Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 73
SONSTIGES/VDS
1 Editorial (Vorstand)
4 Neues aus dem Vorstand (Gallus Astrid)
5 Tagung der VdS in Halle (Gallus Astrid)
5 Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie (VdS-Geschäftsstelle)
5 Bitte um Hilfe für die Cuno-Hoffmeister-Sternwarte in Namibia (Sonja Itting-Enke)
SPT
6 Remote ohne zusätzliches Schlafdefizit (Peter Remmel, Andreas Rörig, Frank Weidenbusch)
6 Zum Schwerpunktthema (Riepe Peter)
12 Grundsätzliche Uuml;berlegungen zum Steuern astronomischer Geräte (Oliver Schneider)
14 Remote-Astrofotografie - Fluch oder Segen? (Stefan Korth)
20 UrsaMajor Observatory: eine Remote-Sternwarte in Frankreich, Teil 1 ("Markus Blauensteiner")
SONSTIGES/VDS
23 Impressum (VdS-Geschäftsstelle)
SPT
24 Astrofotografie mithilfe von Remote-Teleskopie (Fred Gaschk)
29 SALSA - Beobachtungen mit einem Remote-Radioteleskop (Klaus Fenger)
31 Astrofotografie im Remote-Betrieb - das "Spanienexperiment" (Robert Pölzl)
SONSTIGES/VDS
34 Inserenten (VdS-Geschäftsstelle)
SPT
36 Wenn einer eine Reise macht … (Josef Pöpsel)
43 Generation Z oder doch digital native? Ganymed goes remote (Josef Pöpsel)
SONSTIGES/VDS
48 PN WeBo 1 in Cassiopeia (Rainer Sparenberg, Stefan Binnewies)
SPT
49 Remote Observatory Atacama Desert (ROAD) (F.-J. Hambsch)
AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
54 Neues aus der FG Amateurteleskope/Selbstbau ("P.Riepe, H.Hermeling- meier")
55 Experiment veranschaulicht Sternefunkeln (Hermelingmeier Hubert)
56 Polhöhenwiege für Astrotrac TT320x und andere Reisemontierungen (Christoph Jelsen)
59 Eine All-Sky-Kamera Marke Eigenbau ("Patrick Winkler, Fritz Amtmann")
ASTROFOTOGRAFIE
64 Entdeckungen durch Amateure: die Zwerggalaxie NGC 3344 Dw1 ("M.Blauensteiner et al.")
68 Kontinuumssubtraktion in der Astrofotografie, Teil 3 (Celnik Werner E.)
72 Grundlagen der Bildebnung in der Astrofotografie, Teil 1 (Peter Köchling)
ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
75 Jugendarbeit: Eine Reise rund um den Mond ("Alexander Golitschek")
79 Jugendarbeit: Ein Tag für die Zukunft ("R.Dölling, A.Gallus, M.Schomann")
83 50 Jahre Walter-Hohmann-Sternwarte Essen e.V. (Udo Siepmann)
86 Das Weltall - Du lebst darin, entdecke es! ("Josefine Liebisch")
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
89 Entstehung und Morphologie von Meteoriten ("Donald Ranft, Frank Ziegenhein")
91 Das Mehrkörperproblem in der Astronomie (Pilz Uwe)
"ATM. ERSCHEINUNGEN"
94 Fichten- und Kiefernpollenkoronen 2018, Teil 2 (Alexander Haußmann)
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
94 Reguläre Ausdrücke in der Programmierung (Jahns Helmut)
DEEP SKY
98 Visuelle Beobachtung der NGC-5566-Galaxiengruppe (Arp 286) (Wenzel Klaus)
SONSTIGES/VDS
99 Dunkelwolke LDN 1622 (Michael Deger)
DEEP SKY
100 Skyguide 2020 - 1 (Frühling) ("Robert Zebahl, Rene Merting")
GESCHICHTE
103 Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie (Steinicke Wolfgang)
104 16. Tagung der Fachgruppe Geschichte der Astronomie in Bamberg (Steinicke Wolfgang)
108 Alexander von Humboldt und Südamerikas älteste Sternwarte (Volker Witt)
114 Rezension: Charles Messier - Himmelskarten & Zeichnungen aus der Zeit von 1759 bis 1807 (Steinicke Wolfgang)
KLEINE PLANETEN
115 Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten (Lehmann Gerhard)
116 Kleinplanetentagung 2019 in Salzburg ("Daniel Bamberger")
119 Öffentliche Kleinplanetenbeobachtung im Fernglas (Geiss Alexander)
121 Kosmische Begegnungen ("Klaus Hohmann, Wolfgang Ries")
KOMETEN
123 Auffallende Kometen des dritten Quartals 2019 (Pilz Uwe)
124 Mehr als 30 Jahre Kometenfieber - ein Rückblick (Maik Meyer)
ZUM NACHDENKEN
126 Seit 60 Jahren gibt es das Fach Astronomie an allen Schulen in Sachsen-Anhalt (Wilfried Lassak)
SONNE
128 Die Sonnetagung 2019 in Jena (Michael Delfs)
129 Sonnenaktivität: auf dem Weg zum Minimum, Teil 3 (Andreas Bulling)
STERNBEDECKUNGEN
130 Die Fachgruppe Sternbedeckungen aktuell (Eberhard H.R. Bredner)
131 Beobachtung einer streifenden Sternbedeckung ("Wolfgang Dzieran, Hubert Hermelingmeier")
VERäNDERLICHE STERNE
134 Zwei unterschiedliche Nova-Aktivitäten 2019 (Wenzel Klaus)
137 Beobachtungskampagne VV Cep ist beendet (Frank Walter)
SERVICE
139 Himmelsvorschau April - Juni 2020 (Melchert Sven, Celnik Werner E.)
NACHRICHTEN
142 Spenden an die Vereinigung der Sternfreunde e.V. (AK)
142 Wir begrüßen neue Mitglieder (VdS-Geschäftsstelle)
143 In Memoriam 2019 (VdS-Geschäftsstelle)
VORSCHAU
143 Vorschau auf astronomische Veranstaltungen April bis #### 2020 (WEC)
SONSTIGES/VDS
144 VdS-Fachgruppen-Redakteure und VdS-Fachgruppen-Verantwortliche (VdS-Geschäftsstelle)
Textinhalt des Journals 73
Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software.
Der Text ist nicht formatiert, Bildunterschriften sind irgendwo im Text eingefügt.
Nach seiten suchen: str-f, dann für gerade Seitennummer z.B. 24 | , für ungerade | 79
Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.
Nach Redaktionsschluss
Neues aus dem Vorstand
von Astrid Gallus, Schriftführerin
An dieser Stelle berichtet der Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e.V. über seine Arbeit der letzten drei Monate. Seit der Mitgliederversammlung im Oktober haben bereits wieder zwei Vorstandssitzungen stattgefunden.
ab 01.01.2020, wobei der ermäßigte Beitrag für Jugendliche und Studenten hiervon nicht berührt wird. Hier bleibt es bei der geringen Gebühr von 25 Euro! Das ist eine unserer Maßnahmen zur Jugend- und Nachwuchs-Förderung!
