Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 91
1 Editorial
Nach Redaktionsschluss
Schwerpunktthema: Atmosphärische Erscheinungen
4 Irisierende Föhnwolke in der Schweiz
5 Farbige Himmelserscheinungen zu Weihnachten 2023
10 Atmosphärische Erscheinungen am aktiven Vulkan in Island
17 Eisnebel-Halophänomen im Fichtelgebirge
19 Mondkorona - ein nächtliches Himmelsphänomen
20 Polarlicht im Ostallgäu/Bayern
22 Regenbögen auf anderen Himmelskörpern
25 44. AKM-Treffen 2024 in der Sternwarte Sonneberg
Fachgruppenbeiträge
Amateurteleskope/Selbstbau
30 Meine Balkonsternwarte - eine Idee
35 Verbesserungen der Mobilität des Stativs
Astrofotografie
39 Lichtschwache Reflexionsnebel: eine fotografische Uuml;bersicht mit Hintergrundinformationen (Teil 1)
44 Erste Aufnahmen mit einem "Smart-Teleskop"
45 Neue Trends in der Astrofotografie - ist die Trivialisierung das Ende unseres Hobbys?
48 Wie tief kann man mit Amateurmitteln in das Weltall schauen?
Astrophysik/Algorithmen
51 Die Zernike-Polynome
Atmosphärische Erscheinungen
53 Die Polarlichter des zweiten Halbjahres 2023
Deep Sky
58 Skyguide 2024 - 3 (Herbst)
Geschichte
60 Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie
60 Mond- und Venus-Zeit (Teil 2) - eine Messerklinge als Schautafel antiker Himmelskunde
65 Zur Erinnerung an den 50. Todestag des bedeutenden deutschen Astronomen Hans Kienle (1895-1975)
Jugendarbeit
69 Du bist in einer Astronomie-Jugendgruppe aktiv?
Kleine Planeten
70 Kosmische Begegnungen
Kometen
74 Komet 12P/Pons-Brooks: Strukturen in Koma und Schweif
Radioastronomie
79 Bericht vom Treffen der Fachgruppe Radioastronomie am 27.04.2024 in Potsdam
Sonne
84 Totale Sonnenfinsternis in Mexiko: Im Lande der Azteken und Mayas auf SoFi-Exkursion
88 8. April 2024: Sonnenkorona!
90 Spektakuläre Sonnenfinsternis in den USA am 8. April 2024
92 Totale Sonnenfinsternis in den USA am 8. April 2024
94 Ein kurzer Bericht zur SoFi 2024 in den USA
96 Sonnenfinsternis am 8. April 2024 in Texas / USA
96 Speed-Dating im Kalzium-Licht
Spektroskopie
100 HOPE - High Optical Performance Echelle - Ein sehr breitbandiger Echellespektrograf für den Hausgebrauch
Sternbedeckungen
106 Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 4. Quartal 2024
Veränderliche
110 Die 18. Veränderlichen-Beobachtungswoche der BAV an der VdS-Sternwarte in Kirchheim
VdS-Nachrichten
115 Bericht aus dem Vorstand
123 Wir begrüßen neue Mitglieder
VdS vor Ort/Tagungsberichte
107 Astronomische Themenvielfalt bei der 40. Bochumer Herbsttagung der Amateurastronomen
Service
112 Himmelsvorschau November 2024 -Januar 2025
Beobachterforum
116 Eine Konstellation der besonderen Art
118 Supernovae im Frühjahr 2024
124 Der Himmel in Aufruhr! Grandioses Polarlicht-Spektakel am 10./11. Mai 2024< über dem Bergischen Land
129 VdS-Bilderstrecke: Das Polarlicht vom 10./11. Mai 2024
135 VdS-Bilderstrecke: AR 3664 - die Ursache für das Polarlicht vom 10./11. Mai 2024
Vorschau
29 Vorschau auf astronomische Veranstaltungen ab Oktober 2024
Hinweise
124 Wichtige Informationen für unsere Mitglieder!
142 Autorenverzeichnis
143 Impressum
143 Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
143 Inserentenverzeichnis
Textinhalt des Journals 91
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Journal für Astronomie Nr. 91 | 3
Atmosphärische Erscheinungen
Irisierende Föhnwolke in der Schweiz
von Claudia Hinz
Am 1. Februar gegen 15 Uhr beobachtete Hanni Huber in Guttannen im Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli des Kantons Bern in der Schweiz hohe lenticulare Wolken, die in schönsten Farben irisierten. Sie entstanden bei frontvorderseitigem Föhn einer nahenden Kaltfront in 7.000 bis 8.000 Metern Höhe.
Irisieren ist häufig an dünnen, lichtdurchlässigen Wolken in unmittelbarer Sonnennähe zu sehen. Es wird durch sehr gleichmäßige Lichtbeugung von Wassertröpfchen und durch Interferenzeffekte erzeugt. Durch die Wellennatur des Lichtes bilden sich an den winzigen Tröpfchen (die kaum größer sind als die Wellenlänge des Lichtes) neue Wellen, die sich in bestimmte Richtungen überlagern und verstärken können. Für das Farbenspiel ist letztendlich die Wellenlänge des Lichtes im Verhältnis zur Größe des Hindernisses, also des Wasser-
tröpfchens, verantwortlich. Hieraus ergibt sich der Winkel, in dem die jeweilige Farbe verstärkt in Erscheinung tritt.
Für die Beobachtung von Irisieren sollte man unbedingt die Augen mit einer Sonnenbrille schützen und die Sonne am besten durch einen Dachgiebel oder eine Straßenlaterne abdecken. So sind die Farben am besten und schönsten zu sehen. Das Bild wurde zum Monatswettbewerb ,,Bild des Monats" Februar des AKM eingereicht und gewann auch den Jahreswettbewerb 2023!
Bilder interessanter atmosphärischer Erscheinungen sind immer willkommen. www.meteoros.de/akm/fotowettbewerb
1 Hohe lenticulare,
irisierende Wolken am 01. Februar 2023 um ca. 15 Uhr, beobachtet von Hanni Huber in Guttannen im Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli des Kantons Bern in der Schweiz.
4 | Journal für Astronomie Nr. 91
Atmosphärische Erscheinungen
Farbige Himmelserscheinungen zu Weihnachten 2023
von Claudia Hinz
1 Verlauf des Jet-Streams am
22.12.2023 über Deutschland. Quelle: ventusky.com
Wenn es schon zum Großteil nicht mit dem weihnachtlichen Weiß geklappt hat, so gab es zumindest etwas sehr seltenes Buntes am Himmel zu beobachten: polare Stratosphärenwolken (polar stratospheric clouds
= PSC). Diese perlmutt-glänzenden irisierenden Wolken, deshalb auch Perlmutterwolken genannt, entstehen in über 20 km Höhe, dort, wo auch die Ozonschicht ihre höchste Dichte erreicht. In dieser Höhe
befindet sich eine natürliche Schicht aus Schwefelsäuretröpfchen, die hauptsächlich aus Vulkanausbrüchen stammt. An diesen freigesetzten Kondensationskeimen entstehen bei minus 78 Grad Celsius Salpe-
2 Prognose der Temperaturen der 30-hPa-Fläche am 22. und 23.12.2023 über der Schweiz. Quelle: https://kachelmannwetter.com/de
Journal für Astronomie Nr. 91 | 5
Atmosphärische Erscheinungen
3 Farbintensive Perlmutterwolken am 22.12.2023 in Brissago, Tessin. Bild: Karin Sturzenegger
tersäure-Kristalle und bei Temperaturen unter minus 86 Grad Celsius Eiskristalle aus Wasserdampf.
Da solche Temperaturen in der winterlichen Stratosphäre hauptsächlich innerhalb des Polarwirbels vorkommen, sind PSC vor allem in den polaren Regionen zu finden. Über Norddeutschland sind immer mal wieder und über der Mitte ganz vereinzelt polare Stratosphärenwolken zu beobachten, meistens in Form von PSC-induziertem Morgen- oder Abendrot.
Mitte Dezember 2023 hat sich der Kern des Polarwirbels allmählich nach Nordskandinavien verlagert, so dass die tiefsten Temperaturen über dem Festland zu finden waren. Von Skandinavien selbst, aber auch von Island und den britischen Inseln wurden zahlreiche Beobachtungen heller und ausgedehnter Perlmutterwolken bekannt [1].
Auch hierzulande wurden innerhalb des über Deutschland verlaufenden Jet-Stre-
ams (Abb. 1) entsprechende Temperaturen gemessen. So zeigte bereits am 20.12.2023 beispielsweise das durch Radiosondenaufstiege erhaltene Höhenprofil (Temp) von Essen in 24.638 m -84,3 Grad C und München in 27.058 m -80,3 Grad C auf. Dieses Kaltluftband wanderte in den Folgetagen nach Süden. Aber eine wichtige Zutat für die Beobachtung von Perlmutterwolken fehlte: die Sonne.
Diese gab es am 22.12.2023 im schweizerischen Tessin, und es entstanden ungewöhnlich helle und farbige Perlmutterwolken, wie sie über den Alpen noch nicht dokumentiert wurden. Zwar gibt es einen ,,Grenzfall" vom 10.01.2015 von ausgedehnten, extrem hell irisierenden Wolkenfeldern entlang der Alpen, allerdings lag in diesem Fall die Tropopause statt, wie im Winter üblich, bei 7 km auf etwa 14 km Höhe, und es wurden dort Temperaturen zwischen -70 Grad C und -80 Grad C gemessen. Es ist nicht geklärt, ob die Wolken noch in der Troposphäre oder schon in der Stra-
tosphäre gebildet wurden, aber unter die klassischen polaren Stratosphärenwolken dürften sie nicht fallen.
Im Tessiner Fall, der in einer Radiosendung thematisiert wird [2], zeigen sich dagegen klassische Perlmutterwolken, wie man sie aus Skandinavien kennt. Karin Sturzenegger, welche uns von ihrer Sichtung von 15:40 bis 17:30 Uhr wunderbare Fotos und ein Video [3] zur Verfügung stellte, schrieb dazu: ,,Ich wusste, dass ich da etwas ganz Besonderes vor mir sah. Ich saß 2 Stunden da und staunte, dass sich die Wolke scheinbar nicht bewegt." Genau das ist für PSC charakteristisch, sie sind oft von starken Höhenwinden lenticular verformt und bleiben aufgrund ihrer Höhe über Stunden hinweg am gleichen Ort (Abb. 3 und 4).
5 Farbige PSC am Mond am 24.12.2023
um 04:00 Uhr in Matrei in Osttirol. Quelle: www.foto-webcam.eu/webcam/ steigerhof
6 | Journal für Astronomie Nr. 91
Atmosphärische Erscheinungen
4 Farbintensive Perlmutterwolken am 22.12.2023 in Brissago, Tessin. Bild: Karin Sturzenegger
Journal für Astronomie Nr. 91 | 7
Atmosphärische Erscheinungen
6 Perlmutterwolken am 25.12.2023 um 10:50 Uhr in Freital bei Dresden. Bild: Heiko Ulbricht
Aufgrund von im (freien) Internet fehlenden Radiosondenaufstiegen der Schweiz habe ich München nördlich der Alpen und Novara Cameri in der italienischen Region Piemont südlich der Alpen analysiert. Im Tessiner Raum selbst kann es detaillierten Karten vom 30 hPa-Drucklevel zufolge (Abb. 2), welche den für unsere Auswertungen wichtigen Höhenbereich umfassen, sogar noch Temperaturabweichungen nach unten gegeben haben. Der Münchner Radiosondenaufstieg zeigte am 22.12. ebenfalls die Anomalie, dass die Temperatur nicht nur im PSC-Bereich unter -80 Grad C lag (-81,3 Grad C in 22.994 m), sondern auch in einer Schicht zwischen 18 und 19
7 Hoch liegende, fein strukturierte
Wolkenschicht in Barsinghausen bei Hannover. Bild: Reinhard Nitze
8 | Journal für Astronomie Nr. 91
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km (mit einem Temperaturminimum von -81,7 Grad C in 18.025 m Höhe). Wie oft solche kalten Temperaturen in diesen Höhen vorkommen, lässt sich nur schwer sagen. Selbst im Temp von Novara Cameri wurden im 12er-Aufstieg in 21.004 m noch -80,1 Grad C, im 00-Uhr-Temp vom 23.12. sogar -82,1 Grad C registriert. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass auch in den Folgetagen und -nächten immer wieder Beobachtungen und vor allem Webcambilder von perlmuttfarbenem Irisieren in Sonnen- und Mondnähe auftauchten (Abb. 5).
Am vorerst letzten möglichen Tag mit entsprechend tiefen Stratosphärentemperaturen beobachtete Reinhard Nitze am 26.12. zum Sonnenuntergang in Barsinghausen eine sehr hoch liegende, fein strukturierte Wolkenschicht, die allerdings nicht mehr irisierte. Das war das ,,Aufzucken" der letzten PSC, bevor sie aufgrund steigender Stratosphärentemperaturen verschwanden (Abb. 7).
Internethinweise (Stand 02.06.2024): [1] PSC in Großbritannien: www.bbc.
com/weather/features/67769934
[2] Video SRF: www.srf.ch/audio/ wetterfrage/polare-stratosphaeren wolken?id=12511113
Am 25.12. hatte Heiko Ulbricht in Freital bei Dresden das Glück, etwas Sonne und einen wundervollen Blick auf polare Stratosphärenwolken zu erhaschen. Das scheint die einzige Beobachtung außerhalb des Alpenraums zu sein, welche aber durch den Temp der nächstliegenden Radiosondenaufstiegsstelle Lindenberg gestützt wird. Dieser zeigt -82,1 Grad C in 21.333 m Höhe (Abb. 6).
[3] Video von Karin Sturzenegger: https://fb.watch/paNG4fZOaQ
Journal für Astronomie Nr. 91 | 9
Atmosphärische Erscheinungen
Atmosphärische Erscheinungen am aktiven Vulkan in Island
von Claudia Hinz (Text) und Kerstin Langenberger (Bilder)
Island sitzt genau auf der Naht zweier großer Kontinentalplatten, die sich etwa 2 cm im Jahr voneinander entfernen, denn die Nordamerikanische Platte und die Eurasische Platte bewegen sich in Ost-West-Richtung auseinander. An der Grenze zwischen ihnen befindet sich ein lang gestreckter untermeerischer Vulkanrücken, durch welchen immer wieder Gesteinsschmelze empordringt, um die Lücke zwischen den Platten zu füllen. An der isländischen Halbinsel Reykjanes trifft der Mittelozeanische Rücken auf Land und die Spreizung geht in eine kompliziertere Verschiebung über, die sechs parallele Vulkangebiete entstehen ließ, die sich von Südwesten nach Nordosten über die Halbinsel ziehen. Diese Vulkangebiete der Reykjanes-Halbinsel waren in den letzten Jahrtausenden fast immer gemeinsam aktiv. Eruptionszyklen dauerten meist 200-300 Jahre an und brachten immer wieder Spaltenvulkane hervor.
Nach 800 Jahren relativer Ruhe erwachen nun die Vulkangebiete der Reykjanes-Halbinsel. Nachdem sie vor der ersten Eruption von über 50.000 Erdbeben erschüttert wurde, kam es am Abend des 19. März 2021 zu einer Spalteneruption. Bis heute (April 2024) folgten 6 weitere Ausbrüche, von denen der am 16. März 2024 begonnene Ausbruch zwischen den Bergen Sundhn�kur im Süden und dem St�ra-Sk�gfell im Norden zum jetzigen Zeitpunkt (April 2024) noch anhält.
Die Fotografin Kerstin Langenberger weilte beim ersten und auch beim derzeitigen Ausbruch in Island und dokumentierte den Vulkanausbruch in ihrem Blog (islandkerstin.blogspot.com). Neben spektakulären Bildern vom Vulkan selbst gelangen ihr auch seltene Aufnahmen von Leuchtenden Nachtwolken und Polarlichtern sowie einer Lichtsäule über der Vulkaneruption.
1 Lichtsäule über der ersten Ausbruchsstelle am 28.03.2021. An diesem Tag lag die
Höchsttemperatur bei -2 Grad C. Im Nebel über dem Vulkan bildeten sich Eisplättchen, an welchen sich der Lichtschein der Lava spiegelte.
10 | Journal für Astronomie Nr. 91
2 Höhenlichtsäule über dem jüngsten
Vulkanausbruch. Bei Temperaturen um 0 Grad C war es erst in der Höhe kalt genug, um Eiskristalle auszubilden. Deshalb ist nur der obere Teil der Lichtsäule zu sehen.
3 Während des zweiten Ausbruchs am
St�ri-Hr�tur traten in der Mitternachtsdämmerung am 06.08.2021 Leuchtende Nachtwolken auf, welche sich über der glühenden Lava am Himmel abzeichneten. Als Gegensatz zum heißen Vulkanausbruch am Boden benötigen Leuchtende Nachtwolken für ihre Entstehung in über 80 km Höhe Temperaturen unter -140 Grad C, welche nur in den Sommermonaten in der Mesopause auftreten können.
Atmosphärische Erscheinungen
4 Leuchtende Nachtwolken am 06.08.2021, wie Abb. 3
5 Polarlicht am 26.04.2021 über der ersten Spalteneruption am Fuße des Fagradalsfjall.
12 | Journal für Astronomie Nr. 91
Atmosphärische Erscheinungen
6 Polarlicht am 05.04.2024 über dem derzeit aktiven Ausbruch zwischen den Bergen
Sundhn�kur im Süden und dem St�ra-Sk�gfell im Norden.
7 Polarlicht am 05.04.2024, wie Abb. 6
Journal für Astronomie Nr. 91 | 13
Atmosphärische Erscheinungen
Eisnebel-Halophänomen im Fichtelgebirge
von Alexander Haußmann (Text) und Ruben Jakob (Bilder)
1 Seite 16: 04.12.2023, 00:31 Uhr MEZ -
Haloerscheinungen im Mondlicht: 22 Grad -Ring, beide 22 Grad -Nebenmonde, Zirkumzenitalbogen, Horizontalkreis, 46 Grad -Ring
2 Seite 17: 04.12.2023, 00:48 Uhr MEZ:
Weiterer Verlauf der rechten Seite des Horizontalkreises abseits der Halos in Mondnähe. Darauf zeigt sich zusätzlich der rechte 120 Grad -Nebenmond (weißer Lichtfleck nahe dem rechten Bildrand).
3 Seite 18: 04.12.2023, 01:57 Uhr MEZ:
Horizontalkreis auf der dem Mond gegenüberliegenden Himmelsseite mit beiden 120 Grad -Nebenmonden. Zusätzlich sind Lichtsäulen an entfernten Straßenlampen der Gemeinde Fichtelberg erkennbar.
Die Bilderstrecke zeigt eines der schönsten Eisnebel-Halophänomene der letzten Wintersaison, beobachtet und fotografiert von Ruben Jakob in der Nähe der Gemeinde Fichtelberg im Fichtelgebirge (Region Oberfranken in Bayern) in der Nacht vom 03. zum 04. Dezember 2023. Haloerscheinungen traten sowohl im Mondlicht (Abb. 1-3) wie auch an irdischen Lichtquellen (Abb. 3-6) auf.
An der benachbarten Wetterstation Fichtelberg/Oberfranken-Hüttstadl wurde um 01:00 Uhr MEZ eine Temperatur von -9,4 Grad C gemessen. Von Süden her schob sich immer wieder hochnebelartige Bewölkung hinein, die sich vor Ort auflöste und dabei die nötigen Eiskristalle bereitstellte. Ein Einfluss der im nahen Skigebiet laufenden Schneekanonen auf die Kondensation ist ebenfalls möglich.
4 03.12.2023, 18:22 Uhr MEZ: 22 Grad -Ring, oberer und unterer Berührungsbogen sowie
Nebenlampen im Fernlicht beider Autoscheinwerfer. Aufgrund der besonderen Eigenschaften von Halos durch nahe Lichtquellen ist nicht sicher, ob auch obere Lichtsäulen und der Horizontalkreis vorhanden waren (Berührungsbogen und Nebenlampen erscheinen perspektivisch mit den Lichtquellen verbunden).
Journal für Astronomie Nr. 91 | 17
5 03.12.2023, 22:16 Uhr MEZ - Seltene Haloarten auf der
lichtquellena bgewandten Himmelsseite: Der helle weiße Fleck ist die Gegenlampe bzw. Untergegenlampe (beide fallen für eine Lichtquelle mit Höhenwinkel von ca. 0 Grad zusammen), darüber das schmale V der Gegenlampenbögen von Greenler und Tränkle (auch ,,diffuse Bögen" genannt), umspannt von der großen Schlaufe von Trickers Gegenlampenbogen.
6 03.12.2023, 22:25 Uhr MEZ: Erscheinungen analog zu Abb. 4,
hier nun allerdings mit eindeutigem Horizontalkreis (da er sich ausgehend von der linken Nebenlampe weiter nach links erstreckt). Ruben Jakob berichtet zu dieser Beobachtung, dass Windstöße diejenigen Haloarten, die durch orientierte Kristalle entstehen (also alle außer dem 22 Grad -Ring), kurzzeitig verwischten oder gar zum Verschwinden brachten - ein Zeichen dafür, dass die Kristalle temporär aus ihren Vorzugslagen herausgeschüttelt wurden.
18 | Journal für Astronomie Nr. 91
Atmosphärische Erscheinungen
Mondkorona
- ein nächtliches Himmelsphänomen
von Bernhard Suntinger
Als ich am Donnerstag, dem 25.01.2024 früh abends mit dem Auto auf dem Nachhauseweg war, ahnte ich noch nicht, dass ich sogleich Zeuge eines faszinierenden, aber selten zu beobachtenden Himmelsphänomens werden würde.
Bei der Ankunft sandte ich den zur Routine gewordenen astronomischen Kontrollblick Richtung Nachthimmel. An diesem besagten Tag war Vollmond und das Mondlicht tauchte den Parkplatz und die Vorgartenbereiche in einen grauen fahlen Schein. Das Mondlicht wurde von einem feinen, über den gesamten Nachthimmel verteilten Wolkenschleier gestreut, wodurch schwache Sterne unsichtbar blieben. Trotzdem konnten einige helle Einzelsterne gesichtet werden.
Aber das wirklich Interessante dieser Szenerie war der außergewöhnlich erscheinende MOND. Zwei bunte, in Regenbogenfarben schillernde Lichtringe umgaben den hell erleuchteten Vollmond. Der Durchmesser des Phänomens betrug ca. 12-fachen Monddurchmesser. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was dieses Phänomen genau war. Ich war einfach sprachlos von der intensiven Farbenpracht und der Schönheit, so dass ich einfach minutenlang nur schaute und den Augenblick genoss.
Dann kam mir die Idee, das Gesehene mit einem schnellen Schnappschuss meines Fotohandys (Samsung Galaxy S22) festzuhalten. Freihändig richtete ich das Smartphone Richtung Mond aus und machte das erste Foto. Der Autofokus war ok, doch der Mond war leider völlig überbelichtet, wodurch der innere Lichtring überstrahlt wurde und am Foto unsichtbar blieb. Ich aktivierte den Nachtmodus der Samsung-FotoApp, ließ erneut automatisch fokussieren
1 Mondkorona über Graz (Österreich) am 25.01.2024 aufgenommen um 18:17 Uhr MEZ
mit einem Smartphone. (Bild: Bernhard Suntinger)
und hielt das Handy über die 4 Sekunden Belichtungszeit des Nachtaufnahmemodus ruhig. Bingo, die KI des Handys hatte automatisch die Überbelichtung des Mondes erkannt und korrigiert, so dass der Mond als runde, scharf abgegrenzte Scheibe abgebildet war und nun beide Lichtringe zu sehen waren (quasi gleich dem visuellen Anblick). Erst durch einen Zeitungsbericht in der Regionalzeitung am Samstag danach fand ich die Erklärung für das beobachtete Phänomen: eine Mondkorona. Hierbei handelt es sich um eine farbige Lichtbeugung des
Mondlichts an Wassertröpfchen in einer Wolkenschicht. Um solch ein Phänomen beobachten zu können, müssen einige Faktoren zusammenspielen. Die Wolken müssen eine gewisse Dichte aufweisen, dürfen aber nicht zu dicht sein. Ihre Tropfen sollten einen gewissen Durchmesser haben und man benötigt einen hellen Mond, im Idealfall einen Vollmond.
Egal wann und wie man in den Nachthimmel blickt, irgendetwas Spektakuläres gibt es immer zu entdecken.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 19
Atmosphärische Erscheinungen
Polarlicht im Ostallgäu/Bayern
von Michael Scheßl
1 Polarlicht am 05.11.2023 um 23:04 Uhr MEZ, Oberostendorf,
12 km südlich von Buchloe (Ostallgäu). Die Kamera war eine Olympus Pen E-PL9 mit manuellem Voigtländer-Nokton-Objektiv (10,5 mm Brennweite, Blende 0,95). Die Belichtungszeit des Fotos war 2,5 s bei ISO 5000. (Bild: Michael Scheßl)
Am Sonntag, dem 05.11.2023, gegen 22:45 Uhr schlug die Nordlichtmelder-App auf meinem Handy Alarm und zeigte einen Kp-Wert von 6,33 an. Schon die Tage davor war die Sonne in Richtung Erde sehr aktiv gewesen.
Mit meiner Kamera in der Hand ging ich auf einen unbeleuchteten Feldweg am Nordrand meiner Heimatgemeinde und schoss freihändig einige Fotos: Tatsächlich waren darauf rötliche Polarlichter am Nordhorizont zu sehen. Ich hatte in der Eile kein Stativ mitgenommen und rief zuhause meine Frau an, dieses mir schnell nachzubringen. Jetzt war ich perfekt ausgerüstet und
fotografierte mit unterschiedlichen ISO-Zahlen, zwischen 2500 und 5000, und Belichtungszeiten von 2 bis 3,2 Sekunden.
Es war toll, was da schon alles sichtbar wurde: dieser leicht rötliche Schleier am nördlichen Horizont, der immer wieder von Wolken durchzogen wurde. In unseren Breitengraden ist ein Polarlicht rötlich und zugleich sehr selten. Ich selbst hatte so etwas hier im Ostallgäu noch nie gesehen, und die letzten Polarlichtaufnahmen von meinen Vereinskollegen der Buchloer Sternwarte stammen aus dem Jahr 2003 (!).
20 | Journal für Astronomie Nr. 91
Atmosphärische Erscheinungen
Regenbögen auf anderen Himmelskörpern
von Alexander Haußmann
Wenn von der Atmosphärischen Optik die Rede ist, dann bezieht man sich normalerweise auf die Erde. Schließlich kennen wir unseren Heimatplaneten am besten und vor allem: Der Einstieg in die Beobachtung ist für jeden Interessierten mit geringem Aufwand möglich.
Allerdings wissen wir inzwischen auch einiges über die atmosphärischen Bedingungen auf anderen Planeten und Monden. Es ist eine durchaus spannende Frage, ob es dort eigentlich auch Regenbögen, Haloerscheinungen, Kränze, Glorien usw. gibt, und wie sich diese vom gewohnten Bild unterscheiden würden.
Zum Glück haben wir mittlerweile ein fundiertes theoretisches Verständnis der Erscheinungen und können damit voraussagen, was eine Landesonde auf der Oberfläche eines anderen Himmelskörpers ,,sehen" würde, auch wenn ganz andere chemische Stoffe als auf der Erde für die Erscheinungen verantwortlich sind. Andererseits können wir uns aber auch fragen, wie sich atmosphärische Erscheinungen ,,von außen", also aus Sicht einer Sonde in der Umlaufbahn bzw. im interplanetaren Raum oder im Extremfall gar beim Blick von der Erde auf einen Exoplaneten darstellen würden. Natürlich geht es dann nicht mehr um die schönen farbkräftigen Bögen und Ringe am blauen Himmel, die uns irdische Beobachter in ihren Bann gezogen haben. Vielmehr handelt es sich dann um das harte Brot der Analyse von hochspezialisierten Messdaten der Profiastronomen. Aber diese Messkampagnen zeigen, dass die Atmosphärische Optik nicht nur zum ,,Orchideenfach" taugt, sondern an der vordersten Front der Wissenschaft ihren Beitrag leisten kann. Für diesen Artikel habe ich mir zunächst die Regenbögen herausgegriffen - schließlich sind es die bekanntesten Erscheinungen der Atmosphärenoptik, und auch die
1 Simulationen von Haupt- und Nebenregenbogen für eine (auf der Erde) typische
Tropfengrößenverteilung. Erzeugt durch a) Wasser-Regentropfen auf der Erde, b) Tropfen aus flüssigem Methan auf Titan, c) Schwefelsäuretropfen auf der Venus. Die Darstellung entspricht der Projektion eines Fischaugenobjektivs mit 180 Grad Bildwinkel.
22 | Journal für Astronomie Nr. 91
Atmosphärische Erscheinungen
Strahlengänge des Sonnenlichts durch einen Wassertropfen mit Brechung beim Eintritt, einer oder zwei Reflexionen (für Haupt- oder Nebenbogen) an der Rückseite und Brechung beim Austritt haben vielleicht einige Leser in Erinnerung. Weniger bekannt ist wahrscheinlich, dass es sich um Extremalablenkungseffekte handelt. Der Ablenkwinkel des Lichtes unterscheidet sich je nach Auftreffpunkt auf den Tropfen, durchläuft aber jeweils ein Maximum oder Minimum. Dort kommt es zu einer Häufung von Strahlen, also einer Kaustik mit hoher Intensität, und außerdem zu Interferenzeffekten. Der Einfachheit halber kann man davon ausgehen, dass das Licht nur um einen konstanten Winkel abgelenkt wird (ca. 42 Grad für den Hauptregenbogen und 51 Grad für den Nebenregenbogen, s. Abb. 1a). Der konkrete Wert ist wellenlängenabhängig, woraus die Farbigkeit der Regenbögen resultiert. Die Reflexion an der Tropfenrückseite bewirkt beim Regenbogen zudem eine Polarisation in tangentialer Richtung. Dieser Effekt ist beim Hauptbogen in Wassertropfen besonders stark ausgeprägt, da die Reflexion nahe dem Brewster-Winkel erfolgt. Auch bei Flüssigkeiten mit ähnlichem Brechungsindex bleibt diese Eigenschaft erhalten.
ze und wenden sich nun nicht mehr das Rot zu, sondern das Blau bzw. Violett (Abb. 1b). Allerdings besteht das Problem, dass direktes Sonnenlicht auf Titan wohl selten ist, da der Himmel oft sehr trüb bleibt. Vielleicht sind die Chancen im Infraroten höher.
Und auf Venus? Das Thema ,,Regenbogen von außen" wurde bereits in den 1970ern aufgegriffen, als es um die Untersuchung von Messdaten der dichten Schwefelsäure-Wolkenschicht auf der Venus aus Sicht der Erde ging [3]. Zwei Fakten sind zuvor jedoch noch zu diskutieren: Zum einen entsteht ein normaler Regenbogen auf der Erde nicht in Wolkentröpfchen, sondern den viel größeren Regentropfen. Es gibt aber tatsächlich auch
einen echten Wolkenbogen bzw. Nebelbogen, dieser erscheint aufgrund von Beugungseffekten an den kleinen Tröpfchen jedoch so gut wie farblos, viel breiter und mit geringfügig kleinerem Winkelradius. Dasselbe Prinzip greift auch bei den Schwefelsäuretröpfchen in den Venuswolken.
Zweitens verändert sich die Beobachtungsgeometrie, wenn der Abstand der Tröpfchen zum Beobachter (bei irdischem Regenbogen wenige Meter bis Kilometer) nicht mehr vernachlässigbar zum Abstand zwischen Beobachter und Lichtquelle (beim irdischen Regenbogen 150 Millionen km) ist. Einzelheiten dazu sind in [4] zu finden und in der Abbildung 2 skizziert. Hier ist vor allem wichtig: Um einen Wolken-
Regenbögen auf Titan Ein Beispiel für eine solche Flüssigkeit ist Methan auf dem Saturnmond Titan, wie sich nach der Landung der ESA-Sonde Huygens im Januar 2005 zeigte [1]. Der Brechungsindex von flüssigem Methan liegt im Bereich von 1,271 bis 1,280 (für Wellenlängen zwischen 700 nm und 400 nm) [2] und ist damit niedriger als derjenige von Wasser (1,330 bis 1,343). In der Konsequenz sollte der Hauptregenbogen in seiner Winkelgröße (gemessen ab dem Sonnengegenpunkt, also dem Schatten der Kamera) anwachsen und der schwächere Nebenregenbogen schrumpfen. Somit wechseln beide die Plät-
2 a) Allgemeine Regenbogengeometrie zwischen Beobachter B und Lichtquelle L. Die
Kreissegmente kennzeichnen diejenigen Orte, an denen sich Tropfen aufhalten müssen, um Licht unter konstantem Ablenkwinkel zum Beobachter zu leiten. In drei Dimensionen ergibt sich daraus ein Rotationskörper in Apfelform. b) Verhältnisse beim Regenbogen auf der Erde (E) im Licht der Sonne (So). Als lokale Näherung der Spitze des Rotationskörpers ergibt sich der bekannte Regenbogenkegel mit dem Öffnungswinkel a und damit aus der Perspektive des Beobachters in der Kegelspitze der bekannte ringförmige Regenbogen auf der sonnenabgewandten Himmelsseite. c) Verhältnisse beim Regenbogen auf einem Exoplaneten (P), der um einen Stern (St) umläuft. Wird beim Umlauf zu einem Zeitpunkt das Kreissegment geschnitten, erreicht Regenbogenlicht die Erde (E) unter einem Winkel . Dieser steht in keiner direkten Beziehung mehr zu und kann mit wachsender Entfernung des Sterns auch beliebig klein werden.
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Atmosphärische Erscheinungen
bogen auf der Venus zu beobachten, muss diese nicht wie die irdischen Wassertropfen auf der sonnenabgewandten Himmelsseite stehen - was im Übrigen von der Erde aus auch gar nicht möglich ist. Lediglich am streuenden Tröpfchen auf der Venus muss zwischen einfallendem und austretendem Licht der passende Regenbogenwinkel eingeschlossen sein. Natürlich ist kein sichtbarer Effekt zu erwarten, der in irgendeiner Form an den gewohnten Regenbogen erinnert. Lediglich beim Erreichen bestimmter Phasenwinkel kommt es zu einer Veränderung der Venushelligkeit - allerdings beinhaltet dieses Streulicht dann auch die charakteristische Polarisationssignatur des Regenbogens, die messtechnisch nachgewiesen werden kann.
Um aber dennoch zur hypothetischen Innensicht zu wechseln: Für konzentrierte Schwefelsäure sind Brechungsindizes im Bereich von 1,432 bis 1,446 zu erwarten [5]. Ein Beobachter auf dem Venusboden würde im Schwefelsäureregen einen kleineren Hauptbogen und größeren Nebenbogen sehen können (s. Abb. 1c). Dies entspricht schon beinahe den Verhältnissen für Glasperlen, die übrigens ein bequemes Demonstrationsmedium für Regenbögen darstellen [4]. Abgesehen vom aggressiven Klima auf der Venusoberfläche dürfte aber wiederum das Hauptproblem sein, dass kein direktes Sonnenlicht durch die Wolken dringt.
Extrem: Exoplaneten Ein extremer Fall der ,,Außenansicht" stellen Exoplaneten dar. Mittlerweile kann deren Licht vom direkten Sternenlicht getrennt untersucht werden, auch wenn der Winkelabstand zwischen beiden Objekten extrem klein ist und nichts mehr direkt mit dem Ablenkwinkel der Regenbogenstreuung zu tun hat. Nichtsdestotrotz wird die notwendige Winkelbedingung für Regenbögen während des Umlaufs des Planeten
um seinen Stern mit periodischer Regelmäßigkeit erfüllt (s. Abb. 2c).
Ein tiefes menschliches Bedürfnis ist die Suche nach einer ,,zweiten Erde" mit ähnlichen Lebensbedingungen. Da es solch einen Planeten oder Mond in unserem Sonnensystem nicht gibt, fokussiert sich das Interesse verständlicherweise auf die Exoplaneten. Der Nachweis des Vorhandenseins von flüssigem Wasser in der Atmosphäre ist dabei ein entscheidendes Kriterium, und auch hier kann wieder nach dem Polarisations-Fingerabdruck des Regenbogen- oder besser Wolkenbogenlichtes gesucht werden. Mittlerweile wurde auch bereits untersucht, wie mögliche Eiswolken über den Wolken aus flüssigen Wassertöpfchen diese Messungen beeinflussen können [6] und wie sie sich mit dem Glitzern von Ozeanen auf der Planetenoberfläche bei streifendem Einfall des Sternenlichts kombinieren lassen [7].
Was gibt es noch? Mit den Eiswolken ist eigentlich schon das Thema weiterer atmosphärischer Erscheinungen jenseits des Regenbogens angerissen. Diese haben einen eigenständigen Fortsetzungsartikel verdient, der u. a. die Geschichte der Vorhersage von Haloerscheinungen in CO2-Kristallen (Trockeneis) auf dem Mars und den kürzlich erfolgten Nachweis eines normalen 22 Grad -Rings in hexagonalem Wassereis während der Perseverance-Mission erzählt. Dann gibt es noch den Nachweis von Glorien in den Venuswolken und ganz aktuelle Spekulationen über Glorien auf Exoplaneten, auf denen es flüssiges Eisen regnen soll [8] - und das, obwohl Glorien eigentlich transparente Tröpfchen voraussetzen. Die wissenschaftliche Diskussion bleibt auf alle Fälle spannend!
Literatur- und Internethinweise (Stand: 31.05.2024): [1] T. Philips, 2014: "Rainbows on Titan",
www.firstscience.com/SITE/ ARTICLES/rainbowsontitan.asp
[2] M. Polyanskiy, 2024: "Refractive Index Database", https://refractiveindex.info/?shelf= organic&book=methane&page= Martonchik-liquid-111K
[3] J. E. Hansen und J. W. Hovenier, 1974: "Interpretation of the Polarization of Venus", J. Atmos. Sci. 31, 1137-1160
[4] A. Haußmann, 2016: "Rainbows in nature: recent advances in observation and theory", Eur. J. Phys. 37, 063001
[5] K. F. Palmer and D. Williams, 1975: "Optical Constants of Sulfuric Acid; Application to the Clouds of Venus?", Appl. Opt. 14, 208-219
[6] T. Karalidi et al., 2012: "Looking for the rainbow on exoplanets covered by liquid and icy water clouds", Astron. Astrophys. 548, A90
[7] S. R. Vaughan et al., 2023: "Chasing rainbows and ocean glints: Inner working angle constraints for the Habitable Worlds Observatory", Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 524, 54775485
[8] O. D. S. Demangeon et al., 2024: "Asymmetry in the atmosphere of the ultra-hot Jupiter WASP-76 b", Astron. Astrophys. 684, A27
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Atmosphärische Erscheinungen
44. AKM-Treffen 2024 in der Sternwarte Sonneberg
von Peter Lindner
Die Sternwarte Sonneberg in Thüringen (Abb. 1) verbindet der Astronomie-Interessierte sofort mit der einstigen intensiven Beobachtung von Veränderlichen und Meteoren. Größen wie Cuno Hoffmeister (Gründer der Sternwarte), Paul Ahnert oder Rudolf Brandt wirkten hier, um nur einige zu nennen, und man kann den Spirit immer noch fühlen.
Mit 34 Teilnehmern vor Ort (Abb. 2) und mit bis zu 35 Online-Teilnehmern war das Treffen vom 15. bis 17.03.2024 wieder sehr gut besucht. Am Freitagabend fasste Andreas Möller in seiner Präsentation alle bisherigen Erkenntnisse über den Aufreger des Jahres 2024 zusammen: Der Meteoritenfall von Ribbeck am 21.01.2024: Es ist das achte Mal, dass ein kleiner Asteroid mit
1 Teilansicht der Sternwarte Sonneberg,
im Hintergrund das Astronomiemuseum
Ansage in die Erdatmosphäre eindringt. In diesem Fall liegen von der Entdeckung bis zum Eindringen in die Erdatmosphäre gerade einmal rund 3 Stunden! Pünktlich gegen 01:32 Uhr MEZ konnte man das Er-
2 Die Teilnehmer der 44. AKM-Treffens
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Atmosphärische Erscheinungen
Die Vorträge am Sonnabend wurden von Elmar Schmidt eröffnet. Er wertete, wie jedes Jahr, die im AKM-Forum eingestellten Zirkumhorizontalbögen des Jahres 2023 aus.
3 Die von AKM-Mitgliedern gefundenen Ribbeck-Meteorite
Wolfgang Hinz fasste die systematischen Halo-Beobachtungen 2023 zusammen. Der AKM beobachtet nun schon seit 1979 systematisch Halos; es liegen somit kontinuierliche Beobachtungen über 45 Jahre vor. Zusammengefasst war 2023 ein Halojahr mit wenigen Höhepunkten.
eignis durch die Vorwarnung mit bloßem Auge sehen, dessen Endpunkt westlich von Berlin berechnet wurde. Einige AKMler machten sich noch am gleichen Tag auf den Weg, um erste Suchaktionen durchzuführen. Schließlich hatten wir durch unser AllSky7-Kameranetzwerk den Vorteil, hochpräzise Berechnungen für das mögliche Streufeld durchführen zu können, unterstützt von Mike Hankey aus den USA. Sechs Tage nach dem Meteoritenfall wurden auch wir vom AKM fündig. Uns gelang es, mehrere Meteoriten mit einer Masse von bis zu 20 g zu finden. Einige Exemplare wurden für wissenschaftliche Zwecke zur Untersuchung gegeben (VKTA-Labor Dresden, Universität Münster, Naturkundemuseum Berlin), aus denen wissenschaftliche Publikationen unter AKM-Beteiligung entstehen werden. Verblüffend deckten sich die Funde mit dem berechneten Streufeld, ein riesiger Pluspunkt für das AllSky7-Meteornetzwerk! Auch bei späteren Suchaktionen von AKM-Mitgliedern wurden immer wieder Meteoriten gefunden. Für den AKM war das eine gelungene Aktion.
Meteoriten. Ebenso erging es Mike Hankey (USA), der uns bei der Suche mit aktuellen Daten online unermüdlich unterstützte. Hier spendete Peter Lindner einen seiner gefundenen Meteoriten. Nach dem Vortrag gab es viele gefundene Ribbeck-Meteoriten zum Anschauen (Abb. 3). Unter Zuhilfenahme einer UV-Lampe (365 nm) wurden verschiedene, teils kristalline Mineralien erkennbar, die man unter normalem Tageslicht so nicht sehen konnte. Der Ribbeck-Meteorit ist ein unglaublich spannender Meteorit!
Interessant wurde es bei dem Vortrag von Alexander Haußmann. Auf einem Video der AllSky7-Station AMS 88 (P. Lindner) war ein Mond-Halo und zusätzlich ein vom Meteor erzeugter Halo zu sehen. Davon gibt es weltweit weitere Aufnahmen. Feuerkugel-Halos sind selten, aber sie sind seit 2005 dokumentiert.
Der erste Online-Vortrag kam von Georg Dittie. Mit Versuchen seiner neuen AllSky-Kamera erfüllte er sich einen jahrzehntelangen Traum. Im Keller schlummert bereits eine vor Jahren gebaute Plexiglaskuppel, in der die Kamera mit einem Fis-
Und es gab noch zwei Überraschungen: Sirko Molau ,,opferte" sich bei den Suchaktionen und suchte vorrangig nach möglichen großen Bruchstücken, wobei er leer ausging. Andreas Möller überraschte ihn und schenkte ihm einen seiner gefundenen
4 Peter Kroll beim Einführungsvortrag zur Sternwartenbesichtigung
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Atmosphärische Erscheinungen
heye-Objektiv Platz finden soll. Seine ersten Aufnahmen, die er präsentieren konnte, waren erst wenige Tage alt, geschuldet dem miesen Himmel der letzten Wochen.
,,Meteore 2023 im Auge des Betrachters" lautete Jürgen Rendtels erster Vortrag. Etwa 200 visuelle Beobachter weltweit teilen ihre Ergebnisse, davon 17 Beobachter in Deutschland, an 54 verschiedenen Beobachtungsorten. Allein Ina Rendtel brachte es 2023 durch ihre Reisefreude auf 38 Beobachtungsorte, Respekt! Jürgen erwähnte, dass die Beobachtung alter Staubspuren der Perseiden bzw. der Leoniden in diesem Jahr (2024) spannend sein könnten. Der Überraschungsgast wurde online mit ,,P.H.: S." angekündigt. Die Überraschung gelang, denn mit Paul Hombach, der sich als Musiker Gedanken über die Vertonung astronomischer Daten machte, wurde ein interessantes Kapitel aufgeschlagen. Man nennt diese Art ,,Sonification" (,,Verklanglichung"). So vertonte Paul den Merkur, das Planetensystem, das Osterdatum, Venusdurchgänge, Pulsare, die SoFi in Mexiko, als Heavy-Metall-Variante den Meteoritensturm 1998 in der Mongolei und sogar den Meteoritenfall von Ribbeck.
