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Inhaltsverzeichnis VdS-Journal Nr. 92
1 Editorial
Nach Redaktionsschluss
4 Hinweise zur Beitragsrechnung für das Kalenderjahr 2025
5 Astronomietag am 29. März 2025
Schwerpunktthema: Offene Sternhaufen
6 Robert Julius Trümpler und seine Klassifizierung offener Sternhaufen
7 Bilderstrecke zum Schwerpunktthema "offene Sternhaufen"
16 Das Farbenhelligkeitsdiagramm für offene Sternhaufen (Teil 1)
20 Offene Sternhaufen: Dynamik im Kosmos selbst berechnet
22 Das dynamische Alter von offenen Sternhaufen
26 Schicksal eines offenen Sternhaufens mit 250 Sternen - ein Rechenbeispiel
28 Simulation von Kugelsternhaufen
31 Simulation und Wirklichkeit - Uuml;bergang von Modell-Einheiten auf astronomische Einheiten
Fachgruppenbeiträge
Amateurteleskope/Selbstbau
32 Die spannungsvolle Brotdose
34 Selbstbau einer Gartensternwarte
Astrofotografie
38 Lichtschwache Reflexionsnebel: eine fotografische Uuml;bersicht mit Hintergrundinformationen (Teil 2)
46 Der gesamte Himmel mit dem Normalobjektiv
Astrophysik/Algorithmen
51 Astronomische Berechnungen mit der Python-Bibliothek Skyfield
Atmosphärische Erscheinungen
54 Prachtexemplar eines Zirkumhorizontalbogens
Deep Sky
56 Visuelle Polarisationsbeobachtungen an Deep-Sky-Objekten
Jugendarbeit
60 Du bist in einer Astronomie-Jugendgruppe aktiv?
Kleine Planeten
60 Kosmische Begegnungen
Kometen
64 Bedeutende Kometen des zweiten Quartals 2024
66 Zwei Kometen während der Sonnenfinsternis!
Meteore
68 Visuelle Grenzhelligkeiten am Nacht -und Taghimmel - Modellierung und Beobachtungen
Planeten
74 Eine Aufnahme von Saturn mit Schattenwurf von Rhea
76 Saturnbedeckung durch den Mond am 21. August 2024
Radioastronomie
80 Flares in der Hα-Sonnenfotografie und VLF-Radio am Beispiel der AR3664 und AR3697
85 Beobachtung von Sonneneruptionen mit einem Ofenrohr-Interferometer im Mai 2024
Sonne
90 Polarisationsaufnahmen der Korona während der Sonnenfinsternis vom 8.4.2024
Spektroskopie
Sternbedeckungen
96 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 1. Quartal 2025
Veränderliche
99 Gaia-Missionsende: ESA ruft zu Amateurmessungen auf
101 PGC 61965 (Wild’s Variable Object)
VdS-Nachrichten
104 Bericht aus dem Vorstand
105 Wir begrüßen neue Mitlglieder
Impressium
88 Der PN VV 47 alias JnEr 1
105 ?
Service
106 Himmelsvorschau Februar 2025 -April 2025
Beobachterforum
109 Schwarze Sonne über Texas
Rezension
114 "Asteroiden", von Thomas Hebbeker
Vorschau
115 Vorschau auf astronomische Veranstaltungen Januar bis April 2025
Hinweise
116 Autorenverzeichnis
117 VdS-Fachgruppenredakteure, VdS-Fachgruppenverantwortliche
118 Wichtige Informationen für unsere Mitglieder!
119 Impressum
119 Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
119 Inserentenverzeichnis
Textinhalt des Journals 92
Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software.
Der Text ist nicht formatiert, Bildunterschriften sind irgendwo im Text eingefügt.
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Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 3
Nach Redaktionsschluss
Mitgliedsbeiträge und Bezugskosten von ,,Sterne und Weltraum"
von Uwe Pilz, VdS-Vorsitzender
Die Mitgliedsbeiträge für 2025 bleiben auf Beschluss der Mitgliederversammlung vom 18. November 2023 unverändert. Mitglieder, die jünger als 30 Jahre sind, können weiterhin die Möglichkeit einer kostenlosen Mitgliedschaft nutzen, in der das ,,VdS-Journal für Astronomie" aber nur als PDF-Datei enthalten ist. Alle anderen Mitglieder erhalten unsere Vereinszeitschrift wie gehabt als gedrucktes Heft.
Die Mitgliedsbeiträge für 2025 betragen:
Normalbeitrag Inland und EU:
40,00
Normalbeitrag außerhalb der EU: 45,00
Ermäßigter Beitrag Inland und EU: 25,00
Ermäßigter Beitrag außerhalb EU: 30,00
VdS-Mitglieder können die monatlich erscheinende Zeitschrift ,,Sterne und Weltraum" zu deutlich ermäßigten Bezugskosten über die VdS abonnieren. Ab der Ausgabe 06/2024 wurden die Preise vom Spektrum Verlag wie folgt mitgeteilt:
Die Bezugskosten 2025 für ,,Sterne und Weltraum" betragen:
Abo Inland:
110,40
Abo Inland ermäßigt: 85,80
Abo Ausland:
122,40
Abo Ausland ermäßigt: 97,80
für VdS-Mitglieder: 82,20 für VdS-Mitglieder: 70,80 für VdS-Mitglieder: 94,20 für VdS-Mitglieder: 82,80
Hinweise zur Beitragsrechnung für das Kalenderjahr 2025
von Dr. Andreas Klug, VdS-Vorstand
Dieser Ausgabe des Journals ist wieder eine Beitragsrechnung beigefügt. Der Versand des Journals erfolgte in einer Fensterversandtasche, dabei diente das Adressfeld auf der Beitragsrechnung gleichzeitig dem Versand. Wer diese Hinweise liest, hat auch eine Beitragsrechnung erhalten.
Bitte gleichen Sie den Betrag der Beitragsrechnung möglichst umgehend aus, idealerweise indem Sie uns eine Lastschriftvollmacht erteilen. Soweit eine Lastschriftvollmacht vorliegt, ist dies auf der Rechnung vermerkt. Sollten Sie tatsächlich noch zu den Selbstzahlern gehören, geben Sie bei Ihrer Zahlung bitte unbedingt Ihre Mitgliedsnummer an.
Bei SEPA-Überweisungen sind folgende Angaben notwendig: Sparkasse Starkenburg IBAN = DE79 5095 1469 0000 0117 45 BIC/SWIFT-Code = HELADEF1HEP
Die große Mehrheit der Sternfreunde vertraut uns und hat uns eine Einzugsermächtigung erteilt - bitte schließen Sie sich denen an, das macht uns die Arbeit in der Geschäftsstelle erheblich einfacher - danke!
Um die Beiträge in der Steuererklärung geltend zu machen, bedarf es keiner gesonderten Zuwendungsbestätigung. Bis zu einem Betrag (Beitrag/Spende) von nicht mehr als 300,00 reicht der Zahlungsnachweis in Verbindung mit der auf der Beitragsrechnung abgedruckten Bestätigung.
Bei Fragen im Zusammenhang mit der Beitragszahlung können Sie sich per E-Mail unter schatzmeister@sternfreunde.de direkt an mich wenden. Bitte geben Sie dabei eine Telefonnummer an, da sich viele Fragen telefonisch schneller klären lassen.
Sollen die Beiträge ab 2025 eingezogen werden, kann das Lastschriftverfahren vereinbart werden. Setzen Sie sich in diesem Fall bitte mit der Geschäftsstelle in Verbindung bzw. nutzen Sie den Anhang zur Beitragsrechnung. Lastschrifteneinzüge werden dann schon für das Beitragsjahr 2025 ausgeführt.
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Nach Redaktionsschluss
Astronomietag
am 29. März 2025
Liebe Sternfreunde,
der Astronomietag wird in diesem Jahr am 29. März stattfinden. An diesem Tag bitten wir Sternwarten, Planetarien, Vereine und natürlich alle Amateure, der Allgemeinheit den Sternhimmel nahezubringen. Von der Straßenastronomie à la John Dobson über einen Vortragsabend bis hin zu einem Livestream ist alles möglich. Selbst werde ich wohl einen Vortrag in einer Sternwarte in meiner Nähe halten und dann bei der gemeinsamen Beobachtung helfen.
Der Termin liegt nur ein knappes halbes Jahr nach dem letzten solchen Tag im Oktober. Es ist aber wichtig, den Tag in verschiedene Jahreszeiten zu legen. Und es gibt etwas Besonderes diesmal: Eine Sonnenfinsternis! Dies ist eine partielle, nirgends auf der Welt ist sie total oder ringförmig. Es gibt also viel weniger Anlass zu reisen, und wir sollten lieber dieses schöne Ereignis unseren Mitmenschen hierzulande nahebringen. Die einfachsten Hilfsmittel genügen: Eine Finsternisbrille oder die Projektion mit einem Fernglas reichen aus. Das Ereignis dauert etwa 90 Minuten, das Maximum ist gegen 12:15 Uhr MEZ.
Jupiter und Mars stehen hoch am Westhimmel. Diese beiden Planeten sind so hell, dass sie in der hellen Dämmerung aufgesucht werden können: Bereits eine knappe Stunde nach Sonnenuntergang ist der Kontrast ausreichend, auch für kleine Instrumente. Beide Planeten stehen ziemlich hoch, so dass wir nicht mit der Luftunruhe zu kämpfen haben.
Zuerst sollte man Jupiter einstellen, der sich zeitiger gen Horizont neigt. Es gibt Mond-Ereignisse, das kleinste Teleskop genügt zur Sichtung. Zunächst sind Ganymed und Kallisto leicht zu sehen, Io wird vom Jupiter bedeckt und Europa steht vor der Jupiterscheibe, in der Nähe des Großen Roten Flecks. Gegen 20:30 Uhr MEZ verschwindet der Mond Ganymed hinter der Jupiterscheibe, so dass nur ein Mond übrigbleibt! Gegen 21 Uhr taucht Io wieder auf, gegen 21:50 Uhr verlässt Europa die Jupiterscheibe. In diesen letzten Minuten des Transits ist er gut zu sehen, weil die Jupiterscheibe am Rand dunkler ist und der Mond sich gut abhebt. Während dieser ganzen Zeit wandert Jupiter dem Horizont zu, steht aber am Ende dieser kleinen Ereignis-
Serie noch 25 Grad hoch. Ich erinnere daran, dass Galileo Galilei durch das Spiel der Monde in der Idee des heliozentrischen Weltbildes bestärkt wurde. An diesem Abend kann das jeder eurer Besucher und Gäste nachvollziehen.
Mars bildet Ende März mit Kastor und Pollux einen ,,dritten Zwilling". Auf diese offensichtliche Veränderung des Sternbildes solltet ihr alle hinweisen. Der Planet ist zwar nur knapp neun Bogensekunden groß, dafür steht das kontrastreichste Detail, die Große Syrte zu Anfang der Nacht im Meridian. In Instrumenten ab 10 cm Öffnung könnt ihr diese sicherlich entdecken. Vielleicht entdeckt ihr mit einem Blaufilter auch die Polhaube, unter welcher sich die neue Polkappe bildet. Der Planet hat mehr als zwei Monate nach der Opposition bereits eine deutliche Phase. Auch dies ist wieder ein Hinweis auf den Aufbau unseres Planetensystems mit der Sonne im Zentrum.
Die Nebelobjekte des Himmels lassen sich dieses Mal ungetrübt durch den Mond vorführen. Zunächst steht die Wintermilchstraße hoch am Himmel. Die Messier-Sternhaufen in den Zwillingen und im Fuhrmann setzen sich auch gegen das Licht der Städte durch. Am Südosthimmel erhebt sich der Löwe und bietet einen Blick auf die vielen Galaxien! Was will man mehr. Ich freue mich darauf! Euer Uwe Pilz
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Offene Sternhaufen
Zum Schwerpunktthema: Offene Sternhaufen
Liebe Sternfreunde,
das ist das erste Mal, dass ein Schwerpunktthema unter der Hoheit der Fachgruppe Astrophysik und Algorithmen steht. Es geht also recht theoretisch zu im ersten Teil des Heftes. Auch denen, welchen diese theoretischen Themen fernliegen, empfehle ich den Aufsatz auf Seite 26 ,,Schicksal eines offenen Sternhaufens mit 250 Sternen - ein Rechenbeispiel".
Hier führe ich illustriert vor, wie weit man mit diesen rein theoretischen Untersuchungen kommt. Das alles hat seine Grenzen, und auch diese werden angesprochen.
Wer Freude daran hat mitzurechnen, für den gibt es wie immer ein Python-Programm im Heft. Es ist recht kurz und (aus meiner Sicht) übersichtlich, so dass ihr damit experimentieren könnt. Ich würde mich freuen, wenn ich etwas über eure Erfahrungen und Ergebnisse erführe, als private Mail oder bei uns im Forum.
Ich danke Peter Riepe sehr, der die praktische Seite zum Schwerpunktthema beigefügt hat: Eine Bilderschau von Sternhaufen in unterschiedlichen Entwicklungszuständen und die Kennzeichnung der Haufen durch das Farben-Helligkeitsdiagramm. Viel Freude beim Lesen, euer Uwe Pilz.
Robert Julius Trümpler und seine Klassifizierung offener Sternhaufen
von Peter Riepe
Der Schweizer Robert Julius Trümpler, geboren 1886 in Zürich, dort auch promoviert, nahm 1915, während des ersten Weltkriegs, eine Anstellung als Astronom in den Vereinigten Staaten an. Ab da schrieb er sich dann ,,Trumpler", da die Amerikaner keine Umlaute ä, ö und ü kennen und diese auch nicht aussprechen können. 1921 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Astronomisch erstreckte sich sein Wirken auf das Allegheny Observatory in Pittsburgh und das Lick Observatory in Kalifornien. Das Lick Observatory ist der University of California in Berkeley/Kalifornien angeschlossen, wo Trumpler als Professor arbeitete. Eines seiner wichtigsten Forschungsgebiete war die interstellare Absorption.
Eine Publikation ist bis heute bekannt geblieben: ,,Preliminary results on the distances, dimensions and space distribution
of open star clusters", erschienen im Lick Observatory Bulletin No. 420, Berkeley: University of California Press (1930), p. 154-188. Darin beschreibt er im Kapitel 4 seine Klassifikation der Sternhaufen gemäß ihrem äußeren Erscheinungsbild. Trümpler verstarb 1956, fünf Jahre nach seiner Emeritierung, im Alter von 70 Jahren in Berkeley.
Was beschreibt Robert Julius Trumpler in seinem vorweg genannten Bericht? Seine Klassifizierung besteht aus drei Zeichen, z. B. ,,III2r". Das erste Zeichen ist eine römische Zahl zwischen I und IV. Sie stellt eine Angabe zur Haufenkonzentration dar. Daraus lässt sich dann auch beurteilen, wie gut sich der Sternhaufen vom Sternenhintergrund abhebt.
I: Er hebt sich mit starker zentraler Konzentration vom Sternenhintergrund ab, II: hebt sich ab mit geringer Konzentration,
III: hebt sich ab, aber ohne erkennbare Konzentration, IV: hebt sich kaum ab, zeigt aber doch einen allmählichen Übergang in den Sternenuntergrund, ähnlich einer Sternfeldkonzentration.
Die nachfolgende arabische Ziffer zwischen 1 und 3 beschreibt den Helligkeitsunterschied der Haufensterne. 1: Der Großteil der Sterne erscheint nahezu in gleicher Helligkeit, 2: die Helligkeiten der Haufensterne überdecken einen mittelbreiten Bereich, 3: die Helligkeit der Haufensterne schwankt deutlich mit wenigen sehr hellen, etlichen hellen und vielen schwächeren Sternen.
Zuletzt wird die Sternfülle des Haufens durch drei Buchstaben charakterisiert. Es bedeutet p: poor, d. h. arm an Sternen (weniger als 50),
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Offene Sternhaufen
1 Drei offene Sternhaufen und ihre Trumpler-Klassifikation. Links: NGC 2099 (II1r) im Fuhrmann, Mitte: IC 4651 (II3m) im Altar,
rechts: NGC 6416 (IV1p) im Skorpion. Die Ausschnitte aus dem Himmelsatlas Aladin zeigen jeweils ein Bildfeld von 44` x 44`. Die Trumpler-Klassifizierungen stammen aus Wolfgang Steinicke, NGC/IC, www.klima-luft.de/steinicke/
m: medium (mittel, 50 bis 100 Sterne) und r: rich, d. h. reich an Sternen (mehr als 100). Zusätzlich gibt es zur Beschreibung noch die Buchstaben n: nebulous = nebelhaft (oder nebelhaftes Objekt nahe bei),
e: elongated = längliche Form, u: unsymmetrical = unsymmetrisch. Die zugehörige Abbildung zeigt drei offene Sternhaufen mit ihren Klassifizierungen. Der Leser mag ruhig einmal diese Klassifizierungen mit dem Erscheinungsbild ab-
gleichen. Davon ab: In der neueren wissenschaftlichen Literatur kommt die Angabe der Tr-Klassifizierung kaum noch vor. Ob sie möglicherweise für die astrophysikalische Auswertung keine Relevanz hat?
Bilderstrecke zum Schwerpunktthema ,,offene Sternhaufen"
zusammengestellt von Peter Riepe
Typische Kugelsternhaufen sind in ihrer Form, Struktur und Sternfülle meist eindeutig von offenen Sternhaufen unterscheidbar. Einige reichhaltige, kompakte offene Sternhaufen könnten aber vom optischen Bild her leicht mit Kugelsternhaufen verwechselt werden. Umgekehrt gleichen locker aufgebaute, sich auflösende Kugelsternhaufen oftmals offenen Sternhaufen. Der Astronom kann sie aber klar zuordnen mithilfe des Farben-Helligkeits-Diagramms (dazu Näheres auf Seite 16).
In dieser Bilderstrecke aus dem Fundus der Fachgruppe Astrofotografie geht es ausschließlich um offene Sternhaufen (ab hier: OH). Sie weisen unterschiedlichste Erscheinungsformen auf. Allen beteiligten Bildautoren sei herzlich gedankt. Und unseren Lesern viel Freude beim Anschauen der Bilder, auch wenn es ,,nur" stellare Objekte
sind, überwiegend ohne farbige Nebel. Ich empfehle aber auch das Lesen der Bildtexte, die einen spannenden Einblick in die Welt der OH geben.
Abbildung 1: NGC 225 in der Cassiopeia ist ein locker aufgebauter OH von ~70 Sonnenmassen. Sein Alter wird auf 120 Millionen Jahre geschätzt (= jung). Die Gaia-Parallaxe liefert eine Entfernung von etwa 2.280 Lichtjahren. Mit rund 18' Ausdehnung (im Bild abgeschätzt) kommt der wahre Durchmesser damit auf 12 Lichtjahre. Am Nordwestrand des Haufens liegt der Reflexionsnebel vdB 4. Günter Kerschhuber nutzte im Oktober 2023 als Teleskop ein Takahashi Epsilon 130D, dazu die gekühlte APS-C-Farbkamera Lacerta DeepSkyPro2600C. Belichtet wurde 91 x 300 s = 7 h 35 min an der Sternwarte Gahberg, hoch über dem Attersee in Ober-
österreich. Das Bildfeld beträgt 47,5' x 38,0', Norden ist links, Osten unten.
Abbildung 2: Patrick Winkler nahm sich am 22.06.2023 auf der Tivoli Southern Sky Guest Farm Messier 7 im Skorpion vor. Teleskop war ein Ritchey-Chretien H400 f/2,4 der Firma ASA mit D = 400 mm und f = 960 mm. Die Kamera Moravian C5-150 verfügt über einen monochromen Sensor Sony IMX411. Das LRGB-Bild wurde 66/40/40/40 min belichtet. Das Bildfeld misst 186' x 137', Norden ist fast links, Osten ca. unten. Messier 7 - etwa 220 Millionen Jahre alt - liegt recht nahe (280 pc = 914 Lj, gemäß Gaia-Parallaxe). Da die Haufensterne sehr weit nach außen streuen, streut auch die Ausdehnung: 100' gemäß Datenbank Simbad, 75' nach W. Steinicke (NGC/IC 2023). Die wahren Durchmesser wären damit 26 bzw. 20 Licht-
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Offene Sternhaufen
jahre. Das Bild wird von vielen Dunkelwolken sehr dekorativ durchzogen, 22' südlich von M 7 liegt ziemlich zerfasert Barnard 287.
Abbildung 3: Messier 11 im Sternbild Schild ist vom Anblick her recht kompakt, dicht und von daher durchaus schon mit einem Kugelsternhaufen vergleichbar. Harald Becher nahm ihn mit einem 250-mm-Newton plus Starizona-Reducer 0,75x bei f = 940 mm auf, in RGB mit jeweils 10 x 60 s recht kurz belichtet. Kamera war eine gekühlte OGMA AP26MC Monochrome mit einem Sensor Sony IMX571. Das Bildfeld beträgt 45' x 34', Norden ist links, Osten unten. M 11 ist laut verschiedenen Literaturwerten 150 bis 250 Millionen Jahre alt und hat gemäß Gaia-Parallaxe 7.640 Lichtjahre Entfernung. Die Datenbank Simbad gibt eine Ausdehnung von 8,9' an. So kommt M 11 auf rund 20 Lichtjahre als wahren Durchmesser.
Abbildung 4: Zwei in einem Bild: In drei Februarnächten 2020 gelang Markus Blauensteiner diese Aufnahme von Messier 35 und NGC 2158 in den Zwillingen. Das Teleskop, ein 250-mm-Newton von Lacerta mit 1.000 mm Brennweite, trägt den Namen ,,Alkor". Es wird remote an der Sternwarte ,,Rosa" in Südfrankreich betrieben. Als Kamera wurde eine Starlight Xpress Trius 694 verwendet. Mit LRGB-Filtern von Baader wurde wie folgt belichtet: 12 x 5 min (L) und 10 x 5 min (je RGB), in Summe 3 h 30 min. Das Bildfeld misst 42' x 34', Norden ist links, Osten unten. M 35 ist nach Gaia-Daten 2.890 Lichtjahre entfernt. Sung & Bessel (1999) bekamen aus präziser UBVI-Fotometrie einen sehr ähnlichen Wert von 2.716 Lichtjahren. Sie konnten auch das Alter des Haufens ableiten: etwa 200 Millionen Jahre. Mit einem Winkeldurchmesser von 38' (Datenbank Simbad) hieße das für die genannte Entfernung 32 Lichtjahre wahrer Durchmesser.
In der südwestlichen Bildecke liegt der OH NGC 2158. Er wird durch die interstellare Extinktion deutlich gerötet, denn die Entfernung ist mit 17.800 Lichtjahren (aus Gaia-Parallaxe) schon recht groß. Auch das fortgeschrittene Alter von zwei Milliarden Jahren (Carraro, Girardi & Marigo, 2002) sorgt wegen des Weg-
falls junger, heller blauer Sterne ebenfalls für ein röteres Aussehen. Mit einer Ausdehnung von 5,3' hätte NGC 2158 dann einen wahren Durchmesser von 27 Lichtjahren.
Abbildung 5: Etwa 3 Grad östlich des Eta-Carinae-Nebels liegt ein auffälliger OH: NGC 3532. Südlich davon ist ein Teil der HII-Region Bran 337 (= Gum 34B = RCW 54) zu sehen, in der nordöstlichen Bildecke die HII-Region Bran 347. Die Ausdehnung von NGC 3532 ist nicht leicht zu bestimmen, denn der OH geht unmittelbar in den Sternenreichtum der Milchstraße über. Anhand der helleren blauen Sterne ist ein grober Wert von ca. 47' abschätzbar, allerdings könnten verstreute blaue Sterne noch mit zu NGC 2362 gehören. Und so gibt die Datenbank Simbad 64' an. D. J. Fritzewski et al. (2019) nennen ein Haufenalter von 300 Mio. Jahren, dazu aus Gaia-Parallaxen eine Entfernung von (484 +- 35) pc (ca. 1.580 Lj). In dieser Entfernung käme NGC 3532 auf 29 Lichtjahre an wahrem Durchmesser. Im Haufen gibt es altersbedingt keine O-Sterne mehr, dafür haben sich im Laufe der Zeit schon viele Rote Riesen entwickelt. Endriko Siegismund fotografierte das Motiv am 08.05.2018 auf der Astrofarm Tivoli in Namibia. Im Bildfeld von 2,4 Grad x 1,6 Grad liegt Norden bei 10:30 Uhr. Das Teleskop, ein Apochromat 107 mm / 700 mm von APM, kam per Riccardi-Reducer auf 525 mm verkürzte Brennweite. Mit einer auf -15 Grad C gekühlten Canon 60Da wurde 50 x 420 s bei ISO 500 belichtet.
Abbildung 6: Im Cepheus liegt ca. 27' außerhalb des Nordwestrandes der HII-Region Sh2-171 der OH King 11. Sein Alter wird in der Literatur mit drei bis sechs Milliarden Jahren beziffert. Daher sind als hellste Sterne überwiegend Riesen der Population II (G- , K- und M-Riesen) vorhanden, ähnlich wie in Kugelsternhaufen. Als Gaia-Entfernung ergeben sich 12.450 Lichtjahre. King 11 kommt mit 7,4' Ausdehnung (Datenbank Simbad) auf einen wahren Durchmesser von 27 Lichtjahren. Aus dem Bild schätzen wir nach der Umkreismethode 9,8'. Das ist sogar rund ein Drittel größer. Günter Kerschhuber belichtete am 09.09.2023 an der Sternwarte Gahberg 300 min Luminanzaufnahmen mit einem ASA
N10 und je 100 min RGB-Aufnahmen mit einer ASK 8. Kamera war für beide Teleskope eine Starlight Xpress Trius 694L. Das Bildfeld beträgt 47,5' x 38,0'. Norden ist links.
Abbildung 7: Einer der jüngsten bekannten OH ist NGC 2362 im Großen Hund (Canis Major). Sein Alter wird auf nur (5 +- 1) Millionen Jahre geschätzt. Kai-Oliver Detken nahm ihn am 17. und 24.09.2023 in Namibia auf. Ort war die VdS-Remote-Sternwarte auf der Astro-Farm Hakos. Als Teleskop wurde ein 12-Zoll-Newton-Astrograf der Marke TS von 1.391 mm Brennweite mit einem 3-zölligen Komakorrektor N-AGK3 verwendet. Die Kamera war eine Lacerta DeepSkyPro2600 (mono), dazu passend die RGB-Filter (Deep Sky von Astronomik). Es entstanden 46 Aufnahmen zu je 5 min Belichtungszeit. Norden ist links, Osten unten.
Die Erforschung von NGC 2362 ist ziemlich schwierig, denn im Inneren befindet sich Tau Canis Majoris, ein enorm überstrahlender, veränderlicher O9-Überriese. Er behindert mit seiner Lichtfülle die Sicht auf die schwächeren, bisher womöglich noch nicht einmal aufgespürten Haufensterne. NGC 2362 wird überwiegend mit einer Helligkeit von V = 3,8 mag angegeben, wobei Tau CMa allein schon auf V = 4,4 mag kommt. Übliche Quellen geben einen Haufendurchmesser von 6' und eine Entfernung um 5.000 Lichtjahre an. Neue Arbeiten, z. B. die von I. Mendigutía et al. (2022), nennen für NGC 2362 eine Gaia-Entfernung von (1.271 +- 88) pc (4.145 Lj). A. Moitinho et al. (2001) merken an, dass sie nur die zentralen 6' x 6' untersucht hätten (der OH scheint also größer zu sein). Man vermutet, dass NGC 2362 mehr als 1.000 Sonnenmassen an Sternen besitzt. Bisher hat sich unter ihnen nur Tau CMa in das Hauptreihenstadium (Main Sequence, MS) entwickelt, das ist die Phase der zentralen Fusion von Wasserstoff zu Helium. Die weniger leuchtkräftigen, masseärmeren Sterne befinden sich noch weit davor (engl. ,,pre") in der Pre-MS-Phase. Teilweise stecken sie noch in protoplanetaren Scheiben. Aus dem FarbenHelligkeits-Diagramm wird auch ersichtlich, dass die Sternentstehung offenbar in einem einzigen Sternentstehungsausbruch von nur etwa 3 Millionen Jahren Dauer ablief.
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Offene Sternhaufen
Abb. 1
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Offene Sternhaufen
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Abb. 2
Offene Sternhaufen
Abb. 3
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Offene Sternhaufen
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Offene Sternhaufen
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Abb. 6
Abb. 7
Offene Sternhaufen Journal für Astronomie Nr. 92 | 15
Offene Sternhaufen
Das Farbenhelligkeitsdiagramm für offene Sternhaufen (Teil 1)
von Peter Riepe
Das Farbenhelligkeitsdiagramm (FHD) ist eine Modifizierung des ursprünglichen Hertzsprung-Russell-Diagramms (HRD). Im HRD wird der Zusammenhang zwischen Absoluthelligkeit, Spektraltyp und Leuchtkraft der Sterne dargestellt (Abb. 1). Der Leser merkt schon jetzt: Hier tauchen Begriffe auf, die zunächst zu klären sind, bevor das eigentliche FHD besprochen wird. Es geht um die Eigenschaften von Sternen und Sternengruppen. Diese Eigenschaften werden durch verschiedene physikalische Zustandsgrößen beschrieben, z. B. Helligkeit, Leuchtkraft, Spektraltyp, Oberflächentemperatur, Farbindex und etliche andere. In der Astronomie werden solche Zustandsgrößen miteinander in Zusammenhang gebracht gemäß der Frage: ,,Hängt die eine Größe von der anderen ab?" Das wird dann durch ,,Zustandsdiagramme" dargestellt. Jetzt also eine kurze Vorstellung der genannten Größen.
Scheinbare und absolute Helligkeiten
Die Sterne am Himmel haben ihre ,,scheinbaren" Helligkeiten, d. h. wir sehen und messen sie so, wie ihre Entfernungen und Leuchtkräfte es vorgeben. Als Formelzeichen bekommen sie traditionell ein ,,m" und werden in der Einheit mag (Magnituden, Größenklassen) gemessen. Hat von zwei Sternen einer der beiden m1 = 4 mag und der zweite m2 = 7 mag, dann wissen wir: Stern 1 mit dem kleineren Zahlenwert ist der hellere, der zweite mit dem größeren Zahlenwert ist lichtschwächer. Die Magnitudenwerte können sogar negativ sein, so wie bei Sirius. Mit m1 = -1,46 mag ist er heller als Rigel mit m2 = 0,15 mag. Wega wird übrigens mit 0 mag festgelegt, die Helligkeiten anderer Sterne ergeben sich daraus durch vergleichende Fotometrie.
1 Das Hertzsprung-Russell-Diagramm zeigt den Zusammenhang zwischen absoluter
Helligkeit, Spektraltyp und Leuchtkraft der Sterne. Die Messpunkte für die Sterne sind nicht wahllos im HRD verteilt, sondern ordnen sich gemäß der stellaren Entwicklungsphasen entlang von Linien (so genannter ,,Äste") an. Diagramm: P. Riepe
Die Einheit mag ist logarithmisch definiert. Der Helligkeitsunterschied von 1 mag entspricht einem Intensitätsverhältnis von 100,4
2 Zusammenhang zwischen Spektraltyp und Oberflächentemperatur für Haupt-
reihensterne. So kann ein G2V-Stern wie unsere Sonne nicht beliebige Temperaturen aufweisen, es sind stets 5.800 K. Diagramm: P. Riepe
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Offene Sternhaufen
= 2,5119. Die beiden genannten Sterne von 4 bzw. 7 mag unterscheiden sich um 3 mag, daher ist ihr Intensitätsverhältnis 2,51193 = 103 0,4 = 101,2 = 15,85. Auf gut Deutsch: der 4-mag-Stern leuchtet 15,85-mal heller als der 7-mag-Stern.
Zur Leuchtkraft: Für einen objektiven Vergleich der Leuchtkräfte zweier oder mehrerer Sterne müssen sich diese in derselben Entfernung befinden. Dazu müssen die Sterne aber nicht erst in eine definierte Einheitsentfernung verschoben werden - die Mathematik hilft. Sind die Entfernungen der Sterne bekannt, so können ihre beobachteten scheinbaren Helligkeiten leicht auf die Einheitsentfernung von 10 Parsec (10 pc = 32,62 Lichtjahre) umgerechnet werden. Diese für 10 pc berechneten Helligkeiten sind damit absolut vergleichbare Angaben zur Leuchtkraft und werden deshalb ,,absolute Helligkeiten" genannt. Sie sind damit ein Maß für die Leuchtkraft.
Die Absoluthelligkeiten bekommen als Formelzeichen ein ,,M". Unsere Sonne hat in 149,5 Millionen Kilometern Entfernung die scheinbare Helligkeit m = -26,7 mag. In 10 pc Entfernung wird sie um 31,5 mag lichtschwächer und hätte dort eine scheinbare Helligkeit von 4,8 mag. Die Absoluthelligkeit der Sonne ist also M = +4,8 mag (bzw. mit Sonnensymbol M = +4,8 mag). Zum Vergleich liegen die hellsten blauen Riesensterne bei M = -6,3 mag. Damit sind sie um 11,1 mag heller als die Sonne, was einem Intensitätsverhältnis von 1011,1 0,4 = 104,44 27.500 entspricht. Der Astronom sagt: ,,Die hellsten blauen Riesen haben eine 27.500-fache Sonnenleuchtkraft."
Spektraltyp und Oberflächentemperatur Die Sternspektren werden gemäß der Harvard-Klassifikation in der Reihenfolge O, B, A, F, G, K, M bis L (und noch weiter)
3 Transmissionsverlauf der UBVRI-Filter nach Johnson/Bessel, angepasst aus [1]
Tabelle 1
Von [2] in mag gemessene scheinbare B- und V-Helligkeiten für 17 echte Haufensterne in NGC 581 (M 103). Der Nachweis der
Haufenzugehörigkeit folgt aus ähnlichen Eigenbewegungen dieser 17 Sterne. Simple Subtraktion von B-Helligkeit minus V-Helligkeit ergibt für jeden Stern den Farbindex B-V, ebenfalls in
mag. In NGC 581 sind alle (B-V)-Werte positiv.
Nr.
B/mag
3
9,30
4
10,69
5
10,76
6
12,74
7
11,45
8
11,61
9
11,98
10
12,09
11
12,44
12
13,00
13
13,47
14
13,47
15
13,71
16
13,76
17
13,82
18
14,36
19
14,06
V/mag
9,09 10,45 10,59 10,81 11,22 11,35 11,76 11,84 12,34 12,76 13,17 13,21 13,27 13,46 13,47 13,59 13,76
B-V/mag
+0,21 +0,24 +0,17 +1,93 +0,23 +0,26 +0,22 +0,25 +0,10 +0,24 +0,30 +0,26 +0,44 +0,30 +0,35 +0,77 +0,30
Journal für Astronomie Nr. 92 | 17
Offene Sternhaufen
systematisiert. Jeder Spektraltyp zeigt sein typisches Erscheinungsbild der Absorptionslinien: Welche chemischen Elemente kommen vor? Wie sind die Linienbreiten und -stärken? Jeder Spektraltyp wird in Zehntel unterteilt, also etwa B0, B1, B2, ... B9, danach A0, A1, A2, ... A9 usw. Bei den O-Sternen beginnt die Unterteilung erst ab etwa O3, denn Sterne des Typs O1 oder O2 wurden noch nie beobachtet. Ab dem Spektraltyp F5 wird unterschieden nach Riesensternen und Hauptreihenzwergen. Seitdem wurden so genannte Leuchtkraftklassen als römische Zahlen eingeführt: I (Überriesen), II (helle Riesen), III (Riesen), IV (Unterriesen), V (Hauptreihensterne), VI (Unterzwerge), VII (Weiße Zwerge). Die Leuchtkraftklassen werden dem Spektraltyp angehängt, z. B. G2V (unsere Sonne).
Die Reihenfolge der Spektraltypen stellt einen Temperaturgang dar (Abb. 2). Betrachten wir jetzt nur die Hauptreihensterne, so sind die O-Sterne mit 45.000 - 30.000 K die heißesten. Sie haben auch die größten Massen in dieser Leuchtkraftklasse. Bei den B-Sternen nimmt die Temperatur schon deutlich ab, um dann ab A in einen sachteren Abfall überzugehen. M-Sterne haben sehr geringe Massen, ihre Oberflächentemperaturen liegen nur noch im Bereich um 3.500 K.
Fotometrische Filter und Sternfarben Die Sterne werden üblicherweise in verschiedenen Spektralbändern fotometriert, so im ultravioletten (U), blauen (B), visuellen (V), roten (R) und nahinfraroten Spektralband (I). Die klassischen fotometrischen UBVRI-Filter nach Johnson/Bessel haben einen breitbandigen Transmissionsverlauf (Abb. 3 und [1]). Daneben gibt es noch die in R und I modifizierten UBVRI-Filter nach Kron/Cousins. Alle UBVRI-Filter überlappen in ihren Transmissionsverläufen, aber nicht bei allen Herstellern gleichermaßen.
4 FHD, gewonnen aus den Messwerten in Tab. 1. Aufgetragen ist die V-Helligkeit gegen den
Farbindex B-V. Die Messpunkte lassen eine Anordnung erkennen. Diagramm: P. Riepe
Mit Aufkommen der digitalen Fotografie machte auch die Fotometrie einen großen Sprung. Heute gibt es neben den UBVRIFiltern weitere verschiedene fotometrische Filterarten, so die PanSTARRS-Filter g, r, i, z und y, dann die SDSS-Filter u, g, r, i und z sowie die modernen Filter für die GaiaMessungen. Wir bleiben hier bei den klassischen BVRI-Filtern, U ist für uns fotometrisch weniger bedeutsam. Mit diesen Filtern fotometrierte Helligkeiten werden angepasst geschrieben: z. B. mB = 14,2 mag oder mV = 14,0 mag, noch vereinfachter B = 14,2 mag oder V = 14,0 mag.
Ein zentraler Begriff aus der Fotometrie ist der Farbindex. Die Tabelle 1 zeigt eine Messreihe nach [2], bei der für 17 Sterne heller als 14 mag in NGC 581 (M 103) mit einem B- und einem V-Filter die B- und VHelligkeiten gemessen wurden. Es fällt auf, dass alle B-Helligkeiten größer als die VHelligkeiten sind. Alle Tabellensterne sind
daher im blauen Licht schwächer als im visuellen Licht. Subtrahiert man die V-Helligkeit von der B-Helligkeit (d. h. B minus V), so ergibt sich der Farbindex B-V, auch in mag. Bei Messungen mit anderen Filtern (wenn z. B. außer B- und V- ein I-Filter mit dabei ist) kann man auch andere Farbindizes angeben, nämlich V-I oder B-I.
Was hat der Farbindex eigentlich mit der Sternfarbe zu tun? Wird ein Stück Eisen allmählich von Raumtemperatur bis zum Schmelzpunkt erhitzt, wird es zunächst dunkelrot glühend, dann rot, orange, gelb, weiß bis schließlich bläulich weiß. So ist es auch bei den Sternen. O-Sterne leuchten knallblau, G-Sterne weißlich, M-Sterne orange. Damit stellt die Reihenfolge O, B, A, F, G, K und M auch eine Farbreihenfolge dar. Für die Spektraltypen der Hauptreihensterne herrscht ein klarer Zusammenhang mit dem Farbindex B-V (Tab. 2, nach [3]). Jede auf B-V = 0,63 mag = weiß farb-
18 | Journal für Astronomie Nr. 92
Offene Sternhaufen
kalibrierte RGB-Digitalaufnahme eines Milchstraßenfeldes zeigt sehr schön diesen farblichen Zusammenhang von Farbindex B-V und Eigenfarbe der Sterne.