Rückblick auf VdS-Tagung und Mitgliederversammlung am 19.10.2019 Die von den Sternfreunden Dieterskirchen organisierte Tagung kann im Nachhinein als voller Erfolg gewertet werden. Das Protokoll der Mitgliederversammlung ist im Mitgliederbereich unserer Webseite veröffentlicht und kann dort eingesehen werden (den Code hierzu finden Sie auf Ihrer Mitgliedskarte). Der in die Zukunft weisende Wirtschaftsplan wurde genehmigt und damit auch die Erhöhung des Mitgliedsbeitrags von 35 Euro auf 40 Euro
Forschungsprojekt Hochschule Auf der Mitgliederversammlung wurden die Ergebnisse der in Auftrag gegebenen Hochschularbeit für ein neues, respektive überarbeitetes, Kommunikationskonzept für die VdS vorgestellt. Es war hochinteressant zu sehen, wie vielfältig die Reaktionen hierauf waren. Die Teilnehmer fanden sich recht schnell in zwei Gruppen wieder: Die begeisterten Befürworter und die eher zögerlich Negierenden. Der Vorstand hat daher beschlossen, eine behutsame Erneuerung des Logos und eine ebenso behutsame
Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 74 ,,Merkur und Merkurtransit" abgeschlossen haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen:
,,Infrarotastronomie" in Journal Nr. 75 Redaktionsschluss: 15.04.2020 Redakteure: Werner Celnik, werner.celnik@vds-astro.de Peter Riepe, redaktion-astrofotografie@vds-astro.de
,,Astrotourismus und Astrourlaub" in Journal Nr. 76 Redaktionsschluss: 15.07.2020 Redakteur: Michael Schomann, michael.schomann@vds-astro.de
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-FachgruppenRedakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden. Vorher empfehlen wir, als Hilfestellung die Autorenhinweise zu nutzen (siehe www.vds-astro.de/ index.php?id=307). Dort finden Sie in der rechten Randspalte auch einen Musterartikel als Vorbild und das Artikeldeckblatt zum Eintragen der wichtigsten Daten.
Mit dem Einsenden gibt der Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im ,,VdS-Journal für Astronomie" und zur Veröffentlichung auf den Webseiten der VdS. Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion
Annäherung der vielen unterschiedlichen Fachgruppen-Logos zu entwickeln. Die VdS soll sowohl in den Fachgruppen als auch nach außen hin einheitlich erkennbar sein.
Astronomietag 28.03.2020 und Astronomietag 24.10.2020 Die VdS-Broschüre 2020 und die Plakate zum Astronomietag am 28.03.2020 wurden rechtzeitig versandt. Wenn Sie genau hinsehen, erkennen Sie auf dem Plakat eine neue Anordnung: Hier haben wir bereits auf die Entwürfe der Hochschule reagiert; dem Vorstand hat es gut gefallen, wie gefällt es Ihnen? Die Plakate für den erstmals zusätzlichen zweiten Astronomietag zum Saisonbeginn im Herbst werden rechtzeitig im Sommer versandt. Mit dem zweiten Termin im Herbst wurde dem Wunsch vor allem der norddeutschen Astronomie-Vereine und Sternwarten entsprochen. Sollte sich hier eine ähnlich hohe Beteiligung wie beim Frühlingstermin erweisen, kann die VdS gern auch einen zweiten jährlichen Astronomietag anbieten. Allerdings würde der Vorstand dann explizit für diese Veranstaltung personelle Unterstützung benötigen. Es steckt weit mehr Arbeit in der Organisation eines Astronomietages, als man annimmt.
Personelle Unterstützung Nicht nur der Vorstand, auch die Endredaktion des VdS-Journals benötigt personelle Unterstützung. Wer Freude am geschriebenen Wort hat und sich viermal im Jahr in netter Runde einen langen Samstag in unserer Geschäftsstelle in Heppenheim vorstellen kann, ist herzlich willkommen! Die Redakteure freuen sich auf Sie und arbeiten Sie mit Vergnügen ein.
Messen und Tagungen Die VdS wird auch im Jahr 2020 auf vielen Veranstaltungen vertreten sein und freut sich über persönliche Begegnungen und gute Gespräche in Würzburg zur Frühjahrstagung, in Essen zum ATT, in Villingen-Schwenningen zur AME, in Bochum zur BoHeTa und in Halle zur Tagung der Astronomie-Vereine und Sternwarten, siehe Ausblick.
4 | Journal für Astronomie Nr. 73
Ausblick Bereits heute möchte der Vorstand auf eine VdS-Tagung im Herbst dieses Jahres hinweisen: Die Fachgruppe Astronomische Vereinigungen lädt alle interessierten Sternfreunde zu einer Tagung vom 20. bis 22. November 2020 nach Halle ein. Neben vielen spannenden Vorträgen am Samstag ist der Besuch der Himmelsscheibe von Nebra mit einer Sonderführung sowie ein Ausflug zum Sonnenobservatorium und Museum Goseck am Sonntag geplant!
Melden Sie sich rechtzeitig (begrenzte Teilnehmerzahl bei der Sonderführung) unter halle@vds-astro.de an! Sie sehen, bei der VdS ist immer etwas los! Es grüßt Sie bis zum nächsten Mal, Ihre Astrid Gallus
Leserbrief
Die Cuno-Hoffmeister-Gedächtnis-Sternwarte sucht Hilfe
Nachdem wir jetzt das Ziel erreicht haben, die Cuno-HoffmeisterGedächtnis-Sternwarte als ,Nicht-profitable Gesellschaft` einzutragen, haben wir die Möglichkeit, diese wie bisher weiterzuführen.
Zurzeit liegt jedoch das Problem darin, dass ich selbst mich aus Altersgründen aus der aktiven Astroarbeit zurückziehen muss. Ich steuere auf mein 90. Lebensjahr zu und meine Knochen und mein Gedächtnis lassen nach. Das heißt, wir brauchen Unterstützung von jemandem, der die Sternwarte beaufsichtigen und betreuen kann. Er sollte etwas praktisch sein, um auch mit den Wasserproblemen klarzukommen, denn das Wasser bekommen wir von einem Nachbarn in ein Bassin gepumpt. Wir haben Solarstrom, der den normalen Verbrauch deckt. Haben noch ein Aggregat, das im Notfall eingesetzt werden kann, und zur Not auch Gasflaschen, um Wasser zu erhitzen oder etwas zu kochen.
Noch sind wir dabei, eine ,künstliche` Erde zu errichten, da wir in den Felsen keine ausreichende Erdung bekommen und Differenzströme entstehen.