Nach einer Einführung durch Peter Kroll (Abb. 4) wurde die Sternwarte, die 2016 vom Astronomiemuseum e. V. übernommen wurde und 2025 ihr 100-jähriges Bestehen feiert, besichtigt. Thomas Müller (Museumsleiter) und Peter Kroll (4pi Systeme GmbH) führten durch die Räume. Im Ausstellungsbereich gab es viel Wissenswertes, u. a. eine reichhaltige Meteoritenschau. Viele der astronomischen Beobachtungsgeräte konnten besichtigt werden und natürlich das Plattenarchiv der Himmelsüberwachung, das derzeit bereits zu ca. 90% digitalisiert ist (Abb. 5).
Danach folgten weitere Vorträge (Abb. 6). Elmar Schmidt und Christoph Gerber dis-
5 Besichtigt wurde auch das weltweit zweitgrößte Plattenarchiv
kutierten in ihrem Vortrag ,,Modell und Beobachtungen für visuelle Grenzhelligkeiten am Tages- und Nachthimmel" die Möglichkeiten und Voraussetzungen, wie man gerade noch mit guten, aber ,,unbewaffneten" Augen Punktobjekte am Himmel wahrnehmen kann.
Sirko Molau sprach über die Meteoraktivität und neue Erkenntnisse zur Flussdichtemessung von Meteoren. Hier baute er teilweise auf seinen Vorjahresvortrag auf, in dem kurzperiodische Variationen der Quadrantiden sichtbar waren. Die Fragen,
handelt es sich hierbei um Artefakte, was ist dabei Signal und was ist Rauschen, konnte er unter Zuhilfenahme seines Programms ,,MeteorFlux" lösen und zeigen, dass es sich hierbei wirklich nur um Artefakte beim Binning und um Grundrauschen handelte.
Durch eine wissenschaftliche Arbeit von A. Sihaj und A. Loeb (2020) über subrelativistische Meteore ließ sich Peter Kroll inspirieren. Er erläuterte den Grundansatz dieser Idee bis hin zu, ob es mit unserer digitalen Technik heutzutage möglich wäre, solch subrelativistische Meteore nachzuweisen.
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Atmosphärische Erscheinungen
6 Blick in den Vortragsraum
In seinem zweiten Vortrag, ,,Begegnungen auf dem Acker" ging Jürgen Rendtel anhand verschiedener Beispiele auf das Thema Gruppendynamik ein, z. B. beim Enthusiasmus bei der Meteoritensuche Ribbeck, der Faszination der Pünktlichkeit beim gemeinsamen Suchen, dem produktiven, gemeinsamen Beobachten der Leoniden in der Mongolei sowie der Disziplin der Zuarbeiten für das monatliche Erscheinen von METEOROS.
Am Abend lud die Sternwarte Sonneberg zum Grillen ein. Er wurde flächendeckend mit Thüringer Spezialitäten bestückt. Einfach lecker! An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an das Sternwarten-Team! Danach waren alle bereit für den letzten Teil des Tages. Ulrich Sperberg nahm uns mit auf eine Reise zu historischen Kuriositäten. Der Titel lautete: ,,Capra saltans - die Meteore vom 9. Februar 1913 und der Versuch einer Klärung". Capra saltans ist eine ,,springende Ziege". Es geht um ,,aufsteigende" Meteorbahnen, ja sogar um solch ominösen Fälle, bei denen gestandene Astronomen von ,,hüpfenden" oder sogar wieder aufsteigenden Meteoren berichteten.
Zum Abschluss des Tages gab es die ,,Best of "-Bildershow. Jeder hatte die Chance, seine fünf besten Bilder des Jahres zu präsentieren.
Der Vortragsteil am Sonntag begann mit Mario Kadlicik. Er referierte über die Auswertung seiner Meteoraufnahmen, die er mitten in der lichtüberfluteten Stadt Berlin gewinnt, wo man visuell ohnehin kaum Chancen hat. Mit einem selbstgeschriebenen Python-Programm nimmt er Korrekturen vor, bestimmt die Radianten und
ordnet die Meteore den entsprechenden Meteorströmen zu. So konnte er auch eindeutig nachweisen, dass 2023 die Sichtbedingungen durch die massiven Waldbrände beeinflusst wurden.
Was machen Meteorbeobachter, die ihren Urlaub gleichzeitig in Schweden verbringen, jedoch an verschiedenen Orten? Sie beobachten Polarlichter. Sabine und Frank Wächter sowie Ina Rendtel berichteten über die ,,Parallele Beobachtung des Polarlichtes am 12.09.2023". Während Familie Wächter mehr ,,seitlich" auf das Polarlicht schaute, war Ina ,,mittendrin", was sich farblich und strukturell auf die Polarlichterscheinung auswirkte. Viele beeindruckende Bilder und Videos rahmten den Vortrag ein.
Passend dazu fasste Andreas Möller das Polarlichtjahr 2023 zusammen. Er erläuterte verschiedene weniger bekannte Formen von Polarlichterscheinungen wie ,,SAR-Bogen", ,,RAGDA", ,,GBR" oder ,,Steve", die nun systematisch nachgewiesen werden konnten.
,,Sonnenfinsternis, Halos und die Sicherheit des Staates", so war der geheimnisvolle Titel von Andre Knöfel, den er als eine Art ,,Zeitreise" den Zuhörern näherbrachte. Es gab vor langer Zeit die totale Sonnenfinsternis am 31.07.1981 in Sibirien. Jung und wissbegierig wollte er u. a. meteorologische Messungen zur Finsternis durchführen. Vor Ort traf er auf Hartwig Lüthen aus dem damaligen Westdeutschland, der ihm erzählte, dass in der Nähe auch der bekannte Schweizer Sonnenforscher Professor Max Waldmeier beobachtete. Natürlich kam man ins Gespräch und eine gemeinsame Veröffentlichung der Beobachtungsdaten wurde verabredet. Als Anwärter auf eine
Anstellung der meteorologischen Stelle am Flughafen Berlin-Schönefeld musste der ,,Kontakt mit Personen aus nichtsozialistischen Ländern" gemeldet werden, was er auch tat ... Nach einigen Gesprächen und IM-Berichten an die Stasi wurde seiner Anstellung doch noch entsprochen. Während seiner Armeezeit versäumte er die Einsendung einer Halo-Beobachtung und gab ein Telegramm mit folgendem Inhalt auf: ,,06184 0210112050056300120233223 ///02". Jeder Halo-Beobachter kannte diesen Code, nicht aber die Staatssicherheit! Welche Staatsgeheimnisse werden hier codiert verraten? Dieses Telegramm ist noch in seiner Akte erhalten und somit auswertbar! Die letzten beiden Vorträge hatten wieder Meteoriten als Thema. Ina Rendtel berichtete über erste Ergebnisse der Uni Münster zum Ribbeck-Meteoriten und zeigte Aufnahmen des Meteoriten in verschiedenen Wellenlängen.
Bei Wächters ging es um den Meteoriten Elmshorn. Sie besuchten zum ,,Tag der Wissenschaften" in Dresden das VKTA-Labor in der ehemaligen Felsenkeller-Brauerei, in dem ein Exemplar des Meteoriten auf Nuklide untersucht wurde.
Andreas Möller überraschte den Museumsleiter Thomas Müller, der nun auch einen echten Ribbeck-Meteoriten in seiner Ausstellung zeigen kann.
Es bleiben die interessanten Eindrücke vor Ort, die vielseitigen Themen und die persönlichen Gespräche im Gedächtnis. Das Astronomiemuseum ist auf alle Fälle eine Reise wert. Auf ein Neues in Bad Kissingen 2025 ...
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Vorschau
Vorschau auf astronomische Veranstaltungen
ab 2024
zusammengestellt von Werner E. Celnik aus vorliegenden Informationen (Angaben wie immer ohne Gewähr)
Bitte informieren Sie sich beim Veranstalter, ob die Veranstaltung, an der Sie interessiert sind, auch tatsächlich stattfindet, und wenn ja, in welcher Form.
VEREINIGUNG DER STERNFREUNDE
Aktuelle Informationen im Terminkalender der VdS
unteVrEREIwNIGUwNG w.sternfreunde.de/events/
DER STERNFREUNDE
Oktober 2024
Erste Termine im Oktober s. VdS-Journal für Astronomie 90.
SA, 12.10.2024
Hofer Sternfreundetreffen 2024
Ort: Sternwarte Hof, Egerländerweg 25, 95032 Hof, 9-18 Uhr, Veranstalter: Förderverein der Sternwarte Hof e.V. Sternfreundetreffen mit hochkarätigen Vorträgen als Forum zum Gedankenund Erfahrungsaustausch sowie zum Knüpfen und Intensivieren von Kontakten unter Gleichgesinnten. Info: www.sternwarte-hof. de/de/veranstaltungen/hst/hst-2024
VEREINIGUNG
SA, 19.10.2024 VEREINIGUNG
DER STERNFREUNDE
DER STERNFREUNDE
Astronomietag 2024
Ort: überall. Koordination: Vereinigung der Sternfreunde e.V.
Am Astronomietag bieten Sternwarten, Vereine, Planetarien, For-
schungsinstitute, Museen und Einzelpersonen aus dem gesamten
deutschen Sprachraum zahlreiche Aktivitäten an, damit die allge-
meine Öffentlichkeit einen Einblick in die Astronomie bekommt
und den Sternhimmel live erleben kann - zentral koordiniert von
der VdS. Der Astronomietag 2024 findet zur besten Sichtbarkeit des
Ringplaneten Saturn statt, mit dem Mond in der Nähe der Plejaden
und dem Kometen C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) am Abend-
himmel. Info: https://astronomietag.de/
SA, 19.10.2024
Praktischer astronomischer Samstag (PaS) 2024
Ort: Sternwarte u. Planetarium Neuenhaus, Veldhausener Str. 46, 49828 Neuenhaus. Veranstalter: Astronomischer Verein der Grafschaft Bentheim. Amateurastronomische Fachtagung. Den Besucher erwarten abwechslungsreiche Vorträge sowie ein reger Erfahrungsaustausch. Präsentationen vom ,,Alten Hasen" bis zum ambitionierten Einsteiger sowie ein breit gefächertes Vortragsspektrum lassen einen abwechslungsreichen Tag erwarten. Der PaS findet immer am dritten Samstag im Oktober statt. Eintritt frei. E-Mail: info@avgb.de, Info: https://avgb.de/termine/praktischerastronomischer-samstag-pas/
November 2024
DO, 07.11. - SA, 09.11.2024
Bundesweite Lehrerfortbildung Astronomie in Heidelberg 2024 Ort: Haus der Astronomie, Königstuhl 17, 69117 Heidelberg. Veranstalter: Haus der Astronomie. Vortragsprogramm, Workshops, Anregungen für die Unterrichtspraxis, Beiträge zur Fachwissenschaft und Fachdidaktik, Erfahrungsaustausch. Vorab-Anmeldung per E-Mail erforderlich. Info: www.haus-der-astronomie.de/ fortbildungen/bundesweit
DO, 07.11. - SO, 10.11.2024
Teleskoptreffen Herbst Süd/Schwaben (TTHS)
Ort: Campingplatz Lauberg, Hinter Lau 7, 72587 Römerstein. Veranstalter: Hannes Hase-Bergen. Der Saisonabschluss des Teleskoptreffen-Jahres auf der schwäbischen Alb - mit dem dunklen Himmel trotz guter Erreichbarkeit von Stuttgart aus, guter Südsicht und guter Campingplatz-Infrastruktur. Bei zunehmendem Halbmond kann man mit Mond & Planeten einsteigen und dann bei ca. 13-14 Stunden langer Nacht den aufziehenden Winterhimmel erwarten - auf 760 m Höhe kann es da aber auch schon etwas kühler werden. Info: http://amateurastronomie.com/teleskoptreffenTTS/ index.htm
VEREINIGUNG
SA, 16.11.2024 VEREINIGUNG
DER STERNFREUNDE
DER STERNFREUNDE
41. Bochumer Herbsttagung (BoHeTa) 2024
Ort: Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstraße 150, 44801 Bo-
chum. Einlass ab 9 Uhr, Beginn 10:00 Uhr, Ende ca. 18 Uhr. Ver-
anstalter: VdS-Fachgruppe Astrofotografie und Astronomisches
Institut der Ruhr-Universität. Vortragsprogramm aus allen Berei-
chen der Amateurastronomie, außerdem der Reiff-Vortrag und die
Verleihung der Reiff-Förderpreise für Amateur- und Schulastrono-
mie. Ein wesentlicher Aspekt der Tagung ist das gemeinsame Mit-
einander, die diversen persönlichen Gespräche in den Pausen, im
Foyer, beim Mittagessen und beim gemütlichen Tagungsausklang.
Beitragsanmeldungen sind erwünscht!
E-Mail: fg-astrofotografie@vds-astro.de, Info: http://boheta.de/
SA, 16.11.2024
WAA-Jahrestagung 2024
Ort: Albert Schweitzer Haus, Schwarzspanierstr. 13, Wien 9, Österreich. 14-21 Uhr. Veranstalter: Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. Die Jahrestagung der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie mit Fachvorträgen aus der astronomischen Forschung und verwandten Bereichen und Beiträgen der Mitglieder über ihre Arbeit und Projekte. Die Generalversammlung der WAA wird im Anschluss abgehalten. Info: www.waa.at/feat_program/prog_jahrestagung.shtml
SA, 30.11.2024
27. Hattinger Astronomie- und Trödeltag (HATT)
Ort: Gebläsehalle der Henrichshütte, Werksstr. 31-33, 45527 Hattingen. Messe, Ausstellung und Gebrauchtmarkt für Amateurastronomen, Erfahrungsaustausch und Fachvorträge. Veranstalter: Volkssternwarte Hattingen e.V., Info: www.sternwarte-hattingen. de/hatt.htm
Dezember 2024 - Januar 2025
Bis zum Redaktionsschluss lagen keine Termine vor.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 29
Amateurteleskope/Selbstbau
Meine Balkonsternwarte - eine Idee
von Dietmar Stache
Bei vielen meiner Freunde und Bekannten - auch bei mir selbst - beobachte ich mit zunehmendem Alter einen Hang zur Bequemlichkeit. Eine früher ganz selbstverständliche Verabredung zu einer gemeinsamen Beobachtungsnacht abseits der Stadt bedeutet heute eine Überwindung, der ich mich inzwischen nur noch ungern aussetze. Mit inzwischen 77 Lebensjahren gehöre ich noch der Generation der Astrofotografen an, die damals mit hypersensibilisierten Filmen versucht haben, dem Schwarzschildexponenten der zu dieser Zeit gebräuchlichen Kleinbild- und Rollfilme ein Schnippchen zu schlagen. Das Nachführen einer Aufnahme geschah dann nicht automatisiert (Autoguiding), sondern mittels ständiger Überwachung der Sternbewegung in einem Fadenkreuzokular. Die nötigen Korrekturen in Rektaszension und Deklination erfolgten händisch über ein Nachführkästchen mit Steuerungstasten. Die Haltung am Okular führte dann beson-
ders in kalten Nächten dazu, dass man sich einen steifen Rücken geholt hat.
Daher bin ich für die Fortschritte in der digitalen Aufnahme- und Bildbearbeitungstechnik besonders dankbar, denn diese haben die Möglichkeiten erfolgreicher Astrofotografie auch unter stetig schlechter werdenden Sichtbedingungen gravierend verbessert und erheblich vereinfacht. Darüber hinaus hat der Klimawandel meine durch Lichtverschmutzung schon immer suboptimalen Beobachtungsbedingungen am südlichen Rand Krefelds nochmals verschlechtert, so dass ich schon vor Jahren, in Ermangelung eines eigenen Gartens, die Idee einer Balkonsternwarte entwickelt und mich der Astrofotografie zugewendet habe, zumal sich heute dank fortgeschrittener Filtertechnologien auch unter weniger guten Sichtbedingungen ansprechende Bildergebnisse erzielen lassen.
1 Die PVC-Schutzhülle der Montierung
wurde von einer Werkstatt für LKW-Planen angefertigt.
2 Die Ausrüstung ist montiert und aufnahmebereit. Art, Helligkeit und Ausdehnung des Aufnahmeobjektes bestimmen
die zu benutzende Ausrüstung.
30 | Journal für Astronomie Nr. 91
Amateurteleskope/Selbstbau
3 Ein Blick in die Steuerbox mit Monitor, Mini-PC, USB-Hubs
und diversen 12-Volt-Anschlussbuchsen
4 Der via VNC-Server gespiegelte Bildschirm der Steuerbox auf
meinem Notebook während einer Aufnahmesession mit allen wichtigen Aufnahmeparametern und Bedienelementen
Umsetzung einer Idee Das zunächst wichtigste Einzelteil bei der Verwirklichung meiner Balkonsternwarte war eine Metallsäule, die eine Metallwerkstatt nach meinen Angaben gefertigt hatte. Die Säule hat oben einen Verbindungsflansch für den Montierungskopf und unten zwei Metallplatten, deren Abstand sich mit Hilfe von sechs Schrauben nach dem Push/Pull-System verändern lässt, so dass das ganze System in Bezug auf die Balkonfläche nivellierbar ist. Die Säule trägt seit 2015 eine parallaktische Montierung des Typs 10Micron GM1000, die seitdem im Winter wie im Sommer klaglos unter einer schützenden Plane auf ihren Einsatz wartet (Abb. 1). Sollte es der Himmel wieder einmal zulassen, muss ich nur noch eines meiner Teleskope auf der Montierung befestigen, mein Aufnahme-Equipment aufbauen bzw. anbringen und kann mit der Astrofotografie beginnen (Abb. 2).
Für die Wahl meiner Ausrüstung war entscheidend, dass Auf- und Abbau schnell und unkompliziert vonstattengehen müssen. Die Montierung besitzt eine WLANSteuerung, die sich über ein Heimnetzwerk bedienen lässt, so dass nur noch das Teleskopequipment, Kamera, Fokussierer und Filterrad über die Aufnahmesoftware aus der Wohnung heraus zu steuern sein sollten. Meine Fernsteuerung besteht daher im Wesentlichen aus zwei Elementen - einem, das sich nahe der Säule auf dem Balkon befindet, und einem weiteren, das in der Wohnung bleiben kann. Die Außensteuerung habe ich daher in eine Kunststoffbox gebaut. Sie besteht aus Stromversorgung und -verteilung, Mini-PC, Steuerung für den Schrittmotorfokussierer und 2 USBHubs, so dass nur noch die Kabel für Kameras, Filterrad und Schrittmotorfokussierer herausgeführt und am Teleskop angeschlossen werden müssen (Abb. 3). Auf dem Mini-PC befindet sich die komplette
Bedienungs- und Aufnahmesoftware sowie ein VNC-Server (Virtual Network Computing), der mit meinem Notebook innen, auf dem sich ein VNC-Viewer befindet, über das Heimnetzwerk verbunden wird. Durch die VNC-Software lässt sich der Balkon-PC über das Notebook von innen per Maus so steuern, als säße man draußen: Man hat den Monitor des Balkon-PCs unmittelbar vor sich. Als VNC-Software verwende ich UltraVNC oder AnyDesk (Abb. 4). AnyDesk benötigt das Internet, UltraVNC nicht. Beide Programme sind kostenlos. Im Deckel der Box befindet sich ein Monitor, so dass ich alles auch darüber bedienen kann. Außerdem ist die ganze Box auch mobil einsetzbar, wenn ich sie an meinen E-Bike-Akku über einen Step-Down-Wandler anschließe.
Den Mini-PC habe ich so eingerichtet, dass er nach Einschalten der Stromversorgung bootet (im BIOS), das lästige Windows-
Journal für Astronomie Nr. 91 | 31
Amateurteleskope/Selbstbau 32 | Journal für Astronomie Nr. 91
5 Mein 135-mm-Teleobjektiv von Samyang
mit Fokussiermotor und Riemenantrieb
Passwort übergeht und das VNC-Programm automatisch nach Eintragen in die Windows-Autostartdatei hochfährt. Die 10Micron GM1000 sucht sich selbst das zugewiesene WLAN und lässt sich über ein Keypad komplett steuern. Ein GPS-Modul habe ich damals preiswert bei Amazon gekauft, so dass Zeit und Koordinaten des Beobachtungsortes nach Hochfahren der Montierung bereitstehen. Nach Aktivieren des VNC-Viewer-Programms auf dem Steuerungscomputer ist damit das System einsatzbereit, so dass es draußen ruhig kalt sein darf, denn alles lässt sich nun bequem aus dem Warmen bedienen und auf dem Bildschirm beobachten.
Meine Selbstbauprojekte Jeder der Okularauszüge meiner Teleskope ist mit einem von mir selbst entwickelten Schrittmotorfokussierer (WINStepFokus) ausgestattet, den ich an die Mikrofokussierung der Okularauszüge angeflanscht habe, so dass ich mittels eines eigenen ASCOMTreibers (ASCOMStepFokus) und entsprechender Software (NINA, MaxIm DL, SharpCap) auch automatisch von innen fokussieren kann (Abb. 5, 6 und 7).
Eine weitere Erleichterung stellt mein neuestes Selbstbauprojekt, ein LED-Flatpanel auf der Basis eines Arduino-Mikroprozessors, dar. Damit ist es sehr leicht, z. B. mit
6 Links oben: Der ASCOM-Treiber wird in
der in der Aufnahmesoftware MaxImDL angemeldet.
7 Links unten: Der Nachführstern wurde
automatisch scharfgestellt.
Amateurteleskope/Selbstbau
8 Ein LED-Flatframe-Panel mit einem Arduino-Nano-Prozessor,
mit dem sich unmittelbar nach einer Aufnahmesession Flatframes bzw. auch Darkframes machen lassen, wenn der Deckel geschlossen und die regelbare Beleuchtung abgeschaltet ist.
9 Beispiel eines Flatframes mit Hilfe der
Bildaufnahmesoftware N.I.N.A.
dem NINA-Flatfield-Assistenten nach einer Fotosession Flats aufzunehmen. Das Gehäuse und einen Teil der Panelhalterung habe ich mit FreeCAD entworfen und mit einem 3D-Drucker hergestellt. Das Panelgehäuse wird auf dem Teleskop befestigt und kann über Tasten, PC oder Bluetooth bedient werden (Abb. 8 und 9). Einige Astroaufnahmen
Die Ausrüstung meiner Balkonsternwarte
Teleskope/Objektive: 1. Skywatcher Quattro Carbon, Newton 1:4, f = 1.000 mm 2. Sharpstar Carbon-Newton, 1:2,8, f = 364 mm 3. Borg 90FL, Fluorit-Refraktor, 1:5,6, f = 500 mm 4. Tokina AT-X, 1:2,8, f = 300 mm 5. Canon EF, 1:2,8, f = 200 mm 6. Samyang 1:2,0, f = 135 mm
Kameras: 1. QHY183C, gekühlte Digital-Farbkamera (20 Mpx),
Pixelgröße: 2,4 m x 2,4 m 2. ZWO ASI183MM, gekühlte Digital-Monokamera
(20 Mpx), Pixelgröße: 2,4 m x 2,4 m 3. ZWO ASI290 mini, Digital-Monokamera (2,1 Mpx),
Pixelgröße: 2,9 �m x 2,9 �m 4. Canon 500d, Spiegelreflexkamera, astromodifiziert
Flattener: 1. Televue Paracorr 2 2. Borg Oasis 1,08x DG
Reducer: 1. Starizona Nexus 0,75x 2. Borg Oasis 0,73x DGQ
Barlow-Linse: 1. Bresser SA 2,0x
Filterräder/Filter (2 Zoll): 1. 2 x QHYCCD Filterwheel (5-fach) 2. Pegasus Indigo (7-fach) mit Offaxis-Guider 3. Baader-LRGB-Filtersatz 4. Baader-Schmalbandfilter H, [OIII], [SII] 5. Optolong-LRGB-Filtersatz 6. Optolong L-eNhance, Dualband H, [OIII] 7. Hutech IDAS-LPSD1 8. Hutech IDAS-LPSD2 9. Antlia Quadband
Journal für Astronomie Nr. 91 | 33
Amateurteleskope/Selbstbau
1 0 Emissionsnebel um den Wolf-
Rayet-Stern WR 134 Cygni, QHY183C, Optolong-Dualbandfilter H + [OIII], Belichtung 96 x 60 s, Optolong-LRGB-Filter, Belichtung 150 x 30 s (Norden links)
Zuletzt folgen hier drei Ergebnisse meiner Aufnahmetätigkeit (Abb. 10, 11, 12). Die Aufnahmen sind mit der beschriebenen Ausrüstung auf meinem Balkon in Willich entstanden und von mir bearbeitet worden.
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1 1 IC 434 (Pferdekopfnebel), QHY183C,
Sharpstar-Newton 1:2,8, f = 364 mm, AntliaQuadbandfilter, Belichtung 120 x 120 s (Norden links unten)
1 2 NGC 6543 (Katzenaugennebel), ZWO
ASI183MM, Bresser SA 2,0x, IDAS-LPSD1, RGB-Filter, Skywatcher-10-Zoll-Newton, f = 2.000 mm, Belichtungszeit nicht mehr bekannt. (Norden links)
Amateurteleskope/Selbstbau
Verbesserungen der Mobilität des Stativs
von Tino Fanghänel
Zur Beobachtung von Tieren am Futterhaus befindet sich in meinem Wohnzimmer stets ein Newton mit einer CelestronMontierung NexStar Evolution (ab jetzt kurz ,,Evo") auf einem Berlebach-Stativ Uni 18 einsatzbereit (Abb. 1). Zeichnet sich jedoch eine Beobachtungsnacht mit klarem Himmel ab, so nehme ich einfach die Montierung mit dem Newton und setze das Ganze auf ein Celestron-AVX-Stativ, welches sich ebenfalls immer einsatzbereit auf dem Balkon befindet (Abb. 2). Damit die Evo beim Wechsel besser auf den Dorn der jeweiligen Mittenzentrierung ,,flutscht" (dazu eine M8-Schraube von unten eingedreht und oben abgerundet), wurde die Verschraubung mit dem Loch an der EvoUnterseite mit einem Kegelsenker etwas angesenkt (Abb. 3).
Die zwei Stative wurden je mit einer 6-mmAdapterplatte so ausgerüstet, dass die Evo an beiden passt. Dafür orderte ich bei einem Internetversandhaus zwei 6 mm dicke Alubleche von 200 mm x 200 mm, die dann an der Bandsäge grob zugeschnitten und in der Drehbank auf ihre endgültige Form gebracht wurden. Danach wurden mit einem Schaftfräser Einsenkungen für drei Inbus-Schrauben mit flachem Kopf und eine weitere Einsenkung für eine Dosenlibelle geschaffen (Abb. 4). Die zwei Stativköpfe wurden so umgebaut, dass sie jederzeit zurückgebaut und ihre ursprünglich gedachte Montierung wieder tragen können.
Die Verschraubungen für die Evo bestehen aus 3 Schrauben mit Zollgewinde, welche ebenfalls in einer Drehbank aufgebohrt wurden, um Gewinde und eine M6-Gewindespindel mit Drehknauf aufnehmen zu können. Da die Zollschrauben nicht gekürzt werden können (innen aufgebohrt), half eine gekonterte Zollmutter, damit beim Festdrehen nicht stets erst die gesamte Gewindelänge benutzt werden muss (Abb. 5).
Das soll hier mit erwähnt sein, da entsprechende Stativadapter schnell um die 150 Euro kosten können.
Bei der Benutzung der Stative ergab sich jedoch immer folgendes Problem: Das Stativ im Wohnzimmer steht permanent unter Last (Montierung, 6-Zoll-Newton und Sony-Kamera). Wollte man es für eine Beobachtung aus der Ecke holen oder zu Reinigungszwecken in der Wohnung etwas zur Seite schieben, ging das nur unter großer Anstrengung. Zudem entstanden dazu noch Striemen auf dem Linoleum, ganz klar - bei Gummi auf Gummi. Ein Stativwagen versah nur kurz seinen Dienst. Er war meiner Frau einfach zu ausladend. Also bestellte ich mir bei einem bekannten Versandhaus so genannte Apparate- bzw. Transportrollen (Abb. 6) mit D = 50 mm, die es aber auch größer gibt. Jede dieser Rollen trägt maximal 40 kg. Ein Set beinhaltet vier Rollen, wobei zwei Rollen mit Bremse ausgestattet sind. Die Löcher in den Rollen passen perfekt an das M10-Gewinde des Berlebach-Stativs. Es muss nichts größer gebohrt werden.
Da ich keine Bremsen benötige, habe ich die Bremsen der beiden Bremsrollen sauber weggeflext und entgratet. Jetzt dreht man einfach am Berlebach die Gummis vom M10-Gewinde herunter (Abb. 7) und setzt sie umgekehrt wieder drauf (Abb. 8). Bei den meisten Berlebach-Stativen sind die Gummis gegen Verlust gesichert, indem das M10-Gewinde ein paar Mal mit einem Meißel längs eingeschlagen wurde. Doch nach ein paar Hieben einer kleinen Halbrundschlüsselfeile lässt sich das Gewinde wieder benutzen.
Um die Rollen mit einer Nuss festdrehen zu können, schweißte ich je zwei M10-Muttern zusammen. Für nur eine Mutter ist der Zwischenraum zwischen Mutter und
1 Das Newton-Teleskop, immer einsatz
bereit in der Wohnzimmerecke
Rollengehäuse für jede entsprechende Nuss nach innen zu gering. Natürlich lassen sich auch angepasste Langmuttern verwenden. Die Flanken der Mutter in Richtung Stativbein wurden seitlich etwas rund geschliffen (Abb. 9). Diese abgerundete Seite lässt sich dann besser festdrehen, da das Sechskant-
Journal für Astronomie Nr. 91 | 35
Amateurteleskope/Selbstbau
2 Das AVX-Stativ, ebenfalls stets zu Diensten auf dem
Balkonstutzen
3 Die Unterseite der Evolution-Montierung mit der angesenkten
Mittenzentrierung
4 Die Adapterplatte am Berlebach Uni 18, baugleich mit jener auf
dem Balkon
36 | Journal für Astronomie Nr. 91
5 Die Schrauben zum Befestigen der Montierung auf der
Adapterplatte
6 Die Transportrollen aus dem Versandhaus
7 Der Gummi an der Stativspitze, wie er original verbaut ist
8 Hier wurde der Gummi schon gedreht und das Rollenchassis ist
bereit zur Verschraubung.
9 Eine der drei Befestigungsmuttern (Inset) mit dem
Rollenchassis
1 0 Das innen ausgedrehte V2A-Rohr
1 1 Das verschweißte Rohr mit der Bohrung und der
angeschweißten Mutter
Journal für Astronomie Nr. 91 | 37
Amateurteleskope/Selbstbau
1 2 Damit die verschweißten Stellen nicht rosten, wurde der
obere Bereich lackiert
1 3 Die am Stativbein montierte fertige Rolle, hier noch
ohne Gummi
profil innen nirgendwo mit den Flanken anstößt. Da beim Schweißen das Zink teilweise verbrennt, lackierte ich die Muttern mit einem Lackstift nach.
Nun folgte der Zusammenbau, wobei ich vorher die Gummis noch mit Hilfe einer Zange, soweit es ging, in Richtung Stativbein drehte. Damit das Stativbein mit dem Trittrost nirgends in der Einrichtung Schäden oder Kratzer verursacht, wurde an den Tritt jeder Stativspitze noch ein Gummi mit Silikon aufgeklebt.
Was das Stativ auf dem Balkon betrifft, da konnten nicht einfach ein paar Rollen bestellt und angeschraubt werden. Doch auch hier musste sich dringend etwas tun. Allabendlich dieser Krach und das Rattern, wenn das Stativ aus der Ecke oder von einer in die andere Ecke halb gehoben, halb geschoben wurde. Die größten Probleme entstanden, wenn das Beobachtungsobjekt sich dem Balkonende näherte und das Stativ mit dem gesamten Aufbau nachbewegt werden musste. Dazu musste ich immer viel Kraft aufwenden.
Als Basis diente mir das schon beschriebene AVX-Stativ von Celestron. Meine Um-
bauten lassen sich aber auch auf ähnliche andere Stative anwenden. Ziel war es auch hier, dass das Stativ einerseits leicht zu rollen ist, andererseits, dass es auch sicher und fest steht. Zuerst entfernte ich die unteren Hülsen am Stativ mit den Spitzen daran. Diese sind meist eingeleimt. Aber mit einem Heißluftfön, einem Holz und leichten Schlägen eines mittleren Hammers hat man diese schnell entfernt. Jetzt steht das Stativ jeweils auf den drei dünnen Edelstahlrohren (s. nochmals Abb. 2).
Was die Rollen betrifft, wurde ich in einem Sonderpostenbaumarkt fündig. Es wurden drei passende Rohre innen so ausgedreht, dass sie auf ein Zehntel Millimeter genau über die Stativbeine passten und deren Enden innen bündig auf einem Absatz auflagen (Abb. 10). Danach wurden diese Hülsen in dem Winkel abgeschnitten, dass sie gerade und ebenerdig aufliegen, der Absatz innen jedoch nicht angeschnitten wird. Zur späteren Klemmung am Stativbein wurde je ein Loch gebohrt und eine M6-Mutter angeschweißt (Abb. 11). Damit man nicht daran hängen bleibt und es so wenig wie möglich stört, wurden diese Klemmschrauben nach innen ausgerichtet. Jetzt wurde das gedrehte Stück Edelstahlrohr
auf die Halterung der Rolle aufgeschweißt. Ich wählte Edelstahl, da es ständig auf dem Balkon dem Wetter ausgesetzt ist. Einzig die Klemmung der Bremse weist etwas Rost auf, aber es ist so gering, damit kann ich leben. Sollte man niemanden zur Verfügung haben, der Edelstahl mit normalem Stahlblech verschweißen kann, tun es auch drei normale Stahlrohre. Diese sind dann jedoch zum Schutz vor Rost auch innen komplett zu lackieren (Abb. 12). Dies sollte man dann beim Ausdrehen mit einrechnen.
Ich muss sagen, dass ich die Rollenbremse noch nie benutzt habe (Abb. 13). Das Stativ rollt nicht weg. Ebenfalls wie bei dem Berlebach-Stativ im Wohnzimmer versah ich hier die Stativbeinaußenseite mit einem Gummistreifen oberhalb der Rolle, um versehentliche Beschädigungen an der Balkonumrandung zu vermeiden. Natürlich mag man einwenden: Ist das stabil, ein Stativ auf Rollen? Dazu muss ich sagen: Was hier eher überwiegt ist die Tatsache, dass ein Balkon auf Metallprofilen sowieso in dieser Richtung ein gewisses Eigenleben hat.
38 | Journal für Astronomie Nr. 91
Astrofotografie
Lichtschwache Reflexionsnebel:
eine fotografische Übersicht mit Hintergrundinformationen (Teil 1)
von Peter Riepe und Stefan Binnewies
Helle galaktische Nebel zählen zu den Lieblingsobjekten des Deep-Sky-Fotografen, zeigen sie doch als ionisierte, aus sich selbst heraus leuchtende Emissionsnebel prächtige Farben und Strukturen. Aber um bunte Emissionsnebel geht es in unserem Artikel gar nicht, sondern um die zweite Art galaktischer Nebel: die Reflexionsnebel. Zwar gibt es auch unter ihnen farbig leuchtende Beispiele wie die blauen Nebel um die Plejaden M 45, NGC 1333 oder den Nordbereich des Trifidnebels. Aber auch die sind nicht unser Thema. Wir möchten zeigen, dass die weniger geläufigen, lichtschwachen galaktischen Reflexionsnebel ebenfalls wunderschöne Fotoobjekte sind, mit einer eigenen Ästhetik, fotografisch anspruchsvoll und mit einem höchst interessanten physikalischen Hintergrund. Um das nötige Verständnis zu wecken, werden hier im Teil 1
zunächst die astronomischen/astrophysikalischen Fakten dargelegt. Im Teil 2 folgt dann die Vorstellung verschiedener Reflexionsnebel und ihre Beschreibung.
Welche Arten lichtschwacher Reflexionsnebel gibt es? Ein Nebelfeld um die Plejaden M 45 zeigt das sehr schön (Abb. 1, rechts). Der Helligkeitsunterschied zwischen den blauen Nebeln um M 45 und den lichtschwachen Reflexionsnebeln im Hintergrund ist groß. Links und unten im Bild zeigen sich bräunliche Nebel, zum Teil diffus, zum Teil auch leicht strukturiert als Fahnen, Bögen oder rundliche Gebilde. Sie ziehen sich durch das gesamte Bild. Solche großflächigen galaktischen Reflexionsnebel wurden zum Teil schon in den 1960er Jahren im Nebelkatalog von Dorschner und Gürtler [1] und im Lynds-Katalog [2] gelis-
tet. Oben links liegt ein kleiner Nebel, der mit zwei dunklen ,,Nasenlöchern" an eine Schweinenase erinnert (pignose nebula, unsere Wortschöpfung). Hier liegt schon ein hellerer, etwas dichterer Reflexionsnebel vor, in dem es dunkle Staubkondensationen gibt (engl.: cores, siehe Abb. 1 links außen). Er ist auch als DG 26 und als LBN 777 katalogisiert.
Zwischen DG 26 und M 45 sieht man feine, dünne Nebel, die an die Zirrusbewölkung unseres Taghimmels erinnern. Das ist der so genannte ,,galaktische Zirrus", der auch im wissenschaftlichen Bereich so bezeichntet wird. Die bläuliche Farbe wird von den Plejaden erzeugt, die ihn gerade durchkreuzen. Galaktischer Zirrus taucht in großer Fülle auch in der Gegend um den Himmelsnordpol auf. Im amerikanischen
1 Reflexionsnebel im Feld um M 45 (rechts); LRGB-Aufnahme von Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg, La Palma, Oktober 2010,
SBIG STL-11000M, 6 x 600 s je Kanal belichtet, Objektiv 1:2,8/200 mm auf 1:3,5 abgeblendet. Links: Ein Ausschnitt aus Aladin [10] mit dem seltsam geformten LBN 777 (,,Schweinenase"), darin dunkle Staubkonzentrationen (engl.: cores).
Journal für Astronomie Nr. 91 | 39
Sprachraum ist (unter Amateuren) gern vom IFN die Rede (Integrated Flux Nebulae). Dieser Begriff ist aber kritisch zu sehen, weil lichtschwache Reflexionsnebel - wie in diesem Artikel deutlich wird - im integrierten, gesamten Strahlungsfluss (flux) gar nicht reflektieren.
Eine weitere Art galaktischer lichtschwacher Reflexionsnebel sind die kometarischen Nebel. Der Name deutet schon an, wodurch sie charakterisiert sind. Wir behandeln sie im Teil 2 näher.
Klären wir zunächst die materielle Beschaffenheit der Reflexionsnebel. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrscht kein absolutes Vakuum. Vielmehr ist dieser Raum von einem sehr dünnen Gemisch aus Gas und Staub erfüllt (interstellare Materie, kurz: ISM) mit lokal variierender Dichte und Masse. Der Massenanteil des Staubes beträgt im Mittel aber nur etwa 1% der ISM. Und doch ist es allein der Staub, der uns die Reflexionsnebel überhaupt erkennen lässt. Wir sehen und fotografieren sie dadurch, dass das Licht von Sternen in oder neben der Staubwolke an den Staubteilchen gestreut und damit auch in unser Auge reflektiert wird. Die Größe der Staubteilchen liegt zwischen 1 und 100.000 nm [3], mit Schwerpunkt bei 300 nm. Hat die auf eine Staubwolke treffende Strahlung deutlich längere Wellenlängen, als der Durchmesser der Staubteilchen beträgt, so läuft sie ungehindert durch die Staubwolke hindurch, wird also nicht gestreut. Optisches Licht dagegen wird weitestgehend gestreut, insbesondere kurzwelliges, blaues Licht - man denke an die blauen Reflexionsnebel. Nun wird verständlich, warum die längerwellige IRund erst recht die Radiostrahlung die Staubwolken überwiegend durchdringen.
Der Staub fällt besonders in der galaktischen Ebene (Äquatorebene der Milchstraße) auf. Dort bildet er vor dem Hintergrund der enormen Sternenfülle ausgedehnte Dunkelwolken (Abb. 2). Fotografisch wurde das schon 1919 von E. E. Barnard sowie 1934 von F. E. Ross und M. E. Calvert erkannt [4, 5]. In den Dunkelwolken wird je nach Staubdichte das Licht dahinter stehender Sterne mehr oder weniger stark absorbiert. Der Astronom spricht dann von ,,Extinktion" (Auslöschung) des Sternenlichts.
2 Die Milchstraße mit Dunkelwolken als 180 Grad -Panorama,
30.08.2019 in Namibia aufgenommen von Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg, Kamera: Canon EOS 5D MKII, 5 x 60 s belichtet bei ISO 3200 mit einem 20-mm-Objektiv (Blende 2,0).
Mit zunehmendem Abstand von der galaktischen Ebene wird die ISM deutlich dünner. In Richtung der galaktischen Pole fällt sie nicht mehr durch Extinktion auf, weil in hohen galaktischen Breiten zusätzlich auch noch die Sternendichte stark abgenommen hat. Hier treten die Staubwolken als lichtschwache Reflexionsnebel auf, beleuchtet von der Gesamtheit der Milchstraßensterne in Scheibe und Bulge.
Woraus bestehen die Stäube eigentlich? Da gibt es zunächst die Silikate - chemische Verbindungen von Silizium und Sauerstoff [6]. Auch weitere Mineralien sowie metall- und wasserhaltige Staubteilchen (Eis) treten auf [3]. Die Staubpartikel können auch sehr unregelmäßige Formen haben. Interstellarer Staub entsteht in erster Linie als Ausstoß alter Sterne. Darunter versteht man sowohl Sterne im Rote-Riesen-Stadium als auch ,,staubige" Kohlenstoffsterne, die sich aus den Roten Riesen entwickeln. Aber auch Supernovaexplosionen und sogar junge Wolf-Rayet-Sterne tragen durch hohen Masseverlust zur Anreicherung der ISM bei, womit sie eine plausible Ursache für die Verbreitung schwerer Elemente darstellen. Auf diese Weise verteilt sich der Staub im gesamten interstellaren Raum und gerät dort in Wechselwirkung mit galaktischen Sternwinden. Der Staub kann sich an bestimmten Stellen häufen und verdichten, z. B. als schwarze, dichte Globulen in HII-Regionen. In den Staubwolken treten die schon erwähnten Verdichtungen als cores auf, die sich allmählich zusammenziehen können, dabei aber insgesamt weniger dicht sind als die Globulen. Kometarische Nebel zeigen eine Kopfregion mit schweifähnlicher Fortsetzung, die meist schon erkennen lässt, in welcher Richtung der Verursacher dieser kometarischen Form liegt.
Die Milchstraße ist aber auch - insbesondere in ihrer äquatorialen Ebene - von großen Mengen an Gas durchsetzt. Das ist sowohl neutrales Gas (z. B. neutraler atomarer Wasserstoff HI) als auch angeregtes oder sogar ionisiertes Gas wie in HII-Regionen, Planetarischen Nebeln und Supernovaresten. Daher verwundert es nicht, dass auch die kalten galaktischen Reflexionsnebel stets Gas aufweisen. In der Nähe oder im Inneren von Staubwolken werden viele Arten molekularer Gase beobachtet, z. B. Kohlenmonoxid (CO) in den Modifikationen C13O oder C18O (mit unterschiedlichen Kohlenstoff-Isotopen). Ferner treten auch CH oder CN auf, aber auch kompliziertere Moleküle wie Blausäure HCN, Ammoniak NH3 oder auch Formaldehyd H2CO und etliche andere. Vielfach wird die Bildung von Gasmolekülen im kalten Universum erst dadurch in Gang gesetzt, dass sich das atomare Gas an den Staubpartikeln anlagert und ganz allmählich Moleküle bildet.
Die Astronomen bezeichnen die Komplexe aus Staub und molekularem Gas gern allgemein als ,,Molekülwolken". Dabei können die molekularen Wolkenanteile erheblich ausgedehnter sein als die Staubanteile. Astrofotografisch gilt: Gas - egal ob atomar oder molekular - ist aufgrund der Kleinheit seiner Bauteilchen (Atome bzw. Moleküle) optisch durchsichtig, so dass die Gaskomponente auf Fotografien nicht erkennbar ist. Ihr Nachweis - sowohl galaktisch als auch extragalaktisch - gelingt nur radioastronomisch [7]. So wird neutraler Wasserstoff (HI) z. B. als Emission bei 21 cm Wellenlänge nachgewiesen, Formaldehyd H2CO bei 6,2 cm,
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Astrofotografie
3 Der Reflexionsnebel IC 2118 im Vergleich bei identischem
Feld. Links: Ausschnitt aus einer LRGB-Aufnahme von Stefan Binnewies und Rainer Sparenberg, Furka-Pass/Schweiz, Oktober 2011, SBIG STL-11000M, 6 x 600 s je Kanal belichtet, Objektiv 1:2,8/200 mm auf 1:3,5 abgeblendet. Rechts gemäß 2MASS, Kontrast und Helligkeit angehoben. IC 2118 ist nicht zu sehen (Erklärung im Text). Das Untergrundmuster im 2MASS ist systemisch bedingt.
4 Im Fernen Infrarot (FIR) zeigt IC 2118 bei 100 mm Wellenlänge
die starke Emission des kalten Staubes [9]. Damit ist die Natur als staubbasierter Reflexionsnebel nachgewiesen.
