hemingway, S. M. Tikoo, 2018: ,,Lunar swirl morphology constrains the geometry, magnetization, and origins of lunar magnetic anomalies", J. Geophys. Res., http:// eps.berkeley.edu/~djheming/publications/Hemingway Tikoo2018_accepted_ms.pdf
[8] P. Gaupels, 2018: ,,Mysteriöse ,Mondwirbel' deuten auf die vulkanische, magnetische Vergangenheit des Mondes hin", http://geohorizon.de/2018/09/07/
[9] B. Gährken, Homepage, www.astrode.de/reinergamma.htm [10] B. Gährken, Homepage, www.astrode.de/mondflug2/
mondwe46.htm

114 | Journal für Astronomie Nr. 71

Planeten

Die Merkursichtbarkeit im Februar 2019
von Sven Melchert

Merkur entfernt sich von der Erde aus gesehen bekanntlich nie weit von der Sonne und taucht entweder im Frühjahr am Abendhimmel oder im Herbst am Morgenhimmel in der Dämmerung auf. Um den sonnennächsten Planeten während dieser Tage zu sehen, muss alles passen: ein freier Blick zum Horizont, wolkenfreier Himmel mit möglichst transparenter Durchsicht, Zeit zur Beobachtung und etwas Geduld, bis sich Merkur in der hellen Dämmerung bemerkbar macht. Zur diesjährigen Abendsichtbarkeit von Merkur Mitte bis Ende Februar war der Himmel über weiten Teilen Deutschlands außergewöhnlich klar. Bereits am 15.02. konnte ich ihn in der Abenddämmerung über den Dächern der Nachbargebäude ausmachen; ein Fernglas hilft enorm, um Merkur zu lokalisieren und dann mit bloßem Auge zu verfolgen (Abb. 1).

zeigt die Abbildung 2, dem Anblick mit dem eigenen Auge wird diese Fotomontage aber nicht gerecht.
Ende November bis Anfang Dezember wird Merkur zwischen 6 und 7 Uhr am Morgenhimmel über dem südöstlichen Horizont auftauchen. Dann kommen einige Hobbyastronomen vielleicht zu spät zur Arbeit.

Für den 27. Februar gab das Jahrbuch die größte Elongation an, und der Himmel leuchtete in einer selten gesehenen Transparenz. Daher wurden flugs Kamera und Stativ eingepackt, um von einem beliebten Aussichtspunkt in Stuttgart die Abenddämmerung über den Lichtern der Stadt mit Merkur zu fotografieren. Das Ergebnis der Bemühungen

1 Merkur in der Abend-
dämmerung am 15.02.2019. Canon EOS 6D, Objektiv f = 300 mm, Blende 6,3, ISO 200, Belichtungszeit 1/8 s. Bild: Sven Melchert

2 Das Herabsinken von
Merkur zum Horizont am 27.02.2019. Kombination von 13 Aufnahmen unterschiedlicher Belichtungszeit. Canon EOS 6D, Objektiv f = 85 mm, Blende 4, ISO 400. Bild: Sven Melchert

Planeten
Merkur am 27.02.2019
Eine Stunde lang ungestörte Beobachtung!
von Bernd Huhn

1 Merkur in der Abenddämmerung am 27.02.2019, Kombination mehrerer Aufnahmen und
Belichtungszeiten. Canon EOS 450D, Zoom-Objektiv 18-200 mm bei 60 mm Brennweite. Bild: Bernd Huhn

Einen ganz ungewohnten Anblick bot der Abendhimmel am 27.02.2019 von meiner Dachluke (54 Grad 05' 54'' N, 09 Grad 57' 31'' O) in

Richtung Westen gesehen: keine Wolken, trotz Hochdruckwetterlage kaum Dunst und nur ganz wenige Kondensstreifen,

die normalerweise die Durchsicht am Westhorizont komplett verhindern. Und das passgenau am Tag der größten östlichen Elongation des Merkur! So gelangen zwischen 18:32 Uhr und 19:35 Uhr 22 Aufnahmen des Merkur in je drei Minuten zeitlichem Abstand; die Belichtungszeit betrug jeweils eine Sekunde. Das Komposit zeigt deutlich 21 Merkurbilder; zum Zeitpunkt der 22. Aufnahme stand Merkur schon hinter einem der noch unbelaubten Büsche am Horizont; dort ist er auch im Originalbild nur mit einiger Mühe zu erkennen. Ich benutzte eine Canon EOS 450D mit einem Tamron-ZoomObjektiv 18-200 mm bei 60 mm Brennweite. Die Belichtung der ersten sieben Aufnahmen regelte die Blendenautomatik, danach stand die Blende auf 5.

Merkur in größter Elongation Ost

von Sabine Mauer und Jens Leich

Sabine Mauer nutzte den ,,Frühling im Februar" mit seinen warmen Tagen und kühlen Nächten zwischen dem 17. und 27. Februar, um den Lauf des ohne Hilfsmittel eher selten sichtbaren Planeten Merkur festzuhalten. Dazu diente eine digitale Spiegelreflexkamera des Typs Canon 80D, bestückt mit einem Zoom-Objektiv der Marke Tamron von 18-200 mm Brennweite. Bei einer Brennweite von 50 mm wurden die einzelnen Merkuraufnahmen 1/200 s bei ISO 6400 belichtet. Das Resultat ist ein Komposit aus insgesamt sieben Aufnahmen, wobei das Hintergrundbild am 25.02.2019 entstand. Vom Horizont ausgehend erfolgten die ersten vier Planetenaufnahmen jeweils um 17:33 Uhr UT. Aufnahmeort war Halsenbach im Hunsrück.

1 Merkur an den Abenden vom 17.02. bis zum
27.02.2019 in einer Kompositaufnahme. Aufnahmebrennweite 50 mm, gut erkennbar der Zeitraum der größten östlichen Elongation. Bild: Sabine Mauer

Am 27. Februar, dem Tag der letzten Aufnahme im Bild, erreichte Merkur seine größte östliche Elongation, d. h. der Winkelabstand zur Sonne war hier diesmal mit 18 Grad am größten und Merkur konnte für etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang in der Abenddämmerung gesehen werden. Dass es trotz dieses vergleichsweise kleinen Elongationswinkels zu einer guten Abendsichtbarkeit kam, ist dem Umstand zu verdanken, dass sich Merkur diesmal rund 8 Grad nördlicher als die Sonne im Tierkreis aufhielt, was zu einem größeren Tagbogen führte. Danach nahm der Abstand zur Sonne wieder ab, so dass man sich die Abwärtsschleife gut vorstellen kann.
Das Bild erschien als ,,Astrofoto der Woche" (AdW) auf Astronomie.de, herausgegeben von der VdS-Fachgruppe Astrofotografie in der 15. Woche 2019.

116 | Journal für Astronomie Nr. 71

DER NEUE BILDKALENDER
HIMMEL UND ERDE 2020
Sterne und Weltraum präsentiert im Bildkalender »Himmel und Erde« 13 herausragende Motive aus der astronomischen Forschung. Die Aufnahmen zeigen das Milchstraßenzentrum, den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, die Magellansche Wolke, die Marsoberfläche, den Saturn und weitere Himmelsregionen und -objekte.

Zusätzlich bietet der Kalender wichtige Hinweise auf die herausragenden Himmelsereignisse 2020 und erläutert ausführlich auf einer Extraseite alle auf den Monatsblättern des Kalenders abgebildeten Objekte.

14 Seiten; 13 farbige Großfotos; Spiralbindung; Format: 55 x 46 cm; 29,95 zzgl. Porto; als Standing Order 27,- inkl. Inlandsversand

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Sonne
Sonnenaktivität
Auf dem Weg zum Minimum (Teil 2)
von Andreas Bulling
Wie sich bereits im ersten Teil dieser Artikelserie [1] in der dortigen Abbildung 1 angedeutet hat, entwickelte sich die Fleckenaktivität 2018 nach einem ähnlichen Muster wie schon im Jahr zuvor: Zur Jahresmitte trat ein Plateau der nach der P17-Methode geglätteten Monatsmittel auf, allerdings bei Relativzahlen (Re) von nur noch um 5 statt 15 (s. Abb. 1). Auch eine Abnahme in der zweiten Jahreshälfte wiederholte sich. Der durchschnittliche Wert für Juli 2018 bis Februar 2019 betrug nur noch 2,7 und der Jahresmittelwert 2018 der definitiven Relativzahlen 4,3 (2017: 14,9). Ob damit das Minimum bald erreicht ist, lässt sich noch nicht eindeutig erkennen. Folgt die Entwicklung der Zahl fleckenfreier Tage dem mittleren Verlauf der letzten drei Minima, ergibt sich als möglicher Zeitpunkt der Februar 2019 (Abb. 2) - somit hätte der neue Zyklus bereits begonnen.
Bei der Verteilung nach Hemisphären überwog weiterhin die Nordhalbkugel der Sonne, wenn auch nicht mehr so ausgeprägt wie bis Anfang 2017 (Abb. 3). Beim Vergleich mit früheren Zyklen sieht es so aus, dass die Phasen mit Überwiegen einer Hemisphäre ab 2001 länger andauern als zuvor (P17-Mittel). Im Schnitt gab es zwischen 1986 und 2001 alle 1,3 Jahre einen Wechsel der dominanten Hemisphäre, zwischen 2001 und 2018 alle 3,3 Jahre.
Herzlichen Dank an alle Beobachter für die Mitarbeit am SONNE-Netz! An Michael Delfs und Manfred Holl geht ein spezieller Dank für das Eintippen von Datenlisten.
Literaturhinweis: [1] A. Bulling, 2019: ,,Sonnenaktivität:
Auf dem Weg zum Minimum (Teil 1)", VdS-Journal für Astronomie 69 (2-2019), S. 98
118 | Journal für Astronomie Nr. 71

1 Verlauf der
Monatsmittel und P17-Mittel der Wolf'schen Relativzahl des SONNE-Netzes seit 2014. Bei den beiden letzten Datenpunkten handelt es sich um provisorische, ansonsten um definitive Werte.
2 Anzahl der flecken-
freien Tage pro Monat (P17-Mittel) für die Zyklen 22-24 (durchschnittlicher Verlauf gestrichelt) und für das bevorstehende Minimum von Zyklus 25, SONNE-Netz
3 P17-Monatsmit-
tel der Wolf'schen Relativzahlen des SONNE-Netzes nach Hemisphären (unten) und Anteil der Südhalbkugel an der gesamten Aktivität (oben) 1983-2018

Spektroskopie

Das ganze Spektrum in einem Schuss
Teil 2 - Echelle-Spektrografen kaufen oder bauen
von Thomas Eversberg

Wissenschaft muss nicht etwas für Profiastronomen bleiben - dank wachsender Kenntnisse bei Amateuren und erschwinglicher Instrumente können auch Amateure weit vorne mitmischen. Echelle-Spektrografen eröffnen Sternfreunden viele neue Möglichkeiten für faszinierende Messungen. Aber was kann man damit wissenschaftlich erreichen? Und sind Instrumente von der Stange der beste Weg?

Kaufen oder bauen? Wer sich für die Echelle-Spektroskopie entscheidet, braucht auch den passenden Spektrografen. Auch hier bieten sich der Kauf und der Selbstbau an. Geräte aus dem Handel sind Plug-and-Play-Systeme inklusive Nachführ- und Kalibrationseinheit und entsprechender Datenreduktions-Software. Das macht die Sache einfach, wird jedoch mit einem relativ hohen Preis erkauft. Ein Selbstbau erfordert Hirnschmalz, einigen Arbeitsaufwand und die Anpassung frei verfügbarer Software, reduziert die Kosten jedoch erheblich.

1 Das BACHES-Seriengerät mit Nachführ- und Kalibriereinheit
(Baader Planetarium, CAOS Group ESO/MPG)

Zwei Spektrografen am Markt Die populärsten käuflichen Echelle-Spektrografen für kleine Teleskope sind der BACHES der Firma Baader Planetarium und der eShel der Firma Shelyak Instruments. Leider gibt es für den extrem kleinen Spektroskopie-Markt kaum Gerätetests, obwohl beide Hersteller hohe Preise verlangen: So kostet der BACHES rund 12.500 Euro, der eShel schlägt sogar mit etwa 17.000 Euro zu Buche. Nun liegen für die beiden Instrumente Untersuchungen durch professionelle Astronomen vor, die einen neutralen Einblick in ihre Leistungsfähigkeit liefern ([1], [2], [3]). Damit lassen sich die Datenqualität, die Stabilität und der Gebrauchswert für Profis und Amateure hinsichtlich der jeweiligen Forschungsziele abschätzen. Die Systeme (Abb. 1 und 2 sowie Abb. 3 und 4) kommen mit kompletten und auch für

den Amateur leicht handhabbaren Datenreduktionspaketen. Sie unterscheiden sich grundlegend in ihrem Aufbau und in ihrer Anwendungsphilosophie: Der BACHES arbeitet direkt im Teleskopfokus, das komplette Gerät muss also am Teleskop angebracht werden. Der eShel hingegen wird über eine flexible Fiberoptik gefüttert, so dass das Gerät wie bei den Profis stationär und temperaturstabilisiert betrieben werden kann.

2 Das geöffnete
BACHES-Vorseriengerät (Baader Planetarium, CAOS Group ESO/MPG)
Die optischen Konfigurationen der beiden Geräte definieren deren Leistungen. So beträgt das bei BACHES über alle Ordnungen gemittelte Auflösungsvermögen / mit einem 25-m-Spalt etwa 20.000 (ein 50-m-Spalt kann bei schlechterem Seeing eingesetzt werden). Das heißt, dass sich bei einer bestimmten Wellenlänge noch Spektrallinien voneinander getrennt auflösen lassen, die nur ein 20.000-stel dieser Wellenlänge voneinander entfernt im Spektrum liegen.

Journal für Astronomie Nr. 71 | 119

Spektroskopie

3 Ansicht des eShel und seiner Kalibrationseinheit
(Shelyak Instruments)

Um die Messgenauigkeit von Radialgeschwindigkeiten zu testen, wurden für beide Spektrografen verschiedene Messreihen analysiert. Der Betrieb des BACHES direkt am sich bewegenden Teleskop wirkt sich signifikant auf seine Messgenauigkeit aus. Es zeigte sich, dass der eShel rund 20-mal genauere Radialgeschwindigkeiten liefert als der BACHES. Man sollte nun meinen, dass solche Abweichungen durch Kalibrationsspektren kompensiert werden können (Messung vor und nach der Datenaufnahme). Doch dem ist nicht so! Auch die Kalibrationsspektren des BACHES zeigen relativ große Verschiebungen. Ein Echelle-Spektrograf sollte beim Betrieb nicht bewegt werden.

Kollimator. Beide limitieren ihn damit auf Teleskope bis etwa 2,5 Meter Brennweite und etwa 25 Zentimeter Durchmesser bei einem in Mitteleuropa typischen Seeing von 2 Bogensekunden. Da der eShel stationär betrieben wird, kann der Nutzer den Spektrografen besser vor thermischen und mechanischen Einflüssen schützen, indem er ihn beispielsweise in einem abgeschlossenen Raum mit stabilisierter Temperatur betreibt. Außerdem eliminiert die Fiberoptik Seeing-Schwankungen, die die Wellenlängengenauigkeiten reduzieren. Das

erlaubt einen vielfältigeren Einsatz des Instruments und verbessert die Messgenauigkeiten signifikant. Der eShel kann ohne Lichtverlust auch an größeren Teleskopen bis 10 Meter Brennweite und 1,5 Meter Durchmesser optimal arbeiten.
Neue Exoplaneten entdecken? Exoplaneten sind zurzeit nicht nur bei Profiastronomen ein großes Thema. Können Amateure ebenfalls neue Exoplaneten mit ihren Echelle-Spektrografen entdecken? Die Antwort ist mit großer Wahr-

Außerdem driften die Positionen der Kalibrationslinien beim BACHES um rund 2 km/s pro Grad C und beim eShel um rund 0,75 km/s pro Grad C. Nächtliche Temperaturschwankungen am Teleskop sind für den BACHES also verheerend, während ein in einer isolierten Kiste stabilisierter eShel exzellente Genauigkeiten liefern kann. Ein Echelle-Spektrograf sollte beim Betrieb temperaturstabil betrieben werden.

Ihre mittleren spektralen Auflösungsvermögen können beide Geräte nur bei perfekten Beobachtungsbedingungen und perfekter Instrumentenanpassung an das Teleskop erreichen. BACHES liefert ein um 2/3 höheres über alle Ordnungen gemitteltes spektrales Auflösungsvermögen als eShel. Allerdings arbeitet er mit einem optischen Spalt und einem relativ kleinen

4 Transparente Ansicht des geöffneten eShel-Seriengeräts (Shelyak Instruments)

120 | Journal für Astronomie Nr. 71

Spektroskopie

5 Mit eShel gemessene Radialge-
schwindigkeiten am Stern Tau Bootis (Punkte) sowie der spektroskopische Orbit nach [4] (Linie). Die Streuung der Datenpunkte beträgt rund 0,4 km/s [2].

scheinlichkeit ,,nein". Um viele Absorptionslinien für Radialgeschwindigkeiten auch bei schwächeren Sternen nutzen zu können, müssen diese bei möglichst hohem Kontrast (Signal-zu-Rausch-Verhältnis - S/N) abgebildet werden. Das wiederum erfordert große Teleskope, weil das S/N linear vom Teleskopdurchmesser abhängt. Darüber hinaus erfordern die Messungen kleiner Radialgeschwindigkeiten allerhöchste mechanische und thermische Stabilitäten.

In der professionellen Forschung sind diese Instrumente daher immer Einzelanfertigungen für das eingesetzte Teleskop, was zu Preisen im sechsstelligen Bereich und höher führt.
Zeigt ein heller Stern jedoch sehr große von einem Exoplaneten verursachten Doppler-Schwankungen, kann dieser u. U. auch von Amateuren gemessen werden. Die Vorteile eines stationären Spektrografenbe-

triebs zeigen sich an Messungen des Sterns Tau Bootis mit dem eShel (Abb. 5), dessen Geschwindigkeitsschwankungen von einem ,,heißen Jupiter" verursacht werden. Die geringen periodischen Änderungen bei Tau Bootis können mit dem eShel schon an einem 60-cm-Teleskop eindeutig verifiziert werden. Analoge Messungen wurden auch schon mit stabilen und temperaturstabilisierten Selbstbau-Geräten erzielt.

Im Überblick: BACHES-Echelle-Spektrograf
Hersteller: Baader Planetarium GmbH, www.baader-planetarium.de
Zubehör: Kalibrationseinheit mit Thorium-Argon-Lampe und Halogen-Flatfield-Lampe (optional), Datenreduktionssoftware
Technische Daten: mittleres Auflösungsvermögen 20.000, Spaltbreiten von 25 µm, 50 µm, Einsatz direkt am Teleskop, f/10 Eingangsstrahl
Preis: 12.500 Euro für Spektrograf + Kalibrationseinheit
Getestet durch: S. K. Kozlowski et al. [1]
Messergebnisse: kurzfristige Streuung der Kalibrationslinien bis 6 km/s, hauptsächlich durch mechanische Verwindungen; nächtliche Drift von 18 km/s durch thermische Einflüsse; Genauigkeit der Radialgeschwindigkeiten 1,3 km/s (nur durch zusätzliche Stabilisierungen erreichbar)

Im Überblick: eShel-Echelle-Spektrograf
Hersteller: Shelyak Instruments, www.shelyak.com Zubehör: Kalibrationseinheit mit Thorium-Argon-Lampe und LED-Flatfield-Lampe (optional), Fiberoptik, Datenreduktionssoftware Technische Daten: mittleres Auflösungsvermögen 12.000, Anschluss über Glasfaser mit 50 m ,,Spaltdurchmesser", f/6 Eingangsstrahl Preis: 15.000 Euro für Komplettsystem Getestet durch: Pribulla et al. [2] Messergebnisse: nächtliche Drift der Kalibrationslinien bis 0,25 km/s durch thermische Einflüsse; Genauigkeit der Radialgeschwindigkeiten 0,4 km/s
Journal für Astronomie Nr. 71 | 121

Spektroskopie

Wegen seiner Bauweise ist der BACHES zu solchen Messungen nicht in der Lage. Indes, auch dieses Gerät ermöglicht simultane Linienmessungen über den gesamten Spektralbereich und liefert damit Daten, die dann für die Analyse vieler Spektrallinien genutzt werden können, wie die Beispiele Zeta Tauri und WR 134 zeigen. Und auch wenn mit den Geräten keine neuen Exoplaneten entdeckt werden können, bleiben immer noch Doppelsterne als spannende Ziele für möglichst genaue Messungen der Radialgeschwindigkeiten. Ob der um 4.500 Euro günstigere Preis des BACHES gegenüber dem eShel seine Defizite kompensiert, muss schlussendlich der Käufer entscheiden.
Zu teuer? Dann selbst bauen. Die Preise für käufliche Geräte sprengen die finanziellen Möglichkeiten der allermeisten Amateure. Trotzdem ist die Echelle-Spektroskopie auch für sie machbar. Wie wäre es mit einem Selbstbau? Obwohl die optischen Randbedingungen bei einem Echelle anspruchsvoller sind als bei einem Standard-Spektrografen, kann

man alle Geometrie- und Optikparameter selbst ausrechnen oder gleich der Literatur entnehmen (siehe [5] und [6]). Darüber hinaus finden sich in der VdS-Fachgruppe Spektroskopie viele Experten, die Unterstützung in Form diverser Werkzeuge und Beratung anbieten. Was daraus hervorgehen kann, zeigt der Echelle-Spektrograf in der Abbildung 6. Dieser Holzaufbau eines Mediziners kostete inklusive aller optischen Elemente nur wenige Hundert Euro und ist dabei voll einsetzbar. Das Beispiel zeigt, dass die Echelle-Spektroskopie zwar ein anspruchsvolles Gebiet für den Amateur darstellt, aber trotzdem keine Angelegenheit für Profis und Händler bleiben muss.
Literaturhinweise: [1] S. K. Kozlowski et al., 2014: "BACHES
- a compact echelle spectrograph for radial-velocity surveys with small telescopes", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 443, p. 158-167 [2] T. Pribulla et al., 2015: "Affordable echelle spectroscopy with a 60 cm

telescope", Astron. Nachrichten 336, S. 682-689 [3] Th. Eversberg, 2016: "Off-the-shelf Echelle Spectroscopy: Two Devices on the Test Block", Publ. Astron. Soc. Pacific 128, No. 969 [4] R. P. Butler et al., 2006: "Catalog of nearby exoplanets", Astrophys. J. 646, p. 505-522 [5] Th. Eversberg, K. Vollmann, 2014: "Spectroscopic Instrumentation - Fundamentals and Guidelines for Astronomers", Springer Praxis Books, Berlin [6] D. P. Sablowski, L. F. Schanne, 2018: ,,Astrophysikalische Instrumentierung und Messtechnik für die Spektroskopie: Theorie, Praxis, Technik und Beobachtung", Verlag Lothar F. Schanne

6 Gerade für Bastler kann es eine schöne Herausforderung darstellen, einen Echelle-Spektrografen selbst zu konstruieren - was auch
hohe Kosten spart. Der Mediziner Berthold Stober baute diesen Prototypen aus Holz und überführte das Design anschließend in einen Aufbau mit Elementen aus einem Metallbaukasten.
122 | Journal für Astronomie Nr. 71

Spektroskopie

Spektroskopie von Galaxien -
Teil 3: Die Rotationskurve von NGC 7331
von Michael König

Nachdem sich die ersten beiden Artikel [1, 2] dieser Serie mit den Spektren von Galaxienkernen beschäftigt haben, werde ich in diesem Artikel die Möglichkeiten beschreiben, die sich Amateurastronomen bieten, ortsaufgelöste Spektren zu gewinnen. Die Ortsauflösung, um die es hier geht, entsteht durch den Spalt des Spektrografen, der über ein flächiges Objekt gelegt wird. Dies ergibt dann faktisch eine Aneinanderreihung von Quellpunkten, die entlang des Spaltes liegen. Man erhält also keine Spektralinformation des gesamten Objektes, sondern nur von den Objektpunkten, über die man den Spalt gelegt hat. Der Vorteil ist der, dass die gewonnenen Spektralprofile das Objekt ,,abtasten" und die Auswertung damit eine Aussage erlaubt, wo welche Elemente im Objekt zu finden sind. Um mit den bescheidenen Mitteln, die sich uns Amateurastronomen bieten, im Falle von Galaxienspektren überhaupt auswertbare ortsaufgelöste Spektralprofile zu gewinnen, muss man eine Galaxie auswählen, die groß genug abgebildet werden kann und dabei genügend helle Details liefert.

1 NGC 7331 - Autoguideraufnahme (links) mit 2 s Belichtungszeit, (rechts) Überlagerung mit
einer NGC-7331-Aufnahme (Quelle: Wikipedia, Mai 2019, A. Block / Mount Lemmon SkyCenter)

Meine Wahl fiel auf NGC 7331, eine Spiralgalaxie im Sternbild Pegasus. Es handelt sich um einen SA(s)b-Typ, der in den Katalogen [4] mit einer Größe von 10,7' x 4,4' verzeichnet ist. Ihre visuelle Helligkeit ist mit 9,5 mag angegeben, ihre Flächenhelligkeit liegt bei 13,5 mag/arcmin2. Die Entfernung von NGC 7331 beträgt 49 Millionen Lichtjahre, woraus sich ein Scheibendurchmesser von ca. 140.000 Lichtjahren ergibt. Die Scheibenebene besitzt mit etwa 75 Grad eine große Inklination, wir beobachten diese Galaxie also fast ,,edge on", d. h. wir schauen nahezu in Richtung der rotierenden Scheibenebene (Abb. 1).
Als Beobachtungsinstrument nutzte ich einen 14-Zoll-Reflektor, an dem ich den LISA-Spektrografen montiert hatte. Zur

2 NGC 7331 - Spektrum. Die Ziffern beschreiben die horizontale Lage der 9 Spektralprofile,
beim Bild von NGC 7331 zeigen kleine Kreise die hellen Bereiche, die H-Signaturen aufweisen.

Journal für Astronomie Nr. 71 | 123

Spektroskopie

3 NGC 7331 - H-Bereich der Spektral-
profile. Oben: Profile 1, 2, 3, 4 - oberhalb der Kerns, Mitte: Profile 5, 6 - in Kernnähe, unten: Profile 7, 8, 9 - unterhalb des Kerns

H-Emissionslinie wird also nicht gelöscht, sondern es erfolgt eine Überlagerung mit der H-Absorptionslinie an selbiger Stelle im Spektrum. Im VdS-Spektroskopieforum habe ich diese Beobachtung beschrieben [5].

In der Abbildung 2 ist das Rohspektrum von NGC 7331 zu sehen, das sich durch Addition von sechs 20-min-Einzelspektren ergibt. Nahe der Bildmitte liegt der H-Bereich, und man erkennt bereits hier die schwachen Signaturen der HEmissionslinie (links neben den Ziffern). Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die Signaturen, vergleicht man ihre Lage oberhalb und unterhalb des hellen Kernspektrums, einen Versatz aufweisen. Die Linienstücke oberhalb befinden sich weiter rechts als jene unterhalb des hellen Kernprofils. Die Helligkeiten der Spiralarmsignaturen liegen im Bereich von 15-16 mag und befinden sich damit nahe der Grenze, die ich mit meinem Instrument bei diesen Belichtungszeiten erreichen kann.

Nachführung nutzte ich einen Autoguider, der das reflektierte Spaltbild zeigte und der, bei den 3 m Brennweite des Instrumentes, ein Bildfeld (engl. ,,field of view", kurz FoV) von etwa 10' ergab. In der Abbildung 1 (links) ist das Autoguider-Bild gezeigt, das sich mit einer Belichtungszeit von 2 s ergibt. Man erkennt nur den hellen Galaxienkern, von der Spiralebene von NGC 7331 ist nichts zu sehen. Auf der rechten Seite habe ich, zum Vergleich mit dem originalen Autoguiderbild, ein Foto von NGC 7331 maßstabsgerecht darübergelegt. Man erkennt, dass helle Bereiche verschiedener Spiralarme über dem Spalt liegen. Die Nord-Süd-Richtung (Norden ist unten, Osten rechts) entspricht fast der

Bildvertikalen. Die Ausrichtung des Spaltes erfolgte in der Art, dass ich versucht habe, den Kern der Galaxie nicht über dem Spalt zu platzieren, sondern den Spalt an ihm vorbeizuführen, und dabei doch mit dem Spalt möglichst die gesamte Scheibenebene zu überdecken. Dies war kein Versehen, sondern Absicht. Der Grund hierfür war eine frühere Beobachtung, die ich bei einem NGC-7331-Kernspektrum gemacht habe: Von der H-Emissionslinie, welche bei aktiven Galaxien erwartungsgemäß am auffälligsten im Spektrum ist, war kaum etwas festzustellen. Dies liegt darin begründet, dass durch die hohe Wasserstoffkonzentration im Bulge die zentrale H-Emissionslinie absorbiert wird. Die

Alle H-Emissionslinien gehen auf leuchtendes Wasserstoffgas zurück, das in Sternentstehungsgebieten zu finden ist. Die Wasserstoffatome werden dabei fast vollständig durch energiereiche Photonen junger, heißer Sterne ionisiert und bei der Rekombination von Elektron und Proton entsteht ein angeregtes Wasserstoffatom, bei dem das Elektron auf niedrigere Energieniveaus kaskadiert und somit die bekannten Wasserstofflinien entstehen. Die H-Linie gehört zur Balmer-Serie zum Übergang von n=3 nach n=2 (n ist die Hauptquantenzahl im Bohrschen Atommodell).
Das Foto von NGC 7331 in der Abbildung 2 zeigt auch, dass die H-Emission in bzw. in naher Umgebung der Spiralarme eine deutlichere H-Signatur im Spektralprofil hinterlässt als in den dunkleren Bereichen zwischen den Armen.

124 | Journal für Astronomie Nr. 71

Spektroskopie

Dieses erste Resultat war ermutigend und so begann ich die detaillierte Auswertung. Hierfür benutzte ich das Programm BASS [3] und erzeugte insgesamt 9 Spektralprofile. Die Lage dieser 9 Profile ist in der Abbildung 2 durch Ziffern angegeben. Das Profil umfasste nur eine Höhe von 50 Pixeln, was etwa der Ziffernhöhe entspricht. Zur Hintergrundsubtraktion benutzte ich für alle neun Profile zwei Spektralzonen, die an den Rändern des Spektralbandes lagen und die keine H-Spuren aufwiesen. Wie bisher auch, erfolgte die Kalibration mit Hilfe einer Neon-Glimmlampe, wodurch sich eine Genauigkeit der Wellenlängenmessungen von besser als 0,1 nm ergibt.
Da der Vergleich von mehreren Spektralprofilen schnell unübersichtlich werden kann, habe ich nicht alle Profile in einem Diagramm dargestellt, sondern auf drei verteilt, die in der Abbildung 3 zu sehen sind. Ich konzentriere mich bei der Auswertung auf den H-Wellenlängenbereich, in diesem Wellenlängenbereich liegen die für aktive Galaxien typischen Emissionslinien [NII] (654,8 nm und 658,4 nm) und H (656,3 nm). Zur Orientierung habe ich die Ruhewellenlänge von H in den Abbildungen als vertikale Linie mit dargestellt. Zur Skalierung der zusammen gezeigten Spektralprofile wurde die automatische Skalierung im BASS-Programm benutzt. Dadurch ergibt sich eine gute Vergleichbarkeit der Linienstrukturen, da das Signal-Rausch-Verhältnis klein ist und eine Auswertung eines einzelnen Profils erschwert. In der Abbildung 3 (oben) sind die Spektralprofile (1, 2, 3, 4) gezeigt, die oberhalb des Kerns liegen. Das am stärksten verrauschte Spektrum hat das Profil 1, die Profile 2, 3 und 4 sind besser definiert. Die unteren Bereiche der HEmissionslinien sind kaum vom Rauschen beeinflusst und daher gut zu erkennen. Die H-Linien (der drei Bereiche) liegen fast deckungsgleich übereinander. Die gemein-

Tabelle 1

NGC 7331 - Ergebnisse der Ha-Emissionslinien-Messungen der Spektralprofile (vgl. Abb. 3)

Profil

gemessene Wellenlänge Fluchtgeschwindigkeit/ relative Geschwindigkeit

(Nummer) von H/nm

(km/s)

zum Kern/(km/s)

1

658,69

1.096

298

2

658,67

1.086

288

3

658,51

1.013

215

4

658,60

1.054

256

5

798 (Literaturwert)

0

6

798 (Literaturwert)

0

7

657,42

515

-283

8

657,46

534

-264

9

657,50

552

-246

same Mitte ist bei ca. 658 nm bis 659 nm, in der Tabelle 1 sind die Messwerte der einzelnen Spektralprofile aufgeführt.
In den zwei Spektralprofilen 5 und 6 in der Abbildung 3 (Mitte) erkennt man keine H-Emissionslinie. Dies passt zu der oben beschriebenen Beobachtung, dass in Kernnähe die H-Emission unterdrückt zu sein scheint. Im Bereich von 659 nm bis 660 nm kann man jeweils die [NII]-Linie identifizieren, wenngleich deren Signatur schwächer ist als die der H-Linie aus den Profilen oben im Bild.

Gauß-Kurve angepasst (s. Tab. 1). Aus der Wellenlängenverschiebung der HEmissionslinie wurde die Fluchtgeschwindigkeit bestimmt. Der Mittelwert der ermittelten Geschwindigkeit der Profile 1, 2, 3 und 4 beträgt (1.062 +- 37) km/s. Für die Profile 7, 8 und 9 ergibt sich (534 +- 18) km/s. Die Mittelung zwischen der oberhalb und der unterhalb des Kerns liegenden Profile ergibt einen guten Schätzwert für die Fluchtgeschwindigkeit des Kerns. Man erhält (798 +- 41) km/s und weicht damit um 2,2% vom Literaturwert für NGC 7331 von 816 km/s ab (NASA NED [4]).

Unten im Bild sind schließlich die restlichen drei Spektralprofile 7, 8 und 9 dargestellt, deren Positionen unterhalb des Kerns liegen. Die Profile 7 und 8 zeigen am deutlichsten die H-Emissionslinie. Beim stärker verrauschten Profil 9 zeigt nur der Vergleich mit den anderen beiden Profilen, dass auch unterhalb des Kerns die HLinien übereinanderliegen. Im Vergleich zur Abbildung 3 oben befindet sich die HLinie weiter links, d. h. bei einer anderen, kürzeren Wellenlänge, die bei ca. 657 nm bis 658 nm liegt.

Die Differenz der Fluchtgeschwindigkeiten der Profile 1 bis 4 zu den Profilen 7 bis 9 beträgt 529 km/s und durch Halbieren dieses Wertes erhält man eine mittlere Rotationsgeschwindigkeit von +- 264 km/s im beobachteten Feld. Die Profile 1 bis 4, die oberhalb (südlich) des Kerns von NGC 7331 (vgl. Abb. 2) liegen, sind rotverschoben und die zugehörigen Quellpunkte bewegen sich vom Beobachter weg. Die unteren Profile 7 bis 9 sind blauverschoben und die gemessenen Punkte in der Scheibenebene bewegen sich auf uns zu.

Um die Lage der H-Emissionslinien zu messen, wurde an jedes einzelne Profil mit Hilfe des BASS-Programms eine

Mit diesen Messungen ist es nun möglich, die bekannte Rotationskurve darzustellen (Abb. 4). Für die Profile 5 und 6 liegen kei-

Journal für Astronomie Nr. 71 | 125

Spektroskopie ,,"

4 NGC 7331 - Rotationskurve.
Werte aus Tab. 1, die Abstände der Profilnummern entsprechen etwa 1 Bogenminute am Himmel.
,,Massen-Wachstums" genau erfolgt. Die Messungen der flachen Rotationskurven besitzen eine Analogie zu den Keplerschen Gesetzen der Planetenbewegung. Diese wurden zuerst auch empirisch festgestellt und später physikalisch als eine Konsequenz des Drehimpulserhaltungssatzes erklärt und wurden erst dadurch zu einem Naturgesetz [7].

ne Messwerte vor, sie markieren ungefähr die Position des Galaxienkerns. Die Werte rechts und links des Kerns zeigen die typischen Geschwindigkeitsniveaus, die als Hinweis auf Dunkle Materie gesehen werden, die die galaktische Scheibe umgibt. Sie verhindert einen Keplerschen Abfall der Rotationsgeschwindigkeit, die man bei einer im Zentrum konzentrierten Masse erwarten würde. Man glaubt heute, dass die Verteilung der Dunklen Materie an die Verteilung der baryonischen Materie gekoppelt ist, d.h. dort wo etwa Sterne zu finden sind, also in den Spiralarmen, findet man auch den Hinweis auf Dunkle Materie. Für NGC 7331 finden sich einige Veröffentlichungen, welche die Messung der Rotationskurve bestätigen und die ebenfalls mehr und bessere Messwerte auf der südlichen Rotationsscheibe von NGC 7331 aufweisen [6]. Dies ist vermutlich dadurch zu erklären, dass die Spiralarme auf dieser Seite besser ausgeprägt sind, hier ist die Dichte des neutralen Wasserstoffs größer, was über eine erhöhte Sternentstehungsrate zur vermehrten Ausbildung von HII-Regionen und damit zu einer auffälligeren H-Signatur führt. Aus dem Betrag der Rotationsgeschwindigkeit

kann man auf die Masse der Spiralgalaxie schließen: Je schneller die Rotation erfolgt, desto massereicher ist die Galaxie.
Zur Diskussion des Ergebnisses muss man anmerken, dass diese flachen Rotationskurven in Spiralgalxien sehr häufig zu finden sind. Es handelt sich aber um empirische Feststellungen, es gibt also keinen direkten Nachweis für ihre Ursache. Viele Astronomen favorisieren die Existenz von Dunkler Materie, was daraus folgt, dass die konstante Scheibenrotation sicher nicht zufällig ist, sondern durch eine linear zunehmende Masse erklärt werden kann. Diese wird umso größer, je weiter man in der Scheibenebene nach außen geht. Mathematisch gilt dabei der Zusammenhang
M ~ v2 R,
was bei konstanter Geschwindigkeit v bedeutet, dass man bei größerem Radius R immer mehr Masse M umschließt. Dieses Anwachsen der Masse ist andererseits limitiert, was man aus dem Umlaufen von Satellitengalaxien um eine Galaxie schließen kann. Es ist jedoch den Forschern noch unklar, wie und wo dieser Übergang dieses

Literaturhinweise und Internetlinks (Stand 19.8.2019): [1] M. König, 2019: ,,Spektroskopie von
Galaxien", VdS-Journal für Astronomie 68, S. 88 [2] M. König, 2019: ,,Spektroskopie von Galaxien - Teil 2: Spektrale Details und Klassifikation der Galaxienkerne", VdS-Journal für Astronomie 70, S. 127 [3] BASS-Software, 2019: https:// uk.groups.yahoo.com/neo/groups/ astrobodger/info [4] NASA-NED-Daten NGC7331, Mai 2019: https://ned.ipac.caltech.edu/ byname?objname=NGC7331 [5] M. König, Sep. 2018: ,,NGC7331 und H-Kalibration - hat jemand eine Idee?", https://forum.vdsastro.de/ viewtopic.php?f=4&t=5397 [6] W. J. G.de Blok et al., 2008: ,,High-Resolution Rotation Curves and Galaxy Mass Models from THINGS", Astron. J. 136, No. 6, p. 2648 [7] S. Mcgaugh, Mai 2019: ,,The Third Law of Galactic Rotation", https:// www.researchgate.net/publication/ 269416941_The_Third_Law_of_ Galactic_Rotation

126 | Journal für Astronomie Nr. 71

Sternbedeckungen

Die Fachgruppe Sternbedeckungen + + + aktuell + + +
von Eberhard H. R. Bredner

Wer als aktiver Beobachter von Sternbedeckungen dies liest, wird sich an die hellen Nächte im Sommer erinnern, in denen totale Sternbedeckungen nur unter sehr mühsamen Bedingungen überhaupt beobachtet werden konnten. Im IV. Quartal des laufenden Jahres wird das alles besser.

Die Fachgruppe empfiehlt Neueinsteigern in den Bereich Bedeckungen für jeden Monat des Quartals nur ein Ereignis, das (entsprechende Wetterbedingungen vorausgesetzt) auch mit kleinen Fernrohren oder sogar mit einem guten Fernglas zu beobachten ist. Lassen Sie sich überraschen:

-19. Oktober nach Mitternacht Zeta Tauri
-1. November abends 24 Sagittarii
-5. Dezember abends 33 Piscius

1 Bedeckungspfad des Ereignisses am Abend des 29.10.2019:
(87) Sylvia bedeckt TYC 1932-469-1. Bild: S. Preston

Einzelheiten zu den Bedeckungen werden monatlich im Forum der VdS veröffentlicht.
Für etwas fortgeschrittene Amateur-Astronomen in der Mitte der Bundesrepublik gibt es am 29./30. Oktober die Bedeckung eines Sterns mit der visuellen Helligkeit 10,1 mag durch den Kleinplaneten (87) Sylvia mit längerer Dauer zu beobachten (Abb. 1) . Sylvia war der erste Kleinplanet mit zwei bekannten Monden: Romulus und Remus. Grafiken wie in der Abbildung 1 (hier für das Sylvia-Ereignis) treiben Beobachter von Bedeckungen weltweit nächtens ,,aus den Betten". Im Bereich zwischen den beiden schwarzen Linien sagt die Vorausberechnung von Steve Preston (Seattle/USA) eine

Bedeckung mit einer maximalen Dauer von 23,3 Sekunden (!) voraus. Amateure und natürlich auch Profis aus Frankreich, Deutschland und Polen werden gemeinsam beobachten, immer auf einen klaren Himmel hoffend. Eine mögliche kurzfristige und überarbeitete Vorhersage und Tipps für die Beobachtung finden sich wie immer im VdS-Forum Sternbedeckungen. Wir bieten an, nach einem Abendessen eine gemeinsame Beobachtung der Mitwirkenden zu organisieren/zu begleiten. Lassen Sie sich verzaubern ...
Last but not least finden Sie im folgenden Beitrag von Dr. Eberhard Riedel auch wieder Anregungen zur Beobachtung streifender Sternbedeckungen, die in der Regel

eine nächtliche Exkursion erfordern. Über die hier veröffentlichten Informationen hinaus bieten wir natürlich weitergehende Hinweise und als Service auch gemeinsame Beobachtungen an. Die Faszination einer streifenden Sternbedeckung wird auch Sie erfassen. In jedem Fall hilft die Fachgruppe weiter
- mit Ihrer E-Mail beginnt dann alles!

Journal für Astronomie Nr. 71 | 127

Sternbedeckungen

Streifende Sternbedeckungen durch den Mond
im 4. Quartal 2019
von Eberhard Riedel
Karte mit den Grenzlinien der 7 Streifungsereignisse
Zwischen dem 19. Oktober und dem 2. Dezember stehen bundesweit gleich sieben sehenswerte streifende Bedeckungen von Sternen durch den Mond auf dem Programm. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse quer durch Deutschland, die der mittlere Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns bereits in einem kleinen bis mittleren Fernrohr zu verfolgen. Alle Streifungen finden am unbeleuchteten Mondrand und in großem Abstand zum hellen Mondterminator statt und sind daher relativ einfach ohne störendes Streulicht zu beobachten. Bis auf das Südrandereignis am 2. Dezember finden alle Streifungen am Nordrand des Mondes statt.

Allgemeines Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden.

Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter

Berücksichtigung der Höhe optimiert werden, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch in eine Google-Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
Die Software kann kostenlos unter www. grazprep.com heruntergeladen und installiert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind

dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen.
Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.

128 | Journal für Astronomie Nr. 71

Sternbedeckungen

Ereignis 1: 19.10.2019

Am frühen Morgen des 19. Oktober zieht ab 04:12 Uhr MESZ der zu 75% beleuchtete abnehmende Mond mit seinem Nordrand am 6,4 mag hellen Stern SAO 77358 vorbei. Die Streifung ist auf einer schmalen Linie von Weißenburg über Sinsheim, Bad Mergentheim, nördlich Forchheim bis südlich von Bayreuth zu verfolgen.

Die Abbildung 1 zeigt die Streifungssituation für die Länge 10 Grad Ost auf Meereshöhe. Auf der gewählten Breite von 49 Grad 29' 57,6'' Nord können entlang der blauweiß gestrichelten Sternbahn 18 Kontakte des Sterns mit dem Mondrand gesehen werden, so dass der Stern also 9-mal hinter den Mondstrukturen verschwindet und wieder erscheint (s. Inset-Tabelle).

1 Die scheinbare Sternbahn von SAO 77358 (blauweiß gestrichelte Linie)
bei Beobachtung ca. 1.900 Meter südlich der vorhergesagten Grenzlinie, mit 6-facher Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 2 km

Die roten Begrenzungslinien, die die scheinbare Sternbahn einrahmen, zeigen den Versatz der Sternbahn, wenn man den dargestellten Beobachtungsort um 2.000 Meter nach Norden bzw. Süden verändert. In diesem Fall ist erkennbar, dass der Beobachtungsort ca. 1.900 Meter weiter südlich gewählt wurde, damit diese Anzahl an Kontakten zustande kommt. Würde man sein Fernrohr im Bereich der auf das mittlere Mondniveau (weiß gepunktet) gerechneten Position (= Lage der oberen Begrenzungslinie) stellen, würde der Stern wegen des an dieser Stelle tiefliegenden Mondterrains nicht bedeckt werden.

SAO 77358 ist mit 0,1'' ein sehr enger Doppelstern. Die Komponenten sind mit 7,1 mag gleich hell und stehen im Positionswinkel von 90 Grad , weshalb das Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns zeitlich abgestuft erfolgen wird. Dem bloßen Auge wird das jedoch nicht auffallen. Erst das Vermessen der Kontaktzeiten mit elektronischen Mitteln (Video) könnte diesen Doppelstern auflösen.

In dieser Grafik ist das Mondrandprofil in 6-facher Überhöhung dargestellt, weshalb auch die Krümmung der scheinbaren Sternbahn grafisch erforderlich ist. Auf diese Weise kann besser beurteilt werden, wann und wieviele Bedeckungsereignisse im Einzelnen zu erwarten sind.

Einen weiteren Einfluss auf die zu beobachtenden Kontakte hat auch die Höhe des Beobachtungsortes, für die die aufzusuchende Beobachtungsposition korrigiert werden muss (zur Software s. linke Seite).

Journal für Astronomie Nr. 71 | 129

Sternbedeckungen

Ereignis 2: 20.10.2019

In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober bedeckt ab 00:54 Uhr MESZ der dann nur noch zu 66% beleuchtete abnehmende Mond den 7,0 mag hellen Stern SAO 78445. Die Streifung ist jedoch begrenzt auf das südöstliche Bayern und zieht über Oberaudorf, Traunstein und Waging nach Österreich.

Der Mondrandausschnitt in der Ab-

bildung 2 verdeutlicht die Situation

bei der geografischen Länge von 12 Grad

30' Ost. Auf der für das mittlere

Mondniveau vorausberechneten Zentrallinie werden jedoch keine Kontakte zu sehen sein. Die Grafik zeigt,

2 Die scheinbare Sternbahn von SAO 78445, 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 3 km

dass die Mondoberfläche an dieser

Stelle deutlich unterhalb des mittleren

Mondniveaus (weiß gepunktete Linie) liegt. Die scheinbare Das Mondrandprofil ist erneut in 6-facher Überhöhung dar-

Sternbahn ist für eine Position knapp 3.000 Meter weiter süd- gestellt. Die roten Begrenzungslinien deuten den Versatz der

lich gerechnet. Bei dieser Position können zwischen 00:54 und scheinbaren Sternbahn in einem Abstand von +- 3.000 m von

00:57 Uhr MESZ 10 und mehr Kontakte erwartet werden.

der dargestellten Streifungslinie an.

Ereignis 3: 20.10.2019

Nur knapp 4 Stunden später ist auf einer Linie von Jülich über Leverkusen, Göttingen und Quedlinburg bis südlich von Frankfurt/Oder die Bedeckung des 7,4 mag hellen Sterns SAO 78561 zu verfolgen. Die Abbildung 3 zeigt die scheinbare Sternbahn bei 10 Grad östlicher Länge auf der Breite 51 Grad 35' 12,2'' und damit knapp 400 Meter südlich der vorausberechneten Linie. Die roten Begrenzungslinien deuten den Versatz der scheinbaren Sternbahn in einem Abstand von +- 400 m von der dargestellten Streifungslinie an. Das Profil ist 12-fach überhöht gezeichnet.

3 Die scheinbare Sternbahn von SAO 78561, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 400 Meter

SAO 78561 ist nicht als Doppelstern bekannt. Nicht selten wurden jedoch bei Sternbedeckungen durch den Mond enge Doppelsterne entdeckt. Zu beobachten wäre dann ein langsameres oder nur teilweises Verschwinden und Wiederauftauchen des Sternlichtes.

130 | Journal für Astronomie Nr. 71

Sternbedeckungen

Ereignis 4: 21.10.2019

Dieses Ereignis ist am Morgen des 21. Oktober ab 05:04 Uhr MESZ auf einem Streifen von Erkelenz über Solingen, Volkmarsen, Göttingen und Jessen (Elster) bis nach Lübbenau/ Spreewald zu verfolgen.

Der auf dieser Linie bedeckte Stern ist der 7,0 mag helle SAO 79558. Der abnehmende Mond ist zu 54% beleuchtet. Nach der Abbildung 4 sollte man, um die größtmögliche Anzahl von Bedeckungen zu erzielen, ca. 2.100 Meter von der vorausberechneten Linie nach Süden ausweichen. Innerhalb von 3 Minuten sind dann 12 oder mehr Kontakte des Sterns mit dem Mondrand zu sehen.

4 Die scheinbare Sternbahn von SAO 79558, 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 2.000 m

Die roten Begrenzungslinien zeigen hier den Versatz der scheinbaren Sternbahn in einem Abstand von +- 2.000 m von der dargestellten Streifungslinie an. SAO 79558 ist mit 0,1'' ein sehr enger Doppelstern. Die Komponenten sind mit 7,7 mag

gleich hell und stehen im Positionswinkel von 87 Grad , weshalb bei elektronischer Vermessung das Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns zeitlich abgestuft erfolgen wird.

Ereignis 5: 17.11.2019

Die spektakulärste streifende Sternbedeckung vor dem Ende dieses Jahres ist am Abend des 17. November im nördlichsten Deutschland zu sehen. Bedeckt wird der 5,3 mag helle Stern Cancri (SAO 79959) auf einer Linie nördlich von Aurich über Wangerooge und nördlich von Schleswig. Schwierig dürfte die Beobachtung allein wegen der geringen Höhe des Sterns von nur knapp 7 Grad über dem Horizont werden. Der größte Horizontabstand ist auf der Halbinsel Angeln gegeben.

Die Grafik in der Abbildung 5 ist daher für eine Länge von 09 Grad 50' Ost ge-

5 Die scheinbare Sternbahn von Cancri (SAO 79959), 12-fache Mondhöhen-
dehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 1.000 m

rechnet und lässt erkennen, dass erneut wegen tief liegender Mondrandstrukturen auf der vorausberechneten Grenzlinie keine

Bedeckung stattfindet. Bei ca. 3.000 Metern südlich der für den mittleren Mondrand berechneten Linie kann der Stern aber ab

21:22 Uhr MEZ innerhalb einer guten Minute 10-mal hintereinander bedeckt werden. Die roten Begrenzungslinien haben einen

Abstand von +- 1.000 Metern. Die Profilhöhen sind 12-fach gedehnt dargestellt.

Journal für Astronomie Nr. 71 | 131

Sternbedeckungen

Ereignis 6: 22.11.2019

Am frühen Morgen des 22. November wird auf einer Linie von Bielefeld über Detmold, Clausthal-Zellerfeld und Bitterfeld-Wolfen der 7,5 mag helle Stern SAO 119227 streifend bedeckt. Der abnehmende Mond ist nur zu 24% beleuchtet, so dass die hellen Mondstrukturen genügend weit vom Bedeckungsort am Nordrand entfernt sind.

Die Abbildung 6 zeigt für die Länge 10 Grad Ost, dass sich eine Vielzahl Kontakten bei einer Ablage von knapp 1.400 Meter südlich der vorhergesagten Linie erwarten lässt.
SAO 119227 ist ein sehr enger Doppelstern, dessen Begleiter nur 12,8 mag hell ist und daher bei der Beobachtung nicht feststellbar sein wird.

6 Die scheinbare Sternbahn von SAO 119227, 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 1.500 m

Ereignis 7: 02.12.2019

Der Reigen des Jahres 2019 wird geschlossen mit einer streifenden Bedeckung am frühen Abend des 2. Dezember. Auf einer Linie von Aachen über Düsseldorf, Dortmund, Lüneburg und Rostock bedeckt der zu 35% beleuchtete zunehmende Mond mit seinem zerklüfteten Südrand den 7,4 mag hellen Stern SAO 164657.

Die Zahl der Kontakte kann man in

diesem Fall optimieren, wenn man

sich ca. 4.100 Meter nördlich der

vorausberechneten Grenzlinie posi-

tioniert. Die scheinbare Sternbahn an diesem Standort ist in der Abbildung 7 dargestellt. Vom ersten Verschwinden

7 Die scheinbare Sternbahn von SAO 164657, 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 4 km

gegen 19:51 Uhr MEZ dauert es 5 1/2

Minuten, bis der Stern nahe des südlichen Mondhorns dauer- SAO 164657 ist mit 0,03'' ein sehr enger Doppelstern. Die Kompo-

haft wiedererscheint. Aufgrund der ausgeprägten Mondrand- nenten sind 7,7 mag und 9,4 mag hell und stehen im Positionswin-

strukturen am Südrand kommt es aber bereits von der vorher- kel von 13 Grad , weshalb es an mehreren Stellen des Mondrandes zur

gesagten Linie aus beobachtet zu mehreren Kontakten mit dem zeitweisen Bedeckung nur der nördlichen Komponente kommen

Stern. In der Abbildung 7 entspricht diese Linie in etwa der unte- kann. Dieses äußert sich in einer manchmal nur teilweisen Ab-

ren roten Begrenzungslinie.

nahme der Sternhelligkeit anstelle des schlagartigen Verschwin-

dens und lässt den Stern geheimnisvoll pulsierend erscheinen.

132 | Journal für Astronomie Nr. 71

Veränderliche

Argelander-Tagung in Bornheim

Zum Gedächtnis des Aufrufs zur Beobachtung von veränderlichen Sternen durch den Bonner Astronomen F. Argelander vor 175 Jahren wird am 22. und 23. November 2019 eine Veränderlichen-Tagung veranstaltet. Ort ist das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, Adenauerallee 50, 53332 Bornheim (bei Bonn).

Fachleute und Amateure diskutieren auf dieser Tagung ihre neuesten Beobachtungen veränderlicher Sterne. Berichte und Planungen von Projekten, Kennenlernen und Austausch. Im Rahmen eines Begleitprogramms soll auch die Bevölkerung mit einbezogen werden. Unter anderem wird es eine astronomische Ausstellung im Rathaus der Stadt Bornheim geben.
Weitere Informationen unter www.bav-astro.eu Dietmar Bannuscher

1 Das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Bornheim,
Bild: Michael Geffert

Das Minimum von Theta1 Ori A = V1016 Ori
am 6. Februar 2019
von Wolfgang Vollmann

Der große Nebel im Schwertgehänge des Sternbilds Orion, Messier 42/43, ist eine der am meisten beobachteten Himmelsgegenden. Der helle Nebel in 1.300 Lichtjahren Entfernung ist schon im kleinen Fernrohr bei allen Vergrößerungen sehenswert und zeigt viele Einzelheiten dieser Sternentstehungsregion aus hellen und dunklen Nebeln.
Das berühmte Trapez im Zentrum des Orionnebels ist ein Mehrfachstern und besteht aus den vier hellsten Sternen eines aus mehreren tausend Sternen bestehenden Sternhaufens junger Sterne. Die massereichsten und hellsten dieser Sterne, besonders Theta1 Ori C, strahlen besonders viel energiereiches UV-Licht aus und ionisieren damit die Wolke aus hauptsächlich Wasserstoffgas. Daher leuchtet das Gas als Emissionsnebel (HII-Region).
Die veränderlichen Sterne A und B im Trapez des Orionnebels Die vier hellsten Sterne des Mehrfachsterns werden in Rektaszensionsfolge als A (der

vorangehende westlichste Stern) bis D bezeichnet. Der hellste Stern ist C mit 5,13 mag, dann kommt D mit 6,70 mag (Abb. 1). Der schwächste Stern B wurde als veränderlicher Stern BM Orionis mit einem Lichtwechsel von 7,96 bis 8,65 mag bereits 1918 entdeckt [4]. B ist ein sehr enger Doppelstern, bei dem wir nahezu von der Kante auf die Bahn sehen. Dadurch kommt es alle 6,47 Tage zu einer Bedeckung (Verfinsterung), die insgesamt etwa 15 Stunden

1 Zeichnung Trapez
22.-25.2.2003, Norden oben, Osten links, Bild: Klaus Wenzel, mit freundlicher Genehmigung
dauert. BM Ori ist also ein Bedeckungsveränderlicher ähnlich Algol (Beta Persei).
Stern A wurde erst in den 1970er-Jahren als weiterer bedeckungsveränderlicher Stern V1016 Orionis entdeckt [2]. Alle 65,43 Tage wird der normalerweise 6,72 mag helle Stern um nahezu eine Größenklasse schwächer, bis 7,65 mag. Die gesamte Bedeckung dauert etwa 16 Stunden. Die relativ lange Periode ist sicher auch für die späte Ent-

Journal für Astronomie Nr. 71 | 133

Veränderliche

Beobachtung eines Minimums von V1016 Ori am 6. Februar 2019 Schon lange wollte ich ein Minimum dieses Veränderlichen beobachten. Am 06.02.2019 hatte ich Wetterglück. Orion kulminierte etwa zum vorherberechneten Minimumstermin und daher waren Helligkeitsabfall und -zunahme zumindest zum Teil beobachtbar.

2 Visuelle Lichtkurve von V1016 Ori, Stufenschätzungsmethode,
Stufe 0 = hellerer Vergleichsstern Theta1 Ori D (6,70 mag), Stufe 10 = schwächerer Vergleichsstern Theta1 Ori B (7,96 mag). Das Minimum ist markiert.

Visuelle Beobachtung Mit dem 130-mm-Refraktor machte ich visuelle Helligkeitsschätzungen. Als helleren Vergleichsstern verwendete ich den Stern D im Trapez und als schwächeren Vergleichsstern B. Stern B ist der Bedeckungsveränderliche BM Ori, der sich aber während der Beobachtung im Maximallicht befand und konstant hell war. Bei hoher Vergrößerung von 260-fach war die Helligkeitsschätzung gut möglich und das Licht des Orionnebels störte wenig. Die Lichtkurve in den Abbildungen 2 und 3 zeigt das Minimum um 21:00 Uhr UT = 22:00 Uhr MEZ. Das ergibt einen Minimumstermin im Julianischen Datum bei JD 2458521,375 geozentrisch = 2458521,378 heliozentrisch.

3 Visuelle Lichtkurve aus Abb. 2, gespiegelt um den Minimumstermin
JD 2458521,375

deckung verantwortlich. Oder haben viele frühere Beobachter des Orion-Trapezes nicht genau genug hingesehen?
Recht selten kommt es zu einem nahezu gleichzeitigen Helligkeitsminimum der beiden Sterne BM und V1016 Ori. Klaus Wenzel konnte ein solches Ereignis am 11. Februar 2012 beobachten [7].

Auch die Nacht vom 30. auf den 31.12.2019 bietet die Gelegenheit, ein nahezu gleichzeitiges Minimum zu sehen. Für Theta1 Ori A (V1016 Ori) ist die maximale Verfinsterung für den 31.12. um 01:55 Uhr MEZ, für Theta1 Ori B (BM Ori) um 06:17 Uhr MEZ vorherberechnet. Eine Beobachtung empfiehlt sich bereits 2-4 Stunden vor und auch nach den genannten Terminen.

Beobachtung mit der DSLR-Kamera Ich versuchte, auch Fotos mit einer DSLR-Kamera Canon 600D zu machen. Dazu benützte ich ebenfalls den 130-mm-Refraktor im Primärfokus bei 1.040 mm Brennweite. Ich belichtete nur 2 Sekunden pro Bild bei einer Empfindlichkeit von ISO 400, um den Orionnebel nicht zu hell werden zu lassen (Abb. 4). Mit dem Auswertungsprogramm MUNIWIN [3] konnte ich trotz hellem Nebelhintergrund die Fotos gut vermessen. Natürlich streuten die Messungen mehr als üblich, aber durch Mittelwertbildung aus den mehr als 300 Fotos in Zeitabschnitten von 0,005 Tagen (7,2 Minuten) konnte ich eine gute Lichtkurve mit einer Genauigkeit von ca. 0,05 mag erstellen (Abb. 5 und 6).

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4 Foto der Trapezsterne - Ver-
gleich Maximum (links, 05.02.2019, 19:18 Uhr UT) mit Minimum (rechts, 06.02.2019, 20:54 Uhr UT)
Nach 6 Stunden bei -5 Grad C am Balkon (mit Pausen im Warmen dazwischen) war meine erste Beobachtung eines Minimums von Theta1 Ori A erfolgreich beendet. Das Helligkeitsminimum fand nur 1,5 Stunden nach der Kulmination des Orionnebels statt, so war sowohl der Helligkeitsabstieg als auch die Aufhellung beobachtbar.
Literaturhinweise und Internetlinks (geprüft 19.06.2019): [1] R. Burnham jr., 1978: ,,Burnham's
Celestial Handbook, Volume 2 - Chamaeleon through Orion", Dover [2] C. Lloyd, D. J. Stickland, 1999: ,,The Nature of the Bright Early-Type Eclipsing Binary Theta 1 Ori A = V1016 Orionis", IBVS.4809, http://adsabs. harvard.edu/full/1999IBVS.4809....1L [3] D. Motl: ,,Muniwin/C-Munipack software", http://c-munipack.sourceforge. net/ [4] F. Goos, 1918: ,,Veränderlichkeit des schwächsten der 4 Hauptsterne des Oriontrapezes", Astron. Nachrichten 207, S. 15, http://articles.adsabs. harvard.edu/pdf/1918AN....207...15G [5] E. Hartwig, 1919: ,,Veränderlichkeit eines der Sterne des Oriontrapezes", Astron. Nachrichten 209, S. 221 [6] D. S. Hall, L. M. Garrison Jr., 1969: ,,BM Orionis, the Eclipsing Binary in the Trapezium", Publ. Astron. Soc. Pacific 81, No. 483, p. 771, http://adsabs.harvard.edu/ abs/1969PASP...81..771H [7] K. Wenzel, 2012: ,,V1016 Ori und BM Ori - ein Doppelminimum im Trapez des Orionnebels", BAV-Rundbrief 3/2012, www.bav-astro.de/rb/ rb2012-3/159.pdf

Veränderliche
5 DSLR-Lichtkurve
von V1016 Ori. Das Minimum ist markiert. Die Helligkeitsmessungen des Prüfsterns Theta1 Ori B (K1) sind ebenfalls eingezeichnet, um die Genauigkeit der Messungen zu zeigen. Vergleichsstern war jeweils die Komponente D im Trapez.
6 DSLR-Lichtkur-
ve aus der Abb. 5, gespiegelt um den Minimumstermin 2458521,382
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Der Astronomie-Workshop 2019
des Astronomischen Arbeitskreises Salzkammergut
von Peter Riepe
Jedes Jahr zu Anfang Mai veranstaltet der Astronomische Arbeitskreis Salzkammergut (AAS) den beliebten Astronomie-Workshop. Austragungsort ist das Hotel/Restaurant Bramosen in Weyregg am Attersee. Die Teilnehmer kommen aus ganz Österreich, mittlerweile reisen aber auch zahlreiche Besucher aus Deutschland an (Abb. 4). Vom 3. bis 5. Mai 2019 war es wieder soweit.
Am Freitag startete ab 18 Uhr bereits das Vorprogramm mit dem ,,PixInsight-Treffen". Hier wird astrofotografisch Interessierten die Möglichkeit geboten, sich im Kreis erfahrener Kollegen mit dem bekannten Bildbearbeitungsprogramm und neuen Entwicklungen dazu auseinanderzusetzen. Auch Einsteiger sind immer herzlich willkommen. Wer wollte, konnte ab Einbruch der Dunkelheit an der Sternwartennacht mit Führung auf der Vereinssternwarte Gahberg teilnehmen.
Der Workshop selbst erstreckte sich wie gewohnt auf den Samstag. Erwin Filimon, Obmann des AAS, begrüßte die 90 angereisten Teilnehmer und eröffnete das Pro-
2 Teleskope, zugehöriges Instrumenta-
rium und Bildergebnisse aus den 1960er- bis 1970er-Jahren und im Gegensatz dazu heute. Bild: Dieter Retzl
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VdS vor Ort / Tagungsberichte

1 Links: Die eingeschneite Sternwarte des AAS
auf dem 860 m hohen Gahberg, hier mit Blick nach Norden. In der Tiefebene stecken die größeren Orte Lenzing und Vöcklabruck unter einer dichten Wolkendecke. Bild: Wolfgang Vogel

gramm mit dem Blick auf das abgelaufene Jahr: Was gab es Neues beim AAS? Neben einigen baulichen Maßnahmen (z. B. Parkplatzerweiterung) war der abgelaufene Winter erwähnenswert. Viel Schnee machte den Gahbergern zu schaffen (Abb. 1). Eine geeinte Mannschaft konnte jedoch mit Freischaufelaktionen den Zugang zur Sternwarte passierbar halten. Bernhard Hubl gab einen Rückblick auf die Cedic 2019. Diese speziell astrofotografische Veranstaltung fand im März 2019 in Linz statt und erfreut sich inzwischen eines großen Zuspruchs von Teilnehmern aus aller Welt. Hubl gab dann einen kurzen Statusbericht zum CCD-Guide 2019. Hartmut Bornemann, norddeutsches Mitglied der VdS-FG Astrofotografie, stellte den ,,ObjectTracker - eine neue Software für die Objektplanung" vor. Hiermit ausgestattet, kann der Astrofotograf sämtliche wichtigen Voraussetzungen für die Planung seiner Aufnahmen prüfen: Dämmerungszeiten, Objektposition am Himmel zu einer gewünschten Zeit, Dauer der Sichtbarkeit oberhalb einer förderlichen Horizonthöhe - um nur einige Punkte anzusprechen.
Im Anschluss an eine Kaffeepause berichtete Peter Riepe, VdS-FG Astrofotografie, über ,,Die Andromedagalaxie im Visier - Was man als Amateur in unserer Nachbargalaxie an Details entdecken kann" - Sternassoziationen, HII-Regionen, Kugelsternhaufen, alles abgeleitet aus direkten Amateuraufnahmen und mit Hilfe der gängigen professionellen Quellen recherchiert. Michael Jäger, der bekannte österreichische Kometenfotograf, gab einen Rückblick auf ,,Die Kometen 2018/2019 und: Wenn sich ein Kleinplanet wie ein Komet verhält".
In der großzügigen Mittagspause wurde seitens des Hotels ein warmes Buffet geboten. In dieser Zeit fanden sich die Workshop-

3 Der Galaxienhaufen Abell 370 im Sternbild Walfisch ist etwa 6 Milliarden Lichtjahre
entfernt. Seine Zentralzone weist einige hundert Galaxien auf. Die Ausschnittsvergrößerung zeigt zahlreiche Gravitationsbögen, die durch den ,,Linseneffekt" erzeugt werden. Das LRGBBild entstand auf dem Gelände des Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile. Teleskop war ein 80-cm-Reflektor (korrigierter Cassegrain von Astrooptik Keller mit Apertur f/7), dazu eine CCD-Kamera FLI PL-16803 mit Baader-Filtern. Belichtung: 500 min für L und je 120 min für RGB, d. h. 14 h 20 min Gesamtbelichtungszeit. Das Seeing bewegte sich zwischen 0,9 bis 1,4 Bogensekunden. Norden ist oben, Osten links. Aufnahme: chart32.de-Team, Bildbearbeitung: Johannes Schedler.

teilnehmer zu ausgiebigen Gesprächen zusammen. Nach dem Gruppenfoto setzte Harald Strauß (einer der Workshop-Organisatoren) den Vortragsreigen fort mit ,,Polarlichter im Spätsommer", wobei er seine eigenen Polarlichtreisen mit gelungenen Bildern vorstellte. Dieter Retzl berichtete

über seinen Werdegang: ,,60 Jahre Amateurastronomie - von der Fotoplatte bis zur Digitalfotografie". Bei so manchem wurden dabei eigene Erinnerungen wach, gerade mit Blick auf die alten Zeiten. Auch mit der alten Astro-Technik wurden ja durchaus gute Ergebnisse erzielt (Abb. 2). Oliver

Journal für Astronomie Nr. 71 | 137

VdS vor Ort / Tagungsberichte

4 Die Teilnehmer am Astronomie-Workshop 2019. Bild: Wolfgang Vogel

Schneider, Mitglied der VdS-FG Astrofotografie, erläuterte ,,Kurzzeitbelichtung von Deep-Sky-Objekten - Wie man der Luftunruhe ein Schnippchen schlägt". Dieses ,,Lucky Imaging" findet gerade bei der CMOS-Fotografie immer mehr Anhänger.
Eine weitere Kaffeepause bot Gelegenheit zu gemeinsamen Gesprächen. Danach stellte Jens Zippel sein Thema vor: ,,Astrofotografie am Rand der Großstadt - Herausforderung angenommen". Um im Umfeld seiner Heimatstadt Bremen erfolgreiche Ergebnisse zu erzielen, musste schon ein steiniger und langer Weg beschritten werden. Große Aufmerksamkeit wurde Sabine Frank von der VdS-FG Dark Sky zuteil. In ihrem Thema ,,Angewandter Nachtschutz - Best-Practice-Beispiel aus dem Sternenpark Rhön" vermittelte sie, wie eine erfolgreiche Kommunikation mit den beteiligten Kommunen und Anwohnern ablief, welche Maßnahmen zur Umrüstung der nächtlichen Beleuchtung ergriffen wurden und wie die rechtliche Seite zu berücksichtigen war. Johannes Schedler vom Team Chart 32 gab dann einen interessanten Einblick zu ,,Gravitationslinsen - Einsteins Teleskop in das frühe Universum - Eine Herausforderung für die Astrofotografie". Eigene Astroaufnahmen zeigten, mit welcher Komplexität und Detailbetrachtung es dabei zugeht (Abb. 3). Sehr erfreulich, dass der Referent

generell nicht nur gelungene Bilder zeigt, sondern zu den aufgenommenen Objekten auch gründliche Recherchen in den astronomischen Fachpublikationen betreibt.
Beim gemeinsamen Abendessen ab 20 Uhr fand man sich wieder in kleinen Gruppen zusammen. Die intensiven Gespräche drehten sich vorwiegend um astrofotografische und technische Themen. Eine dermaßen persönliche Runde ist durch keine noch so ausgedehnte Online-Kommunikation zu ersetzen! Wer mochte, konnte sich dann zur Sternwarte auf den Gahberg begeben, wo eine sachkundige Führung garantiert war. Ein Lob auch einigen weiblichen AAS-Mitgliedern, die mit leckerem Kaffee und Kuchen für eine rundum wohlige Atmosphäre sorgten.
Der Ausklang des Workshops erfolgte am Sonntag. Zunächst ging Bernhard Hubl noch einmal auf ,,Alles über den CCDGuide, inclusive Objekttracker" ein. Ziel war der Austausch zwischen CCD-GuideTeam, Anwendern und Interessenten. Ein Feedback mit Wünschen, Ideen und Fragen seitens der Anwender war ausdrücklich gewollt - auch mit Blick auf eine zielgerichtete Weiterentwicklung von CCD-Guide. Christoph Kaltseis hängte einen kleinen Workshop zur Bildbearbeitung an. Er gab Tipps und Tricks für Photoshop und the-

matisierte Vor- und Nachteile von Photoshop gegenüber PixInsight.
Zusammenfassend darf man wieder einmal feststellen, dass der Workshop rundherum gelungen war. Aus Sicht aller Teilnehmer einen herzlichen Dank an das Organisationsteam! Für mich als Besucher und Referent gleichermaßen steht eines im Vordergrund: Die persönlichen Beziehungen werden gepflegt. Und das ist bei so einer Veranstaltung viel wirkungsvoller und zufriedenstellender als allein per Mailverkehr über Foren und Mailinglisten! Deshalb freuen wir uns alle schon auf das kommende Jahr, wenn vom 1. bis 3. Mai der Astronomie-Workshop 2020 stattfindet.

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Zum Nachdenken

Die dünne Lufthülle der Erde
von Werner Braune

Vorgedanken Mir gefiel, dass ein Berliner Mädchen nicht zu einer Konferenz nach Zagreb flog, um das Klima zu schonen (Bericht im ,,Tagesspiegel" auf einer Doppelseite im Januar zum Thema ,,Klima").
Die von der Schülerin Greta Thunberg aus Schweden initiierten Freitage finde ich sehr gut. Dass jetzt Schulkinder für Verpasstes der Eltern und Großeltern herhalten müssen, gefällt mir gar nicht. Mich belastet als 77-Jährigen mein Unvermögen, mich gedanklich gegen eine Mehrheit von Gleichgültigen zu stellen, ohne konkret etwas tun zu können. Ich komme mir vor wie ein Widerstandskämpfer in der NS-Zeit oder der DDR, obwohl wir eine freie Gesellschaftsordnung haben.
Früheres tatkräftiges Handeln In den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts bildete sich über der Antarktis aufgrund der Emission von FCKW ein Ozonloch. Dies wurde generell geächtet, das FCKW in Kühlschränken bald verboten und das Ozonloch hat sich wieder weitgehend geschlossen. Doch heute ist das vergessen.

Der Reaktorunfall von Tschernobyl war in den Achtzigern. Die Anti-Atomtod-Bewegung kam auf. Heute denkt man eher an die Fukushima-Katastrophe durch einen Tsunami.
Greenpeace hat Entwickler zu einem 1-Liter-Auto angeregt. Es wurde vorgestellt, aber nie in Serie produziert. Auch das ist schon lange her.
Die Auswirkungen der Verteilung des Ausstoßes von Flugzeugen wurden schon in den 70ern erforscht und beschrieben (damals ein Beitrag in ,,Sterne und Weltraum").
Heute Proteste an falscher Stelle Wenn ich an Dieselfahrzeuge denke und Leute erlebe, die vehement fordern, dass sie mit ihrem Auto mit Dieselmotor unbedingt in die Stuttgarter Innenstadt fahren können müssten, graust es mir vor so viel Unverständnis.
Die Erderwärmung ist ein dynamischer Prozess. Es wird aber bei den zu erreichenden Klimazielen der Erwärmung von einer Temperatur von 1990 ausgegangen. Zum CO2-Ausstoß trägt der private Autoverkehr

viel bei. In Deutschland blieb trotz der Entwicklung sparsamerer Motoren der Ausstoß insgesamt unverändert, weil inzwischen mehr Autos zugelassen sind!
Der Flugverkehr - ein völlig unbeachtetes Problem Frau Merkel hat einmal als Umweltministerin angefangen, jetzt ist sie seit Jahren Bundeskanzlerin und immer reisefreudig mit dem Flugzeug.
Über den Luftverkehr mit CO2-Ausstoß und seine weltweite Verteilung durch Flugzeuge macht sich niemand Gedanken. Anfang des Jahrtausends wurde über die Polroute von Ostasien nach Europa geflogen. Also auch über der Arktis CO2-Ausstoß und, weil das Eis dort schmilzt, nun weiterer Schiffsverkehr.
Eine Stimme aus der Schweiz (,,Tagesspiegel", siehe oben) sieht eine Lösung darin, den Luftverkehr durch Ausbau der Infrastruktur bei der Bahn am Boden zu halten. Wenn das gelingt, liegt der Einzugsbereich aber nur bei von mir geschätzten 1.000 km.

10 km 9 8 7 6
5 km 4 3 2 1
0 km

Mt. Everest 10 km

Kilimandscharo

Eisschneegrenze Anbaugrenze

Berlin 45 km

20 km

30 km
Journal für Astronomie Nr. 71 | 139

Illustration: Sven Melchert nach Vorlage des Autors

Zum Nachdenken

Jetzt das gemeinhin Unvorstellbare Der Mensch denkt wie im Mittelalter in Kategorien, die er sieht! Wenn es in den Städten auch eng ist, guckt man auf das weite Land und die schier unendliche Ausdehnung der Ozeane.
Aber man vergegenwärtigt sich nicht, dass die Lufthülle der Erde nur rund 11 km hoch ist. Dort fliegen unsere Flugzeuge schon mit Druckkabinen und ein Bergsteiger braucht spätestens bei 8 km ein Sauerstoffgerät. Auf der Ebene ist der nächste Ort in 11 km leicht zu Fuß zu erreichen. Ein Wanderer braucht dazu keine zwei Stunden.
Und diese kleine Schicht des Lebensraums (die sogenannte Troposphäre) zerstören wir uns systematisch mangels Vorstellungsvermögen - einfach deshalb, weil die Erde am Äquator einen Umfang von 40.077 km hat. Ich schreibe das einmal untereinander:
40.077 km Erdumfang 11 km Lufthülle So wenig ist das.
Ein Erdausschnitt mit einem Radius von 6.356 km in 20 cm Größe passt damit auf eine Seite. Berlin ist dann 1,3 mm x 1,3 mm groß, die Lufthülle entspricht 0,3 mm. Das ist die Stärke der Buchstaben dieses Textes. Bei einem Globus für zu Hause ist so viel Land und eigentlich keine Lufthülle völlig unfassbar.
Wetter gibt es nur ganz unten Das Wetter mit Wolken spielt sich in Höhen um 1 km ab. Die Durchmischung der Luftschichten erfolgt durch Hoch- und Tiefdruckgebiete mit unterschiedlicher Drehrichtung und entsprechenden Winden. Die wirksame Höhe geht bis 10 km. Hier bilden sich Zirruswolken (Eisnadelwolken) in feiner Verteilung und Vorboten eines Tiefs. Waren diese Bereiche früher gut getrennt, mischt sich heute allerlei Wolkiges unterschiedlicher Entstehung dazwischen.
Wenn es einmal klare, saubere Luft polaren Ursprungs gibt, war dies früher mehrere

Tage lang so. Als Hobbyastronom seit den 50er-Jahren hatte ich nachts auch in Berlin klaren Sternhimmel. Heutzutage ist damit, wenn es gut geht, nach einem Tag Schluss. Am Erdboden hängt die Durchmischung der Luft stark von der Struktur der Landschaft ab. In Großstädten mit ihrer engen Bebauung ist dies das Hauptproblem für saubere Luft, weil der Wind nicht ausreichend durchkommt. Der Autoverkehr schafft zudem die in den Straßenschluchten hängen bleibenden akuten Belastungen. Durch die Verteilung der Kontinente ist die Nordhalbkugel der Erde viel stärker von der Erwärmung betroffen als die Südhalbkugel. Man darf sich nicht wundern, dass, wenn schon das Eis am Nordpol schmilzt, sich die Wärme hier eher bemerkbar macht. Ist das seit Jahrtausenden bestehende Gleichgewicht in der CO2-Bindung auf der Erde erst einmal außer Kraft gesetzt, wird ein Anhalten der Wirkungen kaum mehr zu stoppen sein.
BERLIN
Größtes Problem Luftverkehr Der Effekt der Verteilung des Ausstoßes von Flugzeugen wurde schon in den 70ern erforscht und beschrieben. Wie heute üblich, sollte man die Lösung des Themas nicht durch vermeintlich nötige Forschungen auf die lange Bank schieben. Fakt ist heute gegenüber früher, dass viel mehr geflogen wird.
Klima-Konferenz-Teilnehmer kommen mit ihren Repräsentanten von weltweit mit dem Flugzeug. Das gilt auch für jeden weltweiten Kongress oder jede Versammlung. Lösungen ohne persönliche Anwesenheit wären hinsichtlich ihrer Machbarkeit zu hinterfragen.
Der weltweite Tourismus trägt am Erheblichsten zum internationalen Flugverkehr bei; aber auch der Frachtverkehr ist beachtlich: Frisches Obst und Gemüse kommt mit dem Flugzeug!

Der Mensch ist das eigentliche Problem Aufgabe wäre es, darüber zu forschen, wie sich eine Welt ohne den ständigen Wachstumsgedanken darstellt.
Die Überwindung des politischen Denkens in den nur kurzen Legislaturperioden bis zur nächsten Wahl ist angesagt und die Einbeziehung von Erfahrungen aus der Vergangenheit. Der Gedanke zu freiwilligen Regelungen oder Verboten gehört auf den Prüfstand. Es geht um Zukunftsfragen der Menschheit, nicht nur der Bürger eines Landes. Die zurzeit geforderten ,,intelligenten Lösungen" für akute Probleme sind eher eine Ausrede.
Es kann nicht damit sein Bewenden haben, nur an sich als älteren Parlamentarier zu denken, den langfristige Probleme erst nach seinem Tod erreichen werden, sondern an unsere Enkel.
Den Menschen in seiner Einstellung zu ändern, ist je nach Kultur-Umfeld ein langfristiger Prozess. Die leider notwendige Schnelligkeit fehlt. Klimaschutz wurde schon zu lange versäumt.
Aufgaben für Sternfreunde Es ist wichtig, aufklärend auf den nicht leicht erkennbaren geringen Raum der Lufthülle unserer Erde einzugehen. Das Problembewusstsein für den Klimaschutz lässt sich bei fast jedem Thema der Astronomie ansprechen. Wenn man über sich an den Himmel schaut, ist die Rolle des Flugverkehrs für die Umwelt nicht zu übersehen.
Kleine Schritte genügen als Signale. Im alten Rom gab es einen Abgeordneten, der am Ende einer jeden Rede sagte: ,,Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss."
Das Motto heute könnte lauten: ,,Die Lufthülle ist viel kleiner, als wir denken. Nach 6 km in der Höhe bekommt man keine Luft mehr. Lasst sie uns schützen." Oder man lässt sich bitte etwas Passendes einfallen ...

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