Es geht nicht darum, einen absoluten Astronomie-Fachmann hier zu haben, sondern jemanden, der den Sternwartenalltag hier meistern kann. Ihm stehen aber zu jederzeit, wenn keine Veranstaltungen sind, die Geräte zur Eigennutzung zur Verfügung.
Die Vertreter der Uni, IOTA und einige Fachamateure haben Zutritt zur Dachsternwarte und können mit eigenen Schlüsseln jederzeit für Beobachtungen und mit ihren Schülern die Dachsternwarte benutzen. Man muss die Aktivitäten der wissenschaftlichen Gesellschaft, unsere eigenen Veranstaltungen und weitere Nutzer der
Sternwarte koordinieren. Da sich in Windhoek inzwischen allerhand Enthusiasten und vor allem Jugendliche eigene Teleskope angeschafft haben, wollen wir ihnen in Zukunft auch die Möglichkeit bieten, mit ihren eigenen Instrumenten den Außenplatz zu benutzen. Das geht aber nur mit Anmeldung und unter Beaufsichtigung. Das wären so die Aufgaben eines Helfers, den wir hier nicht zur Verfügung haben, da alle im Arbeitsverhältnis stehen und nicht hier wohnen können.
Die Sternwarte liegt etwa 18 km südlich von Windhoek hinter den Auasbergen. In 20 Minuten hat man die ersten größeren Einkaufszentren erreicht. Über eigenen Transport werden wir uns einigen müssen. Soviel über die Sternwartenbetreuung. Jegliche weitere Fragen werden beantwortet.
Außerdem haben wir hier eine Wachtermontierung, die jemand auseinandergenommen und leider Teile verloren hat. Hierfür hätten wir einen Refraktor, der alles Zubehör für die Sonnenbeobachtung hat. Sollte sich jemand mit dieser alten Montierung auskennen, wären wir gern für jeden Rat dankbar.
Zurzeit schweben wir in Gefahr, dass hier eine wilde Bauerei beginnt, weil unser Gebiet zu Stadtland erklärt worden ist. Wir versuchen gemeinsam mit der Uni, Restriktionen im Bezug auf die Lichtverschmutzung zu erzielen. Irgendwie wird es schon weitergehen. Sollte jemand von Heppenheim, der VdS oder von Sterne und Weltraum nach Namibia kommen, dann ist er jederzeit hier auf der Sternwarte willkommen. Für jegliche Hilfe bin ich dankbar. Sonja Itting-Enke, Windhoek, Namibia
Journal für Astronomie Nr. 73 | 5
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Zum Schwerpunktthema
Es ist schon eine Weile her, dass ein Amateurastronom konzentriert an seinem Teleskop saß und während der Beobachtungen mit Hilfe eines Fadenkreuzokulars GA-3 permanent den motorischen Gleichlauf kontrollierte und korrigierte. Egal ob für die Planetenbeobachtung oder die Deep-Sky-Fotografie - man befand sich mit seinem Instrument aktiv unter dem Himmel und hatte die technischen Schwierigkeiten zu meistern. Damals sprach man noch vom ,,Nachführen am Leitstern". Oft genug waren meine Freunde und ich in kalten Nächten im Hochsauerland, um die Paradeobjekte abzulichten. Einmal musste ich nach zweistündigem erfolgreichen Nachführen bei -18 Grad C und 30 cm Neuschnee in krummer Haltung vom Nachführhocker in unseren VW-Bus getragen werden. Und die Aufnahmeoptik war inzwischen vereist! In solchen Situationen kam damals ein gewagter Wunschtraum auf: ,,Man müsste es einrichten können, draußen in der Kälte das Teleskop automatisch und beheizt nachlaufen zu lassen, mit arbeitender Kamera ... und dabei im warmen Bus bei einer heißen Erbsensuppe das Belichten über einen Monitor zu steuern." Damals Fiktion, heute erlebte Realität. Das Nachführen wurde durch Auto-Guiding ersetzt. Das war ein erster Schritt. Der Computer ist inzwischen unser unentbehrlicher Freund geworden. Über Mini-Computer und geeignete Software ist es heute problemlos möglich, die Aufnahmen automatisiert zu gewinnen, zu speichern und dann die anschließende Bildbearbeitung zuhause am wohligen PC-Arbeitsplatz vorzu-
nehmen. Das war der zweite, entscheidende Schritt. Und diese Technologie entwickelt sich weiter. Alles läuft auf automatisierte Funktionen hinaus: Kuppeln drehen sich, Teleskope fahren wie von Geisterhand gelenkt die Objekte an, Verschlüsse öffnen sich für gesteuerte Belichtungsserien, Wolkenmelder sorgen für ein rechtzeitiges Schließen des Schiebedaches. Und das alles gelingt nicht nur in der heimischen Gartensternwarte, sondern auch weitab vom eigenen europäischen Aufenthaltsort ferngesteuert im Mittelmeerraum, in Afrika oder in Südamerika.
Es ist erfreulich, dass sich einige der bekannten Astrofotografen aus der VdS-Szenerie bereit erklärt haben, unseren Lesern ihre persönlichen Erfahrungen und Einsichten in dieses spannende Thema zu vermitteln. Wir leben, was die Technik betrifft, in einer Welt voller neuer Möglichkeiten. Die ,,Remote-Astronomie" hat sich etabliert. ,,Remote", nicht mit ,,automatisiert" zu verwechseln, leitet sich ab vom lateinischen Wörtchen remotus (= fern). Es bedeutet, Astronomie über weite Entfernungen gesteuert betreiben. Andere Fachgruppen arbeiten ebenfalls remote. So schildert auch ein Radioastronom seine Remote-Erfahrungen.
Lassen Sie sich von der Schreibfreude unserer Autoren begeistern. Eine kurzweilige und aufschlussreiche Lektüre wünscht Peter Riepe
Remote ohne zusätzliches Schlafdefizit
von Peter Remmel, Andreas Rörig und Frank Weidenbusch
Deep Sky West (DSW) ist eine RemoteSternwarte in New Mexico. Sie liegt bei 35,32 Grad Nord und 105,72 Grad West in einem dünn besiedelten Landstrich auf ca. 2.400 m Höhe. Gegenüber unseren heimischen Standorten auf ca. 50 Grad Nord sollten also Objekte in Reichweite kommen, die bei uns im Horizontdunst versinken. Ferner locken natürlich das wüstenartige Klima, die Höhe und die dunkle Umgebung. Die Teleskope sind in zwei großen Hallen mit abfahrbaren Dächern untergebracht. Ganz neu im Programm ist jetzt auch eine im Ausbau befindliche Kuppel innerhalb des Observatorio El Sauce in Chile (DSW South, 30 Grad 28' s. Br. / 70 Grad 46' w. Länge).