Ammoniak NH3 bei 1,3 cm oder Blausäure HCN bei 3,4 mm. Etliche extragalaktische Entdeckungen im Bereich der Millimeterwellenlängen gelangen am 30-m-Teleskop (IRAM), das am Pico Veleta in der spanischen Sierra Nevada in 2.850 m Höhe liegt.
Die Ausdehnung der Molekülwolken reicht von 10 bis zu etwa 100 Lichtjahren, wobei sogar noch zehnmal größere Riesenmolekülwolken mit internen Substrukuren be-
obachtet wurden (GMCs, giant molecular clouds). Man unterscheidet kalte Molekülwolken (Temperaturen 10 bis 20 Kelvin) von warmen Molekülwolken (30 bis 100 Kelvin). Zwar ist das All ein Hochvakuum, kalte Molekülwolken weisen jedoch Dichten von 100 bis zu 1 Million Teilchen pro Kubikzentimeter auf. Zum Vergleich: Auf Meereshöhe hat die Erdatmosphäre eine rund 15 Größenordnungen (= 1 Billiarde) höhere Dichte.
Zurück zum interstellaren Staub. Blaue Reflexionsnebel lassen sich auch bei schmalbandiger [OIII]-Filterung gut abbilden. Das kann dazu führen, dass lang belichtete, in [OIII] gefilterte, lichtschwache Reflexionsnebel fälschlicherweise als Emissionsnebel interpretiert werden. Sie lassen sich jedoch zweifelsfrei als Staubobjekte nachweisen - durch zwei Verfahren: a) Kontinuumssubtraktion in [OIII], womit wohl nur wenige Astrofotografen vertraut sind,
42 | Journal für Astronomie Nr. 91
Astrofotografie
b) Nachweis im Infrarotbereich. Warmer Staub in Sternnähe emittiert Strahlung im mittleren Infrarot (MIR) bei Wellenlängen um 2 bis 5 m. Nebel in kalter Umgebung sind im MIR transparent. Erstaunlicherweise geben sie aber selbst bei Temperaturen von 10 bis 30 K Wärmestrahlung ab. Das lässt sich im fernen Infrarot (FIR) bei Wellenlängen von etwa 60 bis 100 m einwandfrei belegen.
Dazu zwei Bilder: Im Süden des Sternbilds Orion liegt der Hexenkopfnebel IC 2118 (Abb. 3). Der linke Bildteil zeigt den Anblick als LRGB-Ausschnitt. Im Bild rechts (Quelle: Two Micron All Sky Survey, 2MASS [8]) ist IC 2118 bei Wellenlängen von 2 m transparent und gibt keine MIRWärme ab, d. h. IC 2118 besteht aus kaltem Staub. Heiße Sterne wie Nr. 1 und 2 sind im MIR stark abgeschwächt, kühle Sterne mit Spektraltypen K bis M werden verstärkt (Nr. 3). Bei G liegt eine Galaxiengrup-
pe. Aber der Hexenkopf zeigt eine starke Emission bei 100 m Wellenlänge. Das ist die FIR-Wärmestrahlung (Abb. 4, aus dem NASA/IPAC Infrared Science Archive [9]). IC 2118 ist eindeutig ein kalter Staubnebel!
Fazit Reflexionsnebel haben keine einheitliche Erscheinungsform, denn ihre strukturellen und fotometrischen Eigenschaften sind auch immer durch folgende Umstände mitbestimmt: - Besteht das reflektierende Nebelmaterial
aus dichtem oder dünnem Staub? - In welchen Mengen ist Gas (z. B. als asso-
ziierte Molekülwolken) mit im Spiel? - Findet im Nebelinneren Sternentstehung
statt? - Gibt es in der Nebelumgebung Sterne, die
- etwa durch starke Sternwinde - dynamische Einflüsse auf die Staubwolke ausüben?
Im Teil 2 folgen verschiedene Formen von Reflexionsnebeln in ihrem Umfeld.
Literatur- und Internethinweise (Stand April 2024):
[1] J. Dorschner, J. Gürtler, 1963: ,,Untersuchungen über Reflexionsnebel am Palomar
[3]
[8]
Sky Survey. I. Verzeichnis von Reflexionsnebeln", Astron. Nachr. 287, S. 257
[2] Beverly T. Lynds, 1965: "Catalogue of bright nebulae", Astrophys. J. Suppl. Ser. 12,
p. 163-185
[3] Franziska Konitzer, 2014: ,,Interstellarer Staub", Publ. In: Welt der Physik, gefördert
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie Deutsche Physikalische [6]
[9]
Gesellschaft, www.weltderphysik.de/gebiet/universum/sterne/interstellarer-staub/
[4] Edward E. Barnard, 1919: "On the dark markings of the sky with a catalogue of 182
such objects", Astrophys. J. 49, p. 1-24
[5] Frank E. Ross, Mary E. Calvert, 1934: "Atlas of the Northern Milky Way", University
[7]
[10]
of Chicago Press, Chicago
[6] Chemie.de, www.chemie.de/lexikon/Silikate.html
[7] Christian Henkel, 1996: ,,Kühles Gas und heiße Sterne", spez. Publ. MPI für
Radioastronomie, Bonn, www.mpifr-bonn.mpg.de/472998/galspect
[8] Two Micron All Sky Survey, 2MASS, https://irsa.ipac.caltech.edu/applicati-
ons/2MASS/
[9] NASA/IPAC Infrared Science Archive, https://irsa.ipac.caltech.edu/applications/
DUST/
[10] Aladin Sky Atlas, http://aladin.cds.unistra.fr/aladin.gml
Journal für Astronomie Nr. 91 | 43
Astrofotografie
Erste Aufnahmen mit einem ,,Smart-Teleskop"
von Uwe Petzl
Astrofotografie war schon immer etwas für Spezialisten. Man muss sich am Himmel und auch mit der Technik auskennen. Das Teleskop muss exakt ausgerichtet, nachgeführt und fokussiert werden. Dazu gilt es, das Stacken von Einzelbildern und das Nachbearbeiten der Bilder mit spezieller Software zu beherrschen. Und die Technik war und ist teuer.
Nun, das alles können die in immer größerer Auswahl auf den Markt kommenden ,,Smart-Teleskope" jetzt für Astro-Interessierte übernehmen. Sie schonen den Geldbeutel (Einsteigermodelle) und man muss sich nicht exzessiv in Technik und Bildbearbeitung hineinarbeiten. Auch am Himmel muss man sich nicht mehr unbedingt gut auskennen. Einsteigermodelle gibt es inzwischen für weit unter eintausend Euro. Nach oben geht es mit den Angeboten für anspruchsvolle zukünftige Astrofotografen natürlich weiter.
Per App wird auf dem Smartphone ein Objekt ausgesucht, welches man am aktuellen Nachthimmel fotografieren möchte. Das Smart-Teleskop findet das Objekt, führt automatisch nach, fokussiert automatisch, macht viele Einzelbelichtungen und verrechnet diese zu einem fertigen Bild, welches nach und nach auf dem Smartphone entsteht. Wenn man mit dem Ergebnis zufrieden ist, beendet man die Aufnahme und kann sie sofort mit Freunden anschauen oder in sozialen Netzwerken verbreiten. Natürlich ist auch eine eigene Nachbearbeitung der Bilder möglich. Wenn man es wünscht, programmiert man die zu fotografierenden Objekte für die kommende Nacht, legt sich schlafen und hat am nächsten Morgen die fertigen Bilder.
Ich selbst habe mich auch immer mal wieder in der Vergangenheit an Astrofotografie versucht. Nun habe ich mir jetzt auch ein solches smartes Teleskop zugelegt, ein Vespera II von Vaonis mit 50 mm Öff-
1 Der Orionnebel M 42, aufgenommen in
Kefferhausen am 02.03.2024 mit dem im Text genannten Smart-Teleskop. Das Bildergebnis entstand aus 128 Einzelaufnahmen von jeweils zehn Sekunden Belichtungszeit - also etwas über 21 Minuten belichtet. Das fertige JPG-Bild des Teleskops wurde ein wenig nachbearbeitet und zugeschnitten. (Bild: Uwe Petzl)
nung und nur 250 mm Brennweite. Anfang März 2024 konnte ich ein erstes Bild vom Orionnebel M 42 anfertigen (Abb. 1). Dieser Emissionsnebel ist eines der beeindruckendsten Objekte, welche man am Nachthimmel beobachten kann.
Fazit: Das Versprechen, das für diese neuen ,,intelligenten" Teleskope gegeben wird, wird auch eingehalten. Es ist wirklich beeindruckend, was mit diesen relativ kleinen Geräten möglich ist. Mein Empfinden: Die Astrofotografie war noch nie so einfach wie heute.
44 | Journal für Astronomie Nr. 91
Astrofotografie
Neue Trends in der Astrofotografie
- ist die Trivialisierung das Ende unseres Hobbys?
von Udo Siepmann
In einem Beitrag im VdS-Journal für Astronomie Nr. 84, Heft 1/2023, S.70 ff., benennt Gerd Althoff ,,zehn Gründe dafür, jetzt das Hobby Astronomie aufzugeben ...". Dabei konzentriert er sich ganz besonders auf die Astrofotografie. Der Spaß an ihr werde unter anderem durch zunehmende Lichtverschmutzung, aber auch durch ,,Leistungsdruck", ,,Egoismus", ,,Überfluss" an vorzeigbaren Bildern, insbesondere im Internet, getrübt.
Remote-Teleskopen, die von den Wetterund Sichtverhältnissen zu Hause unabhängig machen.
Systemintegration Hier spielen Minicomputer eine besondere Rolle, die die verschiedenen Komponenten wie Montierung, Autoguiding-Kamera, Fokussierer, Rotator und die Kamera aus einem Guss steuern, vom Einnorden über das so genannte ,,Plate Solving" bis hin zur
Aufnahmesequenz und einem internen ,,Live Stacking" des Bildmaterials. Gesteuert wird dies alles über eine App auf dem Smartphone, die auch einen Himmelsatlas umfasst. Antippen des Zielobjektes auf dem Smartphone reicht, um das Teleskop dorthin zu bewegen, und die Aufnahmesequenz läuft wie ,,bestellt" ab. Immerhin setzt hier die Installation aller Komponenten noch einiges an technischem Knowhow voraus, so dass es ein naheliegender Gedanke war,
Bei der Lektüre des Artikels verspürte ich spontan Zustimmung, denn die beschriebenen Entwicklungen konnte ich gut nachvollziehen. Inzwischen empfinde ich bei den immer wieder gleichen DeepSky-Objekten, die massenhaft in den Social Media und Astronomie-Plattformen aus Lust am schönen bunten Bild verbreitet werden, häufig nur noch Langeweile. Es ist dabei nicht zu übersehen, dass ein vorzeigbares Astrofoto durch verschiedene Entwicklungen immer mehr in die Reichweite vieler Neu- oder Quereinsteiger gelangt. Für sie bedeutet die Astrofotografie die Entdeckung neuer Fotomotive, neben Landschafts-, Party- und Porträtaufnahmen. Dabei werden sie auch nicht gleich zu Amateurastronomen, die auch ergründen wollen, was sie dort eigentlich ablichten und stolz präsentieren.
Diese Trivialisierung des Astrofotos wird nach meiner Wahrnehmung derzeit durch drei Trends gestützt (s. a. die Internethinweise zum Schluss): - Die zunehmende Systemintegration der
Ausrüstung für gelungene Astrofotos, die in intuitiv bedienbare ,,Smart Telescopes" einmündet - Die Entwicklung immer leistungsstärkerer Werkzeuge der elektronischen Bildbearbeitung, auch mit Modulen, die auf ,,Künstlicher Intelligenz" basieren - Der einfache Zugriff auf Bilddateien von
1 Das Seestar S50 des Anbieters ZWO ASI
Journal für Astronomie Nr. 91 | 45
Astrofotografie
auch diese Schwelle weiter abzusenken. Man erinnere sich, wie seinerzeit in der konventionellen Fotografie neue Zielgruppen gewonnen wurden, die unbeschwert Bilder mit der ,,Automatik" schießen wollten. Die vergleichbare Antwort für die Astrofotografie ist das ,,Smart Telescope".
Bedingt durch einen niedrigen Preis und eine äußerst gelungene Systemintegration sticht hier das Seestar S50 des Anbieters ZWO ASI (Abb. 1) hervor. Dieses Smart Telescope funktioniert nach meinen Erfahrungen so einfach, dass es Neulingen nach wenigen Abenden brauchbare Astrofotos beschert, wovon man sich in den einschlägigen Facebook-Gruppen überzeugen mag. Wie auch andere Smart Telescopes verfügt das Seestar über einen integrierten Kamerasensor, eine Autofokus-Funktion, WLAN, eine Anti-Taubeschlag-Heizung und eine azimutale Montierung. Die Optik bildet ein Triplet-Objektiv mit 50 mm Öffnung und 250 mm Brennweite. Die Aufnahmesequenzen lassen im Deep-SkyModus Belichtungszeiten von 10, 20 oder 30 Sekunden zu. Es handelt sich also um eine Art ,,Lucky Imaging", das eine möglichst hohe Anzahl von Einzelbildern erfordert. Ein Dunkelbildabzug erfolgt während der Aufnahmesequenz automatisch wie auch ein Dithern. Bei Bedarf kann ein interner Duoband-Filter (H und [OIII]) zugeschaltet werden. Die Orientierung am Himmel schafft sich das Teleskop durch Plate Solving selbst, ein Star-Alignment ist folglich überflüssig. Und auch das Tracking geschieht über ein kontinuierliches Plate Solving, das Abweichungen vom Zielobjekt sofort korrigiert. Am Ende des Abends kann sich der Neuling mit dem intern und ,,live" gestackten Foto zufriedengeben oder sich die Einzelbilder im Fits-Format in einer Bildverarbeitungs-Software vornehmen.
Bildverarbeitung auf Knopfdruck War das Abarbeiten der einzelnen Arbeitsschritte vom Kalibrieren, über das Stacking bis hin zum fertigen Astrofoto früher eine zeitraubende Arbeit, so kann der heutige Einsteiger auf Skripte zurückgreifen, die mit einem einzigen Mausklick alle Bearbeitungsschritte automatisiert abwickeln. Bekannt sind solche One-Click-Skripte zum Beispiel für die Software SIRIL und vor allem für die beliebte Software PixInsight mit dem Skript ,,Auto Integrate", das im Lieferumfang enthalten ist. Man kann hier auch einige der neueren KI-Werkzeuge einbinden, wie die von RC Astro angebotenen Produkte BlurXTerminator zur Schärfung, NoiseXTerminator zur Entrauschung oder StarXTerminator zur Sternentfernung wie auch GraXpert für die Gradientenentfernung. Ich habe zahlreiche Tests mit den unterschiedlichsten Bilddateien - LRGBDateien oder Schmalband-Aufnahmen - mit den Standardeinstellungen von ,,Auto Integrate" gemacht, die weit überwiegend zu besseren Ergebnissen führten als bei manueller Bearbeitung oder individueller Parameterauswahl. Die gewonnene Bearbeitungszeit in mehr Aufnahmen zu investieren, ist eine naheliegende Idee, die man sich durchaus zu eigen machen kann.
Bilddateien von RemoteSternwarten Für diese Experimente mit ,,Auto Integrate" habe ich übrigens auch wegen der hiesigen Wetterverhältnisse etliche Bilddateien über Telescope Live von deren Remote-Sternwarten in Australien, Chile und Spanien bezogen. Diese Idee kam mir auf der BoHeTa 2022, als in einem der Vorträge auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde. Wenn man sich auf bekanntere Himmelsobjekte beschränkt, kann man bei Telescope Live die Bilddatensätze recht preiswert beziehen. Kauft man originäre Teleskop-Zeit ein, verteuert sich der Bezug deutlich, aber man
erhält, abgesehen vom jeweiligen Seeing, der Mondphase oder Bewölkung, praktisch identische Bilddateien. Anders liegt der Fall, wenn man sich selbst für exotische Objekte entscheidet, die andere Nutzer noch nicht aufgenommen haben.
Nach meinen Beobachtungen trifft man unter eingefleischten Astrofotografen häufig auf abwertende Bemerkungen zu den drei aufgezeigten Trends, vermutlich, weil sie der Trivialisierung der Astrofotografie Vorschub leisten. Was am Ende als Ergebnis dabei herauskomme, sei doch nicht wirklich ,,das eigene Foto". Was ist eigentlich noch ,,das eigene Foto"? Und was würde der Verlust des ,,eigenen Fotos", wenn er zutreffen sollte, für die Zukunft des Hobbys Astrofotografie bedeuten?
Das ,,eigene Foto" Wer die beschriebene Systemintegration oder das Smart Telescope für den Verlust des ,,eigenen Fotos" verantwortlich macht, fordert offenbar, dass der Weg zum ,,eigenen Foto" nur über den mühsamen Prozess des Einnordens, des Verkabelns, des Ingangsetzens des Autoguiders, des Star-Alignments, des Startens der Aufnahmesequenz, der Aufnahme von Kalibrierungsbildern führt. Einige Schritte entfallen bereits bei einer gut eingespielten Gartensternwarte, und auch bei einem Smart Telescope gewinnt man wertvolle Aufnahmezeit. Bei der raschen Nutzung von Wolkenlücken, zu der uns das Wetter in den letzten Wintern häufig zwang, hieße dies häufig: ,,kein Bild" statt ,,mein Bild".
Sind es automatisierte Abläufe mit Skripten für die Bildbearbeitung, die das ,,eigene Bild" in Zweifel ziehen? Zumindest geht die persönliche Handschrift des Bildautors verloren, der sich viel Mühe macht, sich Schritt für Schritt durch die Bildbearbeitung zu bewegen. Viele ,,alte Hasen" mag
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Astrofotografie
irritieren, dass Anfänger mit der Nutzung von Skripten wie ,,Auto Integrate" bei gleichem Ausgangsmaterial vergleichbar gute Ergebnisse erzielen wie bei mühevoller händischer Bearbeitung eines erfahrenen Astrofotografen. Man kann sich mit wenig Fantasie sogar vorstellen, dass künftige Smart Telescopes die Bildverarbeitung hin zu einem vorzeigbaren Endbild in ihre Firmware komplett integrieren.
Die dritte Entwicklung, nämlich die Nutzung von Remote-Teleskopen, ist für den Begriff des ,,eigenen Bildes" besonders kritisch zu sehen. Je detaillierter der von einem Remote-Nutzer zu steuernde Ablauf ist, vom Öffnen der Kuppel über das Starten des Teleskops, das Anfahren des ausgewählten Objektes, den Einsatz von Filtern, das Abwickeln der Aufnahmesequenz etc., bis zum Schließen der Kuppel, umso eher kann man noch mit viel gutem Willen vom ,,eigenen Foto" sprechen. Aber nicht bei allen Arbeitsschritten wird man ganz ohne Mitwirkende ,,vor Ort" auskommen, die zum Gelingen einer Remote-Fotosession beitragen. Der Bezug von Datensätzen, die andere zuvor ,,remote" aufgenommen haben, hat schließlich mit dem ,,eigenen Foto" kaum noch etwas zu tun, zumindest, was die Ausgangsdaten angeht. Aber ist das so tragisch, wenn man nur so einmalige Ereignisse wie Supernovae, Kometen, Asteroiden festhalten kann?
Je mehr sich diese drei Trends durchsetzen, bleibt das Besondere, das bislang ein Astrofoto als Genre innerhalb der Fotografie darstellte, auf der Strecke. In den Social Media kann man das heute bereits erkennen. Das Astrofoto ist auf dem Weg zu einem Massenprodukt und dieses Massenprodukt zeichnet sich bereits jetzt durch eine recht erstaunliche Durchschnittsqualität aus. Diese Trivialisierung der Astrofotografie wird uns - davon bin ich überzeugt
- erhalten bleiben. Gasnebel, Galaxien, Sternhaufen werden künftig als ähnlich unspektakulär empfunden werden, wie heute die massenhaften Fotos großartiger Naturdenkmäler, antiker Bauwerke oder Tiere in freier Wildbahn.
Das Hobby bleibt interessant - aber wie? Man könnte nun resigniert feststellen, dass nun einiges mehr für eine Hobbyaufgabe spricht. Dies gilt aber nur, wenn man sich auf das konzentriert, was die Einsteiger anzieht. Es sind die bunten Standardobjekte des Deep Sky, die statisch, ohne jedes Highlight, kaum noch Blicke auf sich ziehen. Sie sind zum langweiligen, zum trivialen Massenprodukt geworden.
Das Gegenstück dazu sind Unikate, nicht reproduzierbare Fotos. In der Sonnenfotografie gilt und galt dies schon immer: die dort erfassten Momente sind nicht wiederholbar. Ähnliches gilt für die reizvollen Motive, die Kometen, Asteroiden, Planeten in einzigartigen Konstellationen mit DeepSky-Objekten wiedergeben. Aber auch jene lichtschwachen Objekte, die erst durch leistungsstarke Teleskope und empfindlichere Kamerasensoren bisher nicht erkannte Strukturen offenbaren, gehören in diese Kategorie. Wer in diese ,,Produktdifferenzierung" und nicht in die Deep-Sky-Trivialfotografie einsteigt, wird sich die Freude am Hobby bewahren können. Freude bewahrt sich auch, wer seine Fotos als ein Geschenk sieht, das er sich selbst macht und darauf verzichtet, sie in den Vergleich oder gar Wettbewerb zu anderen zu stellen. ,,Mein eigenes Foto" bekommt dann eine sehr individuelle Bedeutung.
Internethinweise (Stand 01.03.2024): [1] F. Sackenheim: ,,Die Zukunft der
Astrofotografie", www.youtube.com/ watch?v=r96C5nkuYKk
[2] Ciuv, the Lazy Geek, Pushing my Smart Telescope to the Limit, ZWO Seestar S50 from Tokyo, www.youtube.com/watch?v= MTbPTS4NQ_A
[3] Deep Sky Stacking + Bildbearbeitung mit nur einem Click! ZWO Seestar S50 und Siril, www.youtube.com/ watch?v=4DxDZP8f1FM
[4] Remote-Teleskopie über Telescope Live, https://telescope.live/home
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Astrofotografie
Wie tief kann man mit Amateurmitteln in das Weltall schauen?
von Joachim Stroiczek
Inspiriert von den fantastischen Ergebnissen des James-Webb-Space-Telescope ist es eine spannende Frage, wie weit man es eigentlich mit einem einfachen AmateurTeleskop in das Weltall schafft. Quasare sind gute Kandidaten, um als extrem entfernte Lichtquellen noch wahrgenommen zu werden. Diese Galaxienkerne erscheinen als punktförmige Lichtquellen wie Sterne (quasi-stellar).
Die Abbildungen 1 und 2 zeigen zwei Aufnahmen, in denen Quasare in 8,8 bzw. 11,7 Milliarden Lichtjahren Entfernung abgebildet sind. Man muss sich verdeutlichen, dass unser Sonnensystem noch nicht existierte, als sich das Licht auf den Weg zu uns machte! Je weiter wir ins Universum schauen, desto weiter gehen wir zurück in die Vergangenheit! Folglich dürften diese Quasare heute - könnte man sie direkt an ihren Orten beobachten - sehr viel anders aussehen. Außerdem sind sie zwischenzeitlich ja nicht stehengeblieben, sondern haben sich im expandierenden Universum weiter von uns entfernt. Vielleicht inspiriert dieses kleine Gedankenexperiment dazu, sich selbst auf die Suche nach noch entfernteren Objekten zu begeben ...
1 Links oben der Quasar SDSS J100404.32+690213.6 in der Nähe der Galaxie M 81, dar-
unter auf etwa halber Höhe die Zwerggalaxie Holmberg IX. Der Bildausschnitt ist stark vergrößert und stammt aus einer 10 h belichteten Aufnahme mit einem Linsenteleskop (76 mm Öffnung, 350 mm Brennweite). Norden liegt auf ca. 13:30 Uhr. (Bild: Joachim Stroiczek)
Jetzt folgend vier Fragestellungen, die sich mir bei dem kleinen Regentag-Experiment gestellt haben und meine Lösungen hierzu.
Wie findet man Quasare? Ich beschreibe nun einen Weg, den ich über die Planetariumssoftware Stellarium gefunden habe. In Stellarium werden Quasare standardmäßig nicht angezeigt, man kann aber ganz einfach eine entsprechende Erweiterung aktivieren, welche diese Objekte hinzufügt (Einstellungsfenster>Erweiterung >Quasare, Abb. 3). Nach Neustart der Applikation erscheint die Anzeigeoption für Quasare in der Werkzeugleiste am unte-
2 Quasar SDSS J140354.57+543246.8 in der Nähe des nordöstlichen Spiralarms der
Galaxie M 101. Der ebenfalls stark vergrößerte Bildausschnitt stammt aus einer Aufnahme mit einem 8-zölligen Newton-Spiegelteleskop, 3 h belichtet. Norden liegt auf etwa 13:15 Uhr. (Bild: Joachim Stroiczek)
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Astrofotografie
ren Bildrand (Abb. 4). Der Quasar wird nun als rotes Kreuz angezeigt wie das in der Nähe von M 81 (Abb. 5).
Wie kann man Astroaufnahmen ohne Interpolationsartefakte entwickeln, so dass diese (amateur-) wissenschaftlichen Ansprüchen genügen? Die meisten meiner Aufnahmen entstehen mit Farbkameras. Durch das so genannte Debayern werden hier große Teile des Bildsignals im Entwicklungsprozess interpoliert und entsprechen damit keinen echten Messwerten mehr. Um dieses zu vermeiden, habe ich ein Skript für die astronomische Bildverarbeitungssoftware entwickelt, welches diese Problematik umgeht. Die Methode wird in [1] beschrieben.
Wie kann man den winzigen Lichtpunkt in der Astroaufnahme zuverlässig wiederfinden? Die schnellste Methode, den Quasar in einer bestehenden Aufnahme wiederzufinden, ist ein Bildschirmfoto von dem Sternenfeld in Stellarium zu machen und dieses als neue Ebene halbdurchsichtig in das Grafikprogramm einzufügen, in dem sich die eigene Astroaufnahme befindet. Dann muss man das Bildschirmfoto skalieren und drehen, bis die Sterne deckungsgleich erscheinen. Das rote Kreuz in dem Bildschirmfoto von Stellarium weist den richtigen Lichtpunkt des Quasars aus (Abb. 6).
3 Das Aktivierungsfeld für verschiedene Objekte in Stellarium. Hier wurde
,,Quasare" aktiviert.
4 Die Quasardatenbank wird in der Werkzeugleiste von Stellarium angezeigt.
Wo finde ich wissenschaftliche Informationen zu dem Objekt? Für diese Recherche nutze ich die astronomische Datenbank SIMBAD [2]. Aus Stellarium notiere/kopiere man die Koordinaten des Quasars und übertrage sie in das Koordinaten-Suchfeld von SIMBAD (Query by Coordinates, Abb. 7). Daraufhin wird uns eine ,,Trefferliste" mit den Objekten im Himmelsausschnitt um den gewählten Ort
5 Der in Stellarium angezeigte Quasar in der Nähe von M 81
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Astrofotografie
6 Der Screenshot aus Stellarium
wird in die Bildbearbeitungssoftware Affinity Photo eingefügt.
angezeigt (Abb. 8). Das erste Objekt hier im Beispiel ist der gesuchte Quasar, mit einer um 17 Bogensekunden etwas anderen Position als in Stellarium. Den also anklicken, um Details zu erfahren. In der Detailliste ist u. a. die Rotverschiebung z angegeben, die einen Indikator für die Entfernung des Quasars darstellt.
Internethinweise (Stand April 2024): [1] Entwicklung von Astrofotos ohne
Bayer-Matrix-Interpolation, http:// joachim.stroiczek.de/files/1ece7ec93 211db794c6842c634c23348-61.html [2] Datenbank SIMBAD, http://simbad. cds.unistra.fr/simbad/sim-fid
7 Suchmaske in der
Datenbank SIMBAD. Die Quasarkoordinaten aus Stellarium werden eingegeben.
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8 Die von SIMBAD
erzeugte ,,Trefferliste"
Astrophysik & Algorithmen
Die Zernike-Polynome
von Uwe Pilz
Frits Zernike unternahm in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts den Versuch, die optischen Fehler von abbildenden Systemen mit Hilfe von mathematischen Verfahren systematisch zu ordnen und in ihrem Ausmaß einzeln messbar zu machen [1]. Die Idee dahinter ist, dass man die Verformung der Wellenfront durch eine abbildende Optik in einen gewünschten Anteil und einen unerwünschten trennt. Der gewünschte Anteil ist die beabsichtigte Abbildungseigenschaft, z. B. alle Sterne über das Bildfeld punktförmig abzubilden. Die davon abweichenden Eigenschaften einer realen Optik, die Aberrationen, werden so charakterisiert, als wäre die einlaufende Wellenfront nicht eben, sondern gerade von den optischen Abweichungen behaftet, die zusammen mit einer perfekten Optik die gemessenen Abbildungsfehler hervorrufen. Die Abbildung 1 zeigt die für uns Astronomen wichtigsten optischen Fehler. Die Aberrationen werden gemäß der Zernike-Theorie durch Polynome dargestellt, die nummeriert sind. Sie tragen jeweils einen radiusabhängigen Anteil und einen winkelabhängigen Anteil. Einige Fehler wirken nur über den Radius. Besonders leicht zu verstehen ist die Veränderung der Fokuslage. Eine abbildende Optik wandelt eine ebene Wellenfront in eine Parabel. Wenn diese Wellenfront in der falschen Ebene fokussiert, dann ist diese Parabel zu steil oder zu flach. Es wird also eine zusätzliche Parabel addiert:
Der Kugelgestaltsfehler (Abb. 2) hängt ebenfalls nur vom Radius r ab. Hierbei hat die Optik abhängig vom Radius eine unterschiedliche Brennweite. In den mathematischen Ausdruck für diesen Fehler
geht auch nur der Radius ein.
1 Die wichtigsten optischen Fehler abbildender Optiken: Defokussierung und sphärische
Aberration (links) sowie Astigmatismus und Koma (rechts)
2 Der Kugelgestaltsfehler (sphärische
Aberration) entsteht, wenn die Brennweite einer Optik vom Radius abhängt.
Anderer Natur ist die Koma (Abb. 3), wo sich die Brennweite schräg einfallender Lichtbündel in Abhängigkeit davon ändert, wo das Strahlenbündel einfällt. Dieser Fehler hängt sowohl vom Radius r als auch vom Einfallswinkel ab, und in die Formel gehen auch beide Werte ein:
3 Schräg einfallende
Lichtbündel vereinigen sich bei einer Einzellinse an ganz unterschiedlichen Stellen, man spricht von Koma. Statt eines Brennpunktes gibt es einen Brennfleck.
Wellenfront
Eine Wellenfront entsteht, wenn man den Verlauf einer von einer punktförmigen Lichtquelle ausgehenden Welle im Raum verfolgt. Alle Punkte der Wellenfront haben dieselbe Lichtlaufzeit von der Quelle und damit auch dieselbe Phasenlage. In der Nähe des Senders ist die Wellenfront eine Kugelschale, in weiter Entfernung vom Sender nahezu eine Ebene. Solche Wellenfronten nennt man ungestört. Nach dem Durchlauf durch ein optisches Medium oder durch Reflexion verändert sich die Wellenfront. Optiken erzeugen erwünschte und unerwünschte Wellenfrontänderungen. Letztere sind die optischen Fehler, welche durch die Zernike-Polynome charakterisiert werden.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 51
Astrophysik & Algorithmen
4 Astigmatismus nennt man die Eigenschaft einer Linse, tangentiale und
radiale Lichtbündel in verschiedenen Brennpunkten zu vereinigen. Bei Zylinderlinsen wie im Bild ist dieser Effekt auch in der Linsenmitte zu beobachten, bei kugelförmigen Linsen ist er typisch für die außeraxialen Lichtbündel.
Im Bild dargestellt ist noch der Astigmatismus (Abb. 4), der bei Zylinderlinsen auftritt. Insbesondere Randgebiete von Linsensystemen sind davon betroffen. Das Polynom dafür lautet:
Ein Linsensystem kann Fehler mehrerer Arten haben, z. B. sphärische Aberration und Astigmatismus. In solchen Fällen werden die Polynome addiert.
Literatur- und Internethinweise (Stand 04.04.2024): [1] F. Zernike, 1934: ,,Beugungstheorie des Schneidenverfahrens [2]
und seiner verbesserten Form, der Phasenkontrastmethode", Monthly Not. Roy. Astron. Soc. 94, pp. 689-704 [2] Zernike-Polynom, https://de.wikipedia.org/wiki/Zernike-
Polynom [3] H. R. Suiter, 1994: ,,Star testing optical telescopes", Willmann- [4]
Bell [4] Aberrator, http://aberrator.astronomy.net/
Das beiliegende Python-Programm basiert auf den wellenoptischen Simulationen des vorigen Teils. Diesmal sind zusätzlich die Zernike-Polynome enthalten und man kann das Beugungsbild von fehlerhaften Optiken simulieren. Als Ausmaß wird angegeben, wie weit sich die wirkliche Wellenfront von der theoretischen entfernt - angegeben in Wellenlängen . Das Programm gestattet es, diesen Wert in die Formeln einzutragen.
Die Zernike-Theorie kennt zudem Fehler höherer Ordnung. Auch diese Fehler können mit dem beiliegenden Programm visualisiert werden, wenn man die entsprechenden Formeln aus der Literatur entnimmt [2] und berücksichtigt.
Mit solchen Beugungsbildern kann man eine Optik halbquantitativ einschätzen: Man vergleicht die simulierte Beugungsfigur mit derjenigen, die man am Stern sieht. Eine ähnliche Vorgehensweise wird in der Literatur [3] vorgeschlagen.
Das Programm rechnet ziemlich lange, insbesondere bei großen Abweichungen von der Fokuslage. Hier steht jedoch der didaktische Zweck im Vordergrund. Das Programm Aberrator [4] liefert praktisch identische Resultate, und das blitzschnell.
Programm (Ausschnitt):
# Vorgabewerte l=0.55e-6 # lambda 555nm f=650 # Brennweite A=0.105 # Apertur O=0.0 # Obstruktion, z.B. 0.2 # die Aberrationen D=-2 # Defokus k=1 # Kugelgestaltsfehler K=0 # Koma a=0 # Astigmatismus :
if (r >= O * A / 2): # zentrale Obstruktion berücksichtigen y = sq(r) / 4 / f g = G - y Y = f - y Q = G + sqrt(sq(X) + sq(f) + sq(Z)) # Q unveränderlich q = g + sqrt(sq(x - X) + sq(Y) + sq(z - Z)) R = r / (A / 2); # Zernicke - R # alle Aberration gehen als +- in die Rechnung ein: halbieren # Defokus Q = Q + D * l * (2 * 0 * 0 - 1) / 2; q = q + D * l * (2 * R * R - 1) / 2; # sph Aberration Q = Q + k * l * (6 * 0 * 0 * 0 * 0 - 6 * 0 * 0 + 1) / 2; q = q + k * l * (6 * R * R * R * R - 6 * R * R + 1) / 2; # Koma Q = Q + K * l * (3 * 0 * 0 * 0 - 2 * 0) * sin(phi) / 2; q = q + K * l * (3 * R * R * R - 2 * R) * sin(phi) / 2; # Astigmatismus Q = Q + a * l * 0 * 0 * cos(2 * phi) / 2; q = q + a * l * R * R * cos(2 * phi) / 2; # gesamter Laufzeitunterschied s = Q - q for o in range(2): # beide Phasenwinkel phasenwinkel = o * pi / 2 a = cos(2 * pi * s / l + phasenwinkel) / sq(q)
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Atmosphärische Erscheinungen
Die Polarlichter des zweiten Halbjahres 2023
von Andreas Möller
Die Polarlichter in der ersten Jahreshälfte 2023 wurden von Michael Theusner in der Ausgabe Nr. 88 des VdS-Journals für Astronomie zusammengefasst. Besonderes Augenmerk galt dem Polarlicht vom 23./24. April 2023, das mit auffällig heller RAGDA (Red Arc with Green Diffuse Aurora) beobachtet wurde. Die zweite Jahreshälfte blieb mindestens genauso spannend und eine hohe Sonnenaktivität führte dazu, dass es weitere spektakuläre Polarlichtereignisse gab.
Die Sommermonate brachten überwiegend schwache und nur fotografisch erfasste Polarlichter hervor. Statistisch gesehen sind der Juni und Juli die Monate, an denen die wenigsten Polarlichtnachweise erfolgen. Das ist mit der Neigung der Erdachse und den daraus resultierenden kurzen und hellen Nächten zu erklären. Im September beginnt bekanntlich die Nordlichtsaison und so gab es zum Herbstanfang das dritte helle Polarlicht im Jahr.
Am Abend des 23. Septembers erreichte der Sonnenwind eines koronalen Massenauswurfes (CME) die Erde (Abb. 2-4). Der
Verursacher war ein Flare der Klasse M1.1, der vom Sonnenfleck AR 13445 ausgelöst wurde. Eine hohe Partikeldichte und ein negativ ausgerichtetes interplanetares Magnetfeld (IMF), der Bz-Wert lag bei ungefähr -20 nT, führten zu visuellem Polarlicht in unseren Breiten. Viele Beobachter in Nord- und Mitteldeutschland sahen einen langlebigen und homogenen grünen Polarlichtbogen. Ab und zu leuchteten schwache rote Beamer auf. Gegen 23:00 Uhr UTC ereignete sich ein kurzer Substorm, der die Beamer für zwei bis drei Minuten hell aufleuchten ließ. Die südlichste visuelle Beobachtung wurde nördlich von München gemeldet. Fotografisch konnte das Polarlicht bis nach Italien, auf der geografischen Breite von Genua, nachgewiesen werden. Michael Theusner gelang es außerdem, den SAR-Bogen zu fotografieren, einen sehr schwachen Lichtbogen, der sich von Ost nach West über den Himmel erstreckt und in einem dunklen Rot erscheint. Dieser Bogen ist so schwach, dass er nur fotografisch nachgewiesen werden kann. Der SAR-Bogen emittiert rotes Licht mit einer Wellenlänge von 630 nm und entsteht in der Iono-
sphäre in ca. 400 km Höhe. Für die Entstehung sind Elektronen verantwortlich. Im Monat Oktober konnte das Polarlicht in drei weiteren Nächten nachgewiesen werden. Die Nachweise waren jedoch allesamt fotografisch. Das mit Abstand hellste Polarlicht des Jahres ereignete sich in der Nacht vom 5. auf den 6. November 2023. Verursacher war ein CME, der durch einen Flare der Klasse C3.3 ausgelöst wurde. Das erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, da man annehmen sollte, dass besonders starke Flares der Klasse M oder sogar X für helle Polarlichter verantwortlich sind. Doch anscheinend stimmten die Ausrichtung des Magnetfeldes in der magnetischen Blase sowie der Zeitpunkt, an dem der CME die Erde erreicht hat. Am Vormittag des 5. Novembers traf die Schockfront auf die Erde und die Gesamtmagnetfeldstärke des IMF erreichte beachtliche 45 nT. Der am DSCOVR-Satelliten gemessene BzWert, das ist die in Richtung zur Erdachse gemessene Magnetfeldstärke, verweilte fast die ganze Nacht über im negativen Bereich, was die magnetische Rekonnexion mit dem Erdmagnetfeld begünstigte (Abb 5).
1 Der 25. Sonnenfleckenzyklus fällt stärker aus als vorhergesagt. Es sieht so aus, als ob der erste Peak des Doppelspitzenmaximums
bereits erreicht wurde. (Bild: Space Weather Prediciton Center)
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Atmosphärische Erscheinungen
2 Das helle Polarlicht am 24.09.2023 zeigte einen breiten und dichten Vorhang aus roten Beamern.
Das Panorama wurde in Mönkhagen (SH) aufgenommen. (Bild: Michael Theusner)
3 Das Polarlicht vom 24.09.2023 war auch in Leonberg,
Bayern, deutlich zu sehen. (Bild: Thomas Klein)
4 Die Karte zeigt die bekannten
Orte, an denen das Polarlicht vom 24.09.2023 nachgewiesen werden konnte.
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Atmosphärische Erscheinungen
5 Die Grafik zeigt den Verlauf des geomagnetischen
Sturms in der Nacht vom 05./06.11.2023. Der DSCOVRSatellit misst die Teilchendichte, Geschwindigkeit und magnetische Feldstärke des Sonnenwindes. Je länger der Bz-Wert im negativen Bereich verweilt, desto höher sind die Chancen auf starke Substürme.
Leider sahen die Wetteraussichten in Deutschland alles andere als rosig aus und Wolken versperrten vielerorts den Blick auf das Himmelsschauspiel. Lediglich Beobachter in Schleswig-Holstein, Sachsen und im Raum München hatten die Chance, das helle Polarlicht zu sehen. Die glücklichen Beobachter berichteten, dass das rote Polarlicht Sterne überstrahlt hat und teilweise im Zenit stand. Auch in dieser Nacht wurde wieder der rote SAR-Bogen nachgewiesen (Abb. 6).
Antje Sommer gelang es in Warnemünde, in der Zeit von 19:10 bis 19:50 Uhr UTC, das STEVE-Phänomen zu fotografieren (Abb. 7). Die Abkürzung STEVE steht für Strong Thermal Emission Velocity Enhancement. Die Erscheinung zeigt sich in Form eines schmalen violetten Bandes am Himmel. Typisch für STEVE ist das Auftreten von grünem Polarlicht in Form eines ,,Lattenzauns" unterhalb des Bandes. Das konnte in dieser Nacht jedoch nicht beobachtet werden. Bei STEVE handelt es sich streng genommen nicht um Polarlicht. Es entsteht in einer Höhe von ca. 450 km in der Ionosphäre und wird durch eine untypisch schnelle und heiße Ionendrift hervorgerufen.
Tabelle 1
Besondere Polarlichter im Jahr 2023
Polarlicht, das bis in die Alpen und südlicher nachgewiesen werden konnte
Polarlicht mit RAGDA Polarlicht mit SAR-Bogen Polarlicht mit STEVE
13./14. Januar 27./28. Februar
15./16. März 23./24. März 23./24. April
19./20. Mai 24./25. Juni 14./15. Juli 12./13. September 24./25. September 04./05. November 05./06. November 06./07. November 21./22. November 25./26. November 26./27. Februar 23./25. März 22./23. April 24./25. September 04./05. November 05./06. November 05./06. November
Journal für Astronomie Nr. 91 | 55
Atmosphärische Erscheinungen
6 Der rote SAR-Bogen ist visuell nicht zu sehen und kann nur fotografisch nachgewiesen werden.
Das Foto entstand am 05.11.2023 in Idstein. (Bild: Carl Herzog)
Vergleicht man die Werte des Sonnenwindes und den Kp-Index dieser Polarlichtnacht mit den großen Ereignissen aus den Jahren 2001 und 2003, so stellt man fest, dass es sich um kein besonders starkes Polarlichtevent gehandelt hat. Bei den ,,Halloween-Polarlichtern" im Oktober 2003 erreichte der Kp-Index den Wert 90 (G5Sturm), wohingegen der Kp-Index in der Nacht vom 5. September 2023 lediglich einen Wert von 70 (G3-Sturm) erreichte. Aus diesem Grund ist es umso erstaunlicher, wie
weit südlich das Polarlicht gesehen werden konnte. Die lokalen Zeitungen in Kroatien, Albanien, der Türkei und in Griechenland berichteten von hellem Nordlicht in ihren Breiten. Die südlichste bekannte Sichtung stammt von der griechischen Ferieninsel Rhodos, die auf einer geografischen Breite von 36,4 Grad liegt. Dort konnte das Polarlicht deutlich visuell gesehen und auch fotografiert werden.
In der Folgenacht, vom 6. auf den 7. November, konnten die Nachwehen des Vorabends beobachtet werden. Es gibt Polarlichtsichtungen aus Mitteldeutschland, und auch im Alpenraum konnte das Polarlicht per Webcam nachgewiesen werden. Somit handelt es sich, neben dem RAGDA-Polarlicht vom 23. April 2023, um das stärkste PolarlichtEreignis des 25. Sonnenfleckenzyklus.
Ende November gab es noch zwei weitere nennenswerte Polarlichtnächte. Am 21.
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Atmosphärische Erscheinungen
7 Das STEVE-Phänomen wurde erst in den letzten Jahren populär. Am 05.11.2023 konnte dieser langlebige
STEVE in Warnemünde beobachtet werden. (Bild: Antje Sommer)
November führte der schnelle Sonnenwind eines koronalen Loches dazu, dass das Polarlicht die Helligkeit ,,deutlich visuell" erreichte und auch durch Webcams im Alpenraum nachgewiesen werden konnte. Nur vier Tage später, am 25. November, wurde das Polarlicht noch ein wenig heller und intensiver. Trotz Vollmond konnten im Nordosten von Deutschland zahlreiche Beobachter einen grünen Polarlichtbogen und deutlich rote Beamer sehen. Auch dieses Nordlicht wurde von den bekannten Webcams im Alpenraum festgehalten. Der südlichste Nachweis erfolgte auf 42,9 Grad geografischer Breite in den Pyrenäen.
Fazit Im Jahr 2023 gab es 57 Nächte, in denen Polarlichter in Deutschland nachgewiesen werden konnten. Das ist ein neuer Rekord. Jedoch sollte man diese Zahl nicht mit vergangenen Zyklen vergleichen, da soziale Medien, diverse Polarlicht-Apps und eine immer bessere Himmelsüberwachung mit sensiblen Webcams dafür sorgen, dass so gut wie keine Polarlichtnacht unentdeckt bleibt. Selbst schwache und kurz anhalten-
de Polarlichter werden detektiert und gemeldet. Dennoch zeigt sich eine deutliche Zunahme an hellen und besonderen Polarlichtereignissen, wie es zum Maximum des Sonnenfleckenzyklus zu erwarten ist. Das Jahr 2023 hat vier helle Polarlichter hervorgebracht. Besonders bemerkenswert ist, dass der Arbeitskreis Meteore im Jahr 2023 das erste Mal besondere und erst kürzlich benannte Polarlichtarten systematisch dokumentieren konnte.
[2] Polarlicht-Archiv für Deutschland, www.polarlicht-archiv.de
[3] Dokumentation des STEVE vom 05.11.2023, https://forum.meteoros.de/viewtopic. php?f=1&t=61637&p=243586
Es sieht so aus, dass wir die erste Spitze des Doppelspitzenmaximums bereits hinter uns gelassen haben und aktuell auf den zweiten Peak zusteuern. Der Erfahrung nach bringt der abklingende Sonnenfleckenzyklus deutlich hellere Polarlichter hervor. Wir können uns also auf weitere spannende Monate und Jahre freuen.
Internethinweise (Stand 02.06.2024): [1] Polarlicht-Vorhersage für Deutsch-
land, www.polarlicht-vorhersage.de
Tabelle 2
Auflistung der Polarlichter 2023
Helligkeit
Anzahl der Polarlichtnächte
fotografisch
35
schwach visuell 10
deutlich visuell 8
hell
4
extrem hell
0
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Deep Sky
Skyguide 2024 - 3 (Herbst)
von Robert Zebahl und Rene Merting
Obwohl klein und eher unscheinbar, liegt das Sternbild Dreieck in prominenter Umgebung und ist damit schnell zwischen Andromeda und Widder zu finden. Der hellste Stern erreicht gerade einmal 3,0 mag. Das hellste Deep-Sky-Objekt ist Messier 33 (Dreiecksnebel) und kann unter dunklem, transparentem Himmel auch mit dem freien Auge gesehen werden. Doch heute wollen wir uns den eher kleinen Dingen widmen.
Den Anfang macht der physikalische Doppelstern Iota Trianguli (6 Tri), dessen Komponenten (mV = 5,3 mag / 6,7 mag) mit einem Winkelabstand von vier Bogensekunden weit genug auseinanderstehen,
um selbst mit kleinstem Teleskop getrennt werden zu können. Die Farben der Komponenten werden meist als gelblich orange und weiß beschrieben. Wer die Vergrößerung nicht zu hoch wählt, kann den östlich gelegenen Doppelstern STF 232 in einem Abstand von etwa 30 Bogenminuten zusammen mit Iota Trianguli beobachten. Dessen nahezu gleich helle Komponenten (mv = 7,8 mag / 7,9 mag) liegen mit 6,7 Bogensekunden etwas weiter auseinander. Beide Doppelsterne zusammen ergeben einen wirklich lohnenden Anblick (Abb. 2). Als nächstes kommen wir zu der Sterngruppe Collinder 21 (Abb. 3). Obwohl viele sicher keine halben Sachen mögen, weiß diese Sterngruppe durchaus zu überzeu-
gen. Etwa acht Sterne mit Helligkeiten von 8,2 bis 11,6 mag bilden einen schönen, markanten Halbkreis. Dieser beginnt im Süden mit dem hellsten Stern und verläuft über Westen nach Norden. Knapp über der Hälfte des Halbkreises befindet sich ein auffälliges Sternpaar. Aufgrund der Helligkeiten sollten auch Besitzer kleinerer Teleskope diese Sterngruppe gut beobachten können. In unmittelbarer Umgebung befinden sich kaum hellere Sterne. Unter dunklem Himmel mit ausreichend großem Teleskop ist auch die Galaxie IC 1731 (mV = 13,4 mag) erreichbar, die sich nördlich von Collinder 21 befindet. Sie wird aber für die meisten nur ein blasser, ovaler Nebelhauch bleiben. Dennoch lohnt sich ein Blick.
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1 Aufsuchkarte
58
And
17
Arp 166
Tri M 33
6 Tri
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Collinder 21
41 35
Ari
1
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M 74
Psc
Erstellt mit Cartes du Ciel
Deep Sky
2 Iota Trianguli und STF 232, Zeichnung von Robert Zebahl,
entstanden an einem 70-mm-Refraktor unter städtischen Bedingungen
3 Collinder 21 und IC 1731, Zeichnung von Rene Merting,
entstanden an einem 12,5-Zoll-Dobson (V = 160x) unter dunklem Landhimmel (SQM-L im Zenit: 21,3 mag/arcsec2)
Freunde der nebeligen Objekte werden sicher Gefallen an Arp 166 finden, ein wechselwirkendes Paar von recht kompakten Galaxien. Die nördliche NGC 750 (mV = 11,9 mag) ist dabei etwas größer und heller als die südliche NGC 751 (mV = 12,5 mag). Der geduldige Beobachter vermag diese beiden Galaxien unter dunklem Himmel bereits mit vier Zoll Teleskopöffnung zu sehen, wenngleich es nur bei einem kleinen, schwachen Nebel bleibt. Bei etwa acht Zoll Teleskopöffnung ist eine Trennung beider Galaxien denkbar. Zumindest ist dann Arp 166 als ovaler Nebel sichtbar, dessen nördlicher Bereich heller erscheint. Die Trennung gelingt spätestens mit zwölf Zoll Teleskopöffnung und hoher Vergrößerung, wie die Zeichnung von Rene Merting zeigt (Abb. 4). Auf langbelichteten Aufnahmen ist außerdem noch ein schwacher Ausläufer gen Nordwesten zu sehen, weshalb Halton Arp dieses Galaxienpaar in die Gruppe der Galaxien mit diffusen Filamenten aufnahm. Dieser Ausläufer ist visuell eine Herausforderung und benötigt exzellente Bedingungen sowie ein sehr großes Teleskop. So konnte Uwe Glahn dieses Detail mit einem 27-Zoll-Dobson erfolgreich beobachten.
4 Arp 166, Zeichnung von Rene Merting, entstanden an einem
12,5-Zoll-Dobson (V = 144x) unter dunklem Landhimmel (SQM-L im Zenit: 20,9 mag/arcsec2)
Journal für Astronomie Nr. 91 | 59
Geschichte
Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie
von Wolfgang Steinicke
In diesem Heft lesen Sie den zweiten Teil von Franz Zitzelsbergers Betrachtung der ,,Mond- und Venus-Zeit" mit dem Titel ,,Eine Messerklinge als Schautafel antiker Himmelskunde". Auch Maik Schmerbauch war wieder aktiv. Sein neuester Beitrag trägt den Titel ,,Zur Erinnerung an den 50. Todestag des bedeutenden deutschen Astronomen Hans Kienle (1895-1975)". Versorgen Sie mich auch weiterhin mit interessanten Artikeln.
Die nächste Geschichtstagung wird vom 1. bis 3. November 2024 in Gotha stattfinden. Information dazu finden Sie auf unserer Webseite http://geschichte. fg-vds.de. Wie bereits erwähnt, werde ich nach 20 Jahren mein Amt als Leiter der Fachgruppe abgeben. Die technische Organisation der Fachgruppe übernimmt Torsten Eisenschmidt. Ein fachlicher Leiter muss noch gefunden werden.
Mond- und Venus-Zeit (Teil 2)
- eine Messerklinge als Schautafel antiker Himmelskunde
von Franz Zitzelsberger
Und solange du das nicht hast, dieses Stirb und Werde, bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde.
(Zitat aus ,,Seliges Verlangen", Johann Wolfgang von Goethe)
So also sieht ein 3.000 Jahre altes Messerchen der späten Bronzezeit aus. Auf den zweiten Blick erweisen sich vermeintliche Verzierungen als Abbildung der Erscheinungen von Mond, Venus und Merkur. Zweifellos ein besonderes Momentum, sich näher mit der Bedeutung des Fundes auseinanderzusetzen. Eine genauere Bewertung lässt erkennen, die Reihung und Gliederung der Halbbögen und Linien können als Leitfaden einer faszinierenden Sternkunde aus der Zeit um 1000 v. Chr. verstanden werden. Vielleicht wurde ihr wiederkehrender Auf- und Untergang in gemeinsamen Zyklen sogar in religiöse Vorstellungen von ,,Stirb und Werde" übertragen. So gesehen wäre das Messerchen ritueller Gegenstand einer Glaubensgemeinschaft der Wiedergeburt.
In der letzten Ausgabe des Journals [1] wurden erste Schritte einer astronomisch orientierten Interpretation dargelegt. Unverkennbar werden in den Bögen und Linien der Mond und seine Lichterscheinungen, seine Auf- und Untergänge entlang des Horizonts, seine nächtliche Wanderung durch die Sterne dargestellt. Im Kontext dazu ste-
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1 Die Messerklinge in folgerichtiger Haltung zur Horizontbeobachtung
von Aufgang der Gestirne im Westen nach Untergang der Sonne und der Plejaden (Frühlingstagundnachtgleiche)
Geschichte
hen Mondjahre mit 336 / 354 / 364 Tagen. In der weiteren systemischen Aufteilung der Klinge wird deutlich, die Monat-Zeit war auch Maß der Zeitperioden von Venus und Merkur.
Die Abbildung 2 zeigt, die Länge der Klinge wird mittig durch eine auffällige Kerbe in eine linke und rechte Hälfte geteilt. In Anlehnung an eine Argumentation von Schmidt-Kaler zu Abbildungen auf bronzezeitlichen Prunkäxten der Salzmünder Kultur [2] unterstelle ich als Arbeitshypothese eine Funktion im Sinne eines Gleichheitszeichens. Auch bei anderer Symbolik in der Darstellung, ein Ergebnis auf der rechten Seite muss dem auf der linken Seite entsprechen. Vermutlich ist jede Hälfte ein Abbild der Umlaufperioden der gleichen Gestirne. Mal vor den Sternen, mal entlang des Horizonts. 294 Tage des Abendsterns auf der einen, sind 42 Wochen auf der anderen Seite usw.
Der Systematik folgend werden die Informationen von rechts nach links gelesen. Entlang des Messerrückens sind synodische Perioden als Halbzyklen eingetragen. Sie stehen den siderischen Perioden gegenüber.
Eine wichtige Markierung ist das ,,geöffnete Auge". Es befindet sich im 10. Halbbogen und markiert in Mondbögen gezählt eine Zeitfolge von 10 x 29,4 = 294 Tagen (s. Abb. 2). Dies entspricht sehr genau der wahren synodischen Periode des Abendsterns. Beginnend mit dem Bogen des Auges folgen 4 weitere Halbbögen, die 4 x 29,4 = 117,6 Tagen entsprechen. Das trifft die mittlere synodische Periode des Merkur oder 2 Perioden des Kleinen Abendsterns. Bis zur Kerbe sind eine ganze Reihe synodischer Zyklen von Mond, Merkur und Venus zusammengefasst.
2 Die Kerbe als ,,Gleichheits- und Trennungszeichenzeichen" zwischen den ,,siderischen"
und ,,synodischen" Zähleinheiten der Halbbögen. Die Objektwerte rechts und links müssen einander entsprechen.
3 Die Halbbögen auf dem ,,Venusbuckel" der Klinge entsprechen der Entwicklung der
auf- und absteigenden Sichtbarkeitskurve des Abendsterns in Blickrichtung Horizont 98 Tage vor der unteren Konjunktion. Jeder Halbbogen entspricht 7 Tagen. Die Halbbögen zu Beginn des Griffdorns sind der Sichtbarkeitsphase des Merkur während der Venussichtbarkeit zuzuordnen.
Das System der Halbbögen auf dem ,,Venusbuckel" links davon scheint die Gleichsetzungsfunktion zu bestätigen (Abb. 2 und 3). Bleiben die Halbbögen zum Griffdorn unberücksichtigt, bedeuten 14 x 21 = 294 Tage oder 42 Wochen. 21 Perioden des - zunehmenden - siderischen Mondlaufs oder 42 Wochen entsprechen nach der gezeichneten Chronologie des Messerchens exakt 10 Perioden des synodischen Mondlaufs oder einer Periode des Abendsterns. Damit entspricht dieser Teil dem Ergebnis rechts der Kerbe. Ein faszinierender Zusammenhang.
Da die Halbbögen zusätzlich mit 3 x 7 Querstrichen auf dem Messerrücken verbunden sind, die vermutlich auf 3 x 7 Tage eines
Monats hinweisen, wird offensichtlich auf die besondere Verbindung der Venusperiode mit dem Mondzyklus hingewiesen. Dies bedeutet, 4 + 5 + 5 mit den Querstrichen verbundene konzentrische Halbbögen sind mit je 7 Tagen zu zählen. Folglich 28 + 35 + 35 Tage. Umgesetzt in die Himmelsbeobachtung spiegelt sich hier die bekannte Sichtbarkeit des Abendsterns mit 28 + 35 Tage aufsteigender und stets zunehmender Helligkeit, gefolgt von 35 Tagen schnell absteigendem Abendstern. Zusammen 98 Tage oder 14 Wochen. Da jetzt zu den vorher bestimmten 294 Tagen 2 x 98 Tage fehlen, kann schlussfolgernd gelesen werden: Zusammen mit dem zunehmenden Mond ist der Abendstern weitere 98 Tage entlang
Journal für Astronomie Nr. 91 | 61
Geschichte
Werk der Sternkundigen, sondern soll helfen, die Vielseitigkeit des Beziehungsmodells zu überblicken.
4 Von rechts nach links, die Zuordnung der Gestirne Merkur, Venus und Mond zu den
siderisch zu zählenden 28-tägigen Mondzyklen
dem Horizont mit schwächer werdender Helligkeit sichtbar. Jetzt wird der Abendstern unsichtbar. Da aber der zunehmende Mond, das Begleitgestirn des Abendsterns, bis zur Sichtbarkeit des Morgensterns weitere 98 Tage sichtbar ist, muss in dieser Zeit auch die Venus vorhanden sein. Sie ist in der Zeit der Wende in die Sichtbarkeit als Morgensterns unsichtbar.
Diese Schlussfolgerung legt nahe, die Sternkundigen erkannten aus der vergleichenden Betrachtung des nächtlichen Mondbogens zur Erscheinung und Sichtbarkeitszeit des Abendsterns eine Möglichkeit, eine siderische und eine synodische Periode der Venus zu bestimmen. In der Recherche erfährt man zudem, das Wissen um die wahre synodische Venusperiode ist wenigstens 2.000 Jahre älter [3]. Sind die Abbildungen auf dem Venusbuckel als Modell der Mondpassagen zu den Helligkeitsphasen der Venus zu verstehen, ist dieses vermutlich ein Schlüssel für eine Beobachtung der wahren synodischen Venuszyklen.
liegenden Seite 6, zusammen also 11 Halbbögen. Diese Teilung der 11 wurde offensichtlich so gewählt, um in der Darstellung halbe Bögen zu vermeiden. Für jede Seite sollten demnach 51/2 Bögen gezählt werden. Somit ergibt sich 51/2 x 21 = 1151/2 Tage. Die Merkurperiode teilt sich also auf in 3 Sichtbarkeiten mit dem Abendstern und 21/2 Sichtbarkeiten mit dem Morgenstern - oder auch umgekehrt.
Aus dem bisherigen Zusammenhang lohnt es, nochmal den Bereich der siderischen Halbbögen und Markierungen entlang der Horizontlinien genauer zu betrachten (Abb. 4). Von rechts nach links gezählt finden wir nach 3 Halbbögen oder 3 x 28 = 84 Tagen als eigene Markierung den siderischen Umlauf des Merkur, nach 8 x 28 = 224 Tagen den der Venus und nach 12 x 28 = 336 Tagen den des Mondes. Die siderische Umlaufzeit des Mondes ist Maßeinheit für das Periodensystem von Venus und Merkur. 4 sid. Merkurperioden entsprechen 1 sid. Mondjahr zu 336 Tagen.
Die Halbbögen auf dem Griffdorn entsprechen der synodischen Periode des Merkur. Es sind auf einer Seite 5, auf der gegenüber-
Aus diesen Zusammenfassungen lässt sich eine Tabelle zeitlicher Übereinstimmungen der Zyklen erstellen (Tab. 1). Sie ist kein
Da es sich in den Markierungen um ein Beziehungssystem von Gestirnen handelt (Abb. 1), das bis zur Fertigung des Messerchens nachweislich seit wenigstens 2.000 Jahren bekannt war, kann den Sternkundigen der Zeit schwerlich entgangen sein, dass nach 8 sid. Mond-Sonnenjahren (!) + 1 sid. Monat = 2.940 Tage, Sonne, Mond, Venus und Merkur nahezu die gleiche Stellung vor den Fixsternen haben sollten. So machen die von ihnen gezählten Zyklen einen weiteren Sinn. Nach diesem Zusammentreffen begann regelmäßig zur Frühlingstagundnachtgleiche ein neuer gemeinsamer Zyklus der Gestirne. Die Zyklen des Mondes waren die Bezugseinheiten. Der Stichtag bot eine Möglichkeit, parallel geführte Kerb- oder Steckkalender mittels Schalttagen oder Schaltwochen abzugleichen. Der systemische Aufbau des Messerchens und die gewählten Zyklen von 364 Tagen für das Jahr oder 588/294 Tagen für die Venus und der synodische Monat mit 29,4 Tagen sind dafür ein Indiz.
Da in 2.940 Tagen 8x die Neuentstehung der Sonne zwischen der Frühlingstagundnachtgleiche und der Wintersonnenwende enthalten ist, lässt sich alternativ ausdrücken: 8 Schwangerschaften der Venus mit der Sonne entsprechen 5 Perioden Abendstern + 5 Perioden Morgenstern von zusammen 420 Wochen. Da ein jahreszeitlich gebundenes Sonnenjahr 52 Wochen hat, kommen auf 8 Jahre zu je 364 Tagen 10 Zyklen von Venussichtbarkeiten.
Da dem Sonnenlauf auf Grund der Zählung zu 364 Tagen nach 8 Jahren 4 Wochen fehlen, mussten einem Sonnenkalender alle 8 Jahre 4 Wochen = 1 Monat hinzugezählt werden, um vor Sternen den Gleichstand
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Geschichte
von Sonne, Mond und Venus wiederherzustellen. Es bleibt offen, ob mit dieser Regel immer auch eine Neubenennung der Wochentage verbunden war.
Diese Ergebnisse bedeuten aber nicht, dass auf dem Messerchen die siderischen Umlaufzeiten im Sinne eines heliozentrischen Weltbildes gemeint sind. Der Ansatz war völlig anders, führte aber auf Grund der Himmelsmechanik zum gleichen Ergebnis. Auch wenn nicht die Sonne, sondern die Erde die Mitte des Systems ist.
Zusammenfassend halte ich folgende Arbeitshypothese für vertretbar: Das Messerchen lässt seine umfassende Bedeutung erst in der gesamtheitlichen Betrachtung von Form und zyklischen Zeichnungen, Linien und Markierungen erahnen. Vermutlich galt es im höheren Sinne weder als gewöhn-
liches Messer noch als Informationsträger einer nach unserem Verständnis geführten Kalenderform. Es war Symbol und Gesicht einer höheren Ordnungsmacht. Ursprünglich wurde die Wirkung durch zusätzliche figürliche Bilddarstellungen verstärkt. Sie sind zum Teil noch schemenhaft erkennbar. Die Zusammenführung der Zyklen von Venus und Merkur mit denen des Mondes weist auf einen einer harmonischen Ordnung folgenden Lauf der Gestirne und daraus abgeleitet einen ständig wechselnden Auf- und Untergang, ein ,,Stirb und Werde", in das sich die Menschen vermutlich einbezogen fühlten. Gerade aus dieser Verbindung heraus sollte der Jahreskreis in Zyklen, wie Tage, Wochen, Monate, in Zeiträume, die weit über die Dauer eines Mondjahres von 354 Tagen oder auch eines Sonnenjahres von 3651/2 Tagen hinausreichten, gegliedert werden.
Sollten diese unteren Zyklen in die gelebten Sozialstrukturen übertragen werden, muss ein eigener Kalender in Gebrauch gewesen sein, der die gezeichneten Bedingungen erfüllte. Eine an der Beziehung der Gestirne orientierte gültige Zeitordnung über Generationen der Gemeinschaft war ein Muss. Für diese dürfte die etwas sperrig klingende Gleichstellung gegolten haben: 99 Vollmonde entsprechen 105 siderischen Monden oder 13 siderischen Venusperioden + 1 sid. Monat oder 10 synodischen Perioden Venus oder 35 siderischen Perioden Merkur oder 25 synodischen Perioden Merkur oder 2.940 Tagen oder 8 siderischen Mondsonnenjahren. Die so gefundene Beziehung hatte offensichtlich Vorrang gegenüber einer jederzeit taggenauen Vorhersage von Stern-Ereignissen. Von besonderer Bedeutung scheinen wiederum Ereignisse gewesen zu sein, an denen die beteiligten Gestir-
Tabelle 1
Tabelle zeitlicher Übereinstimmungen der Zyklen
Zyklen
Tage
Wochen
28
4
29,4
4
84
12
117,6
224
32
294
42
336
48
354
364
52
588
84
2912
416
2940
420
Monde
sid
syn
1
1
4
8
10
12
12
13
21
20
104
99
105
100
Venus
sid
syn
Merkur
sid
syn
Sonne
1
1
1
2
31/2
21/2
4
1-28
3
1-10
1-11/4
1
7
5
13
8-10
10
35
25
8+18
Im Kontext ergeben die Zyklen unter anderem, 8 Jahre zu 364 Tagen + 1 Monat zu 28 Tagen entspricht 5 x Morgenstern + 5 x Abendstern!
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Geschichte
ne, unter Priorisierung der Venusperioden, Anfang und Ende eines gemeinsamen Zeitzyklus erwarten ließen.
Dies passt zu einem offensichtlichen Willen, auf dem Messerchen eine in Auf- und Untergang der Gestirne erkannte, übergeordnete kosmische Ordnung abzubilden. So wurden zum Beispiel statt eines Sonnenjahrs mit 3651/4 Tagen ein Mond-Sonnenjahr zu 364 Tagen gezählt. Auch die Dauer der Venusperioden mit 294 statt 292 Tagen für Abendstern und Morgenstern oder eben 588 statt 584 Tagen für die synodische Venusperiode ist vermutlich so begründet. Das Wesen des Messerchens und somit dessen Funktion war mit dieser Information verbunden. Das Artefakt war nicht einfach ein Kalender, es war religiöser Kultgegenstand und gab dem Besitzer religiöse Macht.
Der Frühling markiert den Beginn einer neuen Schöpfung, eine Erneuerung. Ein bevorzugter Ausgangs- und Endpunkt der periodischen Zählungen - Jahresbeginn - war offensichtlich der gemeinsame Untergang von Sirius, Siebengestirn und Mond zur Frühlingstagundnachtgleiche. In der Signatur des Messerchens zusätzlich mit Beginn der Sichtbarkeit des Abendsterns. Bedeutsamer für diese Annahme ist der gewählte Beginn der Mondzählung. Ab der Frühlingstagundnachtgleiche gelesen vergehen bis zur Neugeburt der Sonne (Wintersonnenwende) 91/2 Monde oder 40 Wochen. Dies entspricht in etwa der Dauer einer Schwangerschaft. Dies begründet vielleicht eine Übernahme der gefundenen Himmelsordnung in das menschliche Selbstbild, in eine Seelenordnung der Wiedergeburt.
Sonnenjahr und Mondzählung konnten wegen der Beziehung zur Venusperiode mit geringen Abweichungen im Gleich-
klang gehalten werden. Sich aufsummierende Abweichungen konnten spätestens nach 8 siderischen Mond-Sonnenjahren korrigiert werden.
Letztlich bleiben viele Fragen offen. Doch schon jetzt zeichnet sich deutlich ab, allein wegen den enthaltenen Informationen zur Himmelskunde der Bronzezeit könnte der Fundgegenstand durchaus in den Rang der Goldhüte und der Himmelsscheibe von Nebra eingereiht werden. Eine weitere wissenschaftliche Einordnung in kulturhistorische Zusammenhänge könnte den Fund zum ,,Schlüsselbund" zu den Türen der Bronzezeit gehörend gelten lassen. Messer und andere Artefakte mit vergleichbarer Signatur sind offensichtlich bewusst
gewählte Ausdrucksmittel zur dauerhaften Weitergabe einer Kultur der Verbundenheit von Gestirnen und Seelen des Menschen. Sie enthalten Informationen einer sternorientierten Religion, zumindest mehrerer Volksgruppen der Bronzezeit.
Anmerkung Zur Gliederung der Zyklen siehe auch die Darstellung in den Abbildungen. Die heutigen mittleren synodischen Umlaufzeiten der Venus werden im Mittel mit 584 / 2 x 292 Tagen angegeben. Die Differenz von 4 / 2 Tagen ist vermutlich bewusst dem Beziehungsschema geschuldet. Offensichtlich konnten die Sternkundigen in ihren Kalenderrechnungen damit umgehen.
Literatur- und Internethinweise (Stand 11.02.2024):
[1] F. Zitzelsberger, 2024: ,,Mond- und Venus-Zeit - Ein astronomi-
scher Beziehungskalender aus dem Altmühltal der Bronzezeit?
(Teil 1)", VdS-Journal für Astronomie 90, S. 68-72
[2] Th. Schmidt-Kaler, 2012: ,,Ein Venus-Kalender auf dem Berliner [2]
Goldhut: zur Entstehung und Entwicklung der Goldhüte als
Kalender-Gerät" Seiten 198/199, in: Mythos Bullenheimer Berg,
Dettelbach: Verlag J.H. Röll; www.quantenbit.physik.
uni-mainz.de/files/2020/03/Goldhut-TSchmidtKaler-2012.pdf
[3] Ferdinand Bork, 1910: ,,Das Venusjahr", in: Memnon, Zeit-
[3]
schrift für die Kunst- und Kulturgeschichte des Alten Orients,
Band IV, Seiten 93-98, Verlag W. Kohlhammer, Berlin;
https://archive.org/details/DasVenusjahr1910
Empfohlene Texte:
[4] Westfälische Volkssternwarte und Planetarium Reckling
[4]
hausen: Homepage, insb. Bereich ,,Archäoastronomie",
https://sternwarte-recklinghausen.de/astronomie/astronomie-
im-alten-europa/#10
[5] Die Himmelstafel von Tal-Qadi/ Die Plejaden, https://de.
wikibooks.org/wiki/Die_Himmelstafel_von_Tal-Qadi/_
[5]
Die_Plejaden
[6] Allgemeine Daten zur Himmelsmechanik, s. z.B. H.-U. Keller:
,,Kosmos Himmelsjahr 2024, Sonne, Mond und Sterne im
Jahreslauf", Hrsg.: Hans-Ulrich Keller unter Mitarbeit von Erich
Karkoschka, Kosmos Verlag, Stuttgart
64 | Journal für Astronomie Nr. 91
Geschichte
Zur Erinnerung an den 50. Todestag des bedeutenden deutschen Astronomen Hans Kienle (1895-1975)
von Maik Schmerbauch
Unter der ganzen Reihe von bedeutenden Astronominnen und Astronomen in Deutschland aus dem 20. Jahrhundert findet sich auch Hans Kienle, der vor 50 Jahren, am 15. Februar 1975, nach einem langen Leben für die Astronomie - seine Astronomie - verstorben ist. Kienles berufliche Tätigkeit war dabei direkt eingebunden in die oftmals verheerenden politischen Umstände des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Es sind bislang bis auf wenige kurze Porträts ([1], S. 9-11), u. a. von Kummer ([2], S. 266-269), kaum wissenschaftliche Beiträge über ihn erschienen ([3], S. 151-168). Das ist v. a. darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Quellen zu ihm noch unbearbeitet in den Archiven lagern, die seine Tätigkeit bis heute dokumentieren. Dazu zählen vor allem die Universitätsarchive der Universitäten, an denen er wirkte. Seine Vita muss neben seinen ausgezeichneten Leistungen auf dem Gebiet der theoretischen und praktischen Astronomie deshalb immer auch in ihrem politischen Umfeld betrachtet werden.
Hans Kienle, eigentlich Johann Georg Kienle, wurde geboren am 22. Oktober 1895 im bayerischen Kulmbach. Sein Vater war der Gürtler Lucien Kienle, seine Mutter hieß Katharina. Der junge Kienle besuchte die Volksschule in Nürnberg von 1901 bis 1905, wechselte anschließend auf die Realschule Nürnberg, die er im Juli 1911 verließ. Ab September 1911 besuchte er bis Juli 1914 die Oberrealschule in Nürnberg und legte die Matura ab. Kienle war wohl kein Musterschüler gewesen, hinterfragte Gelerntes, provozierte gelegentlich auch Lehrer. Schon in jungen Jahren suchte er so eine eigene Meinung herauszubilden. Dann wurden die friedliche Kindheit und Jugend unterbrochen. So war Kienle erst 19 Jahre
1 Porträt Kienle, aus: Göttinger Gelehrte,
Die Akademie der Wissenschaften in Bildnissen und Würdigungen 1751-2001, 2. Band, hrsg. von Kai Arndt u.a., Göttingen 2001, S. 427
alt, als der Erste Weltkrieg im August 1914 ausbrach. Dennoch meldete er sich im Zuge der allgemeinen Kriegsbegeisterung als Kriegsfreiwilliger und wurde noch im August 1914 eingezogen. Er erlitt aber schon kurze Zeit später eine schwere Kriegsverletzung an der Westfront. So verlor er sein rechtes Auge und wurde deshalb im Dezember 1914 wieder aus der Kaiserlichen Armee entlassen. Die Verleihung des Eisernen Kreuzes II. Klasse brachte ihm zwar die Sehkraft nicht wieder, erfüllte ihn aber mit Stolz [4].
Kienle schien von der schweren Kriegsverletzung und den traumatischen Kriegserlebnissen eher unbeeinflusst, da er sich schon kurz darauf 1915 an der Ludwig Maximilians Universität (LMU) in Mathe-
matik und Astronomie immatrikulierte [5]. Ein Grund für das Studium war wohl gewesen, es habe ihm dafür ,,das Erscheinen des Halleyschen Kometen 1910 wesentlichen Anlaß gegeben" [6]. Es ist wohl in der deutschen Astronomiegeschichte einzigartig, dass sich ein junger Mann mit der Sehkraft nur eines Auges entschieden hatte, ein Fach zu studieren, das wie kein anderes Studienfach von der visuellen Beobachtung lebt. Wie er dieses Defizit im Studium und während seiner langen beruflichen Laufbahn selbst bewertete und ausgleichen konnte, bleibt wohl immer ein Geheimnis des Kienle. Im Oktober 1915 bekam er als Studienanfänger bereits eine erste Stelle als Hilfsassistent an der Sternwarte München, so dass die Lehrenden sein Potenzial in der Astrophysik schon nach kurzer Studienzeit erkannten. Sein Examen machte er am 22. April 1918 und wurde am 1. März 1918 an der Sternwarte München angestellt. Das war bereits ein achtbarer Erfolg, gleich im Anschluss an das Studium eine erste Stelle zu bekommen. Der eifrige, erfolgreiche und junge Astronom ging aber gleich an den nächsten Karriereschritt und schrieb seine Habilitation über das Thema ,,Untersuchungen über Saalrefraktion", die er im Juli 1920 erfolgreich abschloss. Die folgenden drei Jahre arbeitete er an der Sternwarte und als Dozent für Astronomie an der LMU, forschte und publizierte fleißig, so dass er auch über München hinaus schnell in der deutschen Astronomie bekannt wurde. Seine ersten Studien- und Forschungserfolge gaben ihm Recht, denn im November 1923 wurde ihm mit 28 Jahren (!) die Vertretung der Professur für Astrophysik an der Georg August Universität Göttingen angeboten. Als einer der wenigen Wissenschaftler seiner Zunft bekam er mit noch nicht einmal 30 Jahren eine Professur der Astronomie
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Geschichte
2 Hans Kienle vor dem Spiegelobservatorium in Tautenburg 1962, aus: Archiv der Leopoldina, Matrikelmappe Kienle, Flyer
angeboten, ein Karriereschritt, der in dieser politisch aufwühlenden Zeit der Anfangsjahre der Weimarer Republik wohl nur wenigen Astronomen vergönnt war [7].
Kienle nahm seine Lehre in Göttingen zum Wintersemester 1924 auf, und zwar als ,,nichtbeamteter außerplanmäßiger Professor" für Astronomie ([8], S. 9). Seine ersten Veranstaltungen 1924 waren eine einführende Vorlesung ,,Grundlagen der Astronomie" und Unterricht zur ,,Himmelsmechanik" ([8], S. 21). Wohl eher unerwartet traf Kienle schon nach wenigen Monaten auch sein privates Glück an der Göttinger Universität. Dort lernte er die wissenschaftliche Assistentin der Zoologie kennen, Elsa Maria Armbruster, die er schon im Dezember 1924 heiratete. Bald darauf gingen aus dieser Ehe drei Töchter hervor [9]. Neben vielen anderen Verdiensten in der Forschung erwarb sich Kienle Lorbeeren bei der Renovation der alten Göttinger Sternwarte und konnte viele Expeditionen in das Ausland durchführen. Doch schon wenige Jahre später wurde er mit einer neuen politischen Gefahr konfrontiert, als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 die Macht in Deutschland übernahmen.
Hans Kienle gehörte zu den wenigen Astronomie-Professoren in Deutschland, die
über die gesamte Zeit des Dritten Reiches 1933-1945 im Wissenschaftssystem des NS-Staates integriert blieben. Dazu gehörten auch z. B. die Astronomen Otto Heckmann (1901-1983) und Paul Guthnik (1879-1947). Es lässt sich für Kienle für die zwölf Jahre des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges 1933 bis 1945 aufgrund der aktuellen Quellenlage feststellen: Er und seine Frau traten keiner einzigen Gruppierung der NSDAP bei, auch nicht den akademischen Organisationen. Das hatte er abgelehnt, dafür aber auch mögliche Konsequenzen billigend in Kauf genommen. Auch wenn er seine Karriere objektiv relativ frei bis zum Zusammenbruch 1945 fortsetzen konnte, gibt es einige Anzeichen, dass er den Nationalsozialisten nicht ganz genehm war, so wie es Kienle selbst zu Protokoll gab. So soll er laut den Fakultätsakten Göttingen in einem Dokument als ,,politisch nicht zuverlässig" bezeichnet worden sein. Für eine Rückkehr nach München und nach Wien hätte man ihn aus parteipolitischen Gründen ebenfalls nicht vorgeschlagen, und auch die Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie soll ihm verweigert worden sein. Wegen seines Doktoranden und später sehr erfolgreichen Astronomen Martin Schwarzschild (1912-1997) soll er sogar in einigen Kreisen gelegentlich auch als ,,Judenfreund" diffamiert worden sein.
Kienle selbst sah den Grund, dass man ihm seinen Lehrstuhl beließ, v. a. aufgrund seiner großen wissenschaftlichen Reputation, auch wegen seines Einsatzes als Kriegsfreiwilliger 1914. Im Jahr 1943 sei er auch einmal wegen der Nichtmitgliedschaft in NSVerbänden denunziert worden, allerdings habe ein ihm gut bekannter Ministerialbeamter die Sache nicht weiterverfolgt [10]. Diese Vorgänge lassen ihn aber nicht als ein ,,Opfer des Nationalsozialismus" bewerten. Er wagte keine aktive Opposition zu den Nationalsozialisten oder gegen Hitler, sondern ging gemäß seinem Karrierebewusstsein ausschließlich seinen Forschungen nach. 1939 verließ er die Universität Göttingen und folgte einem Ruf nach Berlin, wo er auch die Sternwarte von Potsdam leitete. Während des Krieges führte er zahlreiche astronomische Experimente und Forschungen durch, für die er auch reichlich staatliche Gelder des ,,Reichsforschungsministeriums" bekam. Ob seine Forschungen für kriegswichtige Zwecke der Wehrmacht eingesetzt wurden, ist (bislang) nicht bekannt. Tatsache ist aber auch, dass ihm die nach 1933 einsetzende Verfolgung von Wissenschaftlern und ,,nicht deutscher", insbesondere jüdischer Astronomen, nicht verborgen bleiben konnte. Offiziell erhob er dagegen keinen Protest. Auch seinem Doktoranden Schwarzschild (1912-1997)
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Geschichte
konnte er nicht beistehen, als dieser von Verfolgungsmaßnahmen bedroht wurde und emigrieren musste ([11], S. 10-11). Besonders grausam verfolgt wurde die Familie des jüdischen Astronomen Friedrich Simon Archenhold (1861-1939), die sich in Berlin so erfolgreich der Astronomie widmete. Archenhold verstarb 1939 und musste zumindest nicht mehr den grausamen Tod seiner Tochter und seiner Ehefrau 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt erleben. Die Nationalsozialisten hatten die Familie und ihre Leidenschaft zur Astronomie aber nicht zerstören können, denn sein Sohn Günther überlebte und wurde später ein sehr erfolgreicher Astronom [12]. Für Kienle stand immer die Karriere und der Schutz seiner Familie im Mittelpunkt während des Nationalsozialismus, wobei er weder offen für die Nationalsozialisten agierte oder mit ihnen paktierte, aber auch nicht offen gegen diese votierte und ein persönliches Risiko einging. Sein Ehrgeiz und seine Karriere sowie die Sorge um seine Familie erlaubten ihm keinen aktiven Widerstand gegen die Nationalsozialisten.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte er in Potsdam. Das Observatorium wurde am 14. April 1945 durch sowjetischen Beschuss schwer an Gebäude und Kuppel beschädigt. Kurz darauf hatte die Rote Armee das Gebäude und die Stadt besetzt, doch gleichzeitig wurde auch schon mit dem Wiederaufbau durch Kienle begonnen. Auf Befehl aus Moskau wurde eine ganze Reihe an technischen Geräten demontiert. Kienle jedoch konnte unter den Sowjets weiterarbeiten und hatte sich nicht zur Flucht in die Zonen der westlichen Alliierten entschieden ([13], S. 619-622). Die Russen zeigten sofort Interesse an einem Wissenschaftler seines Formats. Eine russische Kommission stellte deshalb schon kurz nach Kriegsende fest, ,,daß ich in keiner Weise etwa als Kriegsverbrecher belastet bin", wobei die Untersu-
3 Immatrikulationskarte des jungen Kienle an der LMU, aus: Universitätsarchiv der Ludwig-
Maximilian-Universität München, Studienkartei Hans Kienle (A5)
chung wohl in Eile geschah. Denn auch die Amerikaner versuchten, ihn in ihre Zone zu locken. So kam die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg wenige Monate nach dem Untergang im Herbst 1945 auf Kienle zu, den dortigen Lehrstuhl für Astronomie und die Sternwarte am Königstuhl zu übernehmen. Ein zügiges Entnazifizierungsverfahren durch die amerikanische Militärregierung stufte ihn, wie die Russen, ebenfalls schnell als unbelastet ein, so dass der Rektor der Universität ihn mit Erlaubnis der amerikanischen Besatzungsmacht anfragte ,,ich ersuche Sie, sobald als möglich das Amt als Ordinarius zu übernehmen". [14]
Die genauen Gründe sind leider nicht bekannt, warum Kienle diese Gelegenheit, nach Heidelberg zu wechseln und sich aus der Sowjetzone abzusetzen, nicht wahrnahm. Ein Grund könnte durchaus gewesen sein, dass er in seiner Position als Leiter des Potsdamer Observatoriums auch unter den Russen verbleiben konnte. Vor allem verfolgte er weiter den langgehegten Plan des Baus eines großen Spiegelteleskops bei den Zeiss-Werken in Jena [15]. Kienle bekam schnell Anerkennung im sowjetisch kontrollierten Wissenschaftssystem der Ostzone und wurde schon am 1. August 1946
in die wiederbegründete ,,Akademie der Wissenschaften" aufgenommen, zu deren Eröffnung er sogar den Festvortrag hielt. Auch hatte er ab 1947 die Schriftleitung der ,,Astronomischen Nachrichten" von Potsdam aus inne [16]. Erst nach fünf Jahren Verbleib in der Ostzone und DDR schien er zunehmend gehadert zu haben, denn viele seiner Kollegen und ihm bekannte Wissenschaftler hatten bereits die DDR verlassen ([17], S. 640-641). So stimmte er einem erneuten Angebot aus Heidelberg im September 1950 zu [18].
Warum ihm die Regierung der DDR und die Sowjets die Ausreise in die BRD nicht verwehrten, ist (bislang) nicht bekannt, aber sonderbar. Fakt ist, dass er der DDR und der Sowjetunion auch von Heidelberg aus weiter verbunden blieb ([19], S. 428-429). So besuchte er gelegentlich die DDR oder auch die Sowjetunion zu wissenschaftlichen Anlässen in den 1950ern und 1960ern. Ein ganz wichtiges Ereignis darunter war die Einweihung des 2-m-Spiegelteleskops des Karl-Schwarzschild-Observatoriums Tautenburg bei Jena am 19. Oktober 1960, bei der er ein Ehrengast war. Damit war sein langer Traum in Erfüllung gegangen [20].
Journal für Astronomie Nr. 91 | 67
Geschichte
Dass Kienle mit den wissenschaftlichen Bedingungen in Heidelberg aber nicht immer zufrieden war, legen verschiedene Quellen offen. So zweifelte er im November 1957 an den Forschungsbedingungen der Landessternwarte Königstuhl und dachte bereits an Abschied [21]. Er blieb aber noch bis 1962, dem Jahr seiner Emeritierung, der alten deutschen Universität und dem Königsstuhl treu [22]. Er entwickelte mit seinen Mitarbeitern in Heidelberg die Spektralfotometrie von Sternen und der Sonne in hoher Präzision. Während seines Direktorates wurde auf dem Gelände der Sternwarte auch das Happel-Laboratorium für Strahlungsmessungen errichtet ([23], S. 428-429). Seine Emeritierung 1962 bedeutete für Kienle aber nicht Abschied von der Astronomie. Von 1962 bis 1964 richtete er im Auftrag der UNESCO noch einen Lehrund Forschungsbetrieb in einer ägyptischen Sternwarte in Kotamya ein. Anschließend war er eine Zeit lang noch tätig als Gastprofessor an der Universität Izmir in der Türkei.
Kienle hat während seines langen Lebens für die Astronomie zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen erfahren. Als eine unter vielen erhielt er 1960 die Ehrung zum ,,Ritter des Ordens Pour le merite" [24]. Am 15. Februar 1975 starb Hans Kienle nach einem langen Leben, in welchem ihm neben dem Beruf die Fürsorge für seine Frau und Kinder immer wichtig war [25]. Neben vielen Gedenken aus der Wissenschaft zu seinem Tod gedachte auch Werner Heisenberg dem Astronomen Kienle mit Worten höchster Ehre ([26], S. 128134). Hans Kienle hatte sich in der Astronomie seit dem Beginn seines Studiums 1915 bis hin zu seinem Tod 1975 mit seiner schweren körperlichen Beeinträchtigung erfolgreich etabliert. Als einer der wenigen Wissenschaftler im akademischen Umfeld gelang ihm eine ,,Bilderbuch-Karriere"
als junger Professor, und er durchlief ganz verschiedene Stationen und Lehrstühle der akademischen Forschung in Deutschland. Seine zahlreichen Publikationen, Ämter und Reputationen in Deutschland und auch im Ausland brachten ihm viel Anerkennung und Ehre. Viele Standardwerke der Astronomie und Lexika haben ihm seinen Platz in der Astronomie des 20. Jahrhunderts gesichert [27]. Er manövrierte sich im akademischen Umfeld immer auch durch die schwersten politischen Umstände in Deutschland im 20. Jahrhundert, dazu zählten der Erste Weltkrieg, die Weimarer Zeit, der Nationalsozialismus und die DDR. Es waren auch Epochen, in denen viele Wissenschaftler verfolgt wurden, resignierten und emigrierten (gezwungenermaßen). Man kann Hans Kienle nicht vorwerfen, er habe sich der Karriere und Familie wegen auch mit Systemen wie dem Nationalsozialismus und der Ostzone arrangiert, denn er hat sich anderen Wissenschaftlern gegenüber in keinem (bislang) nachweisbaren Fall schuldig verhalten. Eine ewige Erinnerung an ihn wurde ihm auch bei den Himmelskörpern zuteil: 1942 wurde bereits ein Asteroid nach ihm benannt. So bleibt Kienle der Astronomiegeschichte und der Wissenschaft erhalten. Er blieb ein berechnender, klar denkender Wissenschaftler, der sich in einem aufwühlenden Jahrhundert in der akademischen Astronomie erfolgreich behaupten konnte und immer wollte. Vielleicht gibt es Enkel und Urenkel von ihm, die bedeutende Zeugnisse seines Lebens noch in ihrem Besitz haben und das Wissen in diesen mit der Astronomiegeschichte teilen würden.
Literaturhinweise: [1] Otto Heckmann, 1976: ,,Nachruf auf
Hans Kienle", Mitt. Astron. Ges. 38, S. 9-11 [2] Hans Jochen Kummer, 1996: ,,Hans
Kienle, Ein Lebensbild zu seinem 100. Geburtstag", Sterne und Weltraum 4-1996, S. 266-269 [3] Günter Wirth, 2000: ,,Weltanschauliche und wissenschaftstheoretische Aspekte im Werk Hans Kienles", in: W. R. Dick, K. Fritze (Hrsg.): ,,300 Jahre Astronomie in Berlin und Potsdam. Eine Sammlung von Aufsätzen aus Anlaß des Gründungsjubiläums der Berliner Sternwarte", Acta Historica Astronomiae 8, Frankfurt/M, S. 151-168 [4] Universitätsarchiv Heidelberg: ,,Personalakte Hans Kienle", Signatur PA 4481; Personalbogen vom 14. Oktober 1950, 2 S. [5] Universitätsarchiv der LudwigMaximilian-Universität München: ,,Studienkartei Hans Kienle" (A5) [6] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.10.1965: Artikel: ,,Hans Kienle 70 Jahre" [7] Universitätsarchiv der LudwigMaximilian-Universität München: Akte E II 1980, Personalakte, S. 4 [8] Vorlesungsverzeichnis der JohannGeorg-August Universität zu Göttingen für das Wintersemester 1924, Göttingen, S. 9f [9] Bundesarchiv Berlin, Bestand R 4901/13268, Reichsministerium für Erziehung, Wissenschaft und Forschung: ,,Karteikarte zu Hans Kienle", Sig. K142 [10] Universitätsarchiv Heidelberg: ,,Personalakte Hans Kienle", Signatur PA 4481; Bericht von Hans Kienle über seine Zeit während des Dritten Reiches, mss. Dok, 2. S [11] Wilhelm-Foerster-Sternwarte e.V., 2021: ,,Verfolgung und Exil. Verfemte deutsche Astronomen im Dritten Reich", in: ,,Dem Himmel so nahe", Mitteilungen, Informationen und Programm. Zeitschrift für die
68 | Journal für Astronomie Nr. 91
Jugendarbeit
Mitglieder des Freundeskreises Wilhelm-Foerster-Sternwarte e.V. und den Zeiss-Planetarium am Insulaner in Berlin, Ausgabe März, April und Mai 2021, S. 10-11 [12] Dieter B. Herrmann, 1986: ,,Friedrich Simon Archenhold und seine Treptower Sternwarte", Vorträge und Schriften der Archenhold-Sternwarte Nr. 65 [13] Reinhard Buthmann, 2020: ,,Versagtes Vertrauen, Wissenschaftler der DDR im Visier der Staatssicherheit", Göttingen, S. 619-622 [14] Universitätsarchiv Heidelberg: ,,Personalakte Hans Kienle", Signatur PA 4481; Rektor der Universität Heidelberg an Hans Kienle am 12. Februar 1946, mss. Dok., 2 S. [15] Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 27.10.1965: Artikel: ,,Hans Kienle 70 Jahre" [16] Astronomische Nachrichten, Ausgaben 1947-1951 [17] Reinhard Buthmann, 2020: ,,Versagtes Vertrauen, Wissenschaftler der DDR im Visier der Staatssicherheit", Göttingen, S. 640-641
[18] Universitätsarchiv Heidelberg: ,,Personalakte Hans Kienle", Signatur PA 4482; Personalakte, Präsident des Landesbezirks Baden für Kultus und Unterricht an den Rektor der Universität Heidelberg am 16. Oktober 1950, mss. Dok., 1 S.
[19] Dietrich Lemke, 2019: ,,Im Himmel über Heidelberg. 50 Jahre MaxPlanck-Institut für Astronomie in Heidelberg (1969-2019)", Berlin, Heidelberg, S. 428-429
[20] Archiv der Leopoldina, Matrikelmappe Kienle: ,,Flyer der Einweihung des 2-m-Spiegelteleskops des Karl-Schwarzschild-Observatorium Tautenburg am 19. Oktober 1960"
[21] Universitätsarchiv Heidelberg: ,,Personalakte Hans Kienle", Signatur PA 4482; Personalakte, Kienle an den Kultusminister Baden-Württemberg am 14.11.1957, mss. Dok., 1 S.
[22] Universitätsarchiv Heidelberg: ,,Personalakte Hans Kienle", Signatur PA 4482; Personalakte, Rektor an den Kultusminister Baden-Württemberg am 14.11.1957, mss. Dok., 1 S.
[23] Dietrich Lemke, 2019: ,,Im Himmel
über Heidelberg. 50 Jahre MaxPlanck-Institut für Astronomie in Heidelberg (1969-2019)", Berlin, Heidelberg, S. 428f [24] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.10.1965: Artikel: ,,Hans Kienle 70 Jahre" [25] Archiv der Leopoldina, Matrikelmappe Kienle: ,,Todesanzeige Hans Kienle 1975" [26] Werner Heisenberg, 1975: ,,Gedenkworte für Hans Kienle", in: Orden Pour Le Merite für Wissenschaften und Künste, Reden und Gedenkworte, Band 12, Heidelberg, S.128-134 [27] Lexikon der Astronomie, Die große Enzyklopädie der Weltraumforschung in zwei Bänden, Einführung von Prof. Dr. Hans Elsässer, Erster Band A bis Mirzam, Freiburg u.a. 1995: Artikel: ,,Hans Kienle", S. 339; Brockhaus der Astronomie, Planeten-Sterne-Galaxien, Mannheim 2005: Artikel: ,,Hans Kienle", S. 218; International Who is Who 1967, 31. Auflage, London 1968: Artikel: ,,Kienle, Johann (Hans) Georg"
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Journal für Astronomie Nr. 91 | 69
Kleine Planeten
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Heute stellten uns zwei altgediente Veteranen dieser Artikelserie ihre Bilder zur Verfügung. Wolfgang Bodenmüller und Jörg Nirschl waren schon öfter Bildautoren der kosmischen Begegnungen und sie sorgen
regelmäßig dafür, dass auch für zukünftige Ausgaben genug Munition im Depot vorrätig ist.
Wolfgang arbeitet mit über alle Kontinente verteilten Remote-Sternwarten. Seine tolle Aufnahme (Abb. 1) entstand am 20. Oktober 2023 am Utah Desert Remote Observatory und zeigt den Streifschuss von (420) Bertholda an M 74 [1]. Die Kleinplaneten bewegen sich um ihren Oppositionszeitpunkt relativ rasch am Himmel. Auch in diesem Fall zog Bertholda in den 82 Minuten Belichtungszeit eine ziemlich lange Strichspur. Das als Tipp für mögliche Fotografen, wenn sie sich kosmische Begegnungen auswählen und eine möglichst lange
Strichspur bekommen wollen. Zur Opposition überqueren die Kleinplaneten um Mitternacht den Meridian. Asteroiden, die am Abend im Westen oder in den Morgenstunden im Osten aufgenommen werden, sind in der Regel langsamer unterwegs und auch lichtschwächer.
Die Spiralgalaxie Messier 74 wurde 1780 von Pierre Mechain entdeckt und an Charles Messier gemeldet, der sie in seinen Katalog aufnahm [2]. Diese wunderschöne ,,Grand-design"-Galaxie ist am Himmel rund 10 Bogenminuten groß und ca. 9,5 mag hell. Da wir fast frontal auf die Galaxie blicken, können die Spiralarme vom Kern bis an den lichtschwachen Rand verfolgt
1 Kleinplanet (420) Bertholda und M 74, aufgenommen von Wolfgang Bodenmüller mit einem 6-zölligen Apo-Refraktor bei f/7,35 und einer
Kamera QHY268C am Utah Desert Remote Observatory.
70 | Journal für Astronomie Nr. 91
2 Kleinplanet (4) Vesta und M 1, aufgenommen von Jörg Nirschl mit einem 200-mm-Teleobjektiv an einer DSLR von Canon.
werden. Nur bei rund 10 Prozent der Spiralgalaxien ist das möglich, und nur diese werden als Grand-design-Galaxien bezeichnet. M 74 befindet sich in ca. 30 Millionen Lichtjahren Entfernung und dürfte damit einen Durchmesser von ca. 90.000 Lichtjahren haben.
Die Galaxie ist namensgebendes Mitglied der M-74-Galaxiengruppe, die nur wenige Galaxien umfasst. Durch leichte Wechselwirkungen mit anderen Gruppenmitgliedern erscheinen die südlichen Spiralarmteile stärker ausgeprägt [3]. Interessant ist, dass M 74 bis ins zwanzigste Jahrhundert als Kugelsternhaufen klassifiziert wurde. Der berühmte Lord Rosse erkannte zwar die Spiralstruktur, beschrieb aber M 74 auch mit einem in Sterne aufgelösten Zentrum. Die Fotografie enthüllte schließlich die Natur als Spiralgalaxie [4].
Garantiert nie in Sterne aufgelöst erschien (420) Bertholda. Der Asteroid befindet sich im äußeren Hauptgürtel und wurde 1896 von Max Wolf in Heidelberg entdeckt. Er ist
ca. 140 Kilometer groß, war zum Zeitpunkt der Aufnahme rund 362 Millionen Kilometer von der Erde entfernt und Bertholdas Helligkeit lag damals bei 13,1 mag. Der Brocken umrundet die Sonne in 6 Jahren und 130 Tagen. (420) Bertholda gehört zur Klasse der P-Asteroiden. Diese sind relativ dunkel und weisen eine sehr niedrige Albedo auf. P-Asteroiden sind typisch für den äußeren Hauptgürtel und dürften aus mit Kohlenstoff vermischten Silikaten bestehen [5]. Max Wolf benannte seine Entdeckung nach Berthold I. von Zähringen, genannt der Bärtige, der von 1000 bis 1078 lebte. Berthold der Erste war Herzog von Kärnten. Sein Herrschaftsgebiet umfasste aber auch das Breisgau [6]. Vielleicht wählte ihn deshalb Wolf als Namenspatron aus, wobei er damals noch den Namen ,,verweiblichen" musste, da nur weibliche Namen für Kleinplaneten zugelassen wurden. Diese Regel wurde zum Glück schon lange aufgehoben. Heute tummeln sich alle möglichen Namen von Personen über Organisationen bis zu geografischen Bezeichnungen am Himmel.
Das zweite Bild stammt von Jörg Nirschl und zeigt die Begegnung von (4) Vesta und dem Krebsnebel [7]. Veteran Jörg beschäftigt sich intensiv mit dem himmlischen Bombardement, das ständig unsere Erde trifft, sprich, er sammelt Meteore, die bei ihm zuhause eine Vitrine füllen. Auch in der Dachrinne seines Hauses wurde er fündig und entdeckte dort Mikrometeoriten. Größere Stücke kauft er bei diversen Gelegenheiten. Eine davon war der Besuch im Naturhistorischen Museum in Wien, wo er ein Stück des Kleinplaneten Vesta im Museumsshop erwarb (Abb. 3). Diese Steinmeteoriten mit dem Ursprung Vesta werden Howardite genannt [8]. Vesta wurde im Laufe ihrer Geschichte öfter von anderen Himmelskörpern getroffen. Dabei wurde Material in den Weltraum geschleudert und gelangte so als seltene Steinmeteorite auf die Erde [9].
Nachdem Jörg ein Stück von Vesta im Haus hat, wollte er auch unbedingt eine kosmische Begegnung mit der Heimatwelt seines Prachtstückes fotografieren. Die Gelegen-
Journal für Astronomie Nr. 91 | 71
Kleine Planeten
3 Ein Stück Vesta in der Box. (Bild: Jörg Nirschl)
heit bot sich am 21. Januar 2024, als (4) Vesta sich rund ein Grad neben dem Krebsnebel befand. Für lange Teleskopbrennweiten schon zu weit, aber mit einem Teleobjektiv ergab sich ein schönes Gesichtsfeld mit beiden Partnern der kosmischen Begegnung. Erschwert wurde die ,,Mission Vesta" durch den fast vollen Mond, der unweit der beiden den Himmel aufhellte. Trotzdem wurde die Mission mit Bravour gemeistert.
Messier 1 brauche ich nicht mehr vorstellen [10]. Den Supernovarest, der Charles Messier animiert hat, seinen berühmten Katalog zu erstellen, kennen wohl alle Sternfreunde.
lang. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war (4) Vesta 7 mag hell und ca. 255 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Bei Vesta besteht übrigens manchmal die Chance, dass sie hell genug wird, um mit freiem Auge erhascht zu werden.
Entdeckt wurde Vesta 1807 von Heinrich Wilhelm Olbers in Bremen. Da er bereits (2) Pallas entdeckt und benannt hatte, überließ er Carl Friedrich Gauß das Recht, dem damaligen neuen Planeten einen Namen zu verleihen. Gauß half mit seinen mathema-
tischen Fähigkeiten mit, die Bahnen der damals neu gefunden Objekte zu sichern. Er entschied sich für den Namen Vesta. Vesta ist die römische Göttin von Heim und Herd und die Schwester von Ceres [11]. Die beiden Schwestern erhielten übrigens Besuch von der Raumsonde Dawn, wobei diese 2011 und 2012 Vesta untersuchte und 2015 bis 2018 Ceres umkreiste [12]. Daher gibt es im Internet tolle Nahaufnahmen von Vesta zu sehen.
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die nachfolgende Tabelle enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und Deep-SkyObjekten, die von uns erstellt wurde. Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus
Beim vierten entdeckten Kleinplaneten besteht durchaus noch Bedarf einer kurzen Vorstellung. Der Kleinplanet (4) Vesta ist nach (1) Ceres und (2) Pallas der drittgrößte Himmelskörper im Asteroidengürtel und hat einen Durchmesser von ca. 516 km. Vesta ist massereicher als Pallas. Nachdem Ceres zum Zwergplaneten befördert wurde, ist daher Vesta der schwerste Kleinplanet und enthält ca. 8 Prozent der Masse des Hauptgürtels. Sie hat eine Albedo von 0,42 und reflektiert im Vergleich zu anderen Asteroiden sehr viel Licht. Daher ist sie Namensgeberin für die Klasse der V-Asteroiden, deren Oberfläche sehr silikatreich ist und damit die Helligkeit bedingt. Ein Tag auf Vesta dauert nur rund 5,3 Stunden und das Vestajahr ist 3 Jahre und 234 Tage
4 Makroaufnahme des Vesta-Meteoriten. (Bild: Jörg Nirschl)
72 | Journal für Astronomie Nr. 91
Kleine Planeten ,,"
Hohmann [13]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwarte-altschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht, das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Literatur- und Internethinweise (Stand: 04.06.2024):
[1] W. Bodenmüller, 2023: ,,Bild und technische
Aufnahmedaten von (420) Bertholda bei M 74",
www.fotocommunity.de/photo/kleinplanet-
420-bertholda-bei-der-galaxie-m7-wobodi/
48225919
[2] Wikipedia: ,,Messier 74", https://de.wikipedia.org/ [1]
wiki/Messier_74
[3] M. König, S. Binnewies, 2016: ,,Bildatlas der Gala-
xien", Kosmos Verlag
[4] R. Stoyan, 2006: ,,Atlas der Messier-Objekte",
Oculum Verlag
[5]
[5] Wikipedia: ,,(429) Bertholda", https://de.wikipedia.
org/wiki/(420)_Bertholda
[6] Wkipedia: ,,Berthold I. (Zähringen)", https://de.
wikipedia.org/wiki/Berthold_I._(Zähringen)
[7] J. Nischl, 2024: ,,Bild von (4) Vesta bei Messier 1", [7]
www.sternwarte-altschwendt.at/Bild2_M1und
Vesta_JörgNirschl.jpg
[8] Wikipedia (engl.); ,,Howardite", https://en.wikipedia.
org/wiki/Howardite
[9] DLR Newsletter, 2021: www.dlr.de/de/aktuelles/ [9]
nachrichten/2021/03/20210930_heftiges-
bombardement-der-planeten-im-fruehen-
sonnensystem
[10] Wikipedia: ,,Krebsnebel", https://de.wikipedia.org/
wiki/Krebsnebel
[11]
[11] Wikipedia, ,,(4) Vesta", https://de.wikipedia.org/
wiki/(4)_Vesta
[12] Wikipedia: ,,Dawn (Raumsonde)", https://de.
wikipedia.org/wiki/Dawn_(Raumsonde)
[13] Homepage: ,,Astrofotografie: Kosmische
[13]
Begegnungen",
http://astrofotografie.hohmann-edv.de/
aufnahmen/kosmische.begegnungen.php
[2] [6] [8] [10] [12]
Tabelle 1
Auswahl interessanter kosmischer Begegnungen im 4. Quartal 2024
Datum
Uhrzeit
Kleinkörper
mag
Objekt
Art
mag
02.10.2024
22:00
(3727) Maxhell
15,5
IC 1613
Gx
9,3
25.10.2024
20:00
(10) Hygiea
10,3
M 74
Gx
9,1
05.11.2024
21:00
(2696) Magion
15,3
NGC 755
Gx
12,3
25.11.2024
20:00
(2046) Leningrad
15,6
NGC 821
Gx
10,8
07.12.2024
20:00
(54) Alexandra
12,1
NGC 1499
GN
5,0
25.12.2024
21:00
(6557) Yokonomura 15,7
M 37
OC
5,6
Abkürzungen: Gx - Galaxie, GN - Galaktischer Nebel, OC - Offener Sternhaufen
Abstand
3' 9' 2' 9' 1' 5'
Journal für Astronomie Nr. 91 | 73
Kometen
Komet 12P/Pons-Brooks: Strukturen in Koma und Schweif
von Uwe Pilz
Ich widme die Kometenrückschau diesmal dem Kometen Pons-Brooks. Er durchlief am 21. April den sonnennächsten Punkt und war bis in das erste April-Drittel hinein am Abendhimmel sichtbar. Die Helligkeit erreichte am Ende 3,5 mag - so hell wie die Andromedagalaxie. Von dunklen Standorten aus war er damit ein Objekt für das freie Auge. Aus der Stadt heraus war das nicht möglich. Da Pons-Brooks aber gut kondensiert war, genügte auch hier ein Taschenfernglas.
Die Eigenheiten des Kometen wurden in unserer Rubrik im VdS-Forum dokumentiert [1] und diskutiert. Schon Mitte des Jahres 2023 wurde das ungleichmäßige Aussehen der Koma nachgewiesen. Die Abbildung 1 zeigt dies exemplarisch. Es ist ziemlich sicher, dass es sich um so genannten Kryo-Vulkanismus handelt. 12P hat schon mehrere Umläufe um die Sonne hinter sich. Solche dynamisch alten Kometen sind von einer dicken Staubschicht bedeckt. Bei Annäherung an die Sonne kann deshalb zunächst nur wenig Material verdampfen. Allerdings erhitzt sich das Wassereis in den tieferen Schichten, sublimiert und erzeugt einen hohen Druck. Irgendwann kommt es zu einer explosionsartigen Freisetzung, die wir als Ausbruch wahrnehmen. Diese Gasströmung erfolgt zunächst in eine Richtung. Es hängt von der Rotationsgeschwindigkeit des Kometen ab, ob wir eine Spirale sehen (,,Rasensprenger-Effekt") oder eine Lücke in der Koma. 12P rotiert langsam, und wir sahen den ,,Pacman-Effekt".
nierenden Schweifstrukturen offenbaren sich nur durch kurzbelichtete Aufnahmen - auch wenn man auf Farbe verzichten und etwas Rauschen hinnehmen muss.
Die Helligkeitsbestimmungen von Kometen erfolgen traditionell visuell. Elektronisch gestützte Gesamtkoma-Helligkeiten sind nur aufwändig zu berechnen. Thomas Lehmann und Steffen Fritsche stellen sich dieser Aufgabe: Ihre Messungen streuen viel weniger als die visuellen Schätzungen. Auf Basis dieser Messungen hat Steffen das Ausbruchsgeschehen analysiert. Es zeigt sich, was schon bei früheren Sonnendurchläufen beobachtet wurde: Ausbrüche nehmen zum Perihel hin ab. Das ist verständlich, denn wenn sich der Komet als Ganzes erwärmt, dann wird er insgesamt aktiv. Das führt dann auch dazu, dass Spiralstrukturen entstehen statt der ehemaligen
Pacman-Koma: Die Ausgasung erfolgt von vielen Zentren. Diese Strukturen habe ich im Vierzöller beobachten können, das war eine eindrucksvolle Sichtung.
Mit Annäherung an die Sonne wurden die Sichtbarkeitsbedingungen schlechter. Der am Ende 4 mag helle Komet war zwar von guten Standorten aus mit dem freien Auge zu sehen, aber in der Dämmerung und nicht mehr am dunklen Nachthimmel. Als Aufsuchhilfe konnte in diesen ersten Apriltagen der Jupiter dienen.
Internethinweis (Stand: 4.6.2024): [1] Vereinigung der Sternfreunde, FG
Kometen, https://forum.vdsastro.de/ viewforum.php?f=52
Der Ionenschweif von Kometen ist oft reich strukturiert, da er durch den Sonnenwind und damit durch das solare Magnetfeld beeinflusst wird. Bereits nach wenigen Minuten lassen sich Änderungen feststellen. Im Gegensatz zu anderen Nebelaufnahmen ist es deshalb unzweckmäßig, sehr lange Belichtungszeiten zu benutzen. Die faszi-
1 Unregelmäßige Koma (20.11.2023, Oliver Schneider, 12 Zoll)
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Kometen
2 Nahe Wega (07.12.2023,
Michael Jäger, 12 Zoll)
3 Beim Sichelnebel
NGC 6888, (11.01.2024, Roland Fichtl, 16 Zoll)
4 Im Januar war die Pacman-artige
Koma wieder nachweisbar (20.01.2024, Rolf Stadelmaier, 8 Zoll)
Journal für Astronomie Nr. 91 | 75
Kometen
5 Um Schweifstrukturen nachzuweisen, lohnt es
sich, kurz zu belichten und auf Farbe zu verzichten (10.02.2024, Michael Jäger, 11 Zoll)
6 Ausbrüche werden zum Perihel hin seltener (Steffen Fritsche) 7 Spiralstrukturen und Schweifdetails
(25.02.2024, Norbert Mrozek, 8 Zoll)
76 | Journal für Astronomie Nr. 91
Kometen
8 Schockfront (01.03.2024,
Rainer Kleibrink, 8 Zoll)
9 Spiralstrukturen,
,,Rasensprenger-Effekt" (08. und 09.03.2024, Thomas Lehmann, 11 Zoll)
1 0 Komadetails visuell
(16.03.2024, Uwe Pilz, 4 Zoll)
Journal für Astronomie Nr. 91 | 77
1 1 Reich strukturier-
ter Gasschweif, schwächerer Staubschweif (02.04.2024, Michael Jäger, 12 Zoll)
1 2 Übersichtsbild mit
Jupiter, Zodiakallicht, Plejaden, Dreiecksgalaxie und NGC 752 (02.04.2024, Michael Jäger, 50 mm)
Radioastronomie
Bericht vom Treffen der Fachgruppe Radioastronomie am 27.04.2024 in Potsdam
von Frank Theede
Nach unseren Fachgruppentreffen auf dem Stockert, an der Walter-Hohmann-Sternwarte in Essen, bei der GvA-Ortsgruppe in Kiel mit Besuch der Radiosternwarte in Kiel-Rönne und der RegiomontanusSternwarte in Nürnberg [1] fand das Treffen des Jahres 2024 am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) [2] in Potsdam statt. Um den (kulinarisch-gedanklichen) Übergang von Nürnberg nach Potsdam zu erleichtern, begannen wir mit einem lockeren Zusammentreffen im Gasthof, Restaurant und Biergarten Plantagenklause bei bayrischer Küche am Freitagabend.
Neben bestmöglichem Frühsommerwetter zog sich der mangelhafte Abgleich zwischen unserem Navigationsgerät und der Realität auf den Potsdamer Straßen und den Baustellen durch das ganze Treffen. Und so kamen wir gerade noch pünktlich und als Letzte am Sonnabendmorgen um 9:30 Uhr am AIP (Abb. 1) an. Beim Betreten des Seminarraumes war ich fast erschlagen: 19 Teilnehmer der Fachgruppe und zwei Gäste füllten den Raum und so waren alle Plätze besetzt. Da wir uns in der FG alle duzen, verzichte ich im Folgenden auf alle akademischen Grade, Titel und bei Wiederholungen auf die Nachnamen. Das Hauptprogramm begann mit der Begrü-
ßung durch unseren Gastgeber und AIPMitarbeiter Frederic Schuller, an die sich eine kurze Vorstellungsrunde anschloss. Jürgen Rose als Vorsitzender des Fördervereins der Archenhold-Sternwarte Berlin ging insbesondere auf diese und die dortige Arbeitsgruppe ,,Nicht-optische Astronomie" ein.
Anschließend ging es um organisatorische Themen der Fachgruppe. Beatrix Woyth, seit Juli 2023 Fachgruppenverantwortliche, gab einen Rückblick auf die Gründung und Geschichte der Fachgruppe, um sich dann im Namen der Fachgruppe mit einem Präsentkorb bei Katja und Frederic für die langjährige Leitung zu bedanken, ebenso bei Frank für die geplant kurzzeitig-kommissarische Übernahme der Leitung in der Übergangszeit 2023. Es folgte die Vorstellung und Verteilung des neuen Fachgruppen-Flyers. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass Beatrix und Jochen die Präsente und den Karton mit den Flyern aus Essen in der Bahn mitgeschleppt hatten. Als Fachgruppenredakteur berichtete Frank über die im letzten Jahr erschienenen Artikel, kommende Schwerpunktthemen und die Termine der Redaktionsschlüsse, verbunden mit der Bitte, Artikel beizutragen.
1 Das AIP bei bestem Frühsommerwetter
(Bild: Frank Theede)
Den fachlichen Teil eröffnete Hermann Fenger mit seinem Bericht über Pulsar-Beobachtungen mit dem 9-m-Radioteleskop in Kiel-Rönne, also praktisch der Königsdisziplin der Amateurradioteleskopie (abgesehen von den Fast Radio Burst-Beobachtungen am 25-m-Spiegel auf dem Stockert). Nach vielen langwierigen, nur sporadisch erfolgreichen Versuchen mit einem LimeSDR mini wurde das dortige System unter Verwendung eines USRP B205mini und aktualisierten Ubuntu, Gnu Radio und Presto neu aufgesetzt. Bei der Beobachtungsfrequenz 1310 MHz und mit einer Bandbreite von 16 MHz konnten 8 Pulsare, inklusive natürlich des stärksten, aber dafür variablen Pulsars B0329+54, bei typischerweise 6 Stunden Beobachtungszeit sicher nachgewiesen werden. Hermann beobachtete nun die Profile der Pulse und hat möglicherweise einen mode change bei B0329+54 beobachtet. Das ist aber nicht gesichert und wurde in der Runde diskutiert. Obwohl nur wenige Kilometer von KielRönne entfernt, versucht Helge Wyrowski in Kieler Stadtteil Wik ganz andere Phänomene zu erschließen und berichtete da-
Journal für Astronomie Nr. 91 | 79
Radioastronomie
2 Katja schneidet den von ihr gebacke-
nen Fachgruppen-Schoko-Kuchen an. Erst wurde sauber der Rand gegessen, um unser Fachgruppen-Logo nicht zu beschädigen. (Bild: Frederic Schuller)
rüber in seinem Vortrag. Helge schilderte seine persönlichen Anfänge, Ideen, Umsetzungen und Ergebnisse im Frequenzbereich VLF (Very Low Frequency), also auf Längstwelle zwischen 3 bis 30 kHz. Helge gab dabei eine Einführung in die Physik des Weltraumwetters und insbesondere in die Sudden Ionospheric Disturbance (SID), die er bei seinen Beobachtungen nachweisen wollte. Anders als heute oft üblich nutzt Helge keinen SDR, sondern einen ICOM IC-R8500 Communication Receiver, eine Leistungs-Ferritmodul-Antenne und einen Grahn GS5-SE Converter. Als problematisch zeigte sich insbesondere, dass es bei
Messungen in der Stadt zu viele Störungen (RFI) gibt. Die ausgebliebenen Erfolge bei den Messungen wurden in der Runde diskutiert und es ergaben sich viele Anregungen für das weitere Vorgehen.
Ebenfalls von seinem Einstieg in die Radioastronomie berichtete Klaus Henning aus Berlin in seinem Vortrag über die speziellen Schwierigkeiten in einer Großstadt für dieses Hobby und viele kreative Lösungen. Insbesondere welche Möglichkeiten sich heute mit recht wenig finanziellem Aufwand, der von wenigen bis maximal 250 Euro reichte, durch die leistungsfähigen und günstigen Komponenten ergeben. Klaus sprach über seine Messungen der Schwarzkörperstrahlung der Sonne und des Mondes sowie der Radiostrahlung der galaktischen Wasserstoffwolken in der Milchstraße. Abschließend ging Klaus als Mitglied der Arbeitsgruppe Nicht-optische Astronomie der Archenhold-Sternwarte Berlin auf die dortigen, aktuellen Projekte ein: Monitoring von Sonneneruptionen und Jupiter-Bursts bei 21 MHz (Radio Jove), Durchmusterung der Milchstraße bei 1420 MHz (1,8-m-Schüssel), Monitoring von Meteoren bei 143,05 MHz (Yagi-Antenne) und Monitoring von Sonnenerup-
tionen (Super-SID-Wire-Loop-Antenne).
Vanessa Schulz präsentierte die Zwischenergebnisse ihrer Masterarbeit, die sie am Astropeiler Stockert erstellt. Dabei geht es um die Entwicklung eines Interferometers auf Basis von zwei bzw. drei kleinen ,Ofenrohr`-Empfangsantennen und zwei Adalm Pluto SDR. Ziel ist es, die Theorie und Technik der Radiointerferometrie mit einfachen Mitteln stückchenweise kennenzulernen und zu verstehen. Am Ende soll ein neuer Praktikumsversuch für die Uni Bonn entstanden sein. Die ersten Versuche ergaben bisher keine ,,sauberen Interferenzmuster" (fringes). Die Ursache der beobachteten überlagernden Modulation ist unbekannter Natur und wird aktuell untersucht. Anschließend soll aus den beobachteten fringes ein Bild erzeugt werden. Dieser Teil muss ebenfalls noch erarbeitet werden. Vanessa wird vermutlich in einer der nächsten Ausgaben dieser Zeitschrift im Detail berichten.
Nach der Mittagspause bei Brötchen, Kaffee und Kuchen (Abb. 2) entstand das obligatorische Gruppenbild (Abb. 3) vor dem AIP, an das sich eine Führung über das Gelände und durch die Räume des AIP durch
3 Die Teilnehmer des Fachgruppentreffens vor dem Schwarzschildhaus (Bild: Frank Theede)
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Radioastronomie
Christian Vocks anschloss. Christian erläuterte die Geschichte des AIP und wies darauf hin, dass es das erste Institut war, das den Begriff Astrophysik im Namen trug. Das AIP schaut auf eine wechselvolle wie auch einflussreiche Geschichte zurück, so sahen wir den Mauerquadranten von John Bird von 1768 und den Refraktor im Humboldthaus. Auf dem Weg über das Gelände fand sich eine kleine Gedenktafel (Abb. 4) [3], die an frühere radioastronomische Tätigkeit an diesem Ort erinnert. Dazu später etwas mehr.
Nach dem Rundgang hielt Christian den Gastvortrag über die professionelle Sonnenbeobachtung im Radiobereich mit LOFAR, über die Ergebnisse und die Ziele dieser Arbeit am AIP. LOw Frequency ARray (LOFAR) ist ein Radioteleskop für den Frequenzbereich von 10 - 250 MHz. LOFAR verwendet keine großen Antennenschüsseln, sondern Felder von einfachen Dipolantennen für niedrige (10 - 90 MHz) und höhere Frequenzen (110 - 250 MHz), die über ganz Europa verteilt sind, davon eines in Potsdam. Der neuartige Ansatz von LOFAR besteht darin, die Antennensignale gleich vor Ort zu digitalisieren und später am Computer zu verarbeiten. Das besondere Interesse der Abteilung Sonnenphysik am AIP liegt in Beobachtungen der Sonnenaktivität. Christian stellte Beobachtungen von Sonneneruptionen vor und zeigte die Vorteile von gemeinsamen Datenauswertungen mit den Raumsonden Parker Solar Probe und Solar Orbiter auf. Wer sich hier weiter informieren möchte, kann sich auf Youtube einen Vortrag von Christian zum Thema ansehen [4].
In der sich anschließenden Diskussion ging es auch um die ehemalige Beobachtungsstation in Tremsdorf [5, 6] und warum diese aufgegeben wurde. Dafür gab es vor
allem rechtliche und finanzielle Gründe, es konnten leider nicht mehrere Systeme parallel vom Institut betrieben werden.
In der Abschlussrunde des offiziellen Teils wurde dann überlegt, an welcher Sternwarte das Fachgruppentreffen im Jahr 2025
4 Erinnerungstafel
auf dem Gelände des AIP an die radioastronomischen Forschungen durch Herbert Daene (Bild: Frank Theede)
stattfinden wird. Es gibt mehrere Angebote und Möglichkeiten, eine Festlegung wurde nicht getroffen. Wer interessiert ist, wird aber nach dem Erscheinen dieser Ausgabe den Ort sicherlich bei der FG erfragen können. Weitere Interessenten immer willkommen!
5 Besichtigung
des Einsteinturmes auf dem Telegrafenberg (Bild: Frank Theede)
Journal für Astronomie Nr. 91 | 81
Radioastronomie
6 Auf dem Dach der Archenhold-Sternwarte wurde am Sonntagmorgen außerplanmäßig weiter
besichtigt und diskutiert (Bild: Katja Schuller)
Die Archenhold-Sternwarte machte noch das Angebot, dass eine Besichtigung am nächsten Tag möglich wäre. Dieses Angebot nahmen viele TeilnehmerInnen gerne an, während andere den Umweg über (Ost-)Berlin bei längeren Rückreisen vermeiden wollten bzw. eine Erst-Besichtigung des Schlosses Sanssouci und einen Stadtrundgang in Potsdam vorzogen. Das spontane Angebot der Archenhold-Sternwarte, ein kommendes Fachgruppentreffen auszurichten, wird dann einen ,Nachholtermin` bieten.
Und so endete das Fachgruppentreffen um 16:30 Uhr und wir machten uns getrennt auf den Weg zum Telegrafenberg - nicht ohne wieder Konflikte zwischen Navi und realer Verkehrsführung zu erleben. Auf dem Telegrafenberg führte uns Jürgen Rendtel durch den Einsteinturm (Abb. 5), so dass wir den Coelostaten besichtigen konnten. Im Keller wurde die Sonnenscheibe mit aktuell deutlichen Sonnenfleckengruppen projiziert. Die Besichtigungsrunde endete mit einem Besuch des ,,Großen Refraktors" und Erläuterungen von Christian zu diesem. Ein (fast) abschließendes Abendessen fand dann im Restaurant El Puerto statt.
Der kurzfristig angesetzte Besuch der Archenhold-Sternwarte im Treptower-Park am Sonntag (Abb. 6) brachte ein weiteres Highlight unseres Treffens. Jürgen Rose gewährte den Teilnehmenden in dem Saal, in dem Albert Einstein seinen ersten öffentlichen Berliner Vortrag zur Relativitätstheorie hielt, einen Einblick in die fast
130-jährige Geschichte der Sternwarte. Er stellte lehrreiche Experimente vor, mit denen astronomische und astrophysikalische Forschung für die Öffentlichkeit erlebbar gemacht werden. Anschließend wurden die ,,nicht-optischen" Instrumente, die von einer engagierten Gruppe innerhalb des Vereins weiterentwickelt und betreut werden, besichtigt und von Klaus und Ansgar vorgeführt, was zu einem spannenden fachlichen Austausch führte. Nach einem Rundgang durch die Sternwarte, der Vorführung der Funkenkammer zum optischen Nachweis sekundär-kosmischer Strahlung und der Besichtigung des mit seinen 21 Metern längsten Refraktors der Welt machten sich alle auf den Heimweg.
ric für die Organisation und Ausrichtung, an Christian für seinen Vortrag und seine Führungen, an Jürgen für die Führung im Einsteinturm, an das AIP für die Bereitstellung der Räume und natürlich auch an alle Vortragenden. Ebenso an die Delegation der Archenhold-Sternwarte, die die spontane Zusatzveranstaltung am Sonntagmorgen ermöglichte. Es war ein tolles Fachgruppentreffen, was sich auch in den sich anschließenden E-Mails in der Mailingliste der Fachgruppe niederschlug.
Zum Abschluss noch den herzlichen Dank aller Teilnehmenden an die Ausrichtenden und Unterstützenden: an Katja und Frede-
Literatur und Internethinweise (Stand 20.05.2024):
[2]
[1] B. Woyth, T. Freina, 2024: ,,Radioastron omie-Fachgruppentreffen
2023 in Nürnberg", VdS-Journal für Astronomie 88, S. 84
[2] Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam, www.aip.de/de/
[3] W. Dick, K. Fritze, 2000: ,,300 Jahre Astronomie in Berlin und
[4]
Potsdam", Harry Deutsch, S. 25
[4] Christian Vocks: ,,Video eines Vortrages zum Thema LOFAR",
www.youtube.com/watch?v=Y6ccs5SWqr4
[5] Wikipedia: ,,Observatorium für Solare Radioastronomie Trems-
[5]
dorf (OSRA)", https://de.wikipedia.org/wiki/Observatorium_
f%C3%BCr_Solare_Radioastronomie
[6] Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam: ,,50 Jahre Tremsdorf",
www.aip.de/highlight_archive/osra50/
[6]
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Sonne
Totale Sonnenfinsternis in Mexiko:
Im Lande der Azteken und Mayas auf SoFi-Exkursion
von Kai-Oliver Detken
Am 08. April 2024 war es nach 2017 wieder so weit: eine totale Sonnenfinsternis konnte von Mittel- und Nordamerika aus beobachtet werden. Grund genug für Alexander Alin und Volker Kunz vom AVL [1] sowie den Autor [2], nach Mexiko zu fliegen, um diese direkt vor Ort erleben zu können. Die Ortswahl hatte zwei Gründe: Erstens konnte bereits ein halbes Jahr vorher bei San Antonio die ringförmige Sonnenfinsternis beobachtet werden, weshalb man nicht erneut nach Texas zurückkehren wollte, und zweitens standen Besichtigungen der Azteken- und Maya-Pyramiden auf dem Programm. Während die meisten Sternfreunde aus Deutschland erneut in die USA aufbrachen, zog es deshalb unsere Reisegruppe nach Monclova im nordöstlichen Bundesstaat Coahuila, welches in Mexiko für die größte Stahlproduktion des Landes, aber leider auch für den Drogenhandel bekannt ist.
Gestartet war unser Flug am 04. April von Hannover aus, der uns über London und Dallas nach Monterrey führen sollte. Diese Stadt erkundeten wir erst am nächsten Morgen, da wir am Vorabend sehr spät mit dem Mietwagen am Hotel eintrafen und uns nach über zwanzigstündiger Anreise sofort schlafen legten. Die 4,6-Millionen-Stadt liegt im Nordosten von Mexiko und besitzt den Spitznamen ,,Stadt der Berge", da sie von solchen umgeben ist. Auf einer Wandertour im Nationalpark Chipinque hatten wir am dritten Tag unserer Ankunft einen wunderbaren Blick auf die Stadt. Allerdings wurde auch die Smog-Glocke erkennbar, denn Mexikos Großstädte liegen praktisch immer unter einer solchen. Drei Tage nach unserer Ankunft ging es weiter nach Monclova, da wir von dort zur Sonnenfinsternis starten wollten. Vorher statteten wir noch der größten Monumentalflagge der Welt einen Besuch ab, die ebenfalls in Monterrey zu finden ist und 230 Kilogramm wiegt. Al-
1 Betrachtung und Analyse der ersten Testbilder nach Aufbau des Equipments
(Alexander Alin und Kai-Oliver Detken)
lein der Mast besitzt dafür ein Gewicht von 120 Tonnen!
Von Monclova war es noch ein Stück bis zur Totalitätslinie, weshalb wir morgens am 08. April bereits um 08:15 Uhr aus unserem Hotel starteten. Dies war komplett ausgebucht und mit dem Frühstück überfordert, da alle Sonnenbeobachter gleichzeitig aufbrechen wollten. Die Wetteraussichten sahen ebenfalls nicht optimal aus, denn ein Tief aus Kanada ließ Wolkenbildungen entlang der Zentrallinie erwarten, die quer von Mittel- nach Nordamerika verlief. Auch in Texas wurden große Unwetter erwartet, weshalb wir die Entscheidung, nach Mexiko zu fahren, nicht bereuten. Wir entschlossen uns, zur Oase Poza Azul zu fahren, da die Wetteraussichten dort am besten aussahen. Am Beobachtungsort angekommen schauten wir aber noch etwas besorgt nach oben, denn es war eine dünne Wolkendecke zu erkennen. Erste Testbilder zeigten aber, dass man mit Sonnenfilter durch die Wolken hindurch die Sonne aufnehmen konnte (Abb. 1).
Nicht nur wir bauten unser Equipment vor Ort auf. Überwiegend Mexikaner waren zum Beobachten hergekommen. Wir wurden allerdings von einem Spanier und einem Kalifornier angesprochen. Ersterer war an unserer Ausrüstung interessiert, während Letzterer mit seiner Frau nach der Sonnenfinsternis 2017 im eigenen Land erneut versuchen wollte, die Sonnenkorona aufzunehmen, was ihm auch dieses Mal wegen der Wolkenbildung leider nicht gelang. Ganz reibungslos verlief die Aufnahmesession bei uns aber auch nicht. Während Volker Kunz anfangs mit seiner Technik kämpfte, da er mit drei Kameras gleichzeitig fotografieren wollte, beschloss Alexander Alin während der Totalität, auf sein Stativ zu verzichten, weshalb viele Aufnahmen bei zu langer Belichtungszeit verwackelten. Bei mir war das Gehäuse meiner Powerbank, die für die Stromversorgung meiner AstroTrac-Reisemontierung notwendig war, während der Reise aufgeplatzt und ich hatte Sorge, dass sie sich ganz verabschieden würde. Zusätzlich gab es Fokus-
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Sonne
2 Volker Kunz beobach-
tet die Sonne während der Totalitätsphase auf der Oase Poza Azul
sierungsprobleme, da es zu viel Spiel bei der Einstellung eines Sonnenflecks gab. Bei der aufkommenden Totalität waren daher auch die ersten Bilder unscharf und mussten nachjustiert werden. Aber die wichtigsten Ergebnisse konnten festgehalten werden, und die AstroTrac hielt mit rudimentärer Nordpol-Ausrichtung die Sonne lange im Bildzentrum fest.
Durch die Wolkenbildung mussten zudem auch die Belichtungszeiten kontinuierlich angepasst werden. So konnte kurz vor der Totalität zwar bereits ohne Filter fotografiert werden, aber der Diamantring-Effekt ging verloren. Die lange Totalität von über 4 Minuten war zudem nur zur Hälfte wolkenfrei. In dieser Zeit war die Umgebung sehr dunkel und in ein unwirkliches Licht getaucht (Abb. 2). Richtig kalt wurde es aber nicht. Nachdem die Totalität vorbei war, kamen noch mehr Wolken auf, die eine komplette Beobachtung der Sonnenfinsternis unmöglich machten. Wir waren trotzdem zufrieden, da eine schöne Sequenz (Abb. 3) aufgenommen und während der Totalität einige imposante Protuberanzen fotografiert werden konnten (Abb. 4).
Auch in Texas gab es das eine oder andere Sonnenloch, wie wir von anderen VdSSternfreunden erfuhren. Am besten war die Sonnenfinsternis aber in Kanada zu sehen, das normalerweise die schlechtesten Wetterprognosen für diesen Zeitpunkt hatte. Als wir am nächsten Morgen aufstanden, um unsere Reise zu den Pyramiden fortzusetzen, lachte uns auch die Sonne bereits wieder von einem strahlend blauen Himmel entgegen. Das Wetter hatte in der Wüste von Monclova wieder seinen Normalzustand eingenommen.
Es ging zurück nach Monterrey, um von dort nach Mexiko-Stadt zu fliegen. Ziel waren dort die Pyramiden von Teotihuacan, die im Hochland liegen und zu einer der bedeutendsten prähistorischen Ruinenmetropolen Amerikas gehören. Die Stufentempel sind sehr beeindruckend, insbesondere die große Sonnenpyramide und ihr Gegenstück, die Mondpyramide. Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung hatte die Stadt ca. 200.000 Einwohner und war eine der größten der Welt. Noch beeindruckender ist, dass die Azteken Teotihuacan als Ruinenstadt vorfanden, da sie damals bereits seit Jahrhunderten verlassen war.
Keiner weiß daher mehr, wer sie erbaut hat! Mit dem Mietwagen ging es nach Tula weiter, das einmal das kulturelle Zentrum der Tolteken war und zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert n. Chr. Mexiko stark geprägt hat. Die Hauptpyramide Tlahuizcalpantecuhtli enthält Steinmonumente, unter ihnen vier toltekische Krieger mit ihrer charakteristischen Tracht und Bewaffnung. Auch zwei Ballspielplätze waren vorhanden, die eine größere Publikumsmenge aufnehmen konnten. Der Ball wurde damals allerdings nicht mit dem Fuß, sondern ab der Hüfte ohne Hände gespielt. In Tula sahen wir am 10. April auch die Dreieckskonstellation Mond - Jupiter - 12P/Pons-Brooks bzw. versuchten, diese wie die VdS-Sternfreunde in Deutschland aufzunehmen. Da der Komet aber bereits zu tief stand, blieb es bei Mond-Jupiter-Aufnahmen.
Der nächste Reisepunkt sah Puebla vor, das für sein Volkswagenwerk und die größte Pyramide der Welt bekannt ist. Hier wurde bis zum Jahr 2003 der VW Käfer gebaut, den man noch vereinzelt auf den Straßen antrifft. Die Altstadt ist wirklich sehenswert und besteht aus kleinen Gassen, bunten Häusern und netten Lokalen. Sie ist sehr
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3 Einzelne Phasen der Sonnenfinsternis am 08.04.2024 in Mexiko bis zur Totalität, Aufnahmedaten: Kamera Canon 90Da,
OWB-Astronomik-Clipfilter und Hoya-77 mm-HMC-NDX400-Filter, Objektiv Sigma 70-200 mm F2,8 EX DG OS HSM mit Sigma 2,0-fachEX-APO-DG-Telekonverter, 400 mm Brennweite, Öffnungsverhältnis 1:5,6 (Totalität) bis 1:45 (Finsternisphasen), Stativ mit AstroTrac TT320X-AG, Belichtung 1/5.000 s (Finsternisphasen) bis 1/100 s (Totalität), ISO 100
gepflegt, was man nicht von anderen Teilen Mexikos sagen kann. Puebla wird daher auch gerne als schönste Stadt des Landes bezeichnet und besitzt den Spitznamen ,,Stadt der Engel". In einem Vorort steht auf 2.146 Metern Höhe die Pyramide von Cholula, die dem Volumen nach die größte der Welt ist. Hinter ihr sieht man normalerweise den mächtigen Vulkan Popocatepetl, der 5.452 Meter hoch ist. Allerdings war er an diesem Tag im Smog komplett untergetaucht. Auch die Pyramide selbst kann erst einmal nicht als solche erkannt werden, da nur ein kleiner Bereich der Westseite restauriert wurde und auf ihrem Gipfel die Kirche Santa Maria de los Remedios steht, die nach der spanischen Eroberung im 16. Jahrhundert erbaut wurde. Daher war ihre Besichtigung ein bisschen enttäuschend. Die Höhe und die Hitze machten uns zusätzlich zu schaffen, denn der April gilt in Mexiko als heißester Monat.
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4 Aufnahme der Totalität
(Aufnahmedaten s. Abb. 3)
Sonne
Von Mexiko-Stadt aus unternahmen wir noch weitere Touren und besichtigten natürlich auch ausgiebig die Stadt selbst, was wir aus Parkplatz- und Verkehrsgründen lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln machten. So ging es u. a. noch zu der Pyramide von Xochicalco, die auch ein prähistorisches Observatorium beinhalten soll. Sie besteht aus einer natürlichen Höhle, die mit künstlichen Einbauten zu einem astronomischen Observatorium ausgebaut wurde, um den landwirtschaftlichen Zyklus zu bestimmen. Dies geschah, indem das in die Höhle fallende Sonnenlicht von Ende April bis Mitte August beobachtet wurde. Leider war es aus Sicherheitsgründen geschlossen. In der Stadt sahen wir in der Eingangshalle des Palacio de Miner�a große Meteorite (Abb. 5). Es handelt sich um drei ca. 7 bis 14 Tonnen wiegende Teilstücke des im Jahr 1852 im Bundesstaat Chihuahua gefundenen Chupaderos-Meteoriten, die komplett aus Eisen bestehen. Im nahegelegenen Alameda-Park kann zudem an einem Beethoven-Denkmal die Totenmaske von ihm besichtigt werden. Auch das Museo Nacional de Antropolog�a (MNA) ist sehr empfehlenswert, da es die Geschichte der Azteken und Mayas sehr gut aufbereitet und den so genannten Maya-Kalender enthält, von dem man inzwischen weiß, dass er gar kein Kalender war.
5 Bruchstück des Chupaderos-Meteoriten in der Eingangshalle des Palacio de Miner�a
Von Mexiko-Stadt ging es mit einem weiteren Inlandsflug zur letzten Etappe unserer Reise, nach Merida. Dies ist die Hauptstadt der mexikanischen Halbinsel Yucatan und gilt als Tor zur Welt der Maya. Hier ist man nah am Meer, bei noch höherer Temperatur und Luftfeuchtigkeit. In der Nähe gibt es mehrere Tempelanlagen zu besichtigen, u. a. die berühmteste Chichen Itza. Wir zogen es aber vor, die nicht so überlaufenen UxmalTempel zu besuchen, die von der Pyramide des Zauberers dominiert werden. Die Restaurierung der Anlage bot einen sehr guten Eindruck vom früheren Aussehen der ehemaligen Stadt, die ihre Hochzeit um das 10. Jahrhundert n. Chr. hatte.
kurz vorher abgesagt wurde. Aber durch eine Umbuchung bekamen wir als drei der wenigen Fluggäste noch einen Platz in einer anderen Maschine und kamen nach den Stationen Dallas - London - Hannover wieder wohlbehalten zu Hause an. Es war daher insgesamt eine anstrengende, aber mit vielen Eindrücken gespickte SoFi-Reise, die zudem mit einem Vorurteil aufräumen konnte: Denn trotz der hohen Kriminalitätsrate in Mexiko hatten wir niemals eine gefährliche Situation zu bestehen.
Internethinweise (Stand: 06.06.2024): [1] Astronomische Vereinigung Lilienthal
(AVL): www.avl-lilienthal.de
Am letzten Tag unserer Reise wurde dann zum ersten Mal das Meer aufgesucht und im lauwarmen Wasser neben Pelikanen gebadet. Am nächsten Morgen mussten wir ganz früh nach Canc�n aufbrechen, um von dort wieder den Rückflug zu bekommen. Aufgrund heftiger Gewitter in Dallas wäre das fast schiefgegangen, da unser Flug
[2] Kai-Oliver Detken: www.detken.net
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8. April 2024: Sonnenkorona!
von Stefan Pinkert
Das Bild der Korona entstand im Lofe Bend Park nahe des Städtchens Laguna Park in Texas, USA. Mit geschätzt 60-70% Bedeckung durch Wolken hatte ich nicht viel Hoffnung auf gute Fotos.
Etwa zwei Minuten vor der Totalität kam die Sonne in eine größere Wolkenlücke. Bis etwa eine Minute nach Beginn der Totalität zogen allerdings noch Zirren über die Sonne, so dass diese Aufnahmen nicht verwendet werden konnten, da die Korona dadurch teilweise abgeschattet wurde. Danach gab es zwei Minuten ohne Wolken vor der Sonne. In dieser Zeit entstand auch die verwendete Serie aus 27 Einzelaufnahmen. Die Bearbeitung erfolgte mit einem Bildbearbeitungsprogramm, das vermutlich kaum ein Astrofotograf kennt: Krita. Die Bilder der Serie wurden als Ebenen in das Programm geladen und die Ebenen einzeln manuell ausgerichtet. Als Ebenenmodus wurde Addition verwendet, wobei die Deckung abwechselnd auf 3% und 4% eingestellt wurde. Das so entstandene Summenbild wurde abgespeichert. Für die weitere Bearbeitung wurden die Ebenen zu einer
Ebene reduziert. Um die Details der Korona herauszuarbeiten, wurden in den nächsten Schritten mehrfach Larson-Sekanina-Filter emuliert.
Ein Nachteil bei diesen Filtern ist die Entstehung von Artefakten bei starken Helligkeitsänderungen, wie bei Protuberanzen oder Sternen. Diese Artefakte wurden einfach mit einem Pinsel übermalt, wobei die benachbarte Helligkeit als Referenz verwendet wurde.
Anschließend wurde mittels Gradationskurve versucht, den Helligkeitsverlauf so anzupassen, dass sowohl die äußeren schwachen Bereiche als auch die hellen Protuberanzen sichtbar bleiben. Danach habe ich das Bild mit einem Lucy-RichardsonFilter leicht geschärft und dieses Ergebnis noch einmal final über die Larson-Sekanina-Emulation verstärkt. Im Bereich der Protuberanzen gab es deutlich überstrahlte Bereiche. Um das Bild visuell ansprechender zu gestalten, wurde eine kreisrunde Maske in Größe der Mondscheibe über den vom Mond bedeckten Bereich gelegt.
1 Sonnenkorona während der Sonnenfinster-
nis vom 08.04.2024, kontrastverstärkt (Methode s. Text); Optik: Scopos ED 66 mm / 400 mm, Kamera: ASI 183MM, Belichtungszeit: 1,066 - 409,6 ms, Steuerung mit eigenem Python-Skript auf Laptop (Bild: Stefan Pinkert)
Die Bildbearbeitung mag wissenschaftlich nicht korrekt sein, führt aber, wie ich finde, zu einem ästhetischen, ansprechenden Bild. Ich orientiere mich bei der Bearbeitung von Sonnenfinsternisbildern am MMV-Projekt von Miroslav Druckmüller [1]. Ausführliche Informationen und weitere Aufnahmen von mir findet man in meinem Blog [2].
Internethinweise (Stand: 06.06.2024): [1] M. Druckmüller: ,,Eclipse
Photography Home Page", www.zam.fme.vutbr. cz/~druck/Eclipse/index. htm [2] S. Pinkert, 2024: ,,Reiseblog zur Sonnenfinsternisreise in die USA", https://blog. sofigalerie.de/?p=804
88 | Journal für Astronomie Nr. 91
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Sonne
Spektakuläre Sonnenfinsternis in den USA am 8. April 2024
von Johann Spuling
Eigentlich sind die Wetterprognosen für Texas (USA) immer recht gut. Scheint doch hier fast immer die Sonne vom klaren Himmel herunter. Doch für den 08.04.2024 sollte das anders sein. 90% Wolken und sogar Regen waren vorhergesagt worden. Schnell entschlossen sich ein Astro-Kollege und ich, kurzfristig von San Antonio (Texas) in den Bundesstaat Maine nach Nordosten zum Ort Mars Hill nahe der kanadischen Grenze zu reisen. Hier sollte eine stabile kalte Hochdrucklage vorherrschen, mit einer maximalen Tagestemperatur von 15 Grad Celsius. Ein weiterer Astro-Kollege, welcher bereits vor Ort war, favorisierte diesen Standort. Hier sollte es ,,ruhiger zugehen" als in Houlton, wo die NASA einen Beobachtungspunkt aufgebaut hatte.
Diese Aktion war nicht ganz einfach, mussten doch das Equipment wieder eingepackt, Flüge, Mietauto und Unterkunft schnell gebucht werden. Die einzelnen Stationen waren: San Antonio, Houston, Boston, Bangor, Houlton und dann letztlich Mars Hill.
Auf der Autofahrt von Boston nach Bangor merkte man, dass der Autoverkehr stark zugenommen hatte. Auch mehrere Aussichtspunkte (u. a. ein Ausblick auf den Mount Washington) waren bereits von Enthusiasten ,,belagert". Ein Parkmitarbeiter erzählte uns, dass innerhalb von zwei Tagen ca. 8.000 Autos diesen Punkt passiert hatten.
Pünktlich, zwei Stunden vor Beginn der partiellen Phase, trafen wir in Mars Hill ein. Der Standplatz befand sich am Fuß eines Wintersport-Areals. So konnten wir mit dem umfangreichen Aufbau beginnen. Auch der Astro-Kollege, welchen wir
1 Mein Equipment:
2 DSLRs Canon 70D u. 80D, 70-mm-Refraktor, f/6, für Fotos, 400-mm-Teleobjektiv von Canon mit 1,4xExtender für Videoaufnahmen.
2 Korona, Einzelbelichtung, 1/60 s
ISO 100, 420 mm Brennweite, f/6
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Sonne
3 Drei Aufnahmen vom dritten Kontakt, je 1/1.600 s, ISO 100, 420 mm Brennweite, f/6
hier treffen wollten, war bereits an diesem Standort eingetroffen. Mein Reise-Kollege hatte eine Vielzahl an Kameras aufgebaut, u. a. auch eine Drohne.
Ich hatte geplant, auf einer Montierung mit Doppelbefestigung inkl. Nachführung erstens ein Objektiv für Videoaufnahmen an-
zubringen und zweitens einen kleinen Refraktor für die Fotografie aufzusatteln. Die 21/2 Stunden lange Finsternis hatte ihren Höhepunkt (Totalität) um 15:30 Uhr Ortszeit. Die Totalität dauerte hier, am ausgewählten Standort, 3 Minuten und 9 Sekunden an.
Fazit: Sehr spektakulär; keine einzige Wolke; es kühlte sich stark ab; große Streamer der Korona waren zu sehen; mehrere Protuberanzen (davon ein Bogen und eine freischwebende Protuberanz); Planet Venus und Jupiter waren zu sehen; orange Einfärbungen am Horizont waren auszumachen.
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Sonne
Totale Sonnenfinsternis in den USA am 8. April 2024
von Silvia Otto
Von Austin, Texas, aus starteten wir nach San Antonio und dann weiter Richtung mexikanische Grenze, wo wir eigentlich die Finsternis beobachten wollten.
Die Wetteraussichten verschlechterten sich jedoch zunehmend, so dass wir unsere ursprüngliche Planung verwarfen. Nach dem Besuch im Big-Bend-
Nationalpark fuhren wir viele Meilen in Richtung Norden. So konnten wir dann in Pocahontas, Missouri, die Sonnenfinsternis bei guten Bedingungen genießen.
Die Aufnahmen wurden mit einer Canon EOS R6 mit einem Canon-Tele RF 200-800 mm gewonnen.
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1 Links unten: Sonnenkorona am 08.04.2024.
2 Unten: Der 3. Kontakt, Beobachtungsort:
Pocahontas, Missouri
Sonne
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Sonne
Ein kurzer Bericht zur SoFi 2024 in den USA
von Thorsten Böckel Die totale Sonnenfinsternis stach durch ihre sehr lange Totalitätsdauer von über 4:28 Minuten im mexikanischen Bundesstaat Durango heraus. An unserem Platz betrug die Totalität immerhin noch 4:17 Minuten. Um 13:49 Uhr CDT sollte es am 8. April mit der Totalität bei uns soweit sein. Wäre da nicht das Problem mit der unerwartet schlechten Wetterlage entlang der Zentrallinie im gesamten zentralen US-Gebiet. Somit fiel nach langer Überlegung die Wahl auf Hot Springs im Bundesstaat Arkansas. Die vorherige Woche glänzte mit sternklaren Nächten und einem wolkenlosen Himmel. Die Wetterprognose für 7.-11. April lautete ,,bewölkt mit Regen". Am 8. April sollte sich die Sonne wenigstens zeitweise blicken lassen. Also doch wieder einer der gefürchteten Wetterkrimis mit einer zudem erschwerten Platzsuche. Es ist gar nicht so einfach, selbst in dem großräumigen Areal rund um Hot Springs / Arkansas, welches fast komplett bewaldet ist, eine freie Sicht zu bekommen. Neben ,Privat Property` wäre da noch der Highway oder irgendeine unromantische Brücke geblieben. Der Ort, welchen wir glücklicherweise doch noch am Vortag fanden, war die Big Fir Public Location am Lake Ouacita nahe Hot Springs. Zudem war dieser einmalig schöne Ort sehr nahe an der Zentrallinie gelegen und offerierte uns an den Ufern des Sees einen freien Südblick.
94 | Journal für Astronomie Nr. 91
1 Oben: Protuberanzen auf der Ost-
seite der Sonne, Tamron-Objektiv 600 mm, f/6,3, ISO 400, 1/1.600 s, Kamera: Sony a6300, Bildausschnitt
2 Links: Die Korona ca. um die Mitte
der Totalität, Tamron-Objektiv 600 mm, f/6,3, ISO 400, 1/13 s, Kamera: Sony a6300
Der Morgen des 8. April zeigte sich überraschenderweise wolkenlos. Beeindruckt schätzten wir unsere Wolkenlücke, welche tatsächlich bis ca. 16 Uhr durchhielt. Einzelne Schleierwolken sowie eine mächtige Gewitterwand im Süden hielten die Spannung durchaus hoch.
13:49 Uhr. Von Westen her verfärbt sich zunehmend der Himmel orange bis tief dunkelrot. Dann die Totalität. Die kreisrunde Maximumskorona erscheint meines Empfindens sehr intensiv hell. Jupiter und Venus werden sichtbar. Wieder einmal ein faszinierender, einzigartiger Anblick. Die Weitwinkelaufnahme (Nikon Fisheye 10,5 mm) zeigt die surreale und farbinten-
sive Szenerie während der Totalität. Die kürzeren Belichtungen im 600-mm-Teleobjektiv (1/1.600 s) lassen die Protuberanzen zum Vorschein kommen. Längere Belichtungen um die 1/13 Sekunde erhellen die runde Maximumskorona. Übrigens wurde das Teleobjektiv auf einer Skywatcher-Reisemontierung nachgeführt.
Noch eine Anmerkung: Bereits zwei Stunden danach war der Himmel mit dichten Wolken bedeckt und der prognostizierte Regen setzte für drei Tage ein.
Welch ein Glück!
3 Die Protuberanzen kurz nach
dem 2. Kontakt (links) und kurz vor dem 3. Kontakt (rechts), TamronObjektiv 600 mm, f/6,3, Kamera: Sony a6300, links: ISO 400, 1/1.600 s, rechts: ISO 100, 1.2500 s
4 Himmel und Erde während der
Totalität, Objektiv: Nikon Fisheye 10,5 mm (f/3,5), Kamera: Canon EOS 5D MarkIII, ISO 200, 0,5 s
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Sonne
Sonnenfinsternis am 8. April 2024 in Texas / USA
von Rainer Baule
Im Rahmen einer dreiwöchigen Reise haben wir am 8. April einen Standort südlich von Fort Worth, Texas, bezogen. Im Byron Stewart Park der Kleinstadt Cleburne gab es gut 50 Meilen nordwestlich der Zentrallinie zwar ,,nur" 3 Minuten und 40 Sekunden lang Totalität, dafür herrschten optimale Wetterbedingungen. Dazu stellte sich der großzügig angelegte Park bei sehr überschaubarer Besucherzahl als hervorragender Standort dar.
Neben den von allen Beobachtern aufgezeichneten Phänomenen an der Sonne achteten wir auch auf unsere eigene Umgebung. Interessant erschien das Phänomen der Lichtsicheln, das die Sonne durch das Blätterwerk eines Baumes gegen Ende der partiellen Phase hervorrief.
Es war ein unvergessliches Erlebnis - für meine fünf Mitreisenden jeweils die erste totale Sonnenfinsternis, für mich allerdings schon die vierte.
1 Lichtsicheln (Lochkameraeffekt) ca. 7 min vor Beginn der Totalität der
Sonnenfinsternis am 08.04.2024 in Texas. Aufnahmezeit war 13:33 Uhr Ortszeit, d.i. Central Daylight Time. (Bild: Rainer Baule)
Speed-Dating im Kalzium-Licht
von Stefan Korth
Mit der Sonnenfotografie hatte ich nie viel im Sinn. Meine ersten Versuche noch zu Film-Zeiten scheiterten an dem mauen Kontrast der verwendeten Dia-Filme und der Unfähigkeit, es auch einmal mit TP2415 zu etwas zu bringen.
Seit dem März 2022 hat sich mein astrofotografisches Leben komplett gewandelt - ich kann mich total für die Sonnenfotografie begeistern! Alles fing mit unserem Solinger Astrostammtisch an - mein Sternfreund Bernd Koch legte dort einen kleinen schwarzen Würfel auf den Tisch: eine Kombination aus Herschel-Keil und CaK-Filter. Dazu zeigte er dann noch Beispielaufnahmen des Sternfreundes Sven Kohle aus Erlangen - spannend!
Die Fotografie im Kalzium-Licht spielt sich im nahen UV bei der Lichtwellenlänge 393,3 nm ab (Spektrallinie CaK) - der visuelle Beobachter kann dort nicht viel sehen, zum einen ist das Auge in jenem Bereich kaum noch empfindlich oder aber altersgemäß eingetrübt. Fotografisch sieht das ganz anders aus, man erreicht zusammen mit üblichen CMOS-Kameras sehr kontrastreiche Abbildungen bestimmter Photosphärenschichten, die sowohl die dunklen Flecken als auch die hellen ,,Plages" (Fackeln) gut darstellen.
Das von mir verwendete Antlia-CaK-Filter, das im Herschelkeil verschraubt ist, hat eine Halbwertsbreite von 3 nm. Klingt schmal, ist aber noch einmal um den Faktor 10 breiter als die HWB von thermisch kont-
rollierten Filtern. Dafür ist die Anschaffung vergleichsweise günstig.
Am Anfang kam mein kleiner Apochromat 60 mm / 360 mm zum Einsatz (Abb. 1), die eingesetzte QHY5IIL-Kamera ist eigentlich als Autoguider beschafft worden, die Sonne wurde mit dieser Kombination formatfüllend abgebildet. Alles zusammen mit der von mir verwendeten Sphinx-Montierung von Vixen stand immer griffbereit und komplett im Keller, um im Bedarfsfall sofort nach draußen in den Garten getragen werden zu können. Meine ausgedehnte Home-Office-Tätigkeit hat es zugelassen, dass ich seit dem März 2022 an immerhin fast 120 Tagen Kalzium-Aufnahmen einsammeln konnte, winters wie sommers (Abb. 3). Vom Geräteaufbau, Einschalten,
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Sonne
Sonne zentrieren bis zum Abschluss einer ersten Serie aus üblicherweise 1.000 Einzelbildern vergeht mittlerweile nicht mehr als eine Viertelstunde. Mit genauem Blick auf die üblichen Wetter-Apps waren da auch etliche Wolkenlücken-Schnelleinsätze dabei.
Wie ist der genaue Ablauf einer Sonnensitzung? Er folgt eigentlich immer diesem Schema: - Rechner starten - FireCapture aufrufen - Sonne zentrieren - Fokussieren - Ggf. Integrationszeit anpassen (je nach Dunst oder Höhe
über dem Horizont) - Start!
1 Die Startausrüstung am Refraktor 60 mm / 360 mm: CaK-Keil
und Miniaturkamera QHY5IIL
Bei ruhiger Luft ist es sinnvoll, auch noch eine 2,5x-BarlowLinse hinzuzunehmen, um dann Einzelflecken höher aufzulösen (Abb. 4).
Seit dem Januar 2024 wurde das Equipment aufgerüstet - nun ist ein 115-mm-Refraktor mit 805 mm Brennweite im Einsatz, die kleine Autoguider-Kamera wurde durch eine QHY533MMono-Kamera ersetzt, die mit einem 1 Zoll großen Detektor mit 3.008 x 3.028 Pixeln ausgestattet ist (Abb. 2). Die Datentiefe, die jetzt eingesammelt wird, liegt bei 14 bit - das hilft, um z. B. auch im Kalzium-Licht sichtbare Protuberanzen zu erkennen (wenngleich das nicht mit H zu vergleichen ist)! Die Sammlung der Kalzium-Bilder wächst, unter [1] kann aktuell die hohe Sonnenaktivität um das Fleckenmaximum herum verfolgt werden. Die Bilderserien werden mit AutoStakkert gemittelt und abschließend noch in Photoshop eingefärbt. Auch das ist ein eingespielter Ablauf, der eigentlich nur noch durch die Rechnerzeit geprägt ist.
Und wie geht es nun weiter? Parallel streue ich mittlerweile auch Weißlicht-Aufnahmen ein, die H-Fotografie ist ein Traum für die Zukunft. Aber der Kalzium-Sonne bleibe ich auf jeden Fall treu!
Internethinweis (Stand: 07.06.2024): [1] Stefan Korth: digitale Astronomieseiten, https://astrodigital.de/sonne
2 Die Fotoausrüstung am Okularauszug im Detail: TS-Photoline-
Apochromat 115 mm / 805 mm, Sphinx-Montierung von Vixen, CaK-Herschel-Keil von Antlia, QHY533M-Kamera
Journal für Astronomie Nr. 91 | 97
Sonne
3 Ein Beispielpaar aus über rund 120 Sonnentagen, an denen seit März 2022 die Sonne fotogra-
fiert werden konnte (23. und 25.03.2024). Verwendet wurde die in Abb. 2 abgebildete Ausrüstung, die Bildresultate entstanden aus Sequenzen mit je 1.000 Einzelbildern; 0,1 ms Integrationszeit, Mittelung per AutoStakkert, Feinbearbeitung und Nachschärfung per Photoshop CS2
4 18.04.2024, Detailaufnahme bei 2.012 mm Brennweite, entstanden aus der
Kombination Apochromat + 2.5x-Powermate von TeleVue.
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Spektroskopie
HOPE - High Optical Performance Echelle
Ein sehr breitbandiger Echellespektrograf für den Hausgebrauch
von Daniel Sablowski
1. Einleitung Echellespektrografen sind weit verbreitet in der hochauflösenden Spektroskopie stellarer Quellen. Bekannte Beispiele hierfür sind UVES, ESPRESSO, HARPS, PEPSI, ANDES (für das E-ELT) u. v. m.
Der große Vorteil besteht darin, dass ein 2-dimensionaler Detektor ausgenutzt werden kann. Während klassische Spektrometer einen einzelnen langen Spektralstreifen erzeugen (wird ein Beugungsgitter verwendet, spricht man von Beugungsordnung), so werden bei einem Echellespektrografen viele dieser Beugungsordnungen angeregt und quer zu den Beugungsordnungen angeordnet. Die Richtung, in der das so genannte Echellegitter das Licht aufspaltet, nennen wir (Haupt-) Dispersionsrichtung. Senkrecht dazu steht die Querdispersionsrichtung (räumliche Richtung des Spektrums). Man erhält also viele einzelne Spektren (Beugungsordnungen) nebeneinander angeordnet. Legt man die optischen Parameter korrekt aus, so ergibt sich eine lückenlose Abdeckung des Wellenlängenbereichs von der ,,untersten" (blau) bis zur ,,obersten" (rot) Ordnung bei gleichzeitig relativ hoher (spektraler) Auflösung und Dispersion.
Im Folgenden sei ein solches System für die Anwendung im Amateurbereich vorgestellt. Diese Systeme unterliegen im Vergleich zu professionellen Instrumenten erheblichen finanziellen Einschränkungen. Man ist daher an ,,Katalogoptiken" gebunden. HOPE ist das vom Autor entwickelte letzte System für diesen Anwendungsbereich, welcher aus vielen Jahren des HobbySpektrografenbaus hervorging. Die Besonderheit ist die Realisierung eines optischen Strahlenganges, wie er im Professionellen verwendet wird. Wie schon angesprochen ist der große Wellenlängenbereich (über den gesamten Effizienzbereich der CCD), welcher bei gleichzeitig hoher Auflösung mit einer einzigen Aufnahme erfasst werden kann, der entscheidende Vorteil eines solchen Systems. Dies stellt natürlich erhebliche Ansprüche an die Abbildungsleistung wie auch an die Transmission der einzelnen Komponenten. Problematisch ist hier insbesondere der blaue Bereich unterhalb von 450 nm. Achromatische Standardlinsen enthalten oft eine Komponente aus Schwerflintglas. Da Dispersion und Absorption über den komplexen Brechungsindex miteinander verwoben sind, führt eine hohe Dispersion auch zu einer hohen Absorption. Daher war die Selektion der re-
fraktiven Komponenten und der Übergang zu möglichst reflektiven Komponenten von zentraler Bedeutung.
Im 2. Abschnitt wird das optische Konzept ganz allgemein vorgestellt. Eine detailliertere Beschreibung von HOPE folgt im 3. Abschnitt. Der 4. Abschnitt stellt einige Messungen zusammen und der 5. Abschnitt fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
2. White-Pupil-Echelle Die Kernkomponenten eines Spektrografen sind, in der Reihenfolge des Lichtweges: Spalt, Kollimator, dispersives Element (Beugungsgitter/Prisma), Kamera und Detektor. Bei einem White-Pupil (WP, s. Abb. 1) wird der Strahl vom Beugungsgitter (BG) unter einem kleinen Winkel zurück auf den (Haupt-) Kollimator (HK) gelenkt. Dieser erzeugt einen Zwischenfokus. Ein weiterer Kollimator (Transferkollimator, TK) erfasst den Strahl für erneute Kollimation und schickt ihn zur optischen Kamera. Bei einem WP-Echelle sitzt in diesem zweiten kollimierten Strahl der Querzerleger (QZ), üblicherweise ein Prisma oder ein Volumen-Phasen-Holografie-Gitter (VPHG). Der wichtige Punkt hierbei ist, dass die aus dem Zwischenfokus per Wel-
1 Strahlengang eines üblichen WP-Echelles. Am Eingang steht die optische Faser und die Relay-Optik, welche den Austrittskegel an
die Öffnung des Kollimators so anpasst, dass das Echellegitter voll ausgeleuchtet wird. Dieses Gitter wirft den dispergierten Strahl zurück zum Kollimator, welcher das Spektrum fokussiert. Ein Planspiegel steht nahe an diesem Fokus in der Gegegend des Eingangs und reflektiert wieder zum Kollimator, welcher das Bündel erneut kollimiert. Der QZ und die Kamera stehen nahe der Pupille.
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Spektroskopie
2 HOPE-Strahlengang. Im Vergleich zum Layout in Abb. 1 werden hier zwei HKen verwendet und ein dritter Parabolspiegel als Transfer-
kollimator. Durch Verringerung der Brennweite des TKs kann der Strahldurchmesser verkleinert werden, so dass die folgenden Komponenten ebenfalls verkleinert werden können. Dieses Kollimatorsystem liefert bis auf Feldkrümmung beugungsbegrenzte Bildpunkte.
lenlänge kommenden Strahlbündel sich in der Pupille des TK wieder überlagern. Daher erscheint diese Pupille wieder unter ,,weißem" Licht. Der aufmerksame Leser merkt außerdem: Die gesamte Ausdehnung des Bündels in der Pupille ist gegeben durch die Öffnung des Bündels im Zwischenfokus und der Brennweite des TK. Die Lineardispersion ist also vollständig aufgehoben. Im Vergleich dazu ist der Querschnitt des Beams nach dem BG am HK durch die Winkeldispersion erheblich größer. In einem klassischen Spektrografen würde an dieser Stelle in etwa die Kamera (bzw. der QZ bei einem Echelle) stehen. Mit der WP-Anordnung verkleinert sich also die Größe des QZ und, sehr vorteilhaft, der Kamera, da diese nahe der Pupille des TK stehen. An der Pupille kann auch eine Maske zur Streulichtunterdrückung platziert werden. Um chromatische Einflüsse zu vermeiden und die Anzahl der optischen Wirkungsflächen zu reduzieren, werden für den HK und TK Spiegel verwendet. Üblicherweise werden Off-Axis-Parabeln (OAP) eingesetzt. Man trifft aber auch auf Maksutov-Systeme (z. B. PEPSI am LBT).
3. HOPE 3.1 Optik Für HOPE wurde eine Abwandlung des oben vorgestellten Layouts verwendet. Dieses wird auch sonst nicht im professionellen Bereich angewendet. Der Grund ist dem Autor nicht bekannt (Design-Ansätze in der Optik werden aber üblicherweise gewählt und nicht neu erdacht). Das Layout ist in der Abbildung 2 gezeigt. Verglichen
mit der Abbildung 1 sticht ins Auge, dass hier zwei identische HKen verwendet werden, jedoch auf gegenüberliegenden Seiten des BG. Dies führt zu einer besseren Korrektur der Feldaberrationen, da die Winkel an den OAPs gleich sind. In der Abbildung 1 musste nämlich ein leichter Winkel eingeführt werden, um den Eingang vom Zwischenfokus räumlich zu trennen. Ansonsten unterscheidet sich dieses System nicht weiter. Eine weitere Bedingung für diesen Spektrografen waren geringe Kosten. Daher kommen nur Standard-Optiken in Frage.
Der Planspiegel in der Abbildung 2 lenkt die 0. Ordnung (Reflexion am Beugungsgitter) um und wird auf eine kleine CCD abgebildet. Dies erlaubt die direkte Abbildung des Eingangs (Faser). Man hat dadurch eine Kontrolle über die Nachführung.
Der QZ ist hier ein 60 Grad -Dispersionsprisma aus F2-Glas. Der QZ kann auch aus zwei solch hintereinander geschalteten Prismen bestehen, wenn mehr Platz zwischen den einzelnen Ordnungen zu erreichen ist. Dies kann z. B. notwendig werden, wenn mehrere Fasern am Eingang stehen (mehrere Teleskope oder eine separate Faser für simultane Kalibration, um systembedingte Bewegungen des Spektrums während der Belichtung zu erfassen) oder ein ImageSlicer (Teilung des Faserbildes zur Erhöhung der spektralen Auflösung) verwendet wird.
3.1.1 Echellegitter Der größte Kostenpunkt ist neben dem Objektiv hierbei das Echellegitter. Diese
Gitter sind nur in relativ kleinen Abmessungen (25 mm x 50 mm) erhältlich und schränken damit die erreichbare Auflösung erheblich ein. Daneben bestimmt der Blazewinkel des Gitters die Auflösung. Gängig sind Gitter mit ca. 64 Grad Blazewinkel. Man bezeichnet ein solches Gitter auch als R2Gitter (tan(64) 2). Hier muss dann auch das Seitenverhältnis 1:2 sein, also die Abmessung längs der Gitterfurchen entspricht der halben Ausdehnung quer zu den Gitterfurchen. In professionellen Spektrografen werden meist R4-Gitter eingesetzt, um damit die doppelte Auflösung gegenüber einem R2 zu erreichen. Hier muss dann aber das Gitter auch 4-mal länger sein als hoch. Im Standardsortiment der Optiklieferanten finden sich nur 3 in Frage kommende Gitter mit den Abmessungen 25 mm x 50 mm: R2 79 l/mm; R2 31,6 l/mm und R4 79 l/mm. Das R4-Gitter hat zwei Nachteile: Durch die hohe Linienzahl (gegenüber der 31,6 l/mm) ist der freie Spektralbereich sehr groß. Daher müssen die Detektoren entsprechend groß sein. Außerdem sind die Abmessungen ungünstig, so dass im Prinzip nur ein Strahl mit 12,5 mm verwendet werden kann und daher die Brennweite des Kollimators halbiert werden muss. Daher halbiert sich auch die Auflösung und man gewinnt nichts (außer kleine Optiken verwenden zu können, Gewichtsvorteil). Für den pfiffigen Bastler kommt aber evtl. ein Mosaik aus zwei solchen Gittern infrage. Da man nicht nahe der theoretischen Auflösungsgrenze arbeitet, müssen die beiden Gitter des Mosaiks auch nicht auf Sub-Wellenlängen genau justiert werden.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 101
Spektroskopie
3 Layout des Petzval-Objektives aus zwei Standardachromaten
Der Platzhirsch der Echellegitterhersteller ist Richardson GratingsTM (Newport Corporation). Hier lohnt sich ab und an ein Blick in die Bestandslisten, da bei kundenspezifischen Aufträgen hin und wieder mehr Gitter produziert als verkauft werden und dann im ,,Overstock" relativ günstig zu haben sind. Kundenspezifische R4-Gitter liegen ansonsten im Bereich etlicher kEUR. Für den hier vorgestellten Echellespektrografen wurde ein Overstock-Gitter mit R2,6 52,67 l/mm 32 mm x 84 mm erstanden (ca. 850 EUR).
3.1.2 Objektiv Der wesentliche Vorteil eines Echellespektrografen ist der große Wellenlängenbereich, welcher in einer einzigen Aufnahme mit hoher Auflösung erfasst werden kann. Dies stellt allerdings auch hohe Ansprüche an die Farbkorrektur der abbildenden Optik. Wohingegen das Feld relativ klein ist und im Wesentlichen die Bildfeldkrümmung zunächst einschränkend wirkt.
de ein Petzval-Objektiv aus zwei Achromaten aus dem Standardsortiment ins System integriert (Abb. 3), so dass auch die Transmission erhöht wird. Hohe Transmission wird hier insbesondere durch Vermeidung von Schwerflintglas erreicht. Dieses Objektiv erzielt nun eine gute Abbildung bei ca. 105 mm Brennweite und f/2 sowie in einem Wellenlängenbereich von 360 bis 900 nm. Damit sind die wichtigen Ca-Linien (H, K und IR-Triplet) abgedeckt.
3.1.3 Detektor Als Detektor wird hier ein KAF8300 verwendet. Dieser ist vom Rauschverhalten, dem Gain und der geringen Full-Well-Kapazität (auf Grund der kleinen Pixel) keine perfekte Wahl, stellt aber eine große Detektorfläche bei verhältnismäßig geringem Preis bereit. Unvermeidlich ist eine Kame-
ra mit guter Kühlung und Abführung der Wärme. Dies ist insbesondere bei einer späteren thermischen Stabilisierung des Systems wichtig.
3.1.4 Faserkopplung Die Faserkopplung am Teleskop hat die Aufgabe, das Öffnungsverhältnis des Teleskops an die Faser anzupassen, eine Möglichkeit zum Nachführen des Sterns auf der Faser bereitzustellen und die Einkopplung von Kalibrationslicht zu ermöglichen. Hierfür gibt es verschiedene Ansätze. Realisiert wurde der folgende Aufbau (Abb. 4): Zunächst wird der Beam von einem Achromaten kollimiert. In diesem kollimierten Strahl sitzt ein Strahlteiler mit ca. 5% Reflektivität. Der transmittierte Anteil wird von einem weiteren Achromaten auf die Faser fokussiert. Der von der Faser (bzw. dem Faserstecker aus Edelstahl) reflektierte Teil wird dann vom Strahlteiler ausgelenkt und von einem Achromaten auf die Nachführkamera abgebildet. Auf der gegenüberliegenden Seite des Strahlteilers sitzt ein Planspiegel, welcher den vom Teleskop kommenden Teil zur Nachführkamera wirft. Man hat
Fotoobjektive werden hier gerne eingesetzt. Allerdings ist die Auswahl sehr eingeschränkt und unter 400 nm und über 700 nm wird die Abbildung schnell schlecht. Brauchbar ist hier z. B. das 200-mm-Canon f/2,8 und das 135-mm-Samyang f/2,0. Letzteres zeigt allerdings schlechte Transmission unter 400 und über 750 nm. Des Weiteren muss die Brennweite zum Gesamtsystem passen, so dass die Faser auf mindestens 2,5 Pixel abgebildet wird.
Obwohl mit dem Samyang gute Ergebnisse bzgl. der Abbildung erreicht wurden, wur-
4 Faserkopplung zur optischen Verbindung von Teleskop und Spektrograf
sowie zum Nachführen und Einkoppeln von Kalibrationslicht
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Spektroskopie
damit zwei Bilder: ein direktes Sternbild und das Bild von der Faser mit Stern. Ersteres wir zur Nachführkontrolle verwendet, Letzteres zur genauen Positionierung des Sterns auf dem Faserkern.
Auch hier wurden Linsen ohne Schwerflintglas verwendet, um eine bessere Transmission auch im blauen Bereich zu erreichen.
5 Ausschnitt aus einer Thorium-Argon-Kalibrationsaufnahme. Links durch das Petzval und
rechts mit dem Samyang. Zwei Linien sind markiert; rot zeigt etwa gleichen Fluss, während grün im Petzval 11x erhöht ist. Ebenso ist das Petzval frei von störenden Geisterbildern.
3.2 Kalibration Um das Spektrometer in der Wellenlänge zu kalibrieren, benötigt man auf der Hardwareseite eine passende Lichtquelle. Der Standard ist eine Th/Ar-Hohlkathodenlampe. Eine solche wird auch hier verwendet. Diese liefert genügend viele Linien, verteilt über den gesamten Wellenlängenbereich. Leider sind diese Lampen sehr teuer. Eine sehr günstige Alternative kann evtl. das Lämpchen aus einem Röhrenstarter sein.
Neben der Wellenlängenkalibration ist auch ein so genanntes Flat-Field notwendig. In der Spektroskopie kann man zwei ,,Arten" unterscheiden. Das klassische Flat-Field, wie man es aus der Fotografie kennt und das ,,spektrale" Flat-Field. Beim Letzteren wird eine Lichtquelle mit Kontinuum eingekoppelt. Schwierig hierbei ist, ein möglichst flaches Kontinuum zu erhalten. Halogenlampen haben im roten Bereich sehr viel Fluss, während sie im blauen Bereich zu wenig haben. Entsprechende Filter sind notwendig. Außerdem können weitere Lichtquellen wie breite LEDs hinzugeschaltet werden.
So sind in der hier verwendeten FlatField-Quelle insgesamt 4 LEDs und eine Halogenlampe mit Blaufilter (Hoya) in Verwendung. Die LEDs haben Zentralwellenlängen von 430, 400, 385 nm und eine Doppelpeak-LED von 375 und 360 nm. Diese Lichtquellen sind in einer Reihe angeordnet. Jeder Quelle steht eine Linse gegenüber, welche das Licht in eine Faser kop-
pelt. Diese Fasern laufen dann in einen gemeinsamen Stecker zusammen. An diesem Faserbündel wird eine Faser mit großem Durchmesser direkt angekoppelt, so dass alles Licht in einer Faser gemischt werden kann. Werden die LEDs jeweils von einer Stromquelle gespeist, können die Intensitäten so eingestellt werden, dass ein Flat für alle 4 LEDs mit einer einzelnen Belichtung abgedeckt werden kann. Das Halogenlicht und natürlich Th/Ar werden separat aufgenommen. Alternativ zu dieser Methode geht es auch mit einer Ulbrichtkugel. Diese hat allerdings einen erheblichen Intensitätsverlust, da die Gesamtleistung auf einen großen Raum verteilt wird.
4. Analyse und Verifikation 4.1 Effizienzen, Streulicht und Bandbreite Die einzelnen optischen Komponenten wurden in der Effizienz vermessen. Hierzu wurden Laser unterschiedlicher Wellenlänge und eine Fotodiode verwendet. Das Vorgehen dabei war: Aufbau des Lasers und der zu messenden Komponenten sowie der Fotodiode hinter dem Prüfling. Mehrfach wurde der Fotostrom des Lasers mit und ohne den Prüfling gemessen. Dabei wurde der Aufbau jedes Mal neu justiert, so dass der Laser andere Stellen des Prüflings passiert. Dies stellt sicher, dass lokale Defekte herausgefiltert werden konnten. Die drei Parabolspiegel wurden mit einem speziellen Reflektometer gemessen.
Die Messungen sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Negativ fallen die Prismen von Perkin Elmer auf (es wurden 2 vermessen), welche auf dem Gebrauchtmarkt erstanden wurden. Diese wurden daher durch Prismen von Knight Optical ersetzt, welche eine MgF2-Beschichtung aufweisen. Des Weiteren erkennt man den starken Einbruch des erwähnten Objektivs von Samyang im Blauen. Weiterhin ist die Beschichtung der Spiegel des SC-Meade mangelhaft. Hier handelt es sich um ein relativ altes Modell, bei dem die Aluminiumbeschichtung noch durch Sputtering aufgebracht wurde. Erwähnt sei auch, dass die Faserkopplung nach Umbau auf Linsen ohne Schwerflintglas die Belichtungszeit um 40% reduziert hatte. Eine weitere Verbesserungsmöglichkeit sieht man beim CCD-Detektor. Positiv ist die Hilux-Beschichtung im Blauen, welche über den Spezifikationen liegt. Dafür zeigt ein Spiegel mit üblicher SiO2-Schutzschicht bessere Reflektivität im Roten.
In der Abbildung 5 ist ein Ausschnitt der Th/Ar-Kalibrationsaufnahme durch das Petzval (links) und das Samyang (rechts) gezeigt. Die rot markierte Linie zeigt etwa denselben Fluss in beiden Aufnahmen, während die grüne im Petzval 11x stärker ist. Des Weiteren ist das Petzval frei von störenden Geisterbildern (diffuse Halos von starken Ar-Linien im Roten und Geistordnung am unteren Bildrand).
Journal für Astronomie Nr. 91 | 103
Spektroskopie
6 Wellenlängenkalibriertes Flat-Field, markiert sind die Bereiche, in denen die
entsprechenden Lichtquellen dominieren.
7 Auflösungsvermögen über die Wellenlänge
einen verhältnismäßig flachen Verlauf über die gesamte Bandbreite des Spektrografen von 360 bis 900 nm. Diese Aufnahme wird von der Datenreduktionsanwendung (ESO-MIDAS) genutzt, um die einzelnen Beugungsordnungen zu identifizieren. Erreicht man hier also keinen guten Fluss, können nicht alle Ordnungen im eigentlichen Sternspektrum extrahiert werden. Ebenso wird das Sternspektrum durch diese Aufnahme dividiert, um Vignettierungseffekte zu neutralisieren. Ist das Signal im Flat also gering in einer bestimmten Wellenlänge, und damit der Rauschanteil entsprechend hoch, wird bei der Division das Rauschen im Sternspektrum ebenfalls erhöht und die Messqualität leidet direkt darunter. Daher werden auch viele Flataufnahmen (>10) gemittelt, so dass der Rauschanteil im Flat wesentlich kleiner ist als jener im Sternspektrum.
8 Sonnenspektrum über den gesamten nutzbaren Bereich nach der Division durch
das Superflat
Um weiteres Streulicht zu unterdrücken, wurden Aperturblenden auf die drei Parabolspiegel gesetzt. Dies war insbesondere für den TK notwendig, da dieser direkt hinter dem Echellegitter steht. Wird dieses überleuchtet, entsteht ein Bild nahe dem Prisma (Pupille) und daher ein Untergrund auf der CCD.
In der Abbildung 6 ist das in Wellenlänge kalibrierte Flat-Field gezeigt. Jeder Peak repräsentiert eine Beugungsordnung. Diese einzelnen Ordnungen werden gemäß der Wellenlänge zusammengesetzt. Würde nur eine Halogenlampe verwendet werden, würde der Fluss stark zum Blauen und Roten abnehmen. Durch die Verwendung von Blaufilter und LEDs erreicht man hier aber
4.2 Auflösung und Bildqualität Wie eingangs geschildert, ist der große Vorteil eines Echellespektrografen die hohe Bandbreite bei zugleich relativ hoher erreichbarer spektraler Auflösung. Insbesondere letzterer Punkt bedingt aber eine gute Abbildungsleistung der optischen Kamera. Variiert diese sehr mit der Wellenlänge (Farblängs- und -querfehler) und/oder über das Feld, so hat dies auch auf spätere Schritte in der Datenauswertung negative Auswirkungen. Dies betrifft z. B. die Kreuzkorrelation eines ,,idealen" Musterspektrums zur Bestimmung von Linienverschiebungen (Radialgeschwindigkeiten), aber auch die Ableitung von stellaren Parametern (Temperaturen, Rotationsgeschwindigkeit, chemische Häufigkeiten usw.). Daher ist insbesondere eine homogene Abbildungsleistung über den Detektor und die Wellenlänge anzustreben. Dies ist meist nur mit speziell gerechneten und damit teuren Optiken möglich. Die Abbildung 7 zeigt das spektrale Auflösungsvermögen über
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Spektroskopie
die Wellenlänge, vermessen im ThoriumArgon-Kalibrationsspektrum. Datenpunkte bei geringerer Auflösung sind primär auf ,,Blends" (nicht aufgelöste Mehrfachlinien) zurückzuführen. Herauszuheben ist der weitgehend konstante Verlauf über die Wellenlänge.
In der Abbildung 8 ist noch ein Sonnenspektrum gezeigt, wie es nach der Kalibration und Division durch das oben beschriebene Superflat aussieht. Hier besteht oft das Problem von kurzperiodischen Wellen, die von einem unterschiedlichen Intensitätsverlauf zwischen Objekt und Flatlicht verursacht werden. Diese sind hier nicht präsent. Der großräumige Verlauf wird durch
die Anpassung einer Funktion an das Kontinuum noch herausgerechnet. Dies ist aber stark vom Nutzer bzw. vom verwendeten Algorithmus abhängig und natürlich von den Ausgangsdaten.
5. Zusammenfassung Abschließend lässt sich festhalten: HOPE ist ein konsteneffizienter Echellespektrograf, der innerhalb seiner Parameter eine exzellente Bandbreite, Abbildung und Transmission liefert. Bei der Echellespektroskopie kommt dem Flatspektrum eine ganz besondere Rolle zu: Es wird genutzt, um die einzelnen Ordnungen zu identifizieren. Es muss also genügend Intensität in allen Ordnungen aufweisen, und das bei
möglichst flachem spektralem Verlauf, also einer geringen Dynamik. Alle Ordnungen, die hier nicht erkannt werden, können auch vom Objekt nicht extrahiert werden und sind daher verloren. Dies wurde hier aber nur für die Mischung von mehreren Lichtquellen bis hinunter in den NUV realisiert. Außerdem muss besonderes Augenmerk auf eine identische Ausleuchtung des Fernfeldes im Spektrografen zwischen Objekt und Flatlicht gelegt werden. Alle Unterschiede können sich auf eine saubere FlatField-Korrektur auswirken (Abb. 8). Dazu ist insbesondere eine Apertur definierende Blende in der Pupille der Relay-Optik erforderlich.
Tabelle 1
Zusammenfassung der Effizienzmessungen einzelner Komponenten und Sub-Systeme des Messsystems
Prüfwellenlänge / nm
Perkin Elmer F2 Prisma Knight Optical F2 Prisma Samyang Petzval
Echellegitter (nicht im Blaze)
HK 1 (Hilux) TK (SiO) HK 2 (Hilux) Teleskop Faser Faser-Kopplung CCD KAF8300 (Herstellerangaben) Gesamt
405
75 +- 1 90 +- 2 38 +- 1
93 36 +- 1
86 +- 3 81 88
48 +- 3 80 +- 3 80 +- 3
40
12; 5; 2
470
80 +- 2 93 +- 1
93
-
93 87 95
48
19; 9; 5
520
91 +- 1 90 +- 1 85 +- 2
93 45 +- 2
90 86 93 60 80 90 55
19; 11; 6
650
880
-
-
-
-
-
-
93
78
-
-
85
68
86
80
87
70
55
-
80
-
95
-
50
17
-
-
Werte sind in %, Fehlerwerte in erster Spalte beziehen sich auf alle Einträge in der Zeile. Die Gesamteffizienzen beziehen sich auf das realisierte System, zweite Zahl inkl. CCD, dritte Zahl inkl. Teleskop.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 105
Sternbedeckungen
Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im 4. Quartal 2024
von Eberhard Riedel
Nachdem der Sommer und Herbst dieses Jahres keine sehenswerten streifenden Sternbedeckungen durch den Mond zu bieten hatten, bessert sich die Situation in den letzten beiden Monaten. Die Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse quer über Deutschland, die der mittlere Mondrand während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden und Wiederauftauchen des Sterns zu verfolgen. Alle Streifungen finden am unbeleuchteten Südrand des Mondes in zumeist ausreichendem Abstand zu den beleuchteten Mondstrukturen statt und sind bereits mit kleineren bis mittleren Fernrohren zu beobachten. Die nachfolgenden Erläuterungen und Grafiken verdeutlichen die genauen Umstände jedes Ereignisses.
santen Ereignisse als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten der Grenzlinien und viele weitere Informationen liefert. Darüber hinaus kann von jedem Standort aus das Profil des Mondes und die zu erwartende Sternbahn grafisch in verschiedensten Vergrößerungen dargestellt werden, um so den besten Beobachtungsstandort auswählen zu können. Letzterer muss auch unter Berücksichtigung der Höhe optimiert wer-
den, weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte Grenzlinien automatisch in eine Google Earth-Karte übertragen werden, mit der es dann einfach ist, die besten Beobachtungsstationen festzulegen.
Die Software kann kostenlos unter [1] heruntergeladen und installiert werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich benötig-
Karte mit den Grenzlinien der 4 Streifungsereignisse im November und Dezember 2024
Da bereits am 20. Januar 2025 eine weitere spannende Streifung stattfindet, ist diese ebenfalls im Anschluss dargestellt (Karte S. 107). Alle Grafiken sind für Meereshöhe gerechnet. Bei deutlich höher gelegenen Beobachtungsstationen muss deren Höhe unbedingt in die Berechnung einbezogen werden, um eine genügend genaue Vorhersage zu erhalten.
Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen Profilwerten umgerechnet wurden.
Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten zu können, werden eine ganze Reihe präziser Informationen benötigt. Die europäische Sektion der International Occultation Timing Association (IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung. Kernstück ist die Software ,GRAZPREP` des Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte Auflistung aller interes-
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Sternbedeckungen
Karte mit der Grenzlinie des Streifungsereignisses am 20. Januar 2025
te Vorhersagedateien sind dort ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über die IOTA/ES [2] zu beziehen. Weiterführende Informationen, z. B. über die Meldung der Bedeckungszeiten, sind dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe Sternbedeckungen informiert ferner über Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken dieser eindrucksvollen Ereignisse.
Internethinweise (Stand: 07.06.2024):
[1]
[2]
[1] Software GRAZPREP Download: www.grazprep.com
[2] IOTA/ES, www.iota-es.de
Ereignis 1: 27.11.2024
Am Morgen des 27. November zieht ab 07:08 Uhr MEZ der nur noch zu 14% beleuchtete abnehmende Mond mit seinem zerklüfteten dunklen Südrand am 7,0 mag hellen Stern 56 Virginis vorbei. Die Streifung beginnt in Cuxhaven und folgt einer Linie nach Evendorf und südlich an Uelzen vorbei. In den weiter östlich gelegenen Landesteilen verdirbt die bereits zu große Himmelshelligkeit die Sichtbarkeitsbedingungen. Die Abbildung 1 zeigt für die Länge 9 Grad Ost, dass die scheinbare Sternbahn (blauweiß gestrichelte Linie mit Minutenangaben) den mittleren Mondrand (weiß gepunktet) tangential berührt. Bei der Beobachtung von der Zentrallinie aus (hier berechnet für Meereshöhe) kann das zweimalige Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns beobachtet werden. Die Tabelle gibt dabei die ungefähren Kontaktzeiten an. Die roten Begrenzungslinien geben den durch die Mondparallaxe verursachten Versatz der scheinbaren Sternbahn an, wenn man sich 3.000 Meter beidseits von der Zentrallinie entfernt (jeweils senkrecht zum Ver-
1 Die scheinbare Sternbahn von 56 Virginis (SAO 157811) (blauweiß gestrichelte Linie)
bei Beobachtung genau von der vorhergesagten Grenzlinie, mit 6-facher Mondhöhendehnung, rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
lauf der Zentrallinie gerechnet). Dadurch wird abschätzbar, wie weit man sich von der für den mittleren Mondrand gerechneten Linie entfernen muss, um mehrere Bedeckungen des Sterns sehen zu können. Da die Randstrukturen des Mondes hier in 6-facher Überhöhung dargestellt sind, verläuft die scheinbare Sternbahn gekrümmt. 56 Virginis ist nicht als Doppelstern be-
kannt. Nicht selten wurden allerdings bei Sternbedeckungen durch ein zeitversetztes Verschwinden und Wiedererscheinen des Sterns Doppelsterne entdeckt. Zu beobachten wären anstelle einer schlagartigen Bedeckung u. U. auch ein langsameres oder nur teilweises Verschwinden und Wiederauftauchen des Sternlichtes.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 107
Sternbedeckungen
Ereignis 2: 05.12.2024
Bequem in den frühen Abendstunden lässt sich am 5. Dezember ab 18:05 Uhr die streifende Bedeckung des 6,4 mag hellen Sterns SAO 189549 ebenfalls am Südrand des nur zu 20% beleuchteten zunehmenden Mondes verfolgen. In den Genuss kommen Beobachter auf einer Linie beginnend westlich von Freiburg im Breisgau über Neckarsulm, Würzburg, Schweinfurt, Apolda, südlich Halle (Saale), Wittenberg und Berlin bis nach Schwedt/Oder.
Die scheinbare Sternbahn in der Abbildung 2 zeigt beispielhaft für die Länge von 10 Grad Ost auf der Linie des mittleren Mondrandes das sehr enge Vorbeiziehen des Sterns an vielen Mondstrukturen. Zu erwarten sind daher in der Nähe der abgebildeten Situation noch weit mehr als die hier angegebenen 8 Kontakte. Die Mondhöhen
2 Die scheinbare Sternbahn von SAO 189549, 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
sind erneut 6-fach gedehnt dargestellt. Die roten Begrenzungslinien zeigen den parallaktischen Versatz des Mondes bei +- 3.000 Metern auf der Erdoberfläche.
SAO 189549 ist ebenfalls nicht als Doppelstern bekannt.
Ereignis 3: 06.12.2024
Eine ganz ähnliche Situation bietet sich gleich am nächsten Abend, allerdings nur für Beobachter im äußersten Südosten der Republik. Die Linie verläuft von Unterwössen südlich an Traunstein vorbei bis nach Kirchanschöring. Ab 19:36 Uhr MEZ wird der 6,9 mag helle Stern SAO 164516 ebenfalls vom Südrand des zu 29% beleuchteten zunehmenden Mondes gestreift.
Die Abbildung 3 zeigt die Situation bei 13 Grad Ost mit einer Ablage von ca. 1.200 Metern südöstlich der Zentrallinie, wo mit 12 Kontakten gerechnet werden kann. Besonders die enge Häufung zu Beginn der Streifung dürfte spannend sein. Die roten Begrenzungslinien zeigen den Versatz der scheinbaren Sternbahn von +- 1.000 Meter, so dass man abschätzen kann, dass von anderen Beobachtungsstationen wegen der
3 Die scheinbare Sternbahn von SAO 164516, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 1.000 Meter
relativ steilen Mondstrukturen (12-fach überhöht dargestellt) ebenfalls zahlreiche Kontakte möglich sind.
SAO 164516 ist ebenfalls nicht als Doppelstern bekannt.
108 | Journal für Astronomie Nr. 91
Sternbedeckungen
Ereignis 4: 07.12.2024
Bereits am Folgeabend, dem 7. Dezember, liegt der 6,4 mag helle SAO 165123 auf der Bahn des südlichen Mondrandes, der den Stern ab 20:13 Uhr MEZ auf einer Linie nördlich von Immenstadt im Allgäu, südlich an Kempten (Allgäu) vorbei über Eching am Ammersee und Fürstenfeldbruck bis Straubing bedeckt. Auch bei diesem Ereignis wird die Streifung durch den erst zu 40% beleuchteten Mond nicht durch Überstrahlung der hellen Mondoberfläche erschwert.
Die Abbildung 4 zeigt diese Situation bei 12 Grad Ost, wenn man sich ca. 240 Meter in südöstlicher Richtung von der vorhergesagten Grenzlinie entfernt. Das stark zerklüftete Mondrandprofil ermöglich innerhalb von 3 Minuten mindestens 10 Kontakte des Sterns.
4 Die scheinbare Sternbahn von SAO 165123, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
Auch SAO 165123 ist nicht als Doppelstern bekannt.
Erstes Highlight im Januar 2025 Auch das neue Jahr wartet mit interessanten streifenden Sternbedeckungen durch den Mond auf. Das erste Highlight sollte nicht verpasst werden (s. a. Karte S. 107):
Ereignis 1: 20.01.2025
In der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 2025 wird 11/2 Stunden nach Mitternacht der 5,9 mag helle Stern 25 Virginis vom Südrand des zu 66% beleuchteten abnehmenden Mondes streifend bedeckt. Zu sehen ist dieses Ereignis auf einer Linie von Trier über Kaiserslautern, Bruchsal, Heidenheim an der Brenz, Augsburg, München und Rosenheim bis nach Berchtesgaden.
Die Abbildung 5 zeigt das Mondrandprofil in 6-facher Überhöhung mit roten Begrenzungslinien bei +- 3.000 Metern. Die
5 Die scheinbare Sternbahn von 25 Virginis (SAO 138873), 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei +- 3.000 Meter
scheinbare Sternbahn gilt für einen Beobachtungsort bei 11 Grad östl. Länge auf der für den mittleren Mondrand berechneten Zentrallinie. Dort können ab 01:34 Uhr MEZ mindestens 12 Kontakte des Sterns
mit dem Mondrand beobachtet werden. Störende Mondhelligkeit ist in diesem Bereich nicht vorhanden. 25 Virginis ist ebenfalls nicht als Doppelstern bekannt.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 109
Veränderliche
Die 18. Veränderlichen-Beobachtungswoche der BAV an der VdS-Sternwarte in Kirchheim
von Oliver Domann
Die 18. Veränderlichen-Beobachtungswoche der BAV fand vom 12. bis 20. August 2023 an der VdS-Sternwarte Kirchheim in Thüringen statt. Teilgenommen haben Gerhard Bösch, Oliver Domann, Gerd-Uwe Flechsig, Bernhard Wenzel und Volker Wickert.
Gleich zu Beginn der Woche unternahmen wir einen Tagesausflug zur Thüringer Landessternwarte nach Tautenburg (s. Abb. 1). Hier leistet seit dem Jahre 1960 ein 2-mReflektor seine Dienste, welcher nach entsprechenden Umbauten in den verschiedenen Strahlengang-Modi Schmidt (Brennweite 4 m), Nasmyth (Brennweite 21 m) und Coude (Brennweite 92 m) arbeiten kann. Seit 1992 trägt zu Ehren des Chefkonstrukteurs dieses Teleskops der Reflektor nun dessen Namen und heißt Alfred-Jensch-Teleskop (s. Abb. 2). Eine der aktuellen Aufgaben ist die Astrometrie von Kleinplaneten.
Weiterhin befindet sich auf dem Gelände ein Antennenfeld und Anlagen des internationalen LOFAR-Teleskops (Low Frequency Array), welches Radiostrahlung aus dem Universum unterhalb von 250 MHz beobachtet. Um die Auflösung zu erhöhen, sind mehrere solcher Antennenfelder innerhalb Europas zusammengeschaltet.
Einen sehr interessanten Vortrag haben wir von Guido Wollenhaupt präsentiert bekommen. Mit weiteren drei bzw. zwei Mitstreitern hat er eine Remote-Sternwarte auf der Tivoli-Farm in Namibia aufgebaut. Diese Sternwarte trägt den Namen ,,Drebach South" und kann auch angemietet werden, um sie vor Ort zu betreiben. Die Sternwarte liegt laut Internet auf den gerundeten Koordinaten Süd 23 Grad 28' / Ost 18 Grad 01'. Der Vortrag hat jede Menge Fernweh erzeugt und die Lust enorm gesteigert, auch den südlichen Sternenhimmel zu erkunden.
1 Die Sternwarte Tautenburg am 14. August 2023 (Bild: O. Domann)
Nach Sonnenuntergang wurden an wolkenfreien Abenden die eigenen Teleskope aufgebaut und vorbereitet (Abb. 3). In den sternklaren Nächten wurden Beobachtungen von veränderlichen Sternen, wie den klassischen DY Peg, BL Cam und YZ UMi, durchgeführt. Gerd-Uwe Flechsig traute sich sogar an eine visuelle Helligkeitsschätzung, welche eine erfolgreiche Lichtkurve ergab. Weiterhin wurden auch Exoplaneten wie Kepler-41b, Qatar-1, WASP 151, XO-3b, WASP-74, TrEs-3b, HAT-P-25b, Kepler-854, WASP-52 und WASP-32 von Bernhard Wenzel fotometriert, teils mit dem eigenen 8-Zoll-Teleskop, aber auch mit dem 60-cm-Sternwarten-Teleskop.
Im Seminarraum der Sternwarte Kirchheim haben wir uns über die verschiedensten Themen zum Bereich Fotometrie von veränderlichen Sternen ausgetauscht. Auch stand wieder die Bedienung des Programms StarCurve von Prof. Dr. Lienhard Pagel im Mittelpunkt.
Mein Erkenntnisgewinn lag darin, die Zeiten von mehreren Maxima aus einer Foto-
serie zu generieren. Hierzu importiert man die Transfer-Datei (z. B. aus MuniWin) in das StarCurve-Programm. Der gewünschte Zeitbereich wird dann wie folgt ausgewählt: Erst drückt man die Taste ,,A", dann positioniert man den Mauszeiger auf die Startzeit und betätigt dann die linke Maustaste. Dann positioniert man den Mauszeiger auf die Endzeit des zu betrachtenden Zeitraums und betätigt noch einmal die linke Maustaste. Sofort erscheint nur der ausgewählte Zeitbereich richtig skaliert auf der gesamten Anzeige. Nun kann ohne Probleme das Maximum in diesem Zeitbereich ermittelt werden. Um weitere Maxima zu ermitteln, wird dieser Vorgang entsprechend mit anderen Zeitbereichen wiederholt. Bei sehr kurzperiodischen Delta-Scuti-Sternen können so 4 bis 5 Maxima pro Nacht aus einer Fotoserie herausgemessen werden.
In der VdS-Sternwarte Kirchheim konnte ich auch wieder eine kleine, aber feine Neuerung entdecken. Eine Außen-Uhr (Abb. 4) mit gedämpfter roter Anzeige mit umlaufenden Sekunden-Punkten wurde angebracht, um die Zeit stets im Blick zu haben.
110 | Journal für Astronomie Nr. 91
Veränderliche
Am letzten Abend gab es noch ein kulturelles Event - der Dreienschlag, welcher von der Sternwarte Kirchheim aus beobachtet werden konnte. Auch am Tage sind die drei Burgen, die Burg Gleichen, die Mühlburg und die Wachsenburg von der Sternwarte Kirchheim aus in der Ferne zu sehen. Laut einer Sage schlug am 31. Mai 1231 in allen drei Burgen der Blitz ein und setzte sie alle drei in Brand. Dieses Ereignis - der Dreienschlag - wurde nachgespielt und man konnte erst künstliche Blitze über den Burgen sehen und dann die künstlichen Feuer gut erkennen. Zum Abschluss wurde alles von einem schönen Feuerwerk gekrönt. Was für ein Abschied von der BAV-Beobachtungswoche! Ganz herzlich möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken, welche die Beobachtungswoche 2023 ermöglicht haben! Auch für das Jahr 2024 ist eine BAV-Beobachtungswoche geplant, die sicherlich wieder viele hilfreiche Tipps und Tricks bereithalten wird - ich freue mich schon sehr darauf.
2 Das beeindruckende Alfred-Jensch-Teleskop, ein 2-m-Reflektor
(Bild: O. Domann)
3 Start in eine Beobachtungsnacht auf der VdS-Sternwarte
Kirchheim (Bild: O. Domann)
4 Die neue Außen-Uhr der VdS-Sternwarte Kirchheim
(Bild: O. Domann)
Journal für Astronomie Nr. 91
| 111
Castor Pollux
Capella
KASSIOPEIA
KEPHEUS
ZWILLINGE
Beteigeuze ORION
FUHRMANN Jupiter
Aldebaran
Algol
STIER
PERSEUS
Plejaden Uranus
DREIECK WIDDER
ANDROM EDA
FISCHE
EIDECHSE
Deneb PEGASUS
LEIER
SCHWAN
Albireo
FÜCHSCHEN PFEIL
DELFIN
Atair
FÜLLEN
ADLER
Rigel
Mira WALFISCH
Neptun
WASSERMANN Saturn
SÜDOST
ERIDANUS
Sternkarte exakt gültig für 15. November 2024 22 Uhr MEZ
Mondphasen im November 2024
BILDHAUER SÜD
STEINBOCK FomalhautSÜDL. FISCH SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zusammengestellt von Werner E. Celnik, mit Beiträgen von Andreas Barchfeld (Veränderliche Sterne), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Mond und Kleinplaneten).
Neumond 1.11.
Erstes Viertel 9.11.
Vollmond 15.10.
Letztes Viertel 23.11.
Neumond 1.12.
Ereignisse im November
01. 13:47
Neumond
02. 00:58-04:00 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
03. 02:53
Beta Per (Algol) im Min
03. 20:16-22:26 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
03. 22:08
Kleinplanet (13737) 1998RU76 bedeckt UCAC4 526-027258
(8,6 mag) für 3,2 s, Hell.Abfall um 10,0 mag
05. 18:00
Mond 8,7 Grad SO Venus (-4,0 mag, 14,6''), SW-Horizont
06. 20:37-22:34 Ganymed Bedeckung
07.
max. Libration Mond-NW, 9,1 Grad
07. 18:45
Mond bedeckt 60 Sgr (4,8 mag), genaue Zeit abh. v. Standort
09. 01:00
RZ Cas im Min
09. 02:51-05:45 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
09. 06:55
Erstes Viertel
09. 19:57
Kleinplanet (207) Hedda bedeckt TYC 636-00903-1 (9,1 mag)
für 5,7 s, Hell.Abfall um 4,2 mag
10. 01:25
RW Tau im Min
10. 18:30
Mond 5,1 Grad SW Saturn (0,9 mag, 18,1'')
10. 21:20-00:11 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
12. 18:02
Mond bedeckt 44 Psc (5,8 mag, Doppelstern, Dist. 1,0''),
genaue Zeit abh. v. Standort
13. 21:36-01:57 Ganymed: Verfinsterung Beginn u. Ende, Bedeckung Beginn
u. Ende
14. 12:18
Mond erdnah, 32,95'
14. 17:28
Mond bedeckt 19 Ari (5,7 mag, Doppelstern, Dist. 0,05''),
Zeitangabe f. Frankfurt/M.
14. 20:24-00:07 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
15. 18:33
Mond bedeckt zeta Ari (4,9 mag, Doppelstern, Dist. 0,1''),
Zeitangabe f. Frankfurt/M.
15. 22:28
Vollmond
16.
Merkur (-0,3 mag, 6,66'') in größter Elongation Ost (23 Grad )
16. 04:46-06:57 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
16. 05:30
Mond 2,7 Grad W Plejaden (M 45)
16. 20:42
Mond bedeckt chi Tau (5,4 mag, Doppelstern, Dist. 19,4''),
Zeitangabe f. Frankfurt/M.
16. 21:00
Mond 9,5 Grad N Aldebaran (alpha Tau, 1,0 mag)
16. 21:23
Kleinplanet (438) Zeuxo bedeckt TYC 5826-00925-1 (9,9 mag)
für 6,3 s, Hell.Abfall um 5,1 mag
16. 22:27
Kleinplanet (136) Austria bedeckt TYC 42-01382-1 (9,6 mag)
für 4,3 s, Hell.Abfall um 3,2 mag
17.
Uranus (5,6 mag, 3,79'') in Opposition zur Sonne, Dist.
2778 Mio. km, Sternbild Taurus
17. 06:00
Maximum Meteorschauer der Leoniden, ca. 10/h, 71 km/s
17. 21:11
Mond 6,6 Grad NO Jupiter (2,8 mag, 47,6'') u. 1,0 Grad S beta Tau
(Elnath, 1,7 mag)
17. 23:14-01:56 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
17. 23:19
X Tri im Min
20.
max. Libration Mond-SO, 9,6 Grad
20. 02:25
Mond 2,2 Grad S Pollux (beta Gem, 1,2 mag)
20. 23:43
Kleinplanet (1186) Turnera bedeckt TYC 5832-00403-1
(9,5 mag) für 4,2 s, Hell.Abfall um 5,4 mag
21. 00:00
Mond 2,2 Grad NO Mars (-0,3 mag, 10,7'') u. 3,4 Grad N off. Hfn. M 44
21. 23:00-02:22 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
23. 02:00
Mond 2,5 Grad NO Regulus (alpha Leo, 1,4 mag)
23. 02:28
Letztes Viertel
24. 22:12
RR Lyr im Max
25. 01:08-03:39 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
26. 12:56
Mond erdfern, 29,57'
26. 19:37-22:05 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
27. 06:00
Mond 3,1 Grad NW Spica (alpha Vir, 1,1 mag)
29. 01:36-04:36 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
29. 23:42
U Cep im Min
112 | Journal für Astronomie Nr. 91
LUCHS
Mars KREBS
Pollux Castor ZWILLINGE
KLEINER HUND
Procyon
Beteigeuze
GIRAFFE Capella
KASSIOPEIA
FUHRMANN
Jupiter STIER Aldebaran
ORION
Algol PERSEUS
ANDROMEDA DREIECK
Plejaden
WIDDER
Uranus
FISCHE
HSE EIDEC
SCHWAN PEGASUS
EINHORN
GROSSER HUND Sirius SÜDOST
Rigel HASE
Sternkarte exakt gültig für 15. Dezember 2024 22 Uhr MEZ
Mondphasen im Dezember 2024
WALFISCH
ERIDANUS CHEMISCHER OFEN
SÜD
Neptun Saturn
WASSERMANN
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Quellen: Datendienst US Naval Observatory, Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP] und Oliver Klös [Occult]), International Meteor Organization (www. imo.net), eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto).
Neumond 1.12.
Erstes Viertel 8.12.
Vollmond 15.12.
Letztes Viertel 22.12.
Neumond 30.12.
Ereignisse im Dezember
01. 07:21
Neumond
01. 19:34-22:18 Ganymed: Transit u. Schatten vor Jupiter
02. 03:03-05:23 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
03. 21:31-23:49 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
04.
max. Libration Mond-NW, 8,2 Grad
04. 17:45
Mond 5,0 Grad SW Venus (-4,2 mag, 17,6''), SW-Horizont
04. 22:51
Kleinplanet (22001) 1999XY41 bedeckt HIP 2781 (7,6 mag)
für 2,7 s, Hell.Abfall um 11,3 mag
05. 22:05
Kleinplanet (1158) Luda bedeckt HIP 15338 (5,5 mag) für 2,2 s,
Hell.Abfall um 8,8 mag
06. 04:12-06:49 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
06. 05:57
Beta Lyr im Min
07.
Jupiter (-2,8 mag, 48,21'') in Opposition zur Sonne, Dist.
612 Mio. km, Sternbild Taurus
07. 16:18
Mond bedeckt 50 Aqr (5,8 mag), genaue Zeit abh. v. Standort
08. 00:39
Kleinplanet (15) Eunomia (8,0 mag) 13' NW off. Hfn.
NGC 1931, Sternbild Auriga
08. 16:26
Erstes Viertel
08. 17:30
Mond 4,3 Grad NO Saturn (1,0 mag, 17,2'')
08. 23:33-01:46 Ganymed: Transit u. Schatten vor Jupiter
09. 04:56-07:11 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter, Io vor seinem Schatten!
09. 17:25-20:04 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
10. 02:44
Kleinplanet (15) Eunomia (8,0 mag) 11' SO Nebel IC 417,
Sternbild Auriga
10. 23:22-01:38 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
12. 14:23
Mond erdnah, 32,73'
12. 17:48-20:06 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
13.
Kleinplanet (15) Eunomia (8,0 mag) in Opposition zur Sonne,
Sternbild Auriga
13. 17:48
Mond bedeckt SAO 76215 (5,4 mag, Dreifachsystem),
Zeitangabe f. Frankfurt/M.
13. 18:30
Mond 41' SO Plejaden (M 45), teilw. Bedeckung
13. 20:05
Delta Cep im Max
14.
Maximum Meteorschauer der Geminiden, ca. 150/h, 35 km/s
14. 18:15
Mond 4,7 Grad N Jupiter (-2,8 mag, 48,1'') u. 10,6 Grad NO Aldebaran
(alpha Tau, 1,0 mag)
15. 10:02
Vollmond
15. 21:30
RR Lyr im Max
16. 02:48-05:48 Ganymed: Transit u. Schatten vor Jupiter
16. 17:58
Kleinplanet (489) Comacina bedeckt TYC 5704-00901-1
(9,3 mag) für 3,0 s, Hell.Abfall um 5,4 mag
16. 19:39-22:40 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
17.
max. Libration Mond-SO, 8,5 Grad
17. 20:00
Mond 5,3 Grad SO Pollux (beta Gem, 1,2 mag)
18. 01:05-03:33 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
18. 10:20
Mond bedeckt Mars (-0,9 mag, 13,2''), NW-Horizont, genaue
Zeit abh. v. Standort
19. 19:31-22:01 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter; Ganymed: Verfinsterung
Ende
20. 06:15
Mond 2,2 Grad NW Regulus (alpha Leo, 1,4 mag)
21. 10:20
Wintersonnenwende, Winteranfang
21. 23:25
X Tri im Min
22. 06:34
Mond bedeckt 89 Leo (5,8 mag), Zeitangabe f. Frankfurt/M.
22. 11:00
Meteorschauer Ursiden, ca. 10/h, 33 km/s, beob. in vorher-
gehender Nacht
22. 23:11
Kleinplanet (2291) Kevo bedeckt UCAC4 399-028843
(9,3 mag) für 3,8 s, Hell.Abfall um 6,1 mag
22. 23:18
Letztes Viertel
23. 21:53-01:16 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
24. 08:24
Mond erdfern, 29,77'
25. 02:49-05:28 Merkur (-0,4 mag, 6,60'') in größter Elongation West (22 Grad )
25. 06:15
Mond 5,0 Grad O Spica (alpha Vir, 1,1 mag)
25. 21:44
Kleinplanet (4828) Misenus bedeckt TYC 5244-00064-1
(9,9 mag) für 2,3 s, Hell.Abfall um 8,6 mag
26. 19:33-23:56 Ganymed: Bedeckung Beginn, Verfinsterung Ende, Io:
Transit u. Schatten vor Jupiter
27. 23:16
HU Tau im Min
29. 21:32
RW Tau im Min
30. 23:27
Neumond
31. 00:08-03:52 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
31.
max. Libration Mond-NW, 8 Grad
Journal für Astronomie Nr. 91 | 113
GROSSER BÄR
GIRAFFE
KASSIOPEIA
LÖW IN E E KLE R
LÖWE Regulus
LUCHS
Capella
Castor Pollux
KREBS Mars
FUHRMANN ZWILLINGE
Jupiter
WASSERSCHLANGE Alphard
SÜDOST
KLEINER HUND
Procyon
Beteigeuze
EINHORN
Sirius
GROSSER HUND
Aldebaran ORION
Rigel HASE
Sternkarte exakt
gültig für 15. Januar 2025
22 Uhr MEZ
SÜD
Mondphasen im Januar 2025
Algol PERSEUS
ANDROMEDA DREIECK
Plejaden
WIDDER
STIER
Uranus
PEGASUS FISCHE
ERIDANUS
WALFISCH
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Alle Zeitangaben sind gültige Uhrzeiten (Sommerzeit bereits berücksichtigt) und für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben. ,,Max. Libration Mond-O" bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom westlichen Mondrand (Mond-Osten) befindet.
Erstes Viertel 7.1.
Vollmond 13.1.
Ereignisse im Januar 2025
02. 22:52-03:42 Ganymed: Bedeckung Beginn u. Ende, Verfinsterung
Beginn u. Ende
02. 23:01-01:52 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
03. 06:20
(3) Juno (11,4 mag) 24' SW beta Librae (2,6 mag)
und 27' NO NGC 5885 (Gal., 11,8 mag), Sternbild Libra
03. 16:00
Maximum Meteorschauer Quadrantiden, bis zu 80/h, 41 km/s,
ganze Nacht
03. 19:33
Mond 1,8 Grad S Venus (-4,5 mag, 22,8''), SW-Horizont
03. 21:22
U Cephei im Minimum, Höhe 58 Grad
04. 14:28
Erde im Perihel, Sonne 32,53'
04. 17:27-20:20 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
04. 18:31-19:38 Mond bedeckt Saturn (1,1 mag, 16,5''), genaue Zeiten
abhängig v. Standort
06. 04:06
(350) Ornamenta bedeckt Stern HIP 22349 (7,0 mag) für
10,3 s, Hell.-Abfall um 6,8 mag, Sternbild Taurus, W-Horizont-
höhe ca. 14 Grad
06. 15:31-17:54 Ganymed Schatten vor Jupiter
07. 00:56
Erstes Viertel
08. 00:57
Mond erdnah, 32,37'
09. 20:01
RR Lyrae im Maximum, Höhe 63 Grad
10. 00:47-03:47 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
10. 02:16-04:24 Ganymed: Bedeckung Beginn u. Ende
10. 02:50-03:03 Mond bedeckt Alcyone (2,9 mag), 4-fach-Stern in den
Plejaden, genaue Zeiten abh. v. Standort
10. 03:56
Mond in den Plejaden, zahlreiche Sternbedeckungen
10.
Venus (-4,6 mag, 24,61') in größter Elongation Ost (47 Grad )
10. 23:16
Beta Persei (Algol) im Minimum, Höhe 72 Grad
10. 23:46
Mond 5,0 Grad N Jupiter (-2,7 mag, 46,05'')
11. 19:14-22:16 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
12. 04:19-04:52 Mond bedeckt 136 Tauri (4,6 mag), genaue Zeiten abh.
v. Standort
13. 01:00
max. Libration Mond-SO, 7,9 Grad
13. 16:00-18:17 Ganymed: Transit vor Jupiter
13. 19:35-21:54 Ganymed: Schatten vor Jupiter
13. 21:52
Mond 2,5 Grad S Pollux (1,2 mag)
13. 23:27
Vollmond
114 | Journal für Astronomie Nr. 91
Letztes Viertel 21.1.
Neumond 29.1.
14. 04:00
Kleinplanet (4) Vesta (7,6 mag) 7,0' NO iota Virginis
(4,1 mag)
14. 05:27
Mond 29' S Mars (-1,4 mag, 14,56'')
14. 07:40
Ende Morgensichtbarkeit Merkur, SO-Horizont
16.
Mars (-1,4 mag, 14,54'') in Opposition zur Sonne,
Dist. 96,08 Mio. km, Sternbild Gemini
16. 18:00
Mond 1,4 Grad N Regulus (1,4 mag)
17. 17.55-22:21 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
17. 18:27
RR Lyrae im Maximum, Höhe 83 Grad
18. 18:08
Venus (-4,6 mag) 2,2 Grad NW Saturn (1,1 mag), SW-Himmel
18. 20:22
U Cephei im Minimum, Höhe 57 Grad
18. 21:00-00:11 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
20. 01:34-01:39 streifende Sternbedeckung durch d. Mond (S-Rand) an 25
Virginis (5,9 mag), Linie Trier - Kaiserslautern - Bruchsal -
Augsburg - München - Rosenheim
20. 17:40-18:40 Io: Transit u. Schatten Ende
20. 19:38-21:49 Ganymed: Transit vor Jupiter
20. 23:36-01:56 Ganymed: Schatten vor Jupiter
21. 04:05
Mond 44' SW Spica (1,1 mag)
21. 05:53
Mond erdfern, 29,77'
21. 21:31
Letztes Viertel
23. 06:00
(4) Vesta (7,5 mag) 39' S NGC 5634 (Kugelsternhfn,
9,5 mag), Sternbild Virgo
23. 16:30-21:50 Titan: Schatten u. Transit vor Saturn, Untergang 20:51
24. 20:17-00:57 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
25. 07:00
Mond 3,6 Grad SO Antares (1,1 mag)
25. 18:24
Delta Cephei im Maximum, Höhe 66 Grad
25. 22:50-02:07 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
26. 22:20
(7875) 1991ES1 bedeckt Stern TYC 173-00085-1 (9,3 mag)
für 1,6 s, Hell.-Abfall um 6,2 mag, Sternbild Canis Minor
27. 01:00
max. Libration Mond-NW, 8,6 Grad
27. 18:24-20:36 Io: Transit u. Schatten vor Jupiter
27. 23:13-01:26 Ganymed: Transit
29. 13:36
Neumond
30. 19:18
RR Lyrae im Maximum, Höhe 63 Grad
31. 19:05
Venus (-4,8 mag) 3,3 Grad NW Neptun (7,9 mag), SW-Himmel
31. 22:42-01:15 Europa: Transit u. Schatten vor Jupiter
VdS-Nachrichten
Bericht aus dem Vorstand
von Astrid Gallus
An dieser Stelle berichtet der Vorstand der VdS - Vereinigung der Sternfreunde e.V. - über seine Arbeit der letzten drei Monate.
Redakteure für das VdS-Journal gesucht Zur Unterstützung der Endredaktion werden ehrenamtliche Redakteure gesucht! Wer Freude an der deutschen Sprache hat und über astronomische Kenntnisse verfügt, ist herzlich zum Schnuppern in unserer Geschäftsstelle in Bensheim eingeladen. Sven Melchert bietet zudem neuen Interessierten sowie insbesondere auch allen aktuellen Redakteuren Schulungen zur Redakteurstätigkeit an. Bitte, melden Sie sich in beiden Fällen bei astrid.gallus@sternfreunde.de.
Astronomietag 2024 und die Lange Nacht der Astronomie am 19.10.2024 Seit 20 Jahren bereits veranstaltet die VdS mit großem Erfolg den Tag der Astronomie. Animiert durch das Wissenschaftsjahr ,,Universe on Tour" hat das Ministerium für Bildung und Forschung für 2024 die ,,Lange Nacht der Astronomie" ausgerufen. Selbstverständlich koordinieren hierbei die VdS mit dem Ministerium sowie der Astronomischen Gesellschaft diese gemeinsame Aktion. Infos erhalten Sie bei Carolin.liefke@sternfreunde.de.
VdS-Journal als pdf für jugendliche Mitglieder Der Vorstand hat in seiner letzten Sitzung mit großer Zufriedenheit eine deutliche Steigerung der Mitgliederzahlen festgestellt. Die VdS liegt inzwischen wieder auf einer satten Menge von über 4.000 Mitgliedern - das wurde bereits in der ersten
Hälfte des Jahres geschafft! Darunter gibt es viele Beitritte jugendlicher Mitglieder. Für Mitglieder unter 30 Jahren bieten wir eine kostenlose Mitgliedschaft an - mit allen Rechten. Ausgenommen das gedruckte VdS-Journal. Dieses gibt es nur als pdf-Datei. Das Angebot richtet sich vor allem an Schüler und alle, die sich in der Ausbildung befinden.
Facharbeit in Sternwarten Viele, vermutlich die meisten Sternwarten und Astronomievereine, stehen für die Öffentlichkeitsarbeit in ihrer Umgebung zur Verfügung und leisten damit einen großen und wertvollen Beitrag zur Volksbildung. Die VdS bietet mit ihren vielfältigen Fachgruppen auch die Möglichkeit zur Facharbeit und zur Forschung in den Sternwarten an. Da die VdS bundesweit aufgestellt ist, können Kontakte zwischen einzelnen Fachgruppenmitgliedern und Sternwarten sowie Astrovereinen in ganz Deutschland leicht hergestellt werden. Bevorzugt werden dabei Einsteigerthemen angeboten! Falls Sie neugierig geworden sind, wenden Sie sich bitte an uwe.pilz@sternfreunde.de.
VdS-Terminkalender Sie planen eine astronomische Veranstaltung? Der VdS-Terminkalender stellt den Termin Ihrer Sternwarte/Ihres Astrovereines bundesweit vor. Einfach anmelden unter termine@sternfreunde.de.
Termin und Ort der nächsten VdSTagung/Mitgliederversammlung stehen fest Die 37. VdS-Tagung und Mitgliederversammlung findet vom 24.-26.10.2025 in Hofheim/Taunus statt. Sie wird anlässlich
ihres 25-jährigen Bestehens von der Sternwarte Hofheim im dortigen Bürgerhaus organisiert. Das Programm beinhaltet neben spannenden Vorträgen auch ein sehr interessantes Ausflugsprogramm! Nähere Informationen erhalten sie bei andreas.klug@sternfreunde.de.
Sie sehen - bei der VdS ist immer etwas los! Bis zum nächsten Mal - Ihre VdS!
Journal für Astronomie Nr. 91 | 115
Beobachterforum
Eine Konstellation der besonderen Art
Am 10.04.2024 stand der zunehmende Mond mit aschgrauem Erdlicht tief am Abendhimmel, sehr dicht bei Jupiter und Uranus. Dazu gesellte sich der Komet 12P/Pons-Brooks. Norbert Mrozek und Rainer Sparenberg von der Fachgruppe Astrofotografie konnten diese Konstellation bei gutem Wetter aufnehmen. Zudem hatten beide das Glück, einen durchsausenden hellen Meteor etwa zeitgleich mit im Bild zu erwischen. Aus der Parallaxe zwischen beiden Meteorspuren wird ersichtlich, dass beide Aufnahmeorte deutlich auseinander lagen.
Peter Riepe
1 Norbert Mrozek
wählte einen Standort bei Obersalwey auf 560 m Höhe im Sauerland, Aufnahmezeit: 19:57 Uhr UT, Kamera: Canon 6D mit Canon-Objektiv 85 mm, bei Blende 3,5 wurde mit Nachführung 10 s belichtet.
116 | Journal für Astronomie Nr. 91
Beobachterforum
2 Rainer Sparenberg fotografierte an seinem Heimatort Haltern am See, Kamera: Canon R5 mit Canon-Objektiv 1:2,8/200 mm. Aufnahme-
zeit wie bei Norbert Mrozek. Bei Blende 4,0 und ISO 2000 wurde 5 s belichtet, Nachführung per SkyAdventurer.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 117
Beobachterforum
Supernovae im Frühjahr 2024
von Manfred Mrotzek
Das Frühjahr ist bekanntlich Galaxienzeit. Der galaktische Nordpol steht günstig und hoch am Himmel. In den Sternbildern um ihn herum tummeln sich zahllose Galaxien und Galaxienhaufen. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch entsprechend viele helle Supernovae beobachtbar sind. Eine Auswahl der im Frühjahr 2024 sichtbaren Supernovae stelle ich hier in der Reihenfolge ihrer Entdeckung vor. Die meisten von ihnen dürften bei Erscheinen dieses Journals bereits bis unter die Sichtbarkeitsgrenze verblasst sein. Interessanterweise sind fast alle vorgestellten Supernovae Kernkollapssupernovae, also die Explosion massereicher Sterne.
SN2023ixf in M 101 war eine bereits im Mai 2023 vom japanischen Amateur Koichi Itagaki entdeckte Kernkollapssupernova, die bereits im VdS-Journal 88 [1] als Schwerpunktthema ausführlich dargestellt wurde. Die damals gezeigten Fotos stammten aus Mai bis Anfang Juli 2023, als SN2023ixf in ihrem größten Glanz strahlte. Knapp ein Jahr später war dieser ziemlich verblasst, wie das Foto von Harald Becher (Abb. 1) zeigt.
SN2023wrk in NGC 3690 auch als Arp 299 bekannt, wurde am 04.11.2023 von dem Suchprogramm GOTO der ESO gefunden, bei dem vier 40-cm-Teleskope auf La Palma Ausschau nach Helligkeitsveränderungen am Himmel durch Gravitationswellen halten. Dabei gehen natürlich auch Supernovae ins Netz. Hinter der Katalogbezeichnung NGC 3690 verbergen sich zwei miteinander verschmelzende Spiralgalaxien in einer Entfernung von knapp 150 Millionen Lichtjahren. Dabei bilden sich in relativ kurzer Zeit viele massereiche Sterne, die nach wenigen Millionen Jahren als Kernkollapssupernovae explodieren. In NGC 3690 leuchteten in den letzten Jahrzehnten mehr als ein Dutzend davon auf. SN2023wrk war dagegen ausnahmsweise vom Typ Ia, bei dem ein Weißer Zwerg in einer thermonuklearen Explosion seine gesamte Masse in Energie umwandelt. Mitte November erreichte SN2023wrk ihre maximale Helligkeit von 14 mag, die danach schnell abfiel. Auf dem Foto von Thomas Rox (Abb. 2) war sie schon wieder schwächer als 17,5 mag.
1 SN2023ixf in M 101 am 27.05.2024, Teleskop: Refraktor
Svbony 550 80 mm, f = 414 mm, Kamera: Svbony SV605mc (monochrom), UV/IR-Blockfilter, Belichtung: 65 x 120 s , Ort: Reichertshofen. (Bild: Harald Becher)
SN2023zdx in NGC 5630 wurde am 08.12.2023 vom amerikanischen Programm ATLAS entdeckt, das nach Asteroiden sucht, die der Erde gefährlich werden könnten. Als Beifang werden jede Menge Supernovae detektiert. SN2023zdx war eine Kernkollapssupernova vom Typ IIP, deren Lichtkurven ein Plateau zeigen, d. h. deren Helligkeit eine Weile konstant ist, bevor sie weiter abfällt. Manfred Mrotzek hat sie am 09.03.2024 abgelichtet (Abb. 3) und ihre Helligkeit zu 15,7 mag bestimmt. Zu der Zeit war die Helligkeit noch im Maximum und konstant. Der Abfall begann erst eine Woche später. NGC 5630 ist eine Spiralgalaxie vom Hubble-Typ Sdm in (je nach Messmethode) 100-125 Millionen Lichtjahren Entfernung.
2 SN2023wrk in NGC 3690 am 06.04.2024, Teleskop:
Refraktor Pentax 125 mm, f = 670 mm, Kamera: Fujifilm X-T5 OSC (color), keine Filter, Belichtung: 76 x 240 s, Ort: ATHOS, La Palma. (Bild: Thomas Rox)
118 | Journal für Astronomie Nr. 91
Beobachterforum
SN2024gy in NGC 4216 war eine Supernova vom Typ Ia, die am 04.01.2024 vom Japaner Koichi Itagaki entdeckt wurde. Zwei Wochen später erreichte sie ihre maximale Helligkeit von 12,8 mag. Im VdS-Journal 89 [2] wurden bereits erste Aufnahmen vorgestellt. Dietmar Bode wurde in dem Zusammenhang erwähnt, seine Aufnahme wird hier nachgereicht (Abb. 4). NGC 4216 ist eine Balkenspirale im Virgohaufen, die sich offenbar auf uns zubewegt, denn die aus der Rotverschiebung ermittelte Lichtlaufzeit von ihr beträgt nur 21 Millionen Jahre, während mit anderen unabhängigen Messmethoden Entfernungen von über 60 Millionen Lichtjahren ermittelt wurden.
SN2024ws in NGC2550A wurde ebenfalls von Koichi Itagaki entdeckt, und zwar am 12.01.2024 bei einer Helligkeit von 17,8 mag. Bereits einen Tag später erreichte sie ihre Maximalhelligkeit von 17,0 mag. Manfred Mrotzek konnte seine Aufnahme von SN2024ws knapp zwei Mo-
3 SN2023zdx in NGC 5630 am 09.03.2024, Teleskop: Refraktor TEC
140 mm, f = 750 mm, Kamera: Atik 460EX (monochrom), Luminanz, Belichtung: 21 x 180 s, Dunst, Ort: Buxtehude. (Bild: Manfred Mrotzek)
4 SN2024gy in NGC 4216 am 12.02.2024, Teleskop: Newton
ONTC 12 Zoll, f = 1.425 mm, Kamera: ZWO ASI 294 MM pro (monochrom), Luminanz, Belichtung: 20 x 60 s, Ort: Bad Camberg. (Bild: Dietmar Bode)
5 SN2024ws in NGC 2550A am 28.01.2024, Teleskop: Refraktor
TEC 140 mm, f = 750 mm, Kamera: Atik 460EX (monochrom), Belichtung: 20 x 180 s, Ort: Buxtehude. Zirrus, Wolkendurchzug, fast voller Mond, von Nord nach Süd: UGC 4413, NGC 2550A, UGC 4389. (Bild: Manfred Mrotzek)
Journal für Astronomie Nr. 91 | 119
Beobachterforum
6 SN2024ahv in NGC 6106 am 08.03.2024, Teleskop: Refraktor
TEC 140 mm, f = 750 mm, Kamera: Atik 460EX (monochrom), Belichtung: 20 x 180 s, Ort: Buxtehude. (Bild: Manfred Mrotzek)
7 SN2024bch in NGC 3206 am 28.03.2024, Teleskop: Newton ONTC
12 Zoll, f = 1.425 mm, Kamera: ZWO ASI 294 MM pro (monochrom), Belichtung: 45 x 60 s, Ort: Bad Camberg. (Bild: Dietmar Bode)
8 SN2024btj in NGC 3780 am 23.04.2024, Teleskop: Schmidt-Cas-
segrain 356 mm, f = 688 mm (Hyperstar), Kamera: ZWO ASI 294 MM (monochrom), Luminanz, Belichtung: 65 x 30 s, Ort: Hintertaunus. Vollmondnacht mit durchziehenden Wolken (Bild: Peter Remmel)
nate später erzielen (Abb. 5). Da war ihre Helligkeit schon unter 18 mag gesunken. NGC 2550A ist eine Spiralgalaxie vom Hubble-Typ Sc in einer Entfernung von über 160 Millionen Lichtjahren.
SN2024ahv in NGC 6106 war ebenfalls eine Kernkollapssupernova, aber vom Typ Ib, die am 16.01.2024 vom Japaner Hidehiko Okoshi entdeckt wurde. Beim Typ Ib hat der Vorgängerstern in seiner Riesenphase einen gewaltigen Sternwind entwickelt, mit dem er seine gesamte Wasserstoffhülle abgeworfen hat. Mitte Februar erreichte SN2023ahv ihre größte Helligkeit von 15,2 mag. Manfred Mrotzek hat sie Anfang März noch in ihrem größten Glanz ablichten können (Abb. 6). NGC 6106 ist eine Spiralgalaxie vom Hubble-Typ SA in einer Entfernung von 70-80 Millionen Lichtjahren.
SN2024bch in NGC 3206 wurde am 29.01.2024 vom Amerikaner Patrick Wiggins entdeckt, der ebenfalls ein privates Kleinplaneten- und Supernovasuchprogramm durchführt und in der Vergangenheit schon viele Exemplare entdecken konnte. SN2024bch war eine Kernkollapssupernova vom Typ IIn, die am 17.03.2024 mit 13,8 mag ihre größte Helligkeit erreichte. Nur wenige Tage später konnte Dietmar Bode sie dokumentieren (Abb. 7). NGC 3206 ist eine etwa 60 Millionen Lichtjahre entfernte Spiralgalaxie vom Hubble-Typ SB.
120 | Journal für Astronomie Nr. 91
Beobachterforum
9 SN2024cld in NGC 6004 am 09.03.2024, Teleskop: Refraktor
TEC 140 mm, f = 750 mm, Kamera: Atik 460EX (monochrom), Belichtung: 20 x 180 s, Ort: Buxtehude. Dunst (Bild: Manfred Mrotzek)
1 0 SN2024drt in NGC 4619 am 28.03.2024, Teleskop: Newton ONTC
12 Zoll, f = 1.425 mm, Kamera: ZWO ASI 294 MM pro (monochrom), Belichtung: 43 x 60 s, Ort: Bad Camberg. (Bild: Dietmar Bode)
SN2024btj in NGC 3780 wurde am 05.02.2024 vom chinesischen Himmelsüberwachungsprogramm XOSS entdeckt. Zwei Wochen später erreichte die Kernkollapssupernova vom Typ II ihre größte Helligkeit von 16,3 mag. Peter Remmel hat sie am 23.04.2024 bei einer Helligkeit von nunmehr 17 mag abgelichtet (Abb. 8). NGC 3780 ist eine Spiralgalaxie vom Hubble-Typ SA und je nach Messmethode 115145 Millionen Lichtjahre entfernt.
SN2024cld in NGC 6004 war ebenfalls eine Kernkollapssupernova vom Typ II, die am 13.02.2024 vom ESOProgramm GOTO entdeckt wurde. Am 08.03.2024 erreichte sie mit 14,8 mag ihre maximale Helligkeit und wurde einen Tag später von Manfred Mrotzek dokumentiert (Abb. 9). NGC 6004 ist eine Spiralgalaxie vom Hubble-Typ SAB und je nach Messmethode 135-175 Millionen Lichtjahre entfernt.
SN2024drt in NGC 4619 wurde am 02.03.2024 vom amerikanischen Programm ATLAS entdeckt und war eine Kernkollapssupernova vom Typ II. Keine zwei Wochen später war ihre Helligkeit auf 14,9 mag gestiegen. Als Dietmar Bode sie weitere zwei Wochen später ablichtete (Abb. 10), dürfte ihre Helligkeit noch nicht merklich abgefallen sein. NGC 4619 ist eine gestört wirkende Spiralgalaxie vom HubbleTyp SA in etwa 310 Millionen Lichtjahren Entfernung. Angesichts dieser Entfernung ist SN2024drt sehr hell geworden. Interessant ist vielleicht noch, dass Berechnungen der Entfernung zu NGC 4619 auf Basis der Supernova 2006ac vom Typ Ia zu Werten von 230-460 Millionen Lichtjahren geführt haben. SN2006ac hatte nur eine maximale Helligkeit von 15,9 mag erreicht, was ebenfalls ungewöhnlich ist, da Supernovae vom Typ Ia in der Regel heller als Kernkollapssupernovae werden.
SN2024exw in UGC 7223 (= NGC 4192A) wurde am 24.03.2024 vom Japaner Koichi Itagaki entdeckt und war, man ahnt es bereits, eine Kernkollapssupernova vom Typ II. Die prominente Nachbarschaft von M 98 macht SN2024exw zu einem begehrten Fotomotiv, was sich Walter Schramböck nicht hat nehmen lassen (Abb. 11). Einige Tage nach ihrer Entdeckung erreichte SN2024exw eine Helligkeit von 14,9 mag und behielt dieses Niveau für ein paar Wochen bei. UGC 7223 ist eine flächenlichtschwache Galaxie vom Hubble-Typ SAd und etwa 110 Millionen Lichtjahre entfernt.
SN2024gzk in NGC 3690 wurde nur fünf Monate nach der letzten Supernova, SN2023wrk (s. o.), am 12.04.2024 vom amerikanischen Programm ZTF entdeckt, das den Himmel nach Helligkeitsveränderungen absucht und sich für Novae, Supernovae und Mikrogravitationslinseneffekte in der Milchstraße interessiert. Die
Journal für Astronomie Nr. 91 | 121
1 1 SN2024exw in UGC 7223 am
27.04.2024, Teleskop: Newton 250 mm, f = 1200 mm, Kamera: ZWO ASI 533mc pro (color), UV/IR-Blockfilter, Belichtung: 203 x 30 s, Ort: Füllersdorf/Österreich. Ohne Guiding, mit M 98 und NGC 4186. (Bild: Walter Schramböck)
Supernova leuchtete ganz in der Nähe einer hellen Sternentstehungsregion auf und war eine Kernkollapssupernova vom Typ IIb. Die Helligkeitsbestimmung ist bedingt durch die Position der Supernova nicht ganz einfach. Manfred Mrotzek hatte sie am 22.04.2024 zu 16,2 mag bestimmt. In NGC 3690 leuchteten bisher nicht nur die meisten Supernovae auf, sondern in den letzten
1 2 SN2024gzk in NGC 3690 am 24.04.2024, Teleskop: Newton
TS 12 Zoll, f = 1.250 mm, Kamera: OGMA AP26mc (monochrom), Belichtung: 74 x 120 s L, 4 x 120 s R , 9 x 120 s G, 7 x 120 s B, Ort: Reichertshofen. Fast Vollmond, SN2023wrk ist in türkis markiert. (Bild: Harald Becher)
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1 3 SN2024gzk in NGC 3690 am 23.04.2024, Teleskop: Schmidt-
Cassegrain 356 mm, f = 688 mm (Hyperstar), Kamera: ZWO ASI 294 MM (monochrom), Belichtung: 65 x 30 s, Ort: Hintertaunus. Vollmondnacht mit durchziehenden Wolken, SN2023wrk ist in türkis markiert. (Bild: Peter Remmel)
Beobachterforum/VdS-Nachrichten
Jahren auch mindestens eine im Jahr, eine unglaubliche Taktrate. Harald Becher (Abb. 12) und Peter Remmel (Abb. 13) haben nicht nur SN2024gzk, sondern die ebenfalls noch sichtbare SN2023wrk sehr schön dokumentiert. Dass zwei Supernovae in einer Galaxie gleichzeitig sichtbar sind, ist selten, kommt aber doch gelegentlich vor.
Literatur- und Internethinweise (Stand 10.05.2024):
[3]
[1] D. Bannuscher und Klaus Wenzel, 2024: ,,Die Superno-
va SN 2023ixf in M 101", VdS-Journal für Astronomie
88 (1/2024), S. 10ff
[2] K. Wenzel, P. Remmel, 2024: ,,Supernova in NGC 4216",
[4]
VdS-Journal für Astronomie 89 (2/2024), S. 115
[3] Simbad, https://simbad.u-strasbg.fr/simbad/sim-fid
[4] Nasa Extragalactic Database, https://ned.ipac.caltech.
edu/forms/byname.html
[5]
[5] Latest Supernovae, www.rochesterastronomy.org/
supernova.html
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. Name
21990 Johannes Teupen 21991 Jonatan Wimmer 21992 Astronomischer Arbeitskreis
Waldburg-Weingarten e.V. 21993 Claus Bredehöft 21994 Peter Fischlewitz 21995 Taavi Dannecker 21996 Andre Hellmuth 21997 Hans Zojer 21998 Michael Albers 21999 Maurice Schlüter 22000 Nicole Sassen 22001 Klaus Roeben 22002 Paul Rutten 22003 Jürgen Neubert 22004 Herbert Walter 22005 Nico Trost 22006 Noa Marie Niesgodda 22007 Lilli Rumpold 22008 Robin Luca Faust 22009 Dr. Michael Bengfort 22010 Frank Wloka
Mitgl.-Nr. Name
22011 Jürgen Brustat 22012 Prof. Dr.-Ing. Johannes Eckstein 22013 Dipl.-Ing. Klaus Schreiber-
Hildebrand 22014 Udo Baumgart 22015 Daniel Spitzer 22016 Vanessa Schulz 22017 Christoph Nieswand 22018 Detlef Leucht 22019 Astronomischer Arbeitskreis
Freigericht 22020 Ralph Uenver 22021 Dipl.-Phys. Norbert Elvers 22022 Bruno Kolle 22023 Axel Pospischil 22024 Anja Grell 22025 Markus Vekony 22026 Patrick Leonhardt 22027 Martin Fischer 22028 Jörg Chmilewski 22029 Steirischer Astronomen Verein 22030 Dr. Fabian Cerda 22031 Levin Göttlich
Mitgl.-Nr. Name
22032 Prof. Dr. Jörg-Peter Schräpler 22033 Frank Quednau 22034 Dr. Torsten Eistert 22035 Gavin Hayes 22036 Simon Bentlage 22037 Florian Selle 22038 Martina Schwesig 22039 Jörg Ortmann 22040 Steffen Stolle 22041 Andrei Matveev 22042 Nils Aden 22043 Stephan Gessinger 22044 Jasmin Ratzeburg 22045 Judith Braun 22046 Matthias Burza 22047 Dr.-Ing. Frank Rogin 22048 Wolf Notthoff 22049 Dr. Regina Orzekowsky-Schroeder 22050 Martina Stoltz
Journal für Astronomie Nr. 91 | 123
Beobachterforum
Der Himmel in Aufruhr!
Grandioses Polarlicht-Spektakel am 10./11. Mai 2024 über dem Bergischen Land
von Jens Leich
Anfang Mai 2024 zierte eine imposante Sonnenfleckengruppe unser Zentralgestirn. Die aktive Region mit der offiziellen Bezeichnung ,,AR 3664" konnte mit entsprechenden Filtern bereits mit bloßem Auge beobachtet werden. Am 8. Mai 2024 ereignete sich dort erdgerichtet um ca. 05:00 Uhr UTC ein Flare der Klasse X1 und traf ca. zwei Tage später auf der Erde ein. Unsere Sonne befindet sich aktuell in der Nähe des Aktivitätsmaximums (für 2025 erwartet, Sonnenfleckenzyklus Nr. 25) und Polarlichter sind damit häufiger auch in niederen Breiten möglich.
Gerne werden solche Ereignisse ähnlich den medialen Ankündigungen zum neuesten ,,Jahrhundertkometen" mitunter etwas überzeichnet kommuniziert, so dass ich zunächst eigentlich keine großen Erwartungen hegte. Erst ein Anruf von meinem Sternfreund Detlef aus der Nachbargemeinde ließ meine Aufmerksamkeit steigen. ,,Geh mal �raus und guck zum Großen Wagen ..." hieß es am Telefon und flugs stand ich im Garten, und tatsächlich, da war ein rötlicher Streifenvorhang zu sehen! Kurzerhand schnappte ich mir mein Rad, die Kamera und ein Stativ und fuhr zum ca. 1 km entfernten
Kirchparkplatz unseres Dorfes mit freiem Blick nach Norden. Hätte mir vorher jemand gesagt, was mich später erwartet, hätte ich das als Träumerei abgetan. Um auch andere Mitstreiter zu sensibilisieren, setzte ich eine entsprechende Nachricht in der Mailingliste der Fachgruppe Astrofotografie ab. Vorsichtshalber informierte ich auch meine Sternfreunde Jürgen und Volker. Jürgen im Sauerland meldete Bewölkung, war aber alarmiert. Er konnte das Spektakel bei sich auflockernder Bewölkung dann doch miterleben. In Flensburg bei Volker sah es mau aus, weitgehend bedeckter Himmel.
1 Im Westen zeigten sich helle hochreichende Polarlichtstrahlen, die sich z. T. schnell veränderten. Die Aufnahme entstand
am 10.05.2024 um 22:48 Uhr UT mit einer spiegellosen APS-C Kamera des Typs Fuji XT20 mit einem 18-mm-Weitwinkelobjektiv bei ISO 3200, Blende 2,8 und 1,3 s Belichtungszeit. (Bild: Jens Leich, Wiehl-Marienhagen)
124 | Journal für Astronomie Nr. 91
Beobachterforum
Seit 1867 weiß man aus der Spektralanalyse des Polarlichts, dass es sich um selbstleuchtendes Gas handeln muss und nicht um Sonnenlicht, das an Wolken, Eiskristallen oder atmosphärischen Gasen reflektiert wird. Die Sonne strahlt nicht nur Licht und Wärme ab, sondern auch den so genannten Sonnenwind, einen Strom elektrisch geladener Teilchen, in der Hauptsache Protonen (Wasserstoffionen) und Elektronen. Der Sonnenwind drückt den sonnenzugewandten Teil der Feldlinien des Erdmagnetfeldes zusammen und erzeugt in Polnähe beim Vorbeiströmen eine Art sonnenabgewandten Schweif, der mehrere Millionen km in den Weltraum hinaus reicht und
auch als ,,Magnetosphäre" bezeichnet wird. Ähnlich wie beim irdischen Wind treten oft Windstöße und Böen auf, also Schwankungen in Richtung und Geschwindigkeit. Das führt bildlich gesprochen zu einer riesigen, flatternden Windfahne in den Weltraum hinein. Bedingt durch komplizierte elektrische Felder werden Elektronen aus einem Teilchen-Reservoir, Plasmaschicht genannt, zur Erde hin beschleunigt. Sie dringen bei hohen geografischen Breiten (65 Grad -75 Grad Nord oder Süd) in die Atmosphäre ein und regen sie zum Leuchten an. Die aus der Magnetosphäre eindringenden schnellen Elektronen stoßen dabei mit Luftbestandteilen zusammen. Durch die-
se Stöße werden die Außenelektronen der jeweiligen Luftteilchen angeregt, d. h. ihre Energie wird erhöht. Beim nachfolgenden Zurückkehren der Elektronen in den vorherigen Grundzustand (Rekombination) wird die Anregungsenergie wieder abgegeben und in Form elektromagnetischer Wellen ausgestrahlt. So besitzt ionisierter Sauerstoff eine Emissionslinie bei = 557,7 nm (blasses, fahles gelbgrünes Polarlicht in ca. 100 km Höhe), bei = 630, 636,4 sowie 639,1 nm (rotes Polarlicht in ca. 300 km Höhe) und ionisierter Stickstoff bei = 470,9 nm (blaues Licht). In der Phase der maximalen Fleckenaktivität sind Dichte und Geschwindigkeit des Sonnenwinds
2 In der Nähe des Sternbilds Leier gab es auch im Osten helle hochreichende Polarlichtstrahlen.
Die Aufnahme entstand am 10.05.2024 um 22:50 Uhr UT. (Aufnahmedaten wie Abb. 1)
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durch heftige Sonneneruptionen, wie die vom 08.05.2024 derart erhöht, dass es zu einer Einschnürung des oben beschriebenen Magnetosphärenschweifs und damit der Plasmaschicht kommen kann und starke Schwankungen des Erdmagnetfeldes auftreten. In unseren Breiten sind Polarlichter meist rötlich, aber bei starken geomagnetischen Störungen wie am 10. Mai können auch andere Farben wie z. B. ein intensives Violett auftreten. Hierfür ist aber sehr viel Energie nötig und deshalb erscheinen blaue/violette Polarlichter selten.
Um ca. 22:15 Uhr MESZ auf dem zunächst leeren Parkplatz angekommen, versank die schmale Mondsichel gerade allmählich im
horizontnahen Dunst. Auch Zirruswolken und anderes Gewölk bildeten Tupfer am nicht ganz ,,astreinen" Abendhimmel. Mittlerweile hat die mediale Aufmerksamkeit offensichtlich mögliche Augenzeugen angelockt, die sich schon merklich auffällig etwas von mir entfernt in Ihren PKWs mit Blickrichtung Nord aufreihten. Keiner traute sich so richtig, mich anzusprechen, Ausdauer war gefragt und nach rund 1 Stunde des Wartens schien sich im Norden etwas zusammenzubrauen. Es wurde merklich heller und man hatte den Eindruck, eine Dunstglocke wird von hinten mit ,,schwarzen Strahlen" illuminiert. Ob es sich dabei um die so genannten ,,Schwarzen Polarlichter" handelt, kann ich nicht eindeutig
verifizieren, aber der Anblick faszinierte. Sternfreund Detlef, eigentlich im Begriff den Tag zu beenden, rief ich vom Mobiltelefon aus an und das sollte dann fast eine Stunde so bleiben, denn dann entflammte der Himmel, wie ich es persönlich noch nie und schon gar nicht in unseren Breiten gesehen hatte. Die Erinnerungen an die Polarlichter im November 1989, April 2000 und Oktober 2003 kamen nicht ansatzweise an das heran, was uns hier geboten wurde!
Das sehr helle Polarlicht mit zahlreichen Polarlichtstrahlen bis fast über den Zenit hinaus und weit nach Ost und West hielten uns im Bann. ,,Guck mal nach Westen, Mann, sind das helle Strahlen..." und ähn-
3 Das Bild zeigt vermutlich ein als ,,RAGDA" bezeichnetes besonderes Polarlicht-Phänomen in Form eines grünlichen Flecks
am 10.05.2024 um 22:39 Uhr UT. (Aufnahmedaten wie Abb. 1)
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liche Ausrufe wiederholten sich über fast eine Stunde. Auch helle grünliche ,,Wolken" erschienen und verschwanden wieder. Das Fotografieren war eher zur Nebensache geworden. Das Erleben und Staunen über dieses großartige Ereignis standen im Vordergrund. Aufgrund einer Rot/Grünschwache meiner Augen konnte ich die Farben auch nicht immer treffend wiedergeben. Die besonders hellen und weit Richtung Zenit gerichteten Strahlen erschienen mir in weißlichgrau, aber prägnant hell. Die Dynamik war atemberaubend. Belichtungszeiten von anfangs 30 s waren völlig deplatziert. Letztlich entstanden die Aufnahmen bei ISO 3200 und 1,3 Sekunden.
Ein an eine einzelne Wolke erinnernder grüner Fleck mit veränderlicher Helligkeit fiel mir neben den hoch in den Zenit ragenden (auf den Fotos blauen und violetten) Polarlichtstrahlen besonders auf. Es handelt sich dabei ggf. um das als ,,RAGDA" = Red Arc with Green Diffuse Aurora genannte Phänomen alleinstehender grüner Flecken, die in ihrer Helligkeit variieren. In der Fachwelt sind einige besondere Arten von Polarlichterscheinungen beschrieben, u. a. auch das RAGDA-Phänomen [1]. Nach dem größten Spektakel fuhr ich nach Hause und durfte nach 3 Uhr MESZ nochmals vor dem Haus einige Polarlichtstrahlen bestaunen, auf den Fotos waren es ausschließlich blaue und violette Strahlen
am Nordhimmel. Kurz darauf schloss ich die Beobachtung ab und begab mich völlig fasziniert und zufrieden zu Bett.
Frank Breslawski aus Ruppichteroth schrieb in der Mailingliste: ,,Meine Aufnahmen sind nur wenige Kilometer südlich von Dir entstanden. Nachdem die Polarlichter bereits toll vor unserem Hauseingang zu beobachten waren, habe ich beschlossen, noch schnell auf eine Freifläche ca. 3 km entfernt zu fahren. Pünktlich um das Maximum des Schauspiels bin ich dann auch angekommen. Die Polarlichter waren über fast den gesamten Himmel ausgebreitet. Das Farbspiel war visuell ein intensives, rotes Glühen in nördlicher Richtung bis
4 Diese ausschließlich blauen Polarlichtstrahlen waren am 11.05.24 um 00:34 Uhr UT zu sehen. Auf dem Dachgiebel erkennt man
die Windmessanlage meiner Wetterstation. Das Haus verdeckt dabei die in der Nachbarstraße befindlichen Straßenlampen.
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hin zu einem deutlich grünen Schimmern in südlicher Richtung (bis ca. 30 Grad Höhe erkennbar). Von nördlicher Richtung bis weit in den Zenit zogen sich dabei sehr helle (visuell farblos erscheinende) nebeneinander gelegene Lichtstrahlen. Insgesamt ein Moment zum Innehalten, Luftholen und Genießen!"
Auch Stefan Binnewies aus dem nur wenige Kilometer entfernten Much im Rhein-Sieg-Kreis hatte sich auf den Weg zu einer günstigen Beobachtungsstelle auf dem nahen Heckberg gemacht und schickte ein beeindruckendes Panorama des Polarlichts.
Alles in Allem war es ein unvergessliches Erlebnis!
5 Polarlichtstrahlen vom 10.05.24 um 23:46 Uhr UT, wobei das Bild bemerkens
werterweise mit einem Mobiltelefon der Marke Apple i-Phone 13 mini und einge-bautem 26-mm-Weitwinkelobjektiv bei ISO 2500, Blende 1,6 und 1 s Belichtungszeit entstand. (Bild: Frank Breslawski, Ruppichteroth)
Internethinweis (Stand: 10.06.2024): [1] Arbeitskreis Meteore e.V.: ,,RAGDA-
Phänomen", www.meteoros.de/themen/ polarlicht/besondere-arten-von-polarlicht
6 Der Polarlichtbogen - hier als Panorama aus vier Hochkantbildern erstellt. Die Aufnahmen entstanden am 10.05.24 ab 22:46 Uhr UT
am Heckberg in Much im Bergischen Land. Als Kamera diente eine Canon EOS R6 Mark II bei ISO 3200. Die Belichtungszeit je Aufnahme betrug 3 s durch ein 20-mm-Objektiv, abgeblendet auf Blende 3,2. (Bildautor: Stefan Binnewies, Bildbearbeitung: Rainer Sparenberg und Stefan Binnewies)
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VdS-Bilderstrecke:
Das Polarlicht vom 10./11. Mai 2024
Dank der ausführlichen medialen Ankündigungen und der günstigen Wetterbedingungen konnten viele Sternfreunde in Mitteleuropa die grandiose Aurora vom 10. auf den 11.05.2024 beobachten und auch fotografieren. Nordlichterscheinungen sind in Zeiten um das Sonnenaktivitätsmaximum bekanntlich auch weit bis in südliche Breiten zu verfolgen. Diesmal war das Spektakel gewaltig, es reichte über den gesamten Himmel auch nach Süden hin. Ein Bildautor sehr treffend: ,,Teilweise war der Himmel so hell, dass man die Zeitung hätte lesen können." Von daher herrschte Einigkeit in der Beurteilung: Das Polarlicht vom 10./11. Mai dieses Jahres übertraf in der Helligkeit und in der detaillierten Farbenpracht sogar das Nordlicht von 2003.
Ursache des atmosphärischen Leuchtens war die solare Aktive Region AR 3664. Sie sorgte ab dem 08.05.2024 im Abstand von wenigen Stunden für vier X-Flares mit starken koronalen Massenauswürfen. Diese trafen dann am 10.05.2024 auf die Erdatmosphäre und sorgten für eine Folge imposanter Polarlichter. Zu AR 3664 folgt hiernach eine weitere Bilderstrecke.
Diese Polarlicht-Bilderstrecke ist eine Kooperation der Fachgruppen Astrofotografie, Planeten und Sonne. Wir wollen dem Leser die Gelegenheit geben, anhand der zahlreichen Aufnahmen noch einmal die Stimmung nachzuvollziehen, die unsere Einsender direkt miterleben konnten. In einer späteren Journalausgabe will die Fachgruppe Atmosphärische Erscheinungen dieses Polarlicht und seine wissenschaftlichen Aspekte darstellen, auch Erscheinungen wie SAR, STEVE, RAGDA, grüne Flecken und schwarzes Polarlicht. Bis dahin bitte Geduld.
Allen Einsendern einen herzlichen Dank, auch denjenigen, die wir hier nicht mehr berücksichtigen konnten. Unseren Lesern nun viel Spaß bei der ,,Nachlese".
Peter Riepe, Maciej Libert und Andreas Zunker
1 Bernd Gährken erlebte die Polarlichtnacht am Gederner See am Rand des Naturparks Hoher Vogelsberg.
Über 1.000 Aufnahmen wurden zu einem Video kombiniert. Eine spiegellose Canon EOS-M mit einem Fisheye-Objektiv f = 6,5 mm diente zur Erzeugung von Panorama-Aufnahmen für ein Video, aus dem diese Abbildung stammt. Die Einzelbelichtungszeiten lagen bei 6 s mit 4 s Abstand zum Folgebild.
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4 Am 10.05.2024 um 23:33 Uhr MESZ
fertigte Stefan Meister in Eglisau (Schweizer Kanton Zürich) diese Aufnahme in Richtung Norden an. Die Sony a7s trug ein 14-mmWeitwinkelobjektiv, bei ISO 6400 und Blende 2,8 wurde mit 2 s sehr kurz belichtet, um die Bewegungsunschärfe möglichst gering zu halten. Neben dem grünen Bogen am Horizont sind die pulsierenden Flecken und die feinen Farbnuancen auffällig.
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2 In Kefferhausen im thüringischen
Eichsfeld nahm Uwe Petzl von seiner Sternwarte aus eine ganze Polarlichtserie auf. Kamera war eine Canon EOS Ra mit einem Objektiv Canon EF 14 mm 1:2,8 L II USM. Bei Offenblende 2,8 und ISO 16003200 wurde zwischen 2 und 5 s belichtet.
3 Claudia Hinz beobachtete das Polar-
licht in Schwarzenberg/Erzgebirge. Ihr Weitwinkelfoto vom 11.05.2024 um 00:11 Uhr MEZ weist in Richtung Süden. Bei ISO 1250 wurde 20 s belichtet, die Brennweite erfolgte per Handeinstellung. Oberhalb der Bildmitte sind die Sternbilder Nördliche Krone und Bärenhüter zu sehen. Besonders auffällig waren die pulsierenden grünen Flecken und die sich länger haltenden Strahlen.
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5 Otto Guthier wollte am 10.05.2024 an
seinem Standort Juhöhe/Heppenheim (360 m ü.NN) eigentlich den Kometen 13/P Olbers beobachten. Ab etwa 22:15 Uhr (MESZ) begann jedoch das Polarlichtspektakel mit einer Unterbrechung zwischen 23:15 und 0:00 Uhr. Zwischen 0 Uhr und 01:10 Uhr am 11.05.2024 entstand dieses Foto in Blickrichtung Cassiopeia innerhalb einer Serie. Kamera war eine Canon EOS 250 D mit Objektiv Canon EFS 18-55 mm bei f = 18 mm. Bei Blende 4 und ISO 1600 wurde 4-8 s belichtet. Besonders auffallend sind die dunklen, senkrechten Streifen, die sich zwischen den roten und dem grünen Bogen erstrecken. Eine Animation würde dieses ,,Schwarze Auroralicht" in Bewegung zeigen.
6 In Marburg (Mittelhessen) fotografierte Klaus Völler das Polarlicht nach Nordosten hin. Links ist der Polarstern zu sehen,
oben auch der Große Wagen. Der rote Aurorabogen erschien am violetten Himmel sehr hell, dazu helle Streamer. Die verwendete Kamera Canon 6D Mark II trug ein 15-mm-Objektiv (f/2,4) von IRIX. Das Foto wurde am 11.05.2024 um 00:30 Uhr MESZ 4 s belichtet, bei ISO 3200 und f/3,2. Benutzte Software zur Bildbearbeitung: Photoshop Lightroom.
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7 Am 10.05.2024 behielt Michael Theusner
stets die Wetterdaten im Blick. Als am Abend klar wurde, dass eine herannahende Wolkenfront die freie Sicht über Hamburg versperren würde, entschloss er sich spontan, nach Mejls bei Varde im südwestlichen Jütland in Dänemark (55,67 Grad N, 8,51 Grad O) zu fahren. Dort wurde er mit einem fantastischen Blick auf das Polarlicht belohnt, das sich in einer unglaublichen Farbenpracht über den gesamten Himmel erstreckte. Dabei entstand u. a. dieses 360 Grad Panorama. Die Uhrzeit der Aufnahme ist nicht bekannt.
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8 Rechts oben: In Südwestdeutschland beobachtete Jan Wilhelm das Polarlicht aus
Daisbach im Kraichgau und setzte seine Canon EOS R6 II mit Fisheye-Objektiv Canon EF 8-15 mm F4.0 L USM bei einer Brennweite von 8 mm bei Offenblende 4 ein. Damit lieferte er am 11.05.2024 um 00:45 Uhr MESZ nach 10 s Belichtungszeit bei ISO 1600 eine ähnliche 360 Grad -Aufnahme wie in Abbildung 7. Man vergleiche die unterschiedlichen Auroraformen und -farben beider Abbildungen, die offensichtlich zu unterschiedlichen Zeiten entstanden.
9 Rechts unten: Auch in Füllersdorf (Niederösterreich) war das Polarlicht sehr schön
zu verfolgen. Walter Leonhard Schramböck setzte seine Olympus OMD EM5 Mark III mit einem 25-mm-Objektiv (f/1,8) von Olympus ein. Sieben jeweils 16 s belichtete Einzelaufnahmen konnten dann zu einem Panorama zusammengesetzt werden. Man vergleiche diese Aufnahme mit der von Stefan Binnewies im Artikel von Jens Leich. Bei ähnlicher Gestalt des Polarlichts wird der Unterschied in der geografischen Breite beider Aufnahmeorte sichtbar. Ganz links steht im Westen der Mond.
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1 0 Das Polarlicht nur in Nordrichtung
beobachten? Denkste! Diesmal leuchtete der gesamte Himmel. Daher richtete Stefan Binnewies am frühen Morgen des 11.05.2024 ab 01:02 Uhr MESZ vom Heckberg aus seine Canon EOS R6 MkII mit einem 20-mm-Objektiv nach Süden - so wie auch Claudia Hinz. Bei Blende 3,2 und ISO 3200 wurde 10 s belichtet. Der rote Arc mit kräftigen Streamern wird von zwei hellen grünen Lichtflecken begleitet. Diese erst kürzlich entdeckte Polarlichtvariante wird als RAGDA bezeichnet (Red Arc with Green Diffuse Aurora). Unten mittig direkt über dem Wolkenstreifen im grünen Leuchten ist Antares mit den hellsten Skorpionsternen auszumachen.
1 1 Knapp zuvor um 00:58 Uhr MESZ ge-
lang Stefan Binnewies dieses prächtige Bild, ein wenig weiter nach Westen orientiert. Der grüne Aurorafleck (in Abb. 10 am rechten Rand) zeigt sich hier als langgezogener Lichtschein. An seinem rechten Rand erkennt man Spica. Oben scheinen die roten Streamer auf Arcturus abzuzielen - eine Folge der weitwinkeligen Verzeichnung. Mit derselben Ausrüstung aus Abb. 10 wurde hier 3 x 3 s belichtet.
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VdS-Bilderstrecke:
AR 3664 - die Ursache für das Polarlicht vom 10./11. Mai 2024
Am 01.05.2024 tauchte am östlichen Rand der Sonne die Aktive Region AR 3664 als unscheinbare Fleckengruppe auf. Innerhalb einer Woche entwickelte sie sich zur größten und komplexesten Fleckengruppe des aktuellen Zyklus mit einer Länge von über 200.000 km. Parallel entwickelte sich ihr nördliches Pendant AR 3663 und sorgte ab dem 03.05.2024 in Form mehrerer X-Flares für Polarlichter, die in Mitteleuropa am 05.05.2024 erschienen. Die Community war also alarmiert.
Ab dem 08.05.2024 sorgte dann AR 3664 im Abstand von wenigen Stunden für vier X-Flares, die auch starke koronale Massenauswürfe (engl.: CME) erzeugten. Diese trafen dann am 10.05.2024 bei der Erde ein und sorgten für imposante Polarlichter, die in weiten Teilen der Erde sichtbar waren, so z. B. auch in der Karibik, in Neukaledonien und auf Mauritius. Es waren die in-
tensivsten Polarlichter seit 2003. Entsprechend der Abfolge der CMEs trat die Polarlichtaktivität in mehreren Wellen auf. Auch am nächsten Tag gab es Polarlichter, die aber lange nicht mehr so intensiv waren wie in der denkwürdigen Nacht vom 10. auf den 11.05.2024.
Wir zeigen nun eine Bilderstrecke zu AR 3664, damit sich unsere Leser über diese riesige Fleckengruppe als Polarlichtursache - im wahrsten Sinne des Wortes - ein besseres Bild machen können. Dazu einen herzlichen Dank allen Bildeinsendern!
Auch diese Bilderstrecke ist eine Kooperation der Fachgruppen Astrofotografie, Planeten und Sonne.
Peter Riepe, Maciej Libert und Andreas Zunker
1 Jürgen Burghard nahm die komplexe Sonnenfleckengruppe am 05.05.2024 im Weißlicht auf. Er verwendete dafür einen
Fraunhofer-Refraktor 150 mm / 1.800 mm und eine Kamera des Typs ZWO ASI1600MM.
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2 Sabine Mauer konnte am 08.05.2024 die Sonne mit
einem Fraunhofer-Teleskop der Marke Bresser Messier 127 mm / 1.200 mm beobachten. Mit Hilfe eines Baader Herschelkeils gelang ihr diese beeindruckende Aufnahme der Sonnenfleckengruppe.
3 Am 09.05.2024 fotografierte Sabine Mauer die gesamte
Sonne mit einem Sol`Ex an einem Maksutov Acuter. Die Aufnahme zeigt eindrucksvoll die Ausmaße der gigantischen Fleckengruppe.
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4 a b c Ebenfalls am 09.05.2024 hatte Udo Siepmann das Glück,
einen X-Flare innerhalb der Gruppe AR 3664 zu erfassen. Während er eine Sequenz von 150 Videos � 800 Frames aufnahm, gelang es ihm, dieses außergewöhnliche Ereignis einzufangen. Später fügte er die Aufnahmen zu einer Zeitraffersequenz zusammen. Die drei hier gezeigten Bilder entstanden um 08:46:13, 08:50:59 und 09:06:16 Uhr UTC (v. o.) und vermitteln einen Eindruck von der Dynamik des Flares, das dann am 10./11.05.2024 für das gewaltige Polarlicht sorgte. Optik: Refraktor TS 115 Photoline, Energieschutzfilter D-ERF von Baader, Daystar Quark Chromosphere (H-Filtersystem), Kamera: ZWO ASI174MM, Belichtung: Videos je 800 Frames � 4 ms, davon jeweils 10% gestackt, verarbeitet in AutoStakkert, ImPPG und Affinity Photo.
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5 Auch Uwe Petzl fotografierte am 09.05.2024 von seiner
Sternwarte aus die Sonne mit der riesigen Fleckengruppe um AR 3664. Objektiv war ein Canon RF 800 mm f/11 IS STM mit einem Canon Extender RF 2x, d. h. mit 1.600 mm Brennweite und Blende 22, belichtet 1/4.000 s bei ISO 100 mit einer Canon EOS Ra.
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8 Ralf Burkart machte am 10.05.2024 eine beeindru-
ckende Aufnahme der Sonnenfleckengruppe im Weißlicht. Dafür benutzte er ein 16-zölliges Dobson-Teleskop, das vollständig in Rettungsfolie eingepackt war, um eine Überhitzung zu vermeiden. Er verwendete eine Baader Sonnenfilterfolie ND3,8 sowie eine Abbe Barlowlinse bei etwa 400 cm Brennweite. Die Kamera ZWO ASI178MM war mit einem Rotfilter ausgestattet, um die Seeing-Auswirkungen zu verringern. Die Einzelbelichtungszeit betrug 10 ms und von den insgesamt etwa 1.000 aufgenommenen Bildern wurden 5% verwendet. Die Bilder wurden in Photoshop mit einem Radius von 2,2 bzw. 2,4 Pixeln geschärft und anschließend in Topas Denoise etwas geglättet.
6 Maciej Libert nahm die Sonnenfleckengruppe
AR 3664 am 09.05.2024 im H-Licht auf. Dafür verwendete er einen Skywatcher Esprit 120 mit einem ERF und einem DayStar Quark samt 0,5-fachem Reducer. Als Kamera kam die ZWO ASI178MM zum Einsatz.
7 Mario Ledig nahm AR 3664 am 09.05.2024 mit
einem TEC Apochromaten 140 mm / 980 mm auf. Kamera: ZWO ASI290mini, Baader Herschelkeil. Von 10.000 Bildern wurden 20% für die Bildbearbeitung mit ASIStudio weiter verwendet
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9 Am 11.05.2024 um 10:53
Uhr UT fotografierte Jens Leich die Sonnenscheibe im Weißlicht. AR 3664 wirkte am Sonnenrand regelrecht plastisch. Teleskop: Astrophysics Starfire, 130 mm Öffnung, Brennweite auf 587 mm reduziert, Herschelprisma, Neutralfilter ND3, Kamera: DMK 33UX265.AS, Belichtungszeit 0,6 Millisekunden.
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1 0 Wolfgang Bischof gelang diese Aufnahme der ,,Monstergruppe" im Antlia-Ca-Band am 11.05.2024 um 15:18 Uhr UT. Verwendet wurde
ein 8-Zoll-Newton, 1.200 mm Brennweite, Astrosolarfolie und ASI178MM ohne Barlowlinse (schlechtes Seeing). Vom Einzelvideo mit 4.000 Bildern (wenige Millisekunden Einzelbelichtung) wurden 10% selektiert und gestackt, Schärfung in Giotto.
Journal für Astronomie Nr. 91 | 139
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1 1 Besonders bemerkenswert war die Beobachtung von Maciej Libert
am 13.05.2024 wieder im H-Licht, als die Randlage der Gruppe es ermöglichte, ihre extreme Aktivität außerhalb der Sonnenscheibe zu verfolgen. Der Anblick war überwältigend: Riesige Loops und Protuberanzen bewegten sich majestätisch über der Sonnenscheibe. Die Wucht, Hitze und Gewalt der Ereignisse waren nahezu spürbar.
1 2 Bernd Gährken konnte die Flecken-
gruppe sehr gut am 13.05.2024 beobachten. Er verwendete für diese Bilderreihe ein Teleskop des Typs Solar Max 90 und als Kamera eine ZWO ASI1600MM.
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1 3 Am 13.05.2024
um 13:58 Uhr UT legte Wolfgang Bischof diese H-Aufnahme nach, als die Fleckengruppe bereits nahe am Sonnenrand stand. So wurde eine große Protuberanz sichtbar. Aufnahmetechnik wie in Abb. 12.
1 4 Einen letzten Ein-
druck des großen Sonnenflecks AR 3664 mit einigen Protuberanzen am Sonnenrand gewann Mario Ledig am 13.05.2024 so, wie in Abb. 7 beschrieben, dazu mit dem H-Filter Solar Spectrum 0,5 Angström.
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Hinweise