Ein erstes FHD Die Fotometrie ist ein wesentliches Werkzeug zur FHD-Erstellung. Ein FHD ist ein Diagramm mit zwei 90 Grad zueinander stehenden Achsen (in der Schule redete man von x- und y-Achse). Die Rechtsachse trägt als Größe den Farbindex B-V in der Einheit mag (was die Astronomen gern außer Acht lassen), als Hochachse die V-Helligkeit, auch in mag. Da alle Sterne eines Haufens gleich weit entfernt sind, gibt es keine Helligkeitsdifferenzen aufgrund unterschiedlicher räumlicher Distanzen. Was ins Diagramm eintragen wird, sind keine Sterne, sondern Messpunkte: die Wertepaare der Fotometrie aus der Tabelle 1 als Punkte. Nehmen wir den ersten Messwert und setzen den ersten Punkt mit 0,21 mag auf der (B-V)-Rechtsachse und 9,09 mag auf der V-Hochachse. Dieser Punkt liegt in der Diagrammfläche links oben. Nach dem Eintrag aller Punkte zeigt sich die Tendenz einer lockeren Reihenanordnung für (BV)-Werte zwischen 0,1 bis 0,4 mag (Abb. 4). Ähnlich wie im HRD ordnen sich die Messpunkte entlang der nahezu senkrechten oberen Hauptreihe an.
Und damit nicht genug. Nach Eintragen der Messpunkte aller in B und V fotometrierten Sterne von NGC 581 konnten Sanner et al. [2] das komplette FHD erstellen (Abb. 5). Man erkennt die Hauptreihe und einen breiten Übergang in einen spärlich besetzten Riesenast.
In Teil 2 des Beitrags wird vorgestellt, was man aus einem FHD an Daten gewinnen kann (z. B. Haufenalter und Entfernung).
5 FHD aller vermessenen Sterne in NGC 581, entnommen aus [2].
Eine klare Hauptreihe zeichnet sich ab, dazu ein Riesenast.
Literatur- und Internethinweise (Stand August 2024): [1] Transmissionskurve der UBVRI-Filter nach Johnson/Bessel, Andover
Corporation, www.andovercorp.com/products/astronomy-filters/ johnsonbessel-ubvri-filters/ [2] J. Sanner et al., 1999: ,,Photometric and kinematic studies of open star clusters. I. NGC 581 (M 103)", Astron. Astrophys. 349, pp. 448-456 [3] K. Schaifers, G. Traving, 1984: ,,Meyers Handbuch Weltall", Bibliograph. Inst. Mannheim, Wien, Zürich, 6. Auflage
Tabelle 2
Der Farbindex B-V ist eindeutig dem Spektraltyp zuzuordnen, nach [3]. Dazu gehören dann die beigefügten Sternfarben (bezogen auf Hauptreihensterne, mit marginalen Farbabweichungen aber auch für Riesensterne gültig).
Spektraltyp
O5 B0 B5 A0 A5 F0
B-V/mag
-0,33 -0,30 -0,17 0,00 0,15 0,30
Sternfarbe
knallblau intensiv blau blau hellblau lichtblau bläulich
Spektraltyp
F5 G2 K0 K5 M0 M5
B-V/mag
0,44 0,63 0,81 1,15 1,40 1,64
Sternfarbe
bläulich weiß weiß weißgelb gelb gelborange orange
Journal für Astronomie Nr. 92 | 19
Offene Sternhaufen
Offene Sternhaufen:
Dynamik im Kosmos selbst berechnet
von Uwe Pilz
Sternhaufen unterliegen einer Entwicklung. Nachdem sie aus einer Gaswolke entstanden sind, beginnt sich die innere Struktur zu verändern. Auf welche Weise, das wird in an anderer Stelle in diesem Heft erläutert. In diesem Aufsatz möchte ich vermitteln, wie man diese Entwicklung auf dem eigenen PC berechnen kann.
Sterne sind klein im Vergleich zu den gegenseitigen Abständen, das gilt auch in Sternhaufen. Aus diesem Grund kann man die Bewegung von Punktmassen simulieren, welche nur dem Gravitationsgesetz unterliegen. Die Kraft und damit die Beschleunigung jedes Sterns lässt sich durch vektorielle Überlagerung der Teilkräfte aller Sterne berechnen. Dieses Prinzip wurde in den Aufsätzen in den Heften 73 [1] und 74 zu Berechnungen im Sonnensystem eingesetzt und ab Heft 81 für die Lagrangepunkte. Für die Grundlagen bitte dort nachschlagen.
Für die Berechnung von Sternhaufen habe ich einiges anders gelöst, herausgekommen ist ein komplett geändertes Programm. Dieses wird in unserem Forum [2] und auf der Internetseite der Fachgruppe [3] veröffentlicht. Die Unterschiede sind:
Die Integrationsmethode Für das Sonnensystem habe ich die Bahnkurve durch ein Polynom hoher Ordnung angenähert. In Sternhaufen kommt es zu sehr nahen Begegnungen von Sternen, hierfür funktioniert das schlecht. Ich habe das recht stabile Bocksprungverfahren [4] benutzt. Für dieses ist die Steuerung der Zeitschrittweite über den sog. maximalen Ruck besonders einfach.
Einheitenfreies Rechnen Für Sternhaufen ist es nicht sinnvoll, einen konkreten Haufen im Blick zu haben. Es ist möglich, eine ganze Problemklasse mit
1 Die Kugel mit dem Radius r3 zum drittnächsten Nachbarn enthält im Inneren drei Sterne
und zusätzlich den auf der Grenze zur Hälfte. Sebastian Hoerner benutzte deshalb als Dichte 3 = (3 + 1/2) / V3 . Spätere Untersuchungen zeigten, dass 3 = 2 / V3 genauer ist.
einer Rechnung zu berechnen. Hierzu werden die Längen und Massen einheitenfrei eingesetzt. Die Länge ist so gewählt, dass ein charakteristischer Radius 1 ist. Gewählt habe ich den Anfangsradius zum Start der Simulation. Die Gesamtmasse wird 1 gesetzt, die Gravitationskonstante auch, sie geht damit in die Masse ein. Durch andere Längen- und Masseneinheiten ändert sich der Verlauf der Simulation nicht, nur der Zeitmaßstab der Ergebnisse muss angepasst werden. Die Simulation ergibt eine einheitenfreie Zeit t*. Um diese in astronomische Einheiten umzurechnen, muss eine Transformation vorgenommen werden :
Plummer-Radius Beide Programme enthalten eine Zeitschritt-Steuerung. Die Länge des Zeitschritts bemisst sich nach der größten Geschwindigkeit. Diese wird in Doppelsternsystemen erreicht. Um den Aufwand hier zu verringern, wird das Gravitationspotenzial so verändert, dass sehr nahe Begegnungen und damit hohe Beschleunigungen numerisch verhindert werden. Egal, wie eng die Begegnung in Wirklichkeit wäre: In der Simulation ist ein Mindestabstand vorgegeben, der Plummer-Radius [5].
Startwerte Es ist zweckmäßig, die Startwerte so zu setzen, dass der Haufen weder sofort in sich
20 | Journal für Astronomie Nr. 92
Offene Sternhaufen
zusammenstürzt noch auseinandertreibt. Dies wird erreicht, indem die Geschwindigkeit so gewählt wird, dass sich jeder Stern näherungsweise auf einer Kreisbahn bewegt, dem Dritten Kepler-Gesetz genügend.
Ausgabe charakteristischer Kenngrößen Im Sonnensystem sind die Positionen der Planeten das wichtige Resultat. Die Veränderung eines Sternhaufens lässt sich jedoch besser statistisch beschreiben. Das Programm bestimmt die folgenden Werte: - Anzahl der Sterne im Haufen:
Im Lauf der Zeit gehen dem Haufen Sterne verloren, weil sie durch nahe Begegnungen eine Geschwindigkeit jenseits der Fluchtgeschwindigkeit erreichen. Im Programm wird nicht die Fluchtgeschwindigkeit benutzt, sondern vereinfacht eine große Entfernung zum Haufenzentrum. - Halbmassenradius: Wegen dieser entweichenden Sterne lässt sich die äußere Begrenzung eines Haufens nicht sicher angeben. Ein besseres Maß für die Größe ist der Radius, in welchem die Hälfte der Masse enthalten ist. Da das Programm mit Sternen gleicher Masse rechnet, ist dies der Radius, in welchem sich die Hälfte der Sterne befindet. - Kernradius, Anzahl der Sterne im Kern und mittlere Dichte des Kerns: Die Entwicklung des Haufens führt zu einer Sternkonzentration im Inneren, dem sog. Kern. Als Grenze des Kerns wird üblicherweise der Radius angenommen, an dem die Dichte die Hälfte derjenigen ganz im Inneren erreicht. Um die Dichten zu ermitteln, wird nach einem Vorschlag von Sebastian Hoerner [6] der Abstand zum drittnächsten Stern benutzt. Damit erhält man einen Dichtewert für jeden Radius, an welchem sich ein Stern befindet (Abb. 1). Das ist viel genauer, als
2 Simulation eines offenen Sternhaufens mit 100 Mitgliedern. Man erkennt,
dass sich ein Kern bildet, umgeben von einem Halo. Einige Sterne verlassen den Haufen und auch ein Doppelstern (markiert) ist zu sehen.
die Dichte über Sternzählungen zu ermitteln. - Anzahl Doppelsterne: Ein Sternhaufen ist eine Art ,,Generator" für Doppelsterne. Deren Anzahl wird vereinfacht ermittelt, indem Sterne gezählt werden, die einen sehr geringen Abstand voneinander haben.
Literatur- und Internethinweise (Stand 19.08.2024):
[1] U. Pilz, 2020: ,,Das Mehrkörperproblem in der
[2]
[3]
Astronomie", VdS-Journal für Astronomie 73,
S. 91-93
[2] Forum der VdS: https://forum.vdsastro.de/
viewforum.php?f=98
[4]
[5]
[3] VdS-Fachgruppe Astrophysik und Algorithmen:
Programm-Archiv, http://fg-astrophysik.vdsastro.
de/_programme.html
[4] Leapfrog-Verfahren: https://de.wikipedia.org/wiki/
Leapfrog-Verfahren
[5] Plummer-Potenzial: https://de.wikipedia.org/wiki/
Plummer-Potential
[6] S. Hoerner, 1963: ,,Die numerische Integration des
n-Körper-Problems für Sternhaufen", I. Z. Astrophys.
57, S. 47-82
Journal für Astronomie Nr. 92 | 21
Offene Sternhaufen
Das dynamische Alter von offenen Sternhaufen
von Uwe Pilz
Die Entwicklung offener Sternhaufen wird im einfachsten Fall nur von der Gravitation bestimmt. Diese hält den Haufen zusammen. Im Gegensatz zu Elementarteilchen oder Gasmolekülen ist keine Art von Behälter erforderlich. Dieser einfache Fall liegt vor, wenn wir den Haufen isoliert betrachten, ohne die Gravitationswirkung des umgebenden Sternfeldes oder der Gezeitenkräfte der Galaxie, in welcher er sich befindet. Durch die Wechselwirkung einer größeren Menge von Punktmassen lässt sich die Entwicklung eines Sternhaufens dann gut simulieren. Ich finde dies faszinierend: Dass man nur durch das Gravitationsgesetz und simple Punkte wichtige Strukturen in astronomischen Gebilden berechnen kann.
Offene Sternhaufen durchlaufen während ihrer Existenz eine Entwicklung. Letztendlich lösen sie sich auf und hinterlassen ein paar Doppel- und Mehrfachsterne. Die Veränderungen der inneren Struktur haben zwei Ursachen: Einerseits gibt es Wechselwirkungen zwischen den Sternen im Haufen selbst, einen ständigen Energieaustausch. Andererseits ist der Haufen den Kräften der kosmischen Umgebung aus-
gesetzt, den so genannten Gezeitenkräften und dem Energieaustausch mit Feldsternen. In diesem Aufsatz konzentriere ich mich auf den Energieaustausch im Inneren des Haufens und die damit verbundenen Effekte. Als Hilfsmittel dazu dienen numerische Simulationen, ein entsprechendes Programm wurde im vorigen Beitrag vorgestellt.
Ein Sternhaufen entsteht aus einer Wolke aus Staub und Gas. Praktisch immer hat diese Wolke anfangs eine zumindest schwache Rotation. Sterne, die aus dieser Wolke durch ,,Verklumpung" entstehen, bilden eine Wolke, einen Haufen, der zunächst weder in sich zusammenstürzt noch auseinanderfliegt. Dies ist der Ausgangszustand der Simulation, die Startbedingungen, welche dem so genannten Virialsatz [1] genügen. Ansonsten sind die Sterne einigermaßen gleichmäßig im Raum verteilt.
Um die Entwicklung zahlenmäßig zu verfolgen, muss man den Haufen statistisch beschreiben. Das Simulationsprogramm stellt dafür zur Verfügung: - die Anzahl der verbliebenen Haufenster-
ne,
- den Halbmassenradius, ein Maß für die Ausdehnung des Haufens,
- den Kernradius, - die Anzahl der Doppelsterne.
Die Einzelheiten der Berechnung dieser Parameter bitte dem vorigen Aufsatz entnehmen.
Die folgenden Ergebnisse erhielt ich an einem Haufen aus 500 Sternen gleicher Masse. Die Berechnung erfolgt einheitenfrei: Es ist möglich, sowohl Masse, alle Längen und daraus folgend die Zeit so zu definieren, dass nichts davon eine Maßeinheit trägt. Das hat den Vorteil, dass sich die Ergebnisse auf Haufen beliebiger Masse und Ausdehnung anwenden lassen, wenn man sie in die Wirklichkeit transformiert. Die Anzahl der simulierten Sterne spielt jedoch eine Rolle, sie muss stimmen.
Die Formeln zur Transformation von Modelleinheiten in reale Verhältnisse sind im vorigen Aufsatz zu finden. Damit man sich aber wenigstens irgendetwas darunter vorstellen kann, habe ich den Zeitmaßstab einmal für die Plejaden (Gesamtmasse 735 Sonnenmassen, Durchmesser 14 Lichtjah-
1 Anfang einer Simulation: Der Haufen findet rasch die ihm eigene Konfiguration, danach beginnt die eigentliche Entwicklung.
22 | Journal für Astronomie Nr. 92
re) transformiert: Eine Zeiteinheit t* der Simulation bedeutet für diesen Haufen etwa 5 Mio. Jahre. Ich habe die Berechnung bis t* = 250 laufen lassen, also über eine Milliarde Jahre für die Plejaden. So alt ist der Haufen gar nicht, sein Alter wird mit 125 Mio. Jahren angegeben.
Der Kernkollaps Um die Entwicklung eines Haufens zu simulieren, muss man eine Anfangskonfiguration vorgeben. Im einfachsten Fall kann man die Sterne zufällig in einem Kugelvolumen verteilen und keine Anfangsgeschwindigkeit vergeben. Dieses Szenario wird ,,Kalter Kollaps" genannt, weil die Bewegungsenergie der Sterne in Analogie zur kinetischen Energie von Gasteilchen als Temperatur angesehen wird. So spricht man davon, dass sich ein Haufen ,,erhitzt", wenn die Sterne Bewegungsenergie aufnehmen. Eine Geschwindigkeit von Null ist kalt.
Obwohl dies eine sehr einfache Anfangskonfiguration ist, halte ich sie nicht für aussagekräftig. Es ist nicht zu erwarten, dass eine Gaswolke, aus der sich Sterne bilden, keinerlei Rotation besitzt. Aus diesem Grund habe ich die Sterne zwar gleichmäßig im Kugelvolumen verteilt, aber mit einer Anfangsgeschwindigkeit versehen, die in etwa einer Keplerbahn entspricht. Damit wird verhindert, dass der Haufen sofort zusammenstürzt. Er fliegt aber auch nicht sofort auseinander, sondern hat Zeit, ,,sich zu entwickeln". Es ist freilich nicht sicher, ob dies eine realistische Anfangsbedingung ist für einen Haufen, der sich ,,gerade eben" aus einer Gaswolke gebildet hat. Wahrscheinlich ist die Sterndichte in den äußeren Teilen des Haufens bereits am Anfang geringer. Solche Unsicherheiten gleichen sich nach kurzer Zeit aus, wenn der simulierte Haufen sein eigenes dynamisches Gleichgewicht gefunden hat.
In der Anfangszeit verlieren einige Sterne eines offenen Haufens durch nahe Begegnungen Energie und sammeln sich im Inneren an. Diesen Prozess nennt man Kernkollaps. Ein Zeitmaß in dieser Phase ist die so genannte Relaxationszeit. Dies ist die Zeit, in welcher die Sterne im Mittel so viel Energie ausgetauscht haben, wie sie selbst als Bewegungsenergie tragen. Für 50 Sterne beträgt sie etwa 20 interne Zeiteinheiten, für die Plejaden also etwa 100 Mio. Jahre. Nach ein bis zwei Relaxationszeiten hat der Haufen seinen Anfangszustand ,,vergessen". Die dann vorliegende Konstellation ist also nicht mehr abhängig von der Wahl der Anfangsbedingungen und kann als typisch für Sternhaufen angesehen werden.
Die Abbildung 1 zeigt diesen Prozess. Der anfangs recht homogene Haufen (links) erfährt eine Kondensation (Mitte) und hat danach seine Anfangskonfiguration vergessen. Danach beginnt rechnerisch die ,,eigentliche" Entwicklung des Haufens (rechts).
Bildung von Doppelsternen sowie Expansion und ,,Verdampfung" des Haufens Doppelsterne entstehen durch nahe Begegnungen von drei Sternen. Dabei nimmt einer der Sterne Energie auf und fliegt mit hoher Geschwindigkeit davon, während ein Sternpaar zurückbleibt. Die Energiezunahme des davonfliegenden Sterns speist sich durch die freiwerdende Gravitationsenergie, die durch die Bildung des Doppelsterns
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Offene Sternhaufen
2 Entwicklung des Halbmassenradius über die Zeit. Nach den ersten Zeitschritten
bläht sich der Haufen auf.
erzeugt wird. Anders ausgedrückt: Bei der Entstehung von Doppelsternen wird Energie freigesetzt, welche die Geschwindigkeit der Haufensterne erhöht. Der Haufen ,,erhitzt sich" und dehnt sich aus (Abb. 2). Dabei geraten immer mehr Sterne aus dem Wirkungsbereich der Anziehungskraft des Haufens und verlassen diesen. Der Haufen ,,verdampft" schließlich. Für einen isolierten Haufen dauert ein solcher Prozess sehr lange. Die Simulation zeigt, dass nach t* = 250 ein Zehntel der Sternpopulation in Doppelsternen gebunden ist. Bei den Plejaden wäre dies nach 1 Mrd. Jahre der Fall, dort ist dieser Prozess also jetzt noch nicht so weit fortgeschritten.
Offene Haufen befinden sich im Inneren einer Galaxie. Auf diese Haufen wirken zusätzlich Gezeitenkräfte ein, die es den Sternen erleichtern, den Haufen zu verlassen. Dies hat zwei Effekte: Es verlassen pro Zeiteinheit mehr Sterne den Haufen und die verbleibende Energie (,,Temperatur") des Haufens bleibt höher, da der wegfliegende Stern weniger Energie mit sich
trägt. Aus diesem Grund findet man in Galaxien keine sehr alten offenen Haufen.
Der Mechanismus der Doppelsternbildung ist in der Abbildung 3 dargestellt. Er lässt sich am besten durch Experimente mit drei oder vier Sternen veranschaulichen, wozu auch das Python-Programm geeignet ist. Deutlicher wird es, wenn man Sterne verschiedener Masse zulässt, hierzu ist eine kleine Programm-Modifikation nötig. Sehr oft nimmt der leichteste Körper Energie auf und verlässt das kleine System, zurück bleibt ein Doppelstern hoher Exzentrizität. Solange noch genügend Einzelsterne verbleiben, setzt sich dieser Prozess fort und erzeugt Energie. Man kann dies mit der Kernfusion im Inneren eines Sterns vergleichen. Solange dieser Prozess im Gange ist, werden Sterne den Haufen verlassen, darunter auch Doppelsterne. Die dynamische Entwicklung von Sternhaufen ist also die Hauptquelle zur Bildung von Doppel- und Mehrfachsternen.
Wie weit kann man der Simulation trauen? Das hier benutzte Programm ist die ein-
fachste Möglichkeit zur Simulation von Sternhaufen. Obwohl alle Effekte gut gezeigt werden, habe ich etwas Zweifel am korrekten Zeitmaßstab. Als Gründe sehe ich: - Die Masse aller Sterne ist identisch. Dies
ließe sich aber leicht verändern. - Das Gravitationspotenzial wird modifi-
ziert, so genanntes Plummer-Potenzial. Dies ist ein Zugeständnis an die Rechengeschwindigkeit. Damit werden nahe Begegnungen numerisch verhindert. - Der Einfluss externer Gravitation, also der Milchstraße, wird nicht berücksichtigt.
Für genauere Ergebnisse empfehle ich das Programm ,,nbody6" von Sverre Aarseth [2]. Es ist als Fortran-Quellcode erhältlich, dieser ist auch gut lesbar (wenn man Fortran beherrscht) und lässt sich fast ohne Änderungen mit Gnu-Fortran übersetzen. In Heft 76 habe ich bereits kurz darüber berichtet. Damit lassen sich viele weitere Effekte simulieren, Gezeitenkräfte etwa oder die Sternentwicklung. Den Fortran-Quellcode, das für Windows übersetzte ausführbare Programm und Hinweise zur Benutzung gebe ich gern weiter.
Internethinweise (Stand 19.08.2024): [1] Wissenschaft in die Schulen: ,,Der
Virialsatz - nicht in der Schule gelernt und trotzdem nachvollziehbar", www. wissenschaft-schulen.de/sixcms/ media.php/1308/virialsatz.pdf
24 | Journal für Astronomie Nr. 92
3 Energiefreisetzung durch Bildung eines
Doppelsterns, Bewegung von links nach rechts. Der blaue Stern nimmt kinetische Energie auf, während der rote und grüne ein Doppelsternsystem bilden.
[2] Software Nbody6: https://github. com/nbodyx/Nbody6
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Offene Sternhaufen
Schicksal eines offenen Sternhaufens mit 250 Sternen - ein Rechenbeispiel
von Uwe Pilz
Ich möchte die Entwicklung eines offenen Sternhaufens mit 250 Mitgliedern an einem vollständigen Beispiel zeigen. Dieses Beispiel habe ich mit dem nbody6-Programm [1] von Sverre Aarseth berechnet. Im Vergleich zum Python-Programm dieses Heftes hat diese Software Vorteile: - Das Programm rechnet mit mehreren
Zeitskalen parallel. Dadurch können Doppelsterne direkt simuliert werden. - Die Anfangskonfiguration folgt einem theoretischen Modell, der so genannten Plummer-Sphäre [2]. Damit verändert sich der Haufen in den ersten Zeitschritten weniger stark und die Simulation biegt schneller in einen realistischen Bereich ein. - Die Sterne haben nicht dieselbe Masse, sondern es wird mit einem plausiblen Massenspektrum gerechnet. - Die Rechengeschwindigkeit ist viel höher.
Ein 250er-Haufen ist jedoch auch mit dem Python-Programm simulierbar. Wenn man eine Rechenzeit von einigen Tagen hinnimmt, kann man zumindest die ersten Schritte der Haufenentwicklung nachvollziehen.
Die Entwicklung von offenen Sternhaufen erfolgt zunächst rasch, wird dann aber immer langsamer. Ich habe deshalb die Abbil-
dungen logarithmisch gestuft. Zwei nebeneinanderliegende Bilder haben etwa den Zeitfaktor 3, das übernächste Bild hat den Zeitfaktor 10.
Wie im Aufsatz zum Python-Programm erläutert, rechne ich einheitenfrei. Der Haufen hat am Anfang den Halbmassen-Radius 1 und auch die Gesamtmasse 1. Hieraus ergibt sich der simulierte Zeitmaßstab t*, wenn man einen wirklichen Haufen betrachtet und dessen Masse und Ausdehnung bekannt sind. Die Plejaden enthalten etwa 250 Sterne. Ein Zeitschritt t* = 1 bedeutet für diesen Haufen eine wirkliche Zeit von 5 Mio. Jahren, ein Schritt im Koordinatensystem sind in Wirklichkeit etwa 5 Lichtjahre.
Berechnet wird ein völlig isoliert stehender Haufen. Das ist natürlich unrealistisch, denn die offenen Sternhaufen werden von der Heimatgalaxie und von vorbeiziehenden Sternen beeinflusst. Aber ich finde es interessant zu sehen, was mit einem Haufen ,,von selbst" passieren würde. Das kann man dann mit Rechenergebnissen vergleichen, welche das Gezeitenfeld berücksichtigen. Die nbody6-Software ist dazu in der Lage, das Python-Programm nicht.
Die Abbildung 1 zeigt die ersten Schritte der Entwicklung. In dieser Zeit verändert
sich die Sternansammlung aus dem etwas künstlichen Anfangszustand in eine realistische Struktur. Entscheidend hierfür ist die so genannte Relaxationszeit, das ist diejenige Spanne, in der im Mittel jeder Stern so viel Energie durch Wechselwirkungen ausgetauscht hat, wie er anfangs an Bewegungsenergie innehatte. Nach 2 bis 3 dieser Relaxationszeiten ist die Anfangskonfiguration nicht mehr von Bedeutung, der Haufen hat diese ,,vergessen". Die Relaxationszeit für den 250er-Haufen beträgt t* = 12,7. Die erste Abbildung reicht bis t* = 44, das entspricht also in etwa dieser Normalisierungsphase. Man sieht erst einmal, dass es zu keiner dramatischen Veränderung kommt. In den Ergebnissen des PythonProgramms sieht das anders aus, weil die Anfangsanordnung deutlich ,,künstlicher" ist. Aber auch dort hat sich nach einigen Relaxationszeiten eine realistische Struktur eingestellt.
Man sieht weiter, dass sich der Haufen aufbläht und sich ein Halo bildet. Dieser rührt aus der Energieproduktion von Doppelsternen her. Bei t* = 44 sind etwa 10 Doppelsterne entstanden. Der Halbmassenradius hat sich allerdings noch kaum verändert.
In der Abbildung 2 wechsle ich in einen größeren Maßstab, dreifach vergrößert. In dieser Zeit bis t* = 440 ist die Simulation nun
1 Simulationsergebnis für t* mit Werten von: 0 - 4,4 - 13 - 44
26 | Journal für Astronomie Nr. 92
2 Simulationsergebnis für t*: 13 - 44 - 130 - 440
Offene Sternhaufen
3 Simulationsergebnis
für t*: 440 - 1.300 - 4.400 - 13.000 - 44.000 - 130.000
(stärker) realistisch, das Anfangs-Zurechtruckeln ist vorbei. Man sieht sehr deutlich, wie sich der Haufen stark ausdehnt. Bis t* = 100 steigt der Halbmassenradius auf über das Doppelte, obwohl es immer noch bei diesen 10 Doppelsternen geblieben ist. Eine genaue Analyse dieser Systeme zeigt, dass sie die Tendenz haben, durch Begegnungen mit Sternen ,,gehärtet" zu werden, also näher aneinanderrücken und dadurch weitere kinetische Energie freisetzen. Zu diesem Zeitpunkt haben ca. 25 Sterne den Haufen verlassen, sind also nicht mehr gravitativ gebunden.
Es ist sehr interessant zu sehen, dass sich neben der Ausdehnung des Haufens auch die Struktur des Haufens deutlich ändert. Einem Haufen am Himmel sieht man ja nicht an, ob er von Anfang an groß war oder sich aufgebläht hat. Die Struktur sieht man schon. Als Beispiel mögen die jeweils zweiten Bilder in den Abbildungen 1 und 2
dienen. Der Haufen in Bild 2 ist 10-mal so alt wie der in Bild 1. Die beiden Konstellationen sehen auf den ersten Blick ähnlich aus, wenn man den 3-fach größeren Abbildungsmaßstab des zweiten Bildes ignoriert. Beim genauen Hinschauen sieht man aber, dass der Haufen nach einer längeren Entwicklungszeit deutlich ,,kondensierter" ist. Es hat der Prozess begonnen, dass sich ein dichter Kern bildet, umgeben von einem losen Halo. Dieser Prozess setzt sich fort, was man an der Abbildung 3 sehen kann.
Diese zeigt den größten Zeitabschnitt bis t* = 130.000. So weit in die Zukunft, das ist nur von theoretischem Interesse, kein Haufen ist so alt. Für die Plejaden bedeutet dies ein Alter von 6,5 Billionen Jahren, das 500-fache des Alters des Universums. Aber es ist zu sehen, dass die Entwicklung eines isolierten Haufens fortschreiten würde. Der Haufen hätte dann die Hälfte seiner Sterne verloren, im Haufen selbst wären 15% der
Population in Doppelsternsystemen gebunden und der Halbmassenradius auf das 500-fache des Ausgangswertes angestiegen. Um den Werdegang der Plejaden nachzuvollziehen, genügen die ersten drei Bilder in der Abbildung 1. Die Plejaden sind jung, das Alter wird mit 20-50 Mio. Jahren angegeben. Die erste Abbildung zeigt rücktransformierte Zeiten von ca. 0,20 Mio., 66 Mio. und 220 Mio. Jahren.
Internethinweise (Stand 19.08.2024): [1] Software Nbody6: https://github.
com/nbodyx/Nbody6
[2] Plummer-Modell: https://en. wikipedia.org/wiki/Plummer_model
Journal für Astronomie Nr. 92 | 27
Offene Sternhaufen
Simulation von Kugelsternhaufen
von Uwe PIlz
Offene Sternhaufen können direkt simuliert werden. Im Aufsatz dazu in diesem Heft habe ich zwar einheitenfrei gearbeitet, eine Simulation in den wirklichen Größenverhältnissen würde aber zum selben Ergebnis führen. Die Simulation von Kugelsternhaufen ist viel schwieriger, weil die Zahl der beteiligten Sterne in die Hunderttausende geht. Auf einem großen Rechnercluster wurde zwar schon 2015 die Millionen-Sterne-Marke geknackt [1], aber für uns Amateure ist dies nicht erreichbar. Haufen entwickeln sich umso langsamer, je mehr Sterne sie enthalten. Das Gravitationsfeld wird viel gleichmäßiger, es kommt zu weniger ,,Begegnungen", also so starken Annäherungen zwischen Sternen, dass die Bahnen merklich beeinflusst werden. Mit Hilfe der weit entwickelten Software ,,nbody6" von Sverre Aarseth habe ich versucht, dieses Problem durch Transformation zu lösen.
Als Ausgangspunkt dient dabei die so genannte Relaxationszeit. Das ist die Spanne, nach der alle Sterne im Mittel ihre anfängliche Bewegungsenergie durch Begegnun-
gen ,,ausgetauscht" haben. Das heißt, im Mittel wurde durch die Annäherungen an andere Sterne ebenso viel Energie aufgenommen oder abgegeben, wie anfänglich als kinetische Energie vorhanden war. Nach dieser Zeit haben alle Sterne ihre Anfangskonstellation ,,vergessen", der Haufen wird praktisch nur noch durch das von der Gravitation vorgegebene innere Geschehen bestimmt. Diese Zeit ist ein Kennzeichen der dynamischen Konstellation des Haufens und ist geeignet, um Simulationen mit kleiner Sternzahl ,,nach oben" zu transformieren.
Diese Relaxationszeit tR hängt von der Zeit tQ ab, die ein Stern zur Durchquerung des Haufens braucht (Durchquerungszeit). Sie lässt sich auf Grund theoretischer Überlegungen angeben, z. B. [2]
(1) Die Konstante 10 schwankt etwas von Autor zu Autor. Da unsere Simulationen einheitenfrei sind, ist die Durchquerungszeit tQ konstant
(2)
Mit diesem Wissen können wir versuchen, die Relaxationszeit von Kugelsternhaufen zu berechnen. Als Beispiel soll Messier 13 dienen, dessen Angaben ich in der Tabelle 1 zusammengefasst habe.
Es ist schwierig, bei einem realen Haufen die äußere Grenze zu bestimmen. Aus diesem Grund wird als Maß für die Haufengröße der so genannte Halbmassenradius benutzt. Vereinfacht gesagt ist das der Radius, welcher die Hälfte der Sterne enthält. Er lässt sich messtechnisch als ,,Halb-Licht-Radius" bestimmen und beträgt 31 Lichtjahre für M 13. Der Halbmassenradius unserer Ausgangskonstellation ist 0,78 - unabhängig von der Sternanzahl. Die Durchquerungszeit für diesen Radius beträgt dann tQ = 2,2 (einheitenfrei).
Um von einer simulierten Sternanzahl NS der Berechnung auf eine wirklich vorhandene Ziel-Sternanzahl NZ zu gelangen, muss der Zeitmaßstab mit dem Verhältnis der Relaxationszeiten korrigiert werden. Die große Sternanzahl von M 13 von 10 Millionen Sternen rührt von der großen
28 | Journal für Astronomie Nr. 92
1 Kernkollaps an Mes-
sier 13, berechnet mit verschieden stark besetzten Modell-Clustern. Wie kommt es zur langen Zeitskala von 200 Mrd. Jahren auf der Abszisse der Grafik? Wenn die Rechnung läuft, weiß man noch nicht, wie weit man rechnen muss. Dies ergibt sich erst aus der Rücktransformation mit den Rechenergebnissen. Sinnvollerweise ist die Grafik anschließend auf 20 oder 30 Mrd. Jahre zu begrenzen.
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Menge roter Zwergsterne. Ein solcher Zwergstern erzeugt auch nur ein schwaches Gravitationsfeld. Da ich mit gleich schweren Sternen gerechnet habe, wurde N=700.000 gesetzt, also auf die Masse gegeben in Sonnenmassen.
Mit diesen Angaben und Formel (1) gelangt man zu einer Relaxationszeit in StandardEinheiten:
(3)
Die Formel für den Übergang zu realen Einheiten habe ich in einem eigenen Aufsatz gegeben, hier nur das Ergebnis:
(4)
Messier 13 ist 12 Mrd. Jahre alt und gerade einmal ,,richtig durchgerührt". In seiner eigentlichen Entwicklung steht er ganz am Anfang.
Zurück zur Relaxationszeit: Diese Zeit lässt sich benutzen, um Simulationsergebnisse mit zu wenigen Sternen NS auf die real vorhandene Sternanzahl NZ zu transformieren. Der Faktor dazu ist
(5)
Die Vorgänge, welche ich in diesem Heft für die offenen Sternhaufen beschrieben habe, laufen auch bei Kugelsternhaufen ab. Durch Transformation kann man die Bildung von Doppelsternen, die ,,Erhitzung" des Haufens und den Verlust von Haufenmitgliedern im Zeitmaßstab des Kugelsternhaufens nachrechnen. Die genauesten Werte wird die ,,große" Simulation mit 10.000 Sternen liefern. Vielleicht schaffen moderne Computer noch etwas mehr, aber 30.000 Sterne sehe ich momentan als die sinnvolle Obergrenze an. Selbst das rechnet schon ein paar Wochen.
In der Abbildung 1 habe ich die Entwicklung des Kernradius, also den Kernkollaps, für Messier 13 dargestellt. Ein Schritt t* (N = 10.000) entspricht einer realen Zeit von 37 Mio. Jahren.
Diese Darstellung wurde aus Simulationen mit drei verschieden dicht besetzten Haufen berechnet. Die Daten für N = 3.000
und N = 10.000 stimmen gut überein, N = 1.000 zeigt bei fortgeschrittenem Alter des Haufens Abweichungen. Aus diesen Experimenten wird plausibel, dass man mit wenigstens 3.000 Sternen einen dicht besetzten Haufen in seinen Grundkennwerten gut simulieren kann, wenn man von einer geringeren Sternzahl hochtransformiert. Ähnliches gilt natürlich auch für die anderen Kenngrößen wie Halbmassenradius,
Tabelle 1
Kenndaten des Kugelsternhaufens Messier 13
(s. [3])
Radius
44,7 Lj
Halbmassenradius 31 Lj
Masse
700.000 Sonnenmassen
Anzahl Sterne ca. 107
Alter
12 Mrd. Jahre
Entfernung
22.000 Lj
Journal für Astronomie Nr. 92 | 29
Offene Sternhaufen
Rate an Doppelsternen und entwichenen Sternen. Für den wirklich interessierenden Zeitraum bis t = 14 Mrd. Jahre genügt selbst die Simulation mit 100 Sternen, welche sich mit dem Python-Programm (gerade noch) ausführen lässt, das auf der Fachgruppenseite unter [6] vorgestellt wird. Die Faktoren zur Umrechnung des Modell-Zeitmaßstabes in die wirkliche Zeit habe ich für Messier 13 in Tabelle 2 angegeben.
Die Simulationen ergeben neben den zusammengefassten Parametern auch die Lage und Geschwindigkeit jedes Sterns. Aus diesen Daten kann man ganz einfach ein visuelles Abbild des Haufens gewinnen und sogar die Entwicklung als eine Art Film darstellen. In der Abbildung 2 habe ich den jetzigen Zustand dargestellt. Die Übereinstimmung mit einer Fotografie ist recht gut. Mit derselben Simulationsrechnung kann man auch die Entwicklung eines ganz anders strukturierten Haufens nachvollziehen. Als Beispiel habe ich Palomar 14 (Tab. 3) herausgesucht. Lediglich der Zeitmaßstab ist ein anderer. Ich habe ihn in der Tabelle 2 mit angegeben.
Mein Transformationsvorschlag über die Relaxationszeit hat freilich auch Grenzen: Will man die Frage beantworten, ,,warum gibt es keine Kugelsternhaufen im Inneren der Galaxis", dann muss man die Gezeitenkräfte berücksichtigen. Für einen Haufen wie Palomar 14 wäre das möglich, weil dieser noch direkt simuliert werden kann. Die Transformation auf eine größere Zahl an Haufenmitgliedern wie bei Messier 13 kann nicht verwendet werden, weil dazu auch die Gezeitenkräfte mit skaliert werden müssten, was zumindest nicht auf diese einfache Weise möglich ist.
2 Struktur von M 13, Vergleich Fotografie - Simulation.
Foto: Lionel Majzik [5]
Tabelle 2
Umrechnungsfaktoren f13 (Messier 13) und f14 (Palomar 14) für den Übergang von der
simulierten Zeit t* in die wirkliche Zeit t
N
f13 /Mrd. Jahre
250
10
1000
3,2
3000
1,2
10.000
0,43
f14 /Mrd. Jahre
844 505 210 72
Tabelle 3
Kenndaten des Kugelsternhaufens Palomar 14 (s. [4])
Halbmassenradius 150 Lj
Masse
12.000 Sonnenmassen
Alter
10 Mrd. Jahre
Entfernung
244.000 Lj
Literatur- und Internethinweise (Stand 20.08.2024):
[1] L. Wang et. al., 2015: ,,Ready for the gravitational million-
body problem", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 450, S. 4070-
4080
[2] L. S. Spitzer, 1987: ,,Dynamical Evolution of Globular
clusters", Princeton University Press
[3] P. T. Leonard, H .B. Richerm, G. G. Fahlmann, 1992: ,,The
mass and stellar content of the Globular cluster M13'',
Astron. J. 104, S. 2104-2111
[4] . Çalikan, N. Christlieb, E. K. Grebel, 2012: ,,Abundance
analysis of the outer halo globular cluster Palomar 14",
Astron. Astrophys. 537, S. A83
[5] L. Majzik, P. Riepe, 2023: ,,Der Kugelsternhaufen Messier [5]
13 - ein gern gesehenes Standardobjekt", Astrofoto der
Woche 15/2023, www.astronomie.de/aktuelles-und-
neuigkeiten/detailseite-1/15-woche-der-kugelsternhaufen-
messier-13-ein-gern-gesehenes-standardobjekt
[6] VdS-FG Astrophysik und Algorithmen, 2024: ,,Python-
[6]
Programm zur Simulation von Sternhaufen", http://
fg-astrophysik.vdsastro.de/prg92.html
30 | Journal für Astronomie Nr. 92
Offene Sternhaufen
Simulation und Wirklichkeit
- Übergang von Modell-Einheiten auf astronomische Einheiten
von Uwe Pilz
Es ist immer eine gute Idee, Simulationen einheitenfrei durchzuführen, falls dies irgendwie geht. Ein Ergebnis deckt dann eine ganze Problemklasse ab. Man muss dann das Resultat am Ende in die gewünschten Ziel-Einheiten transformieren. Gut sichtbar ist das beim Kugelsternhaufen-Aufsatz in diesem Heft: Die beiden ganz unterschiedlichen Haufen Messier 13 und Palomar 14 können mit derselben Simulation beschrieben werden, wenn man den Zeitmaßstab anpasst. Die Simulationsgemeinde hat sich für das Mehrkörperproblem auf das folgende Einheitensystem geeinigt: - Der Anfangsradius r* ist 1. Es gibt zwar verschiedene Anfangs-
konstellationen, und auch die Auffassung, was der Radius sein soll, ist nicht einheitlich. Dennoch haben die Haufen am Anfang ungefähr die Ausdehnung 1. - Die Gesamtmasse aller Sterne ist 1. - Die Gravitationskonstante ist 1 (sie geht in die Massen ein). - Dadurch entsteht die NBODY-Zeit t* (ohne Einheit).
Um dieses Einheitensystem in die Wirklichkeit zu transformieren, kann man die folgende Formel benutzen:
(1)
Die Werte müssen in den angegebenen Einheiten eingesetzt werden, also der wirkliche Radius r in Lichtjahren und die Gesamtmasse m in Sonnenmassen ms. Die Zeit ergibt sich dann in Millionen Jahren (a). Mit dieser Formel kann man eine Konstellation über die realen Kenndaten in den wirklichen Zeitmaßstab umrechnen. Da die Gesamtmasse und der Radius 1 sind, wird die Formel für die Anfangskonstellation sogar noch etwas einfacher.
Beispiel: Für einen Haufen mit 1.000 Sonnenmassen und einer Ausdehnung von 10 Lichtjahren ergibt sich t / (Mio. a) = 2,5 · t*. Eine Einheit von t* entspricht in diesem Fall 2,5 Mio. Jahren.
Vorgehen für bereits entwickelte offene Sternhaufen Die Formel im vorigen Abschnitt kann man anwenden, wenn man die Anfangskonstellation kennt. Wenn man einen offenen Sternhaufen untersuchen will, den man am Himmel vorfindet, dann kennt man dessen Ausgangszustand nicht. Er hat wahrscheinlich Mitglieder verloren und sich ausgedehnt. Als Ausgleich dafür kennt man meist das Alter, weil sich dies aus dem Entwicklungszustand der Sterne ablesen lässt. Man geht hier so vor: Die Simulationsergebnisse liegen ja engmaschig vor, so wie man die Ausgabe des Programmes konfiguriert hat. Jeder Zeitschritt ist ja auch ein Entwicklungsschritt, mit eige-
nen Werten für m* (meist kleiner 1) und r* (meist viel größer 1). Diese Werte kann man in Formel 1 einsetzen und erhält einen Umrechnungsfaktor. Wenn man diesen mit der simulierten Zeit t* für diese Rechenausgabe multipliziert, dann erhält man eine Altersangabe. Diese ist zunächst rein hypothetisch, also irgendein Wert. In einem gewissen Bereich der Simulation wird diese Altersangabe aber mit dem wirklichen Alter übereinstimmen. Und das ist der Entwicklungszustand des jetzt beobachteten Haufens. Der so ermittelte Umrechnungsfaktor ist jetzt für die gesamte Simulation gültig, alle anderen berechneten Faktoren haben keine physikalische Bedeutung.
Beispiel: Für die Plejaden (jetzt) gilt: m = 735 Sonnenmassen, Alter 125 Mio. a, Halblichtradius 0,5 Grad, das entspricht 14 Lj.
Physikalisch sinnvoll ist die Simulation bei t* = 29. Der Faktor ist 4,2 Mio. Jahre für eine Einheit von t*. Das weicht nur wenig von dem Faktor 5 Mio. Jahre ab, den man erhielte, wenn man die Plejaden als ,,in status nascendi" ansähe. Das ist auch logisch, denn der Haufen ist ja jung. Für stark entwickelte Haufen weichen diese Angaben stärker voneinander ab.
Vorgehen für Kugelsternhaufen (und Galaxien) Mit unseren Amateurmitteln können wir nur die am schwächsten besetzten Kugelsternhaufen direkt simulieren. Hunderttausende oder gar Millionen von Einzelsternen - das liegt jenseits der Möglichkeiten heutiger Schreibtischcomputer. Das gilt selbst dann, wenn die hochentwickelte NBODY6-Software benutzt wird.
Im Aufsatz über Kugelsternhaufen habe ich besprochen, dass die Relaxationszeit hier eine Lösung bietet. Zusätzlich zur Konvertierung in reale physikalische Einheiten muss noch ein Faktor berücksichtigt werden, welcher die unterschiedliche Sternanzahl NS des simulierten und des wirklichen Haufens NZ berücksichtigt. Auch dieser Faktor wirkt nur auf den Zeitmaßstab. Die endgültige Formel ist
(2)
Hierin ist N* die Anzahl der zur Umrechnungszeit noch vorhandenen Sterne der Simulation und N die Anzahl der Sterne im wirklich betrachteten Haufen. Diese Formel eignet sich nur für Kugelsternhaufen, welche sich frei entwickeln. NBODY6 gestattet prinzipiell die Berücksichtigung von Gezeitenkräften durch die Heimatgalaxie. Diese zusätzlichen Kräfte können nur angebracht werden, wenn die Haufen mit der wirklichen Sternanzahl simuliert werden.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 31
Amateurteleskope/Selbstbau
Die spannungsvolle Brotdose
von Iris Fienhold
Meine Leidenschaft gehört der Astrofotografie. Die Ausrüstung setzt sich derzeitig wie folgt zusammen: - TS Foto-Newton 200 mm / 1.000 mm - APM-Guiding-Teleskop 50 mm / 205 mm - Steuerung ASIair1 - Nachführung UMi17 Harmonic Mount,
Skyoptikst - Skywatcher-Stahl-Stativ - 7 m Kabelzuführung für eine Leitung von
5 A für den Anschluss an das Wohnmobil
1 Die Brotdose in der Ansicht von vorne
Um die ganzen Komponenten vor Überspannung, Kurzschluss, Kabelsalat etc. zu schützen, habe ich mir einen Verteiler mit geregelter Stromversorgung in einer Kunststoff-Brotdose aufgebaut, die ich hier beschreiben möchte. Jetzt kann mit einem Netzteil oder über die Bordbatterie meines Wohnmobils die Stromversorgung sichergestellt werden. Die ,,Brotdose" findet ihren Platz auf einer neuen Ablage unter der Stativablage. Die ASIair-Steuerung sitzt nun gut verstaut am Tubus des Newtonteleskops. Die Kabelführung zu den einzelnen Komponenten wurde damit deutlich verbessert.
2 Die Brotdose in der Ansicht von rechts
Vorher habe ich mit zwei Powerpacks und einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV), vielen Klettbändern und Beuteln die Stromversorgung sichergestellt. Das führte dann aber doch des Öfteren zu Problemen bzw. Ausfällen, vom bekannten Kabelsalat mal ganz zu schweigen.
3 Die Brotdose in der Ansicht von links
Beschreibung des Verteilers Die Dose hat 2 Eingänge für die Versorgungsspannung: einen für Klinkenstecker für die Batterie oder ein 220-V-Netzteil, einen weiteren für Anderson-Stecker (Ausführung mini 30 A) für Batteriekabel mit Polklemmen. Diese Stecker haben sich als stabiler erwiesen als die Stecker für den Zigarettenanzünder.
4 Die Brotdose in der Ansicht von innen
Die Verteilerdose hat folgende Ausgänge: 3 x 12 V, davon einen Ausgang geregelt für die UMi17-Steuerung und zwei ungeregelte vom Batteriestrom des Wohnmobils, kein Leistungsmodul dazwischen, Leistung regelbar für die Heizbänder. 1 x 9 V für die Kamera Panasonic Lumix GH5 über Akkudummy 4 x 5 V USB, gesamt 5 A maximal, 1 x 5 V USB/3 A Hochstrom, USB-Anschluss für die ASIair-Steuerung 1 x LED-Doppelanzeige für die Spannung (Volt) und Stromstärke (Ampere), wobei mich die Verkabelung für die Anzeige zur Stromstärke zur Verzweiflung gebracht hat. Ich habe daraufhin beschlossen, die Anzeige für die Stromstärke nicht zu realisieren. Es hat sich im Betrieb der Verteilerdose erwiesen, dass auch auf einen Ventilator verzichtet werden kann. Von den 12 Stromkreisen sind 5 belegt, somit habe ich noch Luft für Spielereien. Inzwischen habe ich die Brotdose auch mit einem Standardnetzteil 220 V/3 A betrieben, was problemlos möglich war.
Folgende Teile wurden verbaut: - 1 x Dose in passender Größe (hier eine
Brotdose, ca. 30 cm x 20 cm x 8 cm) - 1 x Sicherungskasten (KFZ-Zubehör), 12
abgesicherte Stromkreise mit Stecksicherungen und Ausfall-LEDs. - 2 x DC-DC Wandler (Step up / Step down), 8-32 V-Eingang, geregelter 12 V / 5 A-Ausgang (gekapselt) - 1 x DC-DC Wandler (Step up / Step down), 12 V-Eingang, geregelter 9 V / 3 A-Ausgang (gekapselt) - 1 x DC-DC Wandler, 12 V-Eingang, geregelter 5 V / 3 A-Ausgang (gekapselt) - 1 x Modul mit 4 x USB 12 V-Eingang, geregelter 5 V-Ausgang, gesamt 5 A - 2 x DC-Motorleistungsregler für 2 regelbare 12 V-Anschlüsse (Heizbänder) - 1 x USB-Dose 5 V / 3 A
32 | Journal für Astronomie Nr. 92
5 Der Komplettaufbau der Brotdose
- 5 x Steckdosen mit Gummiverschluss für Klinke 5,5 x 2,1 mm, vorkonfektioniert
- 1 x Ein-Aus-Schalter mit LED - 1 x Anderson-Steckerdose für Verbin-
dungskabel zum Wohnmobil - 1 x Volt-Ampermeteranzeige mit pas-
sendem Shunt (das braucht es nicht zwingend)
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Selbstbau einer Gartensternwarte
von Bernhard Suntinger
Ende 2023 habe ich mir einen lang ersehnten Traum erfüllt und im Garten meiner Wohnung eine Gartensternwarte errichtet: Eine Fahrradgarage wurde zu einer semiprofessionellen Remote-Sternwarte umgebaut. Diese ist nun seit einem Jahr in Betrieb (Abb. 1). Und da ich so begeistert von diesem verhältnismäßig günstigen Schutzbau bin, möchte ich in diesem Bericht davon erzählen. Vielleicht wird der ein oder andere Leser dazu inspiriert, auch eine eigene kleine Sternwarte zu bauen. Die Vorteile eines immer einsatzbereiten Teleskops sind enorm und können das Hobby Astronomie auf ein neues Level bringen.
Als verhältnismäßig günstiger Schutzbau wurde die Fahrradgarage StoreMax 190 von der österreichischen Fa. Biohort ausgewählt [1]. Diese ist mit einem Verkaufspreis von ca. 1.600 (Stand: Juli 2024) im Vergleich zu anderen Schutzbauten mit ähnlichem Funktionsumfang relativ kostengünstig. Das Schwierigkeitslevel für das Fundament, den Aufbau und diverse Umbauten zur Sternwarte ist als eher gering anzusehen, so dass dieses Bauprojekt auch Personen mit wenig handwerklichem Geschick empfohlen werden kann. Von dieser Fahrradgarage der Serie StoreMax gibt es drei Größenausführungen. Das Modell: StoreMax 190 ist die größte Variante. Diese kann ein C11-Schmidt-Cassegrain-Teleskop beherbergen und ist mit ihren Maßen von L = 190 cm, B = 97 cm und H = 136 cm sehr platzsparend in den Garten oder
1 Der Autor vor seiner fertig errichteten Gartensternwarte ,,Unendliche Weiten"
Balkon integrierbar. Die zwei Rollladenschiebetüren ermöglichen die komplette Öffnung der gesamten Frontseite der Fahrradgarage vom Horizont bis über den Zenit. Beobachtungen bis in den Zenit sind dadurch möglich (Abb. 2). Durch die niedrige Bauhöhe von weniger als 140 cm entfällt in der Regel eine Bewilligungspflicht, was aber je nach Gemeinde unterschiedlich gehandhabt wird. Man kann sich die Fahrradgarage somit in seinen Garten stellen, ohne die Zustimmung von Nachbarn und Gemeinde einholen zu müssen.
Nachdem ein geeigneter Platz im Garten gefunden war, wurde das Fundament für die Sternwarte errichtet. Hierzu wurde die
Erde mittels Hacke und Schaufel ca. 10 cm tief abgegraben und per Erdstampfer verdichtet. Anschließend wurde ein Bodenflies eingelegt, um Unkraut und Wurzeln am Durchwachsen zu hindern. Danach wurde eine ca. 6 cm dicke feine Kiesschicht aufgetragen, mittels Abziehleiste und Wasserwaage gleichmäßig verteilt und mit dem Erdstampfer verdichtet. 4 cm dicke Terrassenplatten, lückenlos zueinander aufgelegt, bilden den Boden der Sternwarte (Abb. 3). Auf das fertige Fundament wurde in ca. 3-stündiger Arbeitszeit die Fahrradgarage aufgestellt. Durch deren großes Gewicht konnte auf eine zusätzliche Sicherung am Fundament verzichtet werden.
34 | Journal für Astronomie Nr. 92
Amateurteleskope/Selbstbau
2 Beobachtungen bis in den Zenit sind möglich. Auch Meridianflips
können ausgeführt werden.
3 Das Fundament: Auf der verdichteten Kiesschicht werden die
Terrassenplatten aufgelegt.
Für die Stromversorgung wurde eine runde Öffnung in ein Seitenteil des Gehäuses gestanzt. Eine wasserdichte Kabeldurchführung und ein Stück Gartenschlauch dienen als Schutz für das eingeführte Stromkabel in das Innere der Sternwarte (Abb. 4). Eine Funksteckdose beim Hausanschluss ermöglicht eine bequeme Stromlosschaltung bei Nichtbenutzung der Sternwarte. Die Netzwerk- und Internetverbindung erfolgt über PowerLAN-Adapter (Internet über die Steckdose). Der PowerLAN-Adapter für die Sternwarte ist in der grünen Verteilerbox eingesteckt (Abb. 5). Der zweite Adapter befindet sich im Wohnzimmer beim Internet-Router. Dadurch kann von der Wohnung aus per Remotebetrieb auf die Sternwarte zugegriffen werden. Der Zugriff kann auch per Laptop über WLAN erfolgen. Unter der grünen Verteilerbox befindet sich ein PC. An diesem ist das gesamte Teleskopequipment angeschlossen und die kostenlose Remotesoftware ,,UltraVNC" als Server installiert. Auf dem Laptop, über welchen die Sternwarte gesteuert wird, ist UltraVNC als Client installiert. Die Remoteverbindung funktioniert so gut, dass eine verlustfreie Bildqualität und kein nennenswerter Eingabe-Delay vorliegt. Das BIOS des Sternwarten-PCs wurde so konfiguriert, dass der PC bei Stromzuschaltung via Funksteckdose automatisch hochfährt. Auch alle für die Beobachtungsnacht rele-
vanten Programme werden nach dem Booten über die vorkonfigurierte Windowsfunktion ,,autorun" automatisch gestartet und initialisiert.
Unter dem PC befindet sich eine selbstgebaute PowerBox [2]. In dieser sind alle Netzteile und EDV-Module untergebracht sowie das Kabelwirrwarr versteckt. Für den Betrieb der Sternwarte sind in Summe 10 Netzteile erforderlich. Würden alle bei Stromzuschaltung gleichzeitig Strom bekommen, käme dies einem Kurzschluss gleich und die 16ASicherung würde auslösen. Daher befinden sich in der grünen Verteilerbox zwei weitere Funksteckdosen, um die Stromzufuhr der Netzteile und des PCs in drei Etappen langsam zuschalten zu können. Des Weiteren beinhaltet die PowerBox einen Taukappenheizkontroller, einen USB3.0-Hub, einen 12V-Ausgang für den Anschluss einer Flatfieldbox, eine 230V-Steckdose, um mittels Staubsauger die Sternwarte reinigen zu können, ebenso zwei USB-Ladeausgänge, um technische Geräte im Freien aufladen zu können. Eine IP-Kamera erleichtert den Remotebetrieb (Abb. 6). Diese kann remote per Mausklick in alle Richtungen geschwenkt werden. Im Nachtsichtmodus (IR-LEDs) lassen sich außerdem die Schwenkbewegungen des Teleskops verfolgen, der Garten überwachen und ein schneller Übersichtsblick vom Nachthimmel gewinnen.
Die Erdung der Fahrradgarage erfolgt über ein Kabel, welches per SteckdosenErdungsadapter mit der Stromleitung verbunden ist. Im rechten Seitenbereich der
4 Das Stromkabel ist über eine regen-
wasserdichte Kabelführung in das Innere der Sternwarte verlegt.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 35
Amateurteleskope/Selbstbau
5 Stromverteiler,
PC und PowerBox sind platzsparend untergebracht. Die Verkabelung ist schlicht und übersichtlich verlegt.
6 Das Teleskop befindet sich in Parkposition. Links hinten im Eck befindet sich
die IP-Kamera. Auf der rechten Seite die Meteo(r)-Station. Das linke Seitenteil ist mit Wärmedämmplatten beklebt.
7 Eine Teleskop-Abdeckplane sorgt für einen Thermoskanneneffekt und verhindert
dadurch Kondenswasser an Montierung und Teleskop. Die Abdeckplane dient auch als Staubschutz.
36 | Journal für Astronomie Nr. 92
Sternwarte befindet sich eine von einem Kugelkopf gehaltene Kunststoffbox, in welche im Eigenbau eine Meteo(r)-Station eingebaut wurde [3]. Diese beinhaltet ein Sky Quality Meter zur Aufzeichnung der Himmelshelligkeit im Verlauf der Beobachtungsnacht sowie eine AllSky-Kamera zur Remote-Begutachtung der Beschaffenheit des Nachthimmels oder - via Analysesoftware - zur automatischen Dokumentation von Meteoren und anderen Leuchterscheinungen am Nachthimmel, als Videobeweis mit Zeitstempel. Ein Mikrofon soll das von der Wissenschaft noch nicht vollständig verstandene Phänomen der Synchronschallereignisse bei großen Meteoren bzw. Meteoriten mit Zeitstempel erfassen. Ein Sensorfühler dokumentiert die vorherrschende Temperatur, Luftfeuchtigkeit und den Taupunkt während der Beobachtungsnacht in Diagrammdarstellung.
Um den Temperaturunterschied in der Fahrradgarage zur Außenluft insbesondere bei direkter Sonnenbestrahlung möglichst gering zu halten, wurde das seitliche, von der Sonne beschienene anthrazitfarbige Garagenseitenteil auf dessen Innenseite mit 2 cm dicken, selbstklebenden Wärmedämmplatten (Armaflex XG) beklebt. Dadurch steigt die Temperatur im Inneren der Sternwarte selbst im Hochsommer nicht mehr als 10 Grad C über Umgebungstemperatur an. Da die beiden Rollladentüren auf der Rückseite der Fahrradgarage im geschlossenen Zustand entlang des Überlappungsbereichs zueinander einen ca. 3 cm breiten Spalt aufweisen, ist ein stetiger passiver Luftaustausch gegeben. Auf den Einbau eines Solarlüfters kann daher problemlos verzichtet werden.
Um besonders in den feuchten Herbstmonaten Taunässe zuverlässig zu vermeiden und zum zusätzlichen Staubschutz wird das Teleskopequipment in dessen Parkposi-
Amateurteleskope/Selbstbau
tion mit einer Plane abgedeckt (Abb. 7). Unter dieser ist ein passives Entfeuchtungsgerät (PINGI ID-A300) aufgestellt, gefüllt mit Silicagel-Kügelchen (Abb. 8). Dieses leistet selbst in den nebeligen Herbstmonaten hervorragende Arbeit, so dass die Luftfeuchtigkeit nur selten über 75% ansteigt. Das Entfeuchtungsgerät muss je nach Witterung 1x pro Monat bis 1x pro Woche durch mehrstündiges Anstecken an der Steckdose regeneriert werden. Um dennoch die vorherrschende Luftfeuchtigkeit sowie Temperatur stets im Auge behalten zu können, befinden sich in der Sternwarte zwei Funksensoren für die digitale Wetterstation im Wohnzimmer. Ein Sensor erfasst die Luft in der Fahrradgarage, der zweite Sensor ist unter der Teleskop-Abdeckplane in unmittelbarer Nähe zum Teleskop platziert, ein dritter befindet sich im Schatten an der Balkonwand. Durch einen schnellen Blick auf das Display der Wetterstation erhält man somit den direkten Vergleich zwischen Außenbereich und Sternwarte. Bei Starkregen kommen die Abrinnführungen des Rollladensystems an ihre Grenzen, wodurch geringe Wassermengen in die Sternwarte eindringen können. Aus diesem Grund wurde über den Onlineshop KAMPA-Planen [4] eine maßgenaue rechteckige Abdeckhaube in gewünschter Farbe bestellt (Abb. 9). Im Winter schützt diese auch vor Vereisungen des Rollladensystems. Die Sternwarte ist alarmgesichert. Zwei Funk-Magnetkontakte an den Rollladentüren und ein Funk-Infrarot-Bewegungsmelder wurden mit der Alarmanlage der Wohnung vernetzt (Abb. 10).
Fazit Mit der neuen Gartensternwarte kann ich jede klare Nacht für astronomische Beobachtungen nutzen. An lauen Sommerabenden sitze ich mit dem Laptop im Liegestuhl neben der Sternwarte oder am Balkon, in der kalten Jahreszeit wird der Sternwartenbetrieb von der warmen Wohnung aus gesteuert. Es benötigt nur fünf Minuten, bis das Teleskop schwenkbereit ist. Genauso rasch erfolgt das Verschließen der Sternwarte. Dadurch ist es mir sogar auch unter der Arbeitswoche möglich, die Sternwarte für einen schnellen Blick in die Sterne zu öffnen.
Literatur- und Internethinweise (Stand 20.08.2024): [1]
[1] Biohort-Fahrradgaragen: www.biohort.com/
[2] B. Suntinger, 2018: ,,PowerBox: für mobile Sternwarten
(Version 230 V)", VdS-Journal für Astronomie 65,
S. 48-49
[4]
[3] B. Suntinger, 2020: ,,Selbstbau einer automatisierten
Meteo(r)-Himmelsüberwachung", VdS-Journal für
Astronomie 72, S. 102-105 [5] [4] KAMPA-Planen: https://kampa-planen.de/
[5] B. Suntinger: Homepage, www.unendlicheweiten.at
8 Im Dreibeinstativ sind ein Luftentfeuchter und ein Temperatur-
Luftfeuchtigkeitssensor untergebracht.
9 Leichter Landregen ist für die Fahrradgarage kein Problem.
Vor einem Starkregen wird präventiv eine Abdeckhaube aufgesetzt.
1 0 Zwei Funk-Magnetkontakte (hier der untere) schlagen
Alarm, falls sich ein Unbefugter Zugang zum Teleskop verschaffen will.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 37
Astrofotografie
Lichtschwache Reflexionsnebel:
eine fotografische Übersicht mit Hintergrundinformationen (Teil 2)
von Stefan Binnewies und Peter Riepe
Teil 1 des Artikels im letzten VdS-Journal [11] galt den physikalischen Hintergrundinformationen zu lichtschwachen Reflexionsnebeln. Nun geht es um die Fotografie dieser Objektklasse und wir stellen stellvertretend für die mehreren Tausend bekannten und katalogisierten schwachen Reflexionsnebel sechs Himmelsfelder mit dieser Objektklasse vor.
gegenüber dem Himmelshintergrund - und dazu gehört inzwischen insbesondere die Lichtverschmutzung - zu erhöhen. Doch es kam Abhilfe.
Allein schon die schiere Anzahl dieser Nebel und deren im Vergleich zu den meisten Galaxien und Planetarischen Nebeln größere Ausdehnung am Himmel machen die lichtschwachen Reflexionsnebel inzwischen zu den Lieblingsobjekten einiger Astrofotografen. Immer wieder erscheinen dann Bilder niemals zuvor gesehener Nebellandschaften in den einschlägigen Foren, erfrischende Abwechselung in der sonst so gleichen Abfolge von M 8, M 20, Pelikan- oder Orionnebel.
Egal ob für die Profiastronomie oder uns Amateure, schwache Reflexionsnebel sind ein relativ junges Aufnahmefeld. Die hellsten von ihnen wurden visuell entdeckt und haben Eingang in den NGC-Katalog (1888) gefunden. Die schwächeren haben aber andere Väter und Mütter, wie gleich zu sehen sein wird.
Zuerst waren da Friedrich Wilhelm Herschel (Ende des 18. Jh.) und Johann Georg Hagen (Anfang des 20 Jh.), die von sehr schwachen und ausgedehnten Wolken zwischen den Sternen abseits der Milchstraße berichteten - visuelle Beobachtungen, die zunächst und vor allem als obskur abgetan wurden.
Das änderte sich mit dem fotografisch erstellten Nebelkatalog von E. E. Barnard (1927) mit 349 Einträgen von Dunkelnebeln, die wir heute in tief belichteten Aufnahmen oft mit einem aufgehellten Rand als schwache Reflexionsnebel mit zentralem dunklem Kern oder dunklem Schlauch wahrnehmen können. Richtig Fahrt auf nahm aber die Entdeckung schwacher Re-
flexionsnebel erst mit der Veröffentlichung der Blau- und Rotauszüge des National Geographic-Palomar Observatory Sky Survey (POSS).
Die Großmeisterin bei der Katalogisierung der schwachen Reflexionsnebel wurde dann Beverly Turner Lynds mit ihrem Catalogue of Dark Nebulae (LDN-Liste von 1962) mit 1.806 Einträgen und dem Catalogue of Bright Nebulae (LBN-Liste von 1965) mit 1.125 Einträgen. Beide Nebelklassen (LDN und LBN) überlappen sich oft und spiegeln so die dunkleren Kernbereiche und die schwach erleuchteten Ränder dieser Reflexionsnebel wider.
Nach den beiden Lynds-Katalogen folgten Listen von van den Bergh (1966) mit 159 Einträgen, Sandqvist & Lindvoos (1976) mit 42 Einträgen, noch einmal Sandqvist (1977) mit 95 Einträgen, Bernes (1977) mit 81 Einträgen und Magnani et al. (1985) mit 57 Einträgen. Die Aufzählung lässt sich noch etwas fortsetzen, bevor dann mit dem IRAS-Satelliten (1983) und radioastronomischen Beobachtungen die Entdeckung weiterer schwacher Reflexionsnebel (speziell gemeint sind jetzt Staub- und Molekülwolken) nicht mehr Domäne der klassischen Astrofotografie blieb.
Warum das alles erst so spät? Zwei Gründe fallen uns da ein: zum einen ist es die recht große Ausdehnung dieser Nebel am Himmel, zum anderen ihre geringe Leuchtkraft und die fehlende Möglichkeit, durch geschickte Filterung bei der Aufnahme den Kontrast der schwachen Reflexionsnebel
Während die Avantgarde der professionellen Astrofotografen vor allem mit Teleskopen mit kleinem nutzbarem Gesichtsfeld und langer Brennweite arbeitete und damit durch die schwachen Reflexionsnebel einfach ,,hindurchfotografierte", erwuchs mit der Erfindung der Schmidtkamera in den 1930er Jahren die Möglichkeit, mit einem großen, gut korrigierten Gesichtsfeld und schnellem Öffnungsverhältnis diese Objekte in Gänze und mit Umfeld zu detektieren und zu erfassen.
Und dann kam die digitale Aufnahmetechnik als weitere große Hilfe hinzu. Vorher, zur Zeit der chemischen Fotoemulsionen, war es bei gegebener Optik und gegebenem Film nur möglich, das Signal/Rausch-Verhältnis bis zur sinnvollen Maximalbelichtungszeit der jeweils einen Aufnahme zu verbessern, indem ein möglichst dunkler Himmel aufgesucht wurde. Mit der digitalen Technik lässt sich aber durch den repetitiven Aufnahmevorgang die Belichtungszeit beliebig verlängern und durch das Aufsummieren aller Aufnahmen das Nebelsignal vom Rauschen (Störsignal des Detektors und Ausleserauschen, vor allem aber der Lichtverschmutzung) viel besser abheben und somit auch ohne den bei Reflexionsnebeln weitgehend sinnlosen Filtereinsatz ein für die Weiterverarbeitung ausreichendes Objektsignal erzielen. Wobei das Aufsuchen eines dunklen Himmels vor der Aufnahme immer noch zusätzlich kräftig hilft!
Das war jedenfalls der Durchbruch für uns Amateurastrofotografen und nicht nur für die - doch jetzt kommen die Bilder.
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Astrofotografie
Abbildung 1 (Seite 39) Um Polaris ( UMi), knapp links unterhalb der Mitte stehend, findet sich eine besonders dichte und auch helle Staub- und Gaswolke in der typischen braunorangen Färbung des galaktischen Zirrus mit Girlanden und ausgefransten Rändern. Das Feld deckt LDN 1288, LDN 1290 und LBN 606 ab. Rechts am unteren Rand steht noch der offene Sternhaufen NGC 188 im Sternbild Cepheus. Belichtung mit einer Nikon D850a und 200-mm-Teleobjektiv (Blende 4), 120 x 60 s bei ISO 6400 in der Eifel. Norden ist oben, Bildautor: Stefan Binnewies.
Abbildung 2 (Seite 40) Vier Grazien im Sternbild Cepheus, von oben nach unten: zunächst waagerecht orientiert LDN 1251 und vdB 149/150, dann senkrecht und nach rechts oben abknickend vdB 152 und unten schräg im Bild LDN 1221 mit LBN 532. Alle vier Nebelschläuche erinnern an kometare Globulen, längliche schleierförmige Nebel mit einem Dunkelnebel oder einem kleinen blauen Reflexionsnebel (zumeist Bezeichnung aus dem vdB-Katalog) im Kopfbereich. Kometare Globulen sind oft SNR assoziiert, sie weisen mit ihrem Nebelfähnchen vom Explosionszentrum weg, wobei im Cepheus eine ganze Reihe von SNRs ursächlich sein könnten, vielleicht auch der im Bild befindliche SNR 110.3+11.3 (kleiner Bogen bei vdB 152). Belichtung mit einer Canon EOS 6Da und 200-mm-Teleobjektiv (Blende 3,5), 53 x 180 s bei ISO 3200 auf La Palma. Norden ist oben, Bildautoren: Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg.
Abbildung 3 (Seite 41) NGC 5367 im Sternbild Centaurus ist eine kometare Globule (bekannt auch als CG 12 bzw. Bernes 146) mit so hellem blauweißlichen Kopfbereich, dass dieser bereits im 19. Jh. entdeckt und als Nebel katalogisiert wurde. NGC 5367 ist das südlichste der hier vorgestellten Objekte, dennoch fotografisch auch schon von den Kanarischen Inseln aus nachzuweisen. Belichtung mit einer Canon EOS 6Da und Takahashi Epsilon 130 D (Brennweite 430 mm, Öffnung 130 mm), 22 x 300 s bei ISO 6400 in Namibia. Norden ist oben, Bildautoren: Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg.
Abbildung 4 (Seite 42) Eine eher selten gezeigte Nebellandschaft ist das Feld um ny Serpentis, den hellsten Stern im Bildfeld. Links finden sich LBN 18 und 19 mit der Dunkelwolke LDN 183. Mittig sind LBN 11 und 15 zu sehen, außerdem stehen noch LDN 175 und 188 im Feld. Rostbraun ist die vorherrschende Nebelfarbe, unten eher ein schwaches Rot. Belichtung mit einer Canon EOS 6Da und Takahashi Epsilon 130 D (Brennweite 430 mm, Öffnung 130 mm), 18 x 300 s bei ISO 6400 in Namibia. Norden ist links. Bildautoren: Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg.
Abbildung 5 (Seite 43) Im Stier steht der offene Sternhaufen der Hyaden und nordwestlich der Sternhaufenmitte findet sich diese intensiv rostrote Nebelschlange, durchsetzt mit einigen Dunkelwolken und an ihren Enden nicht mit den typisch blauen vdB-Nebeln, sondern mit rötlichen Reflexionsnebeln. Darunter auch ein vdB, nämlich vdB 28 zusammen mit NGC 1555, LDN 1541 und LDN 1544 eingebettet in LBN 819 links oben und rechts unten LDN 1549 eingebettet in Sh2-239, der wiederum zahlreiche HH-Objekte beheimatet. Doch da verlassen wir dann die Klasse der Reflexionsnebel. Belichtung mit einer Nikon D850a und Takahashi Epsilon 130 D (Brennweite 430 mm, Öffnung 130 mm), 600 x 30 s bei ISO 3200 im Bergischen Land. Norden ist links, Bildautor: Stefan Binnewies.
Abbildung 6 (Seite 44) In der Andromeda steht mit vdB 158 bzw. LBN 534 eine weitere kometare Globule, farblich deutlich neutraler, mehr gräulich, fast wie Spinnweben im Vergleich zu den Nebeln in Abbildung 5 oder 4, hier wieder mit blauen Reflexionsnebeln im Kopfbereich, ähnlich wie in Abbildung 2 bzw. 3. Belichtung mit einer Nikon D850a und Takahashi Epsilon 130 D (Brennweite 430 mm, Öffnung 130 mm), 400 x 30 s bei ISO 6400 am Vogelsberg. Norden ist links, Bildautor: Stefan Binnewies.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2024): [1] J. Dorschner, J. Gürtler, 1963: ,,Unter-
suchungen über Reflexionsnebel am Palomar Sky Survey. I. Verzeichnis von Reflexionsnebeln", Astron. Nachr. 287, S. 257 [2] Beverly T. Lynds, 1965: "Catalogue of bright nebulae", Astrophys. J. Suppl. Ser. 12, p. 163-185 [3] Franziska Konitzer, 2014: ,,Interstellarer Staub", Publ. in: Welt der Physik, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie Deutsche Physikalische Gesellschaft, www. weltderphysik.de/gebiet/universum/ sterne/interstellarer-staub/ [4] Edward E. Barnard, 1919: "On the dark markings of the sky with a catalogue of 182 such objects", Astrophys. J. 49, p. 1-24 [5] Frank E. Ross, Mary E. Calvert, 1934: "Atlas of the Northern Milky Way", University of Chicago Press, Chicago [6] Chemie.de, www.chemie.de/lexikon/ Silikate.html [7] Christian Henkel, 1996: ,,Kühles Gas und heiße Sterne", spez. Publ. MPI für Radioastronomie, Bonn, www.mpifr-bonn. mpg.de/472998/galspect [8] Two Micron All Sky Survey, 2MASS, https://irsa.ipac.caltech.edu/ applications/2MASS/ [9] NASA/IPAC Infrared Science Archive, https://irsa.ipac.caltech.edu/ applications/DUST/ [10] Aladin Sky Atlas, http://aladin.cds. unistra.fr/aladin.gml [11] P. Riepe, S. Binnewies, 2024: ,,Lichtschwache Reflexionsnebel: eine fotografische Übersicht mit Hintergrundinformationen (Teil 1)", VdS-Journal für Astronomie 91, S. 41-45
[3]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
Journal für Astronomie Nr. 92 | 45
Astrofotografie
Der gesamte Himmel mit dem Normalobjektiv
von Helmut Metz
Den gesamten Sternenhimmel fotografisch abzubilden, ist ein spannendes Projekt mit besonderen Herausforderungen. Die lückenlose Abdeckung mit Fotos verlangt ein planmäßiges Vorgehen. Zunächst stellt sich die Frage: mit welcher Brennweite will ich das machen? In der Abbildung 1 ist ein Plan des gesamten Himmels in Hammer-AitovProjektion [1] gezeigt, nach welchem man mit einer Kamera mit APS-C-Sensor und einem 35-mm-Objektiv vorgehen kann. Den Himmelsausschnitt, welchen man mit einem Foto abdeckt, bezeichne ich im Folgenden als Sternfeld.
Der Vorteil dieses Plans ist, dass man im Vergleich zu anderen Strategien für die Fotografie der Sternfelder relativ wenige verschiedene Rektaszensionen und Deklinationen einstellen muss. Geht man nach dem Schema in der Abbildung 1 vor, dann kann man mit der Tabelle 1 die erforderliche Zahl von Sternfeldern für die vollständige Abdeckung abschätzen. Erwartungsgemäß nimmt diese mit der Brennweite schnell zu, weil das Gesichtsfeld mit längerer Brennweite immer kleiner wird.
Ausrüstung Ich habe mich für 35 mm Brennweite entschieden, weil mir die Anzahl der Sternfelder noch überschaubar und die Abbil-
1 Plan zur Abdeckung des gesamten Himmels für eine Kamera mit APS-C-Chip
mit einem Objektiv der Brennweite 35 mm in Hammer-Aitov-Projektion [1]. Die Überlappungszonen der Fotos sind dunkelgrau.
dungsfehler bei dieser Brennweite als noch hinnehmbar erscheinen. Ein weiterer Vorteil dieser Brennweite sind die relativ geringen Anforderungen an die Nachführgenauigkeit. Man sollte auf das Autoguiding aber trotzdem nicht verzichten.
Als Montierung verwendete ich, obwohl sie zu diesem Zweck reichlich überdimensioniert ist, eine AstroPhysics 600E GTO. Diese lässt sich nach dem Einbau geeigneter Motoren mit einer Koch-Steuerung FS2 betreiben. Die FS2 kann die Optik mit GoTo nach Koordinaten, also Rektaszension
und Deklination ausrichten. Das ist für dieses Projekt sehr hilfreich. Es geht natürlich auch mit Teilkreisen, ist aber ungleich mühsamer.
Hinsichtlich des Objektivs muss man allerdings wählerisch sein. Festbrennweiten sind den Zooms vorzuziehen. Ich verwendete das Sigma 1:1,4 / 35 mm DG HSM.
Ein Nachteil der digitalen Astrofotografie mit kurzen Brennweiten ist die Tatsache, dass die hellen Sterne auf den Fotos kaum größer sind als die schwachen, so dass man
Tabelle 1
Zusammenhang zwischen Gesichtsfeld und erforderlicher Anzahl der Sternfelder für eine Kamera mit APS-C-Chip
Brennweite
28 mm 35 mm 50 mm 80 mm
Gesichtsfeld
43 Grad x 30 Grad 35 Grad x 24 Grad 25 Grad x 17 Grad 16 Grad x 11 Grad
Schrittweite in Richtung
Rektasz.
Dekl.
36 Grad
20 Grad
30 Grad
20 Grad
20 Grad
10 Grad
12 Grad
6 Grad
Überlappung in Richtung
Rektasz.
Dekl.
3,6 Grad
4,8 Grad
2,6 Grad
1,9 Grad
2,5 Grad
3,4 Grad
1,9 Grad
2,3 Grad
Anzahl der Felder
74 84 242 640
46 | Journal für Astronomie Nr. 92
Astrofotografie
2 Mosaik des Gesamthimmels in Hammer-Aitov-Projektion
die Konstellationen nur schlecht erkennen kann. Aus diesem Grund habe ich einen Weichzeichnungsfilter vor das Objektiv gesetzt. Ich verwendete den Weichzeichner P820 von Cokin [2]. Die Ergebnisse mit dem optischen Weichzeichner sind besser als die mit dem digitalen Filter.
Am einfachsten gehen solche Aufnahmen mit einer DSLR. Mit astromodifizierten Kameras mit erweiterter Rotempfindlichkeit bringt man die großflächigen Gasnebel auf den Fotos zum Leuchten. Ich verwendete zwei Canon EOS 450Da, die ich mit programmierbaren Fernauslösern auslöste. Solche Kameras sind auch für das infrarote Licht empfindlich. Handelsübliche Fotoobjektive sind dafür nicht korrigiert, d. h. die mit solchen Kameras fotografierten Sterne haben in den Randbereichen der Fotos auffällige rote ,,Schwänze". Zu deren Unterdrückung gibt es im Handel IR-Blockfilter, welche das Licht nur bis knapp oberhalb der Wellenlänge von H durchlassen. Ich verwendete mit gutem Erfolg den UV/IRBlockfilter Astronomik L-2 als Clipfilter [3].
chip staubfrei hält. Außerdem ist die Abbildungsqualität besser als bei voller Blendenöffnung.
Eine Belichtungszeit von 10 min bei ISO 800 ergibt bei einem durchschnittlichen Landhimmel eine noch erträgliche Hintergrundhelligkeit. Bei unserem zunehmend satellitenverseuchten Sternenhimmel würde ich sie heute auf 5 oder 2 min verringern und dafür mehr Bilder machen. Das erlaubt einem, die Bilder mit zu vielen Strichen ohne großen Verlust auszusortieren. Alternativ könnte man nur noch im Bereich des Erdschattens fotografieren (... Scherz).
Unbedingt muss man bei so langen Belichtungszeiten auch Darks aufnehmen. Die beste Korrektur erreicht man mit dem internen Dunkelbildabzug der Kamera. Beim Dark kommt es auf die richtige Sensortemperatur an, und die verändert sich mit der Umgebungstemperatur im Verlauf der Nacht. Wenn der kamerainterne Dunkelbildabzug immer unmittelbar nach der Aufnahme des Lights erfolgt, geht man auf Nummer sicher. Und während des kamerainternen Dunkelbildabzugs kann man mit der Montierungssteuerung ohne Zeitverlust neue Koordinaten einstellen.
Tipps zur Durchführung Egal, welches Objektiv man nimmt, man sollte immer angemessen abblenden. Ich habe für mein Objektiv die Blende 4 durch Probieren herausgefunden. Das Abblenden vermindert die Vignettierung und erspart einem Flatfields, sofern man den Kamera-
3 Kameras und Leitrohr auf Montagerahmen
Journal für Astronomie Nr. 92 | 47
Astrofotografie
4 Fotografie der Sternfelder auf Hakos/Namibia an der Fornax-51-Montierung der IAS
Der kamerainterne Dunkelbildabzug bringt es mit sich, dass jede Aufnahme nicht 10, sondern 20 min dauert. Die Ausbeute einer Nacht erhöhte ich, indem ich mit zwei baugleichen, parallel ausgerichteten Kameras gleichzeitig fotografierte (Abb. 3). Eine exakt parallele Ausrichtung erreichte ich mit Baader-Stronghold-Tangentialneigern [4], welche wegen ihrer Stabilität den sündhaften Preis wert sind. Den Weichzeichnungsfilter verwendete ich immer nur bei einer von vier Aufnahmen eines Sternfeldes.
Bei 10 min Belichtungszeit, ISO 800 und Blende 4 erreiche ich mit meinem Objektiv eine Sterngrenzhelligkeit von 12 mag. Mehrere Belichtungen pro Sternfeld kommen natürlich auch der Grenzhelligkeit zugute. Hinsichtlich des Rauschens sollte man darauf achten, dass die Temperatur einer Beobachtungsnacht nicht über 20 Grad C liegt. In tropischen Nächten sollte man nur mit gekühltem Chip arbeiten, also nicht mit DSLR oder DSLM.
Planung Was für die Astrofotografie allgemein gilt, ist bei Aufnahmen mit großem Gesichtsfeld besonders wichtig. Ein stadtferner, dunkler Nachthimmel verbessert die Ergebnisse und erspart es dem Astrofotografen, sich mit Helligkeits- und Farbverläufen
des Hintergrundes herumzuschlagen. Ein solches Projekt ist also schon aus diesem Grund mit Reisen verbunden. Eine mobile Ausrüstung, welche man im PKW transportieren kann, ist erforderlich. Die Sternbilder des Südhimmels verlangen Fernreisen auf die Südhalbkugel. Hier bietet sich Namibia als Reiseziel an (Abb. 4). An einer Reihe von Astrofarmen kann man dort Montierungen mieten, so dass man nur seine Kameraausrüstung mitnehmen muss. Und man sollte nicht vergessen, vorher zu klären, wie die Kameras an der Montierung befestigt werden.
In meinem Projekt habe ich alle Sternfelder einer Deklination von +10 Grad und südlich davon unter dem Nachthimmel Namibias fotografiert. Wenn man wie in der Abbildung 1 vorgeht, kann man sich auf Basis der Daten in der Tabelle 1 seinen eigenen Fotoplan ausarbeiten. Welche Sternfelder in einer Nacht günstig am Himmel stehen, bekommt man mit einschlägiger Software wie Stellarium oder Cartes du Ciel heraus. Am besten notiert man sich vor jeder Fotonacht die Koordinaten der Sternfelder und die Uhrzeiten, wann man sie fotografieren will. Außerdem muss man mehrere, möglichst gleichmäßig über das Jahr verteilte Fotokampagnen planen.
Hat man den Ehrgeiz, die Sternfelder in der Nähe ihrer Kulmination aufzunehmen, so sind Sternfelder der Rektaszensionen 17-19 Stunden in unseren Breiten schwierig, denn sie erreichen in der Zeit der kurzen, hellen Sommernächte ihre größte Höhe über dem Horizont. Hier hilft ein Standort in Südeuropa. Einen guten Sternenhimmel fand ich in den dünn besiedelten Cevennen in Frankreich.
Ergebnisse und Erfahrungen Ich brauchte für die 84 Sternfelder insgesamt 44 Nächte, davon 26 während dreier Urlaube in Namibia. Nicht mitgezählt sind die wetterbedingt fehlgeschlagenen Exkursionen. Viele Nächte endeten für mich mit dem müdigkeitsbedingten Abbruch oder dem Mondaufgang. Hätte ich nicht zugelassen, dass sich helle Planeten auf die Fotos verirren, wären noch einige Exkursionen hinzugekommen. Nach 9 Jahren hatte ich alle Sternfelder mit Gesamtbelichtungszeiten von mindestens 40 min fotografiert. Es gelangen mir 655 verwertbare Einzelbilder, welche zu 84 Ergebnisbildern verarbeitet wurden.
Für die Kombination mehrerer Bilder, z. B. mit Hilfe des arithmetischen Mittels, gibt es reichlich Software. Ich verwendete PixInsight - mit dem Skript AutoIntegrate. Darüber ließe sich noch eine Menge schreiben. Allerdings würde das den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Jedes der 84 Sternfelder ist bereits für sichalleine sehenswert, wie Abbildung 5 zeigt. Zu einem Mosaik zusammengesetzt
5 Rechts: Das Sternfeld mit den Zentrums-
koordinaten = 4h, = +30 Grad gehört zu den schönsten des Nordhimmels, Belichtungszeit 7 x 10 min, Norden ist links.
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Astrofotografie Journal für Astronomie Nr. 92 | 49
Astrofotografie
6 Mosaik aus zwei Sternfeldern bei = 6h und = +-10 Grad , Norden ist oben.
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Astrophysik & Algorithmen
kommen sie besser zur Geltung. Mosaike wie die Abbildung 6 erlauben eine sehr detaillierte Abbildung großer Himmelsareale, so dass man sie gut zu großformatigen Bildern verarbeiten kann.
Einfach die Fotos zu einem Mosaik zusammenzulegen, geht nicht. Die Bilder der Sternfelder unterscheiden sich meistens deutlich sichtbar voneinander - das vor allem hinsichtlich Farbe und Helligkeit des Hintergrundes. Außerdem gibt es bei den
großen Gesichtsfeldern merkliche Verzerrungen an den Bildrändern, so dass man ihre Überlappungszonen nicht einfach übereinanderlegen kann. Ein gutes Hilfsmittel zur Herstellung von Mosaiken ist das PixInsight-Skript MosaicByCoordinates. Mit ihm erhält man zunächst passend geformte Kacheln des Mosaiks.
Hat man erst einmal die Kacheln, so kann man diese mit dem PixInsight-Prozess GradientMergeMosaic in Helligkeit und Farbe
anpassen und zusammenfügen. Das Übersichtsmosaik in Abbildung 2 ist so entstanden. Näheres zur Bildbearbeitung beschreibe ich gerne in einem weiteren Artikel.
Bleibt mir noch abschließend zu bemerken, dass ähnliche Projekte von Axel Mellinger [5] und H. J. P. Arnold [6] durchgeführt worden sind. Wer sich näher mit dem Thema beschäftigen will, dem seien die einführenden Kapitel dieser Werke zur Lektüre ans Herz gelegt.
Literatur- und Internethinweise (Stand 21.08.2024):
[1] Flächentreue Kartenprojektion, 1892 von Ernst Hammer vorgeschlagen, https://de. [1]
[2]
wikipedia.org/wiki/Hammer-Aitov-Projektion
[2] Weichzeichner zur Betonung der helleren Sterne, https://cokinfilter.com/products/
light-diffuser
[3] Astronomik-UV/IR-Blockfilter für den Luminanzkanal, www.astronomik.com/de/
[3]
[4]
uv-und-ir-block-filter/luminance-filter-l-1-l-2-l-3.html
[4] Baader-Stronghold-Tangentialneiger, www.baader-planetarium.com/de/baader-
stronghold-tangentialneiger.html
[5] A. Mellinger, R. Stoyan, 2010: ,,Fotografischer Sternatlas", Oculum-Verlag
[6] H. J. P. Arnold, P. Doherty, P. Moore, 1997: ,,The Photographic Atlas of the Stars",
Kalmbach Publishing Corp.
Astronomische Berechnungen mit der Python-Bibliothek Skyfield
von Klaus Rohe
Mit der Python-Bibliothek Skyfield steht eine ausgereifte und leistungsfähige Bibliothek zur Verfügung, mit der man, falls man Kenntnisse der Programmiersprache Python hat, eine Vielzahl von Berechnungen in den folgenden Bereichen durchführen kann: - Bestimmung von Ephemeriden für Kör-
per des Sonnensystems, - Berechnung der Auf- und Untergangs-
zeiten von Himmelsobjekten für bestimmte geografische Positionen, - Positionen von Himmelsobjekten im lokalen Horizontsystem für gegebene Zeitpunkte sowie - Auf-, Untergangszeiten und Positionen von künstlichen Erdsatelliten in verschiedenen Koordinatensystemen.
Skyfield wird von dem amerikanischen Programmierer Brandon Rhodes entwi-
ckelt. Die Version 1.0 wurde am 15.03.2017 freigegeben, die aktuelle Version (Juli 2024) ist 1.49, erschienen am 13.06.2024. Auf der Webseite von Skyfield [1] steht eine ausführliche Dokumentation mit vielen Beispielen zur Verfügung. Fragen bezüglich Skyfield kann man auf der Internetplattform ,,Stack Overflow" [2] stellen, und sie werden in der Regel zügig beantwortet.
Modelle von Skyfield für die Positionsbestimmungen Zur Berechnung von Positionen von Objekten des Sonnensystems basiert Skyfield auf den Jet Propulsion Laboratory Development-Ephemeriden. Diese sind eine Reihe von mathematischen Modellen des Sonnensystems, die am Jet Propulsion Laboratory in Pasadena in Kalifornien für die Navigation von Raumfahrzeugen und die Astronomie entwickelt wurden und weiter
verbessert werden. Die Modelle bestehen aus numerischen Werten der Positionen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der wichtigsten Körper des Sonnensystems, die in regelmäßigen Zeitabständen über einen bestimmten Zeitraum von Jahren mit sehr genauen Computersimulationen berechnet werden und in binären Dateien abgespeichert werden, die das JPL dann zur Verfügung stellt [3]. Die Dateinamen folgen dem Schema DExyz(s/t).dsp (x, y, z sind einstellige Zahlen). Die Dateien decken unterschiedliche Zeiträume ab, über welche die Positionen der Sonnensystem-Objekte berechnet wurden. Die Datei DE431. bsp deckt z. B. den Zeitraum der Jahre -13200 bis 17991 ab und ist damit auch zur Untersuchung von historischen Himmelsereignissen geeignet. In [4] wird detailliert beschrieben, wie die Berechnungen für die JPL-Ephemeriden DE440 und DE441
Journal für Astronomie Nr. 92 | 51
Astrophysik & Algorithmen
man bestimmen, wann bestimmte astronomische Ereignisse wie Sonnenaufgänge und -untergänge, Meridiandurchgänge, Beginn von Jahreszeiten usw. eintreten. Diese Berechnungen können sehr ressourcenintensiv sein.
1 Listing des Python-Skripts sonnenauf_untergang.py
Des Weiteren bietet Skyfield die Möglichkeit, die Positionen von Himmelskörpern für einen gegebenen Zeitpunkt bzw. ein Zeitintervall in einem bestimmten Koordinatensystem zu berechnen. Diese Berechnungen kann man für natürliche Himmelsobjekte sowie für künstliche Erdsatelliten durchführen. Laut der Angabe in [1] sollten die Ergebnisse mit denen vom United States Naval Observatory im Astronomischen Almanach ermittelten Positionen auf 0,0005 Bogensekunden genau übereinstimmen.
2 Ausgabe des Python-Skripts
durchgeführt wurden. Skyfield nutzt diese Dateien, um die Positionen von Objekten des Sonnensystems für einen bestimmten Zeitpunkt und ein bestimmtes Koordinatensystem zu bestimmen.
Für die Berechnung von Positionen von künstlichen Erdsatelliten benutzt Skyfield ein mathematisches Modell, das als SGP (Simplified General Perturbations) bezeichnet wird. Details sind unter Referenz [5] zu finden. Für dieses Modell werden die Daten der Satellitenbahn über so genannte Two Line Elements (TLEs) spezifiziert, die innerhalb von wenigen Tagen aktualisiert werden, siehe dazu [6].
Einheiten in Skyfield Für astronomische Berechnungen benötigt man physikalische Einheiten. Um den Umgang mit diesen zu vereinfachen, stellt Skyfield die Python-Klassen - Distance (Entfernung),
- Velocity (Geschwindigkeit), - Angle (Winkel) und - Anglerate (Winkeländerung pro Zeitein-
heit) zur Verfügung. Die Klassen bieten auch Methoden bzw. Properties zur einfachen Umrechnung in unterschiedliche Einheiten an. Z. B. enthält die Klasse Distance die Methode au(), welche die Distanz in astromischen Einheiten ergibt oder die Methode km() bzw. light_seconds(). Entsprechendes gilt für die anderen Einheiten-Klassen. Die winkelbezogenen Einheiten bieten Methoden für die verschiedenen Darstellungen von Winkeln an, wie Radian, Grad, Bogenminute, Bogensekunde und Stunde, Minute und Sekunde.
Berechnungsarten von Skyfield Mit Skyfield kann man drei Arten von astronomischen Berechnungen ausführen. Mit den so genannten ,,Almanac Computations" (Almanach-Berechnungen) kann
Im Folgenden bespreche ich ein einfaches Beispiel für eine Almanach-Berechnung, nämlich die Bestimmung der Zeit für Sonnenaufgang und -untergang für einen bestimmten Ort und Zeitpunkt. In folgenden Beiträgen werde ich Beispiele für die Bestimmung von Planeten- und Satellitenpositionen mit Skyfield beschreiben.
Bestimmung von Sonnenaufgangsund -untergangszeit mit Skyfield In dem Python-Skript sonnenauf_untergang.py, dessen Quellcode in der Abbildung 1 dargestellt ist, wird die Zeit für den Sonnenaufgang und -untergang für meinen Wohnort Glonn in Oberbayern für das aktuelle Aufrufdatum ermittelt. Die Ausgabe des Skripts ist in der Abbildung 2 zu sehen. In den Zeilen 2 bis 4 des Programms werden die benötigten Skyfield-Klassen und Funktionen importiert, in Zeile 5 eine Python-Bibliothek zum sicheren Umgang mit Zeitzonen bei Datums- und Zeitangaben. In Zeile 7 wird ein Timescale-Objekt durch den Aufruf von load.timescale() erzeugt. Es verwaltet die Umrechnungen zwischen verschiedenen Zeitskalen und wird in jedem
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Astrophysik & Algorithmen
Skyfield-Programm benötigt. Der Parameter builtin=True bedeutet, dass Skyfield eine interne Tabelle für deltaT benutzt und die Daten nicht vom International Earth Rotation Service herunterlädt. In Zeile 8 wird die aktuelle Zeit bestimmt und in Zeile 9 die Zeitzone für die Berechnung der Ortszeit festgelegt. Die JPL-Ephemeriden-Datei, mit der das Skript arbeiten soll, wird in Zeile 12 geladen und in der folgenden Zeile die Sonne als Objekt der Berechnungen definiert. In den Zeilen 15 und 16 wird die Position von Glonn im wgs84-System spezifiziert und in Zeile 17 wird festgelegt, dass sich der Beobachter (observer) auf der Erde befindet. Das Objekt observer hat unter anderem eine Methode, mit der man seine Position als Funktion der Zeit im baryzentrischen Koordinatensystem des Sonnensystems berechnen kann.
Weiter stehen Methoden zur Verfügung, um diese Koordinaten in andere Koordinatensysteme zu transformieren, z. B. in das Horizontsystem des Beobachters. Damit stehen sämtliche Funktionen bereit, um die Aufgangs- und Untergangszeiten im Horizontsystem des Beobachters zu berechnen. Die Details der Berechnung für Auf- und Untergangszeiten eines Himmelsobjekts sind in den Methoden find_risings(...) und find_settings(...) der almanac-Klasse gekapselt, die in den Zeilen 19 und 20 aufgerufen werden. Dabei berechnen beide Me-
thoden die Auf- und Untergangsereignisse für die Dauer eines Tages (t0, t0 + 1). Die Methoden find_risings(...) und find_settings(...) geben zwei gleich lange Arrays zurück: das erste ist ein Zeit-Array, das die Zeitpunkte enthält, zu denen das Ziel ,,auftaucht/untergeht". Das zweite Array enthält jedes Mal den Wert True, wenn das Ziel tatsächlich den Horizont überquert/ unterquert, andernfalls den Wert False. Die Zeilen 22 bis 31 in dem Skript erzeugen die Ausgabe der Berechnungsergebnisse.
Alle Methoden für die Berechnung von astronomischen Ereignissen, welche die almanac-Klasse von Skyfield anbietet, sind unter [7] zu finden.
Im nächsten Beitrag über Skyfield werde ich auf die Berechnung von Positionen von Körpern des Sonnensystems in den unterschiedlichen Koordinatensystemen, die in der Astronomie gebräuchlich sind, eingehen.
Literatur- und Internethinweise (Stand 01.08.2024):
[1] Skyfield Elegant Astronomy for Python:
[1]
[2]
https://rhodesmill.org/skyfield/
[2] Skyfield Forum: https://stackoverflow.com/
questions/tagged/skyfield
[3] JPL Planetary and Lunar Ephemerides: https:// [3]
[4]
ssd.jpl.nasa.gov/planets/eph_export.html
[4] R. S. Park et al, 2021: "The JPL Planetary and
Lunar Ephemerides DE440 and DE441", Astron.
J. 161:105, https://iopscience.iop.org/article/ [5]
[7]
10.3847/1538-3881/abd414
[5] D. A. Vallado et al., 2006: "Revisiting Spacetrack
Report #3", https://celestrak.org/publications/
AIAA/2006-6753/
[6] K. Rohe, 2017: ,,Bahnberechnungen von Satelliten mit den Two-Line Elements
(TLE)", VdS-Journal für Astronomie 62, S. 17-19
[7] Skyfield, API Reference, Method ,,almanac", https://rhodesmill.org/skyfield/
api.html#almanac
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Atmosphärische Erscheinungen
Prachtexemplar eines Zirkumhorizontalbogens
von Claudia und Wolfgang Hinz
Der Zirkumhorizontalbogen (ZHB) gehört zu den zirka 50 Haloarten, die durch Lichtbrechung oder -spiegelung an den Eiskristallen hoher Cirruswolken entstehen. Er ist allerdings die einzige Haloart, die nur im Sommer beobachtbar ist. Damit er als farbiges Band etwa 50 Grad unterhalb der Sonne sichtbar werden kann, muss die Sonne mindestens 58 Grad über den Horizont steigen. Im Süden Deutschlands ist dies zwischen Anfang Mai und Anfang August der Fall, im Norden nur um den Sonnenhöchststand im Juni. Allerdings kommt die Sonne selbst zum astronomischen Sommeranfang im Süden nicht höher als 66 Grad , in der Mitte 63 Grad und im Norden etwa 60 Grad , aber erst bei 68 Grad Sonnenhöhe erreicht der Zirkumhorizontalbogen seine maximale Helligkeit. Deshalb ist er in unseren Breiten leider kaum in seiner vollen Pracht und Farbigkeit zu sehen. Wer allerdings Urlaub auf der Alpensüdseite oder noch südlicher verbringt, kann ihn bei optimalen Voraussetzungen in voller Brillanz bewundern. In Gegenden nördlich des 55. Breitengrades (z. B. Schottland, Dänemark oder Moskau) kann der Zirkumhorizontalbogen gar nicht gesehen werden, da die Sonne nicht mehr hoch genug steigt. Damit ist dies eine der wenigen Haloerscheinungen, die nicht überall auf der Erde beobachtbar ist.
Um Aussagen über die Häufigkeit zu treffen, haben wir die 40-jährige Beobachtungsreihe der kontinuierlichen Halobeobachtungen des Arbeitskreises Meteore e.V. ausgewertet. Von 1886 bis 2023 wurden insgesamt 188.464 Haloerscheinungen registriert. Aussagekräftige Werte zum ZHB gibt es ab 1997. Von diesem Jahr bis 2023 wurden insgesamt 137.565 Sonnenhalos erfasst. Davon waren nur 404 Zirkumhorizontalbögen, was lediglich 0,3% aller Sonnenhalos sind. Am Mond gibt es keine Beobachtung mit bloßem Auge. Da sind die Kameras überlegen, da sie länger belichten können.
1 Unterer Teil des 22 Grad -Ringes und der darunterliegende Zirkumhorizontalbogen
In diesem Jahr konnten wir am 12. Juni 2024 auf einer Fahrt in die Schweiz auf der A5 in Höhe des Schwarzwaldes das bisher hellste Exemplar seit Beginn unserer persönlichen kontinuierlichen Aufzeichnun-
2 Reche Seite oben: Gegen 12:30 Uhr
MEZ waren besonders die Spektralfarben ausgeprägt.
3 Hellste Phase bei 65,5 Grad Sonnenhöhe
54 | Journal für Astronomie Nr. 92
Atmosphärische Erscheinungen Journal für Astronomie Nr. 92 | 55
Deep Sky
gen - Claudia seit 1990 und Wolfgang seit 1980 - beobachten. Die Sonne stieg um 12:10 Uhr MEZ ihrer Maximumshöhe von 65,3 Grad entgegen. Der Bogen wurde immer heller und heller und schließlich leuchtete er so auffällig, dass selbst einige Mitreisende aufmerksam wurden und die Reiseleiterin auf die ,,ungewöhnlich bunte Wolke" hinwies, die über dem Schwarzwald erstrahlte. Leider konnten wir nur Fotos aus dem fahrenden Bus durch die spiegelnden und getönten Scheiben machen und
ihn nicht fotografisch in Szene setzen. Aber zuallererst genossen wir dieses wahnsinnig schöne Exemplar visuell, denn ob und wann wir ihn derart prachtvoll nochmals bewundern können, ist ungewiss.
Weitere Informationen zum ZHB unter [1] und in der Bildergalerie [2].
Internethinweise (Stand 22.08.2024): [1] Arbeitskreis Meteore e.V.: ,,Zirkumhorizontalbo-
gen (EE23)", www.meteoros.de/themen/halos/ haloarten/ee23
[2] Arbeitskreis Meteore e.V.: ,,Bildarchiv", www. meteoros.de/bildergalerie?snipe_gallery [cat]=16&no_cache=1
Visuelle Polarisationsbeobachtungen an Deep-Sky-Objekten
von Daniel Spitzer
In der visuellen Beobachtung von DeepSky-Objekten sind insbesondere Interferenzfilter wie [OIII]-, H- und UHC-Filter in Gebrauch, die nur einen oder mehrere sehr schmale Abschnitte des sichtbaren Spektrums zum Auge passieren lassen. Diese Filter haben neben ihrer Funktionsweise gemein, den Kontrast eines Objektes zum Hintergrund zu verstärken. Einen völlig anderen Ansatz verfolgen Polarisationsfilter. Sie lassen nur eine bestimmte, vom Beobachter gewählte Orientierung des elektrischen Feldvektors der Strahlung passieren. Diese Filterwirkung ist unabhängig von der Wellenlänge. Betrachtet man verschiedene Stellungen des Polarisationsfilters, ergeben sich völlig neue Ansichten und Möglichkeiten bei der visuellen Beobachtung einiger Deep-Sky-Objekte.
Licht wird auch ,,elektromagnetische Strahlung" genannt. Die Bezeichnung verdeutlicht, dass Licht einen magnetischen und einen elektrischen Anteil besitzt. Die elektrische Komponente stellt eine Schwingung in einer Ebene dar. Die magnetische Komponente schwingt in einer dazu senkrecht stehenden, zweiten Ebene. Polarisationsfilter besitzen eine selektive Wirkung auf die elektrische Komponente. Die Abbildung 1 zeigt den Sachverhalt bildlich. Gemäß dem
1 Schematische Darstellung zur Polarisation von elektromagnetischen Wellen.
Gezeigt sind jeweils nur die interessierenden elektrischen Anteile der einfallenden Strahlung. Die grüne und die rote Welle schwingen in senkrecht zueinander liegenden Ebenen. Die Ebene der grünen Welle ist parallel zur Transmissionsrichtung des Polarisators. Sie passiert den Polarisator, während die rote Welle vollständig geblockt wird. Die beiden Farben dienen lediglich zur Unterscheidung der beiden Wellen.
Gesetz von Malus kann linear polarisiertes Licht mit einem einfachen Polarisationsfilter gedimmt werden. Besitzer eines Polarisationsfilters (oder einer polarisierenden Sonnenbrille) können dies versuchen, indem man sich den Filter vor das Auge hält und auf einen eingeschalteten Flachbildschirm blickt. Beim Drehen des Filters variiert die Helligkeit im Bildfeld des Filters, da das Prinzip des Flachbildschirms mit linear polarisiertem Licht arbeitet. Ein gängiges Mittel zur Auswertung von Polarisationseffekten stellen die Stokes-Parameter [1] dar. Dazu führt man insgesamt vier Messungen bei definierten Stellungen von 0 Grad , 45 Grad , 90 Grad
und 135 Grad des Polarisationsfilters durch. Die Stokes-Parameter sind dann definiert zu S0 = P0 + P90 S1 = P0 - P90 S2 = P45 - P135 Eine vierte Komponente S3 betrachtet ausschließlich die nicht beobachtbaren und vernachlässigbaren zirkularpolarisierten Messungen.
Aus den Stokes-Parametern kann weiterhin der Winkel der maximalen Polarisation
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Deep Sky
berechnet werden. Für S1 < 0 ist n = 1 zu setzen, sonst ist n = 0. Zu beachten ist, dass der
Winkel die Einheit ,,radians" besitzt.
Um bei der finalen Überlagerung der einzelnen Zeichnungen (s. Abb. 2) die Deckungsgleichheit zu gewährleisten, wurde für jede Zeichnung ein Kartenausdruck mit möglichst vielen Sternen aus der Planetariumssoftware Cartes du Ciel angefertigt. Die Feldsterne helfen enorm bei der Abschätzung von Ausdehnung und Form des Objekts.
Als Polarisationsfilter wurde ein einfacher Polarisationsfilter der Firma Baader Planetarium [2] mit 1 1/4 Zoll Durchmesser eingesetzt. Das ,,einfach" bezieht sich auf die Anzahl der Polarisationsfilter: Es werden auch doppelte Polarisationsfilter angeboten, die gegeneinander verdrehbar sind. Sie werden insbesondere zur Lichtreduktion bei der Mondbeobachtung eingesetzt. Für die hier beschriebenen Beobachtungen sind diese Filter nicht geeignet.
Eine grundlegende Schwierigkeit besteht darin, dass Polarisationsfilter, selbst im Falle von unpolarisiertem Licht, eine Transmission von ca. 60% besitzen. Das gesamte Bild wird damit dunkler. Größere Teleskope mit einer hinreichend großen lichtsammelnden Fläche sind von Vorteil. Für die gezeigten Beobachtungsergebnisse wurde ein 8-Zoll-SC-Teleskop (ohne Zenitprisma) verwendet, da es einen rotationssymmetrischen Strahlengang besitzt. Dies reduziert die Änderung des Polarisationszustands des einfallenden Lichts: Wird vollständig linear polarisiertes Licht an einer Oberfläche reflektiert, ist das reflektierte Licht im Allgemeinen elliptisch polarisiert - der Ausgangszustand geht verloren. Prinzipiell ist es möglich, solche Effekte zu berechnen, so besitzt jedes optische Bauteil eine Beschreibung durch eine so genannte Jones-Matrix. Dazu ist es jedoch nötig,
2 Weichgezeichnete Zeichnung für die Filterstellungen 0 Grad (a), 45 Grad (b), 90 Grad (c) und 135 Grad (d),
entstanden an einem 8-Zoll-Schmidt-Cassegrain-Teleskop
das Bauteil vollständig zu kennen. Im Falle eines Fangspiegels im Newton-Teleskop sind das die Dicke und Brechungsindizes (Real- und Imaginärteil) von Glassubstrat, Aluminiumschicht und der Schutzschicht. Diese sind in der Regel nicht bekannt.
Für die Objektauswahl ist es sinnvoll, zu wissen, welche Objekte polarisiertes Licht emittieren. Es handelt sich dabei um Objekte, die Licht reflektieren und/oder Synchrotronstrahlung emittieren. Die einfachsten Beispiele sind Reflexionsnebel (etwa Messier 78), Supernovaüberreste (z. B. Messier 1) oder Kometen.
Die nötigen Filterstellungen ergeben sich durch die Stokes-Parameter. Jede Zeichnung entspricht dem Objektanblick bei einer Filterstellung. Man erhält schließlich insgesamt vier Zeichnungen bei den Filterstellungen 0 Grad , 45 Grad , 90 Grad und 135 Grad . Insbesondere kann die Wahl der Skala willkürlich sein: Es gibt keine Definition für die Stellung von 0 Grad relativ zu einem Koordinatensystem. Optional kann eine fünfte Zeichnung ohne Filter angefertigt werden.
Zur Auswertung der entstandenen Zeichnungen wurde das Programm ,,gnu octave" [3] genutzt. Alternativ kann auch ,,ImageJ" [4] mit einem geeigneten Makro verwendet werden.
Zur Darstellung der Ergebnisse wurden zunächst die Zeichnungen gescannt und in ,,gnu octave" eingelesen. Zur Berechnung der einzelnen Stokes-Parameter wurden die entsprechenden Zeichnungen durch Summen- bzw. Differenzbildung verrechnet. Anschließend wird jeder Stokes-Parameter einem Farbkanal zugewiesen. Es entsteht ein RGB-Komposit, wie man es aus der Astrofotografie kennt.
Exemplarisch sind hier die Ergebnisse von Messier 43 gezeigt. Die Abbildung 2 zeigt die Zeichnungen in Bleistift auf den vorbereiteten Ausdrucken für die unterschiedlichen Polarisationsfilterstellungen nach leichter Weichzeichnung, um Papierstrukturen zu reduzieren. Schon hier sind trotz der nicht großen Öffnung von 8 Zoll und dem deutlich lichtschluckenden Filter einige Unterschiede in der Ansicht von M 43 zu erkennen. Die Abbildung 3 zeigt die
Journal für Astronomie Nr. 92 | 57
Deep Sky
3 Stokes-Parameter S0 (a), S1 (b) und S2 (c), entstanden aus den Zeichnungen aus Abb. 2
berechneten Stokes-Parameter der invertierten Zeichnungen. Das Farbkomposit ist in der Abbildung 4 dargestellt. Durch das Komposit wird deutlich, an welchen Stellen des Objekts welche bzw. alle Stokes-Parameter vertreten sind. Alternativ kann auch ein Polarigramm erstellt werden, indem die Bildung der Stokes-Parameter übersprungen wird. Es werden direkt die einzelnen, invertierten Zeichnungen einem Farbkanal zugewiesen (Abb. 5). Insbesondere ist diese Darstellung abhängig von der Stellung des Polarisationsfilters relativ zu einer ge-
wählten Skala (etwa die Parallele zum Himmelsäquator). Der Winkel der maximalen Polarisation ist in der Abbildung 6 gezeigt. Die Darstellung wird leider sehr vom Hintergrundrauschen dominiert. Dieses kann durch die Bildung einer Maske in der Software entfernt werden, doch leider ist ,,gnu octave" eine sehr langsame Alternative zu ,,matlab" und die Erzeugung dieser Maske hätte deutlich mehr Rechenzeit in Anspruch genommen. Dennoch ist eine räumliche Variation des Winkels der maximalen Polarisation deutlich erkennbar.
Auch wenn die Ergebnisse zunächst überzeugend wirken, sollten sie nicht überschätzt werden: Es ist schwierig, die relativen Intensitäten zwischen zwei Anblicken in realistischer Relation zeichnerisch wiederzugeben. Durch die Feldsterne auf dem Ausdruck ist eine Skalierung zwischen dem weißen Papier und dem dunkelsten ausgedruckten Stern automatisch vorgegeben. Dies hat insbesondere Einfluss auf die Bestimmung des Winkels der maximalen Polarisation. Dadurch wird klar, dass das ganze Prinzip auf visuelle Beobachtung bezogen eine qualitative Methode ist und keinen quantitativen Anspruch erheben kann. Auch, wenn die Methode sehr wissenschaftlich anmutet, besitzt sie keine wissenschaftliche Relevanz.
Dennoch zeigt sie anhand des Beispiels von M 43, dass ein Objekt, das als Emissionsnebel bekannt ist, zu einem nicht vernachlässigbaren Teil auch ein Reflexionsnebel ist. Insbesondere ist diese ,,Reflexionsnebelkomponente" nicht homogen über die Objektausdehnung verteilt.
4 Farbkomposit der Stokes-Parameter-Darstellungen aus Abb. 3 mit der Kodierung
rot = S2, grün = S1 und blau = S0. Der Blaukanal wurde mit dem Faktor 0,5 gewichtet, um das Signalniveau den übrigen Farbkanälen anzupassen.
Mit etwas Aufwand und geringer Programmierkenntnis kann die Methode eine neue Sicht auf altbekannte Objekte offenbaren. Der Materialeinsatz und Kosteneinsatz ist dabei verhältnismäßig gering: Ein Polarisationsfilter kostet in der 11/4-Zoll-Variante etwa 40 und 70 für einen 2 Zoll messenden Filter. Er ist damit einiges günstiger als ein Linienfilter, der mit 2 Zoll Durchmesser, abhängig vom Hersteller, locker mal mit 200 zu Buche schlägt, wenn es nicht das billigste Exemplar aus China sein soll. Sinnvoll ist es, alle Zeichnungen an einem Beobachtungsabend anzufertigen, um halbwegs gleiche Bedingungen zu gewähr-
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Deep Sky
leisten. Eine wissenschaftliche Relevanz ist den Astrofotografen vorbehalten. So hat etwa Richard Crisp mehrfach seine Vorgehensweise in [5] beschrieben.
Internethinweise (Stand 22.08.2024): [1] Wikipedia: ,,Stokes-Parameter",
https://de.wikipedia.org/wiki/StokesParameter
[2] Baader Planetarium, Homepage: ,,Einzelne Polarisationsfilter", https:// www.baader-planetarium.com/de/ einzelne-polarisationsfilter.html
5 Polarigramm mit der Farbkodierung rot = Filterstellung 45 Grad , grün = Filterstellung 90 Grad
und blau = Filterstellung 0 Grad
[3] Download von GNU Octave: https://octave.org/download
[4] Download von ImageJ: https://imagej.net/ij/download.html
[5] R. Crisp: ,,Color Astronomical Imaging using Polarizing Filters and Stokes Parameters", https://www.narrowbandimaging.com/color_polarization_imaging_page.htm
6 Räumliche Verteilung des Winkels der maximalen Polarisation (in radians), geglättet
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Kleine Planeten
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Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Auch diesmal kann ich Ihnen hier zwei Bilder präsentieren, wobei die Bildautoren Gerhard Balda und Wilfried Wacker bereits Aufnahmen für die kosmischen Begegnungen zur Verfügung gestellt haben. In diesem Fall freue ich mich immer, wenn Fotografen ,,rückfällig" werden. Aber natürlich sind neue Freunde dieser Artikelserie herzlich willkommen.
Fotonewton als ,,Sucher" am Hauptinstrument montiert und ihn mit einer Kamera bestückt. So konnte er zwei Bilder gleichzeitig aufnehmen und wir haben einen interessanten Instrumentenvergleich.
Gerhard arbeitet hauptsächlich mit der Live Stacking-Methode. Dabei werden kurzbelichtete Aufnahmen automatisch mit einer Software, hier Sharpcap, aufgenommen und sofort aufaddiert. Mit jeder Aufnahme verbessert sich das Signal des Fotomotivs und man kann live miterleben, wie das Bild am Computerbildschirm entsteht. In diesem Fall fand Gerhard das Ergebnis nach ca. 40 Minuten ansprechend und speicherte die so entstandenen Bilder ab. Ihm liegt nicht daran, ,,pretty pictures" zu produzieren, sondern er interessiert sich für die wissenschaftlichen Fakten und durchforstet diverse Internetseiten zu seinen Motiven.
Das erste Motiv stammt von Gerhard Balda. Er war bereits in der Ausgabe 83 aus dem Herbst 2022 hier vertreten. Auch diesmal fotografierte er mit seinem selbst gebauten großen Newton vom Stadtrand der steirischen Landeshauptstadt Graz aus, wobei er den Krebsnebel M 1 aufs Korn nahm. Diesmal hatte er aber auch seinen 6-zölligen
Daher verwendet er auch monochrome Kameras, da diese lichtempfindlicher sind, und je nach Motiv diverse Filter, um die Lichtverschmutzung in Grenzen zu halten. Abschließend erfolgt noch eine kurze Bildbearbeitung, meist mit Fitswork. So kann er nach einer Stunde zu einem neuen Objekt schwenken und dieses unter die Lupe
nehmen. Die Strichspur fiel ihm im Bild des großen Instruments sofort auf und er hatte rasch herausgefunden, dass es sich um den Kleinplaneten (3186) Manuilova handelte. Danach war er auch rasch im Bild des kleinen Newtons gefunden, wobei er dort natürlich viel unauffälliger war.
Über den berühmten Krebsnebel zu schreiben, erspare ich mir und komme gleich zum Verursacher der Strichspur. Am 19. Dezember 2023 war (3186) Manuilova ca. 16,1 mag hell und rund 277 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Der rund 14 Kilometer große Brocken ist ein Asteroid des äußeren Hauptgürtels und braucht für die Umrundung der Sonne 5 Jahre und 174 Tage [1]. (3186) Manuilova gehört zur Themis-Familie, einer Gruppe von Asteroiden, die nach (24) Themis benannt ist. Diese Asteroidenfamilie besteht aus ca. 4.500 Mitgliedern, die im Zuge einer Kollision entstanden sind. Die Brocken sind alle Asteroiden vom C-Typ und enthalten viel Kohlenstoff [2]. Entdeckt wurde der Kleinplanet am 22. September 1973 vom russischen Astronomen Nikolai Stepanowitsch Tschernych am Krim-Observatorium. Benannt wurde (3186) Manuilova nach der russisch-sowjetischen Bildhauerin und Ke-
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Kleine Planeten
1 Der Krebsnebel M 1 und der Kleinplanet (3186) Manuilova, aufgenommen von Gerhard Balda mit einem
22-zölligen Newton f/4,4 und einer ASI-2600-MM-Kamera.
ramikerin Olga Maximilianowna Manuilowa, die von 1893 bis 1984 lebte [3].
Der Valentinstag fällt ja in den Zeitraum dieser Ausgabe. Daher passt unsere zweite kosmische Begegnung sehr gut hier hinein. Viele Kleinplaneten haben gebräuchliche Vornamen und daher kann man mit Glück ein Bild von ihrer/ihrem ,,Stern" aufnehmen und symbolisch verschenken.
Wilfried Wacker hat diesen Gedanken für seinen Sternfreund Klaus Wenzel umgesetzt. Dessen bessere Hälfte trägt den schönen Vornamen Aurelia. Am 3. März 2024 bot sich die Gelegenheit, dass Wilfried eine kurze Sequenz von (418) Aurelia aufnahm. Als die Bilder verarbeitet wurden, stellte er fest, dass ein hellerer ,,Stern" im Aufnahmebild war, der dort nicht hingehört. Zuerst dachte er, dass das wohl Aurelia sein müs-
se, obwohl sie ihm ziemlich hell erschien. Doch dann entdeckte er eine schwächere kurze Strichspur oberhalb des hellen Objekts, die dann sicher Aurelia hinterlassen hat. Also was könnte das helle Objekt sein? Wilfried dachte an eine Nova, aber mit Hilfe von Klaus fand er heraus, dass es sich um den Kleinplaneten (354) Eleonora handelt. Damit hat er eine ,,Begegnung in der Begegnung" aufgenommen, wie Wilfried scherzhaft schrieb. Da die Strichspuren durch die kurze Sequenz ziemlich kurz sind, hat er auf seiner Homepage eine tolle Animation der beiden hüpfenden Damen gemacht. Den Link dazu finden Sie in den Internethinweisen [4].
Ich freue mich über seine Aufnahme nicht nur wegen des erfreulichen Gedankens hinter dem Bild, sondern auch, weil das die zweite kosmische Begegnung von Wilfried
Wacker ist. Sein erstes Bild vom Einsteinkreuz mit (1503) Kuopio wurde in der Ausgabe 26 dieses Journals verwendet, welches im Sommer 2008 erschien. Das sind schon astronomische Zeiträume ;-).
(419) Aurelia ist ein Hauptgürtelasteroid, der 1896 vom deutschen Astronomen Max Wolf in Heidelberg entdeckt wurde. Leider ist nicht bekannt, warum und nach wem sein Entdecker ihn benannt hat. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war Aurelia rund 356 Millionen km von der Erde entfernt und 13,6 mag hell. Der rund 130 Kilometer große Brocken gehört zur Gruppe der F-TypAsteroiden, die sehr kohlenstoffreich sind. Ihre Albedo beträgt nur 0,0455. Ein Aurelia-Tag dauert nicht ganz 17 Stunden und sie braucht für die Umrundung der Sonne 4 Jahre und 65 Tage [5].
Journal für Astronomie Nr. 92 | 61
Kleine Planeten
2 Der Krebsnebel M 1 und der Kleinplanet (3186) Manuilova, aufgenommen von Gerhard Balda mit einem
6-zölligen Newton f/4 und einer ASI-1600-MM-Kamera.
Um einiges heller erschien (354) Eleonora auf dem Bild. Sie war damals 10,4 mag hell und rund 265 Millionen Kilometer von uns entfernt. Mit rund 155 Kilometer Durchmesser ist sie etwas größer als Aurelia. Zur geringeren Entfernung und zum größeren Durchmesser kommt noch die größere Albedo mit 0,1948, um sie so deutlich heller als ihre Kollegin erscheinen zu lassen. (354) Eleonora ist ein S-Typ-Asteroid und daher silikatreich. Sie rotiert ca. alle 4 Stunden um die eigene Achse. Für eine Umrundung der Sonne benötigt sie 4 Jahre und 250 Tage. Eleonora wurde am 17. Januar 1893 vom französischen Astronomen Auguste Charlois in Nizza entdeckt [6]. Auch bei ihr weiß man nicht, nach wem er sie benannt hat. Manche Frauen wissen ihre Geheimnisse zu wahren.
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die Tabelle enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und Deep-Sky-Objekten, die von uns erstellt wurde. Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [7]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion
für sich zu finden. Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwartealtschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht, das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
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Kleine Planeten
3 Die Kleinplaneten (419)
Aurelia und (354) Eleonora, aufgenommen von Wilfried Wacker mit einem 12-zölligen Newton f/4 und einer Starlight-SXV-H-9 Kamera.
Internethinweise (Stand 22.08.2024):
[1] Wikipedia: "(3186) Manuilova", https://de.wikipedia.org/wiki/(3186)_Manuilova [1] [2]
[2] Wikipedia: "Themis-Familie", https://de.wikipedia.org/wiki/Themis-Familie
[3] Wikipedia: "Olga Maximilianowna Manuilowa", https://de.wikipedia.org/wiki/
Olga_Maximilianowna_Manuilowa
[3]
[4]
[4] W. Wacker, Homepage: "(419) Aurelia und (354) Eleonora (KP)", www.starwack.de/Aurelia+Eleonora.htm
[5] Wikipedia: "(419) Aurelia", https://de.wikipedia.org/wiki/(419)_Aurelia [5] [6] [6] Wikipedia: "(354) Eleonora",: https://de.wikipedia.org/wiki/(354)_Eleonora [7] K. Hohmann, Homepage: "Astrofotografie: Kosmische Begegnungen", https://
astrofotografie.hohmann-edv.de/aufnahmen/kosmische.begegnungen.php [7]
Tabelle 1
Ausgewählte interessante kosmische Begegnungen im 1. Quartal 2025
Datum
03.01.2025 24.01.2025 02.02.2025 26.02.2025 02.03.2025 22.03.2025
Uhrzeit
24:00 24:00 24:00 24:00 24:00 24:00
Kleinkörper
mag
Objekt
Art
mag
(1700) Zvezdara
15,2
NGC 2371
PN
11,2
(55) Pandora
11,7
NGC 2619
Gx
12,6
(5231) Verne
14,5
NGC 2770
Gx
12,0
(6386) Keithnoll
16,0
NGC 2903
Gx
8,8
(740) Cantabia
12,9
NGC 3185/87/90/93 Gx 10,8-12,8
(173) Ino / (783) Nora 12,5 / 14,1 M65 / M66
Gx
9,2 / 8,9
Abstand
5' 9' 2' 3' 10' 6' / 30'
Abkürzungen: Gx - Galaxie, PN - Planetarischer Nebel
Journal für Astronomie Nr. 92 | 63
Kometen
Bedeutende Kometen des zweiten Quartals 2024
von Uwe Pilz
Über die Eigenheiten des Kometen 12P/ Pons-Brooks habe ich im vorigen Heft ausführlich berichtet. Er durchlief am 21. April 2024 den sonnennächsten Punkt und wurde kurz davor unsichtbar. Er konnte von der Fachgruppe noch bis zum 13. April beobachtet werden. Die Helligkeit war zuletzt 4 mag, eine bedeutende Erscheinung. Das Foto von Michael Jäger vom 8. April belegt das (Abb. 1).
Der Komet 13P/Olbers verharrte über viele Wochen flach am Abendhimmel, wurde aber im Laufe des zweiten Quartals mit 6 mag recht ansehnlich. Viele von uns hatten Schwierigkeiten, ihn gleich nach Einbruch
der Nacht in nur ~10 Grad Höhe aufzufinden. Letztlich ist es aber allen gelungen. Die Fachgruppe meldete mehrere Fernglasbeobachtungen an die Datenbank COBS. Das Foto von Roland Fichtl in der Abbildung 2 zeigt neben dem prominenten Staubschweif auch den weit in den Raum ragenden Ionenschweif.
Von uns allen wird die Erscheinung von C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) im Herbst 2024 erwartet. Wenn dieses Heft vor euch liegt, dann wissen wir alle, ob er die Erwartungen erfüllt hat. Die Fachgruppe verfolgt diesen Kometen sehr aufmerksam. Im Lauf des April 2024 begann ein Hellig-
keitseinbruch: Trotz weiterer Annäherung an die Sonne wurde der Komet nicht heller. Thomas Lehmann fand heraus, dass die Gasentwicklung zum Erliegen kam. In der Folge wurde auch kein frischer Staub mehr freigesetzt. Die Erscheinung des Kometen beruhte seinerzeit auf dem, was bereits in Koma und Schweif vorhanden war. Das Foto von Rolf Stadelmaier (Abb. 3) wurde in dieser Situation aufgenommen.
Staubpartikel in Kometen unterliegen der Erosion durch die Sonnenstrahlung. In deren Folge ,,überleben" die größeren Partikel länger. Ich konnte mit meinem Programm zur Simulation des Staubschweifs diesen
1 12P/Pons-Brooks am 08.04.2024 um 19:15 Uhr UT, Öffnung 12 Zoll, Belichtungszeit 15 min. Bild: Michael Jäger
64 | Journal für Astronomie Nr. 92
Kometen
Effekt nachweisen, rein rechnerisch bestand der Schweif aus Partikeln zwischen 20 und 300 m Größe. Üblicherweise sind die kleinsten Krümelchen um 1 m groß.
2 13P/Olbers am 28.06.2024 um 22:00 Uhr UT, Öffnung 16 Zoll,
Belichtungszeit 15 min. Bild: Roland Fichtl
Allen Untergangsprognosen zum Trotz setzte Ende des Quartals die Gasentwicklung wieder ein. Wir vermuten (und hoffen), dass damit auch frischer Staub freigesetzt wird. Allerdings mussten die Helligkeitsprognosen für den Herbst um 1 bis 2 mag nach unten korrigiert werden. Wir sehen interessanten Zeiten entgegen!
3 3 C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) am 09.05.2024 um 21:45 Uhr UT,
Öffnung 8 Zoll, Belichtungszeit 58 min. Bild: Rolf Stadelmaier
Journal für Astronomie Nr. 92 | 65
Kometen
Zwei Kometen während der Sonnenfinsternis!
von Bernd Gährken
12P/Pons-Brooks ist ein periodischer Komet mit einer Umlaufzeit von 71 Jahren. Seine Umlaufzeit ist ähnlich wie die des Kometen Halley und sein Aphel liegt ebenfalls nahe der Neptunbahn. Beim Erreichen des Perihels ist 12P mit ca. 4 mag einer der hellsten periodischen Kometen [1].
Am 21. April 2024 sollte das Perihel erneut durchlaufen werden, doch schon Mitte 2023 erregte der Komet einiges Aufsehen. Am 20. Juli 2023 hatte er einen Helligkeitsausbruch von 16 mag bis auf fast 11 mag. Fünf Größenklassen entsprechen einer Helligkeitssteigerung um den Faktor 100! Das regte die Fantasie an und einige Kometen-Auguren wagten eine Prognose von 2 mag bei der Abendsichtbarkeit im März 2024.
Der Komet verlor im Herbst 2023 zwar wieder an Helligkeit, doch es gab immer wieder kleinere Ausbrüche, die vielversprechend
erschienen. Dies hat wohl den Medienhype im Frühjahr 2024 begünstigt, bei dem Pons-Brooks als ,,Teufelskomet" vermarktet wurde.
Nur zwei Wochen vor dem Perihel sollte es in Nordamerika eine totale Sonnenfinsternis geben. Der Komet 12P sollte dabei etwa 25 Grad östlich der Sonne stehen. Bei einer Totalitätsdauer von über 4 min konnte man auf einen ausreichend dunklen Himmel hoffen, um den Kometen mit freiem Auge beobachten zu können.
In Vorfeld wurde überlegt, wie man den Kometen bei der Finsternis am besten fotografieren könnte. Ein typisches 50-mmNormal-Objektiv liefert mit einer Vollformatkamera eine Gesichtsfeldbreite von ca. 40 Grad. Ein APS-C-Chip wäre mit der gleichen Optik schon etwas knapp, wenn man die solaren Korona-Außenbereiche sicher mit im Feld haben möchte.
Für das Experiment wurde eine Sony7s mit einem Canon-Objektiv 50 mm f/1,8 kombiniert. Das als Plastik-Fantastik bekannte Billig-Objektiv zeigte im Vorabtest doch ein paar kleine Schwächen und wurde auf f/5,6 abgeblendet. Da unklar war, wie dunkel die Finsternis wird, wurde die Belichtungsautomatik verwendet und 1,3 Blendenstufen unterbelichtet.
Unser Beobachtungsstandort lag wenige Kilometer westlich von Durango in Mexiko. Die Transparenz war während der Totalität in Zenitnähe perfekt, doch am Horizont stauten sich einige Wolken. Das vom Horizont in den Kernschatten gestreute Licht erhellte die Umgebung.
Bei ISO 3200 belichtete die Kamera während der Totalität 352 Bilder zu 0,04 s. Effektiv sind dies nur etwa 14 Sekunden Belichtungszeit. Das gute SNR der Sony7s ermöglichte dennoch ein passables Ergeb-
1 Sonnenfinsternis am 08.04.2024 in Durango, 352 Bilder zu 0,04 s gemittelt, Objektiv 50 mm f/5,6, Kamera Sony 7s,
ISO 3200. , und markieren die 3 Hauptsterne des Widders.
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Kometen
2 Komet 12P/Pons-Brooks
während der Sonnenfinsternis am 08.04.2024. Ausschnittsvergrößerung und Bearbeitung aus Abb. 1.
3 Sungrazer SOHO-5008 maß-
stabsgerecht in eine Sternkarte kopiert. Die Lage ließ sich über die drei Feldsterne links im Bild sicher identifizieren. Ausschnittsvergrößerung und Bearbeitung aus Abb. 1.
nis. Sterne bis etwa 5 mag sind sichtbar, und bei einer Bearbeitung waren sogar ganz schwach 2 Jupitermonde zu erkennen.
Die Kometensuche erwies sich als unerwartet schwierig. Während des Perihels hatte Pons-Brooks am Ende doch nur 4 mag erreicht und war erst nach etwas Herumsuchen zu finden. Der Komet befindet sich als winziges Pünktchen auf etwa 40% der Wegstrecke von Jupiter zu Beta Arietis (Abb. 1). Die Koma ist klar sichtbar, wirkt aber wegen der geringen Brennweite stellar. Mit etwas Fantasie ist es dennoch grenzwertig, einen Schweifansatz zu erahnen (Abb. 2).
Die Sonne war ebenfalls im Kamerafeld. Die Streamer hatten visuell etwa 3 Sonnenradien Länge. Das längste Exemplar stand auf 10 Uhr und erreichte 4 Sonnenradien. Fotografisch sind die Streamer deutlich länger und erreichen 8 bis 10 Sonnenradien. Ungewöhnlich sind zwei langgezogene Wolken auf der Ebene der Ekliptik. Es könnte sich um den innersten Bereich des Zodiakallichts handeln.
Kurz vor der Sonnenfinsternis wurde von der Raumsonde SOHO ein weiterer Komet entdeckt. Es handelte sich um einen Sungrazer, der in unmittelbarer Sonnennähe verdampfte. Dieser Minikomet ist ebenfalls auf den Fotos sichtbar (Abb. 3). Er ist ähnlich hell wie Pons-Brooks und dürfte daher ebenfalls etwa 4 mag erreicht haben.
Bemerkenswert ist die rote Farbe des Sungrazers. Auf dem 50-mm-Bild ist sie noch nicht zu erkennen, doch Bearbeitungen eines 135-mm-Tele-Fotos zeigen die Farbe deutlich. Vermutlich ist das real, denn auch andere Beobachter ,,sahen rot" [2]. Als Ursache wäre Natrium denkbar. Die Bewegungsgeschwindigkeit eines Sungrazers ist so hoch, dass der nötige Dopplershift gegen die solare Absorptionslinie gut erreicht werden kann. Ein ähnlicher Effekt ist beim Natriumschweif des Asteroiden (3200) Phaeton bekannt [3]. In der Astroszene haben sich in den letzten Jahren einige NatriumPassfilter verbreitet, um den Merkurschweif nachweisen zu können. Vielleicht ergibt sich bei der Abbildung von Sungrazer-Kometen ein weiteres sinnvolles Einsatzgebiet.
Internethinweise (Stand 23.08.2024): [1] Wikipedia: ,,12P/Pons-Brooks",
https://de.wikipedia.org/wiki/12P/ Pons-Brooks [2] Lin Zixuan, 2024: ,,Astronomy Picture of the Day 2024 April 17", https:// apod.nasa.gov/apod/ap240417.html [3] Qicheng Zhang et al., 2023: ,,Sodium Brightening of (3200) Phaethon near Perihelion", https://iopscience.iop. org/article/10.3847/PSJ/acc866 [4] B. Gährken, Homepage: ,,Sonnenfinsternis 2024", https://astrode.de/ reisen/reisen24b/sofitour24.htm
[1]
[2]
[3]
[4]
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Meteore
Visuelle Grenzhelligkeiten am Nachtund Taghimmel - Modellierung und Beobachtungen
von Christoph Gerber und Elmar Schmidt
Christoph Gerber berichtet dem Arbeitskreis Meteore e.V. [1] schon länger über Sichtungen astronomischer Punktobjekte mit dem bloßen Auge am Taghimmel. Elmar Schmidt begleitete diese Beobachtungen durch Leuchtdichtemessungen mit Geräten, die sonst für die Fotometrie von Mondfinsternissen im Einsatz sind [2, 3]. In einem unpublizierten Vortrag über das Auge als Instrument des Hobbyastronomen wurden 2010 erste Ansätze zu den unter verschiedenen Bedingungen erreichbaren Grenzhelligkeiten getroffen. Im folgenden Artikel werden diese vorgestellt, ergänzt und mit Beobachtungen verglichen.
Zur Himmelshelligkeit Als Maßeinheit der Himmelshelligkeit hat sich in der Astronomie die Helligkeit H in Magnituden pro Quadratbogensekunde (mag / arcsec2) eingebürgert, welche von Amateuren mit so genannten ,,Sky Quality Metern" bestimmt werden kann, allerdings, anders als die Messungen für diesen Artikel, nur integral gemittelt aus sehr großen Raumwinkeln [4]. Dieser Größe (logarithmiert) proportional und SI-konform ist die Leuchtdichte L in Candela pro Quadratmeter (cd m-2) [5].
Die Abbildung 1 zeigt die Abhängigkeit der Augenauflösung von der Hintergrundhelligkeit mit Genehmigung aus [6]. Wesentlich für das Grenzhelligkeitsmodell im nächsten Abschnitt ist die Erkenntnis, dass die Sehschärfe in der Dämmerung und nachts deutlich schlechter wird, was mit dem Übergang vom Zäpfchen- zum Stäbchensehen zu tun hat. Einige Auflösungswerte wurden mit gestrichelt grünen Linien markiert. Dabei sind alle Angaben in Bogenminuten (') gemacht (1/60o = 1' = 60''). Die Abszisse (x-Achse) überstreicht Himmelshelligkeiten von denjenigen des Tagblauhimmels abseits der Sonne bis zu den dunkelstmöglichen Nachthimmeln an ent-
1 Augenauflösung in Abhängigkeit von der Himmelshelligkeit
legenen Standorten. Die dabei auf logarithmischen Skalen angegebene Korrespondenz der beiden vorgenannten Einheiten wurde einer früheren Arbeit von Stepputat entnommen [7] und stimmt mit unseren Messungen am Tag- und Nachthimmel sowie einer weiteren Publikation überein [8]. Wir verwenden demnach folgende Korrespondenzen:
(1)
Blau in der Abbildung 1 vermerkt sind noch Leuchtdichtebereiche für einige typische, wolkenlose Beobachtungshimmel.
Grenzhelligkeitsmodell Zentral für die nachfolgenden Betrachtungen ist der Begriff Signal-UntergrundAbstand S/N (,,signal to noise"), also das Verhältnis der Helligkeit des Leuchtobjekts zur in das Auflösungsscheibchen fallenden
Himmelshelligkeit. Wir beschränken uns auf Punktobjekte, die unterhalb der Auflösungsgrenze des unbewaffneten Auges liegen, was auf Sterne und Planeten bis hin zur Venus zutrifft.
Dabei ist es praktisch, die Himmelshelligkeiten H von Quadratbogensekunden auf Quadratbogenminuten umzusetzen. Hier käme formal der Linearfaktor 602 = 3.600 ins Spiel. Da aber als Untergrundsignal nicht die in eine Quadratbogenminute, sondern nur die in das kreisförmige Auflösungsscheibchen des Durchmessers (in Bogenminuten) fallende Himmelshelligkeit H benötigt wird, muss der Linearfaktor auf etwa 2.830 2 angepasst werden. Da astronomische Helligkeitsangaben auf logarithmischer Skala zur Basis 100,4 2,512 angegeben werden, ergibt sich die folgende, nur scheinbar verwickelte Beziehung (hier gehen H in mag/arcsec2 und in Bogenminuten ein):
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Meteore
2 Modellierte Grenzhelligkeiten für verschiedene Himmelshelligkeiten und ausgewählte S/N-Annahmen
(2)
Das Minuszeichen bei den Logarithmen hat mit dem historisch bedingten Umstand zu tun, dass hellere Himmelsobjekte kleinere und sogar ins Negative gehende Größenangaben aufweisen.
Da die Magnituden M der das Signal S gebenden jeweiligen Himmelsobjekte ebenfalls so angegeben sind, müssen für das lineare Verhältnis S/N beide Größen delogarithmiert werden, also
M S = 10-0,4 M
bzw.
(3)
H N = 10-0,4 H
(die Minuszeichen berücksichtigen er-
neut die vorzeicheninverse astronomische
Größenskala), was zu folgender Beziehung
führt:
S/N = 10-0,4 (M - H)
(4)
Mit dieser Beziehung kann zu jeder gegebenen Objekt- und Himmelshelligkeit der Signalabstand (eigentlich ein Verhältnis) berechnet werden. Wenn man eine Abschätzung der Grenzhelligkeit M für ein vorgegebenes S/N und bestimmte Himmelshelligkeiten vornehmen will, bedarf es der entsprechenden Auflösung von Gleichung (4):
M = H - 2,5 log10 (S/N)
(5)
Anwendung auf Nacht- und Taghimmel Die Tabelle der Abbildung 2 wurde mit dem obigen Rechenwerk erzeugt. Als Führungsgröße dient die Himmelshelligkeit nebst der in [6] angegebenen (optimalen) Augenauflösung aus der Abbildung 1. Im Ergebnisteil der Tabelle werden spaltenweise für S/N zwischen 3:1 und 1:3 die vom Modell vorhergesagten Grenzhelligkeiten von Punktobjekten (in Magnituden) angegeben.
Für eher konservative S/N von 3:1 bzw. 2:1 werden am mondlosen Himmel Grenzhelligkeiten von 5,7 bzw. 6,1 mag vorhergesagt, welche sich recht gut mit der Erfahrung von Veränderlichen- und Meteorbeobachtern decken. Natürlich muss jeweils Dunkeladaption des Auges vorausgesetzt werden.
Unter perfekten Bedingungen von Himmeln der so genannten Bortle-Klassen 1 und 2 (Himmel besser als 21,5 mag/arcsec2) gelang einzelnen Beobachtern angeblich die Sichtung von Sternen der Größe 7,5 [9].
Wir streichen dennoch Werte unterhalb 7 mag aus allen Spalten, weil es für sie nach Meinung vieler Amateurastronomen keine verlässlichen Belege gibt. Die Modelltabelle zeigt überdies, dass Sternsehen bei Nacht und an der unteren Empfindlichkeitsschwelle kaum mit einem S/N von 1:1 funk-
tionieren kann, weil das an extrem dunklen Himmeln zu illusorischen Grenzgrößen bei 8 mag führen würde.
Die zu den genannten S/N modellierten Grenzhelligkeiten für aufgehellte Nachthimmel, z. B. im Verlauf der Dämmerung oder durch den Mond, scheinen aber realistisch. Hier sei zu mehr Beobachtungen aufgerufen, wobei man sich auf zenitnahe Sterne beschränken sollte, für welche die in der Tabelle vermerkten Leuchtdichten gelten. Wie sieht es am Taghimmel aus?
Nun ist Taghimmel zunächst nicht gleich Taghimmel, nicht nur aufgrund der wechselnden Wetterbedingungen. So zeigt die Tabelle der Abbildung 2, dass die zenitale Himmelshelligkeit bis zu Sonnenhöhen von 25o um fast den Faktor 10 zunimmt. Für größere Sonnenhöhen ist von nochmals höheren Werten auszugehen.
Die Abbildung 3 zeigt die aus 1.850 m Höhe in Namibia vorgenommene Abtastung eines sehr klaren mittäglichen Südwinterhimmels bei der Sonnenhöhe 43o (welche hierzulande Ende März und Mitte September erreicht wird). Es zeigt sich auch darin eine große Variation der Himmelsleuchtdichte mit dem bekannten Minimum 90o abseits der Sonne nahe 1.500 cdm-2. Sofern nicht zu knapp über dem Horizont liegend, ist das auch der günstigste Bereich für ,,sportliche" Tagsichtungen.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 69
Meteore
sitionen von Jupiter etwa 3,3-mal geringer war: 1,66 x 3,3 = 5,5.
Christoph Gerber behilft sich zur Bewertung seiner Beobachtungen einer subjektiven Übertragung des Magnitudenbegriffs vom Nachthimmel an den Taghimmel, wodurch ihm Venus und Jupiter, einmal gesehen, dort wie Nachthimmelsterne von +2 mag bzw. +4 mag und erst Sirius wie + 6 mag vorkamen. Konsistent daran ist demnach eine Differenz von 6 bis 7 mag zu deren Helligkeiten ohne Störung durch hellen Himmel.
3 Leuchtdichteverteilung [cd m-2] eines mittäglichen Blauhimmels
(gemessen am 19. Juni 2010 auf der Astrofarm Hakos, Namibia)
Am Nachthimmel braucht man Sterne von +4 mag aber nicht suchen: sie stehen einfach da und dienen der Orientierung. Am hellen Taghimmel muss man vergleichbare Punktobjekte intensiv aufsuchen. Hat man sie dann aber erfasst, ,,ploppt" etwa Venus
Bei all dieser Variation zeigt die Tabelle laut der Abbildung 2 bereits, dass man an Taghimmeln routinemäßig nur mit dem Freisichtigwerden der Planeten Venus, Jupiter, Mars sowie der hellsten Sterne rechnen darf.
Tagsichtbarkeit heller Planeten Hierfür werden nur Sichtungen zugelassen, bei denen die Sonne höherstand als in der so genannten Helldämmerung zwischen -2o und +2o. Von 2012 bis 2024 wurden von fünf Beobachtern des AKM insgesamt 43 solche Tagsichtungen von Venus und Jupiter berichtet, davon 30 von Christoph Gerber und 9 von Elmar Schmidt. Ihre detaillierte Aufnahme in diesen Artikel ist im Beobachterforum abrufbar [10]. (Zwei Marssichtungen gab es auch noch, für die aber keine statistische Betrachtung möglich ist.) Zu jeder Beobachtung wurden mit Planetariumsprogrammen die modellrelevanten Parameter ermittelt. Abgesehen von fünf Fällen simultaner Leuchtdichtemes-
sung stützen sich die Himmelshelligkeiten auf eine zenitale Leuchtdichtemessung mit sinkendem Sonnenstand und die Ganzhimmelsfotometrie in der Abbildung 3. Somit konnte zu jeder Einzelbeobachtung das Verhältnis S/N zumindest abgeschätzt werden. Durch mitunter hohe Wolken und dergleichen ist davon auszugehen, dass die Einzelwerte um 30-50% unsicher sein könnten.
Die Abbildung 4 zeigt die Verteilung des Signal-Untergrund-Verhältnisses getrennt für Venus und Jupiter. Im (invertierten) Mittel aus den numerischen S/N wurde Venus bei S/N = 1 : 2,09; Jupiter hingegen bei S/N = 1 : 3,47 beobachtet. Nun sollte das S/N von Jupiter nicht um 3,47/2,09 = 1,66, sondern eigentlich um den Faktor 6,1 geringer sein, den die Venus bei den vorgestellten Sichtungen (durchschnittlich) heller war. Dieser scheinbare Widerspruch klärt sich fast auf, wenn man berücksichtigt, dass die Himmelshelligkeit an den Tagsichtungspo-
4 Signal-Untergrund-Verhältnisse für Tag-
sichtungen von Venus und Jupiter
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Meteore
unter günstigen Bedingungen regelrecht auf und man fragt sich, warum sie zunächst so schwer zu finden war.
Zwei Ursachen dürfte zu diesem Phänomen beitragen, die am Nachthimmel nicht zum Tragen kommen: Blickfeldgröße und Fokussierung. Um ein Gestirn am hellen Himmel wahrnehmen zu können, muss man genau hinschauen: Das scharfe Blickfeld hat lediglich 5 Grad Durchmesser. Die korrekte Fokussierung stellt dann das allergrößte Problem dar. Wenn das Auge am Himmelsblau nicht richtig scharfgestellt ist, gibt es keine Chance auf eine Sichtung des Gestirns - auch wenn man den genau richtigen Punkt am Himmel anvisiert. Daher sind Mond oder einzelne Cirren, selten auch Flugzeuge und Kondensstreifen, die besten Hinweisgeber, da mit ihnen im Blick die Scharfstellung sozusagen mitgeliefert wird.
Die scheinbare Paradoxie, dass Taghimmelsobjekte mit empfundenen +2 bis +4 mag anders als ebensolche am Nachthimmel erst nach anstrengender Suche gefunden werden, kann neben den vorgenannten Schwierigkeiten auch noch mit Folgendem zu tun haben: am Tag liegt sicher stets Zäpfchensehen vor, am Nachthimmel hingegen Stäbchen- oder Mischsehen, und das betrifft nach der Abbildung 1 auch die Sehschärfe [6]. Nach Middleton (zitiert und dargestellt in [7]) nimmt die Augenempfindlichkeit zwischen 0,03 und 0,1 cd/m2 nicht um den Faktor 3, sondern nur um gut 30% zu. Das fällt in den Bereich des Mischsehens, vor dem Einsetzen des Stäbchensehens, und könnte erklären, dass die Grenzhelligkeiten von Taghimmelobjekten nicht gleichartig auf diejenigen am Nachthimmel ,,abgebildet" werden. Auch global verläuft das menschliche Hellempfinden nicht log-linear wie die Pogson-Skala der Magnituden, sondern folgt ungefähr einem Potenzgesetz mit Exponent 1/3 [11].
5 Zusammenstellung und Extrapolation von S/N am Taghimmel
Tagsichtbarkeit von Sirius Den mit -1,46 mag hellsten Fixstern mit bloßen Augen am Taghimmel zu sehen, ist noch herausfordernder als Tagsichtungen heller Planeten, zumal Sirius in Heidelberg nur in 24o Höhe kulminiert und dann noch um +0,27 mag extingiert wird. Die optimalen Zeiträume für dessen Tagsichtungen (die Sonne steht dann jeweils 13o hoch) sind um den 12. April (Kulmination Sirius 18:45 MESZ; Sonnenabstand 83o) und um den 16. September (Kulmination Sirius 8:30 MESZ; Sonnenabstand 74o) zentriert, wobei die Herbstsichtbarkeit den Vorteil bietet, Sirius aus der Morgendämmerung am Taghimmel aufsteigen zu sehen.
Christoph Gerber gelangen nun Sichtungen von Sirius aus der Nähe von Heidelberg und zwar am 14. April, 3. Mai und 5. September 2023 und bei Sonnenhöhen von 6,6o, 24o und 34o. Die (zumeist späteren) S/N-Abschätzungen (Schmidt) / (davon unabhängigen) Sichtbarkeitseinstufungen (Gerber) dabei betrugen 1:12 / sicher, 1:20
/ ganz unsicher und 1:20 / sehr unsicher. Im Mittel (aus den eigentlich modellierten Kehrwerten) ergab sich 16,5. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Freisichtigkeit von Sirius an unserem Taghimmel sehr schwierig ist und perfekten Himmel verlangt. In der Abbildung 5 wurden die hier berichteten S/N für Venus, Jupiter und Sirius versuchsweise mit einer Potenzfunktion angepasst. Aus deren Extrapolation ergibt sich die Vorhersage, dass für den zweithellsten Fixstern Canopus ein S/N bei 1:25 erwartet wird. Auf der Südhalbkugel kommen aber beide hoch am Himmel in weniger aufgehellte Taghimmelsbereiche, was das S/N um einen Faktor 2 bis 3 verbessern kann [12].
Die Übertragung einer in 2.370 m Höhe auf La Palma vorgenommenen Mittagssichtung von Sirius in 36-38o Höhe auf eine zenitnahe Stellung in Meereshöhe ergab eine Grenzhelligkeit von -1,2 mag [13]. Die Verwendung radiometrischer Größen (Radianz statt Luminanz = Leuchtdichte)
Journal für Astronomie Nr. 92 | 71
Meteore
in dieser Arbeit erschwert die Beimessung eines S/N dafür gemäß dem hier benutzten Modell.
Zusammenfassung Aus dem Vergleich theoretisch abgeschätzter Signal/Untergrund-Verhältnisse S/N mit publizierten und eigenen Himmelsbeobachtungen mit unbewaffneten Augen ist festzustellen: - An der unteren Sichtbarkeitsgrenze von
Nachthimmelsternen bei ca. 6,5 mag liegen modellierte S/N zwischen 2:1 und 1:1 vor. - Am Taghimmel werden hingegen für Jupiter regelmäßig nur S/N zwischen 1:3 und 1:7 erreicht, für Sirius fallen sie auf weniger als 1:10 ab.
Das zugrundeliegende Modell beruht auf einer optimalen (und mit der Himmelshelligkeit variierenden) Augenauflösung bis herunter auf 0,7 Bogenminuten. Für einen um den Faktor 1,4 schlechteren Visus sinken die Verhältnisse S/N quadratisch auf die Hälfte der vorherigen. Dadurch verschlechtern sich die Grenzhelligkeiten um -0,8 mag. Das Modell liefert übrigens kein festes S/N, mit dem die Grenzhelligkeiten am Tag- und Nachthimmel einheitlich zu beschreiben sind. Wir führen das auf Unterschiede zwischen Zäpfchen- und Stäbchensehen zurück, wobei das Zäpfchensehen deutlich kleinere S/N möglich macht.
Mit Ferngläsern und Teleskopen sollten die Grenzhelligkeiten niedriger (d. h.
positiver auf der Magnitudenskala) werden, und zwar mit 5 . log10 A, worin A der Linearfaktor der Auflösungsverbesserung ist. Eine Sichtung des Jupitermondes Ganymed (+4,6 mag) am Taghimmel durch ein 10-cm-Teles kop geht in diese Richtung [12]. Besitzer festmontierter GoTo-Teleskope könnten hierzu weitere Versuche anstellen, am besten neben tagsüber einfach detektierbaren Sternen.
Literatur- und Internethinweise (Stand 26.08.2024):
[1]
[3]
[1] Arbeitskreis Meteore e.V.: Homepage www.meteoros.de
[2] N. Hernitschek, E. Schmidt und M. Vollmer, 2008: "Lunar eclipse photometry: absolute
luminance measurements and modeling", Appl. Optics 47, p. 62-71
[3] Konica Minolta: ,,Leuchtdichtemessgeräte", www.konicaminolta.eu/de/messgeraete/pro- [4]
[5]
dukte/licht-messtechnik/leuchtdichtemessgeraete/ls-150-ls-160-2/einfuehrung.html
[4] D. Welch, A. Tekatch: "Sky Quality Meter", www.unihedron.com/projects/darksky/
[5] licht.de: ,,Leuchtdichte", www.licht.de/de/grundlagen/lichtlexikon/details-lichtlexikon/
leuchtdichte
[6]
[9]
[6] R. N. Clark, 1990: "Optimum Magnified Visual Angle", in: "Visual Astronomy of the Deep
Sky", https://clarkvision.com/visastro/omva1/, insb. Fig. 2.7a
[7] K. J. Stepputat, 2008: " [10] [11] Vergleichstabelle für Nachthimmelhelligkeitsklassen - eine Anwendung für Handrohr und Photometerokular (Teil 3)", VdS-Journal für Astronomie 27,
S. 38-39
[8] S. Bara et al., 2020: "Magnitude to luminance conversions and visual brightness of the
night sky", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 493, p. 2429-2437
[9] J. E. Bortle, 2006: ,,Gaughing Light Pollution: The Bortle Dark-Sky Scale", https://skyandtelescope.org/astronomy-
resources/light-pollution-and-astronomy-the-bortle-dark-sky-scale/
[10] E. Schmidt, 2024: ,,Synopse von Tagsichtungen heller Planeten und Sterne", AKM e.V. Forum, https://forum.meteoros.de/
viewtopic.php?f=1&t=61884
[11] Skalierung: www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/allg/lehre/wct/w/w2_psychophysik/w250_skalierung.htm
[12] C. Gerber, 1998: ,,Sterne am Taghimmel", Sterne und Weltraum 03/1998, S. 281
[13] G. P. Können et al., 2015: "Naked eye visibility of Sirius in broad daylight", Appl. Optics 54, B1
72 | Journal für Astronomie Nr. 92
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Planeten
Eine Aufnahme von Saturn mit Schattenwurf von Rhea
von Frank Slotosch
Ich bin stolzer Besitzer einer Gartensternwarte im schönen Ruhrgebiet (Abb. 1). Leider wurden die Bedingungen für Astrofotografie mit der Zeit immer schlechter: starke Aufhellung im Westen durch das Werk von Evonik und den lieben Bahnhof vor meiner Haustür. Es fahren deutlich mehr Züge, die eine Langzeitbelichtung fast unmöglich machen. Daher habe ich mich mehr auf Sonnen- und Planetenfotografie eingelassen, da dort die Belichtungszeiten deutlich geringer sind und die Aufhellung am Himmel keine große Rolle mehr spielt. Jetzt war vor allem gutes Seeing wichtig. Erstaunlicherweise hatte ich immer morgens gutes Seeing - ideal für die Sonnenfotografie. Und wie verhält es sich mit den Planeten, wie ist das Seeing in der Nacht? Erstaunlich: gar nicht so schlecht. Also musste ein gutes Teleskop mit mehr Brennweite angeschafft werden. Eine Planetenkamera war auch noch nicht vorhanden. Und welche Software benutze ich zum Aufnehmen? Schließlich habe ich mich für ein Mewlon 210 (Brennweite: 2.415 mm) von Takahashi entschieden (Abb. 2). Dazu kamen zwei Kameras von QHY: die Modelle 5-III462 M/C (Farbe) und 5III 462 M (monochrom). Als Aufnahmesoftware sollte Firecapture dienen. Dann merkte ich schnell, dass da noch etwas fehlte, was mir gar nicht bewusst war. Die Planeten stehen nicht immer hoch am Himmel, so dass ein Korrektor für die atmosphärische Dispersion (ADK) erworben wurde. Ich habe das Modell von GreatStar gewählt, da er einfach zu bedienen ist. Jetzt konnte es endlich losgehen! Es war schon sehr aufregend und spannend, wie alles funktioniert.
1 Meine Garten-
sternwarte neben den Bahngleisen
2 Das Teleskop zur
Planetenbeobachtung: ein Mewlon 210 von Takahashi
Jupiter war mein erstes Projekt. Super, ich konnte schon im Livebild Staubbänder und den Großen Roten Fleck gut erkennen. Dann ging es einen Schritt weiter und ich
3 Jupiter mit einem
der Galileischen Monde und dessen Schattenwurf
74 | Journal für Astronomie Nr. 92
Planeten
wollte den Schattenwurf eines Mondes auf Jupiter sehen. Eine neue Herausforderung! Die erste Frage: Wann sieht man dieses Ereignis? Zu welcher Zeit? Ein ganz tolles Programm ist dafür WinJUPOS. Nun war der Tag da, das Wetter sollte gut werden und alles passte. Auch den Schatten konnte ich gut live erkennen, wie er über die Oberfläche von Jupiter wanderte (Abb. 3).
Der nächste Schritt sollte kommen: Saturn. Ist es auch hier möglich, den Schattenwurf eines Mondes auf Saturn zu sehen? Viele sagten mir, dass es nicht möglich wäre, höchstens von Titan, dem größten Saturnmond. Da es aber laut WinJUPOS erst im November dazu kommen sollte, musste der zweitgrößte Mond herhalten, Rhea. Rhea hat einen mittleren Durchmesser von 1.528 km und ist 9,6 mag hell. Leider hatte ich am 25.07.2024 nur ein Zeitfenster von 03:35 Uhr bis 04:00 Uhr Sommerzeit, da bei mir ein großer Baum im Weg steht.
4 Simulation von Saturn mit Rhea und Schattenwurf aus WinJUPOS
Alles eingeschaltet, und los ging es. Live war leider nichts zu erkennen, da war ich schon etwas enttäuscht und konnte die Nacht schlecht schlafen, da ich aufgeregt und neugierig war, ob der Schatten von Rhea zu sehen sein würde. Die Aufnahme wurde mit AutoStakkert gemittelt und danach bearbeitet. Da ich genau wusste, wo der Schatten sein sollte (Abb. 4), war die Freude groß, als er tatsächlich sichtbar wurde (Abb. 5).
Alles ist möglich, man sollte es nur machen!
5 Die im Text beschriebene Aufnahme von Saturn mit dem Schatten von Rhea
am 25. Juli 2024
Journal für Astronomie Nr. 92 | 75
Planeten
Saturnbedeckung durch den Mond am 21. August 2024
zusammengestellt von Maciej Libert
Am 21. August 2024 wurde Saturn von 05:32 bis 06:27 Uhr (MESZ, Zeiten für Bremerhaven) vom Mond bedeckt. Solche Ereignisse sind relativ selten, was daran liegt, dass die Mondbahnebene um 5 Grad gegen die Bahn der Ekliptik geneigt ist. Diese Bedeckung war in Teilen Europas und Asiens sichtbar. Dabei verschwand Saturn hinter der beleuchteten Seite des Mondes und tauchte auf der unbeleuchteten Seite wieder auf. In dieser Bilderstrecke finden sich einige Ergebnisse aus der VdS-Fachgruppe Planeten.
Für Beobachter in Deutschland gab es bereits am 4. Januar 2025 die nächste Gelegenheit, eine Saturnbedeckung zu erleben. Sie war die letzte Bedeckung von Saturn durch den Mond in Deutschland für dieses Jahrzehnt. Es folgen kurze Beobachtungsberichte und Bildbeispiele aus verschiedenen geografischen Regionen.
Saturnbedeckung in Bremerhaven Die Wetterprognose für die Saturnbedeckung am 21.08.2024 war in Bremerhaven alles andere als günstig: eine dichte Wolkendecke bis kurz nach dem Ereignis, ,,typisch" für solche spannenden Schauspiele. Trotzdem bereiteten wir am Vortag die teleskopische Ausrüstung vor - das Pentax SDHF 75 für Übersichtsaufnahmen und das Takahashi Mewlon 210 für Detailaufnahmen.
Um 4 Uhr ging es bei bewölktem Himmel, aber bereits nachlassendem Regen ins Feld. Kaum war alles aufgebaut, schlug das Wetter wieder um und ein heftiger Regenschauer mit stürmischem Wind zwang uns, die Geräte zurück ins Auto zu retten. So plötzlich, wie der Sturm aufkam, verzog er sich zum Glück auch wieder. Am Ende hatten wir wenige Minuten Zeit für einen erneuten Aufbau der Instrumente.
Leider verschleierten die Wolken den Blick auf den Mond durchgehend, und das größere Mewlon-Teleskop ging leer aus. Zwei Schnappschüsse mit dem Pentax konnten wir dennoch machen - die Bilder geben die Situation am Himmel gut wieder. Ironischerweise klarte der Himmel nur zwei Minuten nach der Bedeckung auf und gab den Mond frei - jedoch mit dem nun bereits bedeckten Saturn. Abbildungen 1 bis 5 von Maciej Libert und Martina Hanke.
1 Die aufgebauten Instrumente bei klarer
Sicht nach der Bedeckung
2 Rechts oben: Mond und Saturn in den
Wolken. Pentax SDHF 75, 2x-Barlow Astrophysics, Canon R6 Mk II, 1/25 s bei ISO 6400
3 Rechts unten: Mond und Saturn in den
Wolken. Pentax SDHF 75, 2x-Barlow Astrophysics, Canon R6 Mk II, 1/640 s bei ISO 6400
76 | Journal für Astronomie Nr. 92
Planeten Journal für Astronomie Nr. 92 | 77
Planeten
4 Ausschnitt aus Abb. 2
78 | Journal für Astronomie Nr. 92
5 Ausschnitt aus Abb. 3
Saturnbedeckung in Leopoldshöhe Oliver Schneider hatte bis 5:20 Uhr MESZ noch einen klaren Himmel und legte sich hoffnungsvoll auf die Lauer, um die Bedeckung zu fotografieren. Auch hier zeigte sich Petrus jedoch ungnädig, so dass pünktlich zum Schauspiel eine schnell aufziehende Wolkendecke das Ereignis verdeckte. Am Ende blieb genau eine Sekunde Zeit, um die beiden Himmelskörper im Bild einzufangen (Abb. 6).
6 Saturn neben dem Mond um
05:20 Uhr MESZ, Refraktor TS Optics 60 mm / 360 mm, ZWO ASI 178MM, Skywatcher EQ3, Einzelbild mit 250 ms, Balkon in Leopoldshöhe. Bild: Oliver Schneider
Saturnbedeckung in Würzburg In Würzburg hatte Josef Laufer etwas mehr Glück. Gegen 04:30 Uhr MESZ war der Himmel in Richtung Mond noch stark bewölkt, doch bereits eine Viertelstunde später, auf dem Weg zur Sternwarte, zeigten sich größere Wolkenlücken. Am 16-Zoll-SC-Teleskop von Meade war das Seeing zwar schlecht, doch der Mond immer wieder zwischen den Wolken sichtbar. Der Eintritt konnte mit manueller Helligkeitsregelung aufgenommen werden, die Ergebnisse sind in der Bildabfolge zu sehen (Abb. 7).
Der Austritt von Saturn blieb hinter den Wolken verborgen. Der Plan, beide Himmelskörper mit einem IR-Filter aufzunehmen, um den Seeingeinfluss zu reduzieren, ging letztlich nicht auf. Der Mond zeigte sich noch zweimal, so dass die Austrittsposition angefahren werden konnte, aber ab 6 Uhr blieb der Himmel dicht. Zu Hause, um 7 Uhr, setzte dann leichter Sprühregen ein, und von Sonne oder Morgenrot war keine Spur mehr - alles war trüb.
7 Rechts: Verlauf
der Saturnbedeckung, aufgenommen mit einem Meade-16-ZollSchmidt-Cassegrain ACF LX850: 406 mm / 3.248 mm (f/8) im Primärfokus. Bild: Josef Laufer
Planeten
8 Oben: Annährung der beiden Himmels-
körper um 05:31 Uhr MESZ; unten: partielle Bedeckung nur eine Minute später um 05:32 Uhr MESZ. Bild: Rainer Sparenberg
Saturnbedeckung in Haltern am See Auch Rainer Sparenberg hatte in Haltern am See Glück bei der Saturnbedeckung und teilte seine Erfahrungen anschließend in der Mailingliste der FG Planeten mit: ,,Eigent-
lich sollte das Wetter relativ gut werden. Aber bereits am Abend zuvor verschlechterten sich die Prognosen. Trotzdem bin ich am Morgen aufgestanden und sah zunächst nur Wolken. Diese verzogen sich zum Glück, so dass ich zumindest den Anfang der Bedeckung beobachten konnte."
Die Bilder zeigen ein digitales Komposit, bei dem zwei Aufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungszeiten gemacht wurden. Das Rückstrahlvermögen des Sonnenlichts
(Albedo) von Saturn und Mond liegt jeweils weit auseinander. Die große Herausforderung bestand also darin, beide Objekte so zu fotografieren, dass keines von ihnen überoder unterbelichtet wurde. Die Lösung war eine getrennte Belichtung beider Objekte und die nachträgliche Kombination der Bilder zu einem Komposit (Abb. 8).
Aufgenommen wurde das Ereignis mit einem C14-Teleskop (3.910 mm Brennweite) und einer QHY-585C-Kamera.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 79
Radioastronomie
Flares in der H-Sonnenfotografie und VLFRadio am Beispiel der AR3664 und AR3697
von Jochen Pleßmann und Udo Siepmann
Flares auf der Sonnenoberfläche sind stets besondere Ereignisse, die uns Amateurastronomen zu reger Beobachtung und Fotografie herausfordern. Dies galt für das Jahr 2024 erst recht mit seinen ungeahnten Höhepunkten der Sonnenaktivität, gemessen an der Relativzahl und mit außergewöhnlich großen Fleckengruppen. Dazu gehört vor allem die herausragende Gruppe AR3664 im Mai, die als bis dahin größte in diesem 25. Sonnenzyklus gilt. Sie ließ sich auch wieder im Juni blicken, nun unter AR3697. Beide Gruppen haben nicht primär wegen ihrer Größenordnung, son-
dern wegen ihrer Flares auch die Aufmerksamkeit der Radioastronomen auf sich gelenkt. Damit wurden die H-Beobachtung und -Fotografie um interessante Aspekte ergänzt - so auch an unserer Walter-Hohmann-Sternwarte in Essen (WHS).
Fotos als Zufallsergebnisse Der Unterschied in den Beobachtungsmethoden war gerade im Frühjahr 2024 von besonderer Bedeutung. Die Wetterverhältnisse machten mancher visuellen oder fotografischen Erforschung der Sonne häufig einen Strich durch die Rechnung.
Selten zuvor tauchten in den verschiedenen Diskussionsforen so häufig die Begriffe ,,Wolkendurchzug" und ,,Wolkenlücke" auf. Dies gilt auch für die VdS-Fachgruppe Planeten, in der sich einige Sonnenbeobachter rege austauschen. Diese Sorgen teilen die Radioastronomen nicht so sehr. Auch sie widmeten sich der aktiven Sonne. Selbst wenn die Sonne hinter der Wolkendecke verschwand, hatten sie reichlich Beobachtungsmaterial. Denn die Beobachtung der solaren Aktivität verläuft hier kontinuierlich und wetterunabhängig. Wenn die Technik zuverlässig funktioniert, geht da-
1 Flare am 09.05.2024, 09:06 Uhr UTC
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Radioastronomie
her jeder kräftige Flare ins Netz oder besser gesagt: durch die Antenne, so auch an der WHS. Sofern es sich um Ausbrüche der stärkeren Art handelt, bekommt ein Flare von der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) [1] eine Zuordnung zu den Klassen C, M und X auf der Basis seiner Röntgenstrahlungsenergie (X-Ray-Flux) [2]. Für die visuelle Beobachtung und die Fotografie solcher Ereignisse eignet sich die H-Wellenlänge bei 656 Nanometern. Dabei spielt der Zufall immer eine besondere Rolle. Denn es ist äußerst schwierig, den
,,richtigen" Zeitpunkt, das ,,richtige" Wetter und die ,,richtige" aktive Region zu erwischen. Etwas helfen kann noch die Angabe der Flare-Wahrscheinlichkeiten nach den Klassen C, M und X, wie man sie im Internet, z. B. bei SpaceWeatherLive [3] und der entsprechenden Smartphone-App für die aktiven Regionen findet. Aber auch diese sagen nichts über den ,,richtigen" Zeitpunkt aus, und es sind eben nur Wahrscheinlichkeiten und keine Gewissheiten.
Am 9. Mai stimmte für Mitautor Udo Siepmann jedoch alles: Zeitpunkt, aktive Re-
gion, eben die besagte AR3664, und auch das Wetter. An jenem Morgen liefen die Beobachtungen nach bewährtem Muster zuhause in Mülheim/Ruhr ab. Mit der kurzen Brennweite eines Lunt LS60 und der passenden Kamera (Neptune-M von Player One) gelang zunächst eine HÜberblicksaufnahme.
Anschließend wurde die Fleckengruppe mit dem Refraktor TS Photoline 115 mm / 800 mm in Kombination mit einem D-ERFEnergieschutzfilter und einem DayStar QUARK Chromosphere näher untersucht.
2 Flare am 06.06.2024, 15:02 Uhr UTC
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Radioastronomie
Mit der 4,5-fachen Telezentrik des DayS tar QUARK erhält man eine Brennweite von immerhin 3.600 Millimetern. Gemeinsam mit der Öffnung von 115 Millimetern erschließen sich viele Details auf der Sonne. Besonders beeindruckend sind diese, wenn es gelingt, eine Sequenz von Videos aufzunehmen, die die laufenden Veränderungen auf der Sonne zu einem Zeitrafferfilm verdichten. Eine Sequenz von insgesamt 150 Videos zu je 800 Frames startete gegen 08:20 Uhr (UTC) und endete um 09:06 Uhr (UTC) jenes 9. Mai. Das Zeitraffer-Video findet man unter [4], siehe auch [5]. Erst am Nachmittag dieses Tages wurde klar, welcher Fang damit zufällig gelungen war: ein Flare der X-Klasse, der um etwa 09:00
Uhr (UTC) seinen Höhepunkt erreichte (Abb. 1). Dieser kräftige Flare war es auch, der am darauffolgenden Freitag/Samstag, dem 10./11. Mai, ein sehr seltenes, bis in den Süden Deutschlands und weit darüber hinaus reichendes Polarlicht verursachte.
Ähnliches Glück wiederholte sich dann in etwas anderer Form am 6. Juni. Dieselbe, nun als AR3697 bezeichnete Gruppe, zeigte sich wieder erfreulich aktiv, im Gegensatz dazu das Wetter als höchst unerfreulich. Es gelang an diesem trüben Tag nur ein einziges Video mit der kurzen Brennweite, und zwar um 15:02 Uhr (UTC). Und später konnte man tatsächlich lesen: Um 15:00 Uhr (UTC) erreichte ein Flare der Klasse
M6.12 seinen Höhepunkt, was auch das Foto dokumentiert (Abb. 2). Dieser Flare ließ erneut Hoffnungen auf Polarlichter aufkeimen, die sich aber nicht so erfüllten wie in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai.
Kontinuierliche radioastronomische Beobachtungen Völlig anders ist es in der radioastronomischen Flare-Beobachtung, wo der Zufall keine vergleichbare Rolle spielt. Mit kontinuierlicher und langfristiger Beobachtung rund um die Uhr entstehen lückenlose Datenreihen und Grafiken. In diesem Fall wertete Mitautor Jochen Pleßmann den Verlauf der Flare-Aktivität des 9. Mai und des 6. Juni aus. Die dafür an der WHS ein-
3 Signalstärken (beliebige Einheiten) des VLF-Senders GBZ, Flare am 09.05.2024, 09:00 Uhr UTC
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Radioastronomie
gesetzte Technik ist recht einfach. Denn sie besteht aus einer hölzernen Rahmenantenne mit 200 Metern Drahtwindungen auf dem Dachboden des Vereinsgebäudes, einem einfachen Vorverstärker und einer Soundkarte als Analog-Digital-Wandler im angeschlossenen PC [6, 7]. Mit dieser Ausstattung lassen sich Flares über so genannte Längstwellen, also Radiowellen im ,,Very Low Frequency"-Bereich (VLF), indirekt beobachten. Konkret geht es hier um Empfangsstärken von Längstwellensendern bei Frequenzen in der Größenordnung um die 20 Kilohertz, was einer Wellenlänge von rund 15 Kilometern entspricht. Eine Liste der Sender, die in diesem Frequenzbereich senden, ist im Internet verfügbar [8]. Die WHS nutzt Sender aus Deutsch-
land, Frankreich, Großbritannien und den USA. Da diese Methode, mit bescheidenen Mitteln Flares radioastronomisch einzufangen, vermutlich den meisten Amateurastronomen nicht so geläufig ist, sei sie kurz erläutert.
Als Software zur Auswertung der VLF-Signale setzen die Radioastronomen der WHS SuperSID [9] ein, mit SID als Abkürzung für ,,Sudden Ionospheric Disturbance", eine plötzliche ionosphärische Störung. Flares zeigen sich üblicherweise an einem starken Anstieg der Signalstärke der VLFSender und einem langsameren Wiederabstieg. In der WHS werden die Signale von insgesamt fünf VLF-Sendern jeweils im 5-Sekunden-Takt dokumentiert. Es bleiben
trotz Filterung in den Daten und Kurven einige Störungen (,,Rauschen") durch elektrische Geräte im Gebäude.
Wie nun Flares die Signalstärke der VLFSender verändern, d. h. im Regelfall erhöhen, sei in Kurzform erläutert [10, 11]: Sonneneruptionen wie Flares lassen die UV-, die Röntgen- und Gammastrahlung ansteigen, die nach etwa acht Minuten auf die Ionosphäre trifft. Dies verstärkt die Ionisation in der so genannten D-Schicht, der unteren Schicht der Ionosphäre, auf der von der Sonne beschienenen Seite der Erde. Damit wiederum erhöht sich deren Leitfähigkeit für elektromagnetische Wellen, und die Höhe der VLF-Wellen reflektierenden D-Schicht verringert sich. Die Folge ist ein
4 Signalstärken (beliebige Einheiten) des VLF-Senders NAA am 06.06.2024, Flare um 15:00 Uhr UTC
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Radioastronomie
plötzlicher Anstieg der Signalstärke der empfangenen VLF-Sender. Durch Interferenzen der Himmelswelle mit der Bodenwelle des VLF-Senders kann jedoch das Signal auch ,,nach unten gezogen" (destruktiv überlagert) werden oder sogar verlöschen. Den jeweiligen Röntgen-Strahlungsfluss, der für all dies primär ursächlich ist, misst kontinuierlich ein Instrument des GOESSatelliten. Je nach dessen Stärke (in Watt je Quadratmeter) werden Sonneneruptionen in die Klassen A, B, C, M und X eingeteilt. Nun bringen nicht alle der möglichen und auch die von der WHS genutzten VLF-Sender zu allen Zeitpunkten eine gleichbleibende Qualität, wie sich auch im Vergleich der Messergebnisse der Flares vom 9. Mai und 6. Juni zeigt. Am 9. Mai reagierte das Signal des US-Senders NAA (24 KHz) nur sehr schwach, ebenso das des britischen Senders GQD (22,1 KHz). Am stärksten waren die Ausschläge des britischen Senders GBZ (19,58 KHz) (Abb. 3) und des deutschen Senders DHO (23,4 KHz) mit vergleichbar starken Veränderungen der
Signalstärke. Der französische Sender FTA (20,9 KHz) zeigte hingegen einen für Interferenzen der empfangenen Wellen typischen Ausschlag nach unten, der ebenfalls sehr kräftig ausfiel. Bei richtiger Interpretation ist damit der Ausschlag nach unten nicht etwa wertlos, sondern zeigt eine destruktive Überlagerung.
Am 6. Juni zeigte das Signal des US-Senders NAA (Abb. 4) die deutlich stärkste Reaktion, ähnlich denen der Sender GBZ und FTA, Letzterer erneut mit einem Ausschlag nach unten.
Dies verdeutlicht, dass es richtig ist, die Signale mehrerer Sender im Blick zu behalten, wenn man kein Flare-Ereignis wegen ,,Signalschwäche" übersehen will. Und es macht für die Überwachung rund um die Uhr auch Sinn, Sender aus verschiedenen Zeitzonen einzubeziehen. Über längere Zeiträume betrachtet, hat sich der Sender NAA an der WHS gut bewährt. Er steht in Maine/USA, in der Zeitzone UTC - 4 Stunden und dient
der US-Navy zur Kommunikation auch mit unter Wasser befindlichen U-Booten. NAA sendet bei 24 Kilohertz und ist mit seiner Sendeleistung von 1,8 Megawatt einer der stärksten Sender weltweit [12].
Einen Anhaltspunkt, wie gut die Ausschläge der VLF-Signalstärken der einbezogenen Sender das Flare-Geschehen wiedergeben, bietet auch ein wiederholter Vergleich mit den GOES-Daten für den Röntgen-Strahlungsfluss [13]. Denn diese Strahlung löst originär jene Veränderungen in der Ionosphäre aus, die die Signale der VLF-Sender verstärken.
Vielleicht hilft dieser Beitrag, das Interesse an einem technisch überschaubaren Einstieg in die Radioastronomie zu wecken und den Dialog zwischen Sonnenbeobachtern, Sonnenfotografen und Radioastronomen zu intensivieren. An der WHS jedenfalls wird er in Zukunft fortgesetzt.
Literatur- und Internethinweise (Stand: 15.06.2024)
[1] National Oceanic and Atmospheric Administration: ,,Space Weather Prediction Center",
[1]
[2]
www.swpc.noaa.gov
[2] Wikipedia-Eintrag mit Erläuterung der Flare-Klassen: https://de.wikipedia.org/wiki/
Sonneneruption
[3] Space Weather live: www.spaceweatherlive.com
[3]
[4]
[4] Walter-Hohmann-Sternwarte, 2024: ,,Video des Flares am 9.5.2024",
www.sternwarte-essen.de/Flare20240509
[5] U. Siepmann, 2022: ,,Animationen in der Sonnenfotografie - mein Weg zu ersten
Ergebnissen", VdS-Journal für Astronomie 80, S. 63
[6]
[8]
[6] P. Hyde, 2021 ,,How to Study Sudden Ionospheric Disturbances",
https://britastro.org/wp-content/uploads/2021/03/Hyde_SIDv7.pdf
[7] J. Köppen, 2011: ,,Radio Natur - den Planeten Erde bei sehr langen Wellen belauschen",
Sterne und Weltraum 05/2011, S. 70
[9]
[10]
[8] Wikipedia-Eintrag zur Längstwelle: https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A4ngstwelle
[9] SuperSID (GitHub-Repository): https://github.com/sberl/supersid
[10] S. N. Kranich, 2015: ,,Correlation of Solar X-ray Flux and SID Modified VLF Signal Strength",
https://apps.dtic.mil/sti/citations/ADA614949
[11]
[12]
[11] D. Banys, 2017: ,,Propagation of LF and VLF waves and their use for monitoring space
weather events", https://macau.uni-kiel.de/receive/diss_mods_00026241?lang=en
[12] Wikipedia-Eintrag zur Marinefunksstelle Cutler: https://de.wikipedia.org/wiki/
Marinefunkstelle_Cutler
[13]
[13] NOAA: ,,GOES X-Ray-Flux", www.swpc.noaa.gov/products/goes-x-ray-flux
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Radioastronomie
Beobachtung von Sonneneruptionen mit einem Ofenrohr-Interferometer im Mai 2024
von Vanessa Annika Schulz
Im Rahmen meiner Masterarbeit an der Universität Bonn in Kooperation mit dem Astropeiler Stockert e.V. haben wir Ende März 2024 ein selbstgebautes ,,TransitOfenrohr-Interferometer" in Betrieb genommen. Das Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Praktikumsversuchs zum Thema Interferometrie, um die Grundlagen und Datenverarbeitung der Interferometrie mit einem einfachen und kostengünstigen Aufbau kennenzulernen.
Die Radioastronomen jagen nach einer immer besseren Auflösung. Das bedeutet, dass die Teleskope immer größer werden müssen (wenn man die Beobachtungsfrequenz nicht ändern will). Gleichzeitig möchte man die Beweglichkeit und somit die Flexibilität des Teleskops erhalten, was aufgrund der Schwerkraft und Baukosten zu einer maximalen Größe von ungefähr 100 m Durchmesser (Effelsberg und Green-Bank-Teleskop) führt. Die Idee der Interferometrie ist nun, dass mehrere kleine Teleskope zusammengeschaltet werden und somit ein großes Teleskop simulieren. Ausschlaggebend für die Auflösung ist hier der Abstand der Teleskope zueinander, die sogenannte Basislinie [1].
Als Beobachtungsobjekt in diesem Projekt wird die Sonne genutzt, da sie einerseits die hellste Radioquelle am Himmel ist und andererseits ihre Radioemission sehr komplex sein kann, denn sie zeigt Variationen auf verschiedenen Zeitskalen (von Millisekunden bis zu den mehrjährigen Sonnenzyklen). Momentan befindet sich die Sonne im 25. Sonnenzyklus seit Beginn der intensiveren Aufzeichnungen im Jahr 1755, dessen Maximum im Juli 2025 erwartet wird [2]. Wenn die Sonne sich dem Maximum des Sonnenzyklus nähert, dann nimmt die Anzahl der Sonnenflecken und die Sonnenaktivität zu, was wiederum zu
1 Der elektronische Aufbau des Interferometers, Bild: Vanessa Annika Schulz
Sonneneruptionen und koronalen Massenauswürfen (CME) führt.
Am 8. und 9. Mai 2024 konnten wir mit unserem Interferometer besonders energiereiche Sonnenausbrüche aus den Aktivitätsgebieten AR3663 und AR3664 beobachten, welche teilweise mit CMEs, die in Richtung Erde ausgeworfen wurden, verbunden waren. Diese führten zu besonders intensiven Nordlichtern in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai [3, 4].
Aufbau Das Interferometer (Abb. 1 und 2) besteht aus drei Antennen, jeweils in Form eines runden Wellenleiters mit einer Auskopplung. Die Wellenleiter sind mit Ofenrohren realisiert und in Ost-West-Richtung orientiert. Der Vorteil der Ofenrohre als Antenne ist der große Öffnungswinkel, so dass
die Beobachtungen fast den kompletten Tagbogen der Sonne abdecken. Als Schutz vor eintretendem Wasser bei Regen haben die Antennen einen weißen Deckel. Die Ofenrohre sind auf roten Montierungen befestigt, die wie die Deckel in einem 3DDrucker selbst hergestellt wurden. So können diese in Rektaszension und Deklination manuell verstellt und flexibel verschoben werden, so dass die Basislinie variiert werden kann. Für die Beobachtungen der Sonneneruptionen waren sie nach Süden bei 50 Grad Elevation ausgerichtet und es standen zwei Basislinien (2,2 m und 7,7 m) zur Verfügung. Direkt an der Antenne befindet sich jeweils der Vorverstärker mit integriertem Filter (Nooelec SAWbird+ H1 [5]), danach wird das Signal zum Elektronikkasten weitergeleitet. In dem Elektronikkasten befinden sich zwei Software Defined Radios (SDR) des Typs ADALM-PLUTO von Ana-
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Radioastronomie
2 Hier ist eine Ofenrohr-Antenne auf ihrer
3D-gedruckten Montierung mit angebrachtem Vorverstärker und Filter in der Metallbox zu sehen. Bild: Vanessa Annika Schulz
Dadurch ergibt sich ein Set aus Interferenzmustern (Fringes) mit den Real- und Imaginärteilen der Korrelationen, aus denen die Kontrastfunktion (Visibility), die Phase und die Fringe-Periode ermittelt werden. Die Visibility enthält Informationen über Ausdehnung und Form des Objekts.
Beobachtungen Mit dem Interferometer wurden am 8. und am 9. Mai 2024 Sonneneruptionen mit zwei verschiedenen Basislinien beobachtet. Als Beispiel wird nun die Beobachtung vom 8. Mai mit der 7,7-m-Basislinie näher beschrieben.
Am 8. Mai gab es während der Beobachtungszeit von 06:00 bis 16:00 Uhr UTC mit dem Ofenrohr-Interferometer 30 detektierte und bestätigte Sonneneruptionen mit unterschiedlichen Intensitätsstufen, die mit den Geostationary Operational Environmental Satellites (GOES) der NASA und
log Devices, die auf Zwei-Kanal-Betrieb umgebaut wurden [6]. Diese sind auf eine Beobachtungsfrequenz von 1419 MHz mit einer Bandbreite von 10 MHz eingestellt worden. Die SDR liefern dann die komplexen Spannungswerte (I/Q-Werte) an einen Computer, der diese weiterverarbeitet. Da drei Antennen verwendet werden, können dann folgende Auswertungen vorgenommen werden: Für jede Antenne die jeweils empfangene Leistung, für jede Kombination von zwei Antennen die vektorielle Addition der Signale (Adding Interferometer) und die komplexe Korrelation von jeweils zwei Antennen.
3 Gemessene Sonneneruptionen mit
einer Einzelantenne sind in Schwarz dargestellt, die bunten vertikalen Linien geben die Röntgendaten von GOES/STIX mit ihren jeweiligen Intensitäten an. Bild: Vanessa Annika Schulz
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Radioastronomie
dem Spectrometer/Telescope for Imaging X-rays (STIX) im Röntgenbereich gemessen wurden [7, 8, 9].
Im Signal einer Antenne (Abb. 3) sieht man in Schwarz die erste schwache Sonneneruption bei circa 7 Uhr UTC, zwischen 07:30 Uhr UTC und 11 Uhr UTC nimmt die Intensität deutlich zu und um kurz nach 12 Uhr UTC ist eine besonders starke Eruption detektiert worden (im Röntgenbereich der Klasse M8.7), die mit einer CME verbunden war [10]. In farbigen, vertikal gestrichelten Linien sind die im Röntgenbereich beobachteten Sonneneruptionen festgehalten. Besonders auffallend ist, dass nach dem starken Signal im Röntgenbereich noch viele weitere Eruptionen gemessen wurden, aber nicht mit unserem Interferometer. Zu beachten ist hier, dass vormittags bereits Eruptionen mit ähnlicher Intensität (im Röntgenbereich) registriert wurden, aber eben am Nachmittag nicht. Dies deutet daraufhin, dass es sich nicht um ein Problem der Sensitivität des Aufbaus, sondern um unterschiedliche physikalische Mechanismen der Sonneneruptionsmessungen im Röntgen- und Radiobereich handelt. Normalerweise messen wir mit den eingestellten Parametern eine maximale Intensität der Sonne von 2.000 (relative Einheiten, entspricht 120 SFU [1 SFU = 10.000 Jy]), hier haben wir allerdings im Maximum fast 35.000.
Diese Sonneneruptionen konnten nicht nur in den Einzelantennen, sondern auch im Interferometer, also im komplexen Korrelator, nachgewiesen werden. Hier waren zwei Effekte beobachtbar. Einerseits ist die Amplitude des korrelierten Signals ebenfalls deutlich angestiegen, normalerweise liegt die maximale Amplitude bei 100 (rel. Einheiten), hier lag sie bei fast 6.000 (rel. Einheiten), andererseits konnten Abweichungen in der Fringe-Periode festgestellt
4 Hier ist die Entwicklung der Fringe-Periode über den Tagbogen der Sonne festgehalten.
In Blau und mit dem schwarzen Fit ist der Durchschnitt vom 7. Mai und 10. Mai, also vor und nach den Tagen mit den Sonneneruptionen, dargestellt, in Rot sieht man die Veränderung an einem Tag mit Sonneneruptionen. Bild: Vanessa Annika Schulz
werden (Abb. 4). Die Fringe-Periode, die in Minuten gemessen wird, ist für normale Tage in Blau und mit zugehöriger Anpassung in Schwarz dargestellt. Hierfür wurde der Durchschnitt vom 7. Mai und 10. Mai gebildet (also dem Tag vor und nach den Sonneneruptionen), da die Fringe-Periode invers vom Kosinus der Deklination des Objektes abhängt und die Deklination der Sonne sich über das Jahr und den Tag ständig verändert. Dieser U-förmige Verlauf der Messdaten über den Tag liegt an der Änderung der projizierten Basislinie in diesem Zeitraum. Während morgens die projizierte Basislinie minimal ist und
somit eine lange Fringe-Periode entsteht, ist mittags die maximale Basislinie erreicht und somit die kürzeste Fringe-Periode. Die Fringe-Periode kann gleichzeitig auch als Maß für die Auflösung genutzt werden, daraus lässt sich schließen, dass die Auflösung über den Tagbogen der Sonne variiert. Eine kürzere Fringe-Periode heißt also, dass die Auflösung besser ist. Umso interessanter ist die Beobachtung, dass man zum Zeitpunkt der Sonneneruptionen Abweichungen der Fringe-Periode zu normalen Tagen beobachten kann. Dieses wird insbesondere bei der starken Eruption mittags deutlich. Allerdings haben wir hier nicht nur eine Ab-
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Radioastronomie
weichung nach unten, sondern auch nach oben, es lässt sich also nicht eindeutig eine Schlussfolgerung ziehen, ob sich die Auflösung verbessert oder verschlechtert hat. Jedoch kann man daraus schließen, dass ein Objekt mit einer anderen Größe beobachtet wurde, also der jeweilige Sonnenfleck, der für die Eruption verantwortlich war.
Am 9. Mai wurden von den Röntgenteleskopen 26 Sonneneruptionen während unserer Beobachtungszeit von 09:00 bis 16:00 Uhr UTC gemessen, auch hier gab es vormittags sehr intensive Eruptionen, deren Intensität aber nicht ganz an das Maximum des Vortages herankamen. Auch hier waren wieder Änderungen in der Fringe-Periode erkennbar.
Wir haben auch an anderen Tagen bereits kleinere Sonnenausbrüche sehen können (27.04., 04.05., 15.05. und 17.06.2024), diese waren allerdings sehr viel schwächer und auch von kürzerer Dauer als am 8. und 9. Mai 2024. Es bleibt also spannend, was wir noch alles von der Sonne empfangen werden.
Literatur- und Internethinweise (Stand 27.08.2024):
[1] A. Thompson, J. Moran, G. Swenson, 2017: "Interferometry and Synthesis in
Radio Astronomy", Springer Open [2] Space Weather Prediction Center NOAA: "Solar Cycle Progression",
[2]
[3]
www.swpc.noaa.gov/products/solar-cycle-progression
[3] Spaceweather.com: Webseiten zu Sonnenaktivitäten 08.05.2024,
www.spaceweather.com/archive.php?view=1&day=08&month=05&year=2024 [4] [5] [4] Spaceweather.com: Webseiten zu Sonnenaktivitäten 09.05.2024,
www.spaceweather.com/archive.php?view=1&day=09&month=05&year=2024
[5] Firma Nooelec Sawbird: Homepage, https://www.nooelec.com/store/sdr/
sdr-addons/sawbird/sawbird-h1.html
[6]
[7]
[6] Analog Devices ADALM-PLUTO: Homepage, https://www.analog.com/en/
resources/evaluation-hardware-and-software/evaluation-boards-kits/adalm-pluto.
html#eb-overview
[7] S. Krucker, G. J. Hurford et al., 2020: "The Spectrometer/Telescope for Imaging
[8]
[9]
X-rays (STIX)", Astron. Astrophys. 642, A15, DOI: https://doi.org/10.1051/0004-
6361/201937362
[8] H. Xiao, S. Maloney, S. Krucker et al., 2023: "The data center for the Spectrometer [10] and Telescope for Imaging X-rays (STIX) on board Solar Orbiter", Astron. Astro-
phys. 673, A142, DOI: https://doi.org/10.1051/0004-6361/202346031
[9] NASA GOES: https://science.nasa.gov/mission/goes
[10] Spaceweather: Homepage zu AR 3664, https://www.spaceweatherlive.com/en/
news/view/531/20240508-sunspot-region-3664-major-flares-and-cmes.html
Impression
Der PN VV 47 alias JnEr 1
Aufnahme von 2022, Frühjahr; Aufnahmeort: Lüneburger Heide. Kombination aus Aufnahmen mit den folgenden Teleskopen und Kameras: a) 12-Zoll-ACF von Meade mit Giant Easy Guider und Shapley-Linse (f/6,5), dazu eine Canon 6Da, 58 Aufnahmen zu insgesamt 6 h 35 min belichtet, b) ein Takahashi Epsilon 130D mit einer ZWO ASI2600MM für Schmalbandaufnahmen in H, 22 x 500 s belichtet, in [SII] 12 x 500 s und in [OIII] 19 x 500 s, c) Takahashi Epsilon 200 mit f = 800 mm, als Kameras ZWO ASI094 und ZWO ASI074, insgesamt 95 x 300 s belichtet. Bildautor: Bruno Mattern.
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Sonne
Polarisationsaufnahmen der Korona während der Sonnenfinsternis vom 8.4.2024
von Tobias Damm
Eine Sonnenfinsternis bietet eine sehr gute Gelegenheit, die Struktur und Ausprägung der Sonnenkorona ohne die Überstrahlung durch das Zentralgestirn zu untersuchen, wozu Aufnahmen der Korona in verschiedenen Spektralbereichen aufgenommen werden. Darüber hinaus können die Polarisationsparameter des Koronalichts wichtige Hinweise auf die Physik und Abläufe in der Korona liefern [1]. In diesem Artikel werden die Aufnahme der Polarisationseigenschaften der Koronastrahlung während der Sonnenfinsternis vom 08.04.2024 in Canatlan, Mexiko, und die anschließende Verarbeitung der Bilddaten beschrieben. Durch Vergleich mit einem Referenzsystem mit 100% Polarisationsgrad (DoP, Degree of Polarisation) ist es möglich, absolute Werte für den Polarisationsgrad der Koronastrahlung anzugeben. Die Richtung der Polarisation (AoP, Angle of Polarisation) wird durch die Stellung des Polfilters definiert und die Helligkeit L (Luminance) der Bilder liefert zusätzliche Informationen zu den räumlichen Strukturen der Koronastrahlung.
1 Aufbau der Polarisationskamera, Bild: Tobias Damm
Die Korona kann während einer totalen Sonnenfinsternis bis zu einem Abstand von einigen Sonnenradien vom Zentralgestirn registriert werden. Dazu muss jedoch die hohe Dynamik dieser Strahlung eingefangen werden, was am einfachsten mit einer Belichtungsreihe über mehrere EV-Stufen (Exposure Value) erfolgen kann. Moderne Digitalkameras bieten intern die Möglichkeit, diese EV-Stufen per Firmware in sehr rascher Folge aufzunehmen. Die hier verwendete APS-C-Kamera Sony A6300 hat 9 EV-Stufen. Mit einem Abstand von je 1 EV = Faktor 2 wurden Bilder von 1/1.000 s bis 1/4 s aufgenommen. Die Kamera wurde im Silent Modus betrieben und war auf ISO 400 eingestellt. Bei dieser Empfindlichkeit zeigt sie ein relatives Minimum des Sensorrauschens.
2 Gesamtaufbau zur Aufnahme der Sonnenfinsternis, Bild: Tobias Damm
Um die Polarisationseigenschaften der Koronastrahlung zu messen, wird ein Polarisationsfilter so vor dem Objektiv platziert, dass er mit einem Schrittmotor gedreht werden kann (Abb.1). Als Objektiv wurde ein 300-mm-Spiegelobjektiv mit
einem Öffnungsverhältnis von 1:6,3 verwendet, womit ein Bildfeld von etwa 6 x 9 Sonnenradien erfasst werden kann. In der Praxis war diese Polarisationskamera jedoch etwas nach Norden verkippt, so dass die Sonne nicht genau im Mittelpunkt des
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Sonne
3 Aufnahmen der Polarisationskamera bei 1/60 s Belichtungszeit, Bild: Tobias Damm
Sensorchips platziert war und das nutzbare Bildfeld auf etwa 6 x 4 Sonnenradien beschnitten war. Die Fokussierung des Objektivs wurde mit einer Klemme (rot in Abb. 1) auf unendlich fixiert, um das versehentliche Defokussieren durch die Drehung des Schrittmotors zu vermeiden. Während der Totalität wurden mehrere Belichtungsreihen mit dem Polarisator in vier Stellungen bei 0 Grad , 45 Grad , 90 Grad und 135 Grad aufgenommen. Das Auslösen der Kamera und die Drehung des Polarisators wurde von einem Mikrocontroller gesteuert, der mit Hilfe
einer eingebauten RTC (Real Time Clock) automatisch startet, falls man vor Begeisterung den Beginn der Totalität verpasst. Der Controller steuerte gleichzeitig eine zweite Kamera an, die zentral auf die Sonne justiert war und weitere Bilder der Totalität aufnahm. Das gesamte Paket aus zwei Kameras mit Objektiven, Polarisator und Controller wurde von einer leichten AltAz-Montierung ,,Sky-Watcher SupaTrak" nachgeführt [2] (Abb. 2). Sie stellt unter normalen Bedingungen einen brauchbaren Kompromiss zwischen Tragfähigkeit, Ge-
wicht (Reisemontierung) und Steifigkeit dar. Die Nachführgenauigkeit sollte für die Aufnahmen während der Sonnenfinsternis mit maximal 0,25 s Belichtungszeit ausreichen. Das Ziel ist es, die Sonne im Zentrum des Kamerachips zu halten. Allerdings war die Steifigkeit angesichts der gewichtigen Optik und dem stark auffrischenden Wind am Beobachtungsort wohl schon überbeansprucht, einige Aufnahmen zeigten leider eine deutliche Bewegungsunschärfe.
In der Abbildung 3 sind beispielhaft vier Polarisationsaufnahmen bei 1/60 s dargestellt. Man sieht, die Unterschiede sind erkennbar, aber nicht stark ausgeprägt. Es be-
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Sonne
4 Polarisationstarget - in Gelb die jeweils durchgelassene Polarisationsrichtung,
Bild: Tobias Damm
durfte also einer sorgfältigen Nachbearbeitung der Bilder. Nach der Totalität wurden noch Flatfield-, Dark-Flatfield- und Darkbilder aufgenommen, um die Einflüsse der Kamera, des Objektivs und des Filters nachträglich korrigieren zu können. Auch diese Aufnahmen wurden vom Controller gesteuert. Auf die Aufnahme von Offsetbildern wurde verzichtet.
Einen wesentlichen Baustein der Fotografie einer Sonnenfinsternis stellt die anschließende Verarbeitung der Bilddaten dar. Im Netz gibt es mittlerweile viele Anregungen, um aus den aufgenommenen Belichtungsreihen Bilder zu erzeugen, die die ganze Dynamik der Koronastrahlung zeigen. Die im Folgenden verwendete Verarbeitung der RAW-Bilder wurde anlässlich der Sonnenfinsternis 2017 in den USA kultiviert und in zwei Videos sehr anschaulich erläutert [3, 4]. Zunächst wurden die neun RAW-Bilder von vier Belichtungsreihen (eine Reihe je Polarisationsrichtung) einzeln bezüglich Vignettierung (Flat und Dark-Flat) und Dunkelstrom (Dark) korrigiert. Das geschah mittels Adobe Photoshop. DeepSky-Stacker erschien hierfür beispielsweise weniger geeignet, da die einzelnen Light-Bilder ja nicht im eigentlichen Sinn gestackt werden. Die so kalibrierten Ein-
zelbilder wurden dann ebenfalls in Photoshop bezüglich x-y zueinander registriert und als smart object mit einem Mittelwertfilter übereinandergelegt. Als Ergebnis erhält man vier HDR-Polarisationsbilder, die die Dynamik der Korona in der jeweiligen Polarisationsrichtung zeigen.
Für die physikalische Interpretation der Koronastrahlung ist es vorteilhaft, eine bildliche Darstellung sowohl des Polarisa-
tionsgrades DoP als auch der Polarisationsrichtung AoP zu errechnen. Nach einigem Suchen wurde das Programm IRIS [5] identifiziert, das eine sehr einfache Möglichkeit bietet, vier Polarisationsaufnahmen bei 0 Grad , 45 Grad , 90 Grad und 135 Grad in DoP- und AoP-Darstellungen zu überführen. Der IRIS-Befehl dafür lautet POLAR2, das Ergebnis sind 15-bit-Graustufen-Bilder, die den Polarisationsgrad und die Polarisationsrichtung repräsentieren. Der Polarisationsgrad läuft in IRIS von 0 (= 0%) bis 10.000 (= 100%) und die Polarisationsrichtung von 0 (= 0 Grad ) bis 18.000 (=180 Grad ). Der Übertrag der Bilddaten von Photoshop in IRIS und auch zurück erfolgt im PNG-Format, um beispielsweise clipping oder unbeabsichtigtes Skalieren der Bilddaten zu vermeiden. Es soll hier betont werden, dass außer der beschriebenen Bildverarbeitung zunächst keine weiteren Filterungen oder Manipulationen an den Daten vorgenommen wurden, um z. B. ,,schöne" oder geschärfte Bilder zu erzeugen. Trotzdem ist es nicht trivial zu ermitteln, welchen absoluten Polarisationsgrad ein Ort im DoP-Bild darstellt.
5 DoP-Bild des
Referenztargets, 3-fach überhöht, Bild: Tobias Damm
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6 Polarisationsgrad DoP der Sonnenkorona, 3-fach überhöht, Bild: Tobias Damm
Der absolute Betrag des Polarisationsgrads ist jedoch wichtig für eine valide physikalische Interpretation der Ergebnisse. Um die Polarisationsparameter absolut angeben zu können, benötigt man zumindest die DoPWerte für 0% und für 100% Polarisationsgrad. Zwischen diesen beiden Grenzwerten wird hier ein linearer Zusammenhang zwischen den Grauwerten des DoP-Bildes und dem tatsächlichen Polarisationsgrad der Strahlung angenommen.
Zur Bestimmung des Nullpunkts des Polarisationsgrads wurde eine nicht polarisierende, weiße Fläche aufgenommen und die Bilddaten mit der gleichen Bearbeitung in Photoshop und IRIS prozessiert. Wie zu erwarten hat das so errechnete Null-DoPBild Grauwerte sehr nahe bei 0, d. h. DoP = 0 bedeutet Polarisationsgrad = 0%.
Zur Bestimmung des Grauwerts im DoPBild für 100% Polarisationsgrad wurde ein Polarisationstarget mit acht linear polarisie-
renden Segmenten hergestellt (Abb. 4), mit dem gleichen optischen System fotografiert und die Bilddaten identisch mit Photoshop und IRIS prozessiert. In der Abbildung 5 ist der Polarisationsgrad dieses Referenztargets nach Bildverarbeitung dargestellt, hier um den Faktor 3 erhöht, um die Grauwerte besser zu visualisieren. Man sieht, dass die einzelnen Segmente trotz der verschiedenen Orientierung der Polarisatoren den gleichen Grauwert aufweisen, konkret: (130+-10) digits entsprechen 100% DoP.
7 Falschfarben-Po-
larisationsdarstellung des Referenztargets, Bild: Tobias Damm
Der Polarisationsgrad der Koronastrahlung ist in der Abbildung 6 ebenfalls mit Faktor 3 überhöht dargestellt. Aus dem Verhältnis der Grauwerte der DoP-Bilder des Targets und der Korona kann der absolute Polarisationsgrad des Koronalichts ermittelt werden. In der Abbildung 6 ist die sich ergebende DoP-Skala rechts eingezeichnet. Das Ergebnis ist, dass an einzelnen Stellen die Koronastrahlung bis zu 60% linear polarisiert ist. Obwohl das DoP-Bild stark verrauscht ist, wird auch ersichtlich, dass die Polarisationseigenschaften bis in einige Sonnenradien Abstand vom Zentrum nachgewiesen werden können.
Mit Hilfe der DoP- und AoP-Bilder und einem L-Bild (Luminanz) kann man eine sehr informative Falschfarbendarstellung
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Sonne
der Sonnenkorona berechnen. Üblicherweise wird die Polarisationsrichtung im Farbton H (Hue) codiert, der Polarisationsgrad in der Farbsättigung S und die Luminanz L wird in die Helligkeitswerte des Bildes überführt. Allerdings kann mit dem beschriebenen Aufbau das (polarisationsfreie) Luminanzbild der Korona bzw. des Targets nicht direkt aufgenommen werden, da der Polarisationsfilter während der Totalität nicht entfernt werden konnte. Man kann aber ein L-Bild berechnen, indem die 4 Polarisations-HDR-Bilder mittels Photoshop aufsummiert werden. Die Idee dahinter ist, dass die Strahlung nur bei höchstens einer Stellung des Polfilters gesperrt wird, bei den anderen aber zumindest teilweise durch den Polfilter kommt. Mit IRIS wurde aus den vorliegenden DoP-, AoP- und LBildern ein R-G-B-Bild in Falschfarben berechnet, der Befehl dafür lautet HSI2RGB. In den Abbildungen 7 und 8 sind die so berechneten Falschfarbendarstellungen
8 Falschfarben-Polarisationsdarstellung
der Sonnenkorona, Bild: Tobias Damm
9 Enhanced Falschfarben-Polarisations-
darstellung der Sonnenkorona, Bild: Tobias Damm
sowohl des Referenztargets als auch der Korona dargestellt. Man sieht die hohe Farbsättigung des Targets (DoP = 100%) und die Abhängigkeit des Farbtons von der Polarisationsrichtung der acht Segmente in der Abbildung 7. Die Polarisationsrichtung läuft von 0 Grad (rot) über 45 Grad (violett), 90 Grad (türkis) und 135 Grad (grün) bis 180 Grad (wieder rot).
Das Koronalicht in der Abbildung 8 ist im Wesentlichen tangential zur Sonnenoberfläche polarisiert. Geringe Winkelabweichungen von der Tangente treten im Westen (im rot dargestellten Bereich) oder nahe dem Südpol (im grün dargestellten Bereich) auf. Die Ursachen dieser ,,nicht tangentialen" Emission könnten in weiteren Untersuchungen zur Physik der Sonnenkorona analysiert werden. Die Polarisationsrichtung bleibt in radialer Richtung im Wesentlichen konstant, es wurden beispielsweise keine Wirbel sichtbar. Der Polarisationsgrad ist zum Teil recht hoch, was durch die hohe Farbsättigung repräsentiert wird. Sehr nah an der Sonne ist der Polarisationsgrad jedoch gering; das kann an einer Überstrahlung in den Bilddaten liegen. Interessant ist auch, dass die Strahlung im Abstand von einigen Sonnenradien noch immer signifikant linear polarisiert ist.
Wenn man darüber hinaus die vielfältigen Möglichkeiten der Bildverarbeitung ausnutzt, ergeben sich sehr eindrucksvolle Polarisationsbilder, an denen zusätzlich die Feinheiten der räumlichen Struktur der Korona sichtbar werden. Dazu wurden die in [4] gezeigten Enhancement-Algorithmen in Photoshop angewendet. Mit radialer Maskierung, Clarity +75, Dehaze -10, anschließender Konvertierung in die Falschfarbendarstellung und Sättigung +40 ergeben sich beeindruckende ,,Farbbilder" der Korona (Abb. 9).
Im Rahmen eines bemerkenswerten Citizen-Science-Projekts in den USA [6] wurden ebenfalls Polarisationsaufnahmen angefertigt und in einer ähnlichen Falschfarbendarstellung veröffentlicht. Die dortigen Bilder sind schärfer (vermutlich, weil eine wesentlich stabilere Montierung verwendet wurde), die hier dargestellten Aufnahmen mit HDR-Belichtung erlauben es aber, in einem größeren Abstand von der Sonne noch Aussagen zum Polarisationszustand der Koronastrahlung zu treffen.
Literatur- und Internethinweise (Stand 30.08.2024):
[1]
[2]
[1] J. Kokotanekova, N. Petrov, P. Duchlev, 2006: "Preliminary Results for Corona Polarization
during Total Solar Eclipse on March 29, 2006, Observed in Side, Turkey", S. 8,
http://eco.astro.bas.bg/conf_proc/BSAC_V/presentations/Kokotanekova.pdf [2] Sky Watcher SupaTrak: www.opticalvision.co.uk/documents/126.pdf
[3]
[4]
[3] R. P. Brown: "Solar Eclipse Imaging Techniques (Part 1)",
www.youtube.com/watch?v=Smn-fUJUadQ
[4] R. P. Brown: "Advanced Eclipse Imaging (Part 2)", https://vimeo.com/222295317
[5] C. Buil: "IRIS - An astronomical images processing software",
[5]
[6]
www.astrosurf.com/buil/iris-software.html
[6] A. Caspi et al.: "Citizen Continental-America Telescopic Eclipse (CATE) 2024 experiment",
https://eclipse.boulder.swri.edu/citizen-cate-2024/science/
Journal für Astronomie Nr. 92 | 95
Sternbedeckungen
Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 1. Quartal 2025
von Eberhard Riedel
Das 1. Quartal des neuen Jahres bietet 3 sehenswerte streifende Bedeckungen von Sternen durch den Mond. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse quer über Deutschland, die der mittlere Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns zu verfolgen. Alle Streifungen finden am unbeleuchteten Mondrand ohne einen störenden Einfluss der Mondhelligkeit statt und sind bereits mit kleineren Fernrohren zu beobachten. Besonders sehenswert ist die Passage des Mondes durch den offenen Sternhaufen der Plejaden am 1. April.
zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter Berücksichtigung der Höhe optimiert werden, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu kann das höhenkorrigierte auf die
Erdoberfläche projizierte Mondrandprofil automatisch in eine Google Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
Die Software kann kostenlos unter www. grazprep.com heruntergeladen und in-
Karte mit den Grenzlinien der 3 Streifungsereignisse im 1. Quartal 2025
Alle Grafiken sind für Meereshöhe gerechnet. Bei deutlich höher gelegenen Beobachtungsstationen muss deren Höhe unbedingt in die Berechnung einbezogen werden, um eine genügend genaue Vorhersage zu erhalten.
Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden.
Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interessanten Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus können von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die
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Sternbedeckungen
stalliert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötigte Vorhersagedateien sind dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.
Ereignis 1: 03.03.2025
Am frühen Abend des 3. März bedeckt der nur zu 18% beleuchtete zunehmende Mond den 6,5 mag hellen Stern SAO 92756 mit seinem unbeleuchteten Südrand. Die Streifungslinie beginnt bei Saarbrücken und läuft über Neustadt an der Weinstraße, Neckargemünd, Bad Mergentheim und Nürnberg bis nach Wernberg-Köblitz. Die Abbildung 1a zeigt für die Länge 10 Grad Ost und die Breite der für das mittlere Mondniveau berechneten Zentrallinie, dass der Mondrand mit 2 Bergspitzen den Stern zwischen 19:10:37 und 19:11:47 Uhr MEZ zweimal verschwinden und wiedererscheinen lässt. Die Tabelle gibt dabei die ungefähren Kontaktzeiten an, die für die Meereshöhe gelten.
1 a Die scheinbare Sternbahn von SAO 92756, 6 -fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +-3 km
Die scheinbare Sternbahn (blauweiß gestrichelte Linie mit Minutenangaben) berührt in diesem Fall den mittleren Mondrand (weiß gepunktet) tangential.
Die roten Begrenzungslinien geben den durch die Mondparallaxe verursachten Versatz der scheinbaren Sternbahn an, wenn man sich 3.000 Meter beidseits von der Zentrallinie entfernt (jeweils senkrecht zum Verlauf der Zentrallinie gerechnet). Dadurch wird abschätzbar, wie weit man sich von der für den mittleren Mondrand gerechneten Linie entfernen muss, um mehrere Bedeckungen des Sterns sehen zu können. Da die Randstrukturen des Mondes zur besseren grafischen Darstellung hier in 6-facher Überhöhung dargestellt sind, verläuft die scheinbare Sternbahn gekrümmt.
Um eine größtmögliche Anzahl von Kontakten des Mondrandes mit dem Stern zu beobachten, sollte man sich etwa 2.930 m
1 b Die scheinbare Sternbahn von SAO 92756, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +-3 km
von der Zentrallinie nach Norden bewegen. Wie die Abbildung 1b zeigt, schrammt dann ein flaches Mondterrain am Stern vorbei, so dass es während nur etwa 50 Sekunden zu zahlreichen Bedeckungen kommen kann.
SAO 92756 ist ein sehr enger Doppelstern. Eine zeitliche Auflösung der beiden Komponenten während der Bedeckungsereignisse wird in diesem Fall aber nicht möglich sein.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 97
Sternbedeckungen
Ereignis 2: 04.03.2025
Das Ereignis am Abend des 4. März ist nur im Norden Deutschlands zu beobachten. Die Linie beginnt nördlich von Flensburg auf dänischem Gebiet, erreicht wieder Festland in Mecklenburg-Vorpommern bei Ribnitz und läuft südlich an Greifswald vorbei über Usedom. Bedeckt wird der 7,3 mag helle Stern SAO 75715 durch den zu 29% beleuchteten zunehmenden Mond mit seinem unbeleuchteten Nordrand.
Bei 13 Grad östlicher Länge, östlich des Ortes Grimmen, sind die meisten Kontakte des Mondrandes mit dem Stern dann zu sehen, wenn man sich ca. 900 m südlich der vorhergesagten Streifungslinie positioniert. Die Abbildung 2 zeigt das relativ flache Terrain des Mondrandes, in dem es innerhalb von nur gut 40 Sekunden zu bis zu 14 Kontakten mit dem Stern kommen kann. Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz der scheinbaren Sternbahn in
2 Die scheinbare Sternbahn von SAO 75715, 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +-1.000 m
einem Abstand von +-1.000 m senkrecht zur Streifungslinie. Die Mondhöhen sind 6-fach überhöht dargestellt.
SAO 75715 ist ebenfalls ein sehr Doppelstern, der aber nicht auflösbar sein dürfte.
Ereignis 3: 01.04.2025
Gut 1 Stunde vor Mitternacht des 1. April beginnt die zweite in Deutschland am Nachthimmel sichtbare Passage des Mondes durch die Plejaden nach der am Morgen des 10. Januar. Dabei kommt es zu einer von Deutschland aus sichtbaren Streifung des 5,5 mag hellen Sternes Celaeno (16 Tauri) durch den unbeleuchteten Nordrand des Mondes, der nur zu 16% beleuchtet ist.
Die Streifung ist zu sehen auf einer Linie beginnend südlich Gronau/Westfalen über Münster, südlich Lippstadt, Bebra, Philippsthal (Werra), Schleusingen und Neustadt bei Coburg bis nach Bad Berneck im Fichtelgebirge.
Die Abbildung 3 zeigt die Kontaktsituation auf einer Länge von 10 Grad Ost, wenn man von der für den mittleren Mondrand berech-
3 Die scheinbare Sternbahn von Celaeno (16 Tauri), 6 -fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +-3 km
neten Linie ca. 2.030 m nach Süden ausweicht. Dort kann es ab 23:17 Uhr MESZ innerhalb knapp 1 Minute zu 8 Kontakten kommen. Die roten Begrenzungslinien zeigen erneut den Versatz der scheinbaren
Sternbahn in einem Abstand von +-3.000 m von der mittleren Streifungslinie an. Celaeno ist ebenfalls ein sehr enger Doppelstern, der aber erneut nicht auflösbar sein dürfte.
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Veränderliche
Gaia-Missionsende: ESA ruft zu Amateurmessungen auf
von Ulrich Bastian und Martin Altmann
Mitte Januar 2025 wird nach mehr als zehn Jahren Dauerbetrieb im Weltraum das Steuergas zur Lageregelung des Astrometrie-Satelliten Gaia aufgebraucht sein. Das bedeutet das Ende dieser wissenschaftlich überaus ertragreichen Mission. Bevor Gaia abgeschaltet wird, will die europäische Raumfahrtorganisation ESA mit dem Raumfahrzeug noch einige technische Tests und Experimente vornehmen. Sie können nicht während des Messbetriebs durchgeführt werden, teils weil sie die Temperaturverteilung an Bord für viele Wochen stören würden, teils weil sie sogar die Gefahr von dauerhaften Schäden mit sich bringen. Sie verfolgen zweierlei Zwecke: Einige sollen zu einem besseren Verständnis bestimmter Störeffekte bei Gaia selbst beitragen, andere sollen generelle raumfahrttechnische Informationen sammeln, die später anderen Missionen zugutekommen können.
Zu der zweiten Gruppe gehört die detaillierte Ausmessung der optischen Eigenschaften der Isolationsschicht auf dem fast elf Meter großen Sonnenschirm von Gaia. Sie ist volle elf Jahre lang den harschen Bedingungen des Weltraums ausgesetzt worden, mit Ultraviolettstrahlung, Mikrometeoriten und den energiereichen Teilchen der kosmischen Strahlung. Ihre einstmals goldglänzende Oberfläche (s. Abb. 1) ist dadurch vermutlich mattiert, nachgedunkelt und verfärbt worden.
Diese Veränderungen sollen nun ausgemessen werden, wenn im Rahmen der Tests der Winkel zwischen der Ebene des Sonnenschirms und der Richtung zur Sonne (und damit zur Erde) von den bisherigen 45 Grad über einen Zeitraum von drei Wochen in mehreren Schritten auf bis zu 90 Grad erhöht und wieder vermindert werden soll. Bei 90 Grad zeigt der Schirm mit seiner vollen Fläche zur Sonne, die direkt spiegelnde Reflexion des Sonnenlichts
1 Der über 10 Meter große Sonnenschirm des Weltraumobservatoriums Gaia bei einem
Probelauf des Ausfaltvorgangs in der Montagehalle. Hier ist die goldfarbene, im Betrieb zur Sonne und Erde gerichtete Unterseite gut erkennbar. Bildquelle: ESA/CNES/Arianespace 2013, mit freundlicher Genehmigung
geht deshalb dann fast genau in Richtung zur Erde (statt bisher im rechten Winkel von der Erde weg), wodurch Gaia um rund sechs Größenklassen heller wird als bisher. Sie wird die 14. Größe erreichen und damit für Helligkeits- und Farbmessungen durch Amateure gut erreichbar. Insbesondere die Beobachter von veränderlichen Sternen sind deshalb aufgerufen, in diesem Zeitraum die ESA zu unterstützen. Sie können eine dichtere zeitliche Abdeckung und eine größere Vielfalt an Wellenlängenbändern beitragen als die drei involvierten ProfiSternwarten allein.
Und es ist eine gute Gelegenheit, sich von Gaia sozusagen zum Abschied zuwinken zu lassen, bevor das Observatorium dann sanft in eine Umlaufbahn um die Sonne in die Weiten des interplanetaren Raums ent-
lassen wird. Die genaue Position von Gaia am Himmel für beliebige Zeitpunkte und für viele Orte der Erdoberfläche ist schon seit Missionsbeginn laufend auf der Webseite [1] verfügbar. Ein genauer Zeitplan für die Abschluss-Experimente ist schon jetzt auf der Webseite [2] einsehbar. Eventuelle Änderungen des Plans werden dort bis Februar 2025 jederzeit tagesaktuell eingebracht.
Da es im Norden Winter ist, steht Gaia bei +20 bis +25 Grad Deklination und ist die ganze Nacht zu sehen, weil sie um ca. Mitternacht kulminiert. Immer! Bei den kleinen SAA (s. Tabelle in der Abb. 2) ist Gaia am hellsten, also vom 19.1. abends bis 29.1. morgens.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 99
Veränderliche
Internethinweise (Stand 01.09.2024): [1] Data Storage and Processing Center
of GAIA-GBOT: ,,GBOT Interactive Tools for Tracking Gaia", http:// gaiainthesky.obspm.fr/index_gaia. php?page=FOV&sous_menu=public [2] Universität Heidelberg, Zentrum für Astronomie: ,,Gaia End-of-Life Tests", www.zah.uni-heidelberg.de/ institutes/ari/gaia-end-of-life
2 Zeitplan der Schwenke von Gaia zu verschiedenen Neigungen gegenüber der Richtung
zur Sonne. SAA (solar aspect angle) ist der Winkel zwischen der Richtung zur Sonne und der Senkrechten auf der Ebene des Sonnenschirms. SAA = 0 Grad bedeutet, dass der Sonnenschirm genau frontal zur Sonne zeigt, Gaia also das meiste Licht ungefähr in Richtung zur Erde reflektiert. Der interessanteste Zeitraum ist der allmähliche Schwenk von SAA = 45 Grad nach SAA = 0 Grad vom 18. bis 20.01.2025. Bildquelle: Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH), mit freundlicher Genehmigung
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Veränderliche
PGC 61965 (Wild's Variable Object)
von Klaus Wenzel
Ende der 1990er Jahre startete ich ein intensives Suchprogramm nach Quasaren, die visuell in meinem 12,5-Zoll-Newton beobachtbar waren. Dabei stieß ich auf die stellare Galaxie PGC 61965. Die angegebenen Helligkeiten waren sehr widersprüchlich und variierten zwischen 14 und 18 mag. Doch die Tatsache, dass auf der Position dieses Quasars im GSC ein etwa 14 mag heller Stern postiert ist, ließ mich am 04.06.1999 einen visuellen Versuch starten. Bereits bei 93-facher Vergrößerung zeigte sich dann im 12,5-Zoll-Newton tatsächlich ein ca. 14 mag helles stellares Objekt. Mein Interesse war geweckt.
Historische Spurensuche Im IAU Circular Nr. 2791 von 1975 berichtete Dr. Paul Wild (1925-2014) vom Astronomischen Institut der Universität Bern in einer kurzen Mitteilung von einer kompakten, stellar erscheinenden Galaxie im Drachen (1831+731), auf die er im Palomar Observatory Sky Survey (POSS) aufmerksam wurde. Auf ersten Aufnahmen (03.09.1953 und 28.07.1954) des POSS erschien die Galaxie mit einer scheinbaren Helligkeit von etwa 18 mag. Auf weiteren Aufnahmen, die ihm vorlagen, die zwischen Juni 1960 und September 1965 erstellt wurden, war das Objekt hingegen überhaupt nicht sichtbar. Aber auf Platten, die ab September 1966 aufgenommen wurden, tauchte die stellare Galaxie schließlich wieder auf. Paul Wild vermutete in seiner Veröffentlichung aus dem Jahr 1975 hinter dem mysteriösen Objekt aufgrund der Veränderlichkeit, dass es sich hierbei um eines der erst kürzlich entdeckten BL-Lacertae-Objekte handelt [1]. Im gleichen Jahr, am 7. August, beobachtete D. Wills von der University of Texas das Objekt zunächst mit dem 213-cm-Reflektor des McDonald-Observatoriums mit einer visuellen Helligkeit zwischen 15 und 15,5 mag [2]. Anschließende Spektraluntersuchungen zeigten einen typischen Seyfert-
1 CCD-Aufnahme der nahezu stellaren Galaxie PGC 61965 nördlich des etwa 8 mag hellen
Sterns SAO 9149. Die Aufnahme (8,3-Zoll-Newton) stammt vom 08.04.2021, die Helligkeit des QSO betrug hier nur noch 15,7 mag. Bildausschnitt etwa 25` x 17`.
2 Ausschnitt aus der Bruce-Aufnahme B 4535a der Sternwarte Heidelberg,
die Karl Reinmuth am 11.07.1923 belichtete. PGC 61965 ist nur schwach (~16 mag) an der Nachweisgrenze erkennbar.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 101
Veränderliche
Auf einer Aufnahme im Atlas Stellarum, die Hans Vehrenberg in seiner Privatsternwarte in Falkau (Schwarzwald) am 16. Juli 1969 mit einer Sonnefeld-120 mm/540 mmAstrokamera belichtet hatte, ist das Objekt dagegen eindeutig mit einer Helligkeit um die 14 mag abgebildet.
3 Historische Lichtkurve von PGC 61965 nach diversen Quellen in der Literatur
(s. Text) und ab 2000 nach eigenen Beobachtungen.
Kern mit einer Radialgeschwindigkeit von 34.600 km/s (z = 0,123), was das Objekt in eine Entfernung von etwa 460 Mpc (1,5 Mrd. Lichtjahre) rückt. Auf den verschiedenen Aufnahmen des POSS I und II ist dieser Lichtwechsel schön dokumentiert. Aufgrund des Seyfert-Spektrums (Seyfert 1.0) und einer Absoluthelligkeit von über -23 mag wurde das Objekt schließlich als Quasar eingestuft. Das QSO ist somit eines der prominentesten Mitglieder des entfernten Zwicky-Galaxienhaufens ZW 8376. 1979 veröffentlichten B. und D. Wills neben weiteren spektroskopischen Untersuchun-
gen eine genaue Aufsuchkarte des Objekts [3]. Q 1831+731 wurde schließlich als PGC 61965 in den Principal Galaxy Catalog (PGC) aufgenommen.
Eine frühe historische Aufnahme des Objektes findet sich im Bruce-Archiv der Heidelberger Landessternwarte (Abb. 2). Dort wurde die Region am 11. Juli 1923 von Karl Reinmuth mit dem 16-Zoll-Bruce-Astrografen bei einer Belichtungszeit von 2,5 Std. aufgenommen. Auf dieser Aufnahme (B 4535a) ist das Objekt lediglich an der Nachweisgrenze mit etwa 16 mag zu identifizieren [4].
Für die Jahre 1976 bis 1979 veröffentlichten Pica und Pollock Helligkeitsdaten aus dem Überwachungsprogramm des RosemarieHill-Observatoriums in Florida. Während dieser Zeit konnten Helligkeitsschwankungen zwischen 14,5 mag und etwa 15,5 mag beobachtet werden [5]. Maximalhelligkeiten um die 13 mag konnten Anfang der 1990er Jahre mit dem Palomar-1,2-mSchmidtteleskop nachgewiesen werden (POSS II). In den folgenden Jahren ging die Helligkeit dann wieder auf etwa 14 mag zurück. Bei dieser Helligkeit stabilisierte sich das QSO zunächst mit kürzeren Helligkeitsschwankungen von etwa 0,5 mag. Ab 2008 setzte dann aber ein kontinuierlicher Helligkeitsrückgang von etwa 0,1 mag pro Jahr ein, der bis heute noch anhält. Momentan (Mitte 2024) liegt die visuelle Helligkeit bei etwa 16,5 bis 17 mag.
4 Beispiele von Überwachungsaufnahmen, Bildgröße jeweils 11` x 11`. a) 05.07.2005, Bel. 15 min, Helligkeit 13,9 mag (W. Düskau);
b) 09.05.2017, Bel. 4 x 30 s, Helligkeit 14,9 mag (K. Wenzel); c) 14.06.2023, Bel. 4 x 30 s, Helligkeit 16,2 mag (K. Wenzel)
102 | Journal für Astronomie Nr. 92
Veränderliche
Eigene Beobachtungen Ab dem Jahr 2000 begann ich, PGC 61965 regelmäßig zu überwachen (Abb. 4+5), [6]. Zunächst visuell in meiner Dachsternwarte mit den beiden Newton-Teleskopen (12,5 Zoll f/4,8 und 16 Zoll f/4,5), dann ab 2016 auch mit der CCD-Kamera (6-Zoll-Newton f/6 und 8,3-Zoll-Newton f/3,9). Gelegentlich wurden auch Remote-Aufnahmen vom BRT- bzw. COAST-Teleskop in Teneriffa zur Helligkeitsermittlung herangezogen.
Mein damaliger Partner Wolfgang Düskau steuerte einige tiefe CCD-Aufnahmen aus der Anfangszeit meiner Überwachung bei, als PGC 61965 sich noch im Bereich des Maximums befand.
Bis zum Jahr 2008 schwankte die Helligkeit um ca. 14 mag, dann setzte ein langsamer und kontinuierlicher Abstieg ein, der lediglich 2016 kurz unterbrochen wurde. Da PGC 61965 immer schwächer wurde, verlagerten sich die Beobachtungen mehr und mehr von visuell auf ungefilterte CCD-Auf-
5 Lichtkurve ab dem Jahr 2000 nach eigenen Beobachtungen (visuell und CV)
in der Dachsternwarte Wenigumstadt.
nahmen. Die letzte visuelle Schätzung mit 15 mag stammt vom 12.08.2018 und wurde am 12,5-Zöller in meiner Dachsternwarte durchgeführt.
Interessant ist, ob sich der Trend weiter fortsetzt oder ob wieder, wie in der Vergangenheit (s. historische Lichtkurve), sich der Trend umkehrt und die Aktivität erneut ansteigt.
Literatur- und Internethinweise (Stand: 02.09.2024):
[1]
[2]
[1] P. Wild, 1975: "BL-Lacertae Object", IAU Circular Nr. 2791, http://ui.adsabs.harvard.edu/
abs/1975IAUC.2791....2W/abstract
[2] D. Wills, 1975: "Wild´s variable Object", IAU Circular Nr. 2820, http://ui.adsabs.harvard.
edu/abs/1975IAUC.2820....2W/abstract [3] B. Wills, D. Wills, 1979: "Spectroscopy of 125 QSO candidates and radio gala-
[3]
[4]
xies", Astrophys. J. Suppl. Ser. 41, pp. 689-700, http://ui.adsabs.harvard.edu/
abs/1979ApJS...41..689W/abstract
[4] K. Wenzel, K. Birkle, 2010: ,,Astronomische Schätze heben - das historische Platten
archiv der Landessternwarte", Sterne und Weltraum 03/2010, S. 68,
[5]
http://dc.zah.uni-heidelberg.de/lswscans/res/positions/q/form
[5] A. J. Pica, J. T. Pollock et al., 1980: "Long term optical behaviour of 114 extra-
galactic sources", Astron. J. 85, pp. 1442-1461, http://ui.adsabs.harvard.edu/
abs/1980AJ.....85.1442P/abstract
[6] K. Wenzel, 2000: "Q 1831+731 - Wild's variable Object", Sterne und Weltraum 11/2000,
S. 975
Journal für Astronomie Nr. 92 | 103
VdS-Nachrichten
Bericht aus dem Vorstand
von Astrid Gallus
An dieser Stelle berichtet der Vorstand der VdS, Vereinigung der Sternfreunde e.V. über seine Arbeit der letzten drei Monate.
AT 2024 und die Lange Nacht der Astronomie Seit 20 Jahren bereits veranstaltet die VdS mit großem Erfolg den Tag der Astronomie. 2024 hat sich uns erstmals das Ministerium für Bildung und Forschung über den Koordinator der Planetarien Berlin zur Zusammenarbeit mit der VdS und der Astronomischen Gesellschaft angeschlossen und als gemeinsames Motto die ,,Lange Nacht der Astronomie" ausgerufen. Die gemeinsame Aktion ist gut gestartet und soll in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Attraktiv ist zudem das Angebot, dass durch die Zusammenarbeit mit den Forschungsinstituten eine finanzielle Unterstützung durch das Ministerium erfolgen kann. Zum Beispiel für Werbematerial, Raummiete oder Vortragshonorare etc. Infos erhalten Sie bei Carolin.liefke@sternfreunde.de
Fachgruppe Geschichte Leitungsübergabe Am ersten Novemberwochenende 2024 fand in Gotha die 18. Tagung der Fachgruppe Geschichte statt. Die im Jugendstil gebaute Aula des Arnoldi-Gymnasiums bot eine herrliche Kulisse für die Vorträge. Diese nutzte Wolfgang Steinicke, um nach 22 Jahren die Leitung an Torsten Eisenschmidt abzugeben. Wolfgang Steinicke hat die Fachgruppe Geschichte zu einer Institution der VdS gemacht und sorgt mit seinem Nachfolger Torsten Eisenschmidt für Kontinuität. Als Überraschung zauberte er Petra Mayer als Redakteurin für die Fachgruppe aus der Tasche; bislang hatte er beide Posten in Personalunion ausgefüllt. Mit dieser Übergabe demonstrierte er beispielgebend Verantwortungsgefühl für die Fachgruppe über die Beendigung seiner Tätigkeit hinaus. Die VdS dankt Wolfgang Steinicke für die langjährige und heraus-
1 Wolfgang Steinicke (links) übergibt nicht nur das Mikro, sondern auch die
Leitung der Fachgruppe Geschichte an Torsten Eisenschmidt. Bild: Uwe Pilz.
ragende, auch im Ausland gewürdigte Arbeit außerordentlich und wünscht seinem Nachfolger Torsten Eisenschmidt eine ähnlich glückliche Hand!
teurastronomen bündelt (neben 150 Sternwarten und Vereinen).
Netzwerke sind eben unverzichtbar!
Die VdS gratuliert Sternzeit zum 50-jährigen Jubiläum Die VdS hat dem langjährigen Redaktionsteam und seiner dahinterstehenden Mannschaft, den Herausgebern und Lesern zu dieser Erfolgsstory von ,,Sternzeit" gratuliert und freut sich auch weiterhin sehr auf viele gemeinsame Jahre der Zusammenarbeit für die Amateurastronomie in Deutschland.
Astronomische Vereinigungen, Arbeitsgemeinschaften und Sternwarten suchten den Zusammenschluss im lokalen wie regionalen Bereich und führten ihre Vereinszeitschriften und Mitteilungsblätter in einer gemeinsamen Zeitschrift zusammen, die sie ,,Sternzeit" nannten. Das war 1975 und die Geburtsstunde von ,,Sternzeit".
Dieser Idee ist übrigens auch die VdS als Vereinigung der Sternfreunde verpflichtet, mit dem Unterschied, dass die VdS im Gegensatz zur Sternzeit, die hauptsächlich Vereine und Sternwarten anspricht, in der Überzahl fast 4000 einzelkämpfende Ama-
VdS-Jugendarbeit Kennen Sie den Newsletter unserer Fachgruppe Jugendarbeit? Noch nicht? Dann wird es höchste Zeit, dass Sie ihn kennenlernen! ,,Von Jugendlichen für Jugendliche" ist das Motto des Youth-Letters, der pünktlich zu jedem Monatsbeginn erscheint. Er bietet Neuigkeiten aus der Forschung, zielgerichtete Veranstaltungshinweise für Jugendliche, Beobachtungstipps und mehr. Man kann sich kostenlos für den Newsletter anmelden. Damit bieten Sie den Jugendlichen in Ihren Vereinen einen wirklich tollen Service! Den Link hierfür finden Sie auf unserer Webseite unter der Fachgruppe ,,Jugendarbeit".
VdS-Terminkalender Sie planen in 2025 eine astronomische Veranstaltung? Der VdS-Terminkalender stellt den Termin Ihrer Sternwarte / Ihres Astrovereines bundesweit vor. Einfach anmelden unter termine@sternfreunde.de.
Sie sehen - bei der VdS ist immer etwas los! Bis zum nächsten Mal - Ihre VdS!
104 | Journal für Astronomie Nr. 92
VdS-Nachrichten
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. Name, Vorname
Mitgl.-Nr. Name, Vorname
22051 Gamperl, Martin
22069 Goetz, Adolf
22052 Hein, Annika
22070 Fischer, Kirstin
22053 Hein, Emily
22071 Niemann, Franz
22054 Lautenschläger, Ralf
22072 Spengler, Glenn
22055 Schmidt, Felix
22073 Wiebking, Frank
22056 Bain, Ivan
22074 Maczey, Pascal
22057 Oberhage, Axel
22075 Nikol, Margarete
22058 Salm, Lukas
22076 Hertz-Kleptow, Julian-Claudius
22059 Blindert, Thomas
22077 Barenschee, Ernst Robert
22060 Reszat, Ramón
22078 Dynowski, Janina
22061 Schmidt, Ansgar
22079 Hofmann, Franz
22062 Spieske, Jan
22080 Zinter, Tino
22063 Deusch, Lukas
22081 Schmidts, Heinrich
22064 Pätz, Hans-Werner
22082 Arnold, Sven
22065 Pfeiffer, Michael
22083 Wenzel, Ernst
22066 Bär, Wolfgang
22084 Sage, Thomas
22067 Grujic, Tamara
22085 Payet, Mahel
22068 Kossina, Claudio
22086 Sternfreunde Kreis Offenbach
Mitgl.-Nr.
22087 22088 22089 22090 22091 22092 22093 22094 22095 22096 22097 22098 22099 22100 22101 22102
Name, Vorname
Leonenko, Kim Knothe -Matys, Jani Mailänder, Volker Schulsternwarte Gudensberg Gabriel, Jonathan Wrona, Kai Gärtner, Steffen Hasselmeyer, Jens Humpel, Christian Budszus, Peter Vogel, Alexander Hansen, Rahlf Grimm, Philipp Frank, Michael Jimenez Lelo de Larrea, Gabriel Wurth, Stefan
Impression
Mond und Venus
Am 4.11.2024 begegnete die schmale, zunehmende Mondsichel der Venus am Abendhimmel. Beide Himmelskörper standen weit südlich: Venus bei -25 Grad Deklination, der Mond sogar bei -28,5 Grad. Das Bild zeigt die Szenerie über Stuttgart und wurde von Sven Melchert vom Büro aus mit einem iPhone 15 Pro aufgenommen. Die Sonne war gerade mal 5 Grad unter dem Horizont.
Journal für Astronomie Nr. 92 | 105
JAGDHUNDE
GROSSER BÄR
GIRAFFE
PERSEUS
ANDROMEDA
Capella
Algol
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
KLEINER LÖWE
LÖWE
Regulus
LUCHS
FUHRMANN
Castor Pollux
KREBS
ZWILLINGE Mars
DREIECK
Jupiter Aldebaran
STIER
WIDDER Uranus
FISCHE
SEXTANT
Procyon
KLEINER HUND
Beteigeuze
ORION
WALFISCH
BECHER SÜDOST
Alphard
EINHORN
RSCHLANGE WASSE
KOMPASS
HINTERDECK
Sirius
GROSSER HUND
Rigel
ERIDANUS
HASE
SÜDWEST
Sternkarte exakt gültig für 15. Februar 2025 22 Uhr MEZ
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
SÜD
www.sternfreunde.de
Mondphasen im Februar 2025
Zusammengestellt von Werner E. Celnik, mit Beiträgen von Andreas Barchfeld (Veränderliche Sterne), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Mond und Kleinplaneten). Alle Zeitangaben sind gültige Uhrzeiten (Sommerzeit bereits berücksichtigt) und für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben.
Erstes Viertel 5.2.
Vollmond 12.2.
Ereignisse im Februar
01. 18:30
Mond 7,3 Grad NO Saturn (1,1 mag), 4,4 Grad SW Venus
(-4,8 mag) und 3,4 Grad W Neptun (7,9 mag)
01. 21:39
RZ Cas im Min
02. 03:49
Mond erdnah, 32,15'
02. 21:47
beta Per (Algol) im Min
03. 19:08-22:32 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
03. 21:04
RW Tau im Min
05. 09:02
Erstes Viertel
06. 01:21
Mond bedeckt 66 Ari (6,2 mag, 4-fach-Stern)
06. 19:00
Mond 6,2 Grad O Plejaden, 6,8 Grad NW Jupiter (-2,5 mag)
und 10 Grad N Aldebaran (1,0 mag)
07. 02:00
Mond 5,1 Grad N Jupiter (-2,5 mag, 42,57'')
07. 18:50
Ganymed: Bedeckung Ende
07. 21:05
RZ Cas im Min
07. 21:17
Mond bedeckt HR1750 = SAO 77121 (6,4 mag,
Doppelstern)
07. 21:27-23:50 Ganymed: Verfinsterung
08. 03:56
Mond bedeckt SAO 77295 (6,3 mag, Doppelstern)
08. 15:35-21:20 Titan mit Schatten Transit vor Saturn, Untergang 19:57
09. 01:00
max. Libration Mond-SO, 8,2 Grad
09. 20:04
Mond 24' N Mars (-0,8 mag, 12,86'')
10. 05:00
Mond 3,0 Grad SW Pollux (1,2 mag)
10. 21:00-00:28 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
11. 03:21
RR Lyr im Max
12. 14:53
Vollmond
13. 03:18
Mond 1,3 Grad NO Regulus (1,4 mag)
14. 22:52
RW Tau im Min
17. 04:01
AI Dra im Min
17. 06:09
Mond bedeckt 50 Vir (6,0 mag), Austritt
Letztes Viertel 20.2.
Neumond 28.2.
17. 06:15
Mond 3,7 Grad SW Spica (1,1 mag)
17. 22:53-01:05 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
18. 02:09
Mond erdfern, 29,66'
18. 19:26-22:02 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
19. 18:40-20:52 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
20. 18:20
Merkur (-1,3 mag) Beginn Abendsichtbarkeit,
W-Horizont
20. 18:32
Letztes Viertel
21. 00:38
RZ Cas im Min
21. 04:00
(4) Vesta (7,1 mag) 7,8' SO NGC 5812 (Gal., 11,2 mag),
Sternbild Libra
21. 06:00
Mond 2,2 Grad SW Antares (1,1 mag)
22. 23:30
beta Per (Algol) im Min
23. 01:00
max. Libration Mond-NW, 9,3 Grad
24. 14:40-18:50 Titan mit Schatten Transit vor Saturn, Untergang 19:05
24. 23:12
(21353) 1997 FG bedeckt Stern HIP 62248 (7,2 mag)
für 1,28 s, Hell.-Abfall um 10,5 mag, Sternbild Coma
25. 18:30
Merkur (-1,2 mag) 1,5 Grad N Saturn (1,1 mag), W-Horizont
25. 19:27-00:38 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
25. 19:40-22:06 Ganymed: Schatten vor Jupiter
26. 19:16-22:48 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
28. 01:10
(24095) 1999 VN bedeckt Stern TYC 1903-00074-1
(10,0 mag) für 4,5 s, Hell.-Abfall um 9,0 mag,
Sternbild Gemini
28. 01:45
Neumond
106 | Journal für Astronomie Nr. 92
NÖRDL. KRONE
Gemma
BOOTES
JAGDHUNDE
Arktur
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
Spica
SÜDOST
RABE
BECHER
Sternkarte exakt gültig für 15. März 2025 22 Uhr MEZ
Mondphasen im März 2025
Capella
PERSEUS
GROSSER BÄR
LUCHS
FUHRMANN
Plejaden
KLEINER LÖWE
Castor Pollux
ZWILLINGE Mars
Jupiter Aldebaran
Uranus STIER
LÖWE
Regulus
KREBS
KLEINER HUND Procyon
Beteigeuze EINHORN
ORION
SEXTANT
Alphard
Rigel
RSCHLANGE WASSE
KOMPASS HINTERDECK
Sirius
HASE
ROSSER G ND HU
SÜDWEST
ANUS ERID
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
SÜD
www.sternfreunde.de
Quellen: Datendienst US Naval Observatory, Berechnungen der BAV (A. Barchfeld), Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]), Berechnungen von O. Klös mit "Occult" mit Daten von JPL Horizons und Gaia EDR3, International Meteor Organization (www.imo.net), eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto)
Erstes Viertel 6.3.
Vollmond 14.3.
Ereignisse im März
01. 18:30
Mond 6,4 Grad NO Merkur (-1,0 mag) und 9,4 Grad SW Venus
(-4,8 mag), NW-Horizont
01. 22:22
Mond erdnah, 32,81'
02. 21:16
zeta Gem im Max
03. 19:01
Mond bedeckt SAO 92756 (6,5 mag, Doppelstern)
03. 19:10-19:12 streifende Sternbedeckung durch d. Mond (S-Rand)
an SAO 92756 (6,5 mag), Linie Saarbrücken -
Neustadt/Weinstr. - Neckargemünd - Bad Mergent-
heim - Nürnberg - Wernberg-Köblitz
04. 20:44
Ganymed: Ende Transit vor Jupiter
04. 21:56-21:58 streifende Sternbedeckung durch d. Mond (N-Rand)
an SAO 75715 (7,3 mag), Linie Eibnitz - südl.
Greifswald - Usedom
04. 22:01-00:36 Europa: Transit vor Jupiter
04. 23:30
RZ Cas im Min
04. 23:40
Ganymed: Beginn Schatten vor Jupiter
05. 00:37
Europa: Beginn Schatten vor Jupiter
05. 19:30
Mond 2,9 Grad O Plejaden
05. 21:11-00:44 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
06. 17:31
Erstes Viertel
06. 19:20
Mond 6,1 Grad NO Jupiter (-2,3 mag, 38,88'')
07. 21:12
HU Tau im Min
08. 01:00
max. Libration Mond-SO, 9,0 Grad
08. 18:45
Merkur (-0,3 mag) in größter Elongation Ost, 18,2 Grad ,
Abendsichtbarkeit
08. 22:52
Mond bedeckt 47 Gem (5,8 mag)
09. 01:33
Mond bedeckt SAO 79241 (6,5 mag, Doppelstern)
09. 03:03
Mond 52' N Mars (-0,1 mag, 10,06'')
09. 19:30
Mond 5,0 Grad SO Pollux (1,2 mag)
10. 22:55
RZ Cas im Min
11. 20:56
RW Tau im Min
12.
(8) Flora (9,5 mag) in Opposition zur Sonne,
Sternbild Leo
Letztes Viertel 22.3.
Neumond 29.3.
12. 05:00
Mond 2,8 Grad NW Regulus (1,4 mag)
12. 11:16
Saturn in Konjunktion mit der Sonne
12. 19:00
Venus (-4,4 mag, 56,61'') 5,6 Grad NW Merkur (0,5 mag,
8,42''), W-Horizont
14. 07:55
Vollmond, totale Mondfinsternis, Mond geht während
Kernschatten-Eintritt unter
15. 19:00
Merkur (1,1 mag) Ende Abendsichtbarkeit, W-Horizont
16. 22:00
Mond 1,6 Grad SO Spica (1,1 mag)
16. 22:21
RZ Cas im Min
17. 00:50
(8) Flora (9,5 mag) 11' N NGC 3810 (Gal., 10,6 mag),
Sternbild Leo
17. 17:37
Mond erdfern, 29,14'
17. 22:02
beta Per (Algol) im Min
20. 03:38
Mond bedeckt pi Sco (2,9 mag, 3-fach-Stern), Austritt
20. 04:00
Mond 5,7 Grad SO Antares (1,1 mag)
20. 10:01
Sonne im Frühlingspunkt, Frühlingstagund-
nachtgleiche
21. 19:35-23:05 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
22. 12:29
Letztes Viertel
22. 21:47
RZ Cas im Min
23. 01:00
max. Libration Mond-NW, 9,8 Grad
23. 07:07
Venus in unterer Konjunktion mit der Sonne,
Taghimmel, Venus 8,4 Grad N Sonne, Venus wird
Morgenstern
28. 21:13
RZ Cas im Min
29. 04:10
(2) Pallas (10,5 mag) 1,5 Grad N NGC 6934 (Kugelsternhfn.,
8,9 mag), Sternbild Delphinus
29. 11:58
Neumond, partielle Sonnenfinsternis
30. 02:00
Umstellung von MEZ auf Sommerzeit MESZ,
Uhr um 1 Stunde vorstellen
30. 07:26
Mond erdnah, 33,37'
Journal für Astronomie Nr. 92 | | 110077
HERKULES NÖRDL. KRONE Gemma
SCHLANGE (KOPF)
BOOTES
JAGDHUNDE
Arktur
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
GROSSER BÄR
KLEINER LÖWE
LÖWE
Regulus
Capella FUHRMANN
LUCHS
Castor Pollux
ZWILLINGE
STIER Jupiter
Mars KREBS
ORION Beteigeuze
Procyon
KLEINER HUND
WAAGE SÜDOST
Spica RABE
BECHER
SEXTANT
Alphard
RSCHLANGE WASSE
Sternkarte exakt
gültig für 15. April 2025
23 Uhr MESZ
SÜD
Mondphasen im April 2025
EINHORN
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Sternbedeckungen durch Kleinplaneten angegeben für Dauern länger als 3,0 s oder Sterne heller als 8,0 mag, Sternbedeckungen durch den Mond angegeben für Sterne heller als 6,5 mag und gültig für 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., ,,Max. Libration Mond-O" bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom westlichen Mondrand (Mond-Osten) befindet.
Erstes Viertel 5.4.
Vollmond 13.4.
Ereignisse im April
01. 22:53
Mond in den Plejaden, Bedeckungen mehrerer
heller Sterne
01. 23:17-23:19 streifende Sternbedeckung durch d. Mond (N-Rand)
an 16 Tau (5,5 mag), Linie südl. Gronau/Westf. -
Münster - südl. Lippstadt - Bebra - Philippsthal
(Werra) - Schleusingen - Neustadt/Coburg - Bad
Berneck
02. 21:00
Mond 5,9 Grad NW Jupiter (-2,1 mag, 35,91'')
03. 22:40
Mond bedeckt SAO 77625 (5,6 mag, Doppelstern)
05. 02:00
max. Libration Mond-SO, 9,6 Grad
05. 04:15
Erstes Viertel
05. 21:15
Mond 2,7 Grad S Pollux (1,2 mag)
05. 22:31
X Tri im Min
05. 23:02
Mond 1,6 Grad N Mars (0,5 mag, 7,90'')
08. 21:15
Mond 3,3 Grad O Regulus (1,4 mag)
09. 20:44-23:19 Ganymed: Schatten vor Jupiter
10. 02:00
(8) Flora (10,1 mag) zieht über Galaxie NGC 3628
(9,6 mag) hinweg, bis 12.4., Sternbild Leo
11. 01:46
RZ Cas im Min
13. 02:22
Vollmond
13. 03:48
Mond 1,2 Grad SW Spica (1,1 mag)
13. 21:03-23:16 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
13. 22:32
HU Tau im Min
14. 00:49
Mond erdfern, 29,58'
17. 02:30
Mond 1,7 Grad SO Antares (1,1 mag)
17. 03:46-04:15 Mond bedeckt tau Sco (2,8 mag, Doppelstern)
20. 02:00
max. Libration Mond-NW, 9,6 Grad
20. 04:40
RR Lyr im Max
20. 05:00
Mond bedeckt SAO 188079 (6,0 mag), Austritt
21. 09:03
Letztes Viertel
Letztes Viertel 21.4.
Neumond 27.4.
22. 05:26
Mond bedeckt phi Cap (5,2 mag), Austritt
22. 15:30
Maximum Meteorschauer April-Lyriden, ca. 18/h,
49 km/s, ganze Nacht
25. 05:30
Mond 3,1 Grad SO Venus (-4,8 mag) und 1,2 Grad N Saturn
(1,2 mag), O-Horizont
26. 02:54
U Cep im Min
26. 22:45
(4) Vesta (5,7 mag) 11' SW 16 Librae (4,5 mag),
Sternbild Libra
27. 18:17
Mond erdnah, 33,56'
27. 21:31
Neumond
28. 03:06
RR Lyr im Max
29. 02:22
U Sge im Min
29. 13:30-18:40 Titan: Schatten vor Saturn, Taghimmel,
Untergang 16:35
29. 22:54
Mond bedeckt chi Tau (5,4 mag, weiter Doppelstern),
Eintritt, tief am NW-Horizont
30. 22:00
Mond 4,9 Grad N Jupiter (-2,0 mag, 33,72'')
108 | Journal für Astronomie Nr. 92
Beobachterforum
Schwarze Sonne über Texas
von Kerstin Rätz
Zur Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis am 08.04.2024 machte sich wieder einmal eine Gruppe von acht Freunden von der Volkssternwarte Kirchheim auf den weiten Weg in die USA. Es ist jedes Mal eine aufregende Sache, ob wir nun ein weiteres Mal in den Genuss kommen würden, dieses grandiose Naturschauspiel in aller Schönheit erleben zu dürfen. Die Schönwetterwahrscheinlichkeit war diesmal nicht so gut wie etwa bei vorausgegangenen Finsternissen, z. B. in der Türkei 2006 oder in Chile 2019. Wir waren im Falle eines Schlechtwetterereignisses aber fest entschlossen, uns mit einem spektakulären Besichtigungsprogramm zu trösten!
Am Ostermontag, dem 01.04.2024, überquerten wir den Ozean, um am späten Nachmittag in Austin/Texas zu landen. In den nächsten Tagen zogen wir im Mietwagen, wo wir alle acht Platz hatten, von Motel zu Motel - erst einmal durch Texas. Der Galveston Beach mit seiner einen Vergnügungspark tragenden Seebrücke lud uns als erstes zu einem Bad im Golf von Mexiko ein.
besichtigten die Ausstellung, die besonders für uns Sternfreunde sehr interessant war, und hörten uns einen Vortrag über das James-Webb-Teleskop an. Das Licht, das wir jetzt von Beteigeuze sehen, ging von dort weg, als Vincent van Gogh noch ein Teenager war, erzählte die Referentin. Ein Bähnchen brachte uns zum NASA-Kontrollzentrum (Abb. 1). Dieses sah aus, als ob die Leute nur mal eben in die Pause gegangen wären: Kaffeetassen und Aschenbecher auf den Tischen neben den Bildschirmen ... Wir erlebten die Mondlandung vom 21.07.1969 noch einmal mit - es war der Original-Funkverkehr mit den Astronauten hörbar und dann der denkwürdige Satz: ,,Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit." Da läuft es einem doch schonmal eiskalt den Rücken runter ...
Sehr eindrucksvoll war auch, dass wir das Space Shuttle betreten durften. Da bekamen wir einen Begriff davon, wie es im Inneren solch eines Raumfahrzeuges aussieht.
1 Space Center Houston, NASA-Kontroll-
zentrum (Foto: M. Rätz)
Wir lernten Fredericksburg kennen, welches 1846 von deutschen Einwanderern gegründet wurde, und entdeckten die deutschen Wurzeln.
Zwei Tage vor der Sonnenfinsternis war es soweit, dass wir eine befreundete Familie in Moody/Texas besuchen wollten. Mit dem Sternfreund Eric Rachut verband uns eine jahrelange Freundschaft, die mit einem (winzigen) Artikel in der amerikanischen Zeitschrift ,,Sky and Telescope" begann, in deren Verlauf ein 20-cm-Refraktor die damalige DDR ansteuerte und es dann 1990 sogar einen kurzen Besuch der amerikanischen Familie bei uns in Thüringen gab! Und jetzt sollte unserem Sternfreund Eric das Glück zuteil werden, dass die Totalitäts-
Der erste Höhepunkt unserer Sonnenfinsternis-Expedition war ein Besuch des Johnson Space Center der NASA. Schon von Weitem begrüßten uns mehrere Raketen, die in den Himmel ragten, und eine Boeing mit einem Space Shuttle huckepack. Wir
An den nächsten Tagen besichtigten wir das Alamo in San Antonio - eine ehemalige Missionsstation, wo 1835/36 im texanischen Unabhängigkeitskrieg die Verteidiger des Forts von mexikanischen Truppen besiegt wurden.
2 Texanische Longhornrinder (Foto: M. Rätz)
Journal für Astronomie Nr. 92 | 109
Beobachterforum
zone dieser Sonnenfinsternis genau über sein Haus und seine kleine Sternwarte zog! Was aber besonders tragisch war: Er sollte dieses ,,Geschenk" nicht mehr erleben. Eric Rachut verstarb bereits 2021 an einer Corona-Infektion! Trotzdem hat seine Frau Linda die Einladung bekräftigt, die totale Sonnenfinsternis auf ihrem Grundstück zu beobachten. Wir - acht Leute - wurden herzlich aufgenommen und aus der geplanten 1/2-1 Stunde Besuch waren im Nu vier Stunden geworden! Die stolzen texanischen Longhorn-Rinder der Nachbarin konnten wir nun auch in unmittelbarer Nähe erleben (Abb. 2)!
Einen Tag vor der Sonnenfinsternis besuchten wir Dallas und dort das John-F.Kennedy-Museum, das die Ermordung des Präsidenten dokumentiert. Wir standen an der Straße, auf der mit Kreuzen die Stellen gekennzeichnet sind, wo die Schüsse John F. Kennedy trafen (Abb. 3) ... und in dem Moment sichteten wir einen Sonnenhalo (Abb.4)!
Tatsächlich war der Himmel von dünnen Wolken überzogen - und das sollte sich auch in nächster Zeit nicht ändern. Ständig riefen wir Wetterdienst-Seiten auf, und in den Hotel-Lobbys liefen Wetterkanäle, teilweise mit Sonnenfinsternis-Countdown! Wir mussten begreifen, dass wir Pech haben würden, wenn wir unsere Pläne a) Beobachtung auf der Zentrallinie - 4 Mi-
nuten Totalität - oder b)Beobachtung auf der Farm in Moody
- beste Infrastruktur - weiterverfolgen würden - und entschieden dann kurzfristig, lieber auf eine Minute Totalität zu verzichten, und c) am Hotel (Motel6 in Fort Worth) zu bleiben.
Der 8. April war herangerückt. Wir bereiteten uns auf die Sonnenfinsternis vor und bauten am Rande des glücklicherweise kaum frequentierten hinteren Parkplatzes des Motels unsere Kameras auf: wie bewährt, mehrere Canon-EOS-Kameras mit Teleobjektiven und Sonnenfiltern, einen Helligkeits- und Temperatursensor und
3 Die Kreuze auf der Straße kennzeichnen die Stelle, wo John F. Kennedy
die tödlichen Schüsse trafen (Foto: K. Rätz)
auch wieder eine weiße Fläche zum Sichtbarmachen eventuell auftretender fliegender Schatten. Vielleicht könnte man ja sogar den Kometen ,,Pons-Brooks", der sich jetzt in Sonnennähe befinden musste, sichten? Besorgte Blicke gingen an den Himmel. Über diesen zogen Wolken, aber nicht mehr durchgängig, sondern immer mit blauen Lücken. Wir hatten guten Grund, auf die ,,Wolkenlücke vom Dienst" zu hoffen!
12:22 Uhr (Central Daylight Time North America) - erster Kontakt! Mit Kameras und Sonnenfinsternis-Brillen verfolgten wir, wie der Mond vor die Sonnenscheibe wanderte. Immer wieder zogen Wolken über die Sonne. Aber jetzt schienen es weniger zu werden! Ein bisschen Wind machte sich auf - schon bei etwa 70% Bedeckung, nicht erst kurz vor der Totalität. Schon herrschte dieses seltsame, fahle Licht. Wurde es auch jetzt schon kühler oder war das die Aufregung?
Als nur noch wenig Licht von der Sonne übrig war, krähten ringsum die Hähne: ,,Ist es Morgen? Ist es Abend? Was ist nur los??" Wenn Wolken über Sonne und Mond zogen, bestand die Frage: Schon ohne Filter gucken? Ich versuchte, einfach so das Handy draufzuhalten. - Kommen fliegende Schatten? Abwechselnd sah ich auf das große weiße Papierblatt, das ich ausgelegt hatte, und auf den hellen Teil der Hausfassade. Vielleicht war es noch nicht soweit? Schön wäre jetzt eine akustische Zeitansage! Aber da kam schon der 2. Kontakt (13:40 Uhr). Ein schwarzes Rund - Diamantring - dann Korona (Abb. 6+7)! Rechts die Venus, links der Jupiter! Ich begriff sofort, dass es zu hell war, den Kometen zu sehen. Oder war da etwas Nebelhaftes, Längliches? Nein, es war nur eine kleine Wolke. Es war still gewor-
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Beobachterforum
5 Panorama Monument Valley
(Foto: M. Rätz)
den. Keine Hähne, keine Vögel. Und kalt? Die Art des herrschenden Lichtes ließ es sofort kälter erscheinen (Abb. 9). Ein paar Wolken raubten uns etwas der kostbaren Zeit. Und da - (Was? Schon vorbei??) traf uns schon der erste Sonnenstrahl. Vorbei, vorbei... (13:43 Uhr). In keiner anderen Situation vergeht die Zeit sooo schnell!! Wir beobachteten, wie der Mond die Sonne allmählich wieder freigab.
15:01 Uhr (4. Kontakt): die Sonne strahlt, als wäre nichts gewesen ... Was der Helligkeits- und Temperatursensor aufzeichnete, ist in der Abbildung 11 wiedergegeben. Die typische Helligkeitskurve ist überlagert durch kurze Abschwächungen, verursacht durch Wolkendurchzug. Wie stark die Temperatur abgefallen ist, konnten wir nicht exakt feststellen, denn der Sensor war dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt und hatte sich erst einmal unnatürlich aufgeheizt. Die Kurve zeigte also keine reale Temperatur, sondern nur die relative Abkühlung. Was allerdings wieder deutlich sichtbar war, war die Verschiebung des Temperaturminimums dadurch, dass beim Wegfall der Sonneneinstrahlung zunächst Boden und Gebäude noch Wärme an die Luft abgeben und somit das Minimum verzögert ist.
Am nächsten Tag sollten wir begreifen, was wir wieder einmal für einen Dusel hatten. Den ganzen Tag war der Himmel grau und es regnete sogar. Hätten wir, wie geplant, uns zur Beobachtung auf der Zentrallinie eingefunden, dann hätten wir nichts gesehen. Und auch die Ranch unserer Freunde in Moody lag unter einer grauen Wolkendecke! Bald kehrte das schöne Wetter jedoch zurück und blieb uns treu. Wir setzten unsere Rundreise zunächst durch Texas fort. Dass wir einmal an den Drehort der 80er-Jahre-Fernsehserie ,,Dallas", der Southfork Ranch, vorbeikommen könnten, hätte da-
mals auch keiner gedacht. Dann erlebten wir in Fort Worth Stockyards einen historischen Viehtrieb - gemächlich trotteten die Longhorns die Straße entlang.
Der zweite Teil unserer Reise führte uns per Flugzeug nach Las Vegas/Nevada. Von dort starteten wir eine Rundfahrt durch zahlreiche einzigartige Nationalparks in Utah, Colorado und Arizona: den Zyon-Nationalpark, Bryce/Canyonlands, Arches-Nationalpark, Mesa Verde, Monument Valley (Abb. 5, Schauplatz von nicht nur einem Film! Zuerst fällt mir ,,Zurück in die Zu-
Fliegende Schatten haben wir tatsächlich nicht beobachtet. Dies war vermutlich auf die doch relativ starke Bewölkung zurückzuführen, die unsere Beobachtung zwar teilweise gestört, aber zum Glück nicht verhindert hat.
Die erfolgreiche Beobachtung (Abb. 8) wurde am Abend natürlich mit Sekt begossen - auch wenn die Gläser nicht hell erklangen, sondern die Plastebecher dumpf erploppten ...
4 Sonnenhalo über der denkwürdigen Stelle (Foto: M. Rätz)
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Beobachterforum
6 Kurz vor der Totalität - das Handyfoto (K. Rätz) zeigt die Bewölkung, aber auch angedeutet den Diamantring.
Links von Sonne und Mond ist ein Reflex zu sehen.
7 Totalität! Links Jupiter, rechts Venus (Foto: K. Rätz). Zwischen Jupiter und Sonne/Mond sollte Komet Pons-
Brooks stehen, doch der Himmelshintergrund war zu hell, um ihn zu sichten.
Beobachterforum
8 Verlauf der Sonnenfinsternis (Fotos: M. Rätz, Montage: K. Rätz)
kunft" ein - und natürlich zahlreiche Western!), dann durchquerten wir den Antelope Canyon und schließlich war unser Ziel der Grand Canyon, den wir sogar von oben
mit einem Kleinflugzeug erkundeten. Wir besuchten das Lowell-Observatorium in Flagstaff und ließen uns auch den Barringer-Meteoritenkrater nicht entgehen. Mit seinen 1.200 m Durchmesser zeigt er uns eindrucksvoll, was so ein 45 m großer und 300.000 t schwerer Brocken aus dem Weltall auf der Erde anrichten kann. Und als wir am Rand des Kraters standen, schimmerte über uns wieder ein Sonnenhalo!
So sind wir also ein weiteres Mal dem Schatten des Mondes gefolgt und haben diesen zum Anlass für eine unvergessliche Reise genommen. Und wir sind uns einig: Es soll nicht unsere letzte Sonnenfinsternis-Expedition gewesen sein!
9 Blick in die Landschaft während der
Totalität (Foto: K. Rätz)
Nachdem wir dann am nächsten Tag dem Hoover Dam, der den Colorado River anstaut, einen Besuch abgestattet hatten, sollte unsere Sonnenfinsternisreise noch einmal ein strahlendes Ende in Las Vegas finden. Besonders die einen riesigen kugelförmigen Bildschirm darstellende ,,Sphere", die weithin in allen erdenklichen Farben und Mustern leuchtet, hatte es uns angetan. - Für die einen ist Las Vegas eine magische Glitzerwelt, für uns Astronomen ist es (mit einem Augenzwinkern) die gigantischste Lichtverschmutzung der Welt!
1 0 Unser Expeditionsteam, v.l.n.r.: Annette und
Thomas Förster, Liane und Jürgen Schulz, Kerstin und Manfred Rätz, Silvia und Manfred Kretzschmar. Foto: Th. Förster, mit Selbstauslöser
1 1 Helligkeitsverlauf während der Finsternis
Journal für Astronomie Nr. 92 | 113
Rezension
Rezension
,,Asteroiden", von Thomas Hebbeker
Thomas Hebbeker vertritt an der RWTH Aachen die Experimentalphysik in Lehre und Forschung. Jetzt hat er für uns Amateure das Buch ,,Asteroiden" geschrieben. Es kann frei heruntergeladen werden [1]. Thomas gibt in 22 Kapiteln und auf fast 250 Seiten einen tiefgehenden Überblick über diese Kleinkörper des Sonnensystems. Aus meiner Sicht kann es als Lehrbuch dienen, als Nachschlagewerk und als Anregung zu eigenen Beobachtungen und Messungen.
Die ersten vier Kapitel enthalten grundlegendes Wissen über Asteroiden, welches den meisten Amateuren geläufig ist. Interessant wird es in der Mitte des 4. Kapitels. Hier kommen die Eigenheiten der Trojaner zur Sprache, samt dem Problem stabiler Bahnen im Sonnensystem. Für mich steckt darin die Anregung, diesen stabilen Gruppen selbst einmal numerisch nachzuspüren. Die Hild-Gruppe steht ohnehin schon in meiner Arbeitsliste.
Ab Kapitel 5 tauchen wir ein in das derzeitige Wissen der Astronomengemeinde über diese Körper. Die Klassifizierung der Asteroiden ist letztlich die Zusammenschau dessen, was wir von der Erde über Asteroiden herausfinden können: ihre Bahnen, die Zusammensetzung, den inneren Aufbau. Ich selbst finde Kapitel 6 sehr anregend: Wie kann man aus der Lichtkurve die Eigenrotation ermitteln? Die Kapitel 7-9 vermitteln wieder Wissen, diesmal mehr in die Tiefe gehend: die Entdeckungsgeschichte, besonders interessante Kleinkörper und Zwergplaneten.
Die VdS steht ja für die praktische Astronomie. Dieser sind die nächsten zwei Kapitel 10 und 11 gewidmet. Thomas beginnt mit der Fotografie, zunächst ganz einfach mit feststehender Kamera und schließlich nachgeführt. Im Kapitel 11 geht es ans ,,Eingemachte", nämlich Messungen. Die Amateure liefern seit vielen Jahren den Haupt-
beitrag der Positionsmessungen und damit der Bahnbestimmung. Weiter geht es mit Helligkeitsbestimmungen und Spektroskopie. Das Kapitel 12 gibt praktisch umsetzbare Handreichungen hierzu.
Eine wichtige Erweiterung unserer Kenntnisse über Kleinplaneten stammt von den Raumsonden, welche einige Asteroiden (und auch Kometen) besucht haben und in einem Fall sogar Material zurück zur Erde gebracht haben. Dieses Wissen ist in Kapitel 13 zusammengefasst.
Für meinen Geschmack kommt das Kapitel 14 zu spät im Buch, es widmet sich der Entstehung. Das Ergebnis der Genese und Modifikation ist schließlich die Zusammensetzung, welche wir jetzt vorfinden und die in den ersten Kapiteln präsentiert wird. Kapitel 15 geht tiefer auf die Zusammensetzung und Struktur ein, Kapitel 16 auf die Modifikation sowohl der Körper als auch der Bahnen.
Die letzten Kapitel schließlich berühren exotische Themen: Leben auf Asteroiden, Exoasteroiden, Kleinplaneten in der Literatur und Asteroiden-Bergbau, worüber Daniel Fischer bei unserer Mitgliederversammlung philosophiert hat. Mehr praktischen Bezug haben die Themen Asteroiden mit Monden und Kollisionen mit der Erde.
Eines hat mir gefehlt: Ich bin Visueller und die Beobachtung am Okular kommt praktisch nicht vor. Ich weiß, dass die großen Datenbanken keine visuell bestimmten Ergebnisse mehr akzeptieren. Dennoch gibt es lohnende Beobachtungsziele: Begegnungen mit Sternen und Nebelobjekten kommen mir in den Sinn und auch Sichtungen von Vesta und vielleicht auch Ceres und Pallas mit dem freien Auge. Macht euch selbst ein Bild! Euer Uwe Pilz
114 | Journal für Astronomie Nr. 92
Internethinweis: [1] Th. Hebbeker, 2024:
,,Asteroiden", https://zenodo. org/records/10805263
Vorschau
Vorschau auf astronomische Veranstaltungen
Januar bis April 2025
zusammengestellt von Werner E. Celnik aus vorliegenden Informationen (Angaben wie immer ohne Gewähr)
Bitte informieren Sie sich beim Veranstalter, ob die Veranstaltung, an der Sie interessiert sind, auch tatsächlich stattfindet, und wenn ja, in welcher Form.
VEREINIGUNG DER STERNFREUNDE
Aktuelle Informationen im Terminkalender
der
VVdERESINIGuUNnG ter
DER STERNFREUNDE
www.vds-astro.de
Januar 2025
Bis zum Redaktionsschluss lagen keine Termine vor.
Februar 2025
Bis zum Redaktionsschluss lagen keine Termine vor.
März 2025
MI, 26.03. - SO, 30.03.2025
Frühjahrstreffen in Neu Göhren 2025 T Teleskoptreffen auf dem Bootsanleger-Campingplatz in 19294 Neu Göhren. Familiäres Treffen im Mecklenburgischen mit sehr guten Landhimmelbedingungen.
ASTRONOMIETAG 2025
VEREINIGUNG SA,VERE2INIGU9NG .03.2025
DER STERNFREUNDE
DER STERNFREUNDE
Am Astronomietag bieten Sternwarten, Vereine, Planetarien, For-
schungsinstitute, Museen und Einzelpersonen aus dem gesamten
deutschen Sprachraum zahlreiche Aktivitäten an, damit die allge-
meine Öffentlichkeit einen Einblick in die Astronomie bekommt
und den Sternhimmel live erleben kann - zentral koordiniert von
der VdS. Der Astronomietag 2025 kann mit einem ganz besonde-
ren Schauspiel aufwarten: Es findet eine partielle Sonnenfinsternis
statt. Lokale Veranstaltungen können über die Astronomietag-
Webseite angemeldet und eingesehen werden
www.astronomietag.de
April 2025
FR, 04.04. - SO, 06.04.2025
Easter Star Party 2025 Ort: Hohe Wand beim Alpengasthof Postl, Hohe Wand-Straße 139, 2724 Österreich. Saisonauftakt der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. Gemeinsames Beobachten und praktischer Erfahrungsaustausch in lockerer Atmosphäre, in der auch das Genießen der freien Natur sowie Speis und Trank ihren Platz haben. Für alle mit (oder ohne) Fernrohr, die Astronomie in gemütlicher Atmosphäre erleben und Erfahrungen am Fernrohr oder unter dem Himmel sammeln möchten, ohne dass nur todernst beobachtet wird. Veranstalter: Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie, www.waa.at/treff/esp.shtml
VEREINIGUNG SA,VERE1INIGU2NG .04.2025
DER STERNFREUNDE
DER STERNFREUNDE
Tagung der VdS-Fachgruppe Kometen
Ort: VdS-Sternwarte Volkssternwarte Kirchheim, Zur Sternwarte 1,
99334 Amt Wachsenburg OT Kirchheim (Thür.). Veranstalter:
VdS-Fachgruppe Kometen. Treffen bereits am Vorabend zum ge-
mütlichen Beisammensein mit Bilderschau. Vortragsanmeldun-
gen sind willkommen. Ebenso Anmeldungen zur Tagungsteil-
nahme: https://forum.vdsastro.de/viewtopic.php?t=7506
SA, 12.04.2025
Yuri's Night 2025 Yuri's Night feiert den ersten bemannten Raumflug von Yuri Gagarin am 12. April 1961 und den ersten Space-Shuttle-Start am 12. April 1981. Veranstaltungen an verschiedenen Standorten weltweit. https://yurisnight.de
SA, 12.04.2025
Astronomieworkshop 2025 Ort: Pfarr- und Gemeindezentrum Weyregg am Attersee, Wachtbergstraße 4, A-4852 Weyregg am Attersee, Österreich. Zeit: 9:00-18:00 Uhr, Veranstalter: Astronomischer Arbeitskreis Salzkammergut. Ganztägiges Tagungsprogramm aus allen Bereichen der Amateurastronomie. https://astronomie.at/veranstaltungen/ astroworkshop/
SO, 13. APRIL 2025
PixInsight-Workshop 2025 Ort: Pfarr- und Gemeindezentrum Weyregg am Attersee, Wachtbergstraße 4, A-4852 Weyregg am Attersee, Österreich. Zeit: 9:00-18:00 Uhr, Veranstalter: Astronomischer Arbeitskreis Salzkammergut. Maximale Teilnehmerzahl 30 Personen. Anmeldung, Wunschthemen und Beiträge per E-Mail. https://astronomie.at/ veranstaltungen/astroworkshop/
DO, 24.04. - SO, 27.04.2025
3. Teleskoptreffen Süd (TTS) Ort: Campingplatz Lauberg, Hinter Lau 7, 72587 Römerstein. Veranstalter: Hannes Hase-Bergen. Das Teleskoptreffen füllt die Lücke im Südwesten Deutschlands auf der Teleskoptreffen-Landkarte - mit dem dunklen Himmel der Schwäbischen Alb trotz guter Erreichbarkeit von Stuttgart aus, guter Südsicht und guter Campingplatz-Infrastruktur. http://amateurastronomie.com/astrostu/teleskoptreffen/lauberg/ index.htm
Journal für Astronomie Nr. 92 | 115
Vorschau
FR, 25.04. - SO, 27.04.2025
10. Bergedorfer Teleskoptreffen (BTT) Ort: Hamburger Sternwarte, Gojenbergsweg 112, 21029 Hamburg. Veranstalter: Rüdiger Heins. Teleskoptreffen auf dem wunderschönen Gelände der Hamburger Sternwarte in Verbindung mit der Langen Nacht der Museen. Eine gastronomische Versorgung kann voraussichtlich nur am Samstag erfolgen. Da die Stellplätze auf dem Gelände nicht unendlich sind, ist eine Anmeldung erforderlich. www.astrotreff.de/forum/index.php?t hread/277144-8-bergedorfer-teleskoptreffen/
FR, 25.04. - MO, 28.04.2025
6. Kepler-Teleskoptreffen (KTT) Ort: Hotel Koralpenblick Rostock 15, A-8530 Trahütten, Österreich. Veranstalter: Astronomiekurs des BRG Kepler Graz, Steirischer Astronomenverein StAV. Das KTT ist nicht einfach ,,noch ein Teleskoptreffen", sondern ist für die Förderung unserer astronomischen Jugend gegründet worden - zu diesem Treffen kommen nicht nur Hobbyastronom_Innen, sondern auch Gruppen von Jugendlichen z. B. aus Schulen und aus der Umgebung. Alle, die bereit sind, den jungen Leuten mal zu zeigen, wie cool es ist, unter dunklem Himmel zu beobachten und zu fotografieren, sind herzlichst willkommen! www.keplersternwarte.at/www/ index.php/ktt-das-kepler-teleskoptreffen-auf-der-pretulalpe