1 Apochromat Takahashi TOA-150 mit einer FLI ML 16200 auf einer Astro-Physics 1600 mit
Absolut-Encoder in einer Kuppel des Typs Clamshell (Klappmuschel) innerhalb des Observatorio El Sauce/Río Hurtado (Chile) auf 1.500 m Höhe. Bild: Peter Remmel
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
2 LBN 437, aufgenommen in New Mexico mit einem Takahashi FSQ und einer Kamera QSI683wsg,
Belichtung L: 25 x 900 s, R: 15 x 900 s, G: 15 x 900 s, B: 14 x 900 s. Bild: Andreas Rörig
Bei den meisten Remote-Sternwarten kann man bestimmte Teleskope für eine bestimmte Zeit buchen und bedient sie dann ferngesteuert über das Internet. DSW verfolgt hier einen etwas anderen Ansatz und bietet zwei verschiedene Mitgliedsmodelle für seine Kunden: - Bei der ersten Variante kann man einen
Säulenplatz für sein eigenes Equipment in einer der großen Rolldachsternwarten anmieten. Dies umfasst auch die Bereitstellung von Strom und Internet. Für die Installation und den Betrieb seiner Geräte ist man dann selbst zuständig. - Die zweite Variante ist ungewöhnlich. Man wird Mitglied in einem Team, das sich ein von DSW bereitgestelltes Teleskop teilt. Man kann das Teleskop allerdings nicht selbst steuern, sondern reicht Beobachtungsvorschläge ein wie die Profiastronomen an den großen Sternwar-
ten. Diese Vorschläge muss man nicht begründen, schließlich zahlt man ja dafür. So ein Beobachtungsvorschlag umfasst das Objekt bzw. die Koordinaten des Feldes, die gewünschten Filter, ggf. die Kameraorientierung und die angestrebte Belichtungszeit. Die Gesamtbelichtungszeit kann man allerdings nicht beliebig lang wählen, sondern es gibt bestimmte Varianten. Dabei kann die Gesamtbelichtungszeit aber durchaus schon mal 40 Stunden oder mehr erreichen. Die einzelnen Beobachtungsvorschläge werden von einem Mitarbeiter von DSW in einen Scheduler eingegeben und dann automatisiert in Abhängigkeit von der Objekthöhe, Mondphase, Filter etc. abgearbeitet. Die angefallenen Bilder sowie die Kalibrierungsdaten (Darks, Flats und Bias) werden anschließend allen Teammitgliedern, also nicht nur dem Einrei-
cher des Vorschlages, zum Download bereitgestellt. So kommt man in den Genuss aller Bilder, die mit dem Teleskop im Laufe eines Jahres aufgenommen werden. Der Preis für die Variante 1 beträgt $700 pro Monat. Der Preis für die Variante 2 beträgt je nach Gerätekombination zwischen $600 und $2.400 pro Jahr. Details zu den Gerätekombinationen und den Preisen können der Webseite von DSW entnommen werden [1].
Erfahrungen von Andreas Rörig Ich habe mich Anfang 2016 für die Variante 2 entschieden: ein Team, das sich einen Takahashi FSQ 106 EDX mit einer Kamera QSI683wsg auf einer Montierung des Typs Paramount MyT teilt. Das Filterrad der Kamera beinhaltet einen LRGB- sowie einen Linienfiltersatz (H, [OIII], [SII]) von Astrodon. Der Preis für diese Gerätekombi-
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
3 NGC 2170, Autor und Technik wie Abb. 2, Belichtung L: 27 x 900 s, R: 7 x 600 s, G: 5 x 600 s, B: 6 x 600 s. Norden ist oben links.
nation beträgt $1.200 pro Jahr. Das lag noch innerhalb meiner Schmerzgrenze. Mit diesem Gerät lassen sich Felder von knapp 2 Grad x 1,5 Grad ablichten. Das ist ideal für viele Emissionsnebel, Dunkelnebel und größere Sternhaufen. Für kleinere Galaxien und Planetarische Nebel ist die Brennweite (530 mm) natürlich etwas kurz. Mir ging es darum, passende Objekte aufnehmen zu können, die vom heimischen Westerwald aus gesehen zu tief stehen oder zwingend einen sehr dunklen und transparenten Himmel verlangen. Außerdem wollte ich einfach mehr brauchbare Bildergebnisse erzielen als zu Hause. Es zeigte sich schnell, dass die gewonnen Aufnahmen von sehr guter Qualität waren. Sie sind eigentlich immer perfekt fokussiert und nachgeführt. Der dunkle, transparente Himmel trägt ebenfalls zur Qualität der Bilder bei. Heftige Gradienten, mit denen ich hier zu Hause oft zu kämpfen habe, sind dort praktisch nicht existent
und die Aufnahmen erreichen eine gute Tiefe. Es gibt natürlich auch ein paar Wermutstropfen. So zeigten sich bei einigen Aufnahmen merkwürdige Spikes an hellen Sternen, bei anderen Aufnahmen dagegen nicht. Die Ursache hierfür konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Und dann gibt es noch das, was die Einheimischen dort Monsun nennen: im Sommer mehr Wolken und die Luft ist feuchter. Dadurch sinkt die Ausbeute in den Sommermonaten deutlich ab. Insgesamt kommt aber dennoch eine recht große Menge an Ergebnissen zusammen. Schön ist, dass man auch die Aufnahmen bekommt, die von den anderen Teammitgliedern eingereicht wurden. Da sind zwar manchmal Objekte dabei, die einen nicht ganz so interessieren, aber oft sind es Motive, die ich selbst zwar nicht ausgewählt hätte, die sich aber dann doch als interessant herausstellen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass man sehr gutes Bildmaterial bekommt. Was aber fehlt, ist das Gefühl, selbst mit dem Teleskop unter dem Sternenhimmel zu arbeiten. Wie wichtig einem das ist, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Erfahrungen von Frank Weidenbusch Nachdem im Frühjahr und Sommer 2017 die Wetterbedingungen in meiner hessischen Heimat über mehrere Monate keine brauchbaren astronomischen Beobachtungen zuließen, begann ich mich nach alternativen Beobachtungsmöglichkeiten umzusehen. Bei meiner Internetrecherche zu möglichen Remote-Lösungen stieß ich auf DSW. Das dort praktizierte Modell, sich einer Gruppe von Hobbyastronomen anschließen zu können, die gemeinsam Zugriff auf die Aufnahmen eines Teleskops in New Mexico erhält, erschien mir sehr verlockend.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
4 Pferdekopfnebel B 33 in der HII-Region
IC 434, aufgenommen in New Mexico mit einem RCOS 14,5 Zoll und einer Kamera SBIG STX-16803, Belichtung R: 15 x 1.200 s, G: 18 x 1.200 s, B: 16 x 1.200 s, H: 52 x 1.200 s. Norden ist links. Bild: Frank Weidenbusch
Der große Vorteil dieses Modells liegt in dem relativ geringen Preis für diese besondere Art der Teleskopnutzung: Es sind keine Anfangsinvestitionen in Equipment und Infrastruktur erforderlich und es erfolgt auch keine an die individuelle Beobachtungszeit gekoppelte Bezahlung. Stattdessen entrichtet man einen jährlichen Pauschalpreis mit der Möglichkeit, nach Jahresfrist auch wieder aus der Gruppe aussteigen zu können. Für diese Pauschale erhält man Zugriff auf alle Aufnahmen, die in diesem Jahr mit dem Teleskop gemacht wurden. Einziger Nachteil scheint auf den ersten Blick die Tatsache zu sein, dass man nicht direkt die Objektauswahl vornehmen kann, sondern seine Beobachtungsvorschläge einreichen muss. Alle Vorschläge der Gruppe landen dann erst einmal auf einer Liste, die sukzessive abgearbeitet wird. Da DSW allerdings mehrere Gruppen mit unterschiedlichen Instrumenten zur Auswahl anbietet, hat man die Möglichkeit sich eine Gruppe mit Objektwünschen auszusuchen, die gut zu den eigenen Wünschen passt.
Bereits bei der ersten Kontaktaufnahme machte DSW auf mich einen sehr professionellen Eindruck und ich entschied mich dann im Herbst 2017 einer Gruppe beizutreten, die einen RC Optical 14,5 Zoll Carbon Truss zusammen mit einer SBIG STX-16803 nutzt. Als Filter stehen sowohl Breitband- (L, R, G, B) als auch Schmalbandfilter (H, [OIII], [SII]) zur Verfügung. Die Objektpalette ist weit gestreut: Galaxien, Emissions- und Reflexionsnebel,
Planetarische Nebel und Supernovaüberreste. Die Belichtungszeiten pro Objekt liegen typischerweise zwischen 25 und 40 Stunden, so dass pro Jahr etwa 20 bis 25 Objekte aufgenommen werden können. Der Preis liegt bei $2.400 pro Jahr.
Nach rund zwei Jahren ist die Bilanz zu meiner Nutzung von DSW positiv. Die Aufnahmen besitzen in der Regel eine gute Qualität und der Service durch DSW funktioniert reibungslos. Rechnet man die jährliche Pauschale auf die Beobachtungszeit um, so kostet eine Stunde Belichtungszeit weniger als $5. Von daher ist dieses Nutzungsmodell von DSW für jene empfehlenswert, die die Möglichkeiten einer Remote-Sternwarte längerfristig nutzen möchten und keine allzu ausgefallenen Objektwünsche haben. Nach zwei Jahren in der genannten Gruppe bin ich aktuell auf ein von DSW neu eingerichtetes Teleskop in Chile umgestiegen, um so auch einmal die Möglichkeit zu erhalten, die Objekte des Südhimmels besser kennenzulernen.
Eine Überraschung hatte die DSW-Nutzung für mich zusätzlich noch zu bieten. Obwohl die beiden Mitautoren dieses Artikels nur wenige Kilometer von mir entfernt zu Hause sind, habe ich beide erst über DSW kennengelernt. Es gibt manchmal schon merkwürdige Zufälle: Um den lokalen Witterungsverhältnissen zu entfliehen, mietete ich mich bei einer Remote-Sternwarte in Nordamerika ein und lernte dadurch Sternfreunde in der direkten Nachbarschaft kennen!
Erfahrungen von Peter Remmel Ergänzend zu Andreas und Frank hebe ich folgende Punkte heraus: Wie schon erwähnt, gibt man - wie bei den Profiastronomen - seine Objektwünsche ab und überlässt das weitere Vorgehen einem Operator. Ein Computerprogramm berechnet den optimalen Zeitpunkt für das gewünschte Objekt unter Berücksichtigung der Objekthöhe, Mondphase, Belichtungszeiten usw. Meine Befürchtung, dass meine Wünsche vielleicht in einer Vielzahl von anderen
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
5 Tarantelnebel NGC 2070 im Umfeld, Aufnahme aus Chile mit einem TOA 150 plus FLI ML 16200, Belichtung L: 15 x 120 s + 14 x 600 s,
R: 15 x 120 s + 15 x 600 s, G: 15 x 120 s + 21 x 600 s, B: 15 x 120 s + 20 x 600 s, H: 27 x 300 s + 28 x 900 s, [OIII]: 24 x 1.800 s. Bild: Frank Weidenbusch
Wünschen untergehen würden, traf nicht zu. Die anderen am Teleskop Beteiligten gaben entweder gar keine oder nur wenige Wünsche ab, so dass mein Name auf der Objektwunschliste fast dominant war.
Man steht, wenn man möchte, in engem Kontakt zum Operator der Teleskope und kann hier kurzfristig auch mal Änderungen der Beobachtungsprojekte erwirken. Nachfragen werden fast in Echtzeit beantwortet, zumindest innerhalb des gleichen Tages.
Das von DSW gebotene Preis-/Leistungsverhältnis ist einzigartig. Einerseits ist man an Gerätschaften beteiligt, die einen Marktwert von deutlich über 30.000 Euro haben, wobei die Kosten des Observatoriums noch nicht berücksichtigt sind. Hinzu kommt,
dass die Anlage unter einem Himmel steht, den man in Mitteleuropa kaum findet. Abgesehen von der Qualität der Bilder ist auch die Quantität beeindruckend: - RC Optical 14,5 Zoll, New Mexico: Im
Jahr 2018 konnten wir in New Mexico 22 Aufnahmeprojekte mit einer Gesamtbelichtungszeit von ca. 600 Stunden abschließen. - TOA 140, Chile: Im 3. Quartal 2019 konnten wir in Chile neun Aufnahmeprojekte mit insgesamt 250 Stunden Gesamtbelichtungszeit abschließen. NGC 6188 kam dabei alleine auf 55 Stunden Belichtungszeit. Bei einem Jahrespreis von $2.800 sind das $3 pro Stunde, zumindest im 3. Quartal. Schauen wir mal, wie es weitergeht.
Zusammenfassend kann man sagen, dass durch die Besonderheit des DSW-Projektes keine durchwachten Nächte für die Remote-Fotografie benötigt werden. Somit gibt es auch kein zusätzliches Schlafdefizit. Sicherlich fehlt hier dem ambitionierten Astrofotografen der aktive Part. Man kann aber jederzeit online mitverfolgen, was ,,das eigene Teleskop" gerade macht, fast wie zuhause. Man sieht, mit welchen Belichtungszeiten und welchen Filtern aktuell fotografiert wird, wie das Guiding läuft und was die Himmelskamera, die auch das eigene Teleskop im Blick hat, gerade anzeigt. Es bestehen keine Eingriffsmöglichkeiten, aber ich muss auch nicht eingreifen. Das schafft mir mehr Zeit für den Betrieb meiner Sternwarte daheim. Ein zusätzlicher Pluspunkt dieser Art von Remote-Fotogra-
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6 Sichelnebel NGC 6888, New
Mexico, RC Optical 14,5 Zoll Carbon Truss und SBIG STX-16803 + SBIG AO-X, Belichtung: H und [OIII] jeweils 18 x 1.200 s, RGB jeweils 12 x 300 s, Bildmaßstab: 0,55 ''/px, Filter von Astrodon, Schmalband: HWB 8 nm. Bild: Peter Remmel
fie: Mehrere am Teleskop Beteiligte bekommen das gleiche Rohmaterial. Die Bildresultate sind allerdings sehr unterschiedlich und weisen die Fehler oder Unzulänglichkeiten in der eigenen Bildbearbeitung auf. Das schult ungemein und hilft auch für die eigenen Bilder von daheim.
Weblink (geprüft 25.11.2019): [1] Homepage Deep Sky West Network:
https://deepskywest.com
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
7 Reflexionsnebel NGC 6726 und IC 4812 mit Kugelsternhaufen NGC 6723, Chile. Teleskop und Kamera wie in Abb. 1.
Belichtung: RGB jeweils 16 x 900 s, Bildmaßstab: 1,13 ''/px, Bilddiagonale 108', Filter von Astrodon. Bild: Peter Remmel
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Grundsätzliche Überlegungen zum Steuern astronomischer Geräte
von Oliver Schneider
Als ich 1990 zum ersten Mal mit einem Fadenkreuzokular durch ein Leitfernrohr meine damalige Kamera Olympus OM1 an einem Newton-Fernrohr nachgeführt habe, war die Aufnahmetechnik der Astrofotografie noch ein ziemlich mühseliges Geschäft. 45 Minuten Belichtungszeit und mehr für ein Bild waren dabei nötig, um das gewünschte Objekt abzulichten. Es wurde auf Diafilm oder auch auf einen mit einem Gas speziell behandelten Schwarzweißfilm belichtet. Den habe ich oftmals noch in der Nacht nach der Aufnahme entwickelt. Oft waren es gute Bilder, ab und zu aber auch misslungene Aufnahmen. Heute, fast 30 Jahre später, sitze ich im Wohnzimmer beim Fernsehen, während meine Kameras (teilweise bis zu drei gleichzeitig) Bilder in meiner Gartensternwarte aufnehmen. Ein neues Zeitalter! Andere Sternfreunde haben eigene astronomische Ausrüstungen in anderen Ländern stehen und belichten ihre Bilder ferngesteuert unter dunklerem, vom Wetter her besser gestelltem Himmel. Wiederum andere gehen noch einen Schritt
weiter und haben keinerlei eigene Ausrüstung mehr, sondern nutzen bestehende Anlagen eines kommerziellen Anbieters für ihre Belichtungen rund um den Erdball. Dieses Fernsteuern, unter Sternfreunden als Remote-Steuerung bezeichnet, ist heute weit verbreitet. Dabei ist nicht immer nur gemeint, dass man seine gesamte Ausrüstung so steuern kann. Auch das Kontrollieren seiner Kamera per Mobiltelefon (Smartphone) ist schon ein Fernsteuern. Habe ich Interesse an einer solchen Technik und will diese umsetzen, stellt sich immer zuerst die Frage: Was muss ich tun?
Ich möchte hier in Form einer Art Checkliste ein paar Erfahrungen weitergeben. Da die Vielfalt der astronomischen Geräte und der eigenen Interessengebiete einen ganz persönlichen Rahmen absteckt, ist das allgemein gehalten. Bauanleitungen gebe ich also nicht. Bei detaillierten Fragen können Sie mich gerne anschreiben (osastro@t-online.de).
Tipps zur Einrichtung von Fernsteuerungen astronomischer Geräte
1. Vorhandene Ausrüstung nutzen Es muss nicht immer alles neu gekauft werden, auch ältere Ausrüstung lässt sich nutzen. Meine Montierung Alt 7AD ist aus dem Jahre 1976 und lässt sich gut fernsteuern.
2. Mit kleinen Schritten anfangen Zunächst versuchen, einzelne Teile zu steuern. Also zunächst nur die Kamera, dann die automatische Nachführung am Leitstern, dann das automatische Anfahren von Objekten usw. So kann man Fehler in den einzelnen Komponenten schnell herausfinden und lösen, ohne den Gesamtüberblick zu verlieren.
3. Was hindert, weglassen Oftmals ist weniger mehr. Zum Beispiel: Wenn das automatische Anfahren von Objekten in zwei von drei Fällen mit meiner Montierung nicht funktioniert, dann doch wieder per Hand die Objekte einstellen.
4. Erfahrungen anderer Kollegen sammeln und nutzen Bei Sternfreunden nachfragen, Zeitschriften lesen und in Foren Infos einholen spart oft viel Arbeit.
5. Nur einmal kaufen Wenn sich der Wunsch nach einer Neuanschaffung noch nicht erfüllen lässt, dann lieber etwas warten, als zweimal falsch zu kaufen.
6. Kabelverbindungen sind besser als drahtlose Übertragung Im Zeitalter vieler drahtloser Technik ist oftmals die kabelgesteuerte Kontrolle von Geräten besser, da sie weniger störanfällig ist und ein Kabelfehler schneller durchschaut werden kann.
7. Trockenübung Man sollte seine Technik am Tage testen, um so in der Nacht seine Technik zu kennen und eventuelle Fehler schneller zu finden. Das gilt nicht nur für das Fernsteuern von Geräten.
8. Ein fester Aufbau Das hilft ungemein, und sei es nur für ein paar Tage. So kann man Fehler, die im Laufe einer Beobachtung entstehen, eventuell erst nachvollziehen. Als Beispiel sei hier eine ungenaue Nachführung genannt, wo schon das Aufstellen der Montierung einen Fehler produzieren kann, der beim nächsten Aufbau nicht mehr nachvollziehbar ist.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Remote-Astrofotografie
- Fluch und Segen?
von Stefan Korth
Digitale Astrofotografie kann ein ziemlich mühseliges Unterfangen sein. Das richtige Equipment will ausgewählt, erworben und bezahlt sein. Dann geht es an die ersten Tests und das Sammeln praktischer Erfahrung - die einschlägigen Internetforen sind voll von Beiträgen, die da unterschiedliche Verzweiflungsgrade von Amateurbeobachtern widerspiegeln. Mal hakt die Poljustage, dann die Abstimmung zwischen Nachführung und Autoguider, der richtige Fokus will gefunden werden - und bleibt dann nicht über Nacht da, wo er hingehört. Wenn man den ersten Anlauf mit neu erstandener
1 Sternwarte Siding-Spring
2 Screenshot des iTelescope.net-Launchpad
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
3 Screenshot Teleskopmenü
Ausrüstung unternimmt, können schnell ein paar Wochen oder Monate vergehen, bis man vorzeigbare Ergebnisse auf der Festplatte hat, denn das mitteleuropäische Wetter hat dann ja auch noch Tücken parat. Was liegt also näher, als es einmal mit Fixund-Fertig-Lösungen unter einem Himmel zu versuchen, für den der Beobachter andernfalls einen Jahresurlaub aufbringen müsste? Remote-Astronomie ist das Zauberwort und - ich persönlich kann schon an dieser Stelle bekräftigen - mich hat es gepackt.
iTelescope.net - ein Weckruf Eigene Sternwartenpläne im heimischen Garten musste ich aufgrund von Bauvorhaben in der Nähe erst einmal auf Eis legen. Aber da gibt es doch Teleskop-Netzwerke, deren Gerätepark man auch aus der Ferne anzapfen kann - in meinem Fall bin ich bei iTelescope.net hängengeblieben, da mir schon verschiedene Ergebnisse aus deren Fundus aufgefallen sind. Der 24. Januar
2018 war dann mein Startdatum - eine 5-minütige Aufnahme des Kugelhaufens M 92, gewonnen mit einem 0,61-m-Reflektor. Als das knackscharfe CCD-Bild dann bei mir ankam, war es um mich geschehen, der Remote-Virus hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Perfekter Fokus, Grenzgröße jenseits von 20 mag, exzellente Nachführung - ein Traum.
Was nun ist iTelescope.net eigentlich? Unter www.itelescope.net findet sich zunächst eine übersichtlich organisierte Webseite, auf der das Equipment und die Kosten beschrieben werden. Aktuell (Oktober 2019) stehen 18 Teleskope an fünf Sternwarten zur Verfügung (Tab. 1), die in den USA (New Mexico, Kalifornien), Spanien, Chile und Australien angesiedelt sind. Teilweise sind dies schon vorhandene Amateursternwarten, im Fall von Australien hat man das Gelände des Siding Spring Observatory im Bundesstaat New South Wales mitnutzen dürfen.
Wie man der Teleskop-Liste entnehmen kann, stehen an den verschiedenen Standorten wahrlich sehr leistungsfähige Fernrohre mit herausragend stabilen Montierungen und großflächigen, hoch auflösenden CCD-Kameras zur Verfügung. Mehr noch, praktisch alle Teleskopsysteme sind auch mit einer Vielzahl von Farb-, Spektral- und Fotometriefiltern ausgestattet, so dass man neben schönen Bildern auch wissenschaftlich arbeiten kann. In einem Fall ist auch ein Spektrograf an Bord. Die Teleskoppalette lässt die tiefe Abbildung ausgedehnter Nebel, aber auch sehr ferner oder lichtschwacher Galaxien zu, die BildMetadaten ermöglichen auch präzise astrometrische Messungen. Kurz gesagt - fast alles ist möglich, zumindest hinsichtlich der Deep-Sky-Beobachtung.
Der Weg zum Bild Aller Anfang ist die ,,Registrierung" - kein großer Aufwand via üblicher Anmeldungsprozedur, es ist aus dem Stand möglich,
Journal für Astronomie Nr. 73 | 15
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Tabelle 1
Technische Daten von Teleskopparks im Netzwerk iTelescope.net
Bildmaßstab/ Pixel-Zahl Bogensek./Pixel der CCD
Mayhil/ New Mexico
Teleskop 5
1,65 2.184 x 1.472
Teleskop 11 0,81 4.008 x 2.672
Teleskop 14 3,50 4.008 x 2.672
Teleskop 20 3,50 4.008 x 2.672
Teleskop 21 0,96 3.072 x 2.048
Sehfeld/ Bogenmin.
Instrument
Öffnung/ Brennw./Öffnungs-
mm
mm verhältnis
Montierung
40,4 x 60,0 Takahashi Epsilon 250 250
36,2 x 54,3 Planewave 20'' CDK 510
155,8 x 233,7 Takahashi FSQ Fluorid 106
155,8 x 233,7 Takahashi FSQ-ED
106
32,8 x 49,2 Planewave 17'' CDK 431
850 2.280
530 530 1.940
f/3,4 Paramount PME f/4,5 Planewave Ascension 200HR f/5,0 Paramount GT-1100S f/5,0 Paramount ME f/4,5 Planewave Ascension 200HR
Auberry/ Kalifornien
Teleskop 24
0,62 3.056 x 3.056 31,8 x 31,8 Planewave 24'' CDK
610 3.962 f/6,5 Planewave Ascension 200HR
Nerpio/Spanien
Teleskop 7
0,63
Teleskop 16 1,69
Teleskop 18 0,73
4.008 x 2.672 4.008 x 2.672 3.072 x 2.048
28,2 x 42,3 Planewave 17'' CDK 75,4 x 113,1 Takahashi TOA-150 37,41x 24,94 Planewave12'' CDK
431 2.929 f/6,8 Paramount PME 150 1.095 f/7,3 Paramount PME 318 2.541 f/7,9 Paramount PME
Siding Spring/ Australien
Teleskop 8
3,50
Teleskop 9
2,80
Teleskop 12 3,50
Teleskop 17 0,92
Teleskop 30 0,81
Teleskop 31 1,10
Teleskop 32 0,63
Teleskop 33 0,64
4.096 x 4.096 4.096 x 4.096 4.008 x 2.672 1.024 x 1.024 3.072 x 2.048 3.056 x 3.056 4.096 x 4.096 4.096 x 4.096
230,8 x 230,8 Takahashi FSQ106 EDX 106
188,9 x 188,9 TeleVue NP127fli
127
155,8 x 233,7 Takahashi FSQ ED
106
15,5 x 15,35 Planewave 17'' CDK 431
27,8 x 41,6 Planewave 20'' CDK 510
55,9 x 55,9 Planewave 20'' CDK 510
43,2 x 43,2 Planewave 17'' CDK 431
43,9 x 43,9 RCOS 12,5'' RC
320
530 677 530 2.912 2.280 2.259 2.912 2.885
f/5,0 Paramount ME f/5,3 f/5,0 Paramount ME f/6,8 Paramount ME f/4,5 Planewave Ascension 200HR f/4,4 Planewave Ascension 200HR f/6,8 Planewave Ascension 200HR f/9,0
Ovalle/Chile Teleskop 40 0,90 4.096 x 4.096 60,1 x 60,1 ASA Newton 20''
500 1.940 f/3,8 ASA DDM85
schon einmal die verfügbare Technik zu begutachten, über einen so genannten ,,Trial Account" kann man für knapp 18 Euro die ersten Versuche wagen. Ich selber arbeite aktuell mit Plan 90, im Monat kostet mich das rund 82 Euro, gelegentlich wird noch aufgestockt. Bezahlt werden kann per Kreditkarte oder Paypal, abgerechnet wird dann in Wertepunkten (,,Points"), die auch von Mondstand und Promotion-Aktivi-
täten des Betreibers im Sinne des Nutzers rabattiert werden können.
Einmal eingeloggt, landet man beim ,,Launch Pad" - einer Übersichtsseite, die auf einen Blick anzeigt, welche Sternwarte gerade einsatzbereit ist. Hier sieht man auch umgehend per Vorschau auf All-SkyKameras, ob der Himmel mehr oder weniger klar ist. Anzeigt werden auch Mond-
höhe, Sonnenstand und bei Bedarf die verfügbaren Teleskope (oder der Nutzername desjenigen, der gerade damit aktiv ist). Hat man ein verfügbares Teleskop ausgewählt, dann öffnet sich eine Seite, die neben dem Teleskop selbst auch den Belegungskalender zeigt - neben Auswahl in Echtzeit kann man nämlich auch automatisierte, vorab geplante Beobachtungen durchführen.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
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4 HII-Region NGC 6888, Komposit aus 4 x 600 Sekunden Belichtung, Teleskop Planewave
17 Zoll CDK (T21, s. Tab. 1), H-Filter
Für die ersten Versuche kann man sich an bekannten Standardobjekten mit vorgegebener Belichtungszeit wagen, alle diese Objekte werden aus dem Stand sehr ansehnlich abgebildet (Option ,,One-Click Image"). Über die Auswahl ,,Deep-Sky" oder ,,Comet/ NEO" erreicht man Auswahlmasken, die dann neben der Belichtungszeit auch die Anzahl an Einzelbildern, Filterauswahl oder Einstellung des Detektor-Binnings erlauben. Eine ganze Reihe weitere Optionen erleichtern dann Fotometrie, Astrometrie, Bildaddition. Abschließend kann man das Ausgewählte als Beobachtungsplan für den automatisierten Ablauf abspeichern oder sofort die Belichtung starten, falls das Objekt denn vom Standort aus sichtbar ist.
Was man in diesem Zusammenhang noch erwähnen sollte - eine Teleskopsteuerung quasi in Echtzeit über eine Art ,,Remote Desktop" ist nicht vorgesehen. Es gibt zwar die Funktion ,,View Observatory", bei der man einen Blick auf das Steuer- und VorschauInterface eines jeden Teleskops werfen kann, aber hier erhält man lediglich einen Schnappschuss des letzten Aufnahmevorgangs geliefert.
Wichtig ist ein Blick auf die Option ,,System Status", denn dort kann man nachvollziehen, wie nach dem Zentrier- und Leitstern-Suchvorgang auch wirklich das gewünschte Bild bzw. die eingegebene Aufnahmeserie auf den Weg gebracht worden ist.
Her mit den Pixeln! Ist die Aufnahme abgeschlossen, erhält man eine Beleg-E-Mail. Diese versorgt einen gleich auch noch mit einer ganzen Fülle an Zusatzinformationen wie z.B. Aufnahmezeitpunkt, Belichtungszeiten, verbrauchte Punkte, Links zum Support, Tutorials u.a. Im Anhang der Mails sind außerdem Messdaten der Wetterstation des Aufnahmeortes, ein Bild der dortigen All-Sky-Kamera und eine komprimierte Bildvorschau im JPGFormat enthalten. So hat man schon einmal einen ersten guten Eindruck über das gewonnene Bildmaterial. Wichtigster Bestandteil der E-Mail ist aber ein Link zu einem
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
5 Galaxienpaar NGC 4038/4039, Komposit aus 2 x 600 Sekunden Belichtung,
Teleskop Planewave 17 Zoll CDK (T32, s. Tab. 1)
FTP-Server, der dann auch die Roh- und Vorschaudaten zum Download bereitstellt. Von da an wird es natürlich spannend: Die Bilddaten sind zum einen als echte Rohdaten in teleskopspezifischen Verzeichnissen abgelegt, zum anderen aber auch schon durch eine Dunkelbildabzugs- und FlatField-Prozedur vorbearbeitet worden. Die sperrigen Dateinamen sind aufgrund ihrer Logik sehr sinnvoll, denn dort findet man direkt neben dem Aufnahmeobjekt auch Datum, Uhrzeit, Teleskop, Filter und Binning-Einstellung. Sind die im FITS-Format abgelegten Bilddaten dann heruntergeladen, kann umgehend mit der Bildbearbeitung begonnen werden. Im FITS-Format selbst liegen dann die üblichen Metadaten
des Bildes vor, die sich auf Kamera, Teleskop und dessen Position beziehen, so dass auf diese Weise auch astrometrisch gearbeitet werden kann. Der Bilddownload geschieht üblicherweise innerhalb weniger Sekunden bis hin zu einer Minute - je nach Aufnahmemenge und Download-Geschwindigkeit.
Ergebnisse Hat man dann also die Bilddaten auf der Festplatte, beginnt der Spaß - meistens jedenfalls. Denn das, was da bei gutem Wetter heruntergeladen worden ist, kann je nach gewählten Bildparametern schon begeistern. Die Qualität der Standorte, der Teleskope und ihrer Nachführungen sind
in meinen Augen ihr Geld wert. Ich habe von Ende Januar 2018 bis in den Oktober 2019 insgesamt 137 Hauptobjekte aufnehmen können (die vielen ,,Nebenobjekte" auf einzelnen Aufnahmen wie z.B. bei Galaxienhaufen nicht mitgezählt). Mir selbst wäre eine solche Quote im heimischen Meerbuscher Garten nur schwer geglückt. Ich gebe zu, dass ich gerade am Anfang viele noch relativ kurz belichtete Einzelaufnahmen kreuz und quer über den Nord- und Südhimmel gemacht habe, aber man möge mir das verzeihen - die lange Pause zwischen meinen CCD-Zeitaltern hat mich da anfänglich etwas hektisch werden lassen. Mittlerweile hat es sich bei mir eingespielt, drei bis sechs jeweils 10-minütige Einzelaufnahmen meiner Wunschobjekte zu machen, damit erreiche ich oft schon eine ganz ansehnliche Tiefe. Mir ist bewusst, dass man für richtig tiefe Aufnahmen schon Serien über mehrere Stunden Gesamtbelichtungszeit erstellen muss (ein Trend, der mich persönlich extrem beeindruckt), aber aktuell ist es mir wichtiger, mehr Bildmaterial verschiedener Objekte zu sammeln.
Was die Objektauswahl anbelangt, so habe ich mich nach den ersten Experimenten auf Galaxien (mit längeren Brennweiten) und Emissionsnebel (mit kürzerbrennweitigen Teleskopen und Schmalbandfiltern) konzentriert. Je nach Mondphase und Teleskopverfügbarkeit schiebe ich auch einmal gerne den einen oder anderen Sternhaufen ein, Supernovae sