Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 50
BEITRAG
1 Editorial (Otto Guthier)
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0 INHALTSVERZEICHNIS (Beitrag)
0 Supernova in M 106 (Beitrag)
0 Supernova in M 82 (Beitrag)
BEITRAG
5 Bericht zum Fachgruppentreffen (Melchert Sven)
6 Einführung ins Schwerpunktthema Geschichte der Astronomie (Steinicke Wolfgang)
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0 Das Simon-Marius-Jubiläum 2014 (Beitrag)
BEITRAG
7 Das Quartett der Zeiten am Prager Orloj (Jitka Ourednik, Vaclav Ourednik)
12 Die Rudolphinischen Tafeln von Johannes Kepler (Jürgen Reichert)
18 Johannes Kepler - ein rationaler Mystiker (Arnold Oberschelp)
22 Bildliche Darstellung des Nebels Messier 1 (Ernst-Jochen Beneke)
23 Die ersten 100 Jahre der Sternwarte Bogenhausen (Volker Witt)
28 Der wegweisende Veränderlichenbeobachter Friedrich Wilhelm August Argelander (Braune Werner)
31 Fotometrie - der Beginn der Astrophysik (Peter B. Lehmann)
33 Uranus mit bloßem Auge sichtbar (Ernst-Jochen Beneke)
34 Der Fernsehprofessor Heinz Haber (Regina Umland)
37 Die Geschichte der Amateurastronomie - Ein Workshop in der alten Stockholmer Sternwarte (Steinicke Wolfgang)
40 Neue Arbeitsgruppe Astronomiegeschichte in Berlin (Susanne M. Hoffmann)
41 Wie ein Original - Faksimile Neuester Himmels-Atlas 1799 (Steinicke Wolfgang)
42 Ein langes Leben für die Astronomie - Caroline Herschel - Memoiren und Briefwechsel (Steinicke Wolfgang)
43 Teleskop unterm Mikroskop (Susanne M. Hoffmann)
44 Bau einer Flatfieldbox für Teleskope bis 300 mm Öffnung (Volker Wickert)
47 Neues aus der FG Astrofotografie - "Das Astrofoto des Jahres 2013" (Thorsten Zilch)
50 TBG-Gruppe entdeckt drei LSB-Zwerggalaxien um NGC 4631 (Dirk Bautzmann, Bruno Mattern, Fabian Neyer, Robert Pölzl, Peter Riepe, Thorsten Zilch)
53 Der Reflexionsnebel Cederblad 201 (Andreas Rörig, Peter Riepe)
56 50 Jahre Halobeobachtungen (Gerhard Stemmler)
58 Impressionen - Strichspuraufnahmen (Thorsten Zilch)
60 Neues aus der Fachgruppe Deep-Sky (Otto Guthier)
61 Das Deep-Sky-Journal (Daniel Spitzer, Sebastian Rusche, Jens Bohle)
62 Kleine Planetarische Nebel (Gerhard Scheerle)
66 Von Raum-Zeit-Dehnung und Schwarzen Löchern - Die AG Kosmologie im ASL 2013 (Simone Rebeski, Wiebke Leemhuis, Julian Stürmer, Noyan Ugur, Theresa Gier)
67 Polartag auf Hawaii? (Caroline Reinert)
68 Der Mensch im Weltraum - eine biologische Betrachtung (Ananias Hildebrand, Alison Seidel, Markus Anton, Cedric Seehausen, Michael Levitanus, Tabea Mueller)
70 Neues aus der FG Kleine Planeten (Gerhard Lehmann)
71 Kosmische Begegnungen (Klaus Hohmann, Wolfgang Ries)
72 Kometenjäger zwischen Harz und Heide (Reiner Guse)
76 Kometen-Fotometrie mit Teleobjektiv und digitaler Spiegelreflexkamera (DSLR) (Wolfgang Vollmann)
78 Suchprogramm TOTAS entdeckt den ersten Kometen (Pilz Uwe)
80 Oppositionseffekt bei der Jupiteropposition am 5. Januar 2014 (Gährken Bernd)
82 Jupiter, aufgenommen von der Fachgruppe Astrofotografie (Peter Riepe)
84 Sonnenfinsternis November 2013 in Uganda (Silvia Otto)
86 Fische, Forschung, Georges Lemaître (Eversberg Thomas)
90 Die Auswertung spektroskopischer CCD-Aufnahmen (Lothar Schanne)
93 Fotometrie und Spektroskopie der Nova Delphini 2013 (Erik Wischnewski)
97 Die Supernova SN 2014J in der Galaxie M 82 (zusammengefasst von Werner E. Celnik)
100 SN 2013dy und SN 2013ej - zwei helle Supernovae im Sommer 2013 (Wenzel Klaus)
101 Interessante Veränderliche in der Himmelsvorschau (Braune Werner)
102 Impressionen - Meteor über Teneriffa (Gerhard Weber)
102 VdS-Vorstand aktuell (Siegfried Bergthal)
103 50. Ausgabe "VdS-Journal für Astronomie" (Otto Guthier)
103 Spenden an die Vereinigung der Sternfreunde e. V. (Thomas Keßler)
106 Das war’n noch Zeiten (zusammengestellt von Peter Völker)
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0 Wir begrüßen neue Mitglieder (Beitrag)
BEITRAG
110 CCD-Treffen der VdS-Fachgruppe im April 2013 in Kirchheim (Sven Güdel)
111 Die Geschichte der Nürnberger Volkssternwarte (Edgar Wunder, bearbeitet und ergänzt von Matthias Gräter)
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0 Die Tübinger Sternwarte als astronomische Bildungsstätte (Beitrag)
0 Privatsternwarte Bischbrunn (Beitrag)
0 Sternfreunde Durmersheim und Umgebung e. V. (Beitrag)
0 Sternwarte Amberg-Ursensollen (Beitrag)
0 Himmelsvorschau Juli - September 2014 (Beitrag)
BEITRAG
120 Astronomie auf der Kiripotib-Astrofarm (Eva Chwalla, Michael Chwalla)
126 Vom Halbwissen zur Begeisterung (Tom Fliege)
129 Zeichnung trifft Fotografie (Jens Leich)
131 Ein Lebenstraum für Astronomen - Interstellarum Deep Sky Atlas (Gallus Astrid)
132 Vorschau auf astronomische Veranstaltungen (zusammengestellt von Werner E. Celnik)
Textinhalt des Journals 50
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für Astronomie!
16 Inserentenverzeichnis 65 Impressum 133 Autorenhinweise 135 VdS-Fachgruppen-Referenten 135 VdS-Fachgruppen-Redakteure 136 Autorenverzeichnis
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Nach Redaktionsschluss
Supernova in M 82
Am 21. Januar 2014 wurde in der bekannten Galaxie Messier 82 im Großen Bären eine Supernova entdeckt. Nur zehn Tage später, am 31. Januar, konnte Rolf-Dieter Schad den explodierten Stern direkt neben dem Zentrum der Galaxie nachweisen. Die zweite Aufnahme zeigt die Supernova am 23. Februar, diesmal fotografisch festgehalten von Franz-Xaver Kohlhauf. Einen ausführlichen Bericht und viele weitere Aufnahmen lesen und sehen Sie ab Seite 97.
1 Die Supernova SN 2014J in M 82, aufgenommen am
31. Januar 2014 von Rolf-Dieter Schad. Teleskop: C14. Kamera: Canon 1000D bei ISO 1600; drei Bilder mit 30, 45 und 59 s wurden kombiniert.
2 Auch Franz-Xaver Kohlhauf verwendete ein C14 zur Aufnahme
von SN 2014J am 23. Februar; hier wurde die Brennweite mittels Fokalreduktor auf 2560 mm verkürzt. Kamera: Canon EOS 600D bei ISO 800; drei Aufnahmen zu je 180 s wurden kombiniert.
Supernova in M 106
Am 19. Mai wurde in einem weiteren Messierobjekt eine Supernova entdeckt: sie erhielt die Bezeichnung 2014bc. Die zugehörige Galaxie M 106 ist 25 Mio. Lichtjahre entfernt, Beobachter finden sie in den Jagdhunden, unterhalb der Deichsel des Großen Wagens. Diese SN erreichte allerdings nur eine Helligkeit von 14 mag. Zudem ist ihre Position so nah am hellen Kern der Galaxie, dass sie erst relativ spät entdeckt wurde; PrediscoveryAufnahmen zeigten sie bereits am 9. April.
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Den Schwierigkeiten zum Trotz konnte die Supernova vom 40-cm-Teleskop der Sternwarte Kletzen am 24. Mai nachgewiesen werden. Die Ausschnittsvergrößerung verdeutlicht die geringe Distanz zum Galaxienkern. 47 Aufnahmen zu je 240 Sekunden wurden kombiniert. Bildautor: Henri Schulz.
VdS-Journal Nr. 50
Nach Redaktionsschluss
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Bericht zum Fachgruppentreffen
von Sven Melchert
Am 24. Juni 2014 hat das jährliche Treffen der Fachgruppenredakteure und -referenten zusammen mit den Mitgliedern der Endredaktion stattgefunden. Die Runde war zu Gast in der StarkenburgSternwarte in Heppenheim. Die Treffen dienen einem Rückblick auf die letzten vier Ausgaben des Journal für Astronomie, allgemeinen Verbesserungen der Arbeitsabläufe, dem Festlegen der zukünftigen Schwerpunktthemen und der Planung von Aktivitäten der Fachgruppen auf Tagungen und in Publikationen der VdS.
Nach 50 Ausgaben unserer Mitgliederzeitschrift hat sich das Team optimal eingespielt, so dass nur noch Details zu verbessern sind. Einige Beispiele: In der Ausgabe 49 wurden Planetenbilder zu klein abgedruckt - in den eingereichten Artikeln werden zukünftig die Bildgrößen deutlicher gekennzeichnet. Auf die zukünftigen Schwerpunktthemen soll frühzeitig hingewiesen werden - bereits ab der Ausgabe 48 werden die drei nächsten Schwerpunktthemen in einem Kasten hervorgehoben. Auf gute Rechtschreibung und einheitliche Schreibweisen wird verstärkt geachtet - Uwe Pilz und Peter Riepe haben dazu eine ausführliche Anleitung verfasst (siehe auch Seite 133 in diesem Heft).
1 Die Teilnehmer des Fachgruppentreffens 2014. Von links nach rechts:
Robert Zebahl, Uwe Pilz, Sven Melchert, Andreas Hänel, Alexander Weis, Helmut Jahns, Gernot Meiser, Torsten Güths, Eberhard Bredner, Lothar Schanne, Sirko Molau, Peter Riepe und Otto Guthier.
Mit von der Partie war auch der neue Referent für die Fachgruppe Deep Sky, Robert Zebahl (siehe auch Seite 59). Gernot Meiser hat die Arbeit der ,,Astronomers without Borders" und deren internationale Projekte vorgestellt. Die VdS wird prüfen, wie sie sich hier einbringen kann. Für die Broschüre ,,Astronomie 2015" werden die Fachgruppen wieder Beobachtungsvorschläge machen und sich mit Vorträgen bei der Würzburger Frühjahrstagung einbringen.
Nachfolgend finden Sie eine Vorschau auf die zukünftigen Schwerpunktthemen. Auch Ihre Artikel und Bilder sind hier willkommen - wenden Sie sich dazu bitte an den zuständigen Fachgruppenredakteur. Die Kontaktadressen finden Sie auf Seite 135.
Schwerpunktthemen im Journal für Astronomie
Ausgabe
52 53 54 55 56 57 58 59
60 61 62
Thema
Planetarische Nebel Spektroskopie Dark Sky Sternwarten-Bau Südsternhimmel Mitgliedssternwarten Kleinplaneten Amateurastronomie international Künstliche Satelliten Sonnenfinsternisse Treffen und Messen
Fachgruppe
Astrofotografie Spektroskopie Dark Sky Amateurteleskope Astrofotografie Endredaktion Kleine Planeten Vorstand
Computerastronomie Sonne Endredaktion
FG-Redakteur
P. Riepe L. Schanne T. Güths H. Zellhuber P. Riepe D. Bannuscher G. Lehmann A. Weis/ G. Meiser H. Jahns M. Hörenz S. Melchert
Redaktionsschluss 1.08.2014 1.11.2014 1.02.2015 1.05.2015 1.08.2015 1.11.2015 1.02.2016 1.05.2016
1.08.2016 1.11.2016 1.02.2017
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Geschichte der Astronomie
Schwerpunktthema Geschichte der Astronomie
von Wolfgang Steinicke
Mit Heft 50 feiert das VdS-Journal ein wichtiges Jubiläum. Was liegt da näher, als die ,,Geschichte der Astronomie" zum Schwerpunktthema zu wählen (eine erste Gelegenheit gab es bereits vor 10 Jahren in Heft 16). Nach dessen Ankündigung erreichte mich eine Flut von Beiträgen. Eine weitere Quelle war die letztjährige Geschichtstagung in München-Bogenhausen. Meiner Aufforderung, aus ihrem Vortrag einen Artikel zu machen, sind Jürgen Reichert, Walter Oberschelp, Volker Witt und Regina Umland gefolgt. Herausgekommen ist eine bunte Palette von Themen, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit reichen. Die gewählte Reihenfolge spiegelt diese Chronologie wieder. Aus aktuellem Anlass wird auf das Simon-Marius-Jubiläum 2014 hingewiesen (siehe Kasten unten). Einen ausführlichen Bericht dazu finden Sie im nächsten VdS-Journal (Heft 51).
Die ersten Artikel des Schwerpunktthemas behandeln die Zeit von Johannes Kepler. Den Anfang macht ,,Das Quartett der Zeiten am Prager Orloj" von Jitka und Vaclav Ourednik. In ,,Die Rudolphinischen Tafeln von Johannes Kepler" stellt Jürgen Reichert das Ergebnis seiner jahrelangen Arbeit dar. Anschließend beschreibt Arnold Oberschelp Kepler als einen ,,rationalen Mystiker". In Richtung moderne Astronomie bewegt sich Ernst-Jochen Beneke mit einer bildlichen Darstellung des Nebels Messier 1. Anschließend berichtet
Volker Witt über ,,Die ersten 100 Jahre der Sternwarte Bogenhausen" und Werner Braune portraitiert den wegweisenden Veränderlichenbeobachter Friedrich Wilhelm August Argelander. Das Thema ,,Fotometrie - der Beginn der Astrophysik" hat sich Peter Lehmann ausgesucht. In Teil 1 geht es von Zach über Herschel bis Olbers; der zweite Teil folgt im nächsten Heft. Über ,,Uranus mit bloßem Auge sichtbar" berichtet Ernst-Jochen Beneke aus historischer Sicht. Aus der jüngeren Geschichte ist vielen wohl Heinz Haber bekannt. Regina Umland stellt den beliebten ,,Fernsehprofessor" vor. Anschließend berichtet Wolfgang Steinicke über eine interessante Tagung an der historischen Stockholmer Sternwarte zum Thema ,,Geschichte der Amateurastronomie" und Susanne Hoffmann stellt uns die ,,Neue Arbeitsgruppe Astronomiegeschichte in Berlin" vor. Den Abschluss bilden zwei Rezensionen von Wolfgang Steinicke: ,,Goldbach, Neuester Himmels-Atlas" und ,,Caroline Herschel - Memoiren und Briefwechsel".
Wie immer wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen. Bitte versorgen Sie mich auch weiterhin mit interessanten Artikeln. Informationen zur Fachgruppe Geschichte der Astronomie, insbesondere zur 11. Fachtagung in Dresden (vgl. Terminkalender in diesem Heft), finden Sie auf unserer Webseite http://geschichte.fg-vds.de.
VdS-Journal Nr. 50
Das Simon-Marius-Jubiläum
2014
Am 18. Februar 2014 wurde im Staatsarchiv Nürnberg das Marius-Portal der Öffentlichkeit vorgestellt. Unter der Adresse www.simon-marius.net wird der markgräfliche Hofastronom damit erstmals vollständig dokumentiert. Alle Werke, Sekundärliteratur, Presseberichte, Vorträge und Internetseiten werden nachgewiesen und, wo zulässig, angezeigt.
Simon Marius (1573 - 1624) entdeckte in Ansbach zeitgleich mit Galileo Galilei die vier großen Jupitermonde, publizierte seine Ergebnisse aber erst 1614 im ,,Mundus Iovialis", der damit im Jahr 2014 auf 400 Jahre Geschichte zurückblicken kann. Die Nürnberger Astronomische Gesellschaft hat daher mit ihren Partnern in Ansbach, Bamberg, Erlangen, Gunzenhausen, Ingolstadt, Münster und Nürnberg das ,,Simon-MariusJubiläum 2014" ausgerufen.
Das Quartett der Zeiten am Prager Orloj
von Jitka und Vaclav Ourednik
Die Prager Rathausuhr ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten, die von vielen Besuchern der historischen Stadt bewundert wird. Die altertümliche, mit dem Kosmos verbundene Uhr (tschechisch der Orloj) ist ein Meisterwerk der Kunst und Uhrmacherei des mittelalterlichen Europas. Die reich mit Plastiken geschmückte Fassade des Prager Rathauses zieht viele Blicke auf sich, und zu jeder vollen Tagesstunde öffnen sich über dem Zifferblatt die beiden blauen Fenster, und der Reigen der zwölf Apostel begeistert die Menschenmenge. Die meisten kennen auch die großen, reich verzierten Holzskulpturen, wie etwa den Sensenmann, den Erzengel Michael oder den Hahn. Andererseits ist nur wenigen bekannt, welche interessanten und wertvollen Informationen die astronomische
Uhr selbst seit Jahrhunderten liefert. Seit 1992 zählt der Prager Orloj, zusammen mit dem historischen Stadtzentrum, zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Fakten und Legenden Das Aufkommen von Turmuhren mit Gewichtsantrieb begann im Europa des 13. Jahrhunderts. Eine exzellente Idee war die Verbindung des Uhrwerks mit dem Kreissystem eines Astrolabiums. So entstand auch der Prager Orloj. Das Altstädter Rathaus erhielt seine erste Uhr im Jahr 1403 und mit dem Orloj rühmt es sich seit dem Jahr 1410. Der Autor und Baumeister der Uhr war lange unbekannt. Einer Legende nach soll sie der Uhrmacher Meister Hanus gebaut haben. Die Prager Kreisbeordneten hätten ihn anschließend blenden lassen, um zu
verhindern, dass er sein Werk anderswo wiederhole.
Historische Dokumente geben als wirklichen Autor des mechanischen Modells Jan Ondreju Grad v aus Hradec Kralove, genannt Sindel, an. Obwohl heute fast unbekannt, gehörte er in seiner Zeit zu den bedeutenden europäischen Gelehrten und wirkte als Universitätsprofessor der Mathematik und Astronomie. Seine astronomischen Messungen und Tabellen kamen auch Tycho Brahe zugute. Daneben war er persönlicher Arzt und Astrologe der Könige Vaclav IV. und Sigismund von Luxemburg. Mit dem eigentlichen Bau der Uhr wurde der Uhrmacher Mikulas z Kadane (Nikolaus von Kaaden) beauftragt. Erst nach einer Beschädigung der Uhr im Jahre 1490 erhielt
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Geschichte der Astronomie
weltweit eine der besterhaltenen astronomischen Uhren des Mittelalters.
Das Kalendarium Angefangen im unteren Teil des Orloj, finden wir das sich drehende Kalendarium. Die alte Kupferscheibe wurde 1866 durch eine neue ersetzt, mit Malereien des tschechischen Malers Josef Manes. Zwölf im Kreis angeordnete Medaillons als Symbole der Monate mit ländlichen Motiven umschließen zwölf Tierkreiszeichen. Das zentrale, unbewegliche Medaillon zeigt das Wappen der Prager Altstadt. Den äußeren Rand des Kalendariums bildet ein Ring, eingeteilt in 365 Tage, welche mit Datumszahl und Namen des entsprechenden Heiligen bezeichnet sind. Das jeweilige Datum markiert ein feststehender Zeiger. Außen, am Rand
dieses Jahresrings, hilft uns der Cisiojanus - ein Reimkalender mit einfachen Versen - die unbeweglichen Festtage und die Namen ihrer Heiligen herzuleiten.
Eine Besonderheit sind auch die sogenannten Sonntagsbuchstaben. Jedes Jahr wird so dem Sonntag einer der ersten Buchstaben des Alphabets (A-G) zugeteilt, die sich periodisch am Kalenderrand wiederholen. Im Jahr 2013 entspricht der Sonntag dem Buchstaben F, 2014 ist der Sonntagsbuchstabe E (1. Jan. A, 2. Jan. B usw.).
Das Astrolabium Das astronomische Zifferblatt Astrolabien stellen das ptolemäische, also das geozentrische Weltsystem dar. Das Tympanon, eine runde Scheibe, wo
1 Der Prager Orloj
(Bildautor: George M. Groutas)
Jan Ru Grad ze alias Meister Hanus, ebenfalls Mathematiker und Uhrmacher, den Auftrag, das Werk zu reparieren. Neben den Reparaturen fügte Hanus unter anderem auch unterhalb des astronomischen Ziffernblattes die Kalenderscheibe hinzu.
In den kommenden Jahrhunderten hing das Schicksal des Orlojs oft am seidenen Faden. In den langen Zeiten der Beschädigung dachte man oft über seine vollständige Entfernung nach. Trotz allem wurden jedoch immer wieder guter Wille und Geld für die Instandsetzung, den Unterhalt und sogar für Verbesserungen eingesetzt.
Am Ende des 2. Weltkriegs brannte das Altstädter Rathaus zum großen Teil nieder. Dies erforderte eine vollständige Rekonstruktion. Trotzdem gibt es heute noch etliche Originalteile im Uhrwerk, und so ist der Prager Orloj ohne Zweifel
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Hinweis
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 50 ,,Geschichte der Astron omie" abgeschlossen haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen:
,,Planetarische Nebel" in Journal 52 Redaktionsschluss: 01.08.2014 Redakteur: Peter Riepe, redaktion-astrofotografie@vds-astro.de
,,Spektroskopie" in Journal 53 Redaktionsschluss: 01.11.2014 Redakteure: Lothar Schanne / Daniel Sablowski, redaktion-spektroskopie@vds-astro.de
,,Dark Sky" in Journal Nr. 54 Redaktionsschluss: 01.02.2015 Redakteure: Torsten Güths, torsten.gueths@freenet.de Dr. Andreas Hänel, redaktion-darksky@vds-astro.de
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotog rafien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-Fachgruppen-Redakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden.
Mit dem Einsenden gibt jeder Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Ab-
druck im ,,VdS-Journal für Astronomie". Es besteht jedoch keine Veröffentli-
chungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürz-
ter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte
geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion
Geschichte der Astronomie
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Zeit- und Winkelskalen, der Horizont und ein Gradnetz aus Höhen- und Azimutlinien des Horizontsystems eingraviert sind, hält im Zentrum die drehbare Rete, eine durchbrochene Scheibe mit einem Netz der Positionen der wichtigsten Fixsterne und der wegen der Neigung der Erdachse exzentrisch angeordneten Ekliptik mit dem Tierkreis (Zodiak).
Das astronomische Zifferblatt im oberen Teil des Orloj entspricht einem vereinfachten Tympanon und der Tierkreis der Rete. Im blauen, zentralen Feld sieht man die Erde vom Nordpol aus, da es sich hier um eine stereografische Projektion der Kugeloberfläche von Norden auf die Äquatorebene handelt. Außerhalb der Erdabbildung entsprechen die drei kon-
2 Das Kalendarium (Bild: AAV Lü-Stailas)
zentrischen, goldenen Kreise von außen nach innen dem Wendekreis des Krebses, dem Äquator und dem Wendekreis des Steinbocks. Die Hauptachse des Zifferblatts führt durch Prag, den Ort der bürgerlichen Zeit, welche die Uhr angibt.
Die Zeiger Der Sonnenzeiger mit der Goldenen Hand ist der Hauptzeiger für die Zeitangabe und umläuft das Ziffernblatt in 24 Stunden. Entlang dieses Zeigers bewegt sich die Sonnenkugel entsprechend ihrer Höhe über dem Horizont auf und ab, immer dem äußeren Rand des Zodiaks folgend, wobei sie im Jahr alle Tierkreiszei-
chen durchläuft. Diese sind am Rand des Zodiaks mit Strahlen in sechs Bereiche unterteilt, welche jeweils etwa der Länge von fünf Tagen entsprechen und eine ungefähre Ablesung des Datums erlauben.
Das bewegliche Mondsymbol wandert ebenfalls auf dem Tierkreis entlang und zeigt die Mondphase entsprechend seiner Position in Bezug auf die Sonne an. Das Verschieben von Mond und Sonne entlang ihrer Zeiger ermöglicht auch ihre korrekte Positionierung gegenüber dem Horizont und erfolgt dank eines einfachen Mechanismus, bei dem zwei Stangen die beiden Kugeln fest mit dem
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geometrischen Zentrum des Zodiaks verbunden halten. Der dritte, mit dem Zodiak fest verbundene Zeiger gibt die Sternzeit an.
Vom Hauptuhrwerk werden die drei Zeiger über eine zentrale Achse und zwei sie umgebende Hohlwellen durch drei Zahnräder mit 366, 379 und 365 Radzähnen bewegt. Die jeweilige Anzahl der Zähne am Rad bestimmt die Umdrehungsdauer des entsprechenden Zeigers.
Anzeige von Tag und Nacht Der Himmel über und unter dem Horizont ist in verschiedenen Farben gehalten. Am Tag bewegt sich das Sonnensymbol im blauen Teil, beim Sonnenaufgang (ORTVS) und Sonnenuntergang (OCCASVS) im blaugrauen. Darunter, im orangen Feld, steht die Sonne während der Morgen- (AVRORA) und Abenddämmerung (CREPVSCVLVM). Das schwarze Feld schließlich erreicht sie während der astronomischen Nacht, wenn sie tiefer als 18 Grad unter dem Horizont steht. In Prag, auf 51 Grad nördlicher Breite, ist dies vom 1. Juni bis zum 13. Juli nicht der Fall. So bleibt auch die Sonne des Orloj in dieser Zeit außerhalb des schwarzen Bereichs.
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3 Das Astrolabium (Bild: AAV Lü-Stailas)
Das Quartett der Zeiten am Prager Orloj Die bürgerliche (auch deutsche oder mechanische) Sonnenzeit teilt den Tag in 24 gleich lange Stunden und beginnt und endet um Mitternacht. Sie wird von der goldenen Hand am Sonnenzeiger an den goldenen römischen Ziffern am äußeren Rand des Ziffernblatts angezeigt. Diese Zeit entspricht der mitteleuropäischen Zeit MEZ = Universal Time (UT) + 1, respektive der mitteleuropäischen Ortszeit (MOZ) auf dem Bezugslängengrad 15o Ost, welche der tatsächlichen Ortszeit von Prag (14o 25l Ost) 2 Min., 18 Sek. vorgeht. Der Gebrauch der bürgerlichen Zeit mit einheitlicher Stundenlänge (daher auch die Bezeichnung mechanische Sonnenzeit) wurde unter Kaiser Ferdinand I. im Jahr 1547 angeordnet.
Die altbabylonische Sonnenzeit (auch Planeten- oder temporale Stunden) wird am Orloj als einer der wenigen Uhren weltweit noch angezeigt und war früher in vielen Kulturen üblich. Der lichte Tag von Sonnenaufgang bis -untergang wird in zwölf Stunden aufgeteilt. Dem tragen die goldenen, im Zentrum des Tympa-
nons zusammenlaufenden Kurven Rechnung, die das Feld über dem Horizont in zwölf, mit schwarzen arabischen Ziffern beschriebene, Segmente aufteilen. Der altbabylonischen Zeit fehlt somit die Stundeneinteilung der Nacht. Die Länge der Stunden ändert sich entsprechend der Tagbogenlänge der Sonne. Je höher das Sonnensymbol über dem Horizont steht, desto länger ist der Tag und desto breiter sind die Stundensegmente. Nur während der Tag- und Nachtgleiche stimmt die Länge der altbabylonischen und der bürgerlichen Stunden überein. Diese Zeit wird am Schnittpunkt des Sonnenzeigers mit dem Rand des Tierkreises abgelesen.
Die alttschechische Zeit (auch böhmische oder italienische Stunden) beginnt und endet mit dem Sonnenuntergang und wird am äußersten beweglichen schwarzen Ring mit goldenen gotischen Zahlen abgelesen, dem sogenannten Vierundzwanziger. Dieser ist in 24 gleich lange Stunden unterteilt und macht im Verlauf eines Jahres eine Pendelbewegung im Bereich von 60o. So wird die erste alttschechische Stunde mit der Zeit des jeweiligen Sonnenuntergangs synchro-
Anzeige
nisiert. Sie ist mit zwei Bewegungen definiert: Die goldene Hand gibt die Stunde an, und die Länge des Tages bezüglich der Nacht wird von der Stellung des Vierundzwanzigers in Bezug auf den Horizont bestimmt. Am Orloj sieht man den Übergang von der altbabylonischen (temporale Stunden) zur bürgerlichen (mechanische Stunden) Zeitrechnung.
Sternzeit (siderische Zeit) wird mit Hilfe der römischen Ziffern durch den Sternzeiger, der fest mit dem Zodiak am Ort des Frühlingspunkts (beim Sternbild Widder) verbunden ist, angezeigt. Sie wird an der Position ferner Fixsterne am Himmel gemessen und entspricht als lokale Zeit der verflossenen Periode seit dem Meridiandurchgang des Frühlingspunkts. Ein Sterntag ist um ca. vier Minuten kürzer als ein mittlerer Sonnentag der MEZ und so macht der Zodiak eine Umdrehung in 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden. Dies kommt daher, dass sich die Erde während einer Umdrehung um ihre Achse gleichzeitig etwas auf ihrer Bahn um die Sonne bewegt. So dauert es gegenüber Fixsternen vier Minuten
länger, bis die Sonne wieder am gleichen Ort am Himmel steht wie zu Beginn des Sterntages. Im Verlauf eines Jahres macht dieser Unterschied einen ganzen Tag aus. Da das astronomische Zifferblatt auch einer gesüdeten Himmelskarte entspricht, beträgt die Sternzeit 0 Uhr, wenn der Zeiger mit dem Sternchen nach oben, also Richtung Süden, zeigt. Die Sternzeit und die Mitteleuropäische Zeit haben einmal im Jahr denselben Wert - bei der Tag- und Nachtgleiche im Herbst.
Die Mondphasen werden am Mondsymbol des Mondzeigers dargestellt. Dieser hat eine Umlaufperiode von 24 Stunden, 50 Minuten, und die Mondkugel durchläuft den Zodiak einmal in 29,5 Tagen, was dem synodischen Monat entspricht, also dem Intervall zwischen zwei gleichen Mondphasen. Neben der Himmelsposition des Trabanten wird mittels eines versteckten Drehmechanismus im Mondsymbol auch seine Phase durch die unterschiedliche Stellung der halb hellen, halb dunklen Halbkugel zum Betrachter dargestellt.
Die astronomische Uhr ist von einem Kranz kleinerer Plastiken eingefasst, die in der europäischen Liturgie und fernöstlichen Kulturen wichtige, oft beschützende Bedeutung haben. Im oberen Teil des Orloj-Portals, zwischen den blauen Fenstern der Apostel, befindet sich die älteste Plastik - ein steinerner Engel als Götterbote. Der Altstädter Orloj stellt so als bemerkenswertes Gesamtkunstwerk die Vollkommenheit des Kosmos dar und das Bestreben des Menschen, diese zu begreifen.
Anm.: Der Erforschung mittelalterlicher astronomischer Großuhren war im Oktober 2012 in Rostock ein internationales Symposium gewidmet. Die dort gehaltenen Vorträge werden in Kürze im Band 49 der ,,Acta Historica Astronomiae" erscheinen.
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Geschichte der Astronomie
Die Rudolphinischen Tafeln von Johannes Kepler
von Jürgen Reichert
Astronomische Tafeln waren im ausgehenden Mittelalter die Grundlage für die Kalenderrechnung. Die Kalender beschrieben dem Volk den Jahresablauf, die Zeiten der kirchlichen Feiertage und die Stellungen von Sonne, Mond und den Planeten. Sie waren besonders in der Landwirtschaft für die rechtzeitige Bestellung der Felder wichtig und spielten nicht zuletzt in der Astrologie eine Rolle. Hipparch (um 190 bis etwa 120 v. Chr.) und vor allem Claudius Ptolemäus (um 100 bis nach 160 n. Ch. in Alexandria) mit seinem Almagest legten die Grundlagen für die Berechnung der Planeten, die vorher als unberechenbar galten (Planeten: umherirrende Sterne). Während des ,,finsteren" Mittelalters in Mitteleuropa bewahrten die Araber diese Kenntnisse, sie waren auch die Herausgeber der ersten Tafeln auf europäischem Boden: den ,,Toledaner Tafeln" (11. Jh.) [al-Chwarizmi und al-Battani, von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt]. Um 1270 wurden sie von den Alphonsinischen Tafeln [berechnet von jüdischen Gelehrten, gefördert von Alphons X. von Kastilien und Leon (1221 bis 1284)] abgelöst, die jahrhundertelang die Kalenderrechnung beherrschten. Zwischenzeitlich zu erwähnen ist Regiomontanus (eigentlich Johannes Müller, 1436, Königsberg/Unterfranken, bis 1476, Rom) als Beobachter und Berechner und andere. Aber die Genauigkeit der Alphonsinischen Tafel ließ naturgemäß mit der Zeit nach und Kepler schreibt im Vorwort zu den Rudolphinischen Tafeln, dass ,,ihre Genauigkeit geringer war als ihr Ruf". Dann kam eine völlig neue Situation mit dem Kopernikanischen System
(De Revolutionibus 1543). Schon 1551 erschienen Tafeln - berechnet nach dem neuen System von Erasmus Reinhold
(1511 bis 1553), gefördert von Albrecht von Brandenburg-Ansbach - und daher ,,Prutenische" = ,,Preußische" Tafeln ge-
Andere Jahrbücher
Nautical Almanac ab 1767 England, USA, bis heute Berliner Astronomisches Jahrbuch ab 1776 bis 1960 Astronomical Almanac ab 1960
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1 Das Original-Titelblatt der Rudolphinischen Tafeln
Geschichte der Astronomie
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nannt. Aber auch sie wiesen bald erhebliche Fehler auf. So schreibt Kepler, dass der Mars im Jahr 1625 knapp fünf Grad von den Berechnungen der Prutenischen Tafeln abwich, ein Fehler, der weniger auf ungenaue Bahndaten des Mars als auf fehlerhafte Tabellen zur Berechnung des geozentrischen Ortes (Prosthaphärese) zurückzuführen sei.
Den Höhepunkt der Ära der Astronomischen Tafeln stellen ohne Zweifel die Rudolphinischen Tafeln von Kepler (1571 bis 1630) dar, die im Jahr 1627 erschienen. Sie sind etwa 100 Jahre lang zur Berechnung von Himmelserscheinungen benutzt worden, doch dazu später mehr. Die Tafeln wurden durch die Astronomischen Jahrbücher abgelöst, von de-
2 Das Frontispiz der Rudolphinischen Tafeln, der Tempel der Astronomie,
der in einem langen Gedicht beschrieben wird
nen das erste, die ,,Connaissance des Temps" bereits 1679 erschien und bis heute herausgegeben wird. 1700 erhielt in Deutschland die Berliner Akademie (heute das Astronomische Recheninstitut, Heidelberg) das ,,Kalenderpatent", von dem jedes Jahr etwa zwei Jahre im Voraus die ,,Astronomischen Grundlagen für den Kalender" herausgegeben werden (für das Jahr 2015 bereits erschienen).
Kommen wir nun zu den Rudolphinischen Tafeln. Es ist hier nicht der Raum, um auf die Enstehungsgeschichte der Tafeln näher einzugehen, nur soviel: Tycho Brahe erhielt 1598 von Kaiser Rudolf II. den Auftrag, neue astronomische Tafeln herauszugeben. Nach seinem Tod im Jahr 1601 übernahm Kepler diese Aufgabe. Kepler hat also dann noch 26 Jahre gebraucht, bis das Werk erschien, und er hat diese Zeit genutzt, um nach Meinung von Experten sein bestausgestattetes Werk mit hoher Druckqualität zu schaffen. Dass dann zum Schluss sich doch noch eine Menge Fehler und Unvollkommenheiten einschlichen, lag an den mannigfachen Knüppeln, die ihm die Erben Brahes in den Weg legten und an der überhasteten Fertigstellung, um die Frankfurter Buchmesse 1627 noch zu erreichen.
Doch warum dauerte das Erstellen der Tafeln so lang? Es lag Kepler sehr viel daran, die Tafeln auf ein solides wissenschaftliches, sprich physikalisches Fundament zu stellen. Er veröffentlicht fundamentale Werke, die seine Theorien untermauern: z.B. die ,,Astronomiae Pars Optica" (1604) und ,,Dioptrice" (1611), in denen er das Keplersche Fernrohr erfindet, die ,,Astronomia Nova" (1609), mit dem Untertitel: ,,Neue, ursächlich begründete Astronomie", in der er die ersten zwei seiner Gesetze ableitet, die ,,Harmonice Mundi" (1619) mit dem 3. Gesetz und besonders die ,,Epitome (Handbuch) Astronomiae Copernicanae" (1618), die astronomische Grundlage der Tafeln, die daher auch sehr häufig zitiert wird. Er erklärte im Jahre 1616, dass die Tafeln ,,in praxi fertig" seien, sah aber 1617 zum ersten Mal die Logarithmen Nepers und stellte daraufhin zur Erleichterung die Tafeln auf eine logarithmische Rechnung um. Sein größtes Problem aber waren die Störungen der Mondbahn, mit denen er bis zum Schluss
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3 Oben: Beispiel einer Rechnung im
60er-System: Die Länge des tropischen Jahres
4 Rechts: Ausschnitt aus der Tafel der
mittleren Bewegung des Saturn
nicht zu Rande kam. Sehen wir uns einige Seiten daraus näher an. Das Titelblatt (Abb. 1) (natürlich ist das ganze Werk in lateinisch geschrieben, wie es damals üblich war) besteht aus einem Satz mit der kurzgefassten Geschichte der Tafeln, den Autoren, Sponsoren usw., dann das berühmte Frontispiz (Abb. 2), der Tempel der Astronomie, in dem die ganze (damalige) Geschichte der Astronomie symbolisch dargestellt ist und in einem fünf Seiten langen Gedicht (in Hexametern) beschrieben wird.
Weitere 20 Seiten sind Widmungen und Vorwort. Dann folgen 111 Seiten ausführlicher Anleitungen zum Gebrauch
der Tafeln. Als Beispiel zeigt Abb. 3 einen Ausschnitt aus den Anleitungen mit der Länge des tropischen Jahres in logistischen Zahlen (Sechzigersystem). Den Hauptteil bilden die 120 Seiten Tabellen, darunter Logarithmentafeln (ln von sin, cos und tan, keine interpolierbaren Logarithmen von Zahlen >1), Planetentafeln: Mittlere Bewegung -4000 bis 2100 (Abb. 4 Ausschnitt für Saturn), dazu Mittelpunktsgleichung und Breitentafeln.
Hinzu kommt ein Ortskatalog mit 538 Einträgen, die meisten haben wir identifiziert, bis auf vier und einige fragliche sowie ein Sternkatalog mit 1000 von Tycho beobachteten Sternen. Interessante
Beobachtungen sind in den Rudolphinischen Tafeln zu finden. So berichtet Kepler über eine Beobachtung Mästlins in Tübingen von einer nahen Begegnung von Mars und Venus im Jahr 1590, die er mit den Tafeln nachrechnete. Die Nachrechnung mit genauesten Zahlenwerten von heute ergibt eine schöne Übereinstimmung von Beobachtung und Rechnung (Abb. 5 und 6).
Wie schon erwähnt, waren die Tafeln etwa 100 Jahre in Gebrauch. Ich habe im Internet eine Ephemeride für das Jahr 1713 gefunden, die mit den Rudolphinischen Tafeln berechnet wurde (Abb. 7).
5 Beschreibung der Konjunktion von Venus und Mars im Jahr 1590
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Geschichte der Astronomie
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6 Exakte Nachrechnung der Konjunktion, die von Keplers Lehrer Mästlin in Tübingen beobachtet wurde
7 Oben: Eine für das Jahr 1713 gerechnete Ephemeride
auf der Grundlage der Rudolphinischen Tafeln
8 Rechts: 1651 erschienene, vereinfachte Ausgabe
der Rudolphinischen Tafeln von der recht bekannten Astronomin Maria Kunitz. ,,Urania propitia" bedeutet ,,Die gnädige Urania".
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Geschichte der Astronomie
Kepler hatte 1000 Bögen drucken lassen, wie viele davon verkauft wurden, wissen wir jedoch nicht. Nachgewiesen sind in der ,,Bibliographia Kepleriana" von 1998 noch 196 vorhandene Exemplare. Der Verkauf zu Keplers Zeiten ging jedenfalls sehr schleppend voran, wohl auch wegen der schwer verständlichen, wissenschaftlichen Ausdrucksweise Keplers und den Logarithmen. So ist es nicht verwunderlich, dass bald vereinfachte Abdrucke erschienen. 1650 eine verkürzte Version mit Übersetzung ins Französische, 1675 wurde diese Ausgabe ins Englische übersetzt. 1651 brachte die berühmte deutsche Astronomin Maria Kunitz oder Cunitia ebenfalls eine vereinfachte Version heraus mit Anleitungen in lateinischer und deutscher Sprache und ,,ganz ohne Logarithmen" (Abb. 8).
Obwohl Kepler so großen Wert auf seine physikalischen Theorien und Erklärungen der Naturphänomene legte, verfiel er doch manchmal in geradezu mystische Spekulationen über bestimmte Phänomene und suchte nach Ordnungsprinzipien.
Beispiele: Die meisten Planeten, Sonne und Mond stehen zurückgerechnet am 24. Juli 3993 v. Chr. um 0h 23m 26s genau im Nullpunkt (Äquinoktium). Für Kepler ist dies der Anfang der Schöpfung. Da Erde, Mond und Sonne dabei auch in einer Linie stehen, tritt in diesem Augenblick in Äthiopien eine Sonnenfinsternis ein. (Wohl mit einem Augenzwinkern bemerkt er in einer Randbemerkung, dass deshalb die Äthiopier schwarz sind).
Ein weiterer Fall ist die Änderung der Schiefe der Ekliptik. Kepler ist sich nicht sicher, ob sie sich überhaupt ändert und wenn ja, auf welche Weise. Er hat ein paar spärliche Daten unbekannten Ursprungs und ein paar Theorien. So bringt er fünf verschiedene Varianten und überlässt es dem Leser, die ihm passende daraus zu wählen. Seinem Ordnungsprinzip folgend nimmt er in einer Variante für die mittlere Schiefe an, dass sie den Erdumfang so teilt, dass zwei temperierte Zonen genau drei nichttemperierten Zonen entsprechen und das Minimum ist mit 22 Grad 30l genau 1/16 des Kreises.
Wegen ihres recht schwierigen Textes, der stark mathematisch und fachastronomisch geprägt ist, gibt es bis heute keine komplette Übersetzung der Ru-
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Historie der astronomischen Tafelwerke zum Zweck u. a. der Kalendererstellung
11. Jh. um 1260 1475 1551 1627
ab 1679 1700
ab 1767 ab 1776 ab 1960
Toledaner Tafeln, von arabischen Astronomen berechnet Alfonsinische Tafeln, von jüdischen Gelehrten berechnet Regiomontanus (Kalender) Prutenische Tafeln von Erasmus Reinhard Rudolphinische Tafeln von Johannes Kepler, danach übernehmen Astronomische Jahrbücher diese Aufgabe Connaissance de Temps (Frankreich) bis heute Kalenderpatent an Berliner Akademie (heute ARI Heidelberg) ,,Astronomische Grundlagen für den Kalender" (erscheint noch heute) Nautical Almanac (England) Berliner Astronomisches Jahrbuch (bis 1960) Astronomical Almanac, weltweit grundlegendes astronomisches Jahrbuch
dolphinischen Tafeln ins Deutsche. Eine Gruppe von Altphilologen und Naturwissenschaftlern hat sich nun darangesetzt, dieses Hauptwerk von Kepler, wie er es selbst in einem Brief bezeichnet, endlich auch in deutscher Sprache zugänglich zu machen. Die ursprüngliche Absicht der Übersetzung war es, die Genauigkeit der Rudolphinischen Tafeln über längere Zeiträume und für alle Planeten, Sonne und Mond zu testen. Bisher sind nur ein paar zaghafte Versuche dazu gemacht worden von Bialas in seiner Dissertation 1969, von Gingerich für den Mars und Tuckerman für den Mond, jeweils nur für kurze Zeiträume. Die Nachrechnung ist jedoch nicht trivial, man kann nicht einfach mit einer modernen Ephemeride zurückrechnen. Zuerst muss man einmal das von Kepler verwendete Koordinatensystem genau festlegen. Das ist schon gar nicht so leicht. Um dann die Genauigkeit der Planetenbahnen zu erhalten, sollte man auch die Ungenauigkeiten der Präzession und der Schiefe der Ekliptik einzeln bestimmen und herausrechnen. Obwohl fast alle der Tabellen einzeln mit Excel-Tabellen nachgerechnet wurden, war bisher während der Übersetzung keine Zeit für eine solche aufwendige Gesamtrechnung. Vielleicht haben wir jetzt Zeit dazu oder jemand anders nimmt sich die Übersetzung vor und geht dieser interessanten Frage auf den Grund.
Inserentenverzeichnis
astronomie.de, Neunkirchen
21
Astro-Shop, Hamburg
U2
Astroshop.de nimax GmbH,
17
Landsberg
Baader Planetarium,
U4
Mammendorf
Bresser GmbH, Reede
59
Gerd Neumann jr.
49
Koring, Marocco
16
Kosmos Verlag, Stuttgart
11
Optical Vision Ltd., UK
U3
Optische Geräte Wolfgang Lille, 75 Heinbockel
Spektrum der Wissenschaft Ver- 27 lagsgesellschaft mbH, Heidelberg 79
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Geschichte der Astronomie
Johannes Kepler - ein rationaler Mystiker
von Arnold Oberschelp
Johannes Kepler (1571-1630) war ein vorzüglicher Mathematiker und Himmelsmechaniker und ein unermüdlicher Rechner (Abb. 1). Die sehr genauen Beobachtungsdaten von Tycho Brahe (1546-1601) führten ihn zu der Ellipsenbahn und dem Flächengesetz für den Mars, dargestellt in der ,,Nova Astronomia" von 1609. Kepler nahm Messwerte sehr ernst, er hat nie Messdaten erfunden oder manipuliert. Doch hat er oft versucht, unbekannte Zusammenhänge zu erraten. Er war stets auf der Suche nach dem Bauplan des Schöpfers für das Universum, dem - so glaubte er fest - erkennbare Harmonien zugrunde liegen müssten. Das soll hier an vier Beispielen gezeigt werden. Keplers Vorstellungen und seine Suche nach Harmonien kommen uns mystisch und abwegig vor. Wir wissen heute: So ist der Bauplan des Universums nicht. Aber wissen wir heute, ob es überhaupt einen Bauplan gibt und wie dieser ausieht?
Das dritte Keplersche Gesetz Dieses Gesetz verbindet die mittlere Sonnenentfernung eines Planeten mit seiner Umlaufzeit. In Keplers eigenen Worten (Übersetzung von Max Caspar): ,,Wenn man also von der Umlaufzeit beispielweise der Erde, die ein Jahr beträgt, und von der Umlaufzeit des Saturn, die 30 Jahre beträgt, den dritten Teil der Proportion, das heißt, die Kubikwurzeln nimmt und von dieser Proportion das Doppelte bildet, indem man jene Wurzeln ins Quadrat erhebt, so erhält man in den sich ergebenden Zahlen die vollkommen richtige Proportion der mittleren Abstände der Erde und des Saturns von der Sonne. Denn die Kubikwurzel aus 1 ist 1, das Quadrat hiervon 1. Die Kubikwurzel aus 30 ist etwas größer als 3, das Quadrat hiervon also etwas größer als 9. Und Saturn ist in seinem mittleren Abstand von der Sonne ein wenig höher als das Neunfache des mittleren Abstandes der Erde von der Sonne."
Ein weiteres Beispiel: Der Jupiter braucht etwa zwölf Jahre für einen Sonnenumlauf. Das Quadrat von zwölf ist 144, die dritte Wurzel daraus etwas größer als
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1 Johannes Kepler
fünf. Also ist die mittlere Sonnenentfernung des Jupiters etwas größer als fünf Astronomische Einheiten.
Wie kam Kepler auf dieses Gesetz? Durch mystische Spekulation! Das dritte Keplersche Planetengesetz ist in seinem Werk ,,Harmonice Mundi" (Weltharmonik) von 1619 enthalten. Wenn man heute in das Werk schaut, so weiß man oft gar nicht, was das mit Astronomie zu tun hat. Man findet darin z. B. mathematisch durchaus interessante Untersuchungen über regelmäßige und halbregelmäßige Figuren und Körper. Kepler versucht auch, die Planetenbewegungen durch musikalische Begriffe auszudrücken. Das kommt uns heute befremdlich und astronomisch irrelevant vor. Der Astronom George Abell (1927-1983) schrieb 1964 in einem Lehrbuch (Exploration of the Universe): "Unfortunately, the harmonic law is practically the only thing of value in "Harmony of the World". Most of the book deals with mystic nonsense."
Und doch haben diese unermüdlichen mystischen Spekulationen Kepler zu seinem dritten Planetengesetz geführt. Kepler merkte plötzlich, dass er auf etwas von größter Bedeutung gestoßen war, nach dem er lange gesucht hatte. Er hielt
deshalb auch die genauen Daten fest und schrieb: ,,Nachdem ich in unablässiger Arbeit einer sehr langen Zeit die wahren Intervalle der Bahnen mit Hilfe der Beobachtungen Brahes ermittelt hatte, zeigt sich mir endlich, endlich die wahre Proportion der Umlaufzeiten in ihrer Beziehung zu der Proportion der Bahnen. Am 8. März dieses Jahres 1618, wenn man die genauen Zeitangaben wünscht, ist sie in meinem Kopf aufgetaucht. Ich hatte aber keine glückliche Hand, als ich sie der Rechnung unterzog, und verwarf sie als falsch. Schließlich kam sie am 15. Mai wieder und besiegte in einem neuen Anlauf die Finsternis meines Geistes, wobei sich zwischen meiner siebzehnjährigen Arbeit an den Tychonischen Beobachtungen und meiner gegenwärtigen Überlegung eine so treffliche Übereinstimmung ergab, dass ich zuerst glaubte, ich hätte geträumt und das Gesuchte in den Beweisunterlagen vorausgesetzt. Allein es ist ganz sicher und stimmt vollkommen, dass die Proportion, die zwischen den Umlaufzeiten irgend zweier Planeten besteht, genau das Anderthalbe der Proportion der mittleren Abstände, das heißt, der Sphären selber ist."
Kepler und die relativen Abstände im Sonnensystem Das dritte Keplersche Gesetz, das Umlaufzeit und mittlere Sonnenentfernung verknüpft, ist ein wichtiges Werkzeug bei der Vermessung des Sonnensystems. Bisweilen wird vermutet, dass erst dadurch - und also durch Kepler - die relativen Abstände im Sonnensystem erkannt wurden. Doch hat bereits Kopernikus (1473-1543) die relativen Abstände angegeben. Kepler hat dieses gewusst und schreibt in seinem Jugendwerk ,,Mysterium Cosmographicum" (Weltgeheimnis) von 1596 ausdrücklich, dass sich ihm die ,,Entfernungen, wie sie Copernicus angibt, tief ins Gedächtnis einprägten". Kepler suchte nach einer Erklärung und kam 1595 nach vielen Versuchen auf eine Idee. Die folgende Figur (Abb. 2) ist wohlbekannt.
Es gibt genau fünf regelmäßige Polyeder (sog. ,,Platonische Körper"), nämlich
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Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder, Würfel, Dodekaeder. Man schachtelt diese Polyeder ineinander, wobei jedem eine Kugel umbeschrieben und einbeschrieben wird. Diese Kugel-Sphären geben dann die Planetensphären an, die Polyeder dazwischen regeln die Abstände. Die Reihenfolge ist: Saturn - Würfel - Jupiter - Tetraeder - Mars - Dodekaeder - Erde - Ikosaeder - Venus - Oktaeder - Merkur. Die auf diese Weise gefundenen relativen Entfernungen stimmen nicht ganz. Kepler vergleicht das Modell eher mit den Steinen eines Rohbaus, wo zu den Steinen ja auch noch anderer Zierrat gehört. So gibt es die Exzentrizitäten, die Platz brauchen, die Erde hat einen Mond, der zu berücksichtigen ist. Später erfuhr Kepler von den vier Jupitermonden. Beim Saturn gibt es zwei ,,Begleitkörperchen", später redete er von zwei Saturnmonden. Christiaan Huygens (1629-1695, Erklärer des Saturnrings und Entdecker des Saturnmondes Titan) schrieb zwei Generationen später in seinem Werk ,,Cosmotheoros": ,,Es ist aber dieses ganze Geheimniß, wenn man es recht beym Licht betrachtet, wol nichts anders, als ein aus der pythagorischen und platonischen Philosophie entstandener Traum, und es stimmen die Verhältnisse auch sonst nicht richtig, welches der Verfasser selbst bekennet, zugleich aber andere nichtige Ursachen erdichtet, warum es so sey."
Jedoch hat Kepler zeitlebens an diesem Bild festgehalten. Er glaubte auch, dass es genau sechs Planeten gibt, weil es dann fünf Zwischenräume zwischen den Planetensphären für die fünf Platonischen Körper gibt.
Weil noch Nachfrage nach seinem Werk bestand, gab Kepler 1621 eine zweite Auflage seines ,,Mysterium Cosmographicum" mit zahlreichen Anmerkungen heraus.
Kepler und die Sonnenentfernung Der auf Aristarch von Samos (ca. 310 - ca. 230 v. Chr.) zurückgehende Wert für die Sonnenentfernung (etwa 20 Mondweiten, 1200 Erdradien, entsprechend einer Sonnenparallaxe von drei Bogenminuten) hat sich fast 2000 Jahre lang gehalten. Auch Kepler hatte (zunächst) keinen Anlass, etwas anderes anzunehmen. Dass er seine Vorstellung von der Sonnenentfernung änderte, sagt er ausdrücklich im ,,Somnium". In der Anmerkung 109 gibt er zu
2 Die Ausmaße der Planetensphären und ihre Entfernungen aufgrund der fünf
regulären geometrischen Körper (Figur 3 aus Keplers ,,Mysterium Cosmographicum")
bedenken, ,,dass dieses ,,Somnium" geschrieben wurde vor der letzten Vervollkommnung der Größenverhältnisse der Umlaufbahnen, als ich noch den alten Gelehrten konzedierte, die Sonne befände sich in etwa 1200 Erdradien Entfernung, der Mond in 60."
Kepler begann bereits während der Arbeit an der ,,Astronomia Nova" an diesem überlieferten Wert der Sonnenweite zu zweifeln. Tycho Brahe hatte während günstiger Marsoppositionen 1582 und 1593 vergeblich versucht, die Marsparallaxe zu messen. Kepler schätzte Tycho als äußerst sorgfältigen und genauen Beobachter. Tychos Messungen sind auf etwa zwei Bogenminuten genau. So kam Kepler zu der Überzeugung, dass - wenn die Parallaxe der Sonne tatsächlich drei Bogenminuten betragen würde - Tycho die Marsparallaxe - die größer ist - hätte finden müssen. Daraus schloss er, dass die Sonnenparallaxe kleiner und somit die Sonnenentfernung größer als bisher
angenommen sein müsse. Kepler erhoffte sich Verbesserungen des antiken Wertes der Sonnenentfernung durch die neue Erfindung des Teleskops. Das erfüllte sich nicht. Und so nahm er seine Zuflucht zu Harmonien. Für sein Lehrbuch ,,Epitome Astronomiae Copernicanae" (1618-1621) und die ,,Tabulae Rudolphinae" (1627) nahm er als Sonnenparallaxe eine Bogenminute an.
Und wie kam Kepler auf diesen Wert? Der Wert beruht nicht auf Messungen, er ist - wie Kepler sich ausdrückt - ,,a priori abgeleitet". Er ergibt sich aus einer angenommenen ,,Harmonie" (siehe van Helden [6], S.83, 84), nämlich:
R3/r3 = D/r Dabei sind R, D Radius und Entfernung der Sonne, r ist der Erdradius.
Der Winkeldurchmesser der Sonne (0,50) und tan 0,250 = 1/229 ergeben D = 229 R. Es folgt: R3=229 R r2, R2=229 r2, R=15 r, D=3435 r.
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Hiernach beträgt der Sonnenradius 15 Erdradien und die Sonnenweite 3435 Erdradien. Dazu gehört eine Sonnenparallaxe von einer Bogenminute. Kepler hätte die benutzte Harmonie sicherlich verworfen, wenn überzeugende Messungen dagegen gesprochen hätten. Solche Messungen kamen, aber erst nach Keplers Tod. Die wirkliche Sonnenentfernung ist bekanntlich sehr viel größer. Aber Kepler war der Erste, der den antiken Wert für die Sonnenweite als zu klein anzweifelte und Verbesserungen versuchte. Die Bestimmung der Sonnenentfernung wurde danach eine der dringlichsten Aufgaben der Astronomie.
Kepler und die Entfernung der Fixsterne Nach der antiken geozentrischen Auffassung befinden sich die Fixsterne auf einer Sphäre, die sich unmittelbar an die Sphäre des entferntesten Planeten (Saturn) anschließt. Ptolemäus (1. Hälfte 2. Jh. n. Chr.) gab in seinem ,,Almagest" die Entfernung dorthin mit 20.000 Erdradien an. Bereits Archimedes (ca. 287-212 v. Chr.) hat festgestellt (in seiner ,,Sandrechnung"), dass die heliozentrische Auffassung zu einem sehr viel größerem Universum führt. Wenn die Fixsterne dicht hinter dem Saturn stünden und sich die Erde jährlich um die Sonne bewegte, dann müssten die Fixsterne eine deutliche jährliche parallaktische Positionsveränderung zeigen, ähnlich wie die jährliche Oppositionsschleife des Saturn. Das ist aber nicht zu beobachten. Also müssen - falls sich die Erde bewegt - die Fixsterne sehr viel weiter entfernt sein als der Saturn, und zwar so weit, dass ihre jährlichen Positionsveränderungen unmessbar klein sind.
Tycho Brahe mochte nicht an die unvorstellbar großen Entfernungen glauben, die bei bewegter Erde herauskämen. Er erfand deshalb ein eigenes Weltsystem, in dem die Erde still steht, der Mond um die Erde kreist, alle fünf Planeten um die Sonne, und die Sonne mit diesem ganzen Anhang um die Erde. Das Tychonische Planetensystem ist zu dem Kopernikanischen Planetensystem kinematisch (jedoch nicht dynamisch) völlig gleichwertig. Alle Abstände und alle Relativbewegungen im Sonnensystem sind kopernikanisch-helio-zentrisch und tychonisch-geo-helio-zentrisch jederzeit
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völlig gleich. Aber bei Tycho steht die Erde still, und die Fixsterne brauchen nicht in riesige Entfernungen zu rücken. Tychos Weltsystem war bei den jesuitischen Astronomen zugelassen, als Galilei wegen der bewegten Erde bei der Kirche in Ungnade war. Übrigens hat auch Nicolaus Reimers, gen. Ursus (1551-1600), Tychos Vorgänger als ,,Kaiserlicher Mathematiker", ein ähnliches geo-helio-zentrisches Weltsystem aufgestellt. Zwischen Tycho und Ursus entbrannte ein heftiger Prioritätsstreit. Kopernikus hat sicherlich gewusst, dass die nicht beobachteten Fixsternparallaxen und die daraus resultierenden übergroßen Fixsternentfernungen ein großes Problem für die Akzeptanz seines heliozentrischen Systems darstellten. Mit ist nicht bekannt, dass sich Kopernikus dazu geäußert hätte.
Bis zur Lektüre des ,,Somnium" glaubte ich, auch Kepler hätte die peinliche Frage nach den Entfernungen der Fixsterne verdrängt. Deshalb war ich sehr erstaunt, als ich darauf stieß, dass Kepler sogar eine sehr genaue Vorstellung über diese Entfernung hatte, dass er an der Sphäre der Fixsterne festhielt und die Fixsterne nicht als ferne Sonnen ansah. Zur Größe der Fixsternentfernung sagt er (in Anmerkung 87 im ,,Somnium") er habe (in seiner ,,Epitome") ,,a priori" abgeleitet, dass sich: der Radius der Fixsternsphäre zum Radius des Saturn-Kreises ebenso verhält, wie der Radius des Saturn-Kreises zum Radius der Sonne (im Text der Neuausgabe ist der Wortlaut durcheinander geraten).
dSAT sei der Radius des Saturn-Kreises, dFIX der Radius der Fixsternsphäre und R der Sonnenradius. Dann gilt nach Kepler ,,a priori":
dFIX/dSAT = dSAT/R also dFIX = d2SAT/ R
Wir nehmen die mittlere Sonnenweite (AE) als Einheit. Die mittlere Saturnweite nahm Kepler 1618 - gestützt auf elliptische Planetenbahnen - mit 9,510 AE an. Aus dem Winkeldurchmesser der Sonne (0,50) folgt R/1AE = tan 0,250=0,004363. Insgesamt:
dFIX = (9,5102/0,004363) AE = 20 729 AE
Das ist etwa tausendmal weiter als bei Ptolemäus und weit genug, um die fehlenden Fixsternparallaxen zu erklären. Keplers Überlegung, die ihn zu dieser
Beziehung über die Entfernung der Fixsterne führte und in der auch die Dreieinigkeit eine Rolle spielt, lautet folgendermaßen (siehe van Helden [6], S.88):
1. Im Kosmos ist zwischen Sonne und Saturn Bewegung.
2. Das Ruhende im Kosmos sind die Sonne, die Fixsterne und der große Raum zwischen dem Saturn und den Fixsternen.
3. Diese drei ruhenden Bestandteile müssen je gleichviel Materie enthalten, aber unterschiedlicher Dichte. Die Dichte der Sonne entspricht der von Gold, die Dichte des Raumes der von Luft, die Dichte der Fixsterne liegt dazwischen.
4. Der Saturn trennt das Bewegte vom Raum.
So kam Kepler dazu, die Entfernung des Saturn sei die mittlere Proportionale zwischen Sonnenradius und Fixsternentfernung. Solche ,,a-priori-Argumentationen" finden wir heute gewagt und unbegründet. Aber sie gehören zu Kepler. Einen Grund für diese Sonderstellung des Sonnensystems bei Kepler vermutete Huygens in Keplers lebenslanger Lieblingsidee von dem Bauplan des Sonnensystems. Huygens schreibt in seinem posthum erschienenem Werk ,,Cosmotheoros", (Übersetzung von 1767): ,,Es hatte aber Kepler eine besondere Ursache, warum der gewollt, daß die Sonne etwas vor anderen Sternen aus habe, und der einzige Himmelskörper seyn sollte, um welchen ein Planetensystem, und dieses zwar in der Mitte der Welt sich befände. Es sollte ihm nemlich dienen, sein Cosmographisches Geheimnis zu bestätigen, nach welchem er zu behaupten gesucht, dass die Entfernungen der Planeten dem Durchmesser ihrer Balle nach gewissen Verhältnissen entsprechen, welche auf Euclidischen Polygonen angedeutet, und um jedes derselben beschrieben werden. Etwas das erst dennzumal einige Wahrscheinlichkeit haben könnte, wenn sich Planeten nur um die Sonne dreheten, und mithin sie auch der einzelne Körper von ihrer Art wäre."
Kepler glaubte - wie seine Zeitgenossen auch - das Universum sei etwa 6000 Jahre alt und durch den göttlichen Schöpfungsakt auf einmal und in der jetzigen Beschaffenheit entstanden. Er schreibt
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(2. Auflage des ,,Mysterium", Anmerkung zum 11. Kapitel): ,,Denkt man sich einen unbegrenzten außerweltlichen Raum, so fragt man sich, warum die Welt ihren Platz gerade in diesem Teil des Raumes und nicht in einem anderen gefunden hat; ebenso kann man sich eine ewige Zeit denken und fragen: Warum ist die Welt erst vor 6000 Jahren geschaffen worden, und warum hat sich Gott vorher von Ewigkeit her der schöpferischen Tätigkeit enthalten?"
Da liegt schon die Annahme nahe, das Sonnensystem sei einzigartig, und es macht wohl Sinn, nach einem Bauplan ,,im Großen" zu fragen. Heute ist die Wissenschaft davon überzeugt, dass der jetzige Zustand, den wir auf der Erde, im Sonnensystem und darüber hinaus im Weltall vorfinden, das Ergebnis eines Jahrmilliarden währenden Evolutionsprozesses ist, an dem unzählige zufällige Prozesse beteiligt sind, die auch anders hätten verlaufen können und die man gar nicht im Detail kennen kann. Es gibt in planetaren und auch in größeren Dimensionen keinen ,,starren Bauplan" für das Universum, wie ihn Kepler für das Sonnensystem annahm.
Man muss aber auch einräumen, dass die Kenntnis der Naturgesetze, nach denen die Evolution des Kosmos verläuft, noch unvollkommen ist. Das betrifft sowohl extrem kleine räumliche und zeitliche Ausmaße und extrem hohe Energiedichten, als auch globale kosmologische Vorstellungen. Vielem davon, das sich durchaus als wissenschaftlich versteht, kann man auch das Prädikat ,,mystisch" zuordnen.
Nachwort Dieser Beitrag wurde durch eine Arbeitstagung (Leitung: Walter Oberschelp) im Frühjahr 2012 in Aachen über Keplers Werk ,,Somnium, sive astronomia lunaris" (Der Traum, oder: Mondastronomie) veranlasst. Darin beschreibt Kepler, eingebettet in eine fiktive Traumgeschichte, wie die Astronomie vom Mond aus betrachtet aussähe. Der Text entstand etwa 1609, Kepler hat ihn nicht verändert, aber nach 1620 zahlreiche Fußnoten zugefügt. Das Werk erschien erst 1634 posthum, herausgegeben von seinem Sohn Ludwig. 2011 wurde es von Beatrix Langner neu herausgegeben.
Literaturhinweise: [1] Kepler, Johannes: Mysterium Cosmographicum 1596, 2. Auflage 1621 [2] Kepler, Johannes: Harmonice Mundi, 1609 [3] Kepler, Johannes: Somnium sive astronomia lunaris, 1634; neu herausgege-
ben von Beatrix Langner, Übersetzung von Hans Bungarten, Matthes & Seitz, Berlin, 2011 [4] Huygens, Christiaan: Cosmotheoros, 1698, übersetzt Nürnberg 1703 und Zürich 1767 als: Herrn Christian Hügens Weltbeschauer, oder vernünftige Muthmaßungen, dass die Planeten nicht weniger geschmückt und bewohnet seyn, als unsere Erde [5] Kepler, Johannes: Was die Welt im Innersten zusammenhält, Antworten aus Keplers Schriften, herausgegeben von Fritz Kraft nach der Übersetzung von Max Caspar, Marix-Verlag, Wiesbaden 2005, enthält [1], [2] [6] van Helden, Albert: Measuring the Universe, University of Chicago Press, 1985
22
Geschichte der Astronomie
Bildliche Darstellung des Nebels Messier 1
von Ernst-Jochen Beneke
Wir finden heute in Büchern und Zeitschriften sehr häufig die diffuse Gaswolke im Sternbild Stier in hervorragenden Fotografien abgebildet. Diese Gaswolke entstand durch die Supernova im Jahr 1054, die durch ihr Aufleuchten zwischen den Hörnern des Stiers von Sternkundigen in China, Europa und Nordamerika bemerkt wurde. Seit der Beobachtung des Ereignisses in der Cassiopeia im Jahr 1572 durch den jungen Tyge Brahe (Tycho) sprechen die Astronomen von Neuen Sternen bzw. (stellae) Novae. Besonders starke Ereignisse in den Tiefen des Raums erhalten den Titel Supernovae.
Auf Fotografien ist von dieser Figur nichts mehr zu erkennen. Aber jeder Amateurastronom weiß, wovon die Rede ist. Nur mancher Journalist nicht, der den Krabbennebel zum Krebsnebel umbenennt und ihn ins Sternbild Krebs platziert! So entstehen Irrtümer, die gern
weitergereicht werden. Dabei hat Max Gerstenberger im Dezemberbeitrag des Himmelsjahrs von 1956 beide Abbildungen nebeneinander gestellt: das Foto mit dem 5-Meter-Spiegel vom Palomar Mountain war gerade gewonnen. Es lohnt, in ältere Bücher zu schauen.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durchstreifte der Astronom Charles Messier (1730-1817) den Himmel nach Kometen und fand dabei immer wieder Objekte, die diesen zum Verwechseln ähnlich sahen. 1781 veröffentlichte er eine Liste von 103 Nebeln und Sternhaufen in den ,,Connaissance des Temps". Angeführt wird sie von dem Objekt im Stier, das die Bezeichnung Messier 1 oder kurz M 1 führt und bereits 1731 von John Bevis entdeckt worden war.
Nach den Geschwistern Wilhelm und Caroline Herschel war es William Parsons (1800-1867) oder Lord Rosse in Irland, der ab 1845 über das größte Spiegelfernrohr (183 Zentimeter Durchmesser) verfügte und vorwiegend große, helle Nebel am Himmel zeichnete. Die Zeichnung von M 1, entstand bereits 1840 am 91-cm-Reflektor. Auf alten Reproduktionen vor Einführung der Fotografie in die Astronomie wurde diese Zeichnung in Büchern oft mit der Beschriftung Krabbennebel oder Crab-Nebel veröffentlicht (Abb. 1).
1 Lord Rosses Zeichnung von M 1
(Reproduktion aus ,,Le Ciel", Paris 1877)
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Geschichte der Astronomie
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Die ersten 100 Jahre der Sternwarte Bogenhausen
von Volker Witt
Die 10. Tagung der VdS-Fachgruppe Geschichte der Astronomie fand diesmal in der Universitätssternwarte MünchenBogenhausen statt. Dies war Anlass, im Rahmen eines Vortrags auf die Entstehungsgeschichte dieses vor beinahe 200 Jahren gegründeten Observatoriums zurückzublicken.
Die Vorgeschichte Nach der Gründung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 1759 kommt es in München zum Bau zweier temporärer Sternwarten durch die Privatinitiative von Akademiemitgliedern. Der churfürstlich-baierische Münz- und Bergrat von Linprun (1714 -1787) errichtete 1760 ein erstes Observatorium, genannt ,,Rockerl", wo am 6. Juni 1761 der Venusdurchgang vor der Sonne beobachtet wurde. Der Augsburger Instrumentenbauer Georg Friedrich Brander (1713-1783) - ebenfalls Mitglied der Akademie - hatte zu diesem Ereignis einen Azimutalquadranten fertiggestellt, mit dem er auch höchstpersönlich den Venusdurchgang verfolgte. Eine weitere Sternwarte, die in der Nähe des heutigen ,,Gasteig" gelegen war, ging auf das Akademiemitglied Peter von Osterwald (1718-1778) zurück. Beide Sternwarten bestanden aber nur für kurze Zeit.
Um die Wende zum 19. Jahrhundert war das Kurfürstentum Bayern als Spielball zwischen den Großmächten Österreich, Frankreich, Russland und weiteren europäischen Machtrivalen in militärische Auseinandersetzungen verwickelt. Im Dezember 1805 geht Napoleon unter Mithilfe bayerischer Truppen als Sieger aus der ,,Dreikaiserschlacht" bei Austerlitz hervor. Gleichsam zur ,,Belohnung" wird Bayern am 1. Januar 1806 zum Königreich erhoben. Im Zuge der napoleonischen Reformen wird nun eine systematische Landesvermessung unter der Leitung französischer Ingenieure organisiert, nachdem bereits im Juni 1801 in München das ,,Topographische Bureau" gegründet worden war. Neben der Erstellung eines Katasters dient die Landes-
1 Die Sternwarte Bogenhausen um das Jahr 1830 (Lithografie aus Carl Lebschee,
,,Malerische Topographie des Königreichs Bayern")
vermessung vor allem der Erhebung der als Einnahmequelle benötigten Grundsteuer. Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermessungsarbeit ist aber eine gut ausgestattete Sternwarte, die astronomische Ortsbestimmungen ermöglicht. Aus diesem Anlass errichtete der ehemalige Benediktinerpater Ulrich Schiegg (1752-1810), der als Hofastronom nach München berufen wurde, im früheren Jesuitenkolleg an der Neuhauser Straße eine kleine Sternwarte. Sie war mit Instrumenten aus dem ,,Mathematischmechanischen Institut" von Reichenbach und Liebherr ausgestattet und bildete die Keimzelle der zukünftigen Bogenhausener Sternwarte.
Die Anfänge in Bogenhausen Nachdem eine unter Karl Felix v. Seyffer (1762-1822) in der Umgebung des heutigen Ostbahnhofs erbaute Sternwarte nie richtig zum Einsatz kam, erteilte König Max I. Joseph am 4. Juni 1816 den Auftrag zum Bau einer neuen Sternwarte im Dorf Bogenhausen. Zum Architekten und Bauleiter wurde der Königlich-Bayerische Hofbau-Inspektor Franz Thurn
(1763-1844) bestimmt, und schon im August desselben Jahres erfolgte der Baubeginn. Erster Direktor der im November 1817 fertiggestellten ,,Königlichen Sternwarte" wurde der Hofastronom Johann Georg von Soldner (1776-1833), der sich als Fachmann in Vermessungsfragen und als königlicher Steuerrat bereits einen Namen gemacht hatte.
Der Grundriss der Sternwarte zeigt die charakteristische Hufeisenform. Die nach Süden weisende Front wird im Mittelteil durch den etwas vorspringenden Meridiansaal geprägt, den die beiden Beobachtungskuppeln seitlich flankieren (Abb. 1).
Im Meridiansaal befanden sich drei Durchgangsinstrumente, darunter vor allem der Meridiankreis von Reichenbach und Ertel (Abb. 2). Die Kreisteilung dieses Instruments wurde mit der berühmten Kreisteilmaschine von Georg Friedrich von Reichenbach (1771-1826) vorgenommen und erlaubte daher Deklinationsmessungen besonders hoher Genauigkeit. Unter Soldner wurden in Bogenhausen überwiegend Positions-
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Größe, wobei er auch die Position von Spektrallinien mikrometrisch bestimmt, seine Ergebnisse aber nicht publiziert. Es handelt sich hier um die erste zeichnerische Darstellung von Sternspektren in der Geschichte der Spektroskopie, wenngleich dabei der physikalische Hintergrund noch nicht erkannt wurde. Weitere Beobachtungen mit dem Refraktor gelten
2 Der Meridiankreis von Reichenbach und Ertel wurde ab 1819 für Positionsmessungen
eingesetzt und hatte wegen seiner exakten Kreisteilung eine hohe Genauigkeit. Das Instrument befand sich bis zum Abbruch der alten Sternwarte im Jahr 1964 im Meridiansaal und ist noch weitgehend im Originalzustand erhalten.
bestimmungen an Objekten des Sonnensystems sowie an Fundamentalsternen vorgenommen. Besondere Erwähnung verdienen die Beobachtungen von Sternspektren, die Joseph von Fraunhofer (1787-1826) und Soldner gemeinsam mit Hilfe eines Objektivprismas (Abb. 3) durchführten.
Fraunhofer berichtet im März 1820: ,,Ich habe das große Prisma Fernrohr nach Bogenhausen auf den westlichen Turm gestellt ... am Abend der Aufstellung noch die Venus und Beteigeuze besehen ... Im Farbenbild der Venus sah ich die Linien D, E, b und F sehr gut ... In Beteigeuze sehr viele Linien. Auch im Sirius sah ich den breiten Streifen im Grünen sehr gut und auch die im Blauen." Sie beobachteten außerdem die Spektren von Mars, Castor, Pollux, Capella, Procyon, Rigel und Algol. Dies sind die weltweit ersten Beobachtungen von Sternspektren an einer Sternwarte.
Die klassische Epoche bis zur Jahrhundertwende Nach Soldners Tod im Jahr 1833 übernimmt nach kurzer Interimszeit der aus Schottland stammende Johann (von) Lamont (1805-1879) im Alter von 29 Jahren die Leitung der Sternwarte (Abb. 4). Schon kurz nach Amtsantritt sah sich Lamont in der glücklichen Lage, für sei-
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ne astronomischen Beobachtungen einen der besten Refraktoren zur Verfügung zu haben. Das noch von Fraunhofer konzipierte Instrument fand seinen Platz in einem separaten, südlich vom Hauptgebäude errichteten Bau, der auch heute noch besteht (Abb. 5). Mit einem Objektivdurchmesser von 28,5 Zentimetern und einer Brennweite von 4,9 Metern zählte der Refraktor damals zu den größten Linsenteleskopen überhaupt (Abb. 6). Mit ihm gelangen Lamont in den Anfangsjahren einige bemerkenswerte Beobachtungen: In der Zeit von Januar bis Mai 1836 konnte Lamont recht genaue Positionsbestimmungen am Halleyschen Kometen vornehmen, die 150 Jahre später noch bei der Bahnkorrektur für die Raumsonde ,,Giotto" herangezogen wurden. In Lamonts Aufzeichnungen heißt es über den Kometen: ,,Zum erstenmale konnte ich ihn am 17. Januar um 5 Uhr Morgens im Refractor wahrnehmen; an den folgenden Tagen war es möglich, sehr gelungene Ortsbestimmungen desselben zu erhalten."
Auch die schon unter Soldner begonnene Beobachtung von Sternspektren setzt Lamont nun am großen Refraktor fort. Zitat: ,,... wendete ich den grossen Refractor zur Untersuchung des Sternenlichtes an, indem ich ein Prisma ... anbrachte." Von Juli bis Oktober 1836 untersucht Lamont die Spektren von 28 Sternen bis zur 4./5.
3 Fraunhofers ,,Prisma Fernrohr", mit
dem er in Bogenhausen Sternspektren beobachtete. Die Zeichnung wurde erst im Jahr 2003 im Archiv der Münchner Universitätssternwarte gefunden (Quelle: Universitätssternwarte München).
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Positionsbestimmungen; etwa der Monde von Saturn und Uranus, der Mitglieder von Sternhaufen - hier besonders des Paradeobjekts M 11 im Sternbild Scutum - und der Komponenten von Doppelsternen.
Ab Oktober 1836 beobachtet Lamont mit dem Refraktor ein Jahr lang ,,Nebelflecke", um morphologische Veränderungen der Nebel als Funktion der Zeit festzustellen. Er berichtet darüber im August 1837 in einer öffentlichen Vorlesung (Abb. 7), publiziert seine Beobachtungen an insgesamt 32 Nebeln aber erst 1869 im 17. Band der Annalen. Ab etwa 1840 erlahmt Lamonts Interesse an dem Refraktor und er konzentriert sich von nun an auf seine Zonenbeobachtungen mit dem Reichenbachschen Meridiankreis. Zwischen 1840 und 1872 werden dabei etwa 80.000 Messungen an ungefähr 37.500 sogenannten ,,teleskopischen" Sternen, also solchen von 7. bis 10. Größe, vorgenommen. Aus diesen Arbeiten resultiert das erst nach Lamonts Tod veröffentlichte ,,Erste Münchner Sternverzeichnis".
4 Johann von Lamont im Alter von
etwa 50 Jahren (Quelle: Universitätssternwarte München)
Weltweite Anerkennung erwirbt Lamont aber für die Bogenhausener Sternwarte vor allem durch seine praktischen und theoretischen Arbeiten zum Erdmag-
netismus. In einem unterirdischen geomagnetischen Observatorium neben der Sternwarte wurde der zeitabhängige Verlauf der Komponenten des Erdmagnetfelds gemessen. Lamont unternimmt auch ausgedehnte Reisen in Bayern und Norddeutschland sowie nach Österreich, Dänemark, England, Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal, um dort das Erdmagnetfeld mit dem von ihm selbst gebauten Reisetheodoliten zu messen und magnetische Karten dieser Länder zu erstellen.
Als Johann von Lamont nach 51 Dienstjahren an der Bogenhausener Sternwarte starb, übernahm Hugo von Seeliger (1849-1924) deren Leitung. Unter ihm erfolgte wieder eine stärkere Hinwendung zu astronomischen Fragestellungen. Im Rahmen einer Neuorganisation der Sternwarte erhält der Refraktor im Jahr 1883 eine neue Montierung sowie eine neue Drehkuppel. An dem nun modernisierten Instrument setzt eine intensive Beobachtungstätigkeit ein, die sich mit verschiedensten Objekten wie Kometen,
5 Das Refraktorgebäude aus dem Jahr 1835 ist als einziges von der alten Bogenhausener Sternwarte erhalten geblieben.
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6 Der im Jahr 1835 aufgestellte Refraktor zählte seinerzeit
zu den weltweit besten Linsenteleskopen. Er ist auch heute noch voll funktionsfähig.
Planeten, Doppelsternen, Sternhaufen und Nebeln befasst. Außerdem erhält die Sternwarte im Jahr 1891 einen neuen Meridiankreis von Repsold, an dem unter anderem Untersuchungen zur astronomischen Refraktion und Polhöhenschwankung angestellt werden.
Seeligers Stärke lag aber vor allem auf theoretischem Gebiet. Neben seinen Arbeiten zur Himmelsmechanik (Doppel-
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Lamont berichtet im August 1837 über seine Nebelbeobachtungen, publiziert die endgültigen Ergebnisse aber erst 32 Jahre später.
sterne und Mehrfachsternsysteme) und Fotometrie (Beleuchtung des Saturnrings, Zodiakallicht) fanden seine stellarstatistischen Untersuchungen zur Verteilung der Sterne und zur Größe des Universums großes Interesse. Seeliger war 25 Jahre lang Präsident der Internationalen Astronomischen Gesellschaft und zählte zu seiner Zeit zu den bekanntesten Astronomen. Da verwundert es dann auch nicht, dass er eine große Schar von Schülern vorweisen kann, unter denen wohl Hans Kienle und Karl Schwarzschild zu den prominentesten zählen.
Internet- und Literaturhinweise: [1] A. Brachner: Die Sternwarten Mün-
chens, Teil 2, SuW 27 (2/1988), S.80 - 85 [2] R. Häfner: 175 Jahre Sternwarte Bogenhausen, I bzw. II. Die Sterne 68 (1992), S.263 - 273 bzw. S. 340 - 354 [3] R. Häfner: Die Zeit Johann von Lamonts an der Königlichen Sternwarte zu Bogenhausen, SuW 29 (1/1990), S.13 - 18 [4] R. Häfner: Die Universitäts-Sternwarte München im Wandel ihrer Geschichte. München (2003) [5] R. Häfner, H. Soffel (Hrsg.): Johann von Lamont, Leben und Werk (Festschrift). München (2006) [6] V. Witt: Der Fraunhofer-Refraktor in München-Bogenhausen, SuW 38 (4/1999), S.378 - 379 [7] Die Sternwarte in Bogenhausen: www.usm.uni-muenchen.de/Geschichte.php
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Der wegweisende Veränderlichenbeobachter Friedrich Wilhelm August Argelander
*22.3.1799 in Memel 17.2.1875 in Bonn
von Werner Braune
Argelander war einer der großen Veränderlichenbeobachter des 19. Jahrhunderts (Abb. 1). Mit der kargen Ausstattung der Bonner Universitätssternwarte mit einem 3-zölligen Kometensucher demonstrierte er eindrucksvoll, was bei Beschränkung auf die seinem Instrumentarium zugänglichen Arbeitsgebiete bei systematischer Arbeitsweise geleistet werden kann: Untersuchungen von Eigenbewegungen der Sterne, die Bonner Durchmusterung und die Erschließung des damals neuen Gebietes der veränderlichen Sterne.
Als sein Hauptwerk führte Argelander ab 1852 mit seinen Assistenten die sog. Bonner Durchmusterung durch und erfasste etwa 325.000 Sterne der nördlichen Halbkugel akribisch bis zur neunten Größenklasse. Als Himmelsatlas mit Katalog blieb die ,,BD" international über mehr als hundert Jahre einzigartig, ehe vergleichbare Werke entstanden.
Ein Blick auf seinen Lebenslauf Deshalb hier ein kurzer Blick auf den Werdegang des Astronomen: Argelander war der Sohn eines Reeders und wohlhabenden Kaufmanns. Als sich die preußische Königsfamilie nach der Niederlage von Jena und Auerstedt ins entlegene Memel flüchtete, kamen die Söhne im Hause Argelander unter. Die daraus resultierende Freundschaft zwischen dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm und dem zwei Jahre jüngeren Argelander blieb über Jahrzehnte bestehen.
Argelander besuchte das Collegium Fridericianum in Königsberg und nahm danach an der dortigen Universität ein Studium auf. Er hörte anfangs nebenbei bei Friedrich Wilhelm Bessel Astronomie, wurde dessen Assistent und promovierte im Jahr 1822. Ein Jahr später ging der junge Astronom an die Sternwarte im finnischen Turku. Nach einem Stadtbrand verlegte die Regierung die Universität nach Helsingfors (heute Helsinki). Argelander zog mit und erhielt dort die
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1 Friedrich Wilhelm August Argelander
erste Astronomie-Professur Finnlands. Doch der Aufbau einer Sternwarte ließ auf sich warten.
1836 nahm Argelander, vom kronprinzlichen Freund angeregt, eine Professur an der Universität Bonn an. Seine Bedingung war, dort ein astronomisches Institut aufbauen zu dürfen, was jedoch sehr schleppend verlief. Trotzdem blieb Bonn Argelanders Wirkungsstätte. Neben Argelanders Fleiß beim Beobachten lag seine besondere Stärke in der Teamfähigkeit. So attestierte ihm einer seiner engsten Assistenten im Rückblick: ,,Er verstand es, das volle Herz seiner Mitarbeiter zu gewinnen und bei der Arbeit zu erhalten; er wusste leise und unvermerkt alles auszugleichen, was ein Hindernis hätte werden können." Auch seine Studierenden in Bonn ermutigte er zu eigenen Beobachtungen und damit zur Mitarbeit am großen menschlichen Gemeinschaftsprojekt der Himmelserforschung. Bis ins hohe Alter arbeitete er, gab jedoch Beobachtungen, die ihm allzu schwierig werden, an andere ab. Im Alter von fast 76 Jahren starb Argelander an
den Folgen einer Fieberinfektion, mit der er sich bei einem Sternwarten-Mitarbeiter angesteckt hatte [1]. Eine sehr ausführliche Biografie erschien anlässlich seines 100. Todestages 1975 in SuW [2].
Argelander und die Veränderlichen Veränderliche Sterne wurden schon vor Argelander beobachtet, doch bis dahin mehr als Kuriosum gewertet. Es mangelte auch nicht an Erklärungsversuchen für das Verhalten der wenigen bis dahin bekannten veränderlichen Sterne, deren Lichtwechsel nach Periode, Amplitude und Kurvenform sehr unterschiedlich war. Manche Erklärungen waren, wie wir heute wissen, sogar richtig. Aber sowohl der praktischen Beobachtung als auch der theoretischen Bearbeitung haftete etwas Zufälliges an. Argelanders Verdienst war es, sowohl Beobachtung als auch Bearbeitung systematisiert und wissenschaftlicher Auswertung zugänglich gemacht zu haben. Und nicht nur das: Er hat als Beobachter und Auswerter jahrzehntelang selbst auf diesem Gebiet gearbeitet und eine Reihe von Mitarbeitern ausgebildet, die ihrerseits an der weiteren Entwicklung maßgebend beteiligt waren. Die Darstellung der Entwicklung und Verfeinerung von Argelanders Arbeitsweisen bei Veränderlichen folgt einem Beitrag für Veränderlichenbeobachter von K.-B. Menzel [3], der anlässlich des 100. Todestages Argelanders entstand.
Etwa ein Drittel der 1850 bekannten 24 Veränderlichen trug keine Bezeichnung - Namen, Buchstaben oder Zahl gebräuchlicher Verzeichnisse - und es war erkennbar, dass bei zunehmender Zahl dieser Objekte Verständigungsschwierigkeiten auftreten würden. Argelanders Vorschlag, die nicht bezeichneten Veränderlichen jedes Sternbildes mit den großen Buchstaben R bis Z zu benennen, basierte auf der Tatsache, dass diese noch nicht vergeben waren. Der Vorschlag fand Eingang in die Literatur und später auch allgemeine Gültigkeit. Dass das
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System bald aufgrund der explosionsartig zunehmenden Zahl der Objekte gesprengt und mehrmals erweitert werden musste, war kaum voraussehbar.
Die von Argelander in Humboldts ,,Kosmos", Band 3, 1850, dem Kapitel über veränderliche Sterne beigefügte Tabelle (Abb. 2) zeigt erstmals die Anwendung der neuen Nomenklatur und enthält alle damals bekannten Veränderlichen. Die Veränderlichenbezeichnung ist entgegen heutigem Standard noch dem Sternbild nachgestellt. Eine etwa gleich große Zahl von Sternen war der Veränderlichkeit verdächtig. Als Vergleich: Heute sind über 40.000 Veränderliche benannt.
Die Stufenschätzmethode Unmittelbar mit dem Namen Argelander verbunden ist die von ihm unabhängig von Vorläufern erarbeitete und weiterentwickelte Stufenschätzmethode. Sie ist für Generationen von Veränderlichenbeobachtern zum unentbehrlichen Rüstzeug geworden, da sie ohne bekannte Vergleichssternhelligkeiten auskommt. So ist sie auch noch heute bei schnellen visuellen Beobachtungen in der Anwendung.
Nach Argelanders eigenen Angaben stellte er seine Stufenschätzmethode erstmals in ,,Schumachers Jahrbuch für 1844" unter dem Titel ,,Aufforderung an die Freunde der Astronomie" vor. Eine Zusammenfassung seiner Beobachtungen und Auswertungen veröffentlichte Argelander im Jahr 1869 [4]. Es ist wohl die erste umfassende Arbeit zu diesem Thema überhaupt und stellt eine wahre Fundgrube für einschlägige Studien dar. Sie enthält nicht nur die Beobachtungen Argelanders und die daraus resultierenden Auswertungen, sondern auch eine zusammenfassende Darstellung aller bekannten früheren Beobachtungen, einschließlich der Ableitung von Elementen. Auch aus heutiger Sicht ist diese erstaunlich genau. So stimmt die von Argelander abgeleitete Periode von Persei (Algol) bis auf die Sekunde mit heutigen Werten überein. Auch die Veränderlichkeit der Periodenlänge wurde ebenfalls bereits erkannt.
Argelander gibt in seiner Veröffentlichung einen guten Einblick in seine Ar-
2 Argelanders Tabelle Veränderlicher aus Humboldts ,,Kosmos", Band 3 (1850)
beitsweise. So beschreibt er in den Vorbemerkungen seine Beobachtungsorte und -instrumente während des 30-jährigen Beobachtungszeitraumes, die Methode der Zeitnotierung (Bonner MOZ bzw. abgelesene Uhrzeit +/- Korrektur auf MOZ) und die Entwicklung der Stufenschätzmethode bezüglich der Dokumentation. Zuerst drückte er Helligkeitsunterschiede wie alle Vorgänger durch Worte aus und bemühte sich, mit wenigen Worten für bestimmte Werte auszukommen. Nach zwei Jahren ersetzte er nach dem Vorbild Herschels die Worte durch Zeichen (auch rückwirkend, wobei sich einige Schwierigkeiten ergaben). Ab dem 5. März 1842 wurden die Zeichen durch Zahlen ersetzt. In Verbindung mit einigen Regeln über Schätzungen und Schreibweisen war damit die numerische Darstellung der Beobachtungen gefunden. Das war die wichtige Voraussetzung für zukünftige grafische und mathematische Auswertungsverfahren. So konnte die Methode 1844 auch in Schumachers Jahrbuch übernommen werden und insgesamt sehr erfolgreich sein.
Im 1. Hauptabschnitt stellt Argelander für 29 Veränderliche alle verfügbaren Informationen zusammen - das ist der erste Vorläufer der GuL, der später entstandenen ,,Geschichte und Literatur der Veränderlichen Sterne" - und erarbeitet die Elemente zur zeitlichen Darstellung regelmäßiger Veränderlichkeit.
Der 2. Hauptabschnitt enthält die rund 12.000 Beobachtungen Argelanders. Daraus sind in Abb. 3 einige Beobachtungsreihen a-d von Algol wiedergegeben, die einen Eindruck von Argelanders Arbeitsweise und Entwicklung vermitteln. Die von Argelander abgeleiteten Minimumszeiten stammen aus seinem Beobachtungsbuch ohne Korrektur auf MOZ Bonn:
a 1840 Feb. 22 11.59,5 Uhr
b 1840 Dez. 25 5.58,5 Uhr
c 1852 Jul. 24 12.57 Uhr
d 1854 Okt. 28 7.35 Uhr
Reihe a zeigt das erste von Argelander beobachtete Algol-Minimum. Es wurden
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3 Argelanders
Beobachtungsnotizen (1840 -1854) zu Persei (Algol)
fast nur Schätzungen zwischen dem Veränderlichen und einem Vergleichsstern angestellt. Eine gewisse Unsicherheit in der Erfassung von Helligkeitsunterschieden ist unverkennbar. Die Beobachtungen liegen treppenförmig. Dass der Vergleichsstern Persei selbst sehr langsam veränderlich ist, war Argelander bekannt.
Reihe b wurde zehn Monate später beobachtet und zeigt öfter die Einbeziehung mehrerer Vergleichssterne zum selben Zeitpunkt, was sicher die Genauigkeit erhöht. Außerdem werden zusätzliche, vorher nicht eingeführte Vergleichssterne benutzt ( Ari, Aur) und kritische Bemerkungen zur Beobachtung gemacht. Hinweise auf störende Einflüsse wie
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Mond, Wolken oder dgl. sind bei Argelander üblich.
Reihe c, 12 Jahre später, hier ist praktisch jeder Punkt doppelt besetzt.
Reihe d, weitere zwei Jahre später, zeigt den Routinier: Jeder Punkt ist durch mehrere Vergleiche abgesichert.
Argelanders Schreibweise folgt insgesamt der von ihm definierten Darstellungsform: Der hellere Stern steht zuerst, dann der Stufenabstand und folgend der schwächere Stern. In dieser Art geschrieben kennen wir heutzutage die Schreibfolge eines Veränderlichen (v) zwischen zwei Vergleichssternen (a und b) z. B. mit a 3
v 2 b. Das lässt sich in einer Gesamtheit von Schätzungen vortrefflich auswerten.
Literaturhinweise: [1] Tina Heidborn und Andreas Loss:
SuW-Preisrätsel in SuW 1 und 2 (2012), bearbeitet von W. Braune, BAV Rundbrief 3 (2012) [2] Lutz Brandt: Friedrich Wilhelm Argelander - zum hundertsten Todestag, SuW, S. 40 (1975) [3] K.-B. Menzel: F. W. A. Argelander, BAV Rundbrief 2/3 (1975) [4] F. Argelander: Beobachtungen und Rechnungen über veränderliche Sterne, Bonner Beobachtungen, Band 7 (1869)
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Fotometrie - der Beginn der Astrophysik
von Peter B. Lehmann
- Teil 1 -
Das Licht, nicht nur das sichtbare, sondern das ganze Spektrum der elektromagnetischen Strahlung, ist der einzige Informationsträger für viele, auch heute noch unverstandene Vorgänge im Universum. Auch dem der Astronomie nicht sehr nahe stehendem Leser ist sicher nicht unbekannt, wie sehr die Astronomie seit dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts vom physikalischen Gedankengut durchdrungen wurde. Die Astrophysik, zur zwanzigsten Jahrhundertwende fast noch Neuland und nur ein Anhängsel der klassischen Positionsastronomie und Himmelsmechanik, füllt heute das astronomische Denken. Es kann ohne Übertreibung gesagt werden, Astronomie ist angewandte Physik und die begann mit der Fotometrie.
ge - bis ins beginnende 19. Jahrhundert hinein - in den Köpfen der Bevölkerung.
Die aus heutiger Sicht quälende Langsamkeit der Verbreitung neuer Erkenntnisse, die u. a. durch religiösen Dogmatismus sehr eingeschränkt wurde, sowie der eher fehlende Austausch der Astronomen untereinander, lag im Zeitalter der Glaubenskriege, Pferdekutschen und Segelschifffahrt wohl vor allem an den fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten, die im Wesentlichen durch selbst finanzierten Buchdruck oder auf dem Postweg stattfanden.
Schon die Himmelsbeobachtung der alten Griechen zu Zeiten des Hipparch um 127 v. Chr. kennt Helligkeitsangaben für die Gestirne (erster bekannter Sternkatalog mit Helligkeiten für 1080 Sterne). Die Einteilung in sechs sogenannte Größenklassen, die mit dem bloßen Auge von den hellsten bis zu den gerade noch erkennbaren schwächsten Sternen reichte, wurde nach einer Gedächtnisskala geschätzt. An diesem Zustand der Himmelsfotometrie änderte sich aber zwei Jahrtausende lang praktisch nichts.
1 Franz Xaver Freiherr von Zach,
1754-1832
Die Erkenntnisse und Entdeckungen eines Kopernikus, Keplers, Galileis, Newtons usw., die das Aristotelische Weltbild drastisch veränderten, bewegten aber in der Fotometrie nichts. Sterne waren nach der Abfassung des ,,Almagest" durch Ptolemäus, silberne Nägel oder auch Löcher in der Himmelsschale. Dieses Bild des Sternenhimmels verblieb noch lan-
2 Sir Friedrich Wilhelm Herschel,
1738-1822
3 James Bradley, 1695-1762
4 Friedrich Wilhelm Bessel, 1784-1846
5 Friedrich Wilhelm August Argelander,
1799-1875
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Die erste regelmäßig erscheinende Schrift gründete 1800 der Astronom Zach ,,Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde". Die großen Erfolge der Himmelsmechanik und Positionsastronomie, die vor allem durch die erfolgreichen Arbeiten F. W. Herschels und seiner zufälligen Entdeckung des Uranus erfolgte, belebte die Astronomie. Diese Entdeckung eines Planeten, der nur im Fernrohr sichtbar war, galt als ein weiterer trefflicher Beweis für die Existenz des heliozentrischen Sonnensystems. Herschel selbst nahm dies zum Anlass, sich von seinem Beruf als Musiker zu verabschieden, um sich jetzt völlig der Astronomie zu widmen. Er begann 1781 mit seinen systematischen Studien zum ,,Bau des Himmels".
Bei seiner ersten Himmelsdurchmusterung standen Herschel nur die ,,Rudolfinischen Tafeln" Keplers, sowie die Uranometria von Rechtsanwalt Johannes Bayer (1572-1625) und der Katalog des Pfarrers Flamsteed (1646-1719) mit 2913 Sternen als Vergleichsmaterial zur Verfügung. Die von Bayer verwendeten Sternbenennungen sind noch heute gebräuchlich. Die Helligkeiten wurden wie bei Kepler aus dem Almagest von Ptolemäus übernommen. Flamsteed versuchte genauere Helligkeiten durch den Vergleich Auge mit Fernrohr zu gewinnen.
Wilhelm Herschel gebührt der Verdienst, seine Helligkeitsschätzungen endlich auf exaktere wissenschaftliche Weise betrieben zu haben. In den ,,Philosophical Transactions" von 1796-1799 veröffentlichte er die Untersuchung und Neubestimmung aller Sternhelligkeiten Flamsteeds, mit seiner neuen Schätzungsmethode, jeden Stern mit zwei anderen, einem helleren und einem schwächerem Stern, zu vergleichen. Seine neue Methode erforderte aber das nachträgliche Umrechnen der angenommenen Größen. Leider wurde die von beiden Herschels konsequent angewandte Methode, die etwas kompliziert schien, von den nachfolgenden Astronomen nicht übernommen. Den unterschiedlichen Sternhelligkeiten, die bisher keine große Beachtung bei den Astronomen fanden, erklärte Herschel mit der Hypothese, dass die Sternhelligkeiten auf verschiedene
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Entfernungen zurückzuführen seien, wobei er davon ausging, dass alle Sterne sonnengleich groß und hell wären.
Bei diesen Überlegungen Herschels, deutete sich schon ein Wandel bei der Beurteilung der Sterne an, was bei den ungezählten, durch die Beobachtung im Fernrohr hinzugekommenen Sterne, zwangsläufig dazu führte, unser Sonnensystem nicht mehr im Mittelpunkt der Welt zu vermuten. Im Jahr 1795 publiziert F. W. Herschel seine ,,Ansichten über die Natur der Sonne und Fixsterne". Sein Sohn Sir John Herschel vollendete 40 Jahre später seine Durchmusterung des Himmels. Leider sind diese umfangreichen Arbeiten der beiden Herschels heute für die Fotometrie nur noch von historischen Wert.
Die großen Geister des beginnenden 19. Jahrhunderts, Olbers, Bessel, Struve, Gauß waren vollauf damit beschäftigt, die Astrometrie und Bewegungsastronomie zu verbessern und Daten zu sammeln, die in Positionskatalogen der Sterne, Nebellisten, Sternhaufen und Doppelsternkatalogen publiziert wurden. Tabellen zur Standortvermessung der Gestirne wurden veröffentlicht, Ephemeriden für die wiederkehrenden Kometen erstellt.
Der rastlose Rechner Bessel wurde von Olbers auf die Arbeit von James Bradley 1750-62 hingewiesen, in der dieser 3000 hellere Sterne mit größter Genauigkeit gemessenen hatte, um damit den vergeblichen Nachweis einer Fixstern-Parallaxe zu starten. Dabei entdeckte er das Phänomen der Aberration (die scheinbare Ortsverschiebung eines Gestirns, durch die
6 Johann Heinrich Lambert,
1728-1777
Erdbewegung und die endliche Lichtgeschwindigkeit). Zusätzlich war auch die Refraktion (die Brechung der Lichtstrahlen innerhalb der Lufthülle und die dadurch entstehende Hebung der Gestirne über den Horizont Richtung Zenit) zu berücksichtigen. Es mussten also für alle 3000 Sterne die Positionen entsprechend korrigiert werden. Bradley gab deshalb sein Vorhaben auf.
Bessel scheute sich nicht, die Messungen von Bradley benutzbar zu machen. Er erstellte ein Tabellenwerk, welches die Größe der Lichtablenkung mit der Höhe des Sterns über dem Horizont angibt. Dafür erhielt er 1811 den Lalande-Preis der Französischen Akademie der Wissenschaften. Sieben Jahre später gab Bessel den aus Bradleys Beobachtungen neu bearbeiteten damals genauesten Fundamentalkatalog heraus.
Durch Bradleys Arbeiten angeregt, begann er 1821-1833 mit der Erstellung eines Mammutprojektes, 75.000 Sternpositionen bis zu einer Helligkeit der 9. Größenklasse sollten erfasst werden. Diese Riesenarbeit wurde bereits 1829 von der Royal Astronomical Society mit einer Goldmedaille belohnt. Bessel allein hätte diese große Arbeit ohne die tüchtige Hilfe seines Assistenten Friedrich Wilhelm Argelander nicht bewältigen können.
Argelander setzte später, als er die neu gegründete Sternwarte Bonn übernahm, die Besselsche Arbeit fort und publizierte diese 1862 als ,,Bonner Durchmusterung" (BD). Argelander begann 1852 mit Hilfe von E. Schönfeld und Krüger seine Arbeiten an der BD, die ihn zehn Jahre lang beschäftigen sollten. Er lenkte dabei auch die Aufmerksamkeit auf die Veröffentlichungen zu anderen Teilgebieten der Astronomie, als da waren: 1596, Fabricius entdeckt den Veränderlichen Mira, 1669, Montanari den Lichtwechsel von Algol, 1785, Goodricke entdeckt Helligkeitsschwankungen von Delta Cephei, 1786, Pigotts erster Katalog mit zwölf veränderlichen Sternen. Diese wenig beachteten Entdeckungen veranlassen Argelander
Geschichte der Astronomie
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bereits 1844 zu seiner bekannten ,,Aufforderung an Freunde der Astronomie" zu systematischen Beobachtungen von Sternhelligkeiten, in der er auch erstmalig darauf hinwies, das nur eine einheitliche Definition und Methode, wie die noch heute gebräuchliche Stufenschätzung, vergleichbare Ergebnisse erzielen könnte. Sein Aufruf war offensichtlich sehr erfolgreich, denn sein Mitarbeiter E. Schönfeld, der zwischenzeitlich zum Leiter der Mannheimer Sternwarte avancierte, veröffentlichte 31 Jahre später, 1875, einen ,,Katalog mit 143 Veränderlichen Sternen".
Als der Student K. F. Zöllner, von dem noch die Rede sein wird, bei dem bekannten Physiker H. W. Dove die Hoffnung äußerte, die Untersuchung des Sternenlichts würde zukünftig noch unvorstellbare neue Erkenntnisse über die Natur der Sterne lehren, war die kurze Antwort Doves: ,,Was die Sterne sind, wissen wir nicht und werden es nie wissen". Diese und ähnliche Äußerungen von bekannten Astronomen, von denen ja viele über die Mathematik zur Astronomie gefunden hatten, waren das Ergebnis des sich sehr schnell ausbreitenden Determinismus bei den Naturwissenschaftlern: Die Welt und das Universum waren scheinbar berechenbar geworden.
7 Heinrich Wilhelm Matthäus Olbers,
1758-1840
Angeregt durch Newtons Optikarbeiten (es gab noch keine Theorie der Lichtmessung), widmete sich J. H. Lambert ausführlich der Untersuchung der Lichtmessung. Die in seinem 1760 erschienenen Werk ,,Photometrie" dargelegten Thesen wirkten bahnbrechend. Der Autor legte unmissverständlich die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Lichtmessung dar. ,,Nicht nur in der Astronomie, sondern auch in der Licht und Beleuchtungstechnik fehle noch ein Messinstrument, wie es die Wärmelehre längst geschaffen habe." In der Folge beschäftigten sich viele junge Physiker und Astronomen mit der Herstellung von brauchbaren visuellen Fotometern, zumal 1857 ein akade-
mischer Preis der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien für die Anwendung und Konstruktion eines solchen ausgesetzt war. Das Grundprinzip für die Messung von Helligkeiten bestand darin, Helligkeitsgleichheit zwischen dem zu messenden Objekt und einem künstlichen oder natürlichen Vergleichsobjekt herzustellen.
Die Tatsache, dass die Gleichheit von Helligkeiten vom menschlichen Auge mit erstaunlicher Genauigkeit beurteilt werden kann, machten sich die Konstrukteure solcher Instrumente zu Nutze. Eine weitere Forderung an die Konstrukteure war, ein möglichst großes fotometrisches Material in möglichst kurzer Zeit zu erfassen. Leider wurde aber bei den ersten Fotometern für astronomische Zwecke sehr schnell klar, dass die scheinbare Einfachheit dieser Methode nicht ohne Probleme anwendbar war. Die gemessenen Lichtintensitäten konnten nicht wie erhofft als klassische Größenangaben erfasst werden. Eine ganze Reihe von theoretischen und praktischen Fragen war zu klären: Wie war aus der Ablesung am Fotometer die Intensität des zu messenden Objekts abzuleiten und die Reduktion der Messungen vorzunehmen?
Uranus mit
von Ernst-Jochen Beneke
Bei mondscheinlosem, klarem Himmel mit trockener Luft nimmt das menschliche Auge nach entsprechender Adaption (Anpassung) noch Sterne 6. Größe wahr. Das heißt, würden die vier Monde des Jupiter nicht von ihrem Planeten hoffnungslos überstrahlt, müssten wenigstens die äußeren mit bloßem Auge erkennbar sein. Das waren die Gedanken, die drei junge Olbersianer im Frühjahr 1956 nach der Sternführung auf der Plattform der Seefahrtsschule in der Elsfletherstraße in Bremen-Walle bewegten. Jupiter stand damals im Löwen nahe Regulus und Erich Übelacker erzählte, seine Mutter habe, nach Abschatten des Planeten, ein oder zwei seiner Monde gesehen. Immerhin, Ganymed besitzt die Größe 4,6, Europa und Callisto 6,2, Io ist schwächer und zu planetennah. Die Prüfung durch Erich und Christian de Vegt
bloßem Auge sichtbar
fiel negativ aus, auch ich war erfolglos. Da kam uns der Gedanke, doch mal nach Uranus zu sehen, der immerhin die Größenklasse 5,8 besaß. Im 90-Millimeter-Zeiss-Teleskop hatten wir ihn doch vorher eingestellt. Und siehe da, auf der Verlängerungslinie Castor-Pollux südostwärts war das Lichtpünktchen an der Sternbildgrenze Zwillinge/Krebs eindeutig sofort zu erkennen! Wir jubelten. Das war ein Ding!
Ich habe Uranus jedes Jahr auf seinem Weg abwärts in der Ekliptik verfolgt, bis er immer südlicher in der Jungfrau in den zunehmenden Lichtkreis der Stadt Stuttgart kam. Irgendwann in den Jahren 1963-64 war es dann vorbei. Die zunehmende Straßenbeleuchtung und wachsende Bebauung mit Bürobeleuchtung und Lichtreklame machten dem Sternen-
himmel den Garaus, es ging nur noch mit dem Teleskop.
Nun sollte es aber wieder gehen. Uranus bewegt sich in den nächsten 40 Jahren von den Fischen entlang der Ekliptik bis zur Jungfrau in hohem Bogen über uns hinweg. Zu Zeit steht er in den Fischen in sternarmer Gegend. Zu finden ist er, wenn man die Verbindungslinie von Sirrah in der Andromeda zu Algenib im Pegasus um sich selbst verlängert, leicht südostwärts. Anfangs leistet ein Fernglas gute Hilfe, später braucht man es nicht mehr. Im Herbst stehen diese Sternbilder morgens im Südosten, im Winter hoch im Süden, im Frühling im Südwesten. Es wird sich immer eine Zeit finden, in welcher der Himmel dem freiäugigen Uranus-Beobachter klar und freundlich gesonnen ist.
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Geschichte der Astronomie
Der Fernsehprofessor Heinz Haber
*1913, 1990
von Regina Umland
Im Jahr 2013 jährte sich der 100. Geburtstag von Professor Dr. Heinz Haber und auch 2014 jähren sich zwei Ereignisse, die mit seinem Namen verbunden sind: das erstmalige Erscheinen von ,,Bild der Wissenschaft" im Jahr 1964 und die Eröffnung des wieder aufgebauten Planetariums in Mannheim im Jahr 1984.
Heinz Haber wird am 15. Mai 1913 in Mannheim geboren. Zusammen mit drei Geschwistern wächst Heinz Haber in einer wirtschaftlich gesicherten Familie auf, was vor allem nach 1918 nicht selbstverständlich ist.
1923 bezieht die Familie ein Haus unweit des Luisenparks, in dem 1927 das erste Mannheimer Planetarium eingeweiht wird. Dieses wird für den jungen Heinz Haber richtungsweisend: ,,Als Zehnjähriger ... war ich fest entschlossen, Ornithologe zu werden. Als Elfjähriger begann ich, eine Eiersammlung anzulegen, deren langsam verfaulender Inhalt meiner Mutter viel Kummer bereitete. Eine entscheidende Wende in meiner Berufswahl kam 1926 zustande, als ... die Stadt
Mannheim ein städtisches Planetarium errichtete. ... Das Planetarium hat mich zur Astronomie gebracht. Nachdem ich zum ersten Mal den künstlichen Sternenhimmel erblickte und auch verstand, stand mein Entschluss fest, Astronom zu werden. Dabei ist es auch geblieben." [1]. Als 17-jähriger hält er einen Vortrag in diesem Planetarium und handschriftlich verfasst er 1930 im Heinz-Haber-Verlag wohl seine erste Schrift mit dem Titel ,,Sterne, Atome und Quanten" [2].
Ein Jahr nach dem Tod des Vaters macht er 1932 sein Abitur am Karl-FriedrichGymnasium in Mannheim - selbstverständlich mit Bestnoten in Mathematik und Physik, dafür aber mit dem Zusatz: ,,Die Note 5 in Latein wurde kompensiert durch die Note 1 in Deutsch." Nach dem Studium der Physik, Astronomie und Mathematik in Leipzig, Heidelberg und Berlin bleibt er als Assistent am KaiserWilhelm-Institut für physikalische Chemie in Berlin und promoviert 1939 zum Thema ,,Über den Energieaustausch zwischen Translation und Rotation durch Stöße".
1 Die Geschwister Haber: Elsa und
Franz (vorne), Heinz (hinten links) und Fritz, ca. 1925 (Alle Bilder dieses Beitrags: Stadtarchiv Mannheim)
Mit dem Beginn des zweiten Weltkriegs wird Heinz Haber als Flugzeugnavigator zum Militär eingezogen. Vielleicht für ihn zum Glück wird er 1942 bei einem Flugzeugabsturz so schwer am Kopf verwundet, dass er aus dem Kriegsdienst ausscheidet. Er kehrt zurück nach Berlin ans Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie, wird Abteilungsleiter und beschäftigt sich insbesondere mit der Spektroskopie.
2 Heinz Haber am Spektroskop, Berlin, 1945
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Seine Habilitation zum Thema ,,Das Torus Gitter" ist für den 3. Dezember 1944 beurkundet. Im gleichen Jahr erscheint im Magazin ,,Kosmos" der Artikel ,,Der Farbfilm in der Astronomie", welcher sich vor allem mit Farbfilmaufnahmen des Mondes beschäftigt. Autoren sind Anneliese Haber und Dr. Heinz Haber [3]. Bereits 1940 heiraten Anneliese Hündle und Heinz Haber. Sohn Kai erblickt 1943 in Berlin das Licht der Welt. Die Kriegswirren verschlagen die Familie 1945 nach Heidelberg, wo die Tochter Kathleen (in den Vereinigten Staaten wird dies zu Cathleen) geboren wird.
Geschichte der Astronomie
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3 Heinz Haber (links) und Walt Disney
vor einer Animationsfigur für den Film ,,Man in Space", 1954
In Heidelberg stößt Heinz Haber als Physiker zu der Forschergruppe, die am ,,Aero Medical Center der U.S. Army" die Ergebnisse der Luftfahrtmedizin während des Dritten Reichs aufarbeitet. Zusammen mit Otto Gauer schreibt Haber einen Beitrag zum physikalisch-medizinischen Problem der Schwerelosigkeit: ,,Man under Gravity-Free Conditions" [4]. Im Rahmen der ,,Operation Paperclip" (Rekrutierung deutscher Wissenschaftler für Projekte in den Vereinigten Staaten von Amerika) siedelt er mit seiner Familie nach San Antonio, Texas, über. Auf der Randolph Air Force Base arbeitet Heinz Haber mit seinem ebenfalls in die USA gekommenen Bruder Fritz an den physikalisch-medizinischen Problemen eines Weltraumfluges und beide entwickeln u. a. den sogenannten Parabelflug - ein besonderes Flugmanöver, um Schwerelosigkeit oder die Simulation einer verminderten Schwerkraft, wie z. B. der Mond- oder Marsgravitation, zu erreichen. Zahlreiche Konferenzen und Veröffentlichungen zum Thema ,,Mensch im Weltall" folgen, auch in Deutschland [5]. Im März 1952
veröffentlicht das wöchentlich erscheinende Magazin ,,Collier's" eine ganze Reihe von Beiträgen zum Thema ,,Man will conquer Space soon". Neben Wernher von Braun, Willy Ley, Dr. Joseph Kaplan u. a. schreibt Heinz Haber einen Beitrag zum Thema ,,Can we survive in Space?" Obwohl Heinz Haber nie Medizin studiert hat, wird er durch die Beschäftigung mit dem Thema ,,Schwerelosigkeit im Weltraum" zum Raumfahrtmediziner, als solchen bezeichnet ihn im Oktober 1957 auch ,,Der Spiegel" auf dem Titelblatt.
Aufgrund seiner bisherigen Forschungsarbeiten und Veröffentlichungen wird er 1956 wissenschaftlicher Chefberater von Walt Disney. Nach dem Erfolg des Dokumentarfilms ,,Die Wüste lebt" (1953) soll Walt Disney im Auftrag der US-amerikanischen Regierung einen Film produzieren, um das Image der Atomphysik und der Kernenergie als Energiequelle zu verbessern. Am 23. Januar 1957 wird ,,Our friend the atom" im Rahmen der Fernsehreihe Disneyland ausgestrahlt und u. a. von Heinz Haber moderiert. Im Oktober des gleichen Jahres läuft der Film im deutschen Fernsehen. Berühmt ist das Mausefallen-Experiment: Haber wirft dabei einen Tischtennisball, der das Neutron darstellen soll, in eine Unzahl aufgestellter Mausefallen, die jede zwei gleiche Bälle tragen. Die kleine Kugel löst eine Kettenreaktion von springenden Bällen aus - ein Sinnbild der entfesselten Gewalt.
Die letzte Produktion bei Walt Disney ist 1959 ,,Donald in Mathmagic Land" (Donald im Land der Mathemagie), eine Einführung in Mathematik und Musik [6]. Dann kehrt er nach Deutschland zurück - als US-Amerikaner, denn im Jahre 1955 hat er die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. 1960 heiratet er seine zweite Frau Irmgard Koch, die er Ende der 1950er-Jahre bei Fernseh-Dreharbeiten kennen gelernt hatte. Der Sohn Marc aus zweiter Ehe wird 1969 geboren.
In den 1960er- und 1970er-Jahren ist Haber für das deutsche Fernsehen tätig und moderiert zahlreiche Fernsehreihen, darunter ,,Unser blauer Planet", ,,Was sucht der Mensch im Weltraum?", ,,Professor Haber experimentiert". Das deutsche Fernsehpublikum nimmt seine Sendungen begeistert auf. Seine Begabung, komplizierte Sachverhalte ver-
4 Heinz Haber im Fernsehen, 1960
ständlich für alle zu erklären, fasziniert die Menschen. So benötigt er zur Erklärung des ersten Keplerschen Gesetzes ein Blatt Papier, zwei Reißnägel, eine Schnur und einen Bleistift. TV-Serien, unzählige Buchveröffentlichungen und Vorträge sind die Grundlage für seinen Erfolg, den zur gleichen Zeit noch ein anderer Fernsehprofessor hat: Prof. Grzimek mit seinen Tiersendungen und ab Ende der 1960er-Jahre Hoimar von Ditfurth. Neben seiner Tätigkeit als ,,Fernseh-
5 Erstausgabe ,,Bild der
Wissenschaft", 1964 VdS-Journal Nr. 50
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Geschichte der Astronomie
6 Planetarium Mannheim: 1927-1953 (links), seit 1984 (rechts)
Professor" und Autor konzipiert er mathematische Zusammenlegspiele wie ,,Verhext" und ,,Trimino" und ist Jurymitglied bei Jugendforscher-Wettbewerben. Zudem hat er mit ,,Eine Frage, Herr Professor" eine regelmäßige Kolumne in der Fernsehzeitschrift Hörzu.
Kein Wunder, dass Heinz Haber viele Auszeichnungen erhält, u. a. Die Goldene Kamera (1965) und den Adolf- GrimmePreis (1965, 1967). Bereits 1963 erhält er in den Vereinigten Staaten den Preis für das beste wissenschaftliche Buch für junge Leute (,,Stars, Men and Atoms") von der Thomas Alva Edison Foundation.
1964 erscheint zum ersten Mal die Zeitschrift ,,Bild der Wissenschaft". Gründungsherausgeber ist Professor Dr. Heinz Haber. Es ist ihm ein Herzensanliegen, Wissenschaft für alle verständlich zu machen. Er plädiert für eine ,,Öffentliche Wissenschaft": Jeder Staatsbürger müsse sich mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften vertraut machen können und jeder Wissenschaftler müsse die Öffentlichkeit über seine Arbeit und deren Sinn informieren und zwar in einer Sprache, die von allen verstanden werden kann.
Heinz Haber und das Mannheimer Planetarium Heinz Haber hat seine Heimatstadt Mannheim nie vergessen. ,,Haber-Eckl" nennt
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er sein Haus in Seefeld (Tirol) in Anlehnung an die Mannheimer Brauerei Habereckl. Sehr stolz ist er deshalb auf den ,,Bloomaul-Orden", der ihm 1972 verliehen wird. Es ist die höchste bürgerschaftliche Auszeichnung, die in Mannheim vergeben wird. In der 1975 stattfinden Bundesgartenschau in Mannheim organisiert er einen ,,Weltraumbahnhof" mit verschiedenen Ausstellungsschwerpunkten. Vor allem trommelt er für den Neubau eines Planetariums. Das alte Planetarium, das ihn zur Astronomie gebracht hatte, war im Krieg durch Bomben beschädigt worden und wurde 1953 abgerissen. 1978 gründet er deshalb mit vielen Mitstreitern den Verein ,,Mannheimer Planetarium e. V." [7]. Nach langem Tauziehen um Geld und Standort wird am 2. Dezember 1984 das neue Planetarium mit dem Programm ,,Neue Sterne über Mannheim" und einer Festrede von Professor Haber eingeweiht. Anlässlich seines 100. Geburtstags organisiert das Planetarium Mannheim eine Ausstellung zum Leben und Wirken von Heinz Haber [8].
1989 erscheint sein letztes Buch mit dem Titel ,,Eiskeller oder Treibhaus - Zerstören wir unser Klima?" - ein Thema, das heute, 25 Jahre später noch aktueller als damals ist. Im November 1989 - wenige Monate vor seinem Tod - hält er in Heppenheim einen Vortrag, in dem er die Bedeutung des Menschen in Relati-
on zum irdischen Zeitablauf setzt. Das Reden fällt ihm zunehmend schwer und am 13. Februar 1990 verabschiedet sich Heinz Haber für immer. Seine letzte Ruhestätte auf dem blauen Planeten findet er in Hamburg-Blankenese.
Anmerkungen und Literaturhinweise: [1] Aus: ,,Als wir noch Lausbuben
waren", S. 72-73, Schneider Verlag 1966 [2] Nachlass Heinz Haber, Stadtarchiv Mannheim [3] Kosmos, Januar-März 1944, S. 166ff. [4] ,,German Aviation Medicine - World War II", Band 1 [5] VDI-Nachrichten, 7. Februar 1953 [6] Heute als DVD erhältlich: Disneys Zauberhafte Märchenwelt, Teil 3 [7] Nach dem Bau des Planetariums ändert der Verein seinen Namen in Freundeskreis Mannheimer Planetarium e. V. und ist bis heute der Förderverein für das Planetarium Mannheim [8] Ausstellung vom 15.05.31.07.2013 als Gemeinschaftsprojekt von Freundeskreis Mannheimer Planetarium e. V., Karl-FriedrichGymnasium Mannheim, Planetarium Mannheim und Stadtarchiv Mannheim
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Die Geschichte der Amateurastronomie
- Ein Workshop in der alten Stockholmer Sternwarte
von Wolfgang Steinicke
Vom 3. bis 5. September 2013 fand in Stockholm ein astronomiehistorischer Workshop statt. Titel der hochkarätig besetzten Veranstaltung: ,,The History of Amateur Astronomy - Current Research, Future Prospects". Meines Wissens ist dies die erste wissenschaftliche Tagung, die sich ausschließlich mit der Geschichte der Amateurastronomie befasste. Sie fand in der alten Stockholmer Sternwarte statt, die malerisch auf einem Hügel im Stadtteil Vasastan liegt (Abb. 1).
Dort ist auch das ,,Observatory Museum" untergebracht, das über einen geräumigen Tagungsraum verfügt. Die schlechte Nachricht: Das Museum wird demnächst geschlossen. Der Eigentümer der Sternwarte, die Royal Swedish Academy of Sciences, will die Räumlichkeiten anders nutzen. Eigentlich ein Armutszeugnis für eine wissenschaftliche Gesellschaft, denn das Museum, betrieben vom Center for History of Science, ist überaus populär. Immerhin trat die Akademie als Sponsor des Workshops auf.
Der erste Tag: Kennenlernen und Museumsbesuch Die Teilnehmer trafen sich vor der Sternwarte, die von einem kleinen Park umgeben ist (Abb. 2). Es waren ungewöhnlich warme Tage in Stockholm und so saßen einige Gäste im Garten des Cafes, das direkt neben dem Gebäude liegt, und genossen den stahlblauen Herbsthimmel.
Dort war für die Teilnehmer ein reichhaltiges Büffet gerichtet; schnell kam man ins Gespräch. Anschließend gab es eine Führung durch die Sternwarte und das Museum. Pünktlich zum Sonnenuntergang standen wir auf dem Rundgang um die Kuppel. Hoch über Stockholm bot sich ein wunderbares Panorama. Im Inneren befindet sich der 1910 aufgestellte 7-Zoll-Zeiss-Refraktor (Abb. 3).
Die Sternwarte wurde 1653 gegründet und bis 1931 genutzt. Die bedeutendsten Astronomen waren Pehr Wargentin (1717-1783), Hugo Gylden (1841-1896) und Carl Bohlin (1860-1939). Das sehr
1 Die Stockholmer Sternwarte (Foto: W. Steinicke)
schön gestaltete Museum besteht seit 1991. Hier zeigt ein Modell, wie die Sternwarte in der ersten Zeit ausgesehen hat (Abb. 4). In mehreren Räumen werden astronomische Arbeiten und Instrumente präsentiert (Abb. 5 und 6).
Der zweite Tag: Vorträge und AfterWorkshop-Party Um 10 Uhr wurde die Tagung von den beiden Organisatoren, Johan Kärnfelt (Astronomisches Institut der Universität Göteborg) und Gustav Holmberg (Astronomisches Institut der Universität Lund), eröffnet. Letzterer - übrigens nicht verwandt mit dem bekannten schwedischen Astronomen Erik Holmberg (1908-2000) - hielt den ersten Vortrag zum Thema ,,Subcultures, Ideals, and Practices in Swedish Amateur Astronomy". Es ging
um den Stand der schwedischen Amateurastronomie im 20. Jahrhundert. Ein Schwerpunkt war die Beobachtung von Veränderlichen Sternen und Kometen. Anschließend sprach Charlotte Bigg (Centre Alexandre Koyre, Paris) über ,,The Science of Celestial Portraiture". Zentrales Thema war der Beitrag von Amateuren zur Fotografie von Sonne und Planeten.
Nach dem Mittagessen im benachbarten Cafe ging es mit einem weniger bekannten Thema weiter. Patrick McCray (University of California, Santa Barbara) berichtete über ,,Amateur Astronomy, Satellite Tracking, and Cold War Cultures". Im Internationalen Geophysikalischen Jahr (IGY 1957/58) gab es das Programm ,,Moonwatch". Amateure bildeten
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Geschichte der Astronomie
2 Gruppenfoto vor der Sternwarte mit (v.l.n.r.) Simon Schaffer, Pedro Ruiz-Castell, Gustav Holmberg, Johan Kärnfelt, Klaus Staubermann,
Patrick McCray, Charlotte Bigg, David Aubin, Wolfgang Steinicke, Otto Sibum, Gary Cameron, Xavier Roque, Pedro Raposo (Foto: K. Staubermann)
dabei Teams, um Erdsatelliten visuell zu verfolgen. Dabei wurden kleine Teleskope mit Umlenkspiegeln aufgestellt,
so dass man bequem nach unten schauen konnte. Der Referent zeigte Aufnahmen von beobachtenden amerikanischen
3 Der 1910 aufgestellte 7-Zoll-Zeiss-Refraktor wird (noch) für öffentliche Beobachtungen
genutzt (Foto: W. Steinicke)
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Hausfrauen, für die ,,Moonwatch" eine willkommene Abwechslung zum Alltag darstellte. Es folgte Augustí Nieto-Galan (Universitat Autònoma de Barcelona) mit dem Thema ,,Amateur Astronomy in the Early Twentieth Century: The Sociedad Astronómica de Barcelona (SAB) and its Popularization Programme". Inspiriert von Camille Flammarion (1842-1925) war die SAB sehr aktiv. Man veranstaltete Vorträge, Ausstellungen und Beobachtungen und publizierte für astronomisch interessierte Laien. Daraus erwuchsen einige wissenschaftliche Karrieren. Um die frühe spanische Amateurszene ging es auch im Vortrag von Pedro Ruiz-Castell (Universitat de València): ,,Amateurs and Aficionados in the Development of Astronomy in Late-19th and Early-20th Century Spain". Eine besondere Attraktion ging von der Sonnenfinsternis 1900 und dem Halleylschen Kometen 1910 aus. ,,Amateurs Discover the Deep-Sky" war das Thema von Wolfgang Steinicke. Es waren zumeist Amateure, die im 18. und 19. Jahrhundert den Großteil der Nebel und Sternhaufen entdeckten. Die professionellen Astronomen bestimmten derweil Positionen von Sternen, Planeten und Kometen. Der Vortrag erscheint
Geschichte der Astronomie
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4
Ein Modell der alten Stockholmer Sternwarte (Foto: W. Steinicke)
im nächsten VdS-Journal als Artikel. Den letzten Vortrag des Tages hielt Klaus Staubermann (National Museum of Scotland, Edinburgh) über ,,Engaging the Amateur: Designing a Tool-kit for the Prussian Academy's Star-chart Observers". Um Amateure an der Suche nach Kleinplaneten zu beteiligen, schuf Bessel ein einfaches technisches Hilfsmittel. Es diente der Erstellung der notwendigen Sternkarten und damit der erfolgreichen Beobachtung. Anschließend fasste Prof. Simon Schaffer (Department of History and Philosophy of Science, University of Cambridge) die Ergebnisse des ersten Tages kompetent zusammen und leitete die ausführliche Diskussion. Abends traf man sich zur Af-
5 Inventar der Sternwarte. Hinten
rechts der von Wargentin 1760 angeschaffte 9-füssige DollandRefraktor (Foto: W. Steinicke)
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6 Die beiden historischen Meridiankreise der Sternwarte (Foto: W. Steinicke)
ter-Workshop-Party in einem Restaurant in der Stockholmer Innenstadt.
Der dritte Tag: weitere Vorträge und Resümee Den Anfang machte Pedro Raposo (Universidade de Lisboa) mit dem Thema ,,Amateur in Uniform: Eugenio Conceição Silva (1903-1969), the Navy, and Amateur Astronomy in Portugal". Silva
war ein portugiesischer Marineoffizier. Als Amateurastronom befasste er sich mit der Astrofotografie. Er gründete das Gulbenkian-Planetarium in Lissabon. David Aubin (Universite Pierre-et-MarieCurie, Paris) sprach über ,,The Trocadero Popular Observatory and the Invention of Cinema". Die von Leon Jaubert gegründete Pariser Volkssternwarte wurde am 14. Juli 1880 eröffnet. Trotz anfäng-
lichem großem Zulauf bestand sie nur wenige Jahre. Der anschließende Vortrag von Gary Cameron (Iowa State University, Ames) trug den Titel ,,We've received a letter from...': International Networks in Twentieth-Century Amateur Astronomy". Darin stellte er frühe amateurastronomische Newsletter und Publikationen vor. Sie hatten großen Einfluss auf die aufstrebende Amateurszene. Ein Beispiel war die Great Plains Astronomical Society (1957- ca. 1968). Den letzten Vortrag hielt einer der beiden Organisatoren, Johan Kärnfelt. In ,,Follow the Information: Comets and Communicative Practices within 20th Century Swedish Amateur Astronomy" ging es um die zentrale Rolle der astronomischen Information am Beispiel der schwedischen Kometenbeobachter. Die Ergebnisse des Tages fasste Prof. Sven Widmalm (Department of History of Science, Uppsala University) zusammen. Er leitete auch die abschließende Diskussion. Der Workshop wurde allgemein als sehr fruchtbar empfunden. Hier wurde wirklich Neuland betreten: die Geschichte der Amateurastronomie. Auf diesem weiten Feld wartet noch viel Arbeit.
Neue Arbeitsgruppe Astronomiegeschichte in Berlin
von Susanne M. Hoffmann
Anfang 2013 kamen drei passionierte Astro-HistorikerInnen auf die Idee, eine neue Arbeitsgruppe zu gründen: Karsten Markus ist Astronom und arbeitet derzeit als Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik in Berlin. Er ist zur Promotion in Astronomiegeschichte in Hamburg eingeschrieben und will daher Amateurastronomen und andere Interessierte in Berlin ebenfalls für eigene kleine Forschungen auf diesem Gebiet begeistern.
Mit dieser Idee lief er an der WilhelmFoerster-Sternwarte am Berliner Insulaner offene Türen ein, denn die dortige wissenschaftliche Leiterin, Monika Staesche, ist nicht nur weltraumbegeistert, sondern auch promovierte Althistorikerin und fördert ebenfalls diese Interessen.
In diesem Zusammenhang kam dann auch ich ins Spiel. Ich beteiligte mich an der Gründung und fungiere nun als CoOrganisatorin der Gruppe. Als studierte Physikerin und Naturwissenschaftshistorikerin bin ich ebenfalls passioniert darin, Astronomie in die Öffentlichkeit zu tragen.
Die neue Gruppe war im Jahr 2013 natürlich zuerst in einer Selbstfindungsphase: Wir treffen uns an einem Montag pro Monat und haben uns ein kleines Programm gegeben. Die Treffen haben bisher den Charakter von Seminaren, dienen dem Austausch von Wissen, Ideen und Projektvorschlägen. Die Anwesenden stellen jeweils Themen vor, für die sie sich interessieren, an denen sie arbeiten oder gearbeitet haben. Dabei lernt man jedes Mal etwas aus ganz
verschiedenen Bereichen und Epochen der ca. 5000-jährigen Geschichte unseres Faches.
Methoden- wie auch Themenspannbreite sind immens: Einmal hörten wir etwas über - fast schon kunstgeschichtlich - ägyptische Diagonalsternuhren, dann diskutierten wir sehr skeptisch über keltische Dolche als Schattenwerfer zur Vermessung des Mondlaufes und ein drittes Mal musste jeder selbst rechnen, weil wir mittels eines Videos vom Venustransit die Entfernung zur Sonne bestimmten (sie ist wirklich dort, wo sie die Raumsonden gemessen haben).
Für die Zukunft ist die Gruppe natürlich gerne offen für weitere Vorschläge. Euphorische Wünsche und Planungen gehen davon aus, dass wir in der Zukunft
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Tref fen:
Wo: Seminarraum im Planetarium der Wilhelm-Foerster-Sternwarte Berlin, Munsterdamm 90.
Zeit: 18:30 Uhr, am zweiten Montag in jedem Monat (keine Schulferien-Ausnahme, denn irgendwer ist eigentlich immer da)
auch regionale Kolloquien gemeinsam mit anderen Arbeitsgruppen und Sternwarten ins Leben rufen möchten und vielleicht sogar Exkursionen organisieren könnten. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt und was wir wirklich alles schaffen. Jedenfalls wünschen wir uns natürlich jederzeit Gäste und neue Teilnehmende. Frischer Wind und neue Ideen sowie aktive Mitarbeit sind uns stets willkommen!
1 Blick in die Arbeitsgruppe Astronomiegeschichte der
Wilhelm-Foerster-Sternwarte Berlin
In memoriam: Unser Gründungsmitglied und guter Freund, Wilfried Tost, ist kurz vor Einreichung dieses Beitrags im Januar 2014 verstorben. Wir trauern gemeinsam mit den Berliner Mondbeobachtern und dem gesamten Verein.
Internethinweise: [1] Themen, Buchtipps, Kinotipps, ggf.
Terminänderungen: www.planetarium-berlin.de [2] Mailingliste: ag_astronomiegeschichtesubscribe@yahoogroups.de
Wie ein Original
von Wolfgang Steinicke
Bibliografische Daten: C. F. Goldbach: Neuester Himmels-Atlas 1799 Originalgetreues Faksimile in limitierter Auflage von 300 Exemplaren Albireo-Verlag, Köln 2013, 52 Karten, 164 Seiten ISBN 978-3-9816040-0-9; Preis: 119,- E
Wenn sich drei bedeutende Persönlichkeiten für ein gemeinsames Projekt treffen, kann eigentlich nur Gutes dabei herauskommen. So geschehen am Ende des 18. Jahrhunderts in Weimar. Gemeint sind aber nicht Goethe, Schiller und Herder, sondern der Verleger Friedrich Justus Bertuch (1747-1822), der Astronom Franz Xaver von Zach (1754-1832) und der Kartograf Friedrich Christoph Goldbach (1763-1811).
Es war v. Zach, Direktor der SeebergSternwarte bei Gotha, der die Idee für einen volkstümlichen Himmelsatlas hatte. Es gab zu dieser Zeit den Atlas von John Flamsteed von 1729 in diversen Neuauflagen sowie erste Kartenblätter von Johann Elert Bodes Uranographia, die 1801 vollständig erschien - beides Werke für den professionellen Astronomen. Für den
Laien hatte Bode 1782 seine ,,Vorstellung der Gestirne" auf den Markt gebracht. Für Zach erfüllte dieses Werk aber kaum seinen Zweck. Es basierte nicht auf den neuesten Sternkatalogen, die 26 Karten waren überfrachtet und zeigten keinen realen Himmel. Anfänger hatten es schwer, sich damit am Firmament zurechtzufinden.
Von Zach dachte an etwas Innovatives. Zusammen mit dem astronomisch interessierten Weimarer Verleger Bertuch konzipierte er einen Atlas mit folgenden Eigenschaften: (1) die dargestellten Objekte (Sterne, Doppelsterne, Nebel und Sternhaufen) spiegeln den neuesten Stand der Forschung wieder, (2) sie werden weiß auf schwarzem Hintergrund dargestellt und (3) für jede Karte gibt es zwei Ver-
sionen: Eine enthält alle notwendigen Bezeichnungen, Figuren und Hilfslinien, eine zweite zeigt nur die Objekte, so wie sie am Himmel zu sehen sind. Von Zach stellte aus den neuesten Katalogen eine Objektliste zusammen. Sie enthält insgesamt 10.570 Sterne (das sind mehr als doppelt so viele wie im Bode-Atlas von 1782): 2919 aus dem revidierten Flamsteed-Katalog, 5442 aus dem Lalande-Katalog von 1783 (jeweils bis zur 6. Größe) sowie 2139 Zodiakalsterne (bis zur 7. und teilweise 8. Größe). Ferner enthält die Liste etwa 300 Nebel und Sternhaufen (Quelle war auch hier Lalande) sowie 146 Sterne, die seit Flamsteed ,,verloren gegangen" waren (man vermutete, dass einige ,,veränderlich" sind).
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Goldbach war der renommierte Kartograf mit den erforderlichen astronomischen Kenntnissen, der dieses ambitionierte Projekt umsetzen konnte. Und so wurde das Ergebnis 1799 als ,,Neuester Himmels-Atlas" publiziert - mit Goldbach als Autor. Von Zach schrieb die Einleitung und Johann Heinrich Voigt (17511853), Professor der Mathematik in Jena, verfasste ein Begleitbuch mit dem Titel ,,Lehrbuch einer populären Sternkunde", das zusammen mit dem Atlas erschien. So ausgerüstet, sollten auch Kinder, Schüler und ,,Dilettanten" (zu dieser Zeit nicht abfällig gemeint) den Sternenhimmel begreifen.
Das Werk erfüllte seinen Zweck, geriet aber allmählich in Vergessenheit - bis es der Amateurastronom Karl-Peter Julius 2013 in seinem Albireo-Verlag, Köln, neu herausbrachte. Er hat sich für ein Faksimile entschieden, also eine originalgetreue Kopie. Über den Besitzer des Exemplars von 1799 ist leider nichts bekannt.
Die Kartenpaare sind auf einer Doppelseite gedruckt (die folgende Doppelseite ist frei). Die rechte Karte zeigt Sterne (ggf. mit Namen bzw. Bayer-Bezeichnungen), Doppelsterne (zweifach unterstrichen), ,,veränderliche Sterne" (einfach unterstrichen, darunter seltsamerweise der mittlere Gürtelstern im Orion), Nebel/ Sternhaufen, Sternbilder (darunter einige überholte, wie ,,Herschels Teleskop") mit Name, Figur und Grenzlinie, äquatoriale Koordinaten (Rektaszension, Deklination/ Nordpol-Distanz), ekliptikale Koordinaten sowie das Milchstraßenband. Die Karte ist mit ihren vielen Informationen eher für die Identifikation von Objekten als für die praktische Beobachtung geeignet - dazu dient die linke Karte! Aber selbst Ersteres ist schwierig. Es ist recht mühsam, bestimmte Sterne zu finden, fehlen doch Flamsteed-Nummern (sie wären verfügbar, nachdem Lalande sie 1783 eingeführt hatte) und die vertrauten Sternbildlinien (auch diese gab es bereits seit 1776). Im Anhang findet sich ein
26-seitiger Auszug aus dem Voigtlschen Begleitbuch. Hier sind, nach einer kurzen Einleitung, die 103 dargestellten Sternbilder beschrieben. Es gibt auch einen modernen Anhang. Darin schreibt Karl-Peter Julius etwas zur Motivation, den historischen Atlas neu herauszubringen und die gewählte Faksimile-Form, bei der auf jede Retusche verzichtet wurde!
Niemand wird sich heute den GoldbachAtlas kaufen, um den Himmel zu beobachten. Die Neuauflage hat ganz andere Qualitäten: Sie sieht aus wie ein Original, fühlt sich so an und riecht vermutlich auch so. Es macht wirklich Spaß, die rauen, etwas vergilbten und fleckigen Seiten umzublättern. Man fühlt sich über 200 Jahre zurückversetzt. Das ist von großem Wert und rechtfertigt den Preis. Überdies ist man stolzer Besitzer eines Einzelstücks: Jeder Atlas hat eine eigene Nummer (1 bis 300). Mein Exemplar ist das Einhundertfünfzigste - handgeschrieben auf der letzten Seite.
Ein langes Leben für die Astronomie
von Wolfgang Steinicke
Bibliografische Daten: Caroline Herschel - Memoiren und Briefwechsel Nachwort von Ernst-Jochen Beneke Georg-Olms-Verlag, Hildesheim 2013, 391 Seiten, ISBN 978-3-487-15010-9; Preis: 29,80 E
Zweifellos gehört Caroline Herschel (1750-1848) zu den bedeutendsten Astronominnen des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie ist die kleine Schwester von William Herschel (1738-1822), dem Entdecker des Uranus und wohl größten visuellen Beobachter aller Zeiten. Auf sein Konto gehen 2500 Nebel und Sternhaufen, entdeckt mit selbstgebauten Spiegelteleskopen in der Nähe des südenglichen Windsor. Er studierte den Bau des Himmels und beeinflusste ganze Generationen von Astronomen. Dabei stand ihm Caroline pflichtbewusst zur Seite. Ohne je eine Schule besucht zu haben, wird sie von ihrem Bruder ausgebildet. Sie dokumentiert nicht nur dessen Beobachtungen, ihr oblag auch die Auswertung und
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Katalogisierung der Daten bis hin zur Publikation. Nebenbei fand sie auch Zeit für eigene Beobachtungen. Sie entdeckte insgesamt acht Kometen und zehn DeepSky-Objekte. Caroline Herschel wurde für ihre Arbeiten 1828 mit der Goldmedaille der Royal Astronomical Society ausgezeichnet.
Ihr langes Leben, das in Hannover begann und auch dort endete, hat sie in einer Autobiografie beschrieben. Darüber hinaus sind viele Briefe erhalten. Das umfangreiche Material, inklusive einem Portrait der 92-jährigen Astronomin, wurde erstmals 1876 in englischer Sprache als ,,Memoires and Correspondence of Caroline Herschel" von ,,Mrs.
John Herschel" herausgegeben. Dies ist Lady Margaret (1810-1884), die Frau von William Herschels einzigem Sohn John (1792-1871). Carolines Neffe trat in die Fußstapfen seines Vaters und war gleichermaßen hervorragender Beobachter und genialer Theoretiker.
Die englische Fassung wurde nur ein Jahr später in Deutsch von Auguste Scheibe im Verlag von Wilhelm Hertz, Berlin, herausgegeben. 136 Jahre später ist nun eine inhaltlich identische Neuauflage im Georg-Olms-Verlag, Hildesheim, erschienen. Neu sind das von Ernst-Jochen Beneke zusammengestellte Nachwort sowie einige Abbildungen. Der Verfasser (Jahrgang 1935) ist ein bekannter Amateuras-
Amateurteleskope/Selbstbau
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tronom. Er war 50 Jahre an der Schwäbischen Sternwarte Stuttgart tätig.
Caroline Herschels Berichte und die vielen Ergänzungen ihrer ,,Nichte" Margaret sind faszinierend. Sie geben - auf 367 Seiten - einen tiefen Einblick in das Leben der Herschel-Familie, zu der auch Williams Brüder und seine spätere Frau Mary gehören, und ihr wissenschaftliches Arbeiten an den diversen Wirkungsstätten. Die Schilderung beginnt mit Carolines Jugend in Hannover. Dann folgt, im Alter von 22 Jahren, der Umzug ins südenglische Bath. Hier lernt sie so gegensätzlich Dinge wie Gesang und die Herstellung von Teleskopen. 1792 folgt der Umzug in die Gegend von Windsor. Hier ist sie alles: Hausfrau, wissenschaftliche Assistentin, visuelle Beobachterin, Chronistin, Autorin und natürlich Gast-
geberin der vielen bedeutenden Besucher, darunter Lalande, Cassini, Mechain, Haydn und König George III., dem William seinen neu entdeckten Planeten widmet. Caroline Herschel war auch eine fleißige Briefschreiberin. Sie korrespondierte mit Gauß, Humboldt, Paganini und vielen anderen. Sie hatte ein erfülltes Leben, das - ohne eigenen Partner - ganz ihrem Bruder (und später ihrem Neffen John) gewidmet war.
Im Nachwort werden auf 27 Seiten Ergänzungen und Erläuterungen gegeben. Es geht u. a. um die Entstehung des Buches, die Herschel-Familie und Williams Teleskope. Auch Begriffe werden erklärt sowie einige Fehler korrigiert (leider nicht die falsche Seitennummer im Inhaltsverzeichnis: 229 statt 329).
Dabei haben sich im Nachwort einige sachliche Fehler eingeschlichen. Sie können aber den sehr positiven Gesamteindruck nicht trüben. Es gibt auch einige Literaturhinweise und Abbildungen. Neben Carolines Silhouette auf dem Titelbild werden historische Karten von England und Hannover gezeigt.
Das Buch ist ein Muss für alle, die sich für die neuere Geschichte der Astronomie - hier aus erster Hand erzählt -, die visuelle Beobachtung oder die Entdeckung der Deep-Sky-Objekte interessieren! Das Buch macht großen Spaß - sobald man sich mit den altdeutschen Lettern vertraut gemacht hat.
Teleskop unterm Mikroskop
von Susanne M. Hoffmann
Auf dem Amateurmarkt kommen einem ab und zu gebrauchte Objektive unter und dann will man meist zunächst die Güte der Optik prüfen. Mit diesem Anliegen besuchte ich die unten genannte Mikroskop-Technik-Firma und ließ ein Teleskopobjektiv unters Mikroskop legen. Dabei lernte ich auch etwas über ,,richtiges Fensterputzen".
der Abbildung 2. Das ähnelt doch fast einem meiner ersten Astrofotos aus der Schwarzweiß-Celluloid-Zeit. Aber hier sind die weißen Punkte Staubkörnchen, die natürlich von der Optik leicht weggehen. Die verschmierte Struktur ist zwar etwas hartnäckiger, aber man kann sie mit einem speziellen Glasradiergummi entfernen.
Die Firma Askania Rathenow ist ein geprüfter Partner von Zeiss Jena und arbeitet an führender Position der mitteleuropäischen Optikindustrie. Schon mit dem bloßen Auge sah man ein paar Sachen auf dem Glas, die da ganz offensichtlich nicht hingehören. In Rathenow wurde daher unser Objektiv zunächst unter der Lupe und dann unterm Mikroskop betrachtet. Das wäre für Astronomen gewiss viel zu hell, weil da ja sehr viel Licht von unten reinkommt. Glücklicherweise wird diese Firma von einem erfahrenen Optik-Ingenieur geleitet, der in den vielen Jahrzehnten seines Arbeitslebens so einiges gesehen hat. Mit sicherem Blick scannt sein Auge das Glas. Er stellt fest, dass die meisten Verunreinigungen oberflächlich sind und sich wahrscheinlich wegmachen lassen. Wenn man durchs Mikroskop guckt, sieht es aus wie in
Das Objektiv ist ,,krank". Die Bildmitte (Abb. 3) zeigt eine blasse Strukturblase - ein Fungus - rechts ist diese nochmal vergrößert abgebildet. Pilze sind organisch und das heißt, sie wachsen, wenn man sie nicht aufhält. Damit machen sie das Glas nachhaltig kaputt. Man muss sie abtöten und nach dem Entfernen muss man die Stelle versiegeln, weil der Pilz sonst neu ausbrechen kann. Glas versiegeln geht im Grunde auch für astronomische Optiken genauso wie für Ihre Fensterscheiben zuhause: Reinigung mit ,,Lotus-Effekt". Wenn man damit die Fensterscheiben behandelt, dann werden auch diese länger sauber bleiben, weil zunächst (zumindest für eine Weile) das Wasser einfach abperlt, also nicht haften bleibt und beim Verdunsten Rückstände hinterlässt. Der Begriff ,,selbstreinigend" in diesem Zusammenhang ist natürlich
1 Prüfung eines Objektivs
unter dem Mikroskop
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Amateurteleskope/Selbstbau
Quatsch, aber jedenfalls verlängert der Lotus-Effekt die Putzintervalle und das ist doch eigentlich genau das, was der typische Sternfreund will: Sterne gucken - und putzen so selten wie möglich.
Die Leute von der Firma Askania Rathenow waren unglaublich freundlich und der Meister sagenhaft interessiert. Nach anderthalb Stunden Gespräch hätte er mir sogar erlaubt, seine Maschinen gratis zu benutzen und alles zu machen, was wir wollten. Es ist toll, was man erreicht, wenn man ein bisschen mit den Leuten fachsimpelt und sich für ihre Arbeit aus Leidenschaft interessiert.
2 Die meisten Verunreinigungen sind oberflächlich und lassen sich wegmachen.
3
Diese blasse Strukturblase, rechts vergrößert abgebildet, ist ein Pilz. Diese sind organisch und das heißt, sie wachsen, wenn man sie nicht aufhält.
Bau einer Flatfieldbox für Teleskope bis 300 mm Öffnung
von Volker Wickert
Das größte Instrument der Volkssternwarte Hattingen ist ein Vixen VMC260. Für dieses Instrument sollte die Flatbox konstruiert werden. Damit Vignettierungen und Schmutz auf einer Optik leicht auf einem Deep-Sky-Foto minimiert
werden können, ist der Einsatz einer sogenannten Flatbox sinnvoll.
Als Baumaterial wurde 10-mm-Pappelsperrholz benutzt. Die Außenmaße sind 500 mm x 500 mm und die Tiefe
beträgt 300 mm. Die Lichtöffnung hat einen Durchmesser von 400 mm und ist mit einer weißen 4-mm-KunststoffAcrylscheibe versehen. Als Beleuchtung wurden acht LED-Streifen benutzt mit insgesamt 64 weißen LEDs. Jede LED hat
1 Zwei Außenwände von 480 mm x 300 mm
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2 Zwei Außenwände von 500 mm x 300 mm, die Innenflächen
werden mattweiß gestrichen.
Amateurteleskope/Selbstbau
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3 Der Zusammenbau der Seitenteile (vor dem
Zusammenstecken einer Ecke)
4 Der Zusammenbau der Seitenteile (nach dem
Zusammenstecken einer Ecke)
5 Der Zusammenbau der Seitenteile (der fertige Rahmen)
6 Die Beleuchtungseinheit besteht aus acht LED-Streifen.
Auf jedem Streifen gibt es acht LEDs im Abstand von 45 mm. Die Streifen sind in einem Abstand von 45 mm montiert.
7 Der Lichtauslass ist mit einer Acrylscheibe versehen
(Außenseite, dem Teleskop zugewandt).
8 Der Lichtauslass ist mit einer Acrylscheibe versehen
(Innenseite).
VdS-Journal Nr. 50
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Amateurteleskope / Selbstbau
9 Die Ansicht mit eingesetzter Scheibe aber noch
ohne Beleuchtungseinheit
10 Die fertige Box ...
11 ... mit eingeschalteter Beleuchtung
12 Rechts: Das Teleskop ist in Zenitposition geschwenkt und die
Box oben auf das Teleskop gehoben, um die Flatlights zu belichten.
einen Abstrahlwinkel von 110 Grad, eine Lichtstärke von 1.900 mcd und die Farbtemperatur liegt bei 6.000 K. Jeder LEDStreifen nimmt bei 12 V einen Strom von 45 mA auf.
Bestandteile und Zusammenbau Alle geraden Holzteile wurden im Baumarkt zugeschnitten. Der runde Lichtaustritt wurde mit einer Laubsäge
VdS-Journal Nr. 50
ausgesägt. Alle Innenflächen wurden zur besseren Reflektion mattweiß gestrichen. Der Zusammenbau ist auf den Fotos sichtbar.
Die Leuchtdioden habe ich nach langer Recherche bei Conrad Electronic gefunden. Auf einem 3 mm schmalen und 330 mm langen Leiterplattenmaterial sind acht SMD-LEDs aufgelötet. Die
acht Streifen wurden so montiert, dass der Lichtaustritt möglichst gleichmäßig ausgeleuchtet wird. Gespeist wird die Flatbox aus einem stabilisierten 12-VSteckernetzteil.
Um nun die Flatlights zu belichten, wird das Teleskop in Zenitposition geschwenkt und die Box oben auf das Teleskop gehoben. Nach einigen Belichtungen und
Astrofotografie
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einiger Erfahrung ergeben sich Belichtungszeiten zwischen 1/50 s und 1/500 s. Die Belichtungszeiten sind von der Gesamtoptik abhängig. Die Belichtungszeit sollte so gewählt werden, dass im Histogramm die maximale Helligkeitsamplitude zwischen 30 und 70 % liegt. Hier ist etwas Ausprobieren angesagt.
Beispielfoto M 51 Wie sich die Vignettierung sowie die Verschmutzung auswirken, soll an einem einfachen Beispiel gezeigt werden (Abb. 13, 14). Als Optik wurde das Vixen VMC200 benutzt. Die Aufnahmekamera war eine Canon EOS 5D Mark II. Bei dieser Vollformatkamera wird der Einfluss sofort sichtbar, aber auch die Bearbeitung. Es wurden vier Flats zu einem Masterflat mit fitswork verarbeitet. Ein Rohbild wurde durch das Masterflat dividiert. Das Ergebnis ist im Endbild gut zu sehen.
13 M 51 ohne Flatdivision (Kontrast stark erhöht)
14 M 51 mit Flatdivision
(Kontrast stark erhöht)
Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie
- Das Astrofoto des Jahres 2013
von Thorsten Zilch
1a
Der galaktische Nebel Ced 201 = vdB 152. In voller Größe ist das Siegerfoto auf Seite 54 abgebildet.
1b
Der erste Preisträger:
Andreas Rörig vor seinem Teleskop mit CCD-Kamera
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Amateurteleskope / Selbstbau
2a Der Komet C/2011 L4 PanSTARRS bei M 31, Optik: Canon-200-mm-Tele, auf 3,5 abge-
blendet; CCD-Kamera: SBIG STL-11000M; Superpolaris-DX-Montierung; Belichtung: 5 x 30 s (L), 4 x 30 s (R, G) und 8 x 30 s (B), alles ungebinnt; Aufnahmeort: Emsland, Datum: 1. April 2013; Bildautoren: Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg.
2b Die zweiten Preisträger:
Stefan Binnewies (links) mit Rainer Sparenberg in der Gipfelregion des Roque de los Muchachos (Kanareninsel La Palma).
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Die Fachgruppe Astrofotografie veröffentlicht auf Astronomie.de regelmäßig das ,,Astrofoto der Woche" (AdW). Auf diese Weise kommen in jedem Jahr 52 wunderschöne Astroaufnahmen aus dem Kreis der deutschsprachigen Astrofotografen zusammen. Wie in den letzten beiden Jahren, so haben die Mitglieder der Fachgruppe Astrofotografie auch für 2013 diese Ergebnisse begutachtet und bewertet. Bei einer Wahlbeteiligung von 70 % fielen die Entscheidungen aber nicht immer leicht, denn von vielen sehr guten Resultaten durften letztlich nur drei übrig bleiben. Und hier sind die Sieger:
Platz 1: Platz 2: Platz 3:
Andreas Rörig, Woche 45 - Der galaktische Nebel Ced 201 = vdB 152 (35 Punkte)
Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg, Woche 15 - C/2011 L4 PanSTARRS bei M 31 (28 Punkte)
Patrick Hochleitner und Dieter Beer, Woche 01 - NGC 1579, ein Nebelgebiet im Perseus (16 Punkte)
Diese Aufnahmen sind hier abgebildet. Das Siegerfoto ist in voller Größe jedoch auf Seite 54 zu finden, wo es einen ausführlichen Bericht über Cederblad 201 gibt.
Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern, aber auch Dank an unsere vielen treuen Einsender! Ihr AdW-Team
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3a NGC 1579, Teleskop: Skywatcher Black Diamond ED 120 mm/765 mm mit Flattener
0,85x; CCD-Kamera: Moravian G2 8300 FW, Montierung: Neq6Pro; Nachführung per Sucherfernrohr mit Lacerta Mgen der Marke Teleskop Austria; Belichtung: 1.165 min (L), 445 min (R), 375 min (G), 450 min (B), in Summe 40 h, 35 min zwischen Herbst 2011 und Herbst 2012! Filter: Astronomik 2c. Aufnahmeort: Bruck a. d. Glocknerstraße. Software: Pixinsight 1.7 und Photoshop CS5. Bildautoren: Patrick Hochleitner und Dieter Beer.
3b
Die dritten Preisträger:
Dieter Beer (links) mit Patrick Hochleitner
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Astrofotografie
TBG-Gruppe entdeckt drei LSB-Zwerggalaxien um NGC 4631
von Dirk Bautzmann, Bruno Mattern, Fabian Neyer, Robert Pölzl, Peter Riepe und Thorsten Zilch
Auf der Bochumer Herbsttagung 2011 wurde ein Gemeinschaftsprojekt zwischen den Amateuren der VdS-Fachgruppe Astrofotografie und den Berufsastronomen des Astronomischen Instituts der Ruhr-Universität Bochum ins Leben gerufen. Institutsleiter Prof. Dr. Ralf-Jürgen Dettmar und Peter Riepe starteten dieses Projekt mit dem Ziel, kalibrierte Aufnahmen lang belichteter Galaxien zu erhalten, um dem Phänomen der ,,Sternströme" näher zu kommen. Im Januar 2012 wurde in der Fachgruppe Astrofotografie eine ,,Projektgruppe TBG" (tief belichtete Galaxien) gegründet. Schon davor hatten Fachgruppenmitglieder auf tief belichteten Galaxienaufnahmen eindeutig Sternströme nachweisen können. Diese Objekte stehen seit Beginn der 2000erJahre verstärkt im Fokus der Profi-Astro-
nomie. Es handelt sich um stellare Überreste von Zwerggalaxien [1], die ihren Muttergalaxien schon vor langer Zeit zu nahe kamen. Bei ihren Umläufen um die Muttergalaxie gab es dann regelmäßige Kollisionen mit deren Halo, allmählich wurden die Zwerge zerrupft. Sie zogen sich auf ihren Bahnen in die Länge und wurden schließlich größtenteils von der Muttergalaxie ,,aufgefressen". Die Entdeckung solcher übrig gebliebenen Sternströme bestätigt die Standardvorstellung der Kosmologen, dass sich leuchtkräftige Galaxien aus kleineren Galaxien durch ,,Kannibalismus" bilden.
Im Winter 2013 führte die Projektarbeit zum ersten Publikationserfolg der TBGGruppe. Unter der Leitung von I. D. Karachentsev [2] entstand eine Arbeit über
die Entdeckung eines neuen Sternstroms bei NGC 4631, der drei Zwerggalaxien enthält (Tab. S. 52) und eine extrem schwache Lichtbrücke zur Nachbargalaxie NGC 4656 offenbart. Dazu wurde ein Artikel zur Publikation in einer astronomischen Fachzeitschrift verfasst und bereits online veröffentlicht ([3] und Abb. 1). Um dem Leser den Weg zur Entdeckung durch die TBG-Gruppe aufzuzeigen, schildern die Autoren jetzt ihren Anteil an der Projektarbeit.
Peter Riepe Am 24. März 2013 schickte mir Dirk Bautzmann eine recht tief belichtete Aufnahme von NGC 4631 zur Veröffentlichung als ,,Astrofoto der Woche". Als Gründungsmitglied der Projektgruppe TBG schaue ich mir tiefe Galaxienauf-
1 Der Fachartikel zu unserer Entdeckung in Online-Form
VdS-Journal Nr. 50
Astrofotografie
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nahmen grundsätzlich intensiv an. So bemerkte ich bei genauem Hinsehen ein diffuses Objekt nordwestlich von NGC 4631, das mir dort neu war. Um die Echtheit dieses Objekts zu prüfen, bat ich Bruno Mattern um eine weitwinkelige Aufnahme von NGC 4631.
Sein Bild bestätigte zwar sehr schwach, aber eindeutig die Realität des Objekts. Es wurde spannend! Robert Pölzl und Fabian Neyer erklärten sich nach Anschreiben sofort bereit, lange Nachbelichtungen beizusteuern. So erhielten wir viele Bilder, die zunächst nur die Existenz der neuen Zwerggalaxie N4631dw1 belegten, letztlich aber in Summe noch weitere Überraschungen bereithielten.
Die Zusammenarbeit mit den Bochumer Astronomen endete im Herbst 2013. Aber ich konnte neue Kontakte zu Igor Karachentsev knüpfen (Abb. 2). Schließlich war nach wie vor unbedingt eine gezielte Zusammenarbeit mit Berufsastronomen nötig. Professor Karachentsev interessierte sich sehr für unsere Ergebnisse und gratulierte uns spontan zur Entdeckung. Ohne Zögern bot er seine Mitwirkung bei einer Publikation an. Die Umsetzung dieser Idee dauerte gut einen Monat und war Mitte Dezember ,,in trockenen Tüchern". Die TBG-Gruppe war entzückt!
Bruno Mattern Im April 2013 bat mich Peter Riepe um eine lang belichtete Aufnahme der Galaxie NGC 4631. Da ich auf Galaxienaufnahmen spezialisiert bin, konnte ich seinem Wunsch umgehend nachkommen. In meinem Archiv waren Aufnahmen mit verschiedenen Brennweiten vorhanden, die auch ausreichend lang belichtet waren. Dass die letzten Aufnahmen bereits vom Frühjahr 2011 waren, tut der Aktualität keinen Abbruch. Was sind schon zwei Jahre im Vergleich zu den astronomischen Zeitabläufen!
Für das Bild wurde ein Astrograf epsilon 200 von Takahashi auf einer Montierung Mauz MAM 100 eingesetzt. Als Kameras verwende ich verschiedene Canon-Kameras (astro-modifizierte EOS-Modelle). Ich betreibe die Sternwarte zusammen mit Eric-Sven Vesting in der Lüneburger Heide. Resümee: Es hat mir großen Spaß gebracht, an diesem Projekt ein wenig mitzuarbeiten!
2 Prof. Dr. I. D. Karachentsev bei einer Konferenz in Bonn
Dirk Bautzmann Mit dem Ziel, NGC 4631 möglichst detailreich abzubilden, sammelte ich Anfang März 2013 einige LRGB- und H-Frames. Zur Aufnahmegewinnung kamen dabei zum Einsatz: Teleskop PlaneWave CDK 12.5 (f/8) auf ASA-Montierung DDM85, Kamera: Apogee U16M. Mit den gut 13 Stunden an Gesamtbelichtungszeit ließ sich ein sehr ansprechendes Bild der ,,Walfisch-Galaxie"-Details erstellen. Unter dem Gesichtspunkt eines möglichst detailreichen ,,pretty pictures" von NGC 4631 sandte ich das Bild an die Redaktion ,,Astrofoto der Woche". Peter Riepe betrachtete das eingesandte Bild sehr genau, fertigte eine stark gestreckte Inversdarstellung an und wies mich auf eine schattenähnliche ,,Auffälligkeit" im Hintergrund hin. Ich muss gestehen, dass ich bis dato den Hintergrund meiner Bilder in dieser Inversdarstellung noch nie so genau abgesucht habe. Die Frage war nun, ob diese schattenähnliche Erscheinung ein reales Objekt zeigt oder einem nicht ganz perfekten Flat oder einer nicht perfekten Bildkalibrierung geschuldet war. Zur weiteren Klärung wurde dann das weitwinkelige Bild von Bruno Mattern herangezogen. Es zeigte ebenfalls das fragliche Objekt. Nun konnte in meinem Bild ein Abbildungsfehler in jeglicher Form ausgeschlossen werden. Wie man sieht, bin ich in diese ,,Entdeckungsgeschichte" mehr oder weniger hineingerutscht und werde bei meinen zukünftigen Bildern den ,,unscheinbaren" Hintergrund sicher deutlich aufmerksamer absuchen.
Thorsten Zilch Das Grundgerüst unserer Projektarbeit stellt bislang die TBG-Objektliste dar. Es handelt sich hierbei um eine projektinterne Zusammenstellung interessanter Galaxien aus dem NGC/IC-Katalog mit möglichem Sternstrompotenzial. Nach einer Vielzahl von Projekttreffen inklusive vieler leckerer Pizzen wurde diese Liste in Zusammenarbeit mit Peter Riepe im Dezember 2012 weitestgehend finalisiert. Seitdem trafen wir uns nur noch gelegentlich, sobald irgendwelche Neuigkeiten bei uns eingingen.
So auch im April 2013, als Peter Riepe plötzlich ein für das Astrofoto der Woche geplantes Bild von Dirk Bautzmann dabei hatte. NGC 4631 war zwar nicht Bestandteil unserer Objektliste, aber trotzdem beschäftigten wir uns recht intensiv mit diesem System. Nach vielen Recherchen stellte sich heraus, dass das diffuse und sehr lichtschwache Objekt nordwestlich von NGC 4631 noch keinerlei Katalognummer hat. Neben den Bildinformationen aus dem Palomar Observatory Sky Survey (POSS) wurden auch Vergleichsaufnahmen aus dem Sloan Digital Sky Survey (SDSS) herangezogen, und siehe da: Es war wirklich etwas zu sehen, wenn auch nur knapp oberhalb des Bildrauschens (Abb. 3). Noch an diesem Abend wurde überlegt, wie wir unmittelbar die Projektgruppe miteinbeziehen konnten, um hier schnellstmöglich zu einer Antwort zu gelangen. Plötzlich waren die österreichischen und die Schweizer Alpen selbst aus Dortmund zum Greifen nahe.
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Astrofotografie
Eigenschaften der drei um NGC 4631 entdeckten LSB-Zwerggalaxien
Objekt
Rektasz. (J2000.0) Dekl. (J2000.0)
a
N4631dw1
12h 40m 57,0s
+32 Grad 47' 33''
2,2'
N4631dw2
12h 42m 06,8s
+32 Grad 37' 15''
0,9'
N4631dw3
12h 42m 52,5s
+32 Grad 27' 35''
0,6'
b/a
BT
MB
Typ
0,60
16,8 mag
-12,5 Mag
Ir
0,90
18,5 mag
-10,8 Mag
Ir
0,85
19,7 mag
-9,6 Mag
Sph
Es bedeuten: a = großer Durchmesser in Bogenminuten, b/a = Achsverhältnis, BT = totale Blauhelligkeit, MB = absolute Blauhelligkeit
Wir waren derart vertieft im Thema, dass wir die lauten Schrubber auf dem gefliesten Küchenboden der Pizzeria nicht hörten und letztlich mit unserem Laptop freundlichst vor die Tür gesetzt wurden. Aber die Betreiber hatten einfach keine Ahnung, welche entscheidenden Fäden an diesem Abend in ihrer Lokalität gezogen wurden!
Robert Pölzl Alles begann mit einer E-Mail von Peter Riepe am 13.5.2013 ... ,,Robert, bitte halte dein Fernrohr mal auf NGC 4631, aber nicht zentral auf die Galaxie, sondern auf die Koordinaten Rektasz. = 12h 41m und Dekl. = +32 Grad 47'. Dirk Bautzmann hat die Galaxie fotografiert und es erscheint ein ,,schwaches Objekt" nordwestlich der Galaxie.
Ich habe meine Sternwarte in 1.200 m Höhe im Süden Österreichs (Koralpe) in den österreichischen Tauern. Mein dunk-
ler Himmel und mein schneller 368-mmNewton (f/3,8) sollten also schon Klarheit bringen. Meine CCD-Kamera ML 8300 von Fingerlakes bildet ein Bildfeld von 46' x 34' ab. Somit konnte ich die Galaxie und den vermutlichen Zwerg auf ein Feld bringen. Bereits in der Folgenacht entstanden 10 x 20 Minuten Belichtung in Luminanz. Schon auf den Rohbildern sah man die Zwerggalaxie und im Summenbild war sie bei hohem Kontrast nicht
3
Kontrastgesteigerte Bilder aus dem POSS (links) und dem SDSS (rechts) zeigten am Ort der LSB-Galaxie N4631dw1 bereits eine elongierte, extrem schwache Aufhellung.
mehr zu übersehen. Das Bild hatte trotz der moderaten Belichtungszeit bereits eine beachtliche Tiefe, so dass ich hier bereits meine Vermutung äußerte, eventuell könnte sogar auch eine Verbindung vom Zwerg zu NGC 4631 bestehen. Das bedurfte dann aber einer deutlich längeren Belichtungszeit. Nachdem Fabian Neyer mit ins Boot kam, waren wir von nun an drei Personen, die Daten gesammelt haben. Einer allein ist bei unseren
4
Der neu entdeckte Sternstrom um NGC 4631 verläuft von rechts oben nach links unten. Er umgibt die Galaxie, und man sieht ihn nahezu von der Kante her. Eine schwache ,,Brücke" verläuft hinüber zu NGC 4656 (nicht im Bild). Die Zwerggalaxien N4631dw1-3 sind rot markiert. Invertierte Summenaufnahme aus den Datensätzen von Dirk Bautzmann (März 2013, PlaneWave CDK 12.5 f/8 auf ASA-Montierung DDM85 mit einer CCD-Kamera Apogee U16M, 3,25 h Luminanz), Robert Pölzl (Mai und Juni 2013, 368-mm-Newton f/3,8 auf ASA-Montierung DDM85 mit CCD-Kamera FLI ML8300, 5,67 h) und Fabian Neyer (Februar und März 2013, 140-mm-Apochromat TEC f/7,2 auf einer Montierung AP900GoTo, CCD-Kamera SBIG STL-1000M, 15 h). Das Bildfeld misst ca. 42'x 32', Norden ist oben. Bearbeitung: Fabian Neyer.
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Astrofotografie
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meteorologischen Bedingungen kaum in der Lage, so in die Tiefe zu gehen.
Am 12. und 13. Juni gab es wieder gute Voraussetzungen Photonen zu sammeln. So machte ich in diesen beiden Nächten 10 weitere Aufnahmen, um ein noch besseres Signal/Rausch-Verhältnis zu erlangen. Für mich war es außergewöhnlich spannend, bei einer solchen Entdeckung ,,live" dabei sein zu dürfen, und mein Fernrohr war endlich in der Lage zu zeigen was es kann.
Fabian Neyer Die Region um NGC 4631 stand schon lange auf meiner ToDo-Liste und war als Frühlingsobjekt 2013 vorgesehen. Als Aufnahmegerät verwende ich einen 140-mm-Apochromaten (TEC f/7,2). Kombiniert mit einer Vollformat-CCDKamera (STL-11000M) ergibt sich daraus ein Bildfeld von 123' x 84'. Erste Bilder konnte ich bereits im Dezember 2012 gewinnen. Da das Wetter in den Folgemonaten aber nicht mitspielte, kam nicht genügend Belichtungszeit für die gewünschte Tiefe zusammen. Speziell für die Farbaufnahmen hatte ich zu wenige Bilder, so dass ich mich darauf einstellte, in der nächsten Saison daran weiter zu arbeiten. Als Peter Riepe im März auf die Galaxie aufmerksam machte, habe ich die bis dahin gesammelten Bilder (rund 16 h Luminanz) zusammengelegt. Wie auch auf der Aufnahme von Robert
Pölzl war das diffuse Objekt N4631dw1 deutlich sichtbar. Bei einer genauen Betrachtung des Bildes fielen mir dann noch zwei weitere diffuse Objekte auf, nördlich und südöstlich von NGC 4631. Ein Vergleich zu den Aufnahmen von Dirk Bautzmann und Robert Pölzl bestätigte auch die Echtheit dieser Objekte, so dass nicht nur N4631dw1, sondern auch N4631dw2 und N4631dw3 als bis dahin unbekannte Objekte angegeben werden konnten.
Trotz der bereits unabhängigen Bestätigung der drei Zwerggalaxien durch drei verschiedene Datensätze wäre es - wissenschaftlich betrachtet - schade gewesen, nicht eine kombinierte Auswertung aller gesammelten Bilder zu erstellen. Dirk Bautzmann und Robert Pölzl willigten auch sofort ein und haben mir ihre Daten zukommen lassen. Da qualitativ schlechte Bilder in einem Datensatz keine Verbesserung zum Gesamtergebnis liefern, wurden alle Einzelbilder neu analysiert und entsprechend ihrer Qualität für das Gesamtergebnis angenommen oder abgelehnt. So entstand ein Luminanzbild mit einer totalen Belichtungszeit von beinahe 24 Stunden (Abb. 4). Es zeigt die gesichteten Objekte erwartungsgemäß besser als die Einzelkombinationen.
Was ich an der Entwicklungsgeschichte dieser Entdeckungen auch speziell positiv empfand, ist die schnelle Umsetzung
seitens I. D. Karachentsev. Dies ist mitunter sicherlich auch eine Konsequenz der Offenheit und der guten Zusammenarbeit unter den Teammitgliedern.
Schlussgedanken Die in der Abbildung 4 erreichte Sterngrenzgröße liegt bei 23,75 mag. Das ist extrem tief! Von daher fand Igor Karachentsev für unseren Entdeckungsbericht einen treffenden Schluss, der auch hier passt: ,,Es gibt noch zahlreiche genügend helle Galaxien, deren Umgebungen kaum untersucht wurden. Eine systematische Suche nach schwachen Signalen von Interaktionen und LSB-Begleitern (low surface brightness) ist angesagt. Dabei sind tiefe Belichtungen mit Amateurteleskopen eine wichtige und aktuelle Aufgabe der extragalaktischen Astronomie."
Literaturhinweise und Quellen: [1] D. Bomans, 2013: ,,Tief belichtetete
Galaxien - ein Astronomie-Projekt von Amateuren und Profis zur Suche nach ,,Sternströmen" in den Halos naher Galaxien", VdS-Journal für Astronomie 46, 62 [2] Special Astrophysical Observatory of the Russian Academy of Sciences, Nizhnij Arkhyz, KarachaiCherkessian Republic, Russia, 369167 [3] http://lanl.arxiv.org/abs/1401.2719
Der Reflexionsnebel Cederblad 201
von Andreas Rörig und Peter Riepe
Wetterbedingt sind die Beobachtungsbedingungen in Deutschland ziemlich schlecht geworden. Umso schöner, dass Andreas Rörig im Spätsommer 2013 wirkliches Glück hatte. Hier seine erfreuliche Schilderung der Aufnahmeumstände: ,,Ende August und Anfang September 2013 kamen einige positive Dinge zusammen. Der Mond war über das letzte Viertel hinaus und störte nicht mehr. Es gab mehrere klare Nächte mit wirklich guter Transparenz und zudem hatte ich frei, so dass ich mir die Nächte um die Ohren schlagen konnte. Diese glücklichen Umstände nutzte ich, um ein Objekt aufzunehmen, das sich in der Vergangenheit als äußerst widerspenstig erwiesen
hatte. Ein Jahr zuvor hatte ich den ersten ernsthaften Versuch unternommen, die Umgebung von Cederblad 201 (Ced 201 = vdB 152) abzulichten. Allerdings hatte ich dabei nicht so gute Bedingungen und verwendete einen vergleichsweise ,,langsamen" 120-mm-Refraktor (Öffnungsverhältnis 1:6,3) in Verbindung mit einer modifizierten Spiegelreflexkamera von Canon. Mit dem Ergebnis war ich trotz 15 Stunden Belichtungszeit nicht zufrieden. Diesmal sollte der deutlich ,,schnellere" und größere 300-mm-Newton (Öffnungsverhältnis 1:4) in Verbindung mit einer ALCCD10 zum Einsatz kommen. Verteilt über vier Nächte konnte ich bei Einzelbelichtungen von 450 s insgesamt 11 Stun-
den lang Photonen sammeln (Abb. 1). Die Datenreduktion und Farbkalibrierung erfolgten mit Regim. Das Ergebnis war nun endlich so, wie ich es mir erhofft hatte. Es zeigt sich, dass dieses Objekt nach wirklich guter Transparenz des Himmels verlangt. Eine lichtstarke Optik ist ebenfalls von Vorteil.
Ced 201 liegt bei Rektasz. = 22h 13m 25s, Dekl. = +70 Grad 15' 05'' (J2000.0). Der Nebel ist unter den Amateuren überwiegend als vdB 152 bekannt. Dazu muss man anmerken: Sidney van den Bergh publizierte dieses Objekt 1966 in seinem bekannten Katalog der Reflexionsnebel [1]. Max Wolf hat 1908 erstmals auf diesen
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1 Links: Siegerfoto im Wettbewerb
,,Astrofoto des Jahres 2013": Ced 201, aufgenommen von Andreas Rörig, Fachgruppe Astrofotografie. Norden oben, Bildgröße: 43l x 65l. Aufnahme mit 300-mm-Newton (Öffnungsverhältnis 1:4) in Verbindung mit einer ALCCD10. Verteilt über vier Nächte Einzelbelichtungen von 450 s mit insgesamt 11 Stunden Belichtung. Datenreduktion und Farbkalibrierung mit Regim.
2 Zentralbereich von Ced 201, links nach einer blauen POSS-Platte (J), rechts ein
Ausschnitt aus Abb. 1. Das POSS-Bild ist zwar aufgelöster, die Amateuraufnahme aber viel tiefer.
Nebel aufmerksam gemacht und lieferte neun Jahre später Beobachtungsdaten. Barnard nahm den nördlich anschließenden Dunkelnebel als Objekt Nr. 175 in seinen Katalog auf. Eine erste systematische Liste heller Nebel stammt von dem schwedischen Astronomen S. Cederblad. Er veröffentlichte seinen Katalog bereits 1946 [2], 20 Jahre vor van den Bergh. Daher bleiben wir in diesem Artikel bei der Nebelbezeichnung ,,Ced 201".
Mit den damals noch wenig empfindlichen orthochromatischen Filmen war nur der hellste Teil von Ced 201 zu erreichen. Dieser Nebelbereich umgibt den 9,29 mag hellen Stern BD+69 1231, einen Hauptreihenstern des Spektraltyps B9.5V. Mit seinem Farbindex B-V = 0,12 mag [3] leuchtet er blau, und der Nebel reflektiert dieses Licht. Heute muss man im Zeitalter der Digitalfotografie feststellen: Ced 201 ist nur die hell leuchtende Spitze der ausgedehnten Dunkelwolke Barnard 175, die sich als 2 Grad lange Molekülwolke zunächst nach Norden und im weiteren Verlauf allmählich nach Nordwesten erstreckt. Interessant ist, dass diese Molekülwolke gar nicht dunkel, sondern hell ist, mit bräunlicher Färbung. Auch van den Bergh stellte in seinem Katalog bereits fest, dass sich sein blauer Nebel Nr. 152 (very bright) an der Südkante einer kleinen, dichten Dunkelwolke befindet und notierte die Frage: ,,Nebel mit kometenähnlichem Schweif?"
Ced 201 ist ein ziemlich kompaktes Objekt in einer Entfernung von 1370 Lj [4] und gehört zur Assoziation Cep R3. Man konnte nachweisen, dass die Radialgeschwindigkeit des Sterns BD+69 1231 sich von der Radialgeschwindigkeit der
Umgebungssterne um etwa 12 km/s unterscheidet [5]. Offenbar bewegt sich der Stern durch die Wolke. Das bedeutet, dass Ced 201 wahrscheinlich das Resultat eines zufälligen Treffens zwischen Stern und Molekülwolke ist. Das ist einzigartig, denn die beleuchtenden Sterne eines Reflexionsnebels werden ja überwiegend in diesem Nebel selbst geboren.
Der direkte Nebelbereich um den Stern zeigt feine Strukturen (Abb. 2). Östlich von BD+69 1231 liegen zwei Herbig-Haro-Objekte. Dies beweist, dass sich Sternentstehung in Ced 201 abspielt. Auch Infrarotquellen deuten in diese Richtung. 2008 wurde über die Entdeckung eines Protosterns in einer solchen IR-Quelle berichtet. IRAS 22129+7000, so die Bezeichnung dieses Sterns, ist von geringer Masse und liegt 225'' östlich des Sterns BD+69 1231. Er wurde mit dem Spitzer-Teleskop im IR-Bereich (8 Mikrometer) aufgespürt [6]. Es handelt sich möglicherweise sogar um mehrere Sterne. Im Radiobereich wurde auch ein beidseitig abgestrahlter Gasstrom festgestellt (Abb. 3).
Mit dem 90-cm-Teleskop des Kitt Peak Observatory wurde 1998 ein Supernovarest (SNR) bei Ced 201 entdeckt und 2001 publiziert [7]. Die Abbildung 4 zeigt ein Bild aus diesem Entdeckungsbericht. Zwei helle H-Filamente des SNR G110.3+11.3 liegen etwa 8' südöstlich von Ced 201. Das hellste davon ist auch in der Abbildung 1 aufgezeichnet, das beweist der Rotauszug in der Abbildung 5.
Literaturhinweise und Internetquellen: [1] S. van den Bergh, 1966: "A Study
of Reflection Nebulae", Astron. J. 71, 990 [2] S. Cederblad, 1946: "Studies of bright diffuse galactic nebulae with special regard to their spatial distribution" Lund Medd. Astron. Obs. Ser. II, 119, 1 [3] http://simbad.u-strasbg.fr/Simbad [4] S. C. Casey, 1991: "Emission from dust in visual reflection nebulae at infrared and submillimeter wavelengths", Astrophys. J. 371, 183
3 Rechts Ced 201, links die Infrarotquelle IRAS 22129+7000. Hier wurde 2008 ein
eingebetteter Stern entdeckt, der in Radiowellenlängen beidseitige Ausflüsse zeigt (nach [6]).
VdS-Journal Nr. 50
56
Atmosphärische Erscheinungen
4 Das Bild aus [7] zeigt rechts oben Ced 201 und
links unten die zwei Fasern des neu entdeckten Supernovarestes G110.3+11.3.
5 Wiedergabe des Rotkanals aus Abb. 1 mit Kontrast
anhebung. Das hellste SNR-Filament ist gut sichtbar (rote Pfeile), ebenfalls das Herbig-Haro-Objekt HH 450X (gelber Pfeil).
[5] A. N. Witt et al., 1987: "The unusual dust-scattering properties in the reflection nebula CED 201", Astrophys. J. 321, 912
[6] J. R. Goicoechea et al., 2008: "Star formation near photodissociation regions: detection of a peculiar protostar near Cederblad 201", Astrophys. J. 680, 466
[7] J. Bally, B. Reipurth, 2001: "When star birth meets star death: a shocking encounter", Astrophys. J. 552, L159
50 Jahre Halobeobachtungen
von Gerhard Stemmler, 1926-2013
Seit 1953 bemühe ich mich gezielt um die Gewinnung von Beobachtungsmaterial über Halos, das sich durch Langjährigkeit und Homogenität auszeichnen soll. Bis jetzt kann ich auf eine 50-jährige Be-
obachtungsreihe dieser Brechungs- und Spiegelungserscheinungen an atmosphärischen Eiskristallen zurückblicken. Es gelang mir in den vergangenen 50 Jahren, viele Halos zu erfassen. Das bedeu-
In Memoriam Gerhard Stemmler
- 60 Jahre Halobeobachtungen 1953-2013
60 Jahre und 4 Monate Halobeobachtungen. Lückenlos und immer in Oelsnitz/Erzgebirge! Eine weltweit einzigartige Reihe!
Wir trauern um unseren langjährigen Halobeobachter Gerhard Stemmler, der im Juni 2013 im Alter von 87 Jahren verstarb. Leider kam er nicht
mehr zur Auswertung seiner 60-jährigen Reihe.
Claudia und Wolfgang Hinz im Namen des Arbeitskreises Meteore e.V.
Wir veröffentlichen hier noch einmal seine Erinnerungen anlässlich seines 50-jährigen Beobachterjubiläums, erschienen in METEOROS. Die Tabelle auf
der rechten Seite wurde auf 60 Jahre Beobachtungen von uns ergänzt.
VdS-Journal Nr. 50
tet, das Gesehene schriftlich festzuhalten und nach bestimmten Gesichtspunkten auszuwerten. Ich kann ohne Einschränkungen sagen, dass mir dieses Hobby immer Freude machte, mich nicht selten von den Alltagssorgen ablenkte und hoffentlich noch viele Jahre Spaß bereiten wird. Ich möchte diesen Anlass nutzen, einmal darüber zu berichten, wie ich zur Halobeobachtung kam und einige Ergebnisse meiner 50-jährigen Halobeobachtungen mitteilen. Da ich mich schon in früher Jugend für Astronomie und Meteorologie interessierte, folglich gern in populärwissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften las, stieß ich hin und wieder auch mal auf einen Bericht über eine Halobeobachtung. Das war Ende der Dreißigerjahre meine ,,Erst-Berührung" mit Halos überhaupt.
Die ersten sporadischen Halobeobachtungen führte ich dann von 1945 bis 1948 während der russischen Kriegsge-
Atmosphärische Erscheinungen
57
fangenschaft, vor allem im Nordosten Rumäniens und in der Ukraine durch. Leider besitze ich davon verständlicherweise keine Aufzeichnungen mehr. Schon damals erkannte ich, dass für einen Naturfreund auch das Beobachten von Halos ein reizvolles, interessantes und subjektiv lohnendes Betätigungsfeld verkörpern kann. Zumal kaum instrumentelle Hilfsmittel erforderlich sind, und auch die visuelle Beobachtung von Halos verhältnismäßig einfach ist.
Nach Rückkehr aus der Gefangenschaft
1 22 Grad -Ring mit beiden Nebensonnen und oberem Berührungsbogen. Aufgenommen
setzte ich dann von 1949 bis 1952 die
von Hermann Scheer am Meteorologischen Observatorium auf dem Hohen Sonnblick
sporadischen Halobeobachtungen in
(3.106m) in den Hohen Tauern.
Oelsnitz (Erzgebirge) fort. Leider besitze
ich auch davon kaum noch Notizen. Ab
1953 begann mein systematisches Beob- schienen sie in den Mitteilungsblättern gestellt, ganz geschickt ausgewertet, man
achten und Aufzeichnen. Der ständige der Arbeitsgemeinschaft für Halobeob- kann schon sagen professionell, und da-
Beobachtungsort für die bisher 50-jäh- achtungen. Die Gründung erfolgte mei- mit den Beobachtern und auch Interes-
rige Periode ist Oelsnitz, eine Kleinstadt nes Wissens in den Zwanzigerjahren. Bis senten bestens zugänglich gemacht. An
am Nordrand des Erzgebirges, knapp 20 1953 zeichnete Dr. W. Sandner (Mün- dieser Stelle einmal vielen Dank an die
km südwestlich von Chemnitz gelegen.
chen) für die Bearbeitung des Materials Verantwortlichen und weiter so!
Die laufende Notierung der beobach- verantwortlich. Danach, von 1954 bis
teten Halos erfolgte anfangs in Heften 1979, übernahm B. Albers (Hamburg) In der Zeitschrift für Meteorologie 36
vom Format DIN A5, nach Einführung diese Arbeit. Sowohl Prof. D. Wattenberg (1986) 4, 263-269, teilte ich die erhal-
des Haloschlüssels, ab 1979, auf DIN A4 (Archenhold-Sternwarte, Berlin-Treptow) tenen Ergebnisse über 32 Jahre Halobe-
Blätter. Diesen Ziffernschlüssel erarbei- als auch G. Schubert (Schwerin) verwen- obachtungen in Oelsnitz (Erzgebirge) aus
tete und testete ich 1978. Damit wollte deten meine Ergebnisse zu Vergleichs- ,,häufigkeitsstatistischer Sicht" mit. Da
ich erreichen, die Auswertung des Be- zwecken in ihren Veröffentlichungen sich an diesen Feststellungen und Ver-
obachtungsmaterials schneller und ra- auf diesem Gebiet (Jahresberichte der gleichen bis zum heutigen Tage nichts
tioneller ausführen zu können. Ich bat Archenhold-Sternwarte bzw. Abhand- Wesentliches änderte, möchte ich im Fol-
Andre Knöfel um Wertung und Rat. Er lungen des Meteorologischen Dienstes genden lediglich Erwähnenswertes wie-
unterstützte erfreulicherweise mein Vor- der DDR, Nr. 113, Band XV, 1974).
derholen, einige Ergänzungen anfügen
haben. Eine gemeinsame Überarbeitung
und darauf hinweisen, dass bei meinen
führte schließlich zu dieser Einführung Von Anfang an, also seit der Gründung Auswertungen aus zeitlichen Gründen
des Schlüssels im Jahr 1979.
im Jahr 1978, gehöre ich der Sektion die Häufigkeit der Tage mit Halos, so-
Halobeobachtungen des Arbeitskreises wohl um Sonne als auch um Mond, im
Anfangs veröffentlichte ich meine Be- Meteore an (KK 02). Im Mitteilungsblatt Verlauf eines Jahres und die Häufigkeit
obachtungsergebnisse in der Gazette des AKM werden bekanntlich die Ergeb- der Haloarten im Vordergrund standen.
,,Astronomique" in Belgien. Danach er- nisse vieler Halobeobachter zusammen- Aus der tabellarischen Übersicht geht
die Summe der Halotage (total) für jedes
der 60 Jahre hervor. Von den insgesamt
Anzahl von Tagen mit beobachteten Haloerscheinungen pro Jahr von 1953-2012
18.262 Tagen waren 5.820 Halotage (Tab. links, auf 60 Jahre ergänzt). Die zweite Übersicht (in der Grafik S. 58) wider-
Jahr 1950 1960
0
85
1
63
1970 108
91
1980 95 112
1990 104 92
2000 118 120
2010 63 62
spiegelt die Monatsmittel (total) nach 50 Jahren. 100,6 Tage ist das entsprechende Jahresmittel. Das sind 27,6 % der Tage
2
105
80
118
106
116
58
im Jahr (ergänzt auf 60 Jahre von W.
3
52
107
74
115
133
96
Hinz).
4
71
83
88
108
124
109
5
129
101
82
130
120
99
Zu den ,,haloreichsten" Monaten zählen
6
81
86
58
130
100
89
folglich der April mit 11,1 Tagen und der
7
79
80
105
101
134
68
Mai mit 10,0 Tagen; seit dem Jahr 1963
8
102
91
83
116
119
53
mit wenigen Ausnahmen. Zwei weitere
9
91
100
120
108
129
61
Spitzen gibt es in den Monaten August
mit 8,9 Tagen und Oktober mit 8,7 Tagen.
VdS-Journal Nr. 50
58
Atmosphärische Erscheinungen
2 Anzahl der Tage mit beobachteten Haloerscheinungen je Monat,
gemittelt über 50 Jahre
16-mal (32 %) wurde in diesen 50 Jahren im April auch die maximale Anzahl von Halotagen erreicht. Der Rekordmonat war jedoch der November 1986 mit 21 Tagen, ihm folgten der April 1998 und 2000 mit 20 Tagen. Der Monat Dezember ist mit 6,7 Tagen ,,haloärmster" Monat im Jahr. Dieser Monat war in den vergangenen 50 Jahren auch 15-mal ,,Minimumsmonat".
Es zeigt sich also im Jahresgang der Haloaktivität ein ausgeprägtes Maximum in den Monaten März bis Mai (Frühjahrsgipfel) und ein schwächeres sekundäres Maximum (Nebenmaximum) im Spätsommer, also in den Monaten August bis Oktober. Der mittlere Jahresgang der Zahl der Halotage weist demnach eine Doppelwelle auf. Das Minimum an Halotagen ist nicht ganz so auffällig markiert.
Es zeigt sich jedoch meist im November oder Dezember, wobei aber in Oelsnitz der letzte Monat im Jahr zum ausgeprägten ,,Minimumsmonat" zu rechnen ist.
Zur Häufigkeit der Arten beim Sonnenhalo gilt nach wie vor, dass der kleine Ring (EE 01), die Nebensonnen (EE 02, 03, 04), die obere Lichtsäule (EE 08) und der obere Berührungsbogen (EE 05) diejenigen Haloarten sind, die oft beobachtet werden konnten. Vergleiche mit anderen Reihen ergaben die gleiche Rangfolge.
Zum Schluss einige grundsätzliche Bemerkungen und Ratschläge, gedacht für ,,Neueinsteiger" und als Auffrischung für inzwischen passionierte ,,Halojäger". Jeder Beobachter muss sich darüber im Klaren sein, dass seine Ergebnisse vorerst
nur willkommene zusätzliche Informationen über bestimmte Eigenschaften unserer Erdatmosphäre und deren Vorgänge liefern.
Bei dieser Informationsgewinnung ist neben der Untersuchung von Einzelbeobachtungen auch die Auswertung von Beobachtungsreihen bedeutungsvoll, vor allem von solchen, die die Voraussetzung der Langjährigkeit und Homogenität des Beobachtungsmaterials erfüllen. Alles notieren, was während der Beobachtung auffällt, sich verändert und besonders bemerkenswert erscheint; aber nur das auswerten, was beruflich und zeitlich auch selbst zu bewältigen ist.
Das gesamte Beobachtungsmaterial der Sektion zur Verfügung stellen. Mit Hilfe moderner Rechentechnik ist ja heutzutage eine umfassende und vielschichtige Auswertung überhaupt kein Problem mehr. Das Mitteilungsblatt widerspiegelt das ja eindeutig. Auch Halobeobachtungen erziehen zur Gewissenhaftigkeit, Genauigkeit, Ausdauer, Beharrlichkeit und einer exakten Beschreibung von Vorgängen, also Eigenschaften neben vielen anderen, die auch gegenwärtig und zukünftig noch erstrebenswert sind, jedoch zur Zeit zu Unrecht ein wenig vernachlässigt werden.
Impression
Strichspuraufnahmen
Legt man in regelmäßigen Schritten nacheinander eine Serie kurz belichteter Digitalaufnahmen von Sternfeldern mit punktförmigen Sternen an, so lassen sich daraus Strichspuraufnahmen herstellen. Längere Belichtungszeiten liefern zwangsläufig Strichspuren. Allerdings sind die Empfindlichkeiten moderner digitaler Kameras so hoch, dass Strichspuraufnahmen im Stundenbereich unweigerlich zur Überbelichtung des Gesamtbildes führen. Lösung: Man erstellt aus einer Serie kürzerer Belichtungen über die passende Software ein korrekt belichtetes Digitalbild mit langen Strichspuren.
Ein ,,nostalgischer Rückblick" zeigt aber, dass es einfacher geht. Strichspurfotos lassen sich auch sehr wirkungsvoll mit traditioneller Filmtechnik anfertigen. Thorsten Zilch hat die nördliche Polregion in der Lüneburger Heide am 7. Februar 2005 aufgenommen. Dazu verwendete er eine 6x6-Kamera (Mittelformat) mit 80-mm-Objektiv. Auf Kodak Portra 400UC wurde 2 Stunden belichtet.
Peter Riepe
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Deep Sky
Neues aus der Fachgruppe Deep-Sky
von Otto Guthier, VdS-Vorstand
Liebe Mitglieder,
Veränderungen gehören zum Alltag des Lebens und stellen einen ganz gewöhnlichen Vorgang dar. Mit nachfolgendem Text stellt sich ein Sternfreund aus Leipzig vor, der neuen Schwung in die FG Deep Sky bringen möchte.
Nachdem Daniel Spitzer, Jens Bohle und Sebastian Rusche im Oktober 2013 wegen angeblich geringer Beteiligung an der Fachgruppe ihre Mitarbeit am Journal eingestellt hatten, bemühte sich der Vorstand um die Nachfolgeschaft.
Wir danken Daniel Spitzer, der seit Ende 2009 in der Fachgruppe zusammen mit Johannes Schilling aktiv war, für seine Mitarbeit. Unser Dank gilt auch Jens Bohle, der seit 2011 als FG-Redakteur die Rubrik betreute sowie Sebastian Rusche. Alle drei Sternfreunde haben sich entschlossen, eine Online-Datenbank für Deep-Sky-Beobachtungen herauszugeben, deren Vorstellung wir auf der nächsten Seite in diesem Journal veröffentlichen.
Wir bitten alle Deep-Sky-Beobachter, Herrn Robert Zebahl als FG-Referent und Herrn Dietmar Bannuscher als FGRedakteur kräftig zu unterstützen, indem Sie Ihre Beiträge an die FG-Redaktion einsenden.
fachten. Es dauerte nicht lange und ich kaufte mir damals zur Jugendweihe ein 7-35x50 Fernglas von Bresser, mit dem ich erste Erfahrungen sammelte. Zwei Jahre später folgte ein klassischer Newton (D=114/f=900mm) auf parallaktischer Montierung (Skywatcher EQ2). Danach kam es zu einer sehr langen Pause. Erst im Jahr 2006, mit dem Umzug nach Leipzig, entdeckte ich meine Leidenschaft für die visuelle Astronomie wieder. 2011 schloss ich mich erstmals einer Gruppe von Amateuren, den Leipziger Sternfreunden, an und besuchte das Herzberger Teleskoptreffen. Auf diesem erwarb ich eher zufällig einen klassischen Dobson mit 8 Zoll Öffnung, welcher bis heute mein Hauptinstrument darstellt. Seit diesem Tag ist die visuelle Astronomie ein fester Bestandteil meines Lebens und ich konnte seitdem schon hunderte Objekte für mich entdecken. Wer mehr über mich, meine Instrumente und Beobachtungen erfahren möchte, kann sich auch gerne auf www.faint-fuzzies.de umsehen.
Aufgrund meiner Leidenschaft für dieses Hobby möchte ich in Zukunft die Fachgruppe ,,Deep Sky" zusammen mit Euch gestalten und wünsche mir einen regen
Erfahrungsaustausch und viele schöne, gemeinsame Beobachtungen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass jeder auf seine Art dieses Hobby auslebt und möchte daher Freiraum für Wünsche und Anregungen lassen. Letztlich soll die Astronomie neben dem meist stressigen Alltag Freude bereiten. Die Fachgruppe Deep Sky wird bemüht sein, sowohl den Einsteiger als auch den fortgeschrittenen Beobachter zu bedienen, Beobachtungsprojekte zu initiieren und Hilfestellung zu geben. Neben konkreten Projekten möchte ich jährlich für jede Jahreszeit eine kleine Liste von Objekten präsentieren, die als Anregung für eigene Beobachtungen dienen soll. Genauere Informationen werdet Ihr zukünftig auf der Internetseite der Fachgruppe finden. Falls Ihr schon jetzt Fragen habt, könnt Ihr mir gerne eine E-Mail zukommen lassen. Bis dahin wünsche ich klare Nächte und freue mich auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Wir wünschen der Fachgruppe und allen aktiven Deep-Sky-Beobachtern viele klare Nächte und für die Zukunft viel Spaß beim Beobachten.
First Write für den neuen FG-Referenten Deep Sky Mein Name ist Robert Zebahl und ich wurde 1981 in der Nähe von Dresden geboren. Seit 2006 lebe ich in Leipzig mit meiner Familie und arbeite derzeit als Softwareentwickler im Bereich Netzwerktechnologien. Mein Interesse für die Astronomie reicht bis zu meinem 14. Lebensjahr zurück und begann, als ich das erste Mal durch das Fenster eine kleine Sterngruppe erblickte. Es waren die Plejaden (Messier 45), die das Feuer ent-
VdS-Journal Nr. 50
1 Im Vordergrund: Robert Zebahl am 20-cm-Newton auf dem Herzberger Teleskoptreffen.
Im Hintergrund: die Sommermilchstraße im Adler.
Deep Sky
61
Das Deep-Sky-Journal
von Daniel Spitzer, Sebastian Rusche, Jens Bohle
Seit März 2014 ist das Deep-Sky-Journal (DSJ) im Internet für alle Sternfreunde erreichbar. Der Service wird von Daniel Spitzer, Sebastian Rusche und Jens Bohle ehrenamtlich betrieben und soll allen Sternfreunden unkomplizierten Zugang zu amateurastronomischer Literatur ermöglichen. Nach dem Vorbild der Profiastronomen, welche ihre Arbeiten seit über 20 Jahren im elektronischen Archiv astro-ph publizieren, versuchen wir als Betreiber des DSJ einen ähnlichen Service für Amateure mit ausschließlich amateurastronomischem Inhalt anzubieten. Thematisch wird primär der Bereich ,,Deep Sky" behandelt, andere Disziplinen sind ergänzend verfügbar und sollen langfristig auch in größerem Umfang zu finden sein.
Da das Verfassen fundierter amateurastronomischer Artikel ein recht arbeitsintensives Unterfangen ist, wäre es oft ein Verlust, wenn diese Artikel wenige Jahre oder Monate nach ihrer Veröffentlichung in Vergessenheit geraten würden, zumal die Himmelsobjekte des ,,Deep Sky" anders als z. B. gerade sichtbare Kometen, praktisch immer ,,aktuell" sind. Somit bieten verfasste Deep-SkyArtikel über Jahre hinweg interessanten Lesestoff. Leider sind diese Artikel nach ihrer Publikation in Printmedien oft nur schwer auffindbar. Das Suchen bestimmter Artikel in Zeitschriften gestaltet sich manchmal schwierig und oft ist der gesuchte Text nur über Umwege einzusehen. Gleiches gilt für Publikationen die ausschließlich auf Webseiten veröffentlicht wurden. Schwierig wird es, wenn man Publikationen sucht, welche ein bestimmtes Thema umfassen, man jedoch keinen bestimmen Artikel im Auge hat, allerdings ausschließlich auf Amateurliteratur zurückgreifen möchte. Hier setzt das DSJ an. Wir verfolgen die Absicht, möglichst viele Artikel im Web zentral verfügbar zu machen. Dazu gehört insbesondere die Suche nach bestimmten Themen oder Objektgruppen. Dies wird durch das DSJ erleichtert bzw. erst möglich gemacht. Die sonst oftmals wenig präzisen und mitunter zu zahlreichen Ergebnisse der Suchmaschinen im Web
werden somit umgangen. Alle beim DSJ eingesandten Artikel werden mit sog. ,,tags" versehen. So sind z. B. objektspezifische Suchanfragen durch Eingabe dieser ,,tags" (z. B. ,,PN" oder ,,Kugelsternhaufen") schnell verfügbar. Ebenso ist eine Autorensuche möglich.
Das DSJ ist international ausgerichtet, so dass neben deutschen Artikeln auch englischsprachige Artikel zu finden sind. So hat auch ein großer Teil der Amateurastronomen im Ausland die Möglichkeit, das DSJ zu nutzen bzw. im DSJ zu publizieren. Allen Artikeln im DSJ ist eine Zusammenfassung (,,Abstract") vorangestellt, die einen inhaltlichen Überblick in deutscher und englischer Sprache gibt. Natürlich soll auch eine Kontaktmöglichkeit zum Autor geschaffen werden.
Für jeden publizierten Beitrag im DSJ haben wir ein Bewertungssystem eingeführt. So können die Leser ein bis fünf Sterne vergeben. Dadurch werden besonders lesenswerte Artikel hervorgehoben. Ebenso sind die häufig gesuchten Objektklassen gekennzeichnet. Über neue erschienene Artikel kann man sich per E-Mail oder Benachrichtigung auf das Mobiltelefon informieren lassen.
Das Einsenden eigener Artikel ist per Upload auf der Webseite oder per E-Mail an die Redakteure möglich. Die Artikel stehen nach einer redaktionellen Sichtung als pdf-Dateien allen interessierten Sternfreunden zum Download zur Verfügung. Wir stellen auch Templates als Hilfe zur Verfügung (OpenOffice, LaTex oder MS-Word). So sind alle Artikel in ihrer Struktur möglichst einheitlich. Über Neuigkeiten rund um das DSJ informieren auch unsere Präsenzen in diversen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter [3]-[6]. Abschließend sei nochmals erwähnt, dass alle Tätigkeiten für das DSJ ehrenamtlich sind. So rufen wir alle Amateure dazu auf, bereits in Printmedien veröffentlichte amateurastronomische Artikel nochmals im DSJ zur Verfügung zu stellen. Eine (nach Verlagsgesetz $2-1) evtl. einzuhaltende Frist nach Erstpublikation ist dabei zu
berücksichtigen. Der Ort der Erstpublikation wird im DSJ natürlich genannt. Aber auch bislang nicht publizierte Artikel, welche auf heimischen Festplatten schlummern, sowie Erstpublikationen sind im DSJ gut aufgehoben! Wir würden uns freuen, wenn möglichst viele Sternfreunde vom Service des DSJ Gebrauch machen würden.
Internetlinks: [1] www.deepskyjournal.com [2] http://arxiv.org/archive/astro-ph [3] www.facebook.com/DeepSkyJournal [4] https://twitter.com/DeepSkyJournal [5] https://alpha.app.net/deepskyjournal [6] http://deepskyjournal.com/feed/
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Deep Sky
Kleine Planetarische Nebel
von Gerhard Scheerle
Planetarische Nebel zeigen eine ungeheure Vielfalt in Form und Farbe. Bei visueller Beobachtung kann vor allem bei mittelgroßen, flächenhellen Planetarischen Nebeln diese Vielfalt wenigstens in der Form sehr gut nachvollzogen werden. Die Farbigkeit bleibt - abgesehen von grünlichen oder bläulichen Farbtönen - der fotografischen Abbildung vorbehalten.
Ich möchte mich hier einer Gruppe von Planetarischen Nebeln zuwenden, die sonst eher wenig Aufmerksamkeit erhalten: kleine und sehr kleine Planetarische Nebel. Auch möchte ich nachspüren, ob und inwieweit sich Details erkennen lassen. Die von mir hier ausgewählten Nebel (Tab. S. 64) weisen allesamt eine relativ hohe Helligkeit auf, so dass sie auch mit kleineren Teleskopen beobachtbar sind. Meine Beobachtungsinstrumente sind in der Tabelle auf Seite 65 aufgelistet.
Meine Objektbeschreibungen sind über viele Jahre hinweg entstanden und gesammelt. Die im Text angegebenen Helligkeiten und Ausdehnungen sind am Teleskop geschätzt und weichen bei verschiedenen Beobachtungen und verschiedenen Instrumenten zum Teil deutlich voneinander ab. Die auftretenden Diskrepanzen lasse ich bewusst stehen, um die darin enthaltene Unsicherheit zu dokumentieren. Die Zeichnungen (s. Abb. 1) veranschaulichen das Aussehen mit dem 235-mm-Schmidt-Cassegrain-Teleskop (C 235) ohne Filter. Sie beruhen im Wesentlichen auf den textlichen Beschreibungen, zum Teil auch auf Skizzen, die bei der Beobachtung entworfen wurden.
IC 418 Ich beginne mit einem PN, der eigentlich nicht zu den ganz kleinen gehört: IC 418 im Sternbild Hase. Mit 8,4 mag Helligkeit ist IC 418 immerhin so hell, dass er mit dem Fernglas (F 8 x 56) als ein sternähnliches Objekt klar erkennbar ist. Von einem Stern ist er dabei nicht wirklich unterscheidbar. Mit dem 114-mm-Newton (ab jetzt: N 114) ist da schon eine kleine, sehr helle, runde diffuse Scheibe zu sehen, 8,4 mag hell und 20'' groß, in welcher der Zentralstern mit 9,8 mag
VdS-Journal Nr. 50
bereits eindeutig erkennbar ist. Mit dem C 235 ist ohne Filter bei V = 294x eine runde Scheibe zu sehen, 12'' groß und außen leicht diffus. Bei direktem Blick erscheint der Zentralstern 10,0 mag hell und deutlich und die Nebelscheibe wirkt leicht ringförmig. Bei indirektem Blick hingegen ist der Zentralstern kaum zu sehen. Die Gesamthelligkeit beträgt 7,8 mag. Mit [OIII]-Filter bei V = 294x zeigt sich eine außen scharf begrenzte Scheibe mit undeutlichen knotigen Strukturen; der Zentralstern ist nicht erkennbar.
IC 2003 Der nächste PN, IC 2003 im Sternbild Perseus, ist schon deutlich kleiner. Mit dem N 114 zeigt sich ein 11,0 mag helles und etwa 10'' großes rundes strukturloses Scheibchen. Mit dem C 235 ist er ohne Filter bei V = 112x noch wenig von einem Stern unterscheidbar und erscheint merklich grün bei einer Helligkeit von 10,8 mag. Bei V = 294x zeigt sich eine runde, 8'' große, deutlich begrenzte und undeutlich strukturierte Nebelscheibe. Bei V = 470x erscheint die Scheibe undeutlich knotenartig strukturiert, wobei die Knoten tendenziell in einem Ring angeordnet zu sein scheinen. Der Zentralstern ist nicht eindeutig erkennbar. Mit [OIII]-Filter bei V = 294x und V = 470x erscheint der Nebel nur wenig kontrastreicher, hingegen stärker zum Zentrum konzentriert. Die knotenartigen Strukturen erscheinen eher schwächer.
IC 2149 Als ein sehr interessantes Objekt entpuppt sich IC 2149 im Sternbild Fuhrmann. Mit dem F 8 x 56 habe ich ihn bislang nicht eindeutig auffinden können. Mit dem N 114 ist er als ein sternähnliches Objekt zu sehen, 9,8 mag hell und nur 8'' groß. Der innere Teil erscheint bei V = 180x sehr hell und hat nur 4'' Durchmesser, ist aber flächig, nicht sternförmig. Bei einer anderen Beobachtung erscheint mir der PN 9,4 mag hell und bei V = 180x zum Zentrum hin immer heller bei einer Gesamtausdehnung von 15'', daher recht sternähnlich, derart, dass hier vielleicht sogar ein Zentralstern 11,6 mag zu erkennen ist? Ja, tatsächlich!
Mit dem C 235 ist ohne Filter bei V = 112x ein sehr kleiner, sternähnlicher, grünlicher Nebel 9,8 mag zu sehen, 8'' groß. Bei V = 294x zeigt sich eine kleine diffuse Hülle um den Zentralstern 11,2 mag. In 3'' Abstand und PW 260 Grad (oder aber 80 Grad ?) steht ein sternähnlicher Nebelknoten 13,0 mag, der bisweilen für einen Stern zu halten ist. Mit [OIII]-Filter bei V = 294x erscheint der PN allgemein wesentlich heller. Es hebt sich ein sehr helles Zentralgebiet 6'' x 4'' mit zwei Knoten ab, länglich im PW 250 Grad (oder 70 Grad ?). Dabei handelt es sich wohl um den zentralen Nebelknoten und den sternähnlichen seitlichen Nebelknoten (die Zuordnung bleibt aber unklar), umgeben von einem sehr schwachen Halo von 8'' Größe.
Bei einer anderen Beobachtung nutze ich das gute Seeing und vergrößere noch höher, um das Nebelknoten-Problem zu lösen. Bei V = 470x ohne Filter erscheinen in PW 65 Grad und 245 Grad jetzt zwei (!) einander gegenüberliegende deutliche knotenartige Anhängsel, wobei das westliche sternähnlich und etwas deutlicher erscheint. Der Zentralstern 11,6 mag ist gut erkennbar. Mit [OIII]-Filter zeigt sich der Nebel heller und dicker, etwa 10'' x 6'' groß, der Zentralstern deutlich schwächer und die Anhängsel breiter, wobei jetzt das östliche etwas heller zu sein scheint.
NGC 6572 Sicherlich einer der farbintensivsten PN überhaupt ist NGC 6572 im Sternbild Schlangenträger. Mit dem F 8 x 56 ist er nur sternförmig und 8,0 mag hell zu erkennen. Mit dem N 114 zeigt sich eine winzige, nur 6'' große, 7,6 mag helle Scheibe, umgeben von einem 20'' großen diffusen Halo. Ein Zentralstern ist nicht zu sehen. Die Scheibe wird zur Mitte hin aber etwas heller.
Mit dem C 235 erscheint der PN ohne Filter bei V = 112x bei direktem Blick absolut smaragdgrün (!) bei einer Helligkeit von 8,0 mag. Bei V = 294x ist eine sehr helle Innenscheibe mit 10'' x 8'' zu sehen (leicht elongiert in PW 175 Grad ), leicht
Deep Sky
63
1 Zeichnungen der beobachteten PN in der Reihenfolge gemäß Tabelle auf Seite 64. Bei IC 4997 und NGC 6833 sind Vergleichssterne
eingezeichnet. Weiterhin ist zum Größenvergleich unten ein für alle Bilder gleicher Maßstab von 10 Bogensekunden eingezeichnet.
strukturiert und mit einer leichten zentralen Aufhellung. Der Zentralstern ist aber nicht eindeutig erkennbar. Die innere Scheibe ist umgeben von einer 25'' großen und diffus auslaufenden Außenscheibe. Mit [OIII]-Filter sind die Strukturen etwas besser definiert und der Nebel erscheint allgemein etwas heller.
IC 4593 Ein sehr kleiner, aber heller PN im Sternbild Herkules ist IC 4593. Mit dem F 8 x 56 habe ich ihn bislang nicht auffinden können. Mit dem N 114 ist ein 9,2 mag helles (!), aber nur 6'' großes diffuses Scheibchen zu sehen, wovon nur die inneren 3'' hell sind. Somit erscheint der Nebel fast nur sternförmig.
Mit dem C 235 ist ein sehr kleiner rundlicher Nebel zu sehen, nur 5'' groß, aber 9,8 mag hell, grünbläulich und bei V = 294x etwas knotig erscheinend. Der Zentralstern mit 10,6 mag hebt sich deutlich ab.
NGC 6818 Wahrscheinlich der bekannteste PN im Sternbild Schütze ist NGC 6818. Gleichwohl gehört er nicht zu den wirklich kleinen Vertretern seiner Gattung. Wegen seiner Fernglas-Sichtbarkeit nehme ich ihn aber mit in meine Auswahl. Bei einer Helligkeit von 8,8 mag ist er bereits mit dem F 8 x 56 als sternförmiges Objekt zu erkennen. Mit dem N 114 ist eine 8,8 mag helle und 25'' große runde Nebelscheibe zu sehen. Details sind nicht zu
erkennen. Mit dem C 235 erscheint er 8,4 mag hell. Ohne Filter ist eine sehr helle, runde, grüngraue, 20'' große Scheibe mit angedeuteter Ringstruktur zu sehen. Die Scheibe zeigt sich außen geringfügig heller als innen. Etwa drei schwache Ausfransungen vergrößern den Durchmesser auf 26''. Ein Zentralstern ist nicht erkennbar. Mit [OIII]-Filter ist der PN nicht besser zu sehen.
NGC 6741 Ein sehr kleiner PN im Sternbild Adler ist NGC 6741. Mit dem N 114 erscheint er nahezu sternförmig bei einer Helligkeit von 10,8 mag. Selbst bei V = 180x wirkt er noch fast sternförmig; erst bei genauem Hinsehen ist eine winzige dif-
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Deep Sky
Katalognummer IC 418 IC 2003 IC 2149 NGC 6572 IC 4593 NGC 6818 NGC 6741 IC 4846 NGC 6790 NGC 6803 NGC 6807 NGC 6886 IC 4997 NGC 6833 NGC 6884 NGC 7027
Liste der vorgestellten Planetarischen Nebel
PK-Nummer PK 215-24.1 PK 161-14.1 PK 166+10.1 PK 34+11.1 PK 25+40.1 PK 25-17.1 PK 33- 2.1 PK 27- 9.1 PK 37- 6.1 PK 46- 4.1 PK 42- 6.1 PK 60- 7.2 PK 58-10.1 PK 82+11.1 PK 82+ 7.1 PK 84- 3.1
Sternbild Lep Per Aur Oph Her Sgr Aql Aql Aql Aql Aql Sge Sge Cyg Cyg Cyg
Name Spirografnebel
Smaragdnebel White Eyed Pea Little Gem Nebula Phantom Streak
Rektasz 05 27,47 03 56,37 05 56,40 18 12,12 16 11,74 19 43,96 19 02,62 19 16,47 19 22,95 19 31,27 19 34,52 20 12,71 20 20,15 19 49,77 20 10,39 21 07,03
2000.0
Dekl. -12 41,8 +33 52,5 +46 06,3 +06 51,4 +12 04,3 -14 09,2 -00 27,0 -09 02,6 +01 30,8 +10 03,4 +05 41,0 +19 59,4 +16 43,9 +48 57,7 +46 27,7 +42 14,2
fuse Scheibe zu erkennen, vielleicht 4'' groß. Mit dem C 235 ist er ohne Filter bei V = 112x nur als schwach bläulicher verschwommener Stern zu erkennen, 10,8 bis 11,0 mag hell. Bei V = 294x ist eine kleine runde diffuse Scheibe zu sehen, 4'' im Durchmesser und deutlich zum Zentrum hin konzentriert, jedoch ohne dass der Zentralstern selbst erkennbar wäre. Mit [OIII]-Filter ist der Nebel nicht besser oder detailreicher zu sehen, aber viel heller als die (ohne Filter fast gleich hellen) Nachbarsterne.
IC 4846 Ein weiterer sehr kleiner PN ist IC 4846. Er befindet sich ebenfalls im Sternbild Adler. Mit dem N 114 erscheint er 11,6 mag hell und sternähnlich. Bei V = 180x zeigt sich ein winziges diffuses Scheibchen mit Hof, insgesamt 12'' groß. Mit dem C 235 zeigt er sich mit und ohne [OIII]-Filter in ähnlicher Weise als ein 11,0 mag helles, sehr kleines (4'' im Durchmesser) rundes diffuses Scheibchen. Der Zentralstern ist nicht erkennbar. Ohne Filter erscheint der PN ziemlich gleich hell wie die Nachbarsterne von 11,0 und 11,2 mag. Mit dem [OIII]-Filter werden diese um 1,5 mag abgeschwächt, während der Nebel dann wesentlich heller wirkt. Ein das Scheibchen umgebender Hof ist nicht zu erkennen.
NGC 6790 Das Sternbild Adler ist reich an kleinen und sehr kleinen PN. Auch NGC 6790 gehört dazu. Mit dem F 8 x 56 habe ich ihn bislang nicht auffinden können. Mit dem
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N 114 zeigt er sich bei einer Helligkeit von 9,8 bis 10,2 mag entweder sternähnlich oder aber gänzlich sternförmig.
Mit dem C 235 ist er ohne Filter bei V = 112x als ein sternähnliches, bläuliches Objekt 10,0 bis 10,4 mag zu sehen. Bei V = 294x ist ein winziges, sehr helles Scheibchen zu erkennen. Bei V = 470x ist ein sehr kleines und sehr helles, nur 2,5'' großes rundes Scheibchen zu sehen, sehr kompakt und zum Zentrum hin noch etwas heller. Der Zentralstern ist aber nicht eindeutig erkennbar. Ein sehr schwacher Halo mit 12'' Durchmesser erscheint undeutlich strukturiert. Mit [OIII]-Filter ist bei V = 294x das winzige, sehr helle Scheibchen noch etwas deutlicher von einem schwachen Halo von 12'' umgeben. Mit [OIII]-Filter bei V = 470x erscheint das runde, 2,5'' große Scheibchen wesentlich heller und kontrastreicher. Die innere Struktur des Scheibchens bleibt unklar: Es erscheint mal ringförmig, mal zentral konzentriert. Der 12'' große schwache Halo ist auch bei V = 470x noch zu sehen.
NGC 6803 Einen sehr kleinen PN im Sternbild Adler bildet NGC 6803. Mit dem N 114 zeigt er sich 11,0 mag hell und erscheint selbst bei V = 180x fast sternförmig, aber doch nicht ganz. Der Durchmesser des Nebelscheibchens beträgt etwa 3''. Mit dem C 235 zeigt er sich ebenfalls 11,0 mag hell. Ohne Filter erscheint er bei V = 112x fast sternförmig. Bei V = 294x ist ein helles, sehr kleines
(nur 2,5'' groß), rundes, diffuses, stark zur Mitte hin konzentriertes und daher immer noch fast sternförmig erscheinendes Nebelscheibchen zu erkennen. Mit [OIII]Filter erscheint der PN viel heller und ist deutlich als ein winziges, nur 2,5'' großes, stark konzentriertes Scheibchen zu sehen, aber ohne weitere Details.
NGC 6807 Eine echte Herausforderung bildet NGC 6807, ebenfalls im Sternbild Adler liegend. Mit dem N 114 ist nur ein 11,5 mag schwaches sternähnliches Objekt zu erkennen. Mit dem C 235 erscheint der PN ohne Filter bei V = 112x gänzlich sternförmig bei einer Helligkeit von 11,5 mag. Bei V = 294x zeigt sich ein sternähnliches, aber doch winziges diffuses Scheibchen, gar nur 1,5'' groß. Mit [OIII]-Filter erscheint der PN viel heller, jedoch ohne mehr Details.
NGC 6886 Im Sternbild Pfeil befindet sich der kleine PN NGC 6886. Mit dem N 114 erscheint der 11,0 mag helle PN bis V = 100x nur sternförmig. Erst bei V = 180x zeigt er sich als ein nur 4'' großes und damit winziges Nebelfleckchen. Mit dem C 235 ist der PN ohne Filter bei V = 112x als ein sternähnliches, aber nicht ganz sternförmiges, 10,8 mag helles Objekt zu sehen. Bei V = 470x ist eine sehr kleine runde diffuse Scheibe zu erkennen, nur 4'' groß, ohne Zentralstern. Mit [OIII]-Filter zeigt er sich bei V = 470x als eine sehr kleine ringförmige diffuse Scheibe, 4'' groß.
Deep Sky
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IC 4997 Ein weiterer, extrem kleiner PN im Sternbild Pfeil ist IC 4997. Mit dem N 114 liegt mir keine Beobachtung vor. Mit dem C 235 erscheint der PN bei V = 112x ohne Filter 10,4 mag hell. Bei V = 294x ist ein sehr kleines rundes bläuliches Scheibchen zu erkennen. Der Durchmesser beträgt nur 1,5''. In der Nähe steht ein etwas hellerer, weißer Vergleichsstern 10,0 mag. Mit [OIII]-Filter bei V = 294x ist der PN nicht besser zu sehen.
NGC 6833 Im Sternbild Schwan, unweit des sehr bekannten NGC 6826, steht NGC 6833. Er bildet den kleinsten PN meiner Auswahl. Mit dem N 114 zeigt sich der 11,6 mag helle PN gänzlich sternförmig. Mit dem C 235 erscheint der 11,8 mag helle PN ohne Filter selbst bei V = 294x nahezu sternförmig und gleicht einem Stern mit winziger diffuser Hülle. Mit [OIII]-Filter ist er bei V = 294x deutlich kontrastreicher zu sehen, zeigt sich aber nach wie vor sternähnlich: Ein winziges, nur 1,0'' großes Scheibchen scheint von einem dünnen diffusen Halo umgeben zu sein, was den Gesamtdurchmesser aber auch auf nur magere 1,5'' erhöht.
NGC 6884 Ebenfalls zu den kleinen PN zählt NGC 6884 im Sternbild Schwan. Mit dem N 114 ist er als ein 11,2 mag helles, bei V = 180x winziges rundes Scheibchen zu
Meine Beobachtungsinstrumente
Abk.
F 8 x 56 N 114 C 235
Typ
Fernglas Newton Schmidt-Cassegrain
Öffnung/ mm 56 114 235
Brennweite/ mm 900 2350
benutzte Vergrößerungen 8x 45x, 100x, 180x 112x, 181x, 294x, 470x
erkennen. Der Durchmesser beträgt nur 6''. Mit dem C 235 zeigt der 10,6 mag helle PN ohne Filter bei V = 181x eine bläuliche Färbung. Bei V = 294x und V = 470x ist ein kleines diffuses Scheibchen zu sehen (Durchmesser 10''), andeutungsweise ringförmig und eventuell (aber unsicher) mit einem Zentralstern 13,0 mag. Mit [OIII]-Filter ist er als ein diffuses, schwach ringförmiges Scheibchen zu sehen.
NGC 7027 Mein letzter PN soll NGC 7027 sein, ein sehr interessanter und detailreicher PN im Sternbild Schwan. Mit dem F 8 x 56 erscheint er rein sternförmig und 8,6 mag hell. Mit dem N 114 ist ein innerer sehr heller Teil (6'' bis 8'' groß) mit drei bis vier deutlich erkennbaren Knoten zu sehen, umgeben von einem schwachen Hof (15'' bis 20'' groß). Die Gesamthelligkeit beträgt 8,2 bis 8,4 mag. Mit dem C 235 ist eine sehr helle, klar bläuliche, ovale, 18'' x 12'' große Nebelfläche zu sehen, in der sich drei bis vier sehr deutliche helle Knoten befinden. Die Gesamthelligkeit beträgt 8,4 mag.
Beobachtungstipps Sehr kleine PN bilden eine Herausforderung in mehrerer Hinsicht. Allein schon das Auffinden ist durch das sternähnliche Aussehen bei niedrigen Vergrößerungen oft nicht ganz einfach. Ich selbst benutze hierfür die Astro-Software Guide 9.0, womit die Identifikation recht gut gelingt. Weiterhin darf, um mehr als ein sternähnliches Objekt zu sehen, mit Vergrößerung nicht gespart werden. Man sollte durchaus versuchen, bis hin zur maximal möglichen Vergrößerung zu gehen. Dazu ist aber ein gutes Seeing erforderlich. Für das Erkennen von feinen Details wie Ringstrukturen, Knoten oder Zentralstern ist ein gutes Seeing sogar unabdingbar; es ist hier definitiv wichtiger als ein dunkler Himmel. Kleine PN lassen sich nämlich - und das ist jetzt die gute Nachricht zum Schluss - auch bei aufgehelltem Himmel noch erfolgreich beobachten!
Interesse geweckt? Dann wünsche ich viel Freude, Geduld und Erfolg beim Nachbeobachten!
IMPRESSUM
VdS-Journal für Astronomie · Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde (VdS) e.V. Hier schreiben Mitglieder für Sternfreunde.
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Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitglieds-beitrag von 35,- E (Europa) und 40,- E (außereurop. Länder), bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten
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Jugendarbeit
Von Raum-Zeit-Dehnung und Schwarzen Löchern
- Die AG Kosmologie im ASL 2013
von Simone Rebeski, Wiebke Leemhuis, Julian Stürmer, Noyan Ugur und Theresa Gier
Die Kosmologie beschäftigt sich mit den Strukturen und der Entwicklung des Universums. Die Teilnehmer der AG ,,Kosmologie" haben sich mit dem Wandel der Weltbilder, komplexen physikalischen Theorien und der Entstehung sowie dem Ende des Universums befasst.
Schon während der Antike entwickelten die Babylonier ein Modell der Welt, in dem die Erde eine von Wasser umgebende Insel ist, doch von einer Kuppel (Firmament) geschützt wird. Im Laufe der Historie veränderte sich dieses geozentrische zum, zuerst kontrovers diskutierten heliozentrischen Weltbild, in dem die Sonne im Zentrum steht. Kopernikus war der erste, der die These aufstellte, dass sich die Sonne im Zentrum der Welt befindet. Galilei fand aufgrund der Phasen der Venus und der Bewegung der Jupitermonde erste Beobachtungshinweise für das neue Weltbild, und Johannes Kepler hat dieses Modell letztendlich noch auf eine einfache mathematische und physikalische Grundlage gestellt.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts ging man sogar weg von der besonderen Lage der Sonne. Man nahm an, dass es unwahrscheinlich ist, dass wir uns an einem besonderen Ort im Universum befinden, da das Universum homogen ist (außer in Bezug auf die Zeit). Außerdem wird angenommen, dass das Universum auf großen Skalen in allen Richtungen gleich aussieht, sprich isotrop ist. Diese Sichtweise nennt man das kosmologische Prinzip.
1923 stellte Vesto Slypher fest, dass das Licht von 36 von insgesamt 41 untersuchten Galaxien ins Rote verschoben ist. Man schloss daraus in Anlehnung an den Doppler-Effekt bei Schallwellen, dass sich diese Galaxien also uns entfernen. Nun entdeckte aber Edwin Hubble sechs Jahre später, dass die Geschwindigkeit der Galaxien mit ihrem Abstand linear zunimmt. Daraus folgt, dass sich manche Galaxien womöglich schneller
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1 Das ,,Hubble-Diagramm" aus der Veröffentlichung von Edwin Hubble aus dem
Jahr 1929. Es zeigt den linearen Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit der Galaxien (gewonnen aus ihrer Rotverschiebung) und ihrer Entfernung.
als das Licht von uns entfernen könnten. Auf den ersten Blick widerspricht das der Tatsache, dass die Lichtgeschwindigkeit endlich ist und nicht überschritten werden darf/kann. Das Paradoxon wird aufgelöst, wenn man bedenkt, dass ständig neue Raumzeit zwischen den Galaxien entsteht. Es ist also gar nicht die Geschwindigkeit der Galaxien selbst, die wir durch die Rotverschiebung beobachten, sondern die Ausdehnung des Raumes. Daher kann man den Effekt auch streng genommen gar nicht als einfachen Doppler-Effekt betrachten.
Aus der Ausdehnung des Raums ergibt sich nahezu zwangsläufig der Rückschluss, dass das Universum früher sehr viel kleiner gewesen sein muss (Eine stetige Ausdehnung vorausgesetzt). Man geht heute davon aus, dass vor rund 13,8 Milliarden Jahren dieser extrem energiereiche Punkt explodierte. Diesen Vorgang kennen wir heute unter dem Namen Urknall und er steht ganz am Anfang der Geschichte unseres Universums.
Kurz nach dem Urknall begann die kosmische Inflation, bei der sich das Universum exponentiell ausdehnte. Anti-
teilchen-Teilchen-Paare entstanden, die sich gegenseitig vernichteten. Jedoch gab es mehr Materie als Antimaterie. Aus Quarks und Gluonen entstanden Protonen und Neutronen. Nach einiger Zeit bildeten sich Wasserstoff-, Deuteriumund Heliumkerne, wobei der Druck im Universum etwa unserem heutigen Luftdruck auf der Erde entsprach. Die Temperatur lag aber bei einer Milliarde Kelvin. In dieser Umgebung fingen nach 390.000 Jahren die Atomkerne die ersten Elektronen ein und es gab die ersten Atome in unserem Universum.
Darauf folgte die Bildung erster Elemente wie Wasserstoff und Helium, aus denen sich dann erste Sterne und später erste Galaxien entwickelten. Mittlerweile gibt es eine riesige Zahl Galaxien mit einer noch größeren Zahl an Sternen. Und diese Sterne produzieren gelegentlich ein besonderes Phänomen: ein Schwarzes Loch.
Schwarze Löcher entstehen, wenn im zentralen Inneren eines sehr massereichen Sterns keine leichten Elemente (z. B. Wasserstoff) mehr vorhanden sind, sondern der Kern nur noch aus Eisen besteht.
Jugendarbeit
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In diesem Stadium ist keine Nukleosynthese mehr möglich und der Stern kollabiert, weil er seiner eigenen Gravitation keinen produzierten Strahlungsdruck mehr entgegenstellen kann. Die kollabierte Masse wird dann auf einen sehr kleinen Körper komprimiert. Durch die hohe Dichte und Masse sorgt dieser für enorme Gravitationskräfte und krümmt dadurch die Raumzeit so stark, dass eine Singularität entsteht. Das Schwarze Loch ist entstanden. Durch die starke Raumkrümmung wird auch der Verlauf von Lichtstrahlen gekrümmt. Objekte hinter dem Schwarzen Loch erscheinen daher für einen Beobachter vor dem Schwarzen Loch stark verzerrt.
Jedes Schwarze Loch besitzt außerdem einen Schwarzschild-Radius, innerhalb dem sämtliche Masse (und sogar das Licht!) den gravitativen Einflüssen des Schwarzen Lochs nicht entkommen kann. Das Schwarze Loch eignet sich diese Masse an, die ihm nicht mehr entkommen kann. Je mehr Masse ein Schwarzes Loch hat, desto mehr Energie hat es auch und desto länger kann es existieren. Denn Energie kann das Schwarze Loch durchaus verlieren. Und zwar durch eine Laune der Quantenmechanik. So können aus dem Vakuum Teilchen- und Antiteilchen-Paare aufgrund der Heisenberg'schen Unschärferelation genau am Schwarzschild-Radius entste-
2 Das kosmologische Prinzip im Bild: Das ,,Hubble Ultra Deep Field" zeigt Tausende
Galaxien verschiedener Entfernung, homogen verteilt über die gesamte Aufnahme. (Quelle: Hubble Space Telescope, NASA)
hen. Daraufhin wird eines der Teilchen vom Schwarzen Loch aufgesogen, das andere Teilchen kann entkommen. Da-
durch geht Energie verloren. Dieses Phänomen nennt man Hawking-Strahlung.
Polartag auf Hawaii?
- Impressionen vom Kinderprogramm zur langen Nacht der Wissenschaft an der Universitätssternwarte Jena
von Caroline Reinert
Anlässlich der langen Nacht der Wissenschaft in Jena und dem 200. Geburtstag der Universitätssternwarte im Jahr 2013 öffnete eben diese am 29. November letzten Jahres ihre Pforten für das breite Publikum. Von 18 Uhr bis Mitternacht gab es Vorträge, Führungen durch die Kuppel und das Staublabor und natürlich Beobachtungen mit einer Reihe Teleskopen. Letzteres wurde leider erst sehr spät aktuell, da der Himmel sich fast den ganzen Abend bewölkt zeigte. Trotzdem strömten über 500 interessierte Besucher in die Sternwarte.
1
Die beleuchtete Universitätssternwarte zur langen Nacht der Wissenschaft
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Jugendarbeit
Darunter waren auch nicht wenige Kinder. Denn gerade für sie wurde ein buntes Programm geboten. Die Diplomphysiker Ronny Errmann und Claudia Marka gingen mit den Kleinsten auf eine Entdeckungstour durchs Sonnensystem. Bei Prof. Alexander Krivov machten sie Reisen rund um den Globus und lernten dabei alles Wichtige über Tag und Nacht und wo dabei der Unterschied ist, wenn man in Spitzbergen oder auf Hawaii wohnt. Im Staublabor konnten Sie durch ein Mikroskop einen Blick auf einen echten Meteoriten werfen. Und natürlich durfte die Kreativität nicht zu kurz kommen. So wurden Sterne ausgemalt oder mit Faltpapier zusammengebaut.
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Prof. Krivov erklärt die Welt: Tag und Nacht auf unserer Erde
2
Entdeckungstour: Ein Vortrag für die Kleinsten über unser Sonnensystem
Um Schülern, die vor der Entscheidung über ein Studium stehen, jene zu erleichtern, sollte mit einer kleinen Studienberatung geholfen werden. Dort wurden alle nötigen Informationen zu einem Physikstudium, speziell in der Spezialisierung Astrophysik, weitergegeben und natürlich persönliche Fragen dazu beantwortet.
Als sich spät abends doch noch die Wolken verzogen, versammelten sich noch einmal viele Besucher auf dem Dach der Sternwarte, um einen Blick auf Jupiter und seine Monde werfen zu können. Ein toller Anblick! Und wahrscheinlich für alle Beteiligten ein toller Abend.
4
Wie funktioniert das eigentlich? Schüler lassen sich die Funktionsweise eines Radioteleskops erklären.
Der Mensch im Weltraum - eine biologische Betrachtung
(Bericht der AG Raumfahrtbiologie im ASL 2013)
von Ananias Hildebrand, Alison Seidel, Markus Anton, Cedric Seehausen, Michael Levitanus und Tabea Mueller
In der AG Raumfahrtbiologie im ASL 2013 haben wir uns mit den verschiedenen Aspekten der Einwirkung auf den menschlichen Körper während Weltraummissionen befasst. Im Vordergrund standen dabei die medizinisch und psychologisch relevanten Faktoren, welche bei einem Aufenthalt im Weltraum unbedingt kontrolliert werden müssen.
Schon beim Start in den Weltraum ist der menschliche Körper extremen Belastungen ausgesetzt, die hauptsächlich
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aus den einwirkenden Kräften beim Beschleunigen der Rakete resultieren. Durch diese starke Beschleunigung kann das Sehvermögen beeinträchtigt und auch der Gleichgewichtssinn gestört werden. Durch erhöhten Druck auf die Netzhaut kommt es zum Tunnelblick und das Gleichgewichtsorgan im Innenohr wird gestört, was unter anderem Schwindel und eine gestörte Koordination auslöst.
Einige dieser Auswirkungen haben wir im Selbstversuch erforscht. Dazu haben
wir z. B. Teilnehmer auf einem Drehstuhl in Rotation versetzt und dann beobachtet wie jemand, der einige Zeit lang mit geschlossenen Augen gleichmäßig gedreht wurde, nach dem Stopp und der Öffnung der Augen noch eine Zeit lang entlang der ursprünglichen Drehrichtung eine Ausgleichsbewegung vollführte, obwohl er bereits wieder in Ruhe war. Das hängt damit zusammen, dass die Innenohrflüssigkeit in den Bogengängen des Ohres, die für die Wahrnehmung radialer Beschleunigung zuständig sind, wie in ei-
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ner Zentrifuge gedreht wird. Diese Flüssigkeit folgt den Gesetzen der Trägheit, so dass bei einem plötzlichen Halt dem Gehirn eine falsche Information - eine vorgetäuschte Drehung - gemeldet wird und der Körper versucht diese ,,Drehung" durch Gegenbewegung auszugleichen.
Zusätzlich dienen natürlich auch die Augen der Orientierung. Ohne deren Einsatz dauert die Ausgleichsbewegung wesentlich länger an.
Anschließend haben wir uns damit beschäftigt, welche Auswirkungen eine erhöhte Strahlungsexposition im Weltraum auf den Körper und die Körperchemie eines Astronauten haben kann. Man unterscheidet hier zwischen akuten Strahlenschäden und Langzeitfolgen.
Akute Strahlenschäden wie eine Erkrankung der blutbildenden Organe oder der Lunge treten auf, wenn der Astronaut einen bestimmten Grenzwert an eingehenden Strahlen überschreitet. Diese Schäden sind, insofern man der erhöhten Strahlung nicht länger ausgesetzt ist, teilweise reversibel. Langzeitfolgen wie z. B. ein erhöhtes Krebsrisiko nehmen dagegen allmählich zu und hängen proportional von der Langzeitdosis ab.
Man unterscheidet zwischen drei Typen von Strahlung. Jede dieser Strahlungsarten entsteht und verhält sich unterschiedlich: Alpha- und Beta-Strahlung besteht, aus geladenen Teilchen und sie wechselwirkt daher deutlich stärker mit Materie als die ungeladenen Photonen oder Quanten der Gamma-Strahlung. Daher ist Gamma-Strahlung die schädlichste von allen. Sie ist schwer abzufangen (zum Beispiel durch Haut) und richtet deswegen im Körper den meisten Schaden an.
Neben der erhöhten Strahlungsbelastung und den Strapazen des Fluges bzw. Starts kann aber auch die Schwerelosigkeit für Raumfahrer ein Problem darstellen. Zum einen ist das Blutzirkulationssystem nicht auf den Bluttransport in der Schwerelosigkeit ausgelegt und auch der Flüssigkeitshaushalt ist für den Aufenthalt auf der Erde konzipiert.
So kommt es bei Astronauten dazu, dass Bindegewebsflüssigkeit sich an Stellen
1 Der Astronaut Bruce McCandless bei einem Außenbordeinsatz während einer
Mission des Space Shuttles Challenger am 11. Februar 1984. Bei einer solchen Mission ist der menschliche Körper besonderen Belastungen ausgesetzt. (Quelle: NASA)
sammelt, wo sie üblicherweise nicht ist, beispielsweise im Gesicht, was dazu führt, dass dieses aufgedunsen aussieht. Auch die Entleerung der Blase ist in der Schwerelosigkeit kompliziert und musste früher über Katheter erfolgen. Mittlerweile hat man aber Möglichkeiten entwickelt, die mit Unterdruck arbeiten und somit für Astronauten erheblich angenehmer sind.
Neben diesen medizintechnischen Aspekten sind auch psychologische Betrachtungen wichtig, vor allem bei längeren Raumflügen. Gegenwärtig werden Studien durchgeführt, die untersuchen, wie unterschiedliche Personen interagieren, wenn sie dauerhaft gemeinsam isoliert leben und arbeiten müssen.
Für lange Weltraummissionen ist es wichtig, die Flugesatzung so zusammenzustellen, dass sich möglichst wenige Konflikte ergeben und die Astronauten keinem zu großen Stress ausgesetzt sind. So kann z. B. die anhaltende Ernährung von ausschließlich konservierter Astro-
nautennahrung eine erhebliche psychische Belastung darstellen. Abwechslung im Alltag, in der Ernährung und anderen Bereichen, ist deswegen überaus wichtig. Aus diesem Grund investiert beispielsweise auch die NASA große Summen in die Entwicklung eines FoodPrinters, der aus konservierten Grundnahrungsstoffen verschiedene Speisen synthetisieren kann.
Auch Haustiere oder Pflanzen können für Abwechslung sorgen und zu einer ausgeglichenen Einstellung der Raumfahrer beitragen. Daher wird auch untersucht, wie verschiedene Tiere auf die Belastungen eines Weltraumfluges reagieren.
All diese Aspekte werden gegenwärtig untersucht, mit dem Ziel in den nächsten Jahren lange andauernde bemannte Missionen im Weltall durchführen zu können. So haben beispielsweise sowohl die NASA als auch das russische Pendant Roskosmos Pläne um das Jahr 2030 bemannte Marsmissionen zu starten.
2 Die verschiedenen Eigenschaften radioaktiver Strahlung
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Kleine Planeten
Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten
von Gerhard Lehmann
Wenn Sie diese Zeilen lesen, dann halten Sie die 50. Ausgabe des VdS-Journals für Astronomie in Ihrer Hand. Im Jahr 1997 begann die Erfolgsgeschichte unseres Journals und bereits hier erschien ein Artikel über die Beobachtung von Kleinplaneten. Keine Ausgabe wurde versäumt, um nicht über diesen Teil der Kleinkörper im Sonnensystem zu berichten. Nach der 20. Ausgabe mit dem Schwerpunktthema ,,Kleinplaneten" begann eine Artikelserie über ,,Kosmische Begegnungen" mit hellen Deep-Sky-Objekten. Ein Höhepunkt ist sicherlich die Begegnung des Kometen ISON (C/2012 S1) mit dem Kleinplaneten (91) Aegina, über die im nächsten Artikel geschrieben wird. Aber mit der aktuellen Ausgabe unseres VdS-Journals wird auch zum wiederholten Mal über Neues aus der FG Kleine Planeten berichtet.
Das Asteroidensuchprogramm TOTAS (Teide Observatorium Teneriffa Asteroid Survey [1]) von Matthias Busch, Softwareingenieur und Amateurastronom an der Starkenburg Sternwarte Heppenheim, und Detlef Koschny, Raumfahrtingenieur bei der ESA, 2009 ins Leben gerufen, hat einen riesigen Erfolg zu vermelden.
Mittlerweile hat sich ein internationales Team von Bildauswertern gebildet, welche die automatisch, durch eine von Matthias Busch entwickelte Software, vermessenen CCD-Bilder nach weiteren interessanten Objekten durchsehen. Der Amateurastronom Rafal Reszelewski aus ´Swidwin in Polen fand am 1. Februar 2014 den ersten Kometen für TOTAS, welcher die Bezeichnung P/2014 C1 (TOTAS) [2] erhielt! Ein grandioser Erfolg [3] für das ganze TOTAS-Team, welchem auch viele Mitglieder aus der FG Kleine Planeten angehören.
Am 8. Oktober 2002 entdeckte Mike Kretlow mit dem 1,2-Meter-Teleskop am Michael-Adrian-Observatorium der Astronomiestiftung Trebur [4] den Kleinplaneten 2002 TJ68. Nachdem der Kleinplanet die Nummer 211343 erhielt, hatte Kretlow das Recht, einen Namensvorschlag an das Minor Planet Center einzureichen. Nach dem Namensbegründer Dr. Dieter Husar erhielt der Kleinplanet im Januar 2014 die Bezeichnung (211343) Dieterhusar. Beide, der Entdecker und der Namensbegründer, sind Mitglied der FG Kleine Planeten. Mit einem am 10. Okto-
Namensbegründungen
ber 2002 von Mike Kretlow ebenfalls entdeckten Kleinplaneten ehrte er Prof. Dr. Hanns Ruder, der sich nun über (250164) Hannsruder freuen kann. Dr. Dieter Husar und Prof. Dr. Hanns Ruder sind die Begründer der Stiftung Interaktive Astronomie und Astrophysik [5], welche sich zum Ziel gesetzt hat, Jugendliche für die Astronomie zu begeistern.
Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, vielleicht auch einmal Kleinplaneten zu beobachten, dann sind Sie dazu herzlich eingeladen. Als Mitglied in der FG Kleine Planeten werden Sie Gleichgesinnte treffen und von den Erfahrungen der anderen profitieren.
Hinweise auf Internetlinks: [1] TOTAS: http://vmo.estec.esa.int/
totas/ [2] MPEC 2014-C11:
www.minorplanetcenter.net/mpec/ K14/K14C11.html [3] NEO Coordination Centre: http://neo.ssa.esa.int/ [4] Astronomiestiftung Trebur: www.t1t-trebur.de/ [5] Stiftung Interaktive Astronomie und Astrophysik: www.stiftungastronomie.de/de/
(211343) Dieterhusar = 2002 TJ68 Discovered 2002 Oct. 8 by M. Kretlow at Trebur. Dieter Husar (b. 1947), a German physicist and amateur astronomer, is best known for his photometric work on variable stars. Currently he is focused on the Blazhko effect. He is a co-founder of the Stiftung Interaktive Astronomie und Astrophysik, operating remote telescopes for amateur and educational purposes.
(250164) Hannsruder = 2002 TM69 Discovered 2002 Oct. 10 by M. Kretlow at Trebur. Hanns Ruder (b. 1939) is astrophysics professor at Tübingen, Germany. Beside his research work, he promoted the popularization of astronomy and theory of relativity. He is a co-founder of the Stiftung Interaktive Astronomie und Astrophysik, operating remote telescopes for amateur and educational purposes.
VdS-Journal Nr. 50
Kosmische Begegnungen
1
Der Komet ISON (C/2012 S1) und der
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Kleinplanet (91) Aegina, am 2. November 2013 von Stefan Binnewies, Josef
Ab und zu findet man auf Astroauf- Unsere heutige Begegnung fand vor
Pöpsel und Makis Palaiologou mit
nahmen von Deep-Sky-Objekten kurze unserer kosmologischen Haustür statt.
einer 12-zölligen Flatfieldkamera f/3,2
Strichspuren. Der Verursacher ist meist Die Entstehung des Bildes ist aber auch
und einer SBIG-CCD-Kamera STL 6303
ein Kleinplanet, der sich während der ein erfreuliches Beispiel für kosmische
fotografiert.
Belichtungszeit ein kleines Stück auf Zusammenarbeit. Zwei Amateurastro-
seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt nomen arbeiteten mit einem Profiast-
hat. Für viele Astrofotografen sind sol- ronomen zusammen, wobei erstere aus
che zufälligen kosmischen Begegnungen Deutschland kommen und letzterer auf Mit einer Flatfieldkamera konnten sie am
eine Bereicherung des Bildes. Besonders der schönen Mittelmeerinsel Kreta tätig Morgen des 2. November 2013 den Ko-
dann, wenn man nach einiger Recherche ist. Stefan Binnewies und Josef Pöpsel meten C/2012 S1 (ISON) und den Klein-
herausfindet, wer der Verursacher der vom bekannten Capella-Team [1] arbei- planeten (91) Aegina gemeinsam im Ge-
Strichspur war.
teten hier mit Makis Palaiologou vom sichtsfeld aufnehmen. Glücklich waren
Skinakas-Observatorium [2] zusammen. bekanntlich jene, die ISON noch vor dem
Datum 02.07.2014 23.07.2014 19.08.2014 25.08.2014 24.09.2014 29.09.2014
Interessante Begegnungen von Kleinplaneten mit Deep-Sky-Objekten im 3. Quartal 2014
Uhrzeit
Kleinplanet
mv
Objekt
Art
23:00
(486) Cremona
13,1 mag M 28
GC
24:00
(5235) Jean-Loup
14,5 mag NGC 6822
Gx
24:00
(888) Parysatis
13,8 mag M 75
GC
24:00
(23530) 1993 FV45
16,1 mag NGC 7009
PN
24:00
(15407) Udakiyoo
15,5 mag NGC 7293
PN
01:00
(756) Lilliana
15,3 mag NGC 660
Gx
mv 6,9 mag 8,7 mag 8,6 mag 8,0 mag 7,3 mag 10,7 mag
Abstand 12' 11'
7' 4' 1' 5'
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72
Kometen
Perihel erwischen konnten. Er war zum Zeitpunkt der Aufnahme rund 178 Mio. km von der Erde entfernt. Fast 2,5-mal so weit entfernt, mit ca. 439 Mio. km, war (91) Aegina. Da sich der Kleinplanet in relativer Erdferne befand, zeigte der ungefähr 110 km große Brocken nur eine Helligkeit von ca. 14 mag. Entdeckt wurde (91) Aegina 1866 durch den französischen Astronomen Édouard Jean-Marie Stephan, der sie nach einer Nymphe aus der griechischen Mythologie benannte. Verflochten mit der Sage ist ebenfalls die Benennung der vor Athen gelegenen Insel Ägina [3].
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die Tabelle auf Seite 71 enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und DeepSky-Objekten, die von uns erstellt wurde.
Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [4]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-
Journals mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an diriesw@aon.at. Bitte vergessen Sie nicht das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Hinweise auf Internetlinks: [1] Capella Observatory:
www.capella-observatory.com [2] Skinakas Observatory: http://
skinakas.physics.uoc.gr [3] Aegina Island: www.aegina.com.gr/ [4] Tabelle: http://astrofotografie.
hohmann-edv.de/aufnahmen/ kosmische.begegnungen.php
Kometenjäger zwischen Harz und Heide
von Reiner Guse
An sich bin ich vorrangig gar kein Kometenjäger, denn in erster Linie nehme ich Deep-Sky-Objekte wie Galaxien und Nebel auf. Dazu bin ich durch meine Beobachtungen am Sternenhimmel gekommen, um Objekte, die ich durch das Teleskop nur schwach erkennen konnte, deutlicher zu sehen. Meine Kamera ist sozusagen mein drittes Auge.
Mein Standort zwischen Harz und Heide, genauer gesagt zwischen den beiden niedersächsischen Großstädten Hannover und Braunschweig, bietet nicht unbedingt die besten Beobachtungsmöglichkeiten. Hier in Peine haben wir es häufig mit dem ,,norddeutschen Schmuddelwetter" zu tun und wirklich klare Nächte ohne Mondlicht mit guter Durchsicht ha-
1 Seit 2008 ist dieses mein Beobachtungs-
und Aufnahmeort von Himmelsobjekten.
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ben wir nur wenige, gefühlt sind es vielleicht 4 bis 10 im Jahr. Dann erreichen wir im Zenit Sterne mit etwa 5 bis 5,5 mag, über dem Horizont ist es meistens weniger. Die Fotos werden aus meiner
2 NGC 7635 oder Bubble-Nebel. Die
Ha-Aufnahme wurde Ende des Jahres 2012 mit der Alccd9-Kamera durchgeführt, die Farben stammen von einer Aufnahme mit der Canon EOS 1000Da aus dem Jahr 2011. In beiden Fällen wurde als Teleskop das 12-Zoll-Meade bei f/8 benutzt. Aufnahme: Reiner Guse.
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3 Der Komet 17P/Holmes zu unterschiedlichen Zeiten. Alle Aufnahmen wurden mit dem Borg-4-Zoll-Refraktor und einer StarlightXPress
SXV-H9C durchgeführt. Bildautor: Reiner Guse.
Sternwarte in unserem Garten aufgenommen (Abb. 1), und zwar mit einem Meade 12-Zoll- oder Borg-4-Zoll-Teleskop und einer ALccd9-CCD-Kamera oder einer Canon EOS 1000Da, früher hatte ich auch eine StarlightXPress SXVH9C im Einsatz.
Nun haben ja Nebel und Galaxien die Eigenschaft, vorhersehbar an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten immer wieder aufzutauchen. Daher kann man bei diesen Objekten Aufnahmen, die aufgrund aufziehender Wolken abgebrochen werden mussten, zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen. Einige Male ist es mir passiert, dass ich aus diesem Grund nach einer Ha-Aufnahme nicht mehr zu den Farbaufnahmen gekommen bin. Da dann in den folgenden Tagen und Wochen aufgrund unserer Wetterbedingungen keine Aufnahmen mehr möglich waren, habe ich die Farben von einer früheren Aufnahme mit meiner Canon mit der Ha-Aufnahme kombiniert. So ist z. B. die Abbildung 2 entstanden.
4 Komet C/2007 N3 (Lulin). Aufnahme vom 18.02.2009 um 02:10 Uhr MEZ bei -6o C
mit der gleichen Ausstattung wie Abb. 3. Aufnahme: Reiner Guse.
Bei den Kometen ist das allerdings schwieriger. Sie kommen und gehen, wann sie wollen, und nehmen keinerlei Rücksicht auf unseren Standort und irgendwelche Zeiten. Diese Besonderheiten der Kometen sind die Ursache dafür, dass
5 So haben wir den Kometen C/2011
L4 (PANSTARRS) am 15.03.2013 um 19:41 Uhr gesehen, mit bloßem Auge indirekt, mit Feldstecher und Teleskop zeigte er sich sehr beeindruckend. Diese Aufnahme machte Wolfgang Meirich mit seiner Canon 30D und einem Zeiss-200-mmObjektiv.
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6 Komet C/2011 L4 (PANSTARRS) am 07.04.2013 um 22:05 Uhr. Aufnahme mit dem
Borg-4-Zoll-Refraktor und einer Canon EOS 1000Da. Der Komet war einige Tage vorher an der Andromeda-Galaxie vorbeigezogen, rechts von ihm der A-Stern HD 2421 mit 5,17 mag Helligkeit. Aufnahme: Reiner Guse.
man sie im wahrsten Sinne des Wortes jagen muss, insbesondere in unserer Region. Da gibt es manchmal nur wenige Momente, bei denen sie gut zu sehen sind oder mit der Kamera eingefangen werden können. Daher wird jedes Mal, wenn mein Astrofreund Wolfgang Meirich zu Beginn des Jahres bei unserem Astro-Stammtisch von den bevorstehenden Kometen berichtet, ein Jagdfieber in mir hervorgerufen. Ich beginne dann konkret zu planen, wo und wann ich die Kometen beobachten oder fotografieren kann, und suche geeignete Beobachtungsorte aus, wenn sie von meiner Sternwarte aus nicht zu sehen sind. 2013 war mit PANSTARRS, ISON und Lovejoy ein besonderes Jahr, zuvor möchte ich jedoch kurz auf 2007 und 2009 eingehen. 2007 war als größerer Komet 17P/Holmes zu sehen. Er war sehr entgegenkommend, stand zu günstigen Zeiten sehr hoch am Himmel und die Wetterlage erlaubte auch, ihn häufig zu beobachten und zu fotografieren. Die Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Koma. Allerdings war sein Schweif nicht sichtbar, dafür nahm die Koma enorme Größen an.
zur Verfügung stellen würde. Es wurde am 24.02.2009 nach der Tagesschau in der ARD und auch bei 3SAT und im NDR gezeigt.
Nun kommen wir endlich zum Kometenjahr 2013. Die Ankündigungen vom Astrofreund Wolfgang Meirich waren bei unserem Astro-Stammtisch vielversprechend. Zwei helle Kometen, die wahrscheinlich mit bloßem Auge gesichtet werden können: C/2011 L4 (PANSTARRS) und C/2012 S1 (ISON), dazu noch der etwas schwächere Komet C/2013 R1 (Lovejoy). Aber schon bei der Prognose gab es Andeutungen für einige Schwierigkeiten
beim Aufsuchen der beiden hellen Kometen, da beide in unseren Breiten während der hellen Phase nur nah am Horizont sichtbar sein sollten, PANSTARRS abends, ISON zunächst morgens. Anfang März begann die Jagd nach PANSTARRS und am 13.03.2013 habe ich ihn das erste Mal in der Feldmark durch meinen 4-Zöller gesehen. Am 15.03.2013 haben wir ihn dann sehr schön bei unserem AstroStammtischtermin von unserer Sternwarte aus beobachten können. Die Abbildung 5 zeigt ein Foto von diesem Abend, das Wolfgang Meirich mit seiner Canon aufgenommen hat. Ein einmaliges Erlebnis, es war der einzige Tag, wo PANSTARRS sich bei uns so prachtvoll gezeigt hat. Am nächsten Tag war Astronomietag und keine gute Sicht mehr, so dass wir unseren Besuchern nur etwas vom Vortag erzählen konnten. Ich hatte die Jagd jedoch noch nicht aufgegeben und hatte Glück. Am 07.04.2013 war es bei uns auch in Horizontnähe verhältnismäßig klar und der Komet war trotz seiner geringen Höhe von nur ca. 10o von meiner Gartenkuppel aus für eine gute halbe Stunde zu sehen, da er gerade die Lücke zwischen unserem und dem Nachbarhaus passierte. Die Abbildung 6 zeigt das Foto. Damit war die Jagd auf PANSTARRS beendet, er brachte zwar nicht die erhoffte Helligkeit, aber da wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, konnten wir uns an seinem Anblick erfreuen und mir gelang noch eine schöne Aufnahme.
C/2007 N3 (Lulin) war 2009 dann genau das Gegenteil, die Jagd nach ihm war sehr schwierig. Die Wetterlage war in diesem Zeitraum sehr schlecht und man musste bei eisiger Kälte zu nachtschlafender Zeit aufstehen. Offensichtlich war dieses Wetter in ganz Deutschland ähnlich, denn es gab nicht viele Aufnahmen von ihm. So fragte das Fernsehen (ARD) bei mir nach, ob ich mein Foto (Abb. 4)
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7 Komet C/2012 S1 (ISON) am 14.11.2013 um 05:30 Uhr MEZ im Sternbild Jungfrau.
Aufnahme mit der gleichen Ausstattung wie Abb. 6. Aufnahme Reiner Guse.
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Nun freuten wir uns auf ISON, den wir in Gedanken schon hell als Weihnachtskomet leuchten sahen. Ende Oktober war es dann soweit, jetzt hieß es sehr früh aufstehen und bei klarem Himmel nach ISON schauen. Die Sicht war von meiner Sternwarte aus frei, allerdings befand sich ISON dann leider über der Lichtglocke der Stadt Peine, was die Beobachtungen erschwerte. Am 31.10. um 05:06 Uhr konnte ich ihn dann das erste Mal sehen und aufnehmen, am 11.11. ein zweites Mal und am 14.11.2013 ein letztes Mal, mit etwas längerem Schweif als zuvor (Abb. 7). Das Zeitfenster war bei den Aufnahmen sehr eng, da ISON erst ab einer bestimmten Höhe einigermaßen wahrnehmbar war, dann aber bald die Tageshelligkeit einsetzte. Daher reichte es nicht für Aufnahmen mit meiner Alccd9, bei der ich die Farben einzeln aufnehmen muss. So gesehen machte es ISON einem auch nicht leicht. Dann wurde mit Spannung der Umlauf um die Sonne erwartet, wir haben ihn alle verfolgt und waren enttäuscht, dass es nichts mit dem Weihnachtskometen wurde.
Inzwischen machte aber noch ein anderer Komet von sich reden. C/2013 R1 (Lovejoy) hielt nicht nur, was er versprach, nämlich eine Helligkeit von ca. 8 mag zu erreichen, sondern er übertraf diese Angabe. Für das bloße Auge reichte es jedoch nicht, aber am Frei-
8 Komet C/2013 R1 (Lovejoy) stand am 26.11.2013 um 04:30 Uhr MEZ bei uns ca. 40o
hoch am Himmel im Sternbild Jagdhunde. Das Bild wurde durch das Borg-Teleskop mit der Alccd9 mit folgenden Belichtungszeiten aufgenommen: L 30 x 1 min, R, G, B je 6 x 1 min. Aufnahme: Reiner Guse.
tag, dem 13.12.2013, holte beim AstroStammtisch unser Astrofreund Reinhard Woltmann Lovejoy mit dem Teleskop der Sternwarte ins Visier, so dass ihn alle Teilnehmer bewundern konnten. Ich habe ihn das erste Mal aufgenommen, bevor ISON sich verabschiedet hatte. Er stand zu der Zeit noch verhältnismäßig hoch am Himmel, so dass ich in Ruhe mit der Alccd9 fotografieren konnte. Ich musste allerdings einige Male um 03:30 Uhr nachts aufstehen, um ihn dann bei guten Bedingungen am 26.11.2013 ein-
zufangen (Abb. 8). In den folgenden Nächten verschlechterten sich die Bedingungen und das Zeitfenster wurde auch wieder enger. Nach Lovejoy ist jetzt erst einmal wieder Ruhe eingekehrt und ich kann nachts wieder durchschlafen.
Es ist eben nicht so leicht, bei uns Kometen zu jagen und es gibt manchmal nur wenige Momente, sie optimal zu sehen oder aufzunehmen. Ich hatte häufig das Glück, diese Momente zu erwischen.
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Kometen
Kometen-Fotometrie mit Teleobjektiv und digitaler Spiegelreflexkamera (DSLR)
von Wolfgang Vollmann
Ziel: Es sollen mit visuellen KometenHelligkeitsschätzungen vergleichbare Kometen-Gesamthelligkeiten gewonnen werden. Dazu müssen auch die Helligkeitsanteile der äußeren Koma berücksichtigt werden. Das Verfahren folgt der Arbeit von Ignacio Ferrin [1]. Im letzten Jahr machte ich einige Messungen an helleren Kometen mit einer DSLR Canon 600D mit Teleobjektiv Pentax 2,5/135 mm.
Meine Erfahrungen · Die Aufnahmen werden im RAW-Format Canon CR2 gemacht und ausgewertet - das JPEG-Format hat keine lineare Beziehung zwischen Objekthelligkeit und instrumenteller Helligkeit.
· Helligkeiten von Vergleichssternen und Kometen sind farbabhängig. Ich verwende eine digitale Spiegelreflexkamera - durch Messen der Grünhelligkeiten wird ein der visuellen Helligkeit nahes Farbband benutzt [2]. Mit einer CCD-Kamera muss ebenfalls ein Grün- oder besser VFilter (Johnson V) bei der Aufnahme eingesetzt werden. Dazu siehe [2] und [3].
1 Screenshot mit Messkreis von 10 Pixel Radius
· Die Fotometrie erfolgt auf dem Grünbild mit Software, die einen einstellbar großen Messkreis um Komet bzw. Vergleichssterne erlaubt. Ich verwende AIP4WIN [4].
· Komet und ein oder mehrere ähnlich helle konstante Vergleichssterne (maximal 2 mag Helligkeitsdifferenz) mit der Helligkeit aus dem Katalog (Johnson V) werden gemessen.
· Es ist wichtig, weder Komet noch Vergleichssterne überzubelichten. Mit den neueren 14-Bit-DSLR-Kameras sind Helligkeitswerte bis 16.384 möglich und bis ca. 14.000 linear zur Helligkeit. So waren z. B. beim Kometen C/2013 R1 (Lovejoy) am 13.1.2014 (ca. 7 mag) auf einer Aufnahmereihe mit Teleobjektiv 1:2,5/135 mm und Canon 600D bei ISO 1.600 Aufnahmen mit 30 Sekunden Einzelbelichtungszeit überbelichtet. Daher wurden die korrekt belichteten 10-SekundenAufnahmen gemessen.
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2 Screenshot mit Messkreis von 25 Pixel Radius
Die Messung und Auswertung einer Aufnahme · Auf einem nur durch Flat und Dark kalibriertem Bild wird der Grünkanal per Software extrahiert.
· Danach werden mit einem Messkreis mit 5, 10, 15 usw. Pixel Radius die Helligkeiten von Komet und Vergleichsster-
nen gemessen (instrumentelle Helligkeit). Die beiden äußeren Kreise mit Radius 90 bzw. 100 Pixel erlauben der Software den Abzug der Himmelshintergrundhelligkeit (s. Abb. 1 und 2).
· Bei der Messung haben die Vergleichssterne unabhängig von der Größe des Messkreises die gleiche instrumentelle
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Helligkeit. Beim Kometen steigt mit größerem Messkreis die Helligkeit stark an, da auch die äußeren Bereiche der Koma erfasst werden. Wenn die Komagröße erreicht ist, flacht die Helligkeit ab. Der Unterschied dieser maximalen instrumentellen Kometenhelligkeit zur instrumentellen Vergleichssternhelligkeit ergibt die Kometenhelligkeit (s. Abb. 3 und 4).
· Nach Möglichkeit werden mehrere Einzelaufnahmen einer Serie ausgewertet und mehr als ein Vergleichsstern benutzt und das Ergebnis gemittelt.
· Besondere Schwierigkeiten machen natürlich Hintergrundsterne, da sie bei größerem Messkreis erfasst werden und in die Kometenhelligkeit eingehen. Besonders helle Hintergrundsterne bis zu 1 bis 2 mag schwächer als der Komet, die vom Messreis erfasst werden, müssen extra gemessen und ihre Helligkeit von der ermittelten Kometenhelligkeit subtrahiert werden.
Mit dieser Methode können auf bis zu 0,1 mag genaue Kometenhelligkeiten gemessen werden, die nahe an denen der visuellen Beobachter liegen.
3 Instrumentelle Helligkeiten von Komet und Vergleichssternen
in Abhängigkeit von der Messkreisgröße
4 Bestimmung der Kometenhelligkeit mittels Tabellenkalkulation
Literaturhinweise und Internetlinks: [1] I. Ferrin: "Cometary Fotometry: In-
finite Aperture Magnitudes", http:// webdelprofesor.ula.ve/ciencias/ferrin/ teaching/curveofgrowth.pdf [2] W. Vollmann: ,,Beteigeuze (Alpha Orionis) und Mintaka (Delta Orionis)", BAV-Rundbrief 2/2013, http://bav-astro.de/rb/rb20132/101.pdf
[3] W. Vollmann: ,,Beobachtung Veränderlicher Sterne mit der Digitalkamera", http://members.aon. at/wolfgang.vollmann/var_digital/ var_digital.htm
[4] R. Berry und J. Burnell: "The Handbook of Astronomical Image Processing", mit AIP4WIN-Software. www.willbell.com/aip/index.htm
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Suchprogramm TOTAS entdeckt den ersten Kometen
von Uwe Pilz
Das Suchprogramm TOTAS ist eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Weltraumorganisation ESA und einer Gruppe von Amateuren, zu denen auch zwei Mitglieder der Fachgruppe Kometen gehören. TOTAS steht für ,,Tenerife Observatory Teide Asteroid Survey". Dieses Programm ist der Nachfolger einer Beobachtungsinitiative der Starkenburg-Sternwarte in Heppenheim: Im Jahr 2009 bekamen Reiner Kresken und Matthias Busch für eine Woche die Erlaubnis, nicht genutzte Beobachtungszeiten des 1-Meter-Teleskops des Izana-Oberservatoriums in Teneriffa für ein eigenes Suchprogramm zu verwenden. Das konnten sie in den Jahren 2010 und 2011 noch einmal wiederholen. Hilfreich war dabei sicher, dass Reiner Kresken bei der ESA angestellt ist. Matthias Busch schrieb eine Software, die es dem Teleskop erlaubt, ein 5 x 5-Mosaik abzulichten. Ein solches Mosaik enthält einen 60 s lang belichteten Himmelsausschnitt von insgesamt 3,5 Grad x 3,5 Grad . Das Mosaik wird viermal hintereinander im Abstand von ca. 15 Minuten abgefahren. Mit einer ebenfalls von Matthias Busch entwickelten Bildauswertung wird in den vier Bildern nach beweglichen Objekten gesucht. Dieses könnten Asteroiden sein, aber auch Bildstörungen. Da durch den Automaten keine 100%ige Sicherheit zu erzielen ist, werden diese Daten per Hand verifiziert bzw. falsifiziert.
Nach wenigen Nächten wurde klar, dass die Menge der Daten sehr groß wird, so dass dies nicht als Initiative der Sternwarte - nur getragen von zwei Personen - laufen kann. Deshalb wurde das Vorhaben TOTAS ins Leben gerufen [1]. Rasch fanden sich weitere Sternwartenmitglieder und andere Amateure aus dem In- und Ausland, die bei der Auswertung mithelfen wollten. Derzeit gehören TOTAS etwa 40 Personen an, darunter Jürgen Linder und Hartwig Lüthen von der Fachgruppe Kometen. Das Programm wurde rasch so erfolgreich, dass es in das NEO-Beobachtungsprogramm des sogenannten Space-Situational-Aware-
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ness-Projektes der ESA integriert wurde. Mitwirkender von ESA-Seite ist Detlef Koschny. Ein solches Zusammenwirken zwischen Amateuren und Berufsastronomen ist beispielgebend.
Die Durchsuchung des Himmels wird in sog. ,,Runs" organisiert. Ein Run umfasst typischerweise vier Nächte rund um Neumond, in denen das NEO-Programm der ESA das Teleskop benutzt. Ein SurveyMosaik von 5 x 5 Bildern aufzunehmen dauert etwa 70 Minuten. Wie erwähnt, wird dasselbe Himmelsareal viermal abgefahren. In dieser Zeit bewegen sich NEOs bereits so weit, dass die Bewegung erkennbar wird. Bis Februar 2014 wurden 41 solcher Runs durchgeführt und dabei in 100 Nächten beobachtet. Das ergab insgesamt über 75.000 Bilder! Alle entdeckten, bereits bekannten Asteroiden und Kometen wurden vermessen, insgesamt 160.000 Positionen. In den fünf Jahren ihres Bestehens fand diese Initiative über 7.000 ,,verdächtige" bewegliche Objekte [2]. Ein Großteil davon waren bereits bekannte Asteroiden, welche von der Software nicht erkannt wurden, oder einfach Bildfehler. Es wurden jedoch auch über 1.500 Asteroiden entdeckt, von denen 33 inzwischen eine permanente Bezeichnung erhielten. Fünf davon wurden sogar in die Liste der für die Erde bedrohlichen aufgenommen. Einer genaueren Bahnuntersuchung zufolge sind sie alle jedoch ungefährlich.
lang dies schließlich: Rafal Reszelewski sah auf einer der TOTAS-Aufnahmen als Erster ein kometares Objekt 19. Größe, welches in den folgenden Tagen von anderen Observatorien bestätigt wurde. Der Komet P/2014 C1 (TOTAS) war entdeckt! Ein großer Erfolg für die Arbeitsgruppe.
Literaturhinweise und Internetlinks: [1] D. Koschny, M. Busch, G. Drolsha-
gen, 2012: "Asteroid observations at the Optical Ground Station in 2010", Lessons learnt, Acta Astronautica 90, 49 [2] http://vmo.estec.esa.int/totas
Eine Kometenentdeckung stand jedoch immer noch aus. Auf einer Aufnahme vom 1. Februar 2014 ge-
1 Entdeckungsbildsequenz des Kometen P/2014 C1
(TOTAS). Bildquelle: TOTAS/ESA
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Planeten
Oppositionseffekt bei der Jupiteropposition am 5. Januar 2014
von Bernd Gährken
Der Oppositionseffekt ist eine optische Erscheinung in Form einer scheinbaren Aufhellung von Oberflächen am Gegenpunkt einer Lichtquelle. Himmelskörper, die keine Atmosphäre besitzen, erscheinen deutlich heller, wenn sie sich vom Beobachter aus genau in Opposition zur Sonne befinden. Der Effekt wurde erstmals von Tom Gehrels im Jahr 1956 an einem Asteroiden beobachtet. Auch bei den Ringen des Saturn, unserem Erdmond, dem Mars und einigen Planetenmonden konnte er nachgewiesen werden. Der Effekt ist besonders stark, wenn die Phasenwinkel besonders klein sind. Gut untersucht sind die Monde des Uranus. Da dieser Planet nur eine Bahnneigung von 0,77 Grad besitzt und zudem weit weg ist, lässt sich dort der Oppositionseffekt besonders einfach untersuchen. Bei
idealer Geometrie wächst die Helligkeit der Monde um den Oppositionspunkt um bis zu 0,3 mag, also etwa 30 %. Die Oberfläche des Gasplaneten ändert seine Helligkeit nicht. Als Grund für den Oppositionseffekt werden zwei Ursachen diskutiert: Kohärente Rückstrahlung und verschwindende Schatten. Die anteilige Verteilung der beiden Ursachen ist umstritten [1]. Die meisten Astronomen halten die verschwindenden Schatten für dominant. Feine, durch Mikrometeoriten entstandene Poren und Krater wirken bei schrägem Lichteinfall wie eine Lichtfalle und werden nur ausgeleuchtet, wenn die Sonne direkt im Rücken des Beobachters steht.
Für einen deutlich messbaren Effekt sollte der Phasenwinkel unter einem Grad
liegen. Mars, Saturn und Jupiter stehen in der Regel mehrere Grad von der Ekliptik entfernt. Eine Knotenopposition ist ein seltenes Ereignis. Doch am 5.1.2014 um 22 Uhr MEZ war die Geometrie für Jupiter ideal, denn aus der Sicht des Gasriesen fand ein Erdtransit statt. Der Phasenwinkel war extrem klein und der Oppositionseffekt bei den Monden extrem stark.
Es wurde versucht, dies fotografisch zu dokumentieren. Das Experiment wurde bewusst einfach gehalten, um in den Folgetagen flexibel auf jede Wolkenlücke reagieren zu können. Verwendet wurde ein iOptron-StarTracker mit einer Canon EOS 500 und einem 200-mm-Teleobjektiv. Vom 4.1. bis zum 12.1.2014 gab es fast jede Nacht zumindest einen kurzen
1 Helligkeitsentwicklung der drei Jupitermonde Io, Ganymed und Kallisto vom 4.1.2014 bis zum 17.1.2014 relativ zum 6,01 mag hellen
Stern TYC1895-1643. Die blauen und roten Punkte unterscheiden Messungen auf der westlichen und der östlichen Seite. Aufgetragen sind relative Helligkeiten.
2 Zur Verdeutlichung der Kurve wurden bei dieser Grafik die Messpunkte nach dem 5.1. gespiegelt. Die Punkte vor dem 5.1. sind also
nur eine Approximation. Die 3 Monde zeigen einen Anstieg von 0,3 mag. Die sauberste Kurve liefert Kallisto. Dies liegt an seiner langsamen Umlaufzeit. Er wurde zunächst nur auf der Westseite gemessen und die Rotation hat dadurch nur einen geringen Einfluss. Aufgetragen sind relative Helligkeiten. VdS-Journal Nr. 50
Planeten
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Augenblick, in dem eine Fotoserie geschossen wurde. Lediglich am 10.1. war keine Beobachtung möglich. Eine letzte Aufnahme entstand nach fünf Tagen Pause am 17.1.2014. Zwischen dem 5.1. und dem 17.1. hätte die Helligkeit durch die zunehmende Entfernung nur um 0,1 mag sinken dürfen. Die tatsächliche Abnahme war deutlich größer. Als Referenz wurde der 6,01 mag helle Stern TYC1895-1643 verwendet. Er stand Anfang Januar direkt neben dem Planeten. Die Sterne Zeta und 42 Gem (4,1 bzw. 5,3 mag) lagen zwar ebenfalls im Gesichtsfeld des 200-mm-Teleobjektivs, entpuppten sich aber bei näherer Untersuchung als veränderlich und konnten daher nicht verwendet werden. Die Abbildung 1 zeigt die gemessenen Werte für Io, Ganymed und Kallisto. Für Europa wurde auf eine Messung verzichtet. Europa hat einen Rotationslichtwechsel von 0,3 mag. Daher ist die Auswertung schwierig. Bei Io, Ganymed und Kallisto werden rotationsbedingt weniger als 0,1 mag erreicht, dennoch wurde bei den Messungen zwischen östlichen und westlichen Stellungen der Monde unterschieden. Die roten Punkte sind Messungen auf der östlichen Seite. Westliche Messungen sind blau. Die Monde haben eine gebundene Rotation mit einem Maximum auf der westlichen und einem Minimum auf der östlichen Seite. Die blauen Punkte besitzen eine höhere Genauigkeit, weil in der Oppositionsnacht alle Monde im Westen standen.
Die Messungen begannen erst einen Tag vor der Opposition. Daher ist hauptsächlich der Helligkeitsabstieg zu erkennen. Zur Verdeutlichung der Gesamtentwicklung wurden die Messpunkte über den Oppositionszeitpunkt gespiegelt und in einer weiteren Grafik (Abb. 2) zusammengefasst. Die Auswertung zeigt, dass der Oppositionseffekt bei allen drei Monden bei ca. 0,3 mag gelegen hat. Ein Helligkeitsanstieg von 30 % liegt im erwarteten Bereich und entspricht den Werten anderer Planetenmonde.
Der Vulkanmond Io hat eine sehr junge Oberfläche. Trotzdem ist auch bei ihm der Oppositionseffekt eindeutig. Obwohl es keine großen Einschlagskrater gibt, wird auf kleinen Skalen seine frische Haut ähnlich rau sein wie bei Ganymed und Kallisto.
3 Ein Versuch, in der Oppositionsnacht mit dem 80-cm-Spiegel der Volkssternwarte
München die Jupiterringe nachzuweisen, scheiterte zwar, doch Mond Amalthea war auf den Bildern sehr deutlich zu erkennen. Um die Überstrahlung durch Jupiter zu vermeiden, wurde mit einem Methanbandfilter gearbeitet. Vergleichsmessungen mit den sichtbaren Feldsternen lassen auch bei diesem Mond einen starken Oppositionseffekt wahrscheinlich erscheinen.
Die ideale Geometrie sollte auch die visuelle Sichtbarkeit der Monde beeinflussen. Es stellte sich die Frage, ob eine Sichtung mit dem freien Auge möglich sein könnte.
Mit dem HORIZONS-Web-Interface der NASA lassen sich Ephemeriden und Helligkeiten jedes Körpers im Sonnensystem genau berechnen [2]. Kallisto wäre demnach in der Oppositionsnacht 5,75 mag hell gewesen, wurde aber mit 5,44 mag gemessen. Das ist 0,31 mag heller. Bei Ganymed war die Prognose 4,62 mag. Gemessen wurde 4,45 mag. Das ist 0,17 mag heller. Ganymed und Kallisto standen sehr nah beisammen. Sie konnten mit dem freien Auge nicht getrennt werden. Die gemeinsame Helligkeit hat nach den Messungen 4,05 mag betragen.
Alle Monde standen auf der Westseite und der hellste Mond Ganymed hatte auch noch seine maximale Elongation. Unser Erdmond war in der Oppositionsnacht gegen 22 Uhr untergegangen und störte nicht. Besser konnten die Bedingungen für einen Test der freisichtigen Beobachtbarkeit nicht sein. Bei 4,05 mag sollte es zumindest nach Abdeckung des Planeten mit einer Hauskante klappen. Für weite Teile Deutschlands war die Wetterprognose gut und so wurde im Internet ein Aufruf gestartet und die Ergebnisse per Doodle gesammelt. Die
Doodle-Umfrage hatte 38 Teilnehmer. Sechs weitere Teilnehmer meldeten sich per E-Mail. Es wurde nicht nur gefragt, ob die Beobachtung erfolgreich war, sondern auch die lokale Grenzgröße, die Beobachtungserfahrung und die Sehschärfe/Visus des Auges abgefragt. Im Aufruf wurde ausdrücklich darum gebeten, auch negative Resultate zu melden, um eine Aussage über die Erfolgsquote machen zu können. Neun Teilnehmer konnten eine erfolgreiche Sichtung vermelden. Das entspricht einer Quote von 21 %. Dass diese Quote auch höher hätte ausfallen können, verdeutlicht der Abgleich mit den Beobachtungsbedingungen. 13 Teilnehmer hatten eine Grenzgröße von nur 4,00 - 4,99 mag. Sie hatten als Stadtbeobachter von vornherein nur geringe Chancen und haben auch alle nichts gesehen. Nur ein Teilnehmer gab eine Grenzgröße von 6,00 - 6,99 mag an und war auch prompt erfolgreich. 35 Teilnehmer meldeten eine Grenzgröße von 5,00 - 5,99 mag. 5 mag sind nicht optimal, dennoch gab es in dieser Gruppe acht erfolgreiche Sichtungen.
Nur einer der positiven Teilnehmer beurteilte seine Beobachtungserfahrung mit ,,mittel". Der Rest stufte sich als erfahrene Beobachter ein. Um unter dem deutschen Landhimmel etwas sehen zu können, ist also schon etwas Beobachtungspraxis notwendig. Exzellente Au-
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Planeten
gen braucht man allerdings nicht. Es gab immerhin zwei positive Sichtungen bei einer Sehschärfe von 80 - 100 %. Die anderen erfolgreichen Teilnehmer lagen bei der Sehschärfe zwischen 100 und 120 % oder machten keine Angaben.
Historisch waren freisichtige Ganymedbeobachtungen auch schon vorher bekannt [3]. Doch waren hier einzelne ausgewiesene Experten am Werk. Breiter angelegte Statistiken gab es bislang nicht. Die Oppositionsnacht vom 5.1.2014 hat gezeigt, dass in dieser optimalen Nacht wohl jeder Beobachter mit
durchschnittlicher Sehschärfe und Beobachtungserfahrung an einen dunklen Beobachtungsort hätte erfolgreich sein können. Eine Hauskante wäre dazu aber notwendig gewesen. Positive Sichtungen ohne Ausblendung gab es nicht.
Literaturhinweise und Internetlinks: (Stand: Januar 2014)
[1] http://en.wikipedia.org/wiki/ Opposition_surge
[2] HORIZONS-Web-Interface: http:// ssd.jpl.nasa.gov/horizons.cgi
[3] D. Dutton: "Naked-Eye Observations
of Jupiter's Moons", Sky&Telescope, Dec. 1976, 482, http://denisdutton. com/jupiter_moons.htm
Weitere Hinweise zum Thema: - Homepage des Autors: www.
astrode.de/oppositionseffekte.htm - A. P. Lane: "Monochromatic
phase curves and albedos for the lunar disk", http://articles.adsabs. harvard.edu//full/1973AJ.....78..26 7L/0000274.000.html
Jupiter, aufgenommen von der Fachgruppe Astrofotografie
von Peter Riepe
Das letzte VdS-Journal für Astronomie Nr. 49 hatte die Videoastronomie als Schwerpunktthema. In einigen schönen Beiträgen wurden Theorie und Praxis der Sonnen-, Mond- und Planetenfotografie mittels Video behandelt. Es wurde deutlich, dass mit Hilfe moderner Videokameras und passender Software inzwischen extrem gute Ergebnisse möglich sind.
In diesem kleinen Bildbericht werden einige hervorragende Bilder des Planeten Jupiter gezeigt, die drei Astrofotografen aus der Niederrhein-Runde in der letzten Zeit gelungen sind. Ohne Zweifel ist mit der Planetenfotografie mittlerweile ein zusätzliches astrofotografisches Arbeitsgebiet entstanden, das hohe Ansprüche mit preiswerter Technik vereint und zudem auch eine gute Ergänzung zur DeepSky-Fotografie bietet. Schauen Sie an, was auf Jupiter und um den Riesenplaneten herum sichtbar wird. Wer in dieses Thema einsteigen möchte: Bitte noch einmal das Journal Nr. 49 lesen!
Hier die Anmerkungen zu den einzelnen Aufnahmen im Tableau Seite 83.
Oben links: Jupiter am 26.11.2013 um 01:20 Uhr UT. Bereits visuell konnte man erkennen, dass das Seeing gut ist. Mit einem Celestron 11 wurde mittels 2-facher Bar-
lowlinse die effektive Brennweite auf 5.600 mm verlängert. Als Kamera wurde die ASI1200MM verwendet und mit Baader-Filtern ein RGB-Bild erstellt. Für die Luminanz wurde ein über 10 Minuten derotiertes Rotbild verwendet. Autor: Michael Kunze.
Oben rechts: Jupiter am 22.01.2014 um 20:15 Uhr UT mit Schatten von Io. Bilddaten wie Bild oben links. Autor: Michael Kunze.
Mitte links: Jupiter am 21.02.2014 um 20:44 Uhr UT. Bilddaten wie Bild oben links. Autor: Michael Kunze.
Mitte rechts: Jupiter mit Io am 29.01.2014 um 20:53 Uhr UT. Das Seeing war recht gut, aber als solches nicht zu erkennen, da die unteren Luftströmungen recht stark waren. Das Bild zappelte, war aber scharf, denn der Jetstream war mit 5 m/s fast eingeschlafen. Teleskop war ein Celestron 11 mit 2-fachem Telekonverter bei einer Effektivbrennweite von etwa 8.000 mm. Zuerst wurde ein 90-sekündiges Video (ca. 2.500 Einzelbilder) für die Farbe mit einer DBK 21AU04 aufgenommen. Danach entstanden 10 Filme zu je 90 s mit einer DMK 21AU618 durch einen roten Kantenfilter, der im IR abschneidet (Baader). Ein weiterer Farbfilm folgte. Jeder
Film wurde einzeln bearbeitet und mithilfe von Derotation (WinJupos) überlagert. Io wurde mit denselben Parametern bearbeitet, die Ausschnitte noch einmal einzeln gestackt und eingefügt. Autor: Ralf Burkart-Kreuels.
Unten links: Jupiter am 22.02.2014 um 21:17 Uhr UT mit Europa, Ganymed und Kallisto. Io ist noch hinter dem Planeten verborgen. Daten wie Bild unten rechts. Autor: Jens Leich
Unten rechts: Jupiter mit Io und Kallisto am selben Tag wie Bild unten links, 30 min später. Aufnahmeort: SOL-Sternwarte WiehlMarienhagen. Teleskop war ein Apochromat (Astro-Physics Starfire) von 130 mm Öffnung und 838 mm Brennweite, verlängert mit Baader-FFC auf ca. 5.000 mm. Montierung: AP Mach1-GTO. Mit einer DMK 21AU618.AS von TIS und RGB-Filtern (Baader) entstanden avifiles von 2.402 Einzelbildern (R), 1.201 (G) und 1.162 (B). Jedes Einzelbild wurde belichtet: 14,6 ms (R), 19,9 ms (G) und 22,7 ms (B). Gamma = 100, Verstärkung = 865. Als Software kam zum Einsatz: FireCapture 2.3 Beta 15, dazu AutoStakkert 2.3.0.8. Autor: Jens Leich.
VdS-Journal Nr. 50
Planeten
83
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84 Sonne
Sonnenfinsternis
November 2013 in Uganda
von Silvia Otto
1 Von unserer Lodge im Murchison-
Falls-Nationalpark hatten wir einen herrlichen Blick auf den Nil.
Ende Oktober ging es früh morgens los von Frankfurt nach Entebbe in Uganda, ein für mich bis dahin eher exotisches Reiseziel. Die örtlichen Zeitungen berichteten ausführlich über die bevorstehende Sonnenfinsternis und die erwarteten Besucher aus aller Welt. Zum Eingewöhnen an die wärmeren Temperaturen blieben wir einen Tag in Entebbe und fuhren über den Äquator zu Ngamba Island, einer Insel im Lake Victoria. Dort besuchten wir eine Schimpansenkolonie. Am nächsten Morgen ging es in Richtung Nordwesten zum Murchison-Falls-Nationalpark mit
einem Stopp bei Nashörnern, die es nur in diesem Park zu sehen gibt. Von unserer Lodge hatten wir einen herrlichen Blick auf den Nil.
Der nächste Tag begann wie die Tage davor mit blauem Himmel. Im Lauf des Tages bauten sich die Wolken auf. Wir brachen zu unserem Beobachtungsort auf. Viele Menschen wanderten zu Fuß zu den Beobachtungsorten. Wir sahen sogar die Fahrzeugkolonne des Präsidenten, der auch zur Sonnenfinsternis aufgebrochen war. Unser Beobachtungsort lag
nicht weit weg von der Straße. Mit der Zeit wurde es merklich kühler und die Wolkentürme fielen tatsächlich zusammen. Eine dunkle Wolkenfront machte uns etwas Sorgen. Aber wir hatten Glück und konnten die Totalität durch dünne Wolken beobachten. Die 17 Sekunden Totalität waren allerdings sehr kurz. Der Brillantringeffekt war zum Beginn und Ende der Finsternis zu sehen. Im Fernglas waren Protuberanzen sichtbar.
Am nächsten Tag fuhren wir durch den Murchison-Falls-Nationalpark. Bei einer
2 Die 17 Sekunden Totalität waren allerdings sehr kurz. Aufnahme mit Canon EOS 5D Mark II, 1/25 s, Blende 4,5, ISO 640,
Brennweite 24 mm.
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Sonne 85
Bootsfahrt auf dem Nil konnten wir viele Flusspferde und Krokodile beobachten und den Wasserfall sehen. Im Kibale Forest wanderten wir quer durch den Urwald zu Schimpansen. Eine Familie turnte recht hoch in einem Baum, einen Schimpansen konnten wir aus der Nähe beobachten.
Im Queen-Elizabeth-Nationalpark waren die Höhepunkte schlafende Löwen im Baum sowie eine Bootsfahrt auf dem Kazinga-Channel, der Lake Edward und Lake George miteinander verbindet, wo wir viele Flusspferde, Vögel und Krokodile sehen konnten.
Ein weiterer Höhepunkt folgte mit der Wanderung durch den Urwald zu den Gorillas im Bwindi-Impenetrable-Nationalpark. Nach 2 Stunden Fahrt über 20 km und 1.000 Höhenmeter erreichten wir die Station, von der aus der Besuch der
Gorillafamilie startete. Auf über 2.000 m Höhe ging unsere Wanderung steil bergab quer durch den Urwald. Eine Stunde durften wir die Familie begleiten und hatten Glück, den Nachwuchs zu Gesicht zu bekommen.
Zum Abschluss der Reise waren wir noch im Mburo-Nationalpark. Die Fahrt auf dem gleichnamigen See war sehr aufregend, da wir den Flusspferden sehr nahe kamen. Am nächsten Morgen wanderten wir zum Sonnenaufgang durch den Park und konnten noch Paviane auf der Jagd, Büffel, Zebras und Antilopen sehen. Auf dem Weg zurück nach Entebbe überquerten wir nochmal den Äquator. Insgesamt war es eine tolle Reise.
3 Im Fernglas waren Protuberanzen
sichtbar. Aufnahme mit Canon EOS 50D, 1/500 s, Blende 5,6, ISO 1.600, Brennweite 400 mm.
4 Auf der Wanderung durch den Urwald zu den Gorillas im
Bwindi-Impenetrable-Nationalpark
5 Eine Stunde durften wir die Gorillafamilie begleiten und
hatten Glück, den Nachwuchs zu Gesicht zu bekommen.
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Spektroskopie
Fische, Forschung, Georges Lemaître
von Thomas Eversberg
Ich wusste, was mich erwartet. Ich wusste, dass ich deprimiert auf dem Berg ankommen würde. Doch ich musste da durch! Ich spreche von den Supermärkten der Atlantikinsel Teneriffa und ihren Fischtheken, die mir auf dem Weg zum Observatorium nicht erspart blieben. Angesichts des seekulinarischen Angebots in Deutschland ist die Fischtheke jedes kanarischen Supermarktes ein Paradies - schon mal einen Bonito probiert? Und am Teleskop auf dem Teide gab es nur eine Mikrowelle ... Voller Verzweiflung erstand ich eine Konserve Sardinen in Olivenöl und machte mich mit meinem dänischen Beobachtungspartner Knud
1 Auf dem Gelände des Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC) auf Teneriffa
in 2.400 m Höhe
Die provisorischen Relativzahlen des SONNE-Netzes 2. Halbjahr 2014
von Andreas Bulling
Tag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 Mittel
Juli 59 83 84 86 83 92 101 89 80 65 58 51 33 43 52 52 55 76 64 45 43 41 57 54 60 52 52 51 73 64 71 63,5
August 71 80 74 57 56 52 59 64 44 50 55 66 76 78 86 69 70 76 94 92
107 97 92 55 39 34 37 36 39 46 55 64,7
September 49 62 53 59 45 36 30 14 11 16 37 38 26 16 10 17 27 42 49 61 52 61 54 44 48 41 43 41 37 37 -
38,5
Oktober 36 49 52 57 41 33 55 65 78 77 95 81 91 87 77 73 100 110 96 77 103 83 102 93 94 86 104 109 108 99 93
80,8
November 83 67 84 94 86 100 107 89 77 75 78 106 111
130 132 124 120
93 75 63 59 49 46 49 28 29 57 71 59 72
- 80,4
Dezember 84 95 82 85 74 71 57 70 92
132 104 89 95 96 76 75 95 104
91 93 110 82 82 73 67 75 72 77 79 75 84 85,0
VdS-Journal Nr. 50
weiter auf den Weg 2 Kilometer höher, um mein seelisches Gleichgewicht unter einem Seeing von 0,4 Bogensekunden zurückzuerlangen.
Die Zusammenarbeit zwischen Profis und Amateuren (ProAm) bei spektroskopischen Untersuchungen massereicher Sterne ist schon beinahe ein fester Bestandteil der Aktivitäten innerhalb der VdS-Fachgruppe Spektroskopie. Schon 2009 hatten wir mit weltweit rund 30 Kolleginnen und Kollegen in einer knapp viermonatigen Kampagne am 50-cmTeleskop des Teide-Observatoriums erfolgreich den Doppelstern WR 140 untersucht [1, 2]. Zwei Jahre später war ich dann an einer neuen einwöchigen Kampagne über den Be-Stern Delta Scorpii beteiligt, den eine ProAm-Gruppe am 80-cm-Teide-Teleskop IAC 80 untersuchte. Allerdings konnte ich damals nicht vor Ort sein, sondern nahm zu dieser Zeit an einer Profikonferenz über massereiche Sterne in Kanada teil. Während eines abendlichen Konferenzgesprächs mit den dortigen Kollegen machte ich klar, dass ich als selbstzahlender Amateur keinesfalls ohne eine neue ProAm-Kampagne nach Hause fliegen würde - wäre ja noch schöner! Wir setzten uns also zu Fünft am folgenden Abend zu Bier und Brainstorming zusammen und entwickelten die Idee, die drei von den Messieurs Charles Wolf und Georges Rayet entdeckten und daher nach ihnen benannten ersten Wolf-Rayet-Sterne WR 134, WR 135 und WR 137 genauer zu untersuchen.
Spektroskopie
87
Wolf-Rayet-Sterne (WR-Sterne) gehören zur Gruppe massereicher Sterne. Diese Sterne beginnen ihre Entwicklung auf der Hauptreihe mit über 8 Sonnenmassen und enden als Supernovae. Sie liefern bei der internen Elementsynthese trotz ihrer relativen Seltenheit gegenüber normalen Hauptreihensternen den Löwenanteil schwerer Elemente im Universum und verfüttern diese Spezies in Form starker Sternwinde an das interstellare Medium. Außerdem dominieren massereiche Sterne das Strahlungsfeld jeder Galaxis. Beobachtet man Galaxien, so sieht man zuerst solche Biester. Am Ende ihrer Entwicklung vor der finalen Supernova durchlaufen die massereichsten Sterne (mehr als 25 Sonnenmassen zu Beginn ihres Lebens) eine besondere Phase. Nachdem ihr Wasserstoffreservoir aufgebraucht ist, zündet Helium (die ,,Asche" des Wasserstoffs) in ihrem inneren Kern. Wegen der inneren Kontraktion und damit einhergehender höherer Temperatur wird der Stern kompakter und kann damit Helium verbrennen. Außerdem werden die äußeren und weniger dichten Schichten durch von der Sternstrahlung angetriebenen sehr starken Sternwind abgestoßen.
Genau diesen Zustand beobachteten Wolf & Rayet, als sie die neue Sternklasse entdeckten. Diese evolutionäre Phase im Leben eines massereichen Sterns ist so kurz, das man nur wenige hundert Wolf-Rayet-Sterne in unserer Galaxis findet. Das besondere Merkmal von Wolf-Rayet-Sternen ist ein äußerst starker und optisch dichter Sternwind, der erst in einer Distanz von rund 2 Sternradien durchsichtig wird und rund eine Milliarde Mal stärker ist als bei unserer Sonne. Die Oberfläche des Sterns ist also nicht sichtbar und daher können WRSterne auch nicht mit dem HertzsprungRussell-Diagramm über die Effektivtemperatur der Photosphäre klassifiziert werden. Abhängig von unterschiedlichen theoretischen Modellen werden Effektivtemperaturen von 30.000 bis 150.000 K vermutet. Für unsere geplante Kampagne war dabei relevant, dass Wolf-RayetWinde nicht glatt und ungestört radial nach außen strömen, sondern komplexe Strukturen zeigen. Diese sind a) stochastische Turbulenzen, die sich in Windklumpen höherer Dichte manifestieren und b) spiralähnliche Strukturen, die mit
dem darunterliegenden Stern mitrotieren. Letztere wurden schon bei der Sonne beobachtet und verweisen auf Störungen an der Windbasis, die sich beim Abströmen bis oberhalb des optisch dichten Windes zeigen.
a) Die klumpige Struktur in den Winden massereicher Sterne reflektiert wahrscheinlich Multi-Skalen-Turbulenzen. Das heißt, wenige große turbulente Wirbel direkt über der unsichtbaren Photosphäre bewegen sich nach außen und werden kaskadenartig kleiner, bevor die Energie aus dem Wind in das interstellare Medium abgeführt wird. Allerdings erfordern Turbulenzen einen Treiber. Bei Sternen werden Instabilitäten entweder von der Sternstrahlung induziert oder von zufälligen Konvektionsbewegungen an der stellaren Oberfläche. Seit etwa zwei Jahrzehnten kämpfen Astronomen mit nur mäßigem Erfolg um das Verständnis von Windklumpen. Wir wissen immer noch nicht, wie Klumpen korrekt quantifiziert werden können. Das ist insofern problematisch, da Klumpen einen wichtigen Einfluss auf die entsprechenden Massenverlustraten ausüben und somit entscheidend sind für das Verständnis der evolutionären Entwicklung massereicher Sterne.
b) Da wir im Gegensatz zu gewöhnlichen Sternen die Oberfläche (Photosphäre) bei WR-Sternen wegen des optisch dicken Windes nicht sehen können, braucht man eine ,,Sonde", die bis zur Oberfläche reicht, um Informationen zur Sternrotation zu erhalten. Im vorliegenden Fall sind dies sog. ,,Corotating Interaction Regions" (CIR), also ,,mitrotierende, wechselwirkende Regionen". Es handelt sich um die schon angesprochenen spiralähnlichen Strukturen, die mit dem darunterliegenden Stern mitrotieren. Windmaterial einer bestimmten Geschwindigkeit
2
Hubble-Space-TelescopeAufnahme eines stochastisch geklumpten WR-Windes in großer Distanz vom Stern (NASA/STScI)
wird von einer lokalen äquatorialen Region an der Sternoberfläche mit einer bestimmten Geschwindigkeit abgestoßen (typischerweise 2.000 km/s) und von schnellerem Windmaterial einer anderen Region anderer ,,geografischer" Länge auf dem Weg nach außen eingeholt und durch Überschallschocks verdichtet. Die Untersuchung der Rotation ist insofern wichtig, da sie einen direkten Einfluss auf die Sternevolution hat. Man nimmt an, dass schnelle Rotatoren die Vorläufer von Gamma Ray Bursts sind, die bei einem Ausbruch heller leuchten als das gesamte restliche Universum.
3 Darstellung von vier Corotating
Interaction Regions (Dessart 2004, A&A 423, 693)
Man sollte sich vor Augen halten, dass solche Untersuchungen nur mit spektroskopischen Methoden möglich sind. Nur sie liefern uns Informationen über die dreidimensionale Struktur in direkter Sternnähe. Die variaben Windstrukturen sollten sich in zeitlichen Veränderungen der Emissionslinien widerspiegeln (vgl. Spektrum in Abb. 4). In der HST-Aufnahme (Abb. 2) hätte der zentrale Stern maßstabsgerecht die Größe eines Atoms. Abbildende Techniken für Informationen in direkter Sternnähe sind also hoffnungslos.
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Spektroskopie
4 Spektrum von WR 140 (L. Schanne, 2009)
oder Studentin, um diese für eine Masterarbeit oder Promotion zu nutzen.
Bei scharfer Kalkulation zahlt man für den Flug nach Teneriffa, einen Mietwagen sowie den zweiwöchigen Aufenthalt am Observatorium etwa 1.000 Euro. Das ist insbesondere für Schüler und Studenten viel Geld. Sie haben daher in Relation zum eigenen Einkommen mit Abstand die größten Unkosten. Allerdings ist für Verrückte wie uns ein Forschungsarbeitsaufenthalt an einem Profiobservatorium offenbar Grund genug, an anderen Stellen zu sparen als an der Leidenschaft. Über allem schwebt das Ziel, Freude in einem internationalen Team Gleichgesinnter zu haben, neue Erfahrungen zu sammeln und die Ergebnisse in einem Profijournal zu veröffentlichen, wobei alle Beteiligten als Koautoren zeichnen. Letzteres ist besonders für unsere jüngsten Mitstreiter attraktiv. Welcher Schüler hat schon eine
Das war also unsere Forschungsidee in kleiner Runde, und im Laufe unseres kanadischen Abends wuchs die Zahl leerer Flaschen bis zum Morgen - aber auch die Gruppe interessierter Astronomen. An unserem Tisch war etwas los, wir hatten Spaß! Und das merkten Kollegen aus verschiedenen Ländern. Kurz, am Ende waren wir rund 15 Leute aus drei Kontinenten, die bei diesen sehr genauen Untersuchungen dabei sein wollten. ,,Genau" heißt hier: hoher Kontrast und hohe spektrale Auflösung. Und vor allem über einen langen Zeitraum und an verschiedenen Observatorien weltweit. Mit dieser Idee und unserer am Instituto Astrofisica de Canarias (IAC) bekanntermaßen erfolgreichen Teide-Kampagne 2009 stellten wir einen neuen Beobachtungsantrag für 4 Monate und 9 Beobachtungsteams am IAC 80 auf Teneriffa. Nach einigen Onlinerückfragen, aber auch Vortrag und Diskussion vor Ort auf Teneriffa, wurde unser Antrag bewilligt!
Professionelle Astronomen, denen ich diese Story erzähle, sind nicht wenig irritiert über unseren erfolgreichen Antrag - wer bekommt schon bitteschön vier Monate Beobachtungszeit an einem Profiobservatorium der 1. Liga? Allerdings besitzen unsere professionellen Kampagnenpartner ein außerordentliches Renommee und unsere diszipliniert
VdS-Journal Nr. 50
5 IAC 80 und Teide (Gerrit Grutzeck)
durchgeführten früheren Teide-Kampagnen inklusive mehrerer Publikationen haben wohl auch nicht geschadet. Man liest halt mit. Unsere bewährte Strategie: Die Profis unterstützen uns bei der wissenschaftlichen Hintergrundarbeit und diskutieren mit uns mögliche Untersuchungen, die nur in längeren Zeiträumen und damit an kleinen Teleskopen bis 1 Meter Öffnung möglich sind. Ein kleines ProAm-Team schreibt den Teleskopantrag und alle Amateurbeobachter zahlen ihren Aufenthalt aus eigener Tasche. Im Gegenzug liefert das Beobachterteam alle gewonnenen Daten an eine(n) Studenten
internationale und von Wissenschaftlern geprüfte Forschungspublikation auf dem Kerbholz?
Nach der Beobachtungszusage ging die wirkliche Arbeit für die Fachgruppe allerdings erst richtig los. Dazu gehörten die Zusammenstellung verschiedener Teams (im vorliegenden Fall 28 Kolleginnen und Kollegen aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Portugal und Spanien), die Buchung der Zimmer auf dem Berg und weitere administrative Dinge (Flüge, Mietwagen, Infos zur Unterkunft etc.). Außerdem koordinierten wir Ama-
Spektroskopie
89
teurbeobachtungen in England, Holland, Frankreich, der Schweiz, Kanada, den USA, China und Australien. Parallel dazu riefen wir in der professionellen Community zu weiteren Beobachtungen auf, was in einer Mailingliste von über 80 (!) Profis und Amateuren endete. Unter anderem erhielten wir Beobachtungszeit für fotometrische Messungen mit dem kanadisch/österreichischen MOST-Satelliten. Das wahre Highlight: Wir erhielten zwei Nächte am 10-Meter-Keck-Teleskop am Mauna Kea auf Hawaii. Boing!
Entscheidend für den Erfolg einer Beobachtungskampagne ist die Installation des spektroskopischen Instrumentariums durch das erste Team. Alle weiteren Gruppen können dann dieses Setup übernehmen und routinemäßig damit arbeiten. Dies sah so aus, dass ein privater Spektrograf an das Teleskop angeschlossen wurde und während der gesamten Kampagne nicht mehr manipuliert werden durfte. Zur Übergabe der Arbeit von Team zu Team haben wir jeweils eine überlappende Nacht eingerichtet. Das erschien zunächst etwas knapp, war die Kontrolleinheit des Teleskops doch recht komplex. Doch vor Ort löste sich diese Befürchtung in Luft auf, und nach jeweils drei Stunden hatten alle Neuankömmlinge die Prozeduren im Griff. Begeisterte Leute muss man eben haben!
Im Gegensatz zur Planung einer kurzen Beobachtungskampagne muss man bei einer viermonatigen Messung die Zielephemeriden besonders im Auge behalten und womöglich zusätzliche Ziele anvisieren, um die Teleskopzeit optimal zu nutzen. Wir hatten wegen der unterschiedlichen Sichtbarkeitszeiten unserer WR-Sterne daher noch sekundäre Ziele in unser Programm aufgenommen. Dazu gehörte auch die spontane Beobachtung einer Zwergnova sowie einer klassischen Nova, die plötzlich aufleuchteten. Die Daten der Nova lieferten wir an eine ebenfalls entsprechende weltweite ProAm-Kampagne - in der spektroskopischen Amateurszene ist was los.
Unsere Routine wurde zwar durch ein paar bewölkte Nächte, aber auch von einigen technischen Problemen unterbrochen. Letztere wurden jedoch von den uns unterstützenden exzellenten IACTechnikern und -Nachtassistenten gelöst.
6 Installation des Spektrografen durch Daniel Weiss und Berthold Stober von
Team 1 (Lothar Schanne)
Ulrich Waldschläger hat zwei Zeitraffer einer Nacht am Teide-Observatorium erstellt. Sie können unter [3, 4] abgerufen werden.
Trotz Routine erlebten alle Teams verschiedene Überraschungen auf dem Berg. Diese waren u. a. eine private Führung am Sonnenteleskop GREGOR sowie die Lieferung frischer Törtchen aus Lissabon vom Folgeteam. Während unseres eigenen Aufenthalts entdeckten Knud und ich einen Spektroskopie-Neuling im Internetforum, der auf Teneriffa lebt. Der erhielt natürlich sofort eine Einla-
dung auf den Berg, brachte am nächsten Abend dann Kekse mit und entpuppte sich als überaus freundlicher und wissenschaftsbegeisteter Theologe - ich dachte, wir haben Georges Lemaître bei uns.
Immer wieder werde ich gefragt, was an solch einer Kampagne die wahre Herausforderung ist. Aus meiner persönlichen Sicht sind das drei Dinge: Als Teilnehmer an einer professionellen Kampagne muss man bereit sein, allen Mitstreitern Vertrauen in die jeweilige Kompetenz entgegenzubringen. Da der Beobachtungsbetrieb im Wesentlichen
7
Team 3 (Schüler und Studenten) in Aktion. v.l.n.r.: Daniel Küsters, Dennis Fuchs, Gerrit Grutzeck
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Spektroskopie
aus Standardprozeduren besteht, spielen spektroskopische Fachkenntnisse nur eine nachgeordnete Rolle. Vielmehr orientiert sich professionelle Arbeit hier eher an der Bereitschaft, besondere Anforderungen zu akzeptieren. Diese sind der geringe Spielraum für eigene Wünsche (man kann das Teleskop nicht allein lassen, um Deep-Sky-Aufnahmen zu machen), sich wiederholende Prozeduren (der Ort ist spektakulär, nicht aber die Arbeit am Computer) und die Fähigkeit, das gesamte Team im Blick zu haben (vor Ort repräsentiert man die ganze Gruppe). Erfolge werden geteilt, Misserfolge aber ebenfalls.
Als Organisator sollte man sich über den Arbeitsaufwand im Klaren sein. Sicherlich sind Reisen nach Nordamerika und Spanien, wie im vorliegenden Fall, nicht zwangsläufig nötig. Doch deutlich über 1.000 E-Mails reflektieren den Zeitaufwand ganz gut. Als Verantwortlicher für die ganze Gruppe gehen außerdem alle Probleme auf das persönliche Konto. Wenn man in einem internationalen
Team arbeitet, kommen potenziell nationale Eigenheiten ins Spiel, die in Dialogen (vor allem per E-Mail) berücksichtigt werden sollten. Profis sind mit nationalen Unterschieden aus täglicher Erfahrung vertraut. Amateure müssen das in der Regel erst lernen. Daher empfiehlt sich die obligatorische Teilnahme an einem Vorbereitungstreffen für alle Beobachter.
Man mag sich fragen, ob solch ein Aufwand für Amateurastronomen noch angemessen ist. Die Beteiligten unserer Kampagne bejahen diese Frage offenbar, hätten sie sonst eigene Zeit, Arbeit und nicht zuletzt Geld investiert? Ich persönlich ziehe meine Kraft aus den glänzenden Gesichtern vieler Beteiligter auf dem Berg. Sie spiegeln ganz außergewöhnliche Erfahrungen wider, die die meisten als spektakulären Bestandteil ihrer astronomischen Leidenschaft ansehen. Last but not least: Ein Urlaub im FischthekenParadies ist auch nicht schlecht ...
Danksagung
Diesen Bericht habe ich stellvertretend für das gesamte ProAm-Teide-Team geschrieben. Mein Dank gilt daher allen Kolleginnen und Kollegen, die sich für unsere Arbeit eingesetzt haben und ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre. Dies gilt insbesondere für Berthold Stober, der uns seinen wertvollen Spektrografen zur Verfügung stellte, sowie für das gesamte IAC-Team auf Teneriffa (Alex Oscoz, Johan Knapen und alle Techniker & Nachtassistenten). Mein besonderer Dank geht jedoch an unsere jungen Schüler und Studenten, die mit ihrer unspektakulären und gelassenen Art beispielhaft am Teleskop gearbeitet haben.
Literatur- und Internethinweise: [1] Sterne und Weltraum 12/2009 [2] Sterne und Weltraum 1/2013 [3] www.stsci.de/qr/Teide.wmv [4] www.stsci.de/qr/Teide_Dome.wmv
Die Auswertung spektroskopischer CCD-Aufnahmen
- Prinzipien der Datenreduktion
von Lothar Schanne
- Teil 1 -
Die Aufnahmetechnik von Spektren von Himmelsobjekten ähnelt der normalen Deep-Sky-Fotografie. Man bildet die Licht emittierenden Objekte (Sterne, Nebel, Galaxien, etc.) auf einen CCD-Chip ab, wobei allerdings in den Strahlengang ein dispergierendes optisches Element eingefügt ist, das man in Kombination mit weiteren Elementen und der CCD-Kamera ,,Spektrograf" nennt. Im einfachsten Fall ist das ein einfaches Transmissionsgitter (,,Staranalyzer") mit niedriger Dispersion. Früher hat man auch Objektivprismen vor der Teleskopöffnung verwendet. Heute ist der im Normalfall verwendete Spektrograf ein an das Teleskop angepasstes optisches System, das aus der sonst punktförmigen Abbildung eines Sterns durch die Zerlegung des Lichts
1 Unkorrigiertes CCD-Image mit dem Spektrumstreifen von eps Aur. Die beiden
Fraunhofer-Linien Na D sind deutlich in Absorption erkennbar.
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Spektroskopie
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in die unterschiedlichen Wellenlängen in Dispersionsrichtung einen Strich erzeugt (Spektrumstreifen, vgl. Abb. 1). Die Breite des Streifens wird durch die üblichen Einflüsse definiert: Seeing, Abbildungsfehler, Fokussierung. Die Länge des Streifens ist bestimmt durch die Dispersion (Ångström/mm) des dispergierenden Elements des Spektrografen (Gitter, Prisma) und die Abbildungseigenschaften der Spektrografenoptik (Abbildungsmaßstab). Einen Überblick über den Aufbau und Selbstbau von Spektrografen findet der Leser in [1].
Wie in der normalen Himmelsfotografie müssen die CCD-Aufnahmen des Spektrums um verschiedene Einflüsse korrigiert werden: Dunkelstrom, Cosmics, heiße und kalte Pixel, Schatten durch Staub usw. Zusätzlich wird das Objektlicht durch die Erdatmosphäre verändert: Blaues Licht wird stärker gestreut, der Stern also ,,gerötet", abhängig von seiner Höhe über dem Horizont. Wasser- und Sauerstoffmoleküle in der Luft absorbieren einen Teil des Sternlichts. Diese Absorptionsbanden und scharfen Absorptionslinien nennt man terrestrische Linien. Der Korrektur dieser Fremdeinflüsse kommt in der Spektroskopie eine große Bedeutung zu, denn die Spektren sollen möglichst fehlerfreie, quantitative Messungen des Objektlichts sein. Es geht hier nicht um Ästhetik, sondern um die lineare Abbildung des wellenlängenabhängigen Lichtflusses des Objekts auf ein Spektrum (vgl. Abb. 2), befreit von allen zufälligen und systematischen Fremdeinflüssen, soweit sie eliminierbar oder zumindest korrigierbar sind. Das Spektrum ist eine Auftragung des relativen oder absoluten Lichtflusses des Objekts gegen die Wellenlänge.
Noch ein Wort zu den geeigneten CCDKameras. In der Spektroskopie werden vorzugsweise monochrome CCDs (schwarzweiß) benutzt. Farb-CCDs besitzen eine Bayer-Matrix, welche im blauen und roten Bereich integral etwa 75 % und im grünen Wellenlängenbereich 50 % des auf das CCD fallenden Lichts absorbiert. Diese Lichtverschwendung kann man sich beim Spektroskopieren nur bei hellen Objekten leisten.
Die Spektrumaufnahmen Wegen der Streckung des punktförmigen Sternbilds zu einem langen Strich (Spek-
2 Normiertes Spektrum von P Cyg im Bereich 5.700 bis 6.020 Ångström
trumstreifen) wird die Flächendichte des Lichts auf dem CCD im Vergleich zur Fotografie (Dispersion = 0) erheblich ,,verdünnt". Deshalb müssen generell Spektrumaufnahmen viel länger belichtet werden als normale Sternfotos. Für einen Stern der Größenklasse 7 mag benötigt man mit einem Spektrografen mit einer Auflösung von R = 20.000 und Teleskopen mit einer Öffnung von 10 bis 14 Zoll typischerweise ein bis zwei Stunden Belichtungszeit. Dies setzt eine gute Montierung und eine ausgefeilte Nachführtechnik voraus, denn das Sternbild im Fokus des Teleskops muss während der gesamten Belichtungszeit exakt auf dem Spektrografenspalt (oder bei spaltlosen Spektrografen an der gleichen Stelle des Bildfelds) gehalten werden.
Erfahrungsgemäß sind die Belichtungszeiten der einzelnen Aufnahmen unter 20 min zu halten, da sonst Cosmics auf dem Spektrumstreifen immer häufiger werden, welche umständlich zu korrigierende Fehler in das Spektrum einbringen. Die Gesamtbelichtungszeit wird zweckmäßigerweise in gleich lang belichtete Einzelaufnahmen von maximal 20 min aufgeteilt: man erstellt eine Aufnahmeserie. Bei hellen Objekten stellt sich dieses Problem natürlich nicht, weil dann kürzere Belichtungszeiten möglich werden.
Wie lange belichtet werden muss, ist auch eine Frage der für die Spektreninterpretation erforderlichen Genauigkeit (tolerierbarer Messfehler). Der Fluss be-
steht aus einzelnen Photonen, die einer Statistik unterliegen. Grob kann man sagen, dass der mittlere Fehler der gemessenen Intensität eines Pixels gleich der Wurzel aus der Anzahl der registrierten Photonen (= Elektronen) ist. Will man 1 % Genauigkeit erreichen, müssen pro Pixel rund 10.000 Photonen registriert werden. Für eine weitergehende Einführung siehe [2].
Was ist in den Spektrumaufnahmen alles enthalten? Zuerst einmal der Spektrumstreifen, aus dem Objektlicht erzeugt, wie es das CCD erreicht. Auf dem Weg vom Objekt durch den Raum bis zum CCD wird das ursprüngliche Licht des Objekts bereits modifiziert: Interstellare Materie (ISM) erzeugt spezifische Absorptionsbanden (Staub, Natrium) oder auch Emissionen (z. B. H oder verbotene Linien aus Emissionsnebeln), die Erdatmosphäre prägt ihre terrestrischen Absorptionen auf (Wasserlinien, O2-Banden) und streut das Licht an Molekülen und Partikeln. Das gemessene Spektrum ist also ein modifiziertes und kein absolutes Spektrum des ursprünglich emittierten oder reflektierten Lichts des Beobachtungsobjekts. Einige dieser Einflüsse lassen sich näherungsweise korrigieren, z. B. die terrestrischen Linien.
Zu diesen direkten (unvermeidlichen) Effekten auf das Objektlicht kommen noch die apparativen Einflüsse, welche den Spektrumstreifen modifizieren und als Störsignale aufgefasst werden können.
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Spektroskopie
Dies sind vor allem die Unzulänglichkeiten des CCD und seiner peripheren Elektronik.
Bias Jede CCD-Aufnahme enthält kameraspezifisch in jedem Pixel ein konstantes Mindestniveau an Signal, das aus technischen Gründen beim Auslesen der Pixel erzeugt wird, damit kein Pixel zufällig einen Wert unter Null annehmen kann. Dieser Signalsockel, genannt Bias, muss aus den Spektrumaufnahmen entfernt werden. Er wird gemessen durch Aufnahmen ohne Lichteinfall (geschlossener Verschluss) bei möglichst kurzer Belichtungszeit (< 1 s). In den Bias-Aufnahmen (im Folgenden einfach Bias genannt) sollten alle Pixel etwa den gleichen Wert aufweisen. Die Standardabweichung des Bias-Wertes der Pixel sollte möglichst gering sein. Bei meiner CCD-Kamera (Sigma 1603 ME) beträgt diese Streuung um den Bias-Mittelwert von 1.313 ADU ca. +-7,5 ADU. Dies ist ein wichtiges Qualitätskriterium der jeweiligen Kamera. Es sollten auch keine Pixel dramatisch aus der Reihe fallen, die Verteilung der ADU der Pixelmatrix in einem Histogramm etwa gaußkurvenförmiges Profil haben (Abb. 3). Das Bias ist bei der Datenreduktion aus den Sternspektrenaufnahmen durch einfache Subtraktion eliminierbar.
Dunkelstrom Jedes Pixel produziert durch thermisches Rauschen Elektronen, welche eingefallene Photonen (Licht vom Objekt) vortäuschen. Diese Dunkelstromrate in Elektronen/s ist stark temperaturabhängig. Um sie möglichst klein zu halten, wird der CCD-Chip bei den für astronomische Zwecke hergestellten CCD-Kameras gekühlt. Bei Amateurgeräten durch ein- oder zweistufige Peltierelemente (20 bis 50 Grad C unter Umgebungstemperatur), in professionellen Kameras mit flüssigem Stickstoff (-180 Grad C) oder vielstufigen Peltierelementen. Der in einer konkreten Aufnahme enthaltene Dunkelstrom ist proportional der Belichtungszeit und exponentiell von der Temperatur abhängig. Deshalb ist eine gute Temperaturregelung für den CCD-Chip wichtig (+-0,1 Grad C). Und die CCD-Kamera sollte auch im Sommer -20 Grad erreichen können (2 Peltierstufen). Die Güte der Temperaturregelung und die erreichbare Temperatur unter der Umgebungstemperatur sind
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3 Histogramm eines Bias, aufgenommen mit einer Sigma 1603 ME bei -30 Grad C
wichtige Qualitätskriterien der jeweiligen CCD-Kamera.
Nun ist die Dunkelstromrate nicht für alle Pixel gleich. Einige produzieren mit einer hohen Rate thermische Elektronen, sie werden ,,heiße Pixel" genannt. Sie sind im dunklen Hintergrund als ein(!)pixelige weiße Flecken sichtbar. Der Dunkelstrom der Pixel (auch der heißen Pixel) muss im Verlauf der Datenreduktion aus den Spektrumaufnahmen eliminiert werden.
Um den Dunkelstrom und das Bias aus den Spektrumaufnahmen durch Subtraktion entfernen zu können, werden ausreichend viele Darkimages mit der gleichen Belichtungszeit und der gleichen CCD-Temperatur wie beim Objektspektrum aufgenommen. Wie viele Darkaufnahmen nötig sind, ergibt sich aus statistischen Überlegungen [2]. Auf jeden Fall sollte die Standardabweichung des Mittelwerts der Darkserie (mittleres Dark) um ein Vielfaches geringer sein als der statistische Fehler des Mittelwerts der Spektrumaufnahmen im Bereich des Spektrumstreifens. Ansonsten werden durch die Korrekturen zusätzliche statistische Fehler in das Endergebnis, das Spektrum, eingeschleppt. Dies gilt für alle in der Datenreduktionsroutine verwendeten Korrekturaufnahmen. Dies ist umso wichtiger, je verrauschter die Spektrenaufnahmen sind, was insbesondere bei lichtschwachen Objekten vorkommt.
Ausleserauschen Beim Auslesen der Pixelinhalte durch die Elektronik der CCD-Kamera kommen noch weitere Rauscheffekte hinzu, die man Ausleserauschen nennt. Es ist deshalb sinnvoll, möglichst kleine Aufnahmeserien zu machen und dafür die Belichtungszeiten der Einzelaufnahmen zu verlängern, um die Anzahl der Auslesevorgänge zu minimieren.
Dabei muss allerdings ein Kompromiss gefunden werden, weil mit hoher Belichtungszeit die Anzahl der Cosmics und die Auswirkungen heißer Pixel zunehmen. Die besten Werte sind auszuprobieren. Nach meinen Erfahrungen sind 10 min ein guter Kompromiss.
Nach diesen grundsätzlichen Erwägungen ist auch einsichtig, warum es wichtig ist, den Spektrumstreifen möglichst schmal zu machen, also optimal zu fokussieren. Eine unscharfe Abbildung verbreitert den Spektrumstreifen, verteilt dadurch das zur Verfügung stehende Licht auf unnötig viele Pixelzeilen und verschlechtert somit die Photonenstatistik. Und jedes Pixel bringt in das Messergebnis, das Spektrum, dazu noch seine spezifischen statistischen Schwankungen ein, sei es durch Bias, Dunkelstrom oder Ausleserauschen.
Cosmics Auf der belichteten CCD-Fläche finden sich weitere Störkomponenten, die nicht
Spektroskopie
93
vom Sternlicht stammen. Die Cosmics (runde Flecken oder längliche weiße Streifen) werden erzeugt durch Partikelund weitere Arten von Strahlung. Sie sind zufällig verteilt und bei jeder CCDAufnahme anders. Sie unterscheiden sich von heißen Pixeln durch ihre Größe und ihre zufällige Lage auf dem Chip. Es sind meist viele Pixel von einem Cosmic betroffen (Abb. 4). Je länger die Belichtungszeit gewählt wird, desto mehr Cosmics werden wahrscheinlichkeitsbedingt vorhanden sein. In der spektroskopischen Praxis sind sie der Belichtungszeit begrenzende Faktor. Es dürfen innerhalb des Spektrumstreifens keine Cosmics enthalten sein. Sie verursachen Artefakte, die im ausgewerteten Spektrum wie Emissionslinien aussehen. Und sie sind nur aufwendig eliminierbar.
In Teil 2 dieses Beitrags werden weitere Störeffekte vorgestellt (Streulicht, Schmutzeffekte, Himmelshintergrund) und die Techniken zu ihrer Eliminierung behandelt. Danach wird die eigentliche Reduktion der zweidimensionalen korri-
4
Neben dem Spektrumstreifen von zet Tau (H-Emission im Streifen erkennbar) befindet sich eine besonders lange und intensive Spur (Cosmic), die aber den Spektrumstreifen nicht stört. Es sind noch weitere, runde Cosmics sichtbar.
gierten Spektrum-Summenaufnahme zu einem eindimensionalen Spektrum (vgl. Abb. 2) thematisiert.
Hinweise auf Internetlinks: [1] Homepage der Fachgruppe Spektro-
skopie in der VdS: http:// spektroskopie.fg-vds.de/, Menüpunkt ,,Spektrographen", Stand Januar 2014 [2] L. Schanne: www.astrospectroscopy. eu/Einsteiger/SN/SN.htm, Stand Januar 2014
Fotometrie und Spektroskopie
der Nova Delphini 2013
von Erik Wischnewski
Die Nova Delphini 2013 bot die günstige Gelegenheit, bei milden sommerlichen Temperaturen in den Abendstunden die Nova zu beobachten. Dabei ging es neben der Erstellung einer Lichtkurve vor allem darum, herauszufinden, welche wissenschaftlichen Ergebnisse mit einem optimal eingesetzten StarAnalyser100 erreicht werden können. Die vollständigen und ausführlich diskutierten Ergebnisse sind in [5] zusammengestellt und sollen hier in angemessener Kürzung präsentiert werden.
Lichtkurven - Belichtung: Zur Ermittlung der Lichtkurven in B, V und R wurde eine Canon EOS 60Da mit dem Teleobjektiv Canon EF 200 mm f/2,8L II USM verwendet. Die Belichtung erfolgte bei ISO 200-400 mit 5-10 s und Blende 2,8.
1 Canon EOS 60Da mit EF 200 mm f/2,8L auf einem 3D-Neigekopf an der
Deklinationsachse einer parallaktischen Montierung mit motorischer Nachführung
- Reduktion und Fehler: Die B- und V-Helligkeiten wurden durch Ausgleichsrechnung anhand von neun Vergleichssternen, für die Johnson-Hel-
ligkeiten vorlagen, ermittelt. Der mittlere Fehler der Einzelmessungen liegt für B bei 0,09 mag und für V bei 0,07 mag. Der mittlere Fehler der R-Helligkeit
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Spektroskopie
2 Instrumenteller Aufbau des Spektrografen mit Okularauszug, Verbindungsadapter
mit eingesetztem Gitter, Distanzhülse und DSLR-Kamera. Die Position des Gitters ist markiert. Die Projektionsdistanz beträgt 155 mm.
liegt bei 0,18 mag. Leider liegen hier nur fünf Vergleichshelligkeiten vor. Speziell bei Novae ist wegen der starken Linienemission eine Farbkalibrierung sehr problematisch; folglich wurde hierauf verzichtet.
Auffallend ist, von zwei Ausreißern nach unten abgesehen, dass die R-Helligkeit von RJD 526-534 konstant bleibt (Abb. 3). Außerdem scheint es um RJD 550 und bei RJD 560-570 Schwankungen zu geben, die vermutlich real sind. Die RHelligkeit wird hauptsächlich durch H bestimmt.
- Absolute Helligkeit: Aus der Lichtkurve für V lassen sich die Zeiten t2 (Helligkeit um 2 mag gefallen) und t3 (Helligkeit um 3 mag gefallen) ab-
3 Lichtkurven der Nova V339 Del, das Kreuz markiert das Ma-
ximum der scheinbaren visuellen Helligkeit (gemäß AAVSO), im Text wird RJD = JD-2456000 verwendet.
4 Spektrum der Nova V339 Del am 26.08.2013, 10 Tage nach
dem Maximum bei m = -3,1 mag (spektrale Auflösung = 13 Å). Die Intensität wurde auf 1 normiert und wird von H erreicht. Deutlich erkennbar sind neben der Balmerserie auch die FeII- und [OI]-Linien. Die Nova gehört damit zum Typ FeIINovae.
5 Vergleich der fotometrisch bestimmten V-Helligkeit und der
aus dem Spektrum integrierten Johnson-Helligkeit (Referenzstern: SAO 88610)
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6 Zeitliche Entwicklung der H-Äquivalentbreite
Spektroskopie
95
leiten. Laut AAVSO liegt das Maximum bei RJD 520,95 und V = 4,3 mag. Es ergeben sich t2 = 9 Tage und t3 = 21 Tage. Nach [1] ergibt sich aus t2 eine absolute visuelle Helligkeit Mv von (-8,46 +- 0,41) Mag. Nach [2] errechnet sich aus t3 ein Wert von Mv = -8,63 +- 0,73. Das gewichtete Mittel beträgt MV = -8,5 +- 0,4.
- Leuchtkraft und Radius: Die Leuchtkraft im Maximum wird auf LMax = (200.000 +- 80.000) Lo (1039 erg/s) geschätzt. Innerhalb der ersten neun Wochen wurden somit 1045 erg abgestrahlt. Der Leuchtkraft entspricht unter der Annahme einer effektiven Temperatur von 9.000 K [3] nach dem Stefan-BoltzmannGesetz ein maximaler Radius des Feuerballs von 184 Ro = 0,86 AE.
- Entfernung der Nova: Aus der absoluten und der scheinbaren visuellen Helligkeit ergibt sich unter Berücksichtigung der interstellaren Absorption von 0,55 mag [4] eine Entfernung der Nova von d = (2.900 +- 450) pc = (9.200 +- 1.400) Lj.
Spektren - Aufbau des Spektrografen: Zur Gewinnung der Spektren wurde das Blazegitter StarAnalyser mit 100 Linien/ mm spaltlos prefokal (wie ein Farbfilter) direkt in den Strahlengang eines 127 mm/950 mm-Apochromaten vor die Canon EOS 60Da (Pixelgröße = 4,3 µm) eingesetzt. Anfänglich betrug der Abstand Gitter-Sensor 139,5 mm, zum Schluss wurde er mittels optimierter Distanzhülsen auf 155 mm vergrößert. Damit erreichte ich eine lineare Dispersion von 3,1 Å/Pixel bzw. 2,8 Å/Pixel. Weil das Gitter spaltlos verwendet wird, bestimmt die Luftunruhe (Seeing) die spektrale Auflösung. Hinzu kommen weitere Effekte (z. B. durch das Stacking der Aufnahmen). Als Maß für die Auflösung wurde die Halbwertsbreite (FWHM in Pixel) der nullten Ordnung (auch als Stern bezeichnet) verwendet. Während der Messperiode wurden Werte von 10-21 Å (im Mittel 15 Å) erreicht.
- Belichtung der Spektren: Die Aufnahmen wurden vorzugsweise mit ISO 800 und 4 s belichtet, ab 03.09.2013 in einigen Fällen auch mit ISO 1.600 und 8-10 s. Es wurde versucht, die H-Linie ungesättigt zu halten, was
7 Korrelation zwischen V-Helligkeit und H-Äquivalentbreite
in drei Fällen (RJD 541, 542 und 549) nicht gelang (Überbelichtung erst nach Abbau entdeckt). Zur Reduzierung des Rauschens wurden anfänglich 40-60 Bilder addiert und ab 28.09.2013 sogar 80100 Aufnahmen.
- Kalibrierung der Wellenlänge Zur Kalibrierung wurde der F2-Stern SAO 88610, der sich neben der Nova auf allen Aufnahmen befand, verwendet. Es konnte in den meisten Fällen eine parabolische Kalibrierung durchgeführt werden. Es wurde versucht, die Zentralwellenlängen auszuwerten, um eine mögliche Radialgeschwindigkeit nachzuweisen. Leider reichte die spektrale Auflösung hierfür nicht aus. Zudem war der mittlere Fehler der Messungen größer als eine mögliche Radialgeschwindigkeit.
- Helligkeit: Mit Hilfe des eigenen Programms proMath wurden anhand hinterlegter JohnsonKennlinien die Intensitäten zu B-, V- und R-Helligkeiten integriert. Dabei weist die V-Helligkeit eine gute Korrelation (Steigung = 1,054, Korrelationskoeffizient = 0,9936) zur klassischen Fotometrie auf (Abb. 5).
- Äquivalentbreite: Die Helligkeit ist der Strahlungsfluss eines bestimmten Wellenlängenbereiches und errechnet sich als Integral der Intensität. Das gilt nicht nur für Farbbereiche wie B oder V, sondern auch für einzelne Linien wie H. Im Falle der Nova wird hier der Bereich 6505-6650 Å verwendet.
Normiert man diesen Linienfluss auf das Kontinuum im Bereich der Linie (IC = 1), so erhält man die Äquivalentbreite EW der H-Linie. Zum einen ist die zeitliche Entwicklung (Abb. 6) und zum anderen die Korrelation zur visuellen Helligkeit V (Abb. 7) interessant.
Dass die Kurven in den Abbildungen 6 und 7 ähnlich verlaufen, verwundert insofern nicht, als dass die Nova im Laufe der Zeit dunkler wird (im Postmaximum). Insofern ist eine Helligkeitsachse auch gleichzeitig eine Zeitachse und umgekehrt.
- Expansion: Ebenfalls konnte die Halbwertsbreite FWHM der H-Linie relativ gut gemessen werden. Diese gibt man üblicherweise nicht in Angström (Å), sondern in km/s an.
Bei einer spektralen Auflösung von 1021 Å ist also eine Geschwindigkeitsauflösung von ca. 500-1.000 km/s zu erwarten. Die Halbwertsbreite wurde mittels Gaußfit berechnet und von der instrumentenbedingten Linienverbreiterung bereinigt.
In der Abbildung 8 ist gut zu erkennen, wie die Expansion des HEmissionsgebietes langsamer wird. Die Expansion erreichte zum Zeitpunkt des visuellen Maximums mit 1.800 km/s ihre höchste Geschwindigkeit und nahm im Laufe der nächsten sieben Wochen auf 1.200 km/s ab.
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Spektroskopie
- Hülle: Mit dem Erreichen des Helligkeitsmaximums erreicht auch der Feuerball (Photosphäre der Nova) seine größte Ausdehnung. Danach schrumpft die Photosphäre wieder, was sich in der Lichtkurve bemerkbar macht. Innerhalb dieser Region ist die Hülle undurchsichtig (optisch dick). Im Postmaximum baut sich nun aber durch die Sternwinde gleichzeitig eine optisch dünne Hülle auf, die nach außen hin expandiert. Diese bewirkt mit (zunächst) wachsender Tendenz eine zirkumstellare Absorption.
Der Ehrgeiz des Verfassers ging nun soweit, auch diese mit dem einfachen Spektrografen nachweisen zu wollen. Aus dem Balmerdekrement lässt sich die Gesamtabsorption berechnen, aus der nach Abzug der interstellaren Absorption die zirkumstellare Absorption übrigbleibt (die atmosphärische Extinktion ist bereits bei der Ermittlung des Balmerdekrements eliminiert worden).
Kurz nach dem Maximum, wo sich noch keine nennenswerte optisch dünne Hülle aufgebaut hat, liegt das Dekrement nahe dem theoretischen Wert von D = 2,8 (Abb. 9). Bei RJD 570 hat sich das Dekrement auf D = 8 +- 2 erhöht. Das entspricht nach [5] einer Gesamtabsorption von AV = (2,9 +- 0,7) mag. Subtrahiert man davon die interstellare Absorption von knapp 0,6 mag [4], so erhält man eine zirkumstellare Absorption von (2,3 +- 0,7) mag. Das heißt, sieben Wochen nach dem Maximum verlässt nur ein kleiner Bruchteil der Photosphärenstrahlung den Bereich der Nova auf direktem Wege. Ein Großteil der absorbierten Strahlung kommt über angeregte Emissionslinien der Hülle zu uns, z. B. in Form der verbotenen Sauerstofflinien.
Schlussgedanke Mit ein wenig Mut zu Neuem lässt sich mit dem preiswerten StarAnalyser 100 und einer H-empfindlichen Kamera sehr viel erreichen. Es muss allerdings auch eingeschränkt werden, dass Novae (und vermutlich auch eine Supernovae) wahrhaft reichhaltige Informationslieferanten sind. Bei einer Nova tut sich binnen weniger Tage und Wochen so viel, dass es weniger das Equipment ist, das einem das Vergnügen vergönnen möchte, als vielmehr das Wetter zu genau
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8 Zeitliche Entwicklung der Expansionsgeschwindigkeit des H-Emissionsgebietes
9 Zeitliche Entwicklung des flusskalibrierten Balmerdekrements für H
dieser Zeit. Mit einem Remote-Teleskop allein ist es hier nicht getan. Es müsste schon fest als Spektrograf aufgebaut sein, mit dem StarAnalyser 100 oder 200 und einer passenden DSLR.
Literaturhinweise: [1] J. G. Cohen, 1988: "Nova Expansi-
on Parallaxes", Astron. Soc. Pacific 4, 114 [2] R. A. Downes, H. W. Duerbeck, 2000: "Optical Imaging of Nova Shells and the Maximum MagnitudeRate of Decline Relationship", Astron. J. 120, 2007 [3] M. Friedjung, H. W. Duerbeck,
1993: "Models of Classical Recurrent Novae", Nation. Assoc. Sec. School Princ., 371 [4] M. M. Santangelo et al., 2013: "Distance of nova Del 2013 from MMRD relations", Astronomer's Telegram No. 5313 [5] E. Wischnewski, 2014: ,,Helligkeit und Spektrum der Nova V339 Del", Astronomical Bulletin Wischnewski No.12
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Die Supernova SN 2014J in der Galaxie M 82
zusammengefasst von Werner E. Celnik (Red.)
Studenten und Mitarbeiter der LehrSternwarte der Universität von London entdeckten am 21.01.2014 auf einer um 19:20 UT mit einem 350-mm-Teleskop gewonnenen Aufnahme der Galaxie M 82 eine 12,3 mag helle Supernova [1]. Sie erschien etwa 58 Bogensekunden West-Südwest des Zentrums von M 82 und erreichte ihre Maximalhelligkeit von 10,5 mag etwa am 02.02.2014 [2]. Die Entdeckung wurde unmittelbar nach der Entdeckungsaufnahme mit einem zweiten Teleskop bestätigt, um Fehler auszuschließen. Die exakte Position der Supernova wurde kurz danach mit dem 10-m-KECK-Teleskop auf dem Mauna Kea gemessen [3]. Das erste optische Spektrum wurde mit dem 3,5-m-ARCTeleskop in Mexico gewonnen [4]. Die Suche nach Pre-Discovery-Aufnahmen erbrachte, dass die Supernova bereits schon einmal am 15.01.2014 aufgenommen worden war [5].
1 28.05.2012 ab 23:11 Uhr, M 82 ohne Supernova, Teleskop: 140-mm-Apochromat,
f/5,4, Kamera: Atik 460EX, Belichtung: 10 x 180 s, L-Filter, Ort: Buxtehude, Autor: Manfred Mrotzek (manfred.mrotzek@t-online.de)
SN 2014J ist eine Supernova vom Typ Ia und die nächstgelegene Supernova dieses Typs seit 42 Jahren (SN 1972E). Die letzte, noch näher gelegene Supernova war SN 2004dj in NGC 2403. Diese war jedoch vom Typ IIP. 1993 erschien in der Nachbargalaxie M 81 die Supernova SN 1993J vom Typ IIb.
Beobachtungen diffuser interstellarer Banden im Spektrum von SN 2014J deuten darauf hin, dass der Stern hinter einer beträchtlichen Menge interstellaren Staubs in M 82 hervorleuchtet, die interstellare Extinktion beträgt mindestens 1 Größenklasse [6].
Weitere Informationen über Supernovae dieses Typs sind auch im nachfolgenden Beitrag von unserem Autor Klaus Wenzel zu finden [7].
Die früheste der Redaktion vorliegende Aufnahme aus dem deutschsprachigen Raum stammt von Oliver Schneider, sie wurde am 27.01.2014 um 21:00 Uhr mit einem 300-mm-Newtonteleskop gewonnen (Abb. 2). Einige weitere Aufnahmen,
2
27.01.2014, 21:00 Uhr, Teleskop (Farbe): 300-mm-Newton, f = 1.146 mm, Teleskop (Luminanz): C11 HyperStar, f = 560 mm, Kamera (Farbe): Canon EOS 6D, ISO 3.200, Kamera (Luminanz): Moravian G2-8300, L-Filter, Belichtungen: Farbe 2 x 45 s, Luminanz 5 x 5 min, Ort: Leopoldshöhe, Autor: Oliver Schneider (osastro@t-online.de), Simultanbelichtung mit zwei Teleskopen
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5 02.02.2014, Teleskop: Meade LX90
(200-mm-Schmidt-Cassegrain), f/8, Kamera: Canon 1000Da, Belichtung: 82 x 60 s bei ISO 1.600, CLS-Filter, Ort: Grasberg, Autor: Kai-Oliver Detken (kai@detken.net)
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3 Oben: 28.01.2014, Teleskop:
350-mm-Newton, f/4,5, Kamera: Atik 4000 M, Belichtung: 16 x 5 min (L), 8 x 5 min (R), je 5 x 5 min (G, B), 6 x 10 min H-alpha (dem Rotkanal zugemischt), Ort: Grasberg, Autor: Gerald Willems (gwaquarius@tonline.de)
4 Links: 02.02.2012 ab 20:58 Uhr,
M 82 mit Supernova, Teleskop: 140-mm-Apochromat, f/5,4, Kamera: Atik 460EX, Belichtung: 25 x 180 s, L-Filter, Ort: Buxtehude, Autor: Manfred Mrotzek (manfred.mrotzek@tonline.de)
die den Zeitraum bis zum 16.02.2014 abdecken, sind in diesem Beitrag zusammengestellt. Da die Lichtkurve der Supernova in diesem Zeitraum relativ flach verläuft [2], ist in diesen Aufnahmen eine Helligkeitsveränderung nicht ohne Weiteres erkennbar. Die Abbildung 1 dient als Vergleichsbild, sie zeigt die Galaxie M 82 im Jahr 2012, ohne Supernova.
Hinweise auf Literatur- und Internetlinks: (geprüft am 30.03.2014) [1] www.ucl.ac.uk/maps-faculty/maps-
news-publication/maps1405 [2] www.aavso.org/lcg/plot?auid=000-
BLG-310&starname=PSN+J095542 14%2B6940260&lastdays=20&star t=2456678&stop=2456698&obscod e=&obscode_symbol=2&obstotals=y es&calendar=calendar&forcetics=&g rid=on&visual=on&r=on&faintertha n=on&bband=on&v=on&pointsize=1 &width=800&height=450&mag1=& mag2=&mean=&vmean= [3] www.astronomerstelegram. org/?read=5789 [4] www.astronomerstelegram. org/?read=5786 [5] www.astronomerstelegram. org/?read=5794 [6] www.astronomerstelegram. org/?read=5797 [7] K. Wenzel, 2014: ,,SN 2013dy und SN 2013ej - zwei helle Supernovae im Sommer 2013", VdS-Journal für Astronomie 50, Seite 100
6 02.02.2014 und 04.02.2014, Teleskop: 250-mm-Newton, f/4, Kamera: Moravian
FW8300, Belichtung: 29 x 600 s (H-alpha), Ort: Krefeld, Autor: Stephan Küppers (stephan.kueppers@astrofototeam-niederrhein.de), Bildbearbeitung mit PixInsight und Photoshop
7 Unten links: 06.02.2014, Teleskop: MPT
300, Reduktor 0,6x, Kamera: Canon 5D, Belichtung: 10 x 30 s, Ort: Niederrhein, Autor: Uwe Siegel (sideres85@gmail. com), Bildbearbeitung mit DPP und Photoshop
8 Unten: 16.02.2014, 18:31-19:08
UT, Teleskop: 200-mm-SchmidtCassegrain bei f/6,3, Kamera: Canon EOS 5D Mark II, Belichtung: 58 x 30 s bei ISO 3.200, Ort: Liederbach/Taunus, Autor: Michael Hauss (hauss-michael@t-online. de), Helligkeit der SN: 11,2 mag
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SN 2013dy und SN 2013ej
- zwei helle Supernovae im Sommer 2013
von Klaus Wenzel
Im Sommer/Herbst 2013 hatten wir die relativ seltene Gelegenheit, zwei helle Supernovae, eine vom Typ Ia und eine zweite vom Typ IIp, sozusagen parallel zu beobachten und die Verschiedenartigkeit der Lichtkurven miteinander zu vergleichen. SN 2013dy (Typ Ia) wurde am 10. Juli von der Lick Observatory Supernove Search (LOSS) in der Galaxie NGC 7250 in der Eidechse entdeckt. Das zweite Ereignis (Typ IIp) wurde zwei Wochen
1 CCD-Aufnahme von NGC 7250 vom
02.08.2013, 03:07 UT am 14-ZollSCT des Bradford Robotic Telescope (BRT) auf Teneriffa. Die Supernova im nördlichen Bereich der Galaxie ist markiert. Die Helligkeit betrug hier etwa 13,1 mag.
später am 25. Juli in der prominenten Face-On-Spirale M 74 ebenfalls von der LOSS aufgefunden.
Supernova Typ Ia und Typ IIp Eine Supernova vom Typ Ia entsteht in einem engen Doppelsternsystem, welches aus einem Weißen Zwerg und einem massereicheren Begleiter besteht. Der Weiße Zwerg saugt aufgrund seiner engen Umlaufbahn über eine Akkretionsscheibe Masse aus der Hülle seines Begleiters. Während dieser Phase kann es zu mehreren Nova- oder Zwergnova-Ausbrüchen kommen, bei denen aber nicht die komplette akkretierte Masse abgestrahlt wird. Wenn der Weiße Zwerg dann irgendwann die Chandrasekhar-Grenze von 1,4 Sonnenmassen überschritten hat, kommt es zur Supernovaexplosion, bei welcher der Weiße Zwerg normalerweise vollständig zerstört wird. Aufgrund dieser Eigenschaft eignen sich Typ Ia Supernovae auch als Standartkerzen zu Entfernungsbestimmungen.
Ganz anders verläuft der Ausbruch einer Supernova vom Typ II. Sie entsteht, wenn ein massereicher Stern (> 10 Sonnenmassen) am Ende seines Lebens seinen Kernbrennstoff verbraucht hat und aufgrund seiner Gravitation zunächst kollabiert und schließlich explodiert. Zurück bleibt hier, je nach Ausgangsmasse, ein Neutronenstern (Pulsar) oder auch ein Schwarzes Loch. Ein schönes Beispiel
hierfür ist der Crabnebel M 1 mit seinem Pulsar im Zentrum. Diese Art der Supernovaexplosionen wird noch in verschiedene Unterarten unterteilt. Der Typ IIp beschreibt eine Supernova, bei welcher der Abstieg der Helligkeit nicht linear erfolgt, sondern während des Rückgangs eine Plateauphase durchläuft.
SN2013dy (Typ Ia) in NGC 7250 SN 2013dy, die im nördlichen Bereich der Sd-Spirale NGC 7250 aufleuchtete, wurde von mir am 15. Juli, also 5 Tage nach der Entdeckung erstmals im 16-Zoll-Newton meiner Dachsternwarte in Wenigumstadt mit einer Helligkeit von 14,5 mag beobachtet (Abb. 3). Den weiteren steilen Helligkeitsanstieg konnte ich dann von Nacht zu Nacht verfolgen. Das Maximum wurde mit 12,8 mag um den 25. Juli erreicht und dann folgte der deutlich flachere Helligkeitsrückgang. Etwa einen Monat nach dem Maximum, Ende August, wurde die 14. Größenklasse unterschritten. Bei meiner letzten Beobachtung am 10. September schätzte ich die Helligkeit schließlich auf 14,8 mag. Parallel zu meinen visuellen Beobachtungen erhielt ich zur Dokumentation ,,remote" einige CCD-Aufnahmen vom Bradford Robotic Telescope (BRT) auf Teneriffa. Beim BRT handelt es sich um ein robotisch betriebenes 14-Zoll-SCT, welches von der Bradford-Universität am Teide-Observatorium betrieben wird. Dort kann man Beobachtungsanträge einreichen, die dann, je nach Verfügbarkeit des Teleskops, abgearbeitet werden. Nach Fertigstellung der Aufnahme wird man per E-Mail informiert und kann dann das fertige Bild herunterladen.
2 Lichtkurve der Supernova SN 2013dy nach visuellen Beobachtungen am 12,5- und
16-Zoll-Newton der Dachsternwarte in Wenigumstadt. Aufgetragen ist die scheinbare visuelle Helligkeit. Deutlich sind der steile Anstieg und der flachere Abstieg der Helligkeit erkennbar.
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SN 2013ej (Typ IIp) in M 74 Meine erste Beobachtung der Supernova SN 2013ej fand wieder 5 Tage nach der Entdeckung am 30. Juli statt (Abb. 4). Bei dieser ersten Beobachtung schätzte ich die Helligkeit bereits auf 12,6 mag. Um den 3. August wurde das Maximum mit 12,4 mag erreicht, dann folgte ein erstes kleines Plateau in der Nähe des Maximums, dem ein flacher Rückgang folgte. Ab dem 24. Oktober, die Helligkeit
Veränderliche
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war bereits auf 14,3 mag zurückgegangen, machte die Lichtkurve einen Knick nach unten und am 3. November, meiner letzten visuellen Beobachtung, wurde die 15. Größe unterschritten. Eine allerletzte Beobachtung (CCD), bei welcher die Helligkeit der SN nur noch 15,8 mag betrug, wurde am 10. November ,,remote" am Bradford Robotic Telescope (BRT) durchgeführt, um den Helligkeitsknick in der Lichtkurve deutlicher zu dokumentieren.
Beim Vergleich der Lichtkurven ist der Unterschied der beiden, eigentlich grundverschiedenen, Ereignisse deutlich erkennbar.
3
Galaxie M 74 mit der SN 2013ej nach einer Aufnahme am Bradford Robotic Telescope vom 14.08.2013, 05:23 UT. Die Helligkeit der Supernova im südöstlichen Spiralarm betrug hier kurz nach dem Maximum etwa 12,6 mag.
Literaturhinweise: [1] J. Hambsch, 2013: ,,Helle Super-
nova in M 74", BAV-Rundbrief 3/2013, 184 [2] T. Lange, 2013: ,,Kataklysmische: Aktivitäten zwischen April und Juli 2013", BAV-Rundbrief 3/2013, 210
4 Lichtkurve der scheinbaren visuellen Helligkeit der Supernova SN 2013ej nach
Beobachtungen am 12,5- und 16-Zoll-Newton in Wenigumstadt. Deutlich ist nach Ende der Plateauphase um den 24. Oktober das Abknicken der Lichtkurve erkennbar.
Interessante Veränderliche in der Himmelsvorschau
von Werner Braune
Es sind in der Himmelsvorschau helle Veränderliche mit spannendem Lichtwechsel angegeben, die zum Hingucken und Verfolgen anregen sollen. Schauen Sie doch einfach einmal dort nach, zu welchen Sternen Beobachtungen angeregt werden. Mit den etwas speziellen Angaben werden Sie schon zurechtkommen.
Ohne die Zeitangabe in der Himmelsvorschau können Sie nach ß Lyrae blicken. Dieser Veränderliche ist mit dem bloßen Auge gut zu verfolgen und hat an jedem Abend eine andere Helligkeit. Sie werden ihn als einen der Hauptsterne in der Leier leicht finden. Falls er nicht mehr markant zu sehen ist, hat er sein Hauptminimum, und das Sternbild sieht ganz anders aus! Die in der Himmelsvorschau zusätzlich angegebenen Sterne sind etwas für den Feldstecher. Dabei sind es langsame wie AI Dra oder der schnelle, pulsierende Stern RR Lyrae mit seinem Maximum. U Sge steht für ein Event bei der Veränderlichen-Astronomie mit seinem
schnellen und großen Helligkeitsabstieg. Mit einer Kamera kann man dem aber auch gut folgen, sei es DSLR oder CCD. In der nächsten Himmelsvorschau gibt es entsprechend der Abendsichtbarkeit ab Oktober andere Veränderliche Sterne, z. B. auch ß Per (Algol).
Bei Mirasternen wie R Ser geht es wieder um die visuelle Beobachtung. Die Maximumshelligkeit ist zwar auch für das bloße Auge evtl. sichtbar. Es ist die hellste mögliche Helligkeit, die stark variieren kann. Um den Anstieg richtig zu verfolgen, ist ein Feldstecher nützlich und der Beobachtungsbeginn sollte schon vorher wie angegeben erfolgen. Mira als richtig heller Vertreter seiner Art ist für einige Jahre im Maximum nicht beobachtbar. Wer mit Karten Beschaffungsprobleme hat, wende sich immer an die BAV als ,,Fachgruppe Veränderliche der VdS". Hier gibt es natürlich auch mehr Vorhersagen als in der Himmelsvorschau.
Die Himmelsvorschau erhielt 2009 ihre heutige, sehr ansprechende Form. Zum Schwerpunktthema ,,Veränderliche" in der Ausgabe Nr. 31 (IV/2009) sind hier bereits o Ceti (Mira) und ß Per (Algol) als bekannte Veränderliche eingefügt (in einer einfachen Form).
Mit Nr. 36 (2011) wurden viele interessante Veränderliche zusätzlich aufgenommen. Es ist eine feste Sternauswahl, um auch in folgenden Jahren die Veränderlichen für weitere Beobachtungsversuche dabei zu haben. Die Angaben zeigen genau, was den Beobachter erwartet. Hinweis: Alle Angaben sind für die visuelle Beobachtung angelegt. Wer mit DSLR oder CCD beobachtet, muss natürlich nicht so lange wie angegeben beobachten. Die Genauigkeit einer elektronischen Messung und deren schnelle Folge führen hier rascher als bei der visuellen Methode zum Ziel. Bei derartigen Beobachtungen und ihrer Auswertung hilft die BAV auch gern weiter.
Kontakt über zentrale@bav-astro.de
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VdS-Nachrichten
VdS-Vorstand aktuell
von Siegfried Bergthal
Vorstand tagt in Lüneburg Am 05.04.2014 traf sich der VdS-Vorstand zu seiner zweiten Sitzung in diesem Jahr in Lüneburg. Otto Guthier begrüßte die angereisten Teilnehmer um 10.00 Uhr. Die Sitzung endete um 17.00 Uhr.
Mitgliederentwicklung Zum 31. März 2014 zählte die VdS e.V. 4035 Mitglieder. Im ersten Quartal sind 39 Sternfreunde in die VdS e.V. eingetreten. Allen vorliegenden Anträgen auf Neumitgliedschaft wurde zugestimmt. 28 Mitglieder sind aus der VdS e.V. ausgeschieden.
Astronomietag 2015 Der nächste Astronomietag wird auf den 21. März 2015 gelegt und steht unter dem Motto ,,Astronomische Schattenspiele", da einen Tag zuvor, am Freitag 20. März 2015, eine Partielle Sonnenfinsternis über Deutschland zu sehen sein wird. Über den Astronomietag 2014 wird in einem der kommenden Hefte ausführlich berichtet werden.
Würzburger Frühjahrstagung Die Würzburger Frühjahrstagung fand am 15. März 2014 wie schon im vergangenen Jahr im Friedrich-König-Gymnasium in Würzburg statt. Die von allen Seiten gelobte und gelungene Veranstaltung mit rund 100 Teilnehmern wird im kommenden Jahr am 7. März 2015 wieder am gleichen Ort stattfinden. Sternfreunde, die die Veranstaltung mit einen Vortrag bereichern wollen, können jetzt
schon mit dem VdS-Vorstand Kontakt aufnehmen: service@vds-astro.de.
VdS-Website
Der VdS-Vorstand möchte nochmals darauf hinweisen, dass alle VdS-Journale im geschützten Bereich der VdS-Website als PDF zur Verfügung stehen. Benutzername und Passwort befinden sich auf dem VdS-Mitgliedsausweis.
Das Content-Management-System Typo3, mit welchem die Website erstellt wurde, wird in einer neuen Version erscheinen. Dies macht eine Überarbeitung der Website notwendig. Ebenso der Umstand, dass inzwischen schon über 20% der Zugriffe auf die Website von mobilen Geräten aus erfolgt. Auch hierfür muss das Design der Website angepasst werden.
Mitgliedsbeitrag für 2014 Dem Journal für Astronomie, Ausgabe 48, wurde Anfang Januar auch die Beitragsrechnung für das Kalenderjahr 2014 beigelegt. Sofern noch nicht geschehen, überweisen Sie bitte Ihren Beitrag. Sie ersparen damit dem Verein viel zusätzliche Arbeit und Kosten durch Erinnerungsschreiben o.ä.
VdS e.V. vor Ort Ab dem Jahr 2015 sollen die Vorstandssitzungen, die deutschlandweit stattfinden, mit einem Besuch einer Mitgliedssternwarte verknüpft werden. Zudem möchte
die VdS e.V. vermehrt an Tagungen und Teleskoptreffen mit dem VdS-Stand vertreten sein. Details werden auf der kommenden Vorstandssitzung besprochen und dann an dieser Stelle veröffentlicht.
VdS-Fachgruppen Zurzeit wird darüber nachgedacht, eine Fachgruppe Radioastronomie zu gründen. Zudem wurde über die neue FachgruppenLeitung und Redaktion der Fachgruppen Deep Sky und Planeten gesprochen.
Kooperation mit Astronomers without Borders (AWB) Bis zur nächsten Vorstandssitzung wird eine Zusammenarbeit mit AWB von Seiten der VdS e.V. geprüft. Zurzeit ist die Deutschlandsektion von AWB sehr mager besetzt.
Kooperation mit der SAG (Schweizer Astronomische Gesellschaft) Otto Guthier hat den neuen Vorsitzenden der SAG, Herrn Scheuter, in Thun besucht. Die Zusammenarbeit soll wieder intensiviert werden. Die SAG wird sich beim Tag der Astronomie wieder dem Termin und dem Thema in Deutschland anschließen und sucht die verstärkte Zusammenarbeit mit der VdS e.V. auf folgenden Gebieten: Dark Sky, Jugendarbeit und Meteore. Die SAG-Tagung fand dieses Jahr am 3. Mai 2014 statt. Ein Vorstandstreffen zwischen VdS e.V. und SAG sowie ein gemeinsamer Auftritt mit einem Messe-Stand ist zur AME 2014 geplant.
Fragen oder Anregungen? Der VdS-Vorstand hat immer ein offenes Ohr. Schreiben Sie uns Ihre Fragen oder Anregungen: service@vds-astro.de.
VdS-Journal Nr. 50
Impression
Meteor über Teneriffa
Hans Gerhard Weber besuchte die Kanareninsel Teneriffa, um den Kometen ISON aufzunehmen. Das misslang aus allseits bekannten Gründen. Um dennoch seine mitgebrachte Ausrüstung zu nutzen, machte er verschiedene kleine kurzbrennweitige Bildserien. Am 2. Dezember 2013 gelang ihm bei schlechtem Wetter nahe dem Observatorium Izaña ein Schnappschuss. Die Kamera wurde zum Orion ausgerichtet und auf Intervallbetrieb gestellt: 15 Sekunden Belichtung, 15 Sekunden Pause. Das hier gezeigte Bild von 6:24 Uhr MEZ präsentiert eine prächtige ,,Schnuppe". Aufnahmedaten: Nikon-DSLR, Tamron Zoom 18-250 mm bei f = 18 mm, Blende 3,5 und ISO 1600 auf Stativ ohne Nachführung. In der Silhouette erkennt man den Pico del Teide. Die Wolken werden vom Licht der nächtlichen Natriumdampflampen der tiefer liegenden Orte rötlich angeleuchtet. Und die ,,Schnuppe" zwischen Hyaden und Orion erhellt sogar die Wolken! Peter Riepe
VdS-Nachrichten
103
Spenden an die Vereinigung der Sternfreunde e. V.
von Thomas Keßler, VdS-Schatzmeister
Im Jahr 2013 erhielt unsere Vereinigung wieder zahlreiche Spenden von Mitgliedern. Der Vorstand bedankt sich bei allen Spendern ganz herzlich, auch bei den vielen ungenannten Mitgliedern, die bei der Überweisung der Jahresrechnung den Betrag aufrundeten. Insgesamt erhielt die VdS Spenden in Höhe von 3.192,55 EUR, die teilweise zweckgebunden für bestimmte Projekte verwendet werden. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
13921
18463 17364 16973 17994 17028 13887 14949 18638 16580 19726 18645 17898 13502 12451 16005 15278 11480 14253 15254 15127 14650 19018 19545
Küppers
Stephan
Kronacher Sterngucker e.V.
Dipl. Ing Klausmann Steffen
Kulke
Jürgen
Polle
Joachim
Henze
Werner
Uhlig
Joachim
Rendelmann
Holger
Jaspert
Jürgen
Petkow
Evelyn
Gronegger
Marwin
Schaut
Johannes
Kalus
Klaus
Dipl.-W. Spindler Rolf
Dr. Frank
Andreas
Dipl.-Phys. Quester Wolfgang
Wenke
Günther
Bensch
Hans-Joachim
Wiese
Willi
Piekors
Horst
Dr. Zillessen
Volker
Quaas
Eberhard
Nikolai
Andre
Dr. Schulte-Vieting Heinrich-Jürgen
Rubi
Claus
19721 13553 18495 13448 20109 17979 18628 18446 14604 18860 11998 16994 17536 12980 20118 18650 19775 10253 12469 20034 12540 13211 20243 20308 16851
Dr. Löhle
Werner
Döttling
Karl-Ernst
Langer
Wilfried
Stück
Günter
Prof. Dr. Wenzel
Martin
Deiler
Joachim
Behnke
Steffen
Weinbrenner
Klaus-Harald
Jonscher
Peter
Dr. Bork
Jens Peter
Glitscher
Gunnar
Wächter
Frank
Wietor
Marcel
Dr. Hambsch
Franz-Josef
Vallant
Manfred
Eckert
Dieter
Dr. Fehrle
Martin
Dipl. Ing. Beneke Ernst-Jochen
Gösser
Wolfgang
Sternwarte Bad Kreuznach e. V.
Fehlmann
Wolfgang
Hosters
Peter
Sternfreunde Dieterskirchen e.V.
Braun
Mathias
Hörakustik Brenner e.K.
50. Ausgabe,
von Otto Guthier 50 Ausgaben unserer Mitgliederzeitschrift ,,VdS-Journal für Astronomie": Wer hätte das im Jahr 1997 gedacht?
Über die Gründung der Zeitschrift wurde bereits mehrfach in diversen Ausgaben umfassend berichtet, zuletzt in Nr. 25 [1].
Mit dem Erscheinen von Heft Nummer 3 im Herbst 1999 folgten in regelmäßigen Abständen die weiteren Magazine, zunächst im Halbjahresrhythmus bis Ende 2002. Von 2003 bis Jahresende 2008 erschien das ,,VdS-Journal für Astronomie" regelmäßig mit drei Ausgaben und informierte die Mitglieder und Sternfreunde auf über 400 Seiten pro Jahr über alle Bereiche der Amateurastronomie. Im Jahr 2009 konnten wir mit ein wenig Stolz die 25. Ausgabe vorlegen,
,,VdS-Journal für Astronomie"
welcher dann noch drei weitere Hefte in diesem Jahr folgen sollten.
Nun erscheinen jeweils vier Journale jährlich mit über 500 Seiten geballter und reich bebilderter Information für unsere Mitglieder und Leser/Innen.
Mit vorliegendem Magazin III/2014 haben bisher 1.145 verschiedene Autoren auf 6.750 Seiten aus nahezu allen Bereichen der Amateurastronomie berichtet. Rund 3.442 Beiträge sind in den vergangenen 17 Jahren erschienen, die von Sternfreunden für Hobby-Astronomen geschrieben und mit mehr als 8.000 Aufnahmen bebildert wurden.
Den vielen Autoren und im Besonderen den Fachgruppen-Redakteuren möchten
wir herzlich für ihre Arbeit danken, ohne sie wäre eine Herausgabe unserer Mitgliederzeitschrift nicht möglich gewesen.
Ein ganz besonderer Dank gilt aber auch dem ,,Redaktionsteam" (vor allem Dr. Werner E. Celnik, der seit der Ausgabe Nummer 4 aktiv mitarbeitet), das alle Beiträge sichtet und soweit ,,aufbereitet", dass sie im ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheinen können.
Herzlichen Dank an alle, die an unserem Magazin mitgearbeitet haben und mitarbeiten.
[1] Otto Guthier, 2008, ,,10 Jahre VdSJournal" VdS-Journal für Astronomie Nr. 25, I/2008, Seite 138-140
VdS-Journal Nr. 50
www.vds-astro.de
Nr. 31
ISSN 1615-0880
IV/2009
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V.
www.vds-astro.de
Nr. 32
ISSN 1615-0880
I/2010
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V.
www.vds-astro.de
Nr. 33
ISSN 1615-0880
II/2010
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V.
Workshop Astrofotografie 64
Halophänomen im Eisnebel 71
100 Stunden Astronomie 117
Schwerpunktthema
Veränderliche
Deep-Sky im Lichtermeer 66
Fraunhofers Glashütte 80
Die 29. VdS-Tagung 114
Schwerpunktthema
Sonnenfinsternis
Amateurentdeckungen Seite 10
Atmosphärische Erscheinungen Seite 83
ASL - Astronomisches Jugendlager Seite 103
Schwerpunktthema Amateurentdeckungen
www.vds-astro.de
Nr. 35
ISSN 1615-0880
IV/2010
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V.
Klein, rund und plump! Seite 54
Die Botschaft von den Sternen Seite 87
Grundlagen der JPG-Fotometrie Seite 111
Schwerpunktthema
Kugelsternhaufen
für Astronomie Nr. 27
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. / VdS
Visuelle Deep-Sky-Beobachtungen
ISSN 1615 - 0880
www.vds-astro.de
III/ 2008
www.vds-astro.de
Nr. 37
ISSN 1615-0880
II/2011
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V.
Boah!! - oder wie kommt man zur Astronomie
Seite 20
Kleine Astroausstellung in Stralsund
Seite 67
Kosmische Begegnungen
Seite 74
Schwerpunktthema
AstronomieErlebnis
für Astronomie Nr. 29
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. / VdS
www.vds-astro.de
Nr. 30
ISSN 1615-0880
III/2009
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V.
Bildnachweis: Baader Planetarium
Erste Erfahrungen mit DADOS
33
Spuk auf Tivoli?
46
ISSN 1615 - 0880
Schwerpunktthema Mond
www.vds-astro.de
II/ 2009
Dämmerungsfarben durch Vulkanstaub
55
Schwerpunktthema
Spektroskopie
www.vds-astro.de
Nr. 39
ISSN 1615-0880
IIII/2011
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V.
Urlaub unter Polarlichtern Seite 48
Astronomisches Sommerlager Seite 89
Kometen über der Eifel Seite 102
Schwerpunktthema
Sonnenaktivität und Polarlichter
106
VdS-Nostalgie
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. 20346 20347 20350 20359 20360 20362 20364 20368 20363 20366 20379 20372 20374 20371 20375 20377 20370 20369 20367 20356 20365 20373 20376 20378 20383 20384 20387 20386 20381 20391 20390 20396 20388 20389 20394 20392 20395 20393 20397 20399 20398 20400 20385
Name Weisenfeld Mootz Woost Fliesser Lamm Feldmann Serve Orth Schmachtl Doll Nolte Wöhr Jensen Kriegeskorte Härke Schiller Schmitt Nirschl Dr. Vossebürger Neumann Dr. Gruber Endig Bartsch Deger Trennhaus Krüger Desterschulze Silk Marheineke Güse Heringslake Bolmeier Bertges Lenz Lyer Jung Preuss Sblewski Hermelingmeier Woronowicz Lorenz Dr. Götte Windmüller
Vorname Rolf Günther Odette Josef Moritz Jörg Uwe Ulrich Michael Norbert Friederike Jürgen Sören Fritz Heinrich Wilhelm Josef Jörg Markus Martin Franz Michael Klaus Michael Wolfgang Jan Egbert Mark Klaus Vincent Gerhard Herbert Martin Michael Jörg Hans-Martin Ekhardt Martin Hubert Michal Anna Armin Samantha
Straße Königsberger Str. 26a Auf dem Baumgarten 10 Zaunkönigstr. 40 Mayssengasse 15/22 Waldstraße 26 Pfarrer-Aich-Str. 23/4 Am Zellbaum 4 Alkenstraße 8 Karlstraße 35 Karlstraße 15 Arzberger Str. 12 a Habichtweg 5 Galindez de Carvajal 10-46 Sunderlohstraße 69 Pulvermühle 6 Croen 24 Erlenstraße 7 Am Anger 15 Tannenstraße 54 Sersheimerstraße 33/3 Untere Feldstraße 85 Heinrich von Stein 9 Im Kleinfeld 54 Sandstraße 1 Thomas-Dehler-Str. 38 Auf dem Heinrichshof 11B Gustav-Heinemann-Str. 6 Brunostraße 127 Zu den Auen 14 A Ritterstraße 16 Am Osterberg 15 Lindenstraße 11 Flurstraße 7 Holzstraße 54 Höhenweg 48 Hegebachweg 41 Kassbergstraße 33 a Eschenstraße 36 Anreppener Str. 39 Saarbrückenstraße 63 Landstreit 2 Kuckucksweg 6 Veilchenweg 2
PLZ 35083 35232 39110 A-1170 67105 88471 61279 56727 82140 67551 81549 71287 ES-6007 58091 31863 47809 93080 84109 85640 74343 A-2823 92342 61462 85253 91052 21502 67663 50259 88662 28203 31137 29559 66887 45479 91522 35619 09112 15344 23129 38116 99817 49124 41836
Ort Wetter Duntphetal Magdeburg Wien Schifferstadt Laupheim Grävenwiesenbach Mayen Olching Worms München Weissach Badajoz Hagen Coppenbrügge Krefeld Pentling Wörth/Isar Putzbrunn Sachsenheim Pitten Freystadt Königstein Erdweg Erlangen Geesthacht Kaiserslautern Pulheim Überlingen Bremen Hildesheim Wrestedt Neunkirchem A.P. Mühlheim a. d. Ruhr Ansbach Braunfels Chemnitz Strausberg Delbrück Braunschweig Eisenach Georgsmarienhütte Hückelhoven
ausgewählt und zusammengestellt von Peter Völker - Folge 22
Zwei Personen, die Herausragendes für die volksbildende Astronomie geleistet haben, wurden 1964 - im wahrsten Sinne des Wortes - aus dem Leben gerissen. Rudolf Kühn war erst 37
Jahre alt, Robert Henseling bereits 80. Beide verstarben an den Folgen von Verkehrsunfällen. Obwohl ich über Robert Henseling bereits in Folge 3 dieser Serie berichtet habe (VdS-Journal für Astronomie Nr. 28, Seiten 108/109), sei er hier noch einmal gewürdigt, denn er war 1921
der Begründer unserer Vorgängerorganisation ,,Bund der Sternfreunde" (BdS).
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VdS vor Ort/Tagungsberichte
CCD-Treffen der VdS-Fachgruppe
im April 2013 in Kirchheim
von Sven Güdel
Alljährlich im Frühjahr finden sich die CCDller zum CCD-Treffen in Kirchheim ein. Die Gruppe hat eine lange Tradition. Entstanden ist sie in jenen Jahren, als die neue Fototechnik aufkam und es noch keine große Auswahl an fertigen Produkten gab, mal ganz vom Preis abgesehen. In dieser Zeit entstanden Projekte wie die Cookbook-Camera von Richard Berry und die Audine von Christian Buil und weiteren Entwicklungs-Mitgliedern [1, 2].
Zwischenzeitlich wird eine ganze Reihe von CCDKameras angeboten, zumeist jedoch aus Übersee. Die letzten hiesigen Anbieter haben im Zuge der EU-Verordnung zum Elektroschrott ihre Entwicklung und Produktion eingestellt. Selbstbauprojekte wie die Audine sind im Web weiterhin verfügbar. Angesichts dessen, dass der Entwicklungsstand dieses Projekts einige Jahre zurückliegt, stellt sich die Frage, ob nicht ein neues Kamera-Design anstünde.
Heute werden keine Projekte mehr gemeinsam umgesetzt, vielmehr geht es um Erfahrungsaustausch zu den unterschiedlichen angebotenen Kamerasystemen sowie um Fragen bei der Bildbearbeitung. Und von Zeit zu Zeit auch mal ein Blick auf Anforderungen, was eine Kamera von morgen so beinhalten sollte.
Wolfgang Limer referierte über seine Reise, 38.000 Kilometer durch die USA. Hierbei waren die großen Museen, die die Geschichte der US-Raumfahrt darstellen, eine beeindruckende Angelegenheit. Aber nicht nur dies. So ergab sich auf der Reise ein Kontakt mit Indianern, der nicht ganz unproblematisch verlief, aber gut ausging. Beeindruckende Bilder aus 1,8 Milliarden Jahren Erdgeschichte gab es aus dem Grand Canyon und aus anderen benachbarten Nationalparks.
Frau Dr. Rietz berichtete über die neuesten Erkenntnisse aus der Exoplanetenforschung.
Neben den Vorträgen wurden bei klarem Wetter sowohl Sonnenbeobachtungen durchgeführt als auch stellare Objekte anvisiert (s. Abb. rechts).
Wenige Stunden vor unserem Treffen hatte Frau Schäfer ihre mündliche Doktorprüfung abgelegt. Hierzu gratulieren wir herzlich.
Internethinweise: [1] www.wvi.com/~rberry/index.html [2] www.astrosurf.com/audine/English/index0.htm
VdS-Journal Nr. 50
VdS vor Ort/Porträt
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Die Geschichte der Nürnberger Volkssternwarte
nach einem Text von Edgar Wunder, bearbeitet und ergänzt von Matthias Gräter
Die Nürnberger Regiomontanus-Sternwarte ist die älteste Volkssternwarte Bayerns, die heute noch in Betrieb ist. Eine Volkssternwarte? Darunter versteht man ein Observatorium, das nicht in erster Linie der astronomischen Forschung, sondern vor allem der naturwissenschaftlichen Volksbildung dient. Seit 80 Jahren gibt es nun eine solche Volkssternwarte am Rechenberg, seit über zehn Jahren wird sie rein ehrenamtlich von der Nürnberger Astronomischen Arbeitsgemeinschaft e.V. betrieben. Ein Grund, einmal einen Blick auf die wechselhafte Geschichte des Observatoriums zu werfen.
Der Fund In Nürnberg begannen die Überlegungen zur Errichtung einer Volkssternwarte unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Der Anlass dazu war ein recht merkwürdiger: Ende 1918 gaben zwei bis heute unbekannte Soldaten der in Auflösung befindlichen Armee zwei große lange Kisten bei der Gepäckaufbewahrungs-
stelle des Nürnberger Hauptbahnhofs ab. Weil die Landser nie wieder auftauchten, wurden die Kisten geöffnet: Sie enthielten zwei astronomische Fernrohre, darunter einen 13,5-cm-Refraktor im besten Zustand. Die Teleskope gingen schließlich in den Besitz der Stadt Nürnberg über. Hans Hess (1864-1940), der spätere Gründer der Nürnberger Volkssternwarte, nutzte diesen glücklichen Zufall und ergriff die Initiative: Da die notwendigen Fernrohre nun schon vorhanden waren, sei der Grundstock zu einer Volkssternwarte gelegt, die Stadt müsse jetzt nur noch ein geeignetes Gebäude zur Verfügung stellen oder errichten. Aber in den unruhigen ersten Jahren der Weimarer Republik, geschüttelt von Aufständen, Geldentwertung und anderen Krisen, konnte das Projekt zunächst nicht realisiert werden, es blieb vorerst bei der Idee.
Geheimprojekt ,,Volkssternwarte" Nachdem das Planetarium im April 1927 seinen Betrieb aufgenommen hat-
te, machte sich Hess im nächsten Schritt zielstrebig daran, auch noch die Errichtung einer Volkssternwarte in die Tat umzusetzen. Die Voraussetzung dafür war: Es durfte die Stadt Nürnberg nichts mehr kosten. Hess entschloss sich, sämtliche zum Bau der Sternwarte benötigten Gelder privat zu organisieren, und dies auch noch im Sinne eines ,,Geheimprojekts", d.h., die Öffentlichkeit erfuhr davon nichts. Er ließ vertraulich Baupläne ausarbeiten, legte selbst den Rechenberg als günstigsten Standort fest und setzte durch, dass ein Berufsastronom von der Hamburger Sternwarte, Wilhelm Hartmann, zum 1. August 1929 seinen Dienst als neuer Planetariumsleiter antrat, mit dem expliziten Auftrag versehen, sich um Aufbau und Ausstattung der Sternwarte zu kümmern. Am 28. Februar 1931 fand ihre feierliche Inbetriebnahme statt. Der Ende 1918 am Nürnberger Hauptbahnhof deponierte 13,5-cm-Refraktor hatte nun seinen Platz als erstes Hauptfernrohr in der Kuppel des neuen Observatoriums gefunden.
1 Die Nürnberger Sternwarte 1931 zur Eröffnung.
Am Gebäude selber hat sich bis heute äußerlich nicht viel geändert.
2 Die Nürnberger Sternwarte heute
VdS-Journal Nr. 50
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VdS vor Ort/Porträt
Die ersten Betriebsjahre Während in den ersten Jahren recht erfolgreich astronomische Volksbildung betrieben wurde, sich ein Freundeskreis der Sternwarte mit über 100 Mitgliedern gründete und ein großes 34-cm-Spiegelteleskop installiert wurde, war die Zeit im Dritten Reich ein großer Rückschlag für die Astronomie in Nürnberg. Nicht nur, dass das alte Planetarium am Rathenauplatz von Gauleiter Julius Streicher abgerissen wurde, weil es ihn zu sehr an eine jüdische Synagoge erinnerte. Hans Hess wurde zum Rücktritt als Vorsitzender der Naturhistorischen Gesellschaft gezwungen und der ,,Verein der Freunde der Sternwarte" aufgelöst. Hartmann konnte die Sternwarte erhalten, indem er sich den Nationalsozialisten anbiederte und für diese seltsame Ur-GermanenForschung betrieb. In den Kriegsjahren blieb die Sternwarte geschlossen. Kaum war Nürnberg Mitte April 1945 durch die US-Armee befreit, wurde die Sternwarte durch die deutsche Bevölkerung geplündert und verwüstet. Und es sollte fast 50 Jahre dauern, bis das im Jahr 1932 schon Erreichte wieder vollständig hergestellt war.
Die Nachkriegszeit Ende 1950 gelang es Hartmann, aus Wehrmachtsbeständen privat drei kleine Handfernrohre zu beschaffen, so dass er seinen Gästen auf der Sternwarte in sehr eingeschränktem Maße auch wieder astronomische Beobachtungen bieten konnte. Die regelmäßigen Führungen für Schulklassen konnten schon im Dezember 1952 beginnen. Als die Neueinrichtung der Sternwarte Ende 1955 im Wesentlichen abgeschlossen war, verfügte sie mit insgesamt zwölf Fernrohren wieder über eine vorzeigbare Ausstattung. Gleichzeitig war ein Ambiente im typischen 50er-Jahre-Stil entstanden, das die Sternwarte bis Mitte der 1990erJahre prägte. In den nächsten 40 Jahren sollten daran keine maßgeblichen Veränderungen mehr vorgenommen werden. Als Hartmann 1959 in den Altersruhestand ging, konnte er seinem Nachfolger, Dr. Eckhard Pohl, wieder eine blitzblank eingerichtete und für die damalige Zeit bestens ausgestattete Volkssternwarte übergeben. Aus der vormaligen ,,Astronomischen Arbeitsgemeinschaft" im Rahmen der Volkshochschule entstand im Oktober 1960 eine selbständige Verei-
VdS-Journal Nr. 50
3 Der Auslöser für den Bau der Sternwarte Nürnberg war der Fund dieses Teleskops
am Nürnberger Hauptbahnhof.
nigung gleichen Namens. Indem sie 1962 den neuen Sternwartenleiter Eckhard Pohl zu ihrem Vorsitzenden wählte, koppelte sie sich eng an die Sternwarte. Ab 1970 ging Pohl mehr vom Gestalten zum bloßen Verwalten über. Er zog sich aus der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft zurück, überließ die öffentlichen Führungen seinen Mitarbeitern und zeigte auch sonst kaum mehr eine Initiative zur weiteren Modernisierung der Sternwarte. In die so entstehenden Frei- und Leerräu-
me rückte teilweise die Astronomische Arbeitsgemeinschaft ein. Bis 1992 hatte die inzwischen als Verein eingetragene NAA schon 29 Prozent des Besucherstroms betreut, seit Mitte der 1980erJahre mit dem Bestreben, den Betrieb der Sternwarte nach Pohls Pensionierung zu übernehmen.
Der Übergang Für alle überraschend verstarb Pohl im Juni 1993. Die NAA übernahm sofort -
VdS vor Ort/Porträt
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genverantwortlicher, gemeinnütziger Träger der Nürnberger Volkssternwarte. Hierzu erhält sie von der Stadt jährlich einen finanziellen Zuschuss, der allein aber nicht zur Aufrechterhaltung des Betriebs ausreicht. Hinzu kommen eigene Mittel der NAA sowie Spenden. Der gesamte Führungsbetrieb wird von den Mitgliedern der NAA auf rein ehrenamtlicher Basis durchgeführt.
Rundum-Modernisierung Um eine Rundum-Modernisierung der Sternwarte zu ermöglichen, stellten im Jahr 2001 die sieben Nürnberger Rotary Clubs eine äußerst großzügige Spende von rund 200.000 Euro zur Verfügung. Es begannen umfangreiche Bauarbeiten, die sämtliche Räumlichkeiten der Sternwarte umfassten: von den Sanitäranlagen über Vortragssaal, Beobachtungsterrasse und Kuppel bis hin zum Eingangsbereich. Um den laufenden Führungsbetrieb nicht zu unterbrechen, zogen sich die Arbei-
4 Das neue Hauptteleskop der Sternwarte Nürnberg wurde im Jahr 2004 aufgebaut
und in Betrieb genommen, ein 60-cm-Cassegrain mit einem 7-Zoll-Apochromat.
auf ehrenamtlicher Basis und noch ohne vertragliche Regelung - fast 70 Prozent des Sternwartenbetriebs. Die NAA arbeitete einen umfassenden Plan zur Modernisierung und Neugestaltung der gesamten Sternwarte aus und begann noch 1994 mit einer Renovierung des Vortragssaals. Mit dem Auszug des Planetariumsleiters Dr. Lemmer 1997 hat die NAA 100% des Führungsbetriebs der Sternwarte ehrenamtlich übernommen. Im gleichen Jahr konnte auf der Volkssternwarte ein neu-
er Rekord der Jahresbesucherzahl erzielt werden (11.320 Personen), weil die NAA zahlreiche außerplanmäßige Führungen zur Beobachtung des spektakulär sichtbaren Kometen Hale-Bopp anbot. Ebenfalls 1997 begann die NAA mit einer Generalüberholung der Sternwartenkuppel. Im Jahr 2000 erfolgte dann der formelle Vertragsabschluss zwischen der Stadt Nürnberg und der NAA über die Trägerschaft der Sternwarte. Die NAA fungiert seit dem 1. Januar 2000 offiziell als ei-
Informationen
Adresse: Regiomontanusweg 1 90491 Nürnberg Telefon: 0911 / 959 35 38
Die Sternwarte ist bei klarem Wetter
an jedem Freitag und Samstag wie
folgt geöffnet:
Nov-Feb
19-20 Uhr
Mär/Okt
20-21 Uhr
Apr/Sep
21-22 Uhr
Mai-Aug
22-23 Uhr
Zusätzlich gibt an jedem ersten und dritten Samstag im Monat um 14 Uhr die Möglichkeit zur Sonnenbeobachtung.
Betreiber ist die Nürnberger Astronomische Arbeitsgemeinschaft NAA e.V. mit 310 Mitgliedern, davon rund 10 Prozent Aktive. Die Besucherzahlen bewegen sich zwischen 7.000 und 15.000 Personen, je nach Wetter und astronomischen Ereignissen.
Weiter Informationen und Veranstaltungen unter: www.sternwarte-nuernberg.de
VdS-Journal Nr. 50
114
VdS vor Ort/Porträt
ten etappenweise über insgesamt drei Jahre hin. Und in der Tat fiel genau in diese Zeit ein neuer Besucherrekord der Volkssternwarte: Im Jahr 2003 besuchten 16.800 Personen das Observatorium, vor allem, um den Planeten Mars bei seiner Erdannäherung zu beobachten. Den Höhepunkt und Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen bildete im Oktober 2004 die feierliche öffentliche Inbetriebnahme eines leistungsstarken 60-cmSpiegelteleskops.
Neue Veranstaltungen und neue Technik Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends etablierten sich erfolgreich einige neue Veranstaltungen auch auf der Sternwarte oder mit der NAA, wie die NAA-StarParty, die Lange Nacht der Wissenschaften, der VdS-Astronomietag oder die Stadtvorführungen oder einfach nur die monatlich stattfindenden Sonnenführungen, für die eigens ein H-Alpha-Sonnenteleskop aus Vereinsmitteln und Spenden angeschafft werden konnte. Einige weitere Anschaffungen und Neuerungen kamen dazu, so spendete die Zukunftsstiftung der Stadtsparkasse
VdS-Journal Nr. 50
5 Die letzte große Erweiterung war die Gartenhütte mit einem 12-Zoll-Ritchey-
Chretien-Cassegrain-Spiegelteleskop.
im Jahr 2009 25.000 EUR für eine neue Medienausstattung und weitere astronomische Geräte.
Die letzte große Erweiterung kam pünktlich zur 80-Jahr-Feier Anfang 2011 dazu: eine kleine Beobachtungshütte mit einem 12-Zoll-Spiegelteleskop im Garten der Sternwarte. Die NAA hatte das Inventar samt Hütte von einem Amateurastronomen gekauft, der dies bislang in seinem Garten bei Bad Windsheim betrieben hatte, aber aus Altersgründen abgeben wollte.
Eigene Initiative Im Jahr 2013 haben sich dann ein paar findige Mitglieder des Vereins zusammengetan und die Steuerung des Hauptteleskops komplett neu konstruiert, programmiert und gebaut. Die vorhandene Keller`sche war in die Jahre gekommen und hatte öfters Aussetzer. Leider war sie auf Hardware angewiesen, die man heutzutage gar nicht mehr oder nur schwer
bekommen kann. Die neue ist nicht mehr in einem alten Windows-98-PC untergebracht, sondern in einer kleinen Handbox und kann auf einen angeschlossenen PC ganz verzichten, trotzdem ist die Steuerung über ,,The Sky" weiterhin möglich, bedarf aber keiner besonderen Hardware-Steckkarte mehr.
Gut gerüstet blickt die Nürnberger Sternwarte nun in die Zukunft - dank der Arbeit nimmermüder ehrenamtlicher NAA-Mitglieder und den Spenden vieler Besucher. Jeder ist herzlich eingeladen, sich zu engagieren oder auch die Sternwarte einfach nur zu besuchen: bei klarem Wetter an einem Freitag oder Samstag Abend, am besten mit der ganzen Familie.
Eine ausführliche Version der Geschichte der Sternwarte ist in einer Broschüre erschienen, die auf der Sternwarte erhältlich ist.
VdS vor Ort / Podium podium@vds-astro.de
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Mitglieds-Nr. 20063
Privatsternwarte Bischbrunn
In der idyllischen Spessartgemeinde Bischbrunn, Ortsteil Oberndorf, wurde im Jahre 2009 von Jürgen Väth die Privatsternwarte Bischbrunn erbaut. In einer selbst entworfenen und gebauten Metall-Holzkonstruktion mit drehbarer Kuppel ist das Hauptinstrument, ein 8-Zoll-Meade LX 200 untergebracht. Die Sternwarte steht auf einer 40 Quadratmeter großen Aussichtsplattform, welche den Besuchern in klaren Nächten einen Ausblick auf den Sternenhimmel gewährt.
Die Privatsternwarte Bischbrunn engagiert sich im Bereich Öffentlichkeitsarbeit durch Führungen für Schulen, Kindergärten, Jugendfreizeiten und andere interessierte Gruppen. Bei den regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen im Rahmen der VdS und des Maus-Türöffner-Tages besuchen Hunderte von Besuchern aus dem süddeutschen Raum unsere Sternwarte.
Für interessierte Besucher veranstaltet die Privatsternwarte auch Führungen nach Voranmeldung. Hier wird im Vorfeld durch moderne Veranstaltungstechnik die Himmelsmechanik im Rahmen eines Fachvortrages erläutert. Je nach Besucherinteresse erfolgen die Vorträge themenspezifisch.
Die Privatsternwarte Bischbrunn wird allein vom Eigentümer betrieben und finanziert. Einnahmen aus Veranstaltungen
1 Die Metall-Holzkonstruktion der Privatsternwarte
Bischbrunn mit drehbarer Kuppel
werden sozialen Zwecken gespendet.
Kontakt: Privatsternwarte Bischbrunn | Jürgen Väth Grundstraße 7a | 97836 Bischbrunn www.privatsternwarte-bischbrunn.de www.facebook.com/privatsternwarte info@privatsternwarte-bischbrunn.de
Mitglieds-Nr. 18611
Die Tübinger Sternwarte als astronomische Bildungsstätte
Schon im Jahre 1972 haben Astroamateure auf der alten Tübinger Universitätssternwarte die Möglichkeit erhalten, mit einem exzellenten Zwölf-Zoll-Refraktor Himmelsobjekte zu beobachten. Mitarbeiter des Astronomischen Instituts gründeten damals gemeinsam mit Sternfreunden die ,,Astronomische Vereinigung Tübingen e.V." (AVT) mit dem Anliegen, die Wunder des gestirnten Himmels einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Heute von etwa hundert Mitgliedern getragen, richtet die Vereinigung wöchentlich zwei Abendführungen am großen Refraktor, dazu Sonderführungen und Vorträge aus. Ferner hat sie mit großem Aufwand die Räumlichkeiten neu gestaltet, um Besuchern den Aufenthalt angenehm und die Informationsmöglichkeiten optimal zu gestalten.
Die Sternwarte ging vor gut zehn Jahren in den Besitz der Stadt Tübingen über. Die AVT betreibt nun die Einrichtung und führt Wartungen, Erweiterungen und Reparaturen aus.
Stattliche 8,20 Meter beträgt der Durchmesser der schönen Lärchenholzkuppel, genauso groß wie ein Teleskopspiegel des VLT! Für Gäste ein anschaulicher Größenvergleich zum ZEISS-E-Objektiv (Fraunhofer-Typ) des Hauptrohrs mit ,,nur" 30 Zentimetern (12"), bei einer Brennweite von fünf Metern. Gelagert ist der Zwölfzöller samt 60-MillimeterSucher auf einer Knicksäulenmontierung (Säulenlänge ca. 4 Meter) zusammen mit zwei anderen Tuben. Das eine Rohr
1 Von hier aus schauen die Mitglieder der AVT in den Himmel.
ist ein 6-Zoll-Astrograf. Der andere Tubus trägt ein 8-ZollZEISS-B-Objektiv (APO) von drei Metern.
Aufpoliert wurde die ganze Gerätschaft seit 1956 dreimal - in den 1980ern von ZEISS Oberkochen, schließlich sehr umfangreich mit Mitteln der Klaus-Tschira-Stiftung. Allein die äußeren Umstände verschlechtern sich: Neuerdings testet die AVT den Einsatz elektronischer Teilkreise als Aufsuchhilfe, da sich der Sternenblick durch Streulichter immer mehr eintrübt.
Kontakt: www.sternwarte-tuebingen.de
VdS-Journal Nr. 50
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VdS vor Ort / Podium podium@vds-astro.de
Mitglieds-Nr. 17615
Sternwarte Amberg-Ursensollen
Der gemeinnützige ,,Förderverein Volkssternwarte AmbergUrsensollen e.V." wurde am 23.04.1998 von 14 Personen ohne besonderen astronomischen Erfahrungsschatz und Hintergrund gegründet. Gut zehn Jahre nach der Gründung hat der Verein weit über hundert Mitglieder aller Altersgruppen. Sein Zweck besteht in dem Aufbau und der Förderung der ,,Amberger Volkssternwarte", der Gewinnung der Jugend für die Astronomie, der Förderung der allgemeinen Volksbildung auf dem Gebiet der Astronomie und der Ergänzung des naturwissenschaftlichen Unterrichts an Schulen und Hochschulen.
Die Sternwarte befindet sich etwa acht Kilometer südwestlich von Amberg in der Gemeinde Ursensollen (Nähe Sportplatz). Fern von jeder Lichtverschmutzung und Nebelgefahr bietet sie somit das ganze Jahr über eine einzigartige Himmelsdurchsicht. Sie besteht zurzeit aus einem großem Beobachtungsraum, in dem auf zwei Ebenen neben dem Vereinsteleskop vier weitere Fernrohre fest auf Säulen installiert sind. Umrahmt wird das Ganze von einem Versammlungsraum und einem Gerätelagerraum sowie einer großen gepflasterten Außenfläche für Veranstaltungen und zum Aufstellen mobiler Beobachtungsgeräte. Die gesamte Anlage wurde von den Mitgliedern des Vereins in Eigenleistung und mit Hilfe von Spenden errichtet.
1
Blick auf die Beobachtungsplattform der Volkssternwarte Amberg-Ursensollen
Ein Hauptelement der öffentlichen Bildungsarbeit sind wöchentlich (jeden Freitagabend) angesetzte, für jedermann zugängliche Beobachtungstreffen auf der Sternwarte in Ursensollen, bei denen astronomische Beobachtungen mit den Teleskopen des Vereins durchgeführt werden. Vereine, Schulklassen, Jugendgruppen und andere Vereinigungen können zudem nach Voranmeldung individuelle Sternführungen erhalten.
Kontakt: Förderverein Volkssternwarte Amberg e.V. 92224 Amberg, Quellenweg 3 Tel. 0 96 21 / 49 69 34 | www.volkssternwarte-amberg.de
Mitglieds-Nr. 19613
Sternfreunde Durmersheim und Umgebung e.V.
Die Gründung der Sternfreunde Durmersheim und Umgebung e.V. (StfDu) fällt ins Jahr 1988. Im September 2009 (im Jahr der Astronomie) konnten wir unsere Sternwarte mit einer 2,5-Meter-Kuppel endlich im Hof der Realschule einweihen. Als Hauptinstrument findet man dort ein 35-Zentimeter-Schmidt-Cassegrain-Teleskop. Als tragbare Geräte stehen einige Teleskope mit sechs bis 30 Zentimeter Öffnung zur Verfügung.
Die StfDu wenden sich mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit an Schulen, Kindergärten und ihre Mitglieder. Seit der Gründung gibt es Aktionen beim Ferienspaß, in Kindergärten, bei Astrofreizeiten, den Astromarkt und die Regionaltagung. Zudem werden Volkshochschulkurse, Vortragsveranstaltungen, Straßenfeste, Spiegelschleifkurse (seit 2012), ein Kurs für Mitglieder und ein Elektronikkurs organisiert. Der Verein zählt heute über 40 Mitglieder. Die Sternwarte ist jeden 1. Freitag eines Monats geöffnet (nur bei klarem Himmel, nicht in den Ferien oder an Feiertagen).
Jeden 1. Dienstag im Monat findet ein Astrostammtisch statt, wo es auch mal spontane Vorträge gibt. Zum Stammtisch kommen nicht nur die Hobby-Astronomen, sondern auch deren Partner und deren Familien. Jeden 2. Donnerstag eines Monats gibt es einen Servicetag an der Sternwarte.
1 Nächtliche Szenerie über der 2,5-Meter-Kuppel der
,,Sternfreunde Durmersheim und Umgebung" (StfDu)
Unsere Mitglieder sind auch über die reine Vereinsaktivität hinaus aktiv. So z.B. in Fachgruppen zu Kleinplaneten, Kometen, Deep Sky und anderen Bereichen. Kontakte bestehen auch zu vielen anderen Vereinen, die wir auch gerne auf unserer Webseite aufführen.
Zur Kommunikation mit den Mitgliedern nutzen wir unsere Yahoo-Gruppe. Unser Heftchen für unsere Mitglieder nennt sich ,,Starlight". Wir sind auch Mitglied von Sternzeit und der VdS. Kontakt: www.sternfreunde-durmersheim.de
VdS-Journal Nr. 50
ANDROMEDA DREIECK
KEPHEUS
DRACHE
GROSSER BÄR JAGDHUNDE
EIDECHSE
FISCHE
PEGASUS
Deneb SCHWAN
FÜCHSCHEN
Wega HERKULES
LEIER Albireo
BOOTES
NÖRDL. KRONE
Gemma
Arktur
HAAR DER BERENIKE
WASSERMANN Neptun
SÜDOST Sternkarte exakt gültig für 15. Juli 1 Uhr MESZ
DELFIN FÜLLEN
PFEIL Atair
ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)
STEINBOCK
SCHILD Pluto
SCHÜTZE
SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER
SKORPION Antares
WAAGE Saturn
SÜDWEST
JUNGFRAU
SÜD
Mondphasen im Juli 2014
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zusammengestellt von Werner E. Celnik und Werner Braune. Alle Zeitangaben in MEZ, für 10 Grad östl. Länge/50 Grad nördl. Breite.
Erstes Viertel 5.7.
Planeten im Juli
Merkur zeigt sich Mitte bis Ende Juli etwas verzagt am Morgenhimmel über dem Nordosthorizont. Beobachten ab 4:30 MESZ.
Venus zieht ihre Bahn im Stier und im nördlichen Teil des Orion. Sie ist morgens zu sehen, wie Merkur für Frühaufsteher.
Mars zieht vom 12. bis 14. in etwas über einem Grad Abstand nördlich an Spica vorbei. Schon am 5.7. macht der Mond aus dem Paar ein Trio.
Jupiter erreicht am 24.7. seine Konjunktionsstellung mit der Sonne; er ist nachts unsichtbar.
Saturn ist Objekt der ersten Nachthälfte und kehrt Anfang Juli seine Bewegungsrichtung um - er wird wieder rechtläufig.
Uranus in den Fischen beginnt Ende Juli mit seiner Oppositionsschleife. Er ist Objekt der zweiten Nachthälfte.
Neptun bewegt sich rückläufig durch den Wassermann. Ende August wird er in Opposition stehen.
Vollmond 12.7.
Letztes Viertel 19.7.
Neumond 26.7.
Ereignisse im Juli
01.
04. 01h 05. 12:59 05. 22h
06. 07. 22:15 09. 09. 21:30 12. 12:25 12. 23:07
13. 13. 08:28 19. 19. 03:08 21. 00:30
R Ser im Anstieg zum Maximum bei 5,2 mag oder schwächer am 15.8. Erde im Aphel (Sonnendistanz 1,017 AE) Erstes Viertel Mond 2,7 Grad W Mars (0,1 mag) und 6,2 Grad NW Spica ( Virginis, 1,1 mag) Libration im Mond-W 7,0 Grad Mond 3,2 Grad W Saturn (0,4 mag) max. Libration im Mond-SW, 7,9 Grad Mond 7,6 Grad NO Antares ( Scorpii, 1,1 mag) Vollmond RR Lyr Maximum 7,1 mag, schneller Helligkeitsanstieg von 8,1 mag Libration im Mond-S 6,5 Grad Mond erdnah, Winkeldurchm. 33,03' Libration im Mond-O 7,2 Grad Letztes Viertel U Sge Minimum 9,2 mag, rd.
22. 22. 3h 26. 23:42 27.
28. 28. 03:26 29. 23:22
2 Std. schneller Abstieg von 6,6 mag auf ein 1,6-StundenMinimum gleich bleibender Helligkeit max. Libration im Mond-NO, 7,6 Grad Mond 4,8 Grad W Aldebaran ( Tauri, 1,0 mag) Neumond Maximum Sternschnuppenschauer Südl. Delta-Aquariden, max. 20/h, Radiant im Sternbild Wassermann Libration im Mond-N 6,0 Grad Mond erdfern, Winkeldurchm. 29,22' RR Lyr Maximum 7,1 mag, schneller Helligkeitsanstieg von 8,1 mag
CH WALFIS
ANDROMEDA DREIECK WIDDER
PERSEUS
Algol
FISCHE Uranus
KASSIOPEIA
PEGASUS WASSERMANN Neptun
EIDECHSE
DRACHE
KEPHEUS
HERKULES
Deneb
SCHWAN
Wega
FÜCHSCHEN
DELFIN FÜLLEN
PFEIL Atair
LEIER Albireo
ADLER SCHLANGE (SCHWANZ)
SCHILD
BOOTES
NÖRDL. KRONE
Gemma
SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER
SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. August 1 Uhr MESZ
Fomalhaut SÜDL. FISCH
Mondphasen im August 2014
STEINBOCK SCHÜTZE
SÜD
Pluto
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zusammengestellt von Werner E. Celnik und Werner Braune. Alle Zeitangaben in MEZ, für 10 Grad östl. Länge/50 Grad nördl. Breite.
Erstes Viertel 4.8.
Planeten im August
Merkur legt im August wieder eine Sichtbarkeitspause ein.
Venus ist morgens nur noch für eine Stunde zu sehen; sie ist fast kugelrund. Am 18.8. zieht sie in nur 0,2 Grad Abstand an Jupiter vorbei!
Mars ist noch Objekt der ersten Nachthälfte. Er läuft von der Jungfrau in die Waage und begegnet im letzten Augustdrittel dort Saturn.
Jupiter macht sich wieder am Morgenhimmel bemerkbar. Nach der Monatsmitte bildet er mit Venus für einige Tage ein glänzendes Paar.
Saturn findet man abends im Südwesten. Am 26.8. wird er südlich von Mars überholt.
Uranus ist bereits 5,7 mag hell, man findet ihn weiterhin in den Fischen.
Neptun hat seinen besten Monat: er steht am 29.8. in Opposition - Sternbild Wassermann.
Vollmond 10.8.
Letztes Viertel 17.8.
Neumond 25.8.
Ereignisse im August
02. 21:30 Mond 2,8 Grad O Spica
( Virginis, 1,1 mag)
02. 22:24 RR Lyr Maximum 7,1 mag,
schneller Helligkeitsanstieg
von 8,1 mag.
Weitere Maxima 19. 22:38
und 23. 21:55
03.
Libration im Mond-W 7,2 Grad
04. 01:50 Erstes Viertel
04. 21:30 Mond 5,3 Grad O Saturn (0,5 mag)
06.
max. Libration im Mond-SW,
8,7 Grad
07.
Kleinplanet (16) Psyche
(9,3 mag) in Opposition zur
Sonne, Steinbock
08. ca. 22:09 Mond bedeckt Rho1 Sgr
(3,9 mag), genaue Zeit abh.
v. Beobachtungsort
10. 17:44 Mond erdnah, Winkeldurchm.
33,41'
10. 19:09 Vollmond, größter Vollmond
des Jahres
11.
Libration im Mond-S 5,7 Grad
12.
Maximum Sternschnuppen-
schauer Perseiden, ca. 100/h,
Radiant im Sternbild Perseus
15.
Libration im Mond-O 7,1 Grad
15.
R Ser Maximum bei 5,2 mag
oder schwächer
17. 3h
Kleinplanet (16) Psyche
17. 13:26 18. 4h 18. 05:46
19. 23. 4h 24. 06:08 25. 20:30 25.
15:13 28. 00:05
29.
30. 31. 20:30 31. 20:51
(9,6 mag) 2,3' N HIP 103460 Cap (5,9 mag) Letztes Viertel Mond 7,5 Grad W Aldebaran ( Tauri, 1,0 mag) Venus (-3,9 mag) 11,8' N Jupiter (-1,8 mag), O-Horizont, Taghimmel max. Libration im Mond-NO, 8,6 Grad Mond 7,4 Grad SW Jupiter (-1,8 mag) Mond erdfern, Winkeldurchm. 29,58' Mars (0,6 mag) 3,4 Grad S Saturn (0,6 mag), SW-Horizont Libration im Mond-N 5,5 Grad Neumond ß Lyr Minimum 4,4 mag. An 2 Vortagen Helligkeitsabstieg von 3,3 mag, Periode 12,94 Tage mit ständigem Lichtwechsel Neptun (7,8 mag) in Opposition zur Sonne, scheinb. Durchm. 2,36'', Sternbild Wassermann
Libration im Mond-W 6,0 Grad
Mond 4,6 Grad NW Mars (0,6 mag)
Mond 30' S Saturn (0,6 mag)
FUHRMANN
PERSEUS Algol
Aldebaran
Plejaden STIER
KASSIOPEIA
EDA ANDROM
DREIECK WIDDER
FISCHE Uranus
KEPHEUS Deneb
SCHWAN
Wega
HERKULES
LEIER
EIDECHSE
PEGASUS
Albireo FÜCHSCHEN
PFEIL
DELFIN FÜLLEN
Atair
ADLER
SCHLANGENTRÄGER
CH WALFIS
ERIDANU S
SÜDOST Sternkarte exakt gültig für 15. September 1 Uhr MESZ
WASSERMANN Neptun
BILDHAUER
SÜDL. FISCH Fomalhaut
SÜD
Mondphasen im September 2014
SCHILD
STEINBOCK SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zusammengestellt von Werner E. Celnik und Werner Braune. Alle Zeitangaben in MEZ, für 10 Grad östl. Länge/50 Grad nördl. Breite.
Erstes Viertel 2.9.
Vollmond 9.9.
Letztes Viertel 16.9.
Planeten im September
Merkur steht am 21.9. in größter östlicher Elongation; eine Abendsichtbarkeit ergibt sich aber nur südlich des Mittelmeerraums.
Venus verlässt den Morgenhimmel und zieht zum Abschied am 5./6.9. an Regulus vorbei.
Mars will sich vom Abendhimmel einfach nicht verabschieden. Von der Waage läuft er in den Skorpion und begegnet am 27./28.9. Antares.
Jupiter zieht seine Bahn im Krebs in Richtung Löwe; er wird morgens über dem Osthorizont zunehmend besser sichtbar.
Saturn geht abends immer früher unter. Am 28.9. steht der zunehmende Mond östlich von Saturn (und noch etwas östlich folgt Mars).
Uranus in den Fischen erreicht im September seine Opposition noch nicht ganz. Dafür steht am 11.9. der Mond nur 0,5 Grad neben ihm.
Neptun stand am 29.8. in Opposition und ist daher im September weiterhin ideal zu sehen.
Ereignisse im September
01.
02. 12:11 02. 20:30 02. 23:10
03. 08. 08.
08. 03:33 09. 02:38 09. 22:38
10. 23:22
Kleinplanet (40) Harmonia (9,3 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild Wassermann Erstes Viertel Mond 9 Grad NO Antares ( Scorpii, 1,1 mag) U Sge Minimum 9,2 mag, rd. 2 Std. schneller Abstieg von 6,6 mag auf ein 1,6Stunden-Minimum gleichbleibender Helligkeit max. Libration im Mond-SW, 8,9 Grad Libration im Mond-S 5,1 Grad Kleinplanet (12) Victoria (9,0 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild Pegasus Mond erdnah, Winkeldurchm. 33,38' Vollmond ß Lyr Minimum 4,4 mag. An 2 Vortagen Helligkeitsabstieg von 3,3 mag, Periode 12,94 Tage mit ständigem Lichtwechsel AI Dra Minimum
Neumond 24.9.
8,1 mag, Abstieg von 7,0 mag
in rd. 2 Std. Weitere Minima
16. 23:22, 22. 23:07, 28.
22:53
11.
Libration im Mond-O 5,5 Grad
15. 01:06 Mond 46' N Aldebaran
( Tauri, 1,0 mag)
16.
max. Libration im Mond-NO,
9,0 Grad
16. 03:05 Letztes Viertel
18. ca. 04:28 Mond bedeckt Lambda Gem
(3,6 mag), genaue Zeit abh. v.
Beobachtungsort
20. 4h
Mond 6 Grad SW Jupiter
(-1,9 mag)
20. 14:22 Mond erdfern, Winkeldurchm.
29,53'
22.
Libration im Mond-N 4,9 Grad
22. 5h
Mond 8,1 Grad SO Regulus
( Leonis, 1,4 mag)
23. 03:29 Herbstanfang, Tagund-
nachtgleiche
24. 07:14 Neumond
26.
Libration im Mond-W 4,6 Grad
29. 19:15 Mond 4,8 Grad N Mars (0,8 mag)
120
Beobachterforum
Astronomie auf der Kiripotib-Astrofarm
von Eva und Michael Chwalla
Schon zum zweiten Mal sind wir nun den Verlockungen des südlichen Sternenhimmels gefolgt und nach Namibia gereist. Der erste Besuch, im Juli 2011, war gleichzeitig unsere Hochzeitsreise. Ich bin meiner Frau Evi sehr dankbar, dass sie trotz zurückhaltender Begeisterung für die Astronomie die Reise mit mir gewagt hat. Wie auch vor zwei Jahren, sollte eine Safari im Vordergrund stehen, wobei die fünf Tage auf der KiripotibAstrofarm zur Eingewöhnung ans südliche Afrika gedacht waren. Beide Partner sollen ja auf ihre Kosten kommen.
Die Maschine der Air Namibia SW286 landete pünktlich, und auch beim Zoll ging es zügig voran, abgesehen vom etwas frostigen Charme der Damen am Einreiseschalter. Es muss wohl an den Nachttemperaturen nahe null Grad gelegen haben. Nach eineinhalb Stunden Fahrt mit dem Taxi erreichten wir die Farm - gerade rechtzeitig, um nach einer kurzen Erfrischung noch am Astronomen-Frühstück teilzunehmen. Der Tagesablauf auf Kiripotib ist speziell auf die (Schlaf-) Bedürfnisse der Astrogäste abgestimmt. So gibt es das Frühstück
österreichische Gruppe und wurden von Bernd Müller bestens betreut.
Gegen 17:30 Uhr ist das Abendessen angesetzt, damit man rechtzeitig zur astronomischen Dämmerung am Gerät sein kann. Die ausgezeichnete KiripotibFarmküche mit köstlichen Wildgerichten hat uns wie vor zwei Jahren bestens geschmeckt. Besonderen Anklang fand immer wieder die Mitternachtssuppe zum Aufwärmen in der Astrovilla, wenn die Kälte langsam in die Knochen kriecht. Denn die Winternächte können im südli-
Warum sind wir also im Juli 2013 nach Kiripotib zurückgekehrt? Ich hatte einfach Blut geleckt: Der Südhimmel mit den Magellanschen Wolken, seinen zahlreichen Galaxien und Nebeln ließ mich nicht mehr los. Als Alpenbewohner vom Himmel nicht gerade benachteiligt, faszinierte mich das Phänomen, wie einzig durch das Licht der Milchstraße Schatten hervorgerufen werden. Der dunkle Himmel mit seinen hellen Sternen ist einfach unglaublich (Abb. 1).
VdS-Journal Nr. 50
1 Sternspuren am Himmel über Kiripotib
erst um 11 Uhr, damit man die Eindrücke der durchwachten Nacht in Ruhe verarbeiten kann und die Netzhaut Zeit hat, sich von den eingebrannten Sternen zu erholen. Am Nachmittag um 15 Uhr trifft man sich bei der Astrohütte zum Kaffee. Neben netten Gesprächen unter Astrokollegen kann man die Zeit nutzen, um sich auf die nächste Nacht vorzubereiten. Wir waren zur Neumondsaison im Juli eine gemischte schweizerisch-deutsch-
chen Afrika ganz schön kalt werden, wie wir bereits bei unserer ersten Reise ungläubig feststellen mussten.
Astronomie Lag das Hauptaugenmerk damals auf visueller Beobachtung, wollte ich dieses Mal hauptsächlich fotografieren. Dazu hatte ich mir für die fünf Nächte den 8-zölligen Ritchey-Chretien von GSO auf der Fornax-Montierung gemietet.
Beobachterforum
121
Mit dem im RC-Mietpaket enthaltenen Reducer hat man zwei Aufnahmebrennweiten zur Verfügung. Außerdem nutzte ich die Möglichkeit für Piggyback-Aufnahmen. Die Aufnahme des Eta-Carinae-Nebels durch eine 300-Millimeter,,Russentonne" ist so entstanden (Abb. 2). Trotzdem sollte auch die visuelle Beobachtung nicht zu kurz kommen, deshalb hatte ich zusätzlich den 14-zölligen Dobson reserviert.
Mit Skiunterwäsche, Wollhauben und Handschuhen warm verpackt konnte es nun endlich losgehen. Ein erster visueller Ausflug brachte mich zu den Klassikern des Südhimmels: angefangen beim Nebel um Eta Carinae über den offenen Stern-
Autoguider leichtes Spiel. Den Reducer habe ich nur für die großen Kugelhaufen wie Omega Centauri, NGC 104 bzw. NGC 6752 eingesetzt (Abb. 4). Bei meinem Kamerachip KAF 8300 konnte ich keine Vignettierung durch den Reducer feststellen. Ebenso genügte die Korrektur in den Bildecken meinen Ansprüchen völlig.
In den weiteren Nächten kamen zahlreiche Highlights wie die Pavo- und Sculptor-Galaxie, der Helixnebel, die offenen Sternhaufen NGC 3293 und das Schmuckkästchen an die Reihe. Aufgrund der begrenzten Zeit, die mir zur Verfügung stand, wollte ich die Nächte optimal nutzen und möglichst viele Motive fotografieren. Das ging natürlich zu
das Seeing deutlich besser, vor allem in einer Nacht, in der es ganz leicht diesig war. Da konnte ich den Saturn mit dem Dobson minutenlang ohne jegliches Wabern der Atmosphäre beobachten.
Visuell konnte ich mich zwischen den Aufnahmeserien genüsslich austoben (Abb. 5). Meine Frau kam mich jede Nacht besuchen und beobachtete so lange mit, wie Kälte und Müdigkeit dies zuließen. Besonders beeindruckend fand ich neben den oben schon erwähnten Klassikern auch die Sculptor-Galaxie NGC 253 oder NGC 1365 im Fornax und zahlreiche Kugelsternhaufen wie NGC 104 und NGC 6397. Bei einigen Paradeobjekten musste ich mich jede Nacht überzeugen, ob sie
haufen NGC 4755 (,,Schmuckkästchen") zum spektakulären Kugelsternhaufen Omega Centauri und der markanten Galaxie mit zentralem Staubband NGC 5128 (Centaurus A).
Währenddessen liefen am RC gerade die ersten Aufnahmen von M 83 (Abb. 3). Ich hatte lange überlegt, ob ich lieber mit kürzerer Brennweite beginnen und mich erst im Umgang mit der ungewohnten Ausrüstung üben sollte. Die Fornax lief aber völlig gleichmäßig, so hatte der
Lasten der Belichtungszeit - ein Kompromiss, den ich aber bewusst eingehen wollte. Zu diesem Zweck hatte ich mir schon zuhause einen detaillierten Plan zurechtgelegt und für jedes Objekt die erforderliche Brennweite und Belichtungszeit notiert. Das hat mir sehr geholfen, und ich konnte den Plan zum großen Teil auch einhalten. In zwei der insgesamt fünf Nächte bekamen wir zwischenzeitlich unerwünschten Besuch in Form hoher Wolkenfelder. Dafür war im Vergleich zu unserer vorherigen Reise
auch tatsächlich noch vorhanden waren. Neben dem Helixnebel war auch der eine oder andere Planetarische Nebel dabei, und ich genoss die Beobachtung einer größeren Anzahl an offenen Haufen bei niedriger bis mittlerer Vergrößerung, vor allem im Skorpion und im Bereich Crux/ Carina.
Wenn man sich an den Leckerbissen des Südhimmels sattgesehen hat, kann man immer noch Objekte bestaunen, die man auch von Europa aus sehen kann. Ich
VdS-Journal Nr. 50
122
2 Eta-Carinae-Nebel; Kamera: EOS 1000Da; ISO 1600; 40 x 180 s
VdS-Journal Nr. 50
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3 M 83; Kamera: SXVR-H18; LRGB mit je 5 x 600 s
4 NGC 6752; Kamera: SXVR-H18; LRGB mit je 5 x 300 s
VdS-Journal Nr. 50
124
Beobachterforum
5 Der Autor am Dobson. Zeichnung von Eva Chwalla
nutzte z. B. die Gelegenheit, die Nebel im Schützen und dessen Umgebung im Zenit ins Visier zu nehmen. Spektakulär war auch ein direkter Vergleich von Omega Centauri mit M 13. Spätestens beim Morgengrauen war dann Schluss und die Geräte wurden zum Schutz vor Sonne, Staub und Windböen gesichert. Danach fiel ich hundemüde ins Bett.
Nach ein paar Stunden Schlaf und einem kräftigen Frühstück hat man auf Kiripotib viele Möglichkeiten, sich die Wartezeit auf die nächste Beobachtungsnacht zu verkürzen. Unter anderem kann man auf den angelegten Wanderwegen der Farm die Umgebung näher erkunden. Für meine Frau und ihr Hobby Malerei
6
Ungewöhnliche Botanik: Ein Köcherbaum
boten sich zahlreiche Motive, so kam auch sie auf ihre Kosten. Sehr interessant war eine Farmbesichtigung, bei der uns die Herstellung von Schafwollteppichen vom Scheren der Karakulschafe bis zum fertigen Produkt nähergebracht wurde. In der angeschlossenen Galerie kann man die Teppiche dann neben Kunsthandwerk und Schmuck käuflich erwerben. Letzterer wird von der Farmbesitzerin Claudia von Hase selbst entworfen und hergestellt. Ein besonderes Erlebnis sind die angebotenen Exkursionen wie z.B. der ,,Sundowner Drive". Mit dem offenen Jeep ging es am späten Nachmittag auf
VdS-Journal Nr. 50
125
7 Grandioser Anblick:
Der Fish River Canyon
Wildbeobachtung. Wir konnten dabei viele Springböcke, Oryx- und Kuhantilopen sowie Blessböcke sehen. Als sich der Tag dann dem Ende zuneigte, genossen wir einen der wunderschönen Sonnenuntergänge mit einem kühlen Getränk in der Hand - eine perfekte Einstimmung auf unsere Safari im Anschluss.
Eine aufregende Begebenheit muss ich an dieser Stelle noch erwähnen. Eine auf der Farm anwesende Biologin brachte einen verletzten Löffelhund von einem abendlichen Sundowner-Drive mit, der sich in einer von Wilderern aufgestellten Drahtfalle verfangen hatte. Evi erklärte sich als (Human-)Ärztin bereit, den ungewöhnlichen Patienten beim Schein von Taschenlampen zusammenzuflicken. Wir hoffen, dass das Tier trotz der Schwere der Verletzung überlebt hat.
Safari durch Namibias Süden Nach einer reichen astronomischen Ausbeute ging es auch auf Safari. Bei unserem letzten Besuch hatten wir schon einige der zentralen und nördlichen Besichtigungspunkte aufgesucht. Nun wollten wir den südlichen Teil des Landes erkunden. Das Auto mit Dachzelt sowie die
8 Unwirklich anmutende Landschaft:
Das Deadvlei
VdS-Journal Nr. 50
126
Beobachterforum
Unterkünfte bzw. Zeltplätze hatten wir wieder von Frau Foerster organisieren lassen, die auf Kiripotib für die Reiseplanung und Safari-Betreuung zuständig ist. Wertvolle Tipps zur Reiseroute bekamen wir auch von Hans von Hase. Das Auto hatten wir am Vortag der Abreise bei Savanna in Windhoek abgeholt und uns mit den wichtigsten Dingen und Lebensmitteln eingedeckt.
Ein Tipp: Für das Grillen haben wir uns köstliches Wildfleisch aus Kiripotibs farmeigener Produktion in eingeschweißten Beuteln vorbereiten lassen. Damit war die Versorgung mit Frischfleisch für den Anfang der Reise gesichert. Unsere Reiseroute führte uns zuerst über das Red Dune Camp in den Kgalagadi Transfrontier Park, wo wir ein paar Tage verbrachten und sogar einen Leoparden entdeckten. Danach ging es vorbei an Köcherbäumen und Saurierfossilien zum Fish River Canyon und zu den warmen Quellen von Ai-Ais (Abb. 6, 7).
Nach einem Allrad-Abstecher durch das ausgetrocknete Gamchab Rivier fuhren wir entlang des Oranje via Rosh Pinah nach Aus. In einem der Chalets von Klein-Aus Vista konnten wir eine herrliche Ruhe und einen sensationellen Ausblick auf die Wüste genießen. Von dort unternahmen wir Ausflüge zu den Wüstenpferden von Garub, zur Geisterstadt Kolmannskuppe und nach Lüderitz an die Küste. Via D707 und Farm Kanaan kamen wir schließlich nach Sesriem und verbrachten zwei Tage im Sossusvlei (Abb. 8). Nach einem Abstecher ins Tsondab Valley und einem Rundflug im Kleinflugzeug fuhren wir am Schluss über den Gamsbergpass zurück nach Windhoek.
Fazit Alles in allem war es ein fantastischer Urlaub mit vielen Eindrücken von einem faszinierenden Land. Wir können nur empfehlen, neben den astronomischen Highlights auch die terrestrischen nicht
außer Acht zu lassen. Insgesamt haben wir in 17 Tagen rund 4000 Kilometer größtenteils auf Schotterpisten zurückgelegt, die aber alle problemlos zu befahren waren. Auch der ungewohnte Linksverkehr war dank des spärlichen Autoaufkommens leicht zu bewältigen.
Aus astronomischer Sicht war Namibia ein voller Erfolg. Die Ausrüstung der Sternwarten auf Kiripotib ist in einem tadellosen Zustand, und man erhält vom anwesenden Astro-Betreuer kompetente Unterstützung. Da die Geräte schon fix aufgebaut waren, musste ich nur meine Kamera anschließen und schon konnte es losgehen.
Vom Halbwissen zur Begeisterung
Erfahrungen mit Einsteigern in meinen Astronomiekursen
von Tom Fliege
- Teil 1-
Vom Sternenhimmel geht eine Faszination aus, der sich niemand entziehen kann. Wer jemals den Mond, die Sonne, Jupiter oder Saturn durch ein Teleskop gesehen hat, der wird diesen Eindruck wohl nie vergessen. Doch das astronomische Wissen der meisten Bürger beschränkt sich leider auf den Großen Wagen, evtl. noch auf das Auffinden des Polarsterns, des Sternbilds Orion und das Identifizieren der aktuellen Mondphase. Durch Presse und Medien bleiben meist noch Bruchstücke einzelner Phänomene - wie Schwarze Löcher, aktuelle Kometen oder Finsternisse - im Gedächtnis hängen.
In diesem Artikel möchte ich von meinen Bemühungen berichten, möglichst viele Mitmenschen für die Astronomie zu begeistern, von der Erde aufzusehen, den Kopf in den Nacken zu legen und das Weltall über unseren Köpfen selber zu erforschen. Seit 2012 bringe ich als freiberuflicher Dozent (www.Planet-Fliege.de) der Bevölkerung im Ruhrgebiet die As-
1 Kurs erwachsener Teilnehmer
tronomie mit Vorträgen, Workshops und Exkursionen nahe. Es erweist sich aber als überraschend schwierig, die Menschen dazu zu bewegen, sich für einen Astronomiekurs anzumelden. Nach meiner Erfahrung gilt es dabei, fünf einzelne
Hürden zu überwinden: 1. die Motivation, 2. den Wissensstand, 3. selber aktiv werden, 4. Wetter & Zeit, 5. der Dozent
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Mit den von mir angebotenen Astronomiekursen möchte ich folgende Ziele erreichen: Die Kursteilnehmer sollen dazu angeleitet werden, selber den Sternenhimmel zu erforschen, selber die dazu notwendigen Hilfsmittel und die notwendige Physik zu ,,be-greifen". Ich möchte im wahrsten Wortsinn den Horizont der Teilnehmer erweitern und ihnen einen Erkenntnisgewinn ermöglichen.
Hürde 1: Die Motivation Ein Grundinteresse an der Natur und Wissenschaft sollte beim zukünftigen Astronomieeinsteiger auf jeden Fall vorhanden sein. Wer gerne Sonnenuntergänge betrachtet, vom Mondlicht wie magisch angezogen ist, das Band der Milchstraße schon einmal bewundern konnte, sich gar ein Fernglas zur Hilfe genommen hat oder sich über das Zustandekommen von Ebbe und Flut Gedanken gemacht hat, der trägt den Motivationskeim bereits in sich. Sollte man sogar so etwas wie Forschergeist verspüren, sich selber als Tüftler bezeichnen, dann ist man bei der Astronomie sicherlich richtig. Gerade die Verbindung von Mensch, Natur und Technik macht einen umfassenden Reiz aus.
Dann ist noch zwischen erwachsenen und jugendlichen Teilnehmern zu unterscheiden. Erwachsene kommen zu einem Kurs, weil sie freiwillig etwas dazulernen möchten (Abb. 1).
Sie reflektieren das Gelernte, vergleichen mit ihrem eigenen Erfahrungsschatz, stellen Verständnisfragen oder weiterführende Fragen. Erwachsene haben einen gewissen Anspruch an die Inhalte, die Vermittlung und an den Dozenten, zumal wenn sie für den Kurs bezahlt haben. Kinder und Jugendliche (10 bis 16 Jahre) kommen meist freiwillig zu einem so speziellen Kurs, manchmal werden sie vielleicht aber auch nur von den Eltern geschickt. Ganz ungünstig sind komplette Schulklassen, die womöglich mehrere, ganz verschiedene Aktivitäten am selben Tag ,,durchmachen". Dabei erlebe ich nur etwa 10% Interessierte, 80% Gleichgültige und 10% Störer, die auch von ihren anwesenden Lehrern kaum gebändigt werden können.
Auch freiwillig teilnehmende Kinder und Jugendliche wollen heutzutage kontinuierlich beschäftigt werden, haken die
2 Praktische Beobachtung mit Jugendlichen
gestellten kleinen Aufgaben aber leider meistens nur ab, langweilen sich dann schnell wieder und sind sehr leicht abgelenkt. Die Aufmerksamkeitsspanne heutiger Kinder und Jugendlicher habe ich als sehr kurz erfahren, etwa zwischen 30 Sekunden und zwei Minuten. Doch es gibt auch einige positive Ausnahmen, z.B. wenn eine hochbegabte 12-Jährige, die schon eine Klasse übersprungen hat, allen anderen gegenüber sehr sozial, umgänglich und hilfsbereit ist, und überzeugend von sich sagt: ,,Ich will Astronautin werden". Rückmeldungen von Eltern, dass meine ehemaligen Kursteilnehmer auch später noch ganz oft die von mir im Kurs verteilten Forscherhefte in die Hand nehmen, machen mir Hoffnung.
Das Anti-Bild lernte ich in den ausschließlich auf ihr Smartphone fokussierten Zeitgenossen kennen, die sich nur noch auf ihr Auto-Navi verlassen, sich selber keine Route mehr merken können oder wollen, die ein Event eher auf dem Bildschirm verfolgen als direkt live vor ihnen. Vielleicht haben sie sogar eine Planetariums-App installiert, aber ... Original-Zitat: ,,Durchs Teleskop kucken? Nein danke, brauche ich nicht, hab ich hier alles auf meinem Handy." Falls es gelingt, auch solche Smartphone-Benutzer zur Teleskop-Beobachtung zu be-
wegen, entfährt den meisten dann aber doch ein ,,Boah, ist das echt?"
Hürde 2: Der Wissensstand Vier verschiedene Wissensstufen mache ich bei den Teilnehmern aus. Die ,,absoluten Anfänger" finden vielleicht den Großen Wagen am Himmel und erkennen verschiedene Mondphasen, dann hört es aber auch schon auf. Dennoch haben sie die Neugier, einmal mehr über die vielen kleinen leuchtenden Punkte über ihren Köpfen zu erfahren, sich etwas besser am Himmel zurechtzufinden und einige Grundlagen zu verstehen. Diese Anfänger sind mit einem Fernglas, einer drehbaren Sternkarte und dem Himmelsjahr als Ausrüstung sicherlich gut ausgestattet (Abb. 2).
Die Teilnehmer mit ,,etwas Erfahrung" haben schon einmal durch ein Teleskop geschaut, haben vielleicht selber eines unbenutzt im Schrank liegen, waren bereits in einer Sternwarte oder in einem Planetarium. Vielleicht finden sie jetzt endlich die Zeit, sich als Wiedereinsteiger mit ihrem alten Interesse zu befassen. Diese ,,etwas Erfahrenen" ermutige ich, ihr altes Instrumentarium wieder in Schwung zu bringen oder empfehle ihnen ein Reiseteleskop. Durch die erschwingliche Verfügbarkeit digitaler
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3 Der Autor mit seinem Celestron 9
Kameras entsteht bei einigen von ihnen natürlich auch der Wunsch, den Sternenhimmel fotografisch festzuhalten. Denen kann man ruhende Aufnahmen vom Stativ, Piggybackaufnahmen oder auch Teleskopaufnahmen von Mond, Jupiter und Saturn beibringen.
Auch ,,Amateurastronomen" finden sich gelegentlich unter den Teilnehmern. Sie können ihr eigenes Teleskop bedienen und haben evtl. schon ein paar Astrofotos gemacht. Sie haben meist Detailfragen zu Adaptern, Ausrüstung oder möchten wissen, wie sie ihre Astrofotos verbessern können. Mit gezielten Tipps, kleinen Kaufberatungen mit Preisangaben und entsprechenden Links zu Ausrüstungsanbietern kann den ,,Amateurastronomen" meist geholfen werden.
Die vierte Gruppe von Teilnehmern fasse ich unter ,,Sonderfälle" zusammen. Da ist der hochbegabte 10-Jährige, der sofort verkündet, dass er theoretischer Astrophysiker werden will, mit Bruchstücken von hochaktuellem Fachwissen zusammenhangslos die anderen Teilnehmer verblüfft, es aber leider nicht schafft, sich ein paar Minuten auf einfache Aufgaben wie das Ausschneiden einer dreh-
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baren Sternkarte zu konzentrieren. Oder die Kursteilnehmerin, die grundsätzlich alle neu angebotenen Kurse einer VHS besucht und von der VHS-Leitung schon als ,,anstrengend" angekündigt wurde. Mit etwas Geduld und einer ,,langen Leine" gelingt es, auch solchen Kursteilnehmern etwas von der Faszination der Astronomie zu vermitteln.
Durch eine kurze Vorstellungsrunde zu Beginn der Kurse lassen sich die Teilnehmer den Wissensstufen gut zuordnen, meist gibt es hier auch schon erste Hinweise zu den ,,brennenden" Fragen. Dabei kann man auch die Berufe der Kursteilnehmer erfragen, bisher war bei mir ein weites Spektrum vertreten: Schreiner, Rentner, Ingenieur, Hausfrau, Augenoptikerin, Arzt, mittelständischer Unternehmer, Arbeitsloser, Student, etc.
Info: 2001 verkaufte Tchibo etwa 100.000 (leider qualitativ sehr mäßig ausgestattete) Anfängerteleskope. In einer Umfrage von Stellarium (Sonderheft 2/2012) heißt es, dass fünf Millionen Teleskope in deutschen Haushalten stehen, 20 Millionen Bürger ein Teleskop kaufen würden und 50 Millionen schon einmal ein Planetarium oder eine Sternwarte besucht haben. Das Planetarium Münster
hat etwa 107.000, das in Bochum etwa 200.000 Besucher pro Jahr. Die meisten der heimischen Teleskope stehen sicherlich unbenutzt herum, da die Benutzung nicht so selbsterklärend ist und Himmelso bjekte, bis auf den Mond, ohne Anleitung gar nicht so einfach zu finden und zu beobachten sind. Auch Größe und Detailreichtum der Objekte leiden natürlich unter den kleinen Teleskopöffnungen, der meist schlechten Materialqualität und den enttäuschten, falschen Erwartungen, die die Bilder auf den Verpackungskartons erwecken.
Astronomie ist eher ein Männerhobby (ca. 80 %) und ich vermute folgende Gründe: Man beschäftigt sich mit einer Naturwissenschaft; Kenntnisse in Technik, Mechanik, Elektronik kommen noch hinzu. Zum Fotografieren sind Kameras, Computer und entsprechende Kenntnisse notwendig. Man beobachtet meist alleine, kommuniziert wenig bis gar nicht, sitzt meist relativ bewegungslos draußen, nachts im Dunkeln, in Kälte und evtl. Feuchtigkeit. Die ,,Ausbeute" besteht oft aus vielen hellen Pünktchen auf schwarzem Hintergrund, diese Bilder interessieren meist nur andere ,,Eingeweihte" und ähneln einem typischen Sammlerhobby wie Briefmarken oder Münzen.
Die Astronomieeinsteiger: - haben Fragen aus der aktuellen Presse:
Wann und wo ist Komet ISON zu sehen? Trifft der uns? - stellen Basisfragen: Was ist ein Komet? Wie kommt es zu einer Sonnenfinsternis? Wann ist die nächste? Ist die Sonne ein Stern? Wo ist das nächste Planetarium/Sternwarte? - haben Fragen zu ihrem eigenen Teleskop im Schrank: Wie funktioniert das? Wie benutzt man das richtig? Was kann ich damit sehen? Wie weit kann ich damit sehen?
Durch die fehlende astronomische Bildung in den Unterrichtsplänen der Schulen in Westdeutschland haben sie meistens leider nur ein Halbwissen: - sie finden den großen Wagen, aber:
Wie findet man den Polarstern und wo ist Norden? - sie kennen die vier Himmelsrichtungen, können sie aber nur mit dem Merkspruch ,,Nie Ohne Seife Waschen" zuordnen.
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- sie erkennen verschiedene Mondphasen, wissen aber nicht, ob es eine zunehmende oder abnehmende Phase ist und kennen das Zustandekommen nicht.
- sie haben schon vom Morgen- und Abendstern gehört, wissen aber nicht, was das ist und wie diese Erscheinung zustande kommt.
- sie wissen, dass Mars, Jupiter und Saturn Planeten sind, kennen aber den Unterschied zwischen Planeten und Sternen nicht, kennen die Reihenfolge der Planeten im Sonnensystem nicht.
Durch astronomische Berichte in der Presse und im TV haben sie gelegentlich erstaunliches ,,Überschriftenwissen": - Pluto ist kein Planet, aber: Was ist er
denn jetzt und warum? Ist er noch da? - Schwarze Löcher verschlingen alles,
aber: Was ist ein Schwarzes Loch? - alles begann mit dem Urknall, aber:
Wo ist der ,,mittlere Ausgangspunkt"? All dieses Halbwissen ist den Teilnehmern nicht anzulasten. Es geht nun mal um Dinge, die man für das alltägliche Leben nicht unbedingt braucht. Durch Uhren und Computer ist der Mensch in der modernen Zivilisation nicht mehr zwingend auf die Beobachtung des jährlichen und täglichen Sonnen- und Mondlaufs angewiesen. Doch mit dem Fehlen der Notwendigkeit elementarer Naturbeobachtungen ist das Bewusstsein für diese Jahrtausende alte Kulturtätigkeit, das sinnstiftende Element einer bewussten Gestirnsbeobachtung und das damit ver-
bundene Sinneserlebnis verloren gegangen. Der moderne Mensch lebt somit in weitgehender Unkenntnis über den Kosmos, von dem er doch ein Teil ist.
Presse- und TV-Berichte sind auch oft zu aufgeblasen, so dass man sich von dieser ,,fremden" Materie gar nicht alle Details und Zusammenhänge merken kann. Aber genau dieses Halbwissen kann man in Astronomiekursen gut etwas auffüllen und durch eigene Erfahrungen (Abb. 3) den Teilnehmern verständlich und erinnerbar machen.
Im nächsten Teil geht es weiter mit der Vorstellung der Hürden ,,selber aktiv werden", ,,Wetter und Zeit" sowie ,,der Dozent".
Zeichnung trifft Fotografie
von Jens Leich
Bis zur Entwicklung der Fotografie war das Zeichnen lange die einzige Möglichkeit, Objekte im wahrsten Sinne des Wortes ,,im Bild" festzuhalten. Der rasante technische Fortschritt auf dem Gebiet der digitalen Fotografie in den letzten Jahren hat das Zeichnen mehr oder weniger in den Hintergrund verdrängt - zu Unrecht, übt doch gerade das Zeichnen die Wahrnehmung von Details und stellt eine ganz persönliche Abbildung eines Objekts dar. Mit dem Zeichnen ist jedoch weniger ein künstlicher noch ein künstlerischer ,,Freiraum" gemeint, sondern der Versuch, das Objekt möglichst naturgetreu wiederzugeben.
Der Astrofotograf von heute besitzt mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln ein gewaltiges Potenzial, um hochwertiges Bildmaterial zu erzeugen. Die digitalen Medien werden geradezu überschwemmt mit einer Fülle an Bildern. Nicht jeder hat die finanziellen Mittel, in diese mächtigen ,,Werkzeuge" und in das ,,Drumherum" zu investieren. Und mit dem gewonnenen Rohmaterial fängt die Arbeit erst an, denn das Bild möchte in der digitalen Dunkelkammer am Schreibtisch erst veredelt werden. Zeichnungen findet man dagegen eher seltener, sie schlummern in versteckten Ecken. Eine Zeichnung entsteht ,,just in
1 Zeichnung der Mondgegend um den Krater Hevelius (a), dazu die Kraternamen (b).
time" und gibt den Moment der individuellen Wahrnehmung wider. Beiden - sowohl Fotografen als auch visuellen Beobachtern - stehen hochpräzise Geräte zur Verfügung und der visuelle Beobachter ist mitunter in der Halbmeter-Klasse unterwegs und investiert in Öffnung statt in fotografische Technik. Beide Disziplinen müssen sich aber nicht ausschließen.
Das Ziel dieses Artikels ist es, Zeichnung und Fotografie eines astronomischen Objekts (sei es Sonne, Mond, Planet oder Deep-Sky-Objekt) gegenüberzustellen
und damit eine Brücke zwischen der visuellen und der fotografischen Objektwahrnehmung zu schlagen, um damit eine mögliche neue Rubrik anzubieten. Gleichzeitig möchte ich anregen, wieder einmal das Auge am Okular sowie Papier und Zeichenstift zu bemühen, um ein astronomisches Objekt festzuhalten.
Als Beispiel zeige ich zunächst je eine Zeichnung und eine entsprechend aus Videoaufnahmen gestackte Fotografie zweier unterschiedlicher Mondkrater. Sie stammen in diesem Fall von mir, also
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BAmeoabtaecuhrtelrefoskruompe / Selbstbau
2 Foto aus einer Videosequenz der gleichen Mondgegend,
30 Minuten später aufgenommen.
3 Zeichnung der Umgebung von Aristarchus.
4
Foto aus einer Videosequenz vom AristarchusGebiet (a), dazu die Kraternamen (b).
vom gleichen Autor, das soll aber nicht Voraussetzung sein! Bild und Zeichnung können auch von unterschiedlichen Autoren kommen. Beide Mondbeobachtungen erfolgten bei fortgeschrittener Mondphase, und zwar im Dezember 2013 und knapp vier Wochen später im Januar 2014. Beobachtungsinstrument war ein Apochromat von Astrophysics mit 130 Millimeter Öffnung, montiert auf einer Mach1 GTO, ebenfalls von Astrophysics. Das Gerät ist fest montiert in einer Rolldachhütte. Die gezeigten Zeichnungen sind meine ersten Mondzeichnungen. Die Fotografien entstanden am selben Gerät mit einer CCD-Kamera TIS DMK21AU618.AS, bestückt mit einem IRPassfilter von Baader. Als Projektionsoptik bzw. Brennweitenverlängerung diente ein Flatfield-Korrektor (FFC) von Baader.
Abbildung 1a zeigt eine Zeichnung der Mondgegend um den Krater Hevelius am 15.12.2013. Beobachtet wurde zwischen 21:11 und 21:50 Uhr UT an einem 10-Millimeter-Okular (Delos von Televue). Als Projektiv diente das FFC von Baader. Die Vergrößerung betrug damit
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etwa 200-fach. In Abb. 1b sind die Kraternamen in der Zeichnung hinzugefügt. Als Pendant entstand rund 30 Minuten nach der Zeichnung ein Foto der gleichen Mondgegend, aufgenommen mit der o.g. DMK-Kamera (Abb. 2).
Abb. 3 ist eine Zeichnung der Umgebung von Aristarchus am 12.01.2014. Wolken und relativ schlechtes Seeing erschwerten die Beobachtung. Diesmal kam ein orthoskopisches 5-Millimeter-Okular von Baader zum Einsatz, die Vergrößerung lag bei rund 168-fach. Gezeichnet wurde zwischen 18:08 und 18:32 Uhr UT. Die um 19:01 Uhr UT erstellte Videosequenz (Abb. 4a) gelang unter etwas besseren Luftverhältnissen. Abb. 4b zeigt die Kraternamen dieser Mondregion.
Gnadenlos objektiv zeigt die Fotografie Proportion und Position einzelner Details. Im Gegensatz dazu sind die Elemente auf der Zeichnung mehr oder weniger fixiert, da aufgrund der sich ändernden Beleuchtungsverhältnisse am Terminator wenig Zeit für umfangreiche Korrekturen verbleibt. Jeder mag Bild
und Zeichnung genauer betrachten und wird signifikante Unterschiede erkennen, aber auch einige Gemeinsamkeiten. Das Zeichnen von Kraterlandschaften am Terminator erweist sich als Herausforderung, da sich die Lichtverhältnisse und damit Details in den 39 bzw. 24 Minuten der Zeichnungen teilweise erheblich verändern. Die Fotografie friert dagegen den zum Zeitpunkt der Aufnahme vorhandenen Beleuchtungszustand ein. Bewusst habe ich die Zeichnungen zuerst angefertigt, um nicht Details in den Videos unbewusst mit in die Zeichnung zu überführen.
Wenn der interessierte Leser an solchen Gegenüberstellungen interessiert ist und mehr davon sehen möchte, freue ich mich über ein Feedback. Unter meiner E-Mail-Adresse starfire5@gmx.de können auch Objektvorschläge (Zeichnung und/oder Foto mit einer Beschreibung zu Instrument und Bilddaten) eingereicht werden.
Viel Spaß beim Mitmachen!
Rezension
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Ein Lebenstraum für Astronomen
von Astrid Gallus
Bibliographische Daten: Ronald Stoyan, Stephan Schurig: interstellarum Deep Sky Atlas 114 Doppelseiten, Buchformat: 26 x 28 cm, Spiralbindung, Oculum Verlag, 2013, ISBN: 978-3-938469-61-3; Preis: 79,90
Nun ist er da. Ein Lebenstraum hat sich für die zwei Autoren erfüllt. Seit sie Sterne beobachten und mit Sternatlanten arbeiten, war es ihr Traum, einen Sternatlas zu schaffen, der allen, auch allerhöchsten Beobachtungsansprüchen genügen soll. Lange zehn Jahre haben Ronald Stoyan und Stephan Schurig an diesem Projekt gearbeitet, bis sie es umgesetzt hatten und den ,,interstellarum Deep Sky Altlas" als eine neue Dimension der Himmelskartografie vorstellen konnten.
Die Darstellung ist systematisch einheitlich für alle Deep-Sky-Objekte: Dicke Umrandung und kräftige Farbfüllung bedeuten, dass das Objekt mit dem Vierzöller zu sehen ist. Mittlere Umrandung und schwächere Farbfüllung gelten für die Achtzöller, ganz zarte Umrandung und schwache Farbfüllung sind dem Zwölfzöller zugedacht. Es gibt noch eine vierte Kategorie, die über den Zwölfzöller hinausgeht. Diese ist aber nur wenigen zugänglich und farblos dargestellt.
In der Tat hält man schon vom Format her einen völlig neuen Atlas in den Händen: Er ist fast quadratisch und damit ungewöhnlich für einen Atlanten. Er enthält in einem Band den kompletten Nord- und Südhimmel. Die robuste Spiralbindung und die hoch qualitative Verarbeitung zeigen gleich, dass der Atlas für den tatsächlichen Gebrauch am Teleskop konzipiert worden ist. Der Atlas ist durchgehend farbig und randlos bedruckt, was das Lesen sehr angenehm macht; durch die Spiralbindung liegt jede Seite glatt auf. Nach Osten blättert man nach links, nach Westen analog nach rechts; Übersichtskarten nach Jahreszeiten, Seitenregister nach Deklination und Rektaszension sowie ein Index nach Objektbezeichnungen erleichtern das Auffinden von Objekten. Der Maßstab beträgt 1,5 Zentimeter pro Grad. Die Karten sind großzügig, zwei Grad überlappend angelegt. Sterne sind bis zur elften Größe abgebildet. Alle bekannten Eigennamen von Sternen und Deep-SkyObjekten sind enthalten.
Das Grundkonzept der Autoren und die revolutionäre Erneuerung sind die Ausrichtung auf die tatsächliche visuelle Sichtbarkeit der Objekte! Hierfür wurden drei Kategorien geschaffen, analog zu den klassischen Teleskopöffnungen vom Vierzöller über den Achtzöller bis hin zum Zwölfzöller. Tatsächlich erkennt man sofort aufgrund der ebenfalls dreifach unterschiedlichen Darstellungen, welches Objekt man mit seinem Teleskop auffinden kann und welches unerreichbar bleibt. Das erspart dem Anfänger viel Frust und erleichtert dem erfahrenen Beobachter die Auswahl seines Objektes.
Geradezu genial ist die Umrandungs- und Farbauswahl bei den Nebeln. Der Atlas unterscheidet zwischen Dunkelnebeln, Planetarischen Nebeln, Reflexions- und Emissionsnebeln, die beiden Letzteren werden Galaktische Nebel genannt: Zum Beispiel erkennt der Betrachter bei den Galaktischen Nebeln auf einen Blick, ob es sich um einen Staub (blau)- oder Wasserstoffnebel (rot) handelt. Also ganz nebenbei ein wenig Basisphysik. Die erläuternde Lektüre zur Natur des Nebels entfällt! Planetarische Nebel haben das übliche Symbol. In diesem Atlas sind sie grün dargestellt und wie alle Deep-Sky-Objekte, in den verschiedenen Farbabstufungen und Umrandungen für die entsprechenden Öffnungen gezeichnet. Die Dunkelnebel sind grau in den analogen Schattierungen. Das ist wirklich ein Geniestreich und eigentlich doch so simpel. Wieso ist früher niemand darauf gekommen?
Das also ist wirklich neu. Aber das ist noch nicht alles: Im ,,interstellarum Deep Sky Atlas" sind die Umrisse von DeepSky-Objekten so dargestellt, wie sie das menschliche Auge am Okular sieht und nicht, wie sie fotografisch erscheinen. Hinzu kommen Filterempfehlungen! Es sind tatsächlich für alle Emissionsnebel Symbole für OIII-Filter oder UHC-Filter etc. eingedruckt.
Überdies werden bei der Darstellung von Doppel- und Mehrfachsternen vollkommen neue Wege beschritten: Die Doppelsterne haben einen Strich erhalten. Der Strich hat drei verschiedene Längen und Stärken und inkludiert sogar die Winkelposition. Also: Die Richtung des Strich-
symbols zeigt den Winkel zum Partner an, seine Dicke die Helligkeitsunterschiede und seine Länge den Abstand. Clever, oder? Auch hier wieder: Es sind alle wichtigen Komponenten bei Doppelsternen auf einen Blick erkennbar.
Ausgewählte 1168 veränderliche Sterne sind mit ihren Katalognamen versehen und zweifach dargestellt: Einmal mit ihrer minimalen und dann mit ihrer maximalen Helligkeit. Also auch hier ist der Helligkeitsunterschied, also das, worauf es bei veränderlichen Sternen ankommt, sofort visuell fassbar.
Die Autoren sprechen von Klasse statt Masse: Sie haben im Vergleich zu anderen Atlanten viele Objekte weggelassen, wenn diese nicht visuell sichtbar sind, zeigen aber, was tatsächlich mit dem Auge wahrnehmbar ist, und das sind schlappe 14.835 Deep-Sky-Objekte! Darunter sind: 1903 Offene Sternhaufen, 181 Kugelsternhaufen, 536 Sternmuster, 58 Sternwolken, 755 Planetarische Nebel, 530 Galaktische Nebel, 526 Dunkelnebel, 9599 Galaxien, 508 Galaxiengruppen, 117 Galaxienhaufen und: 122 Quasare! Ein weiteres Highlight und vollkommen neu: Fans fremder Welten finden 371 Sterne, bei denen mindestens ein planetarer Begleiter sicher nachgewiesen ist. Hierfür wurde sogar ein neues, hübsches Symbol entwickelt.
Für diese Deep-Sky-Objekte, aber auch für die Doppelsterne (2.950 Doppel- und Mehrfachsterne) und für die veränderlichen Sterne wurden alle bekannten aktuellen Kataloge komplett verwendet. Die Deep-Sky-Liste mit ihrer Auswertung tatsächlicher Beobachtungen sowie die Software ,,Eye & Telescope" und ein eigener Algorithmus ergänzen diese Kataloge um die visuell tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten. Entstanden ist ein vollkommen neu ausgerichteter Atlas, der die Qualität und den Spaß beim Beobachten nicht nur erhöhen, sondern revolutionieren wird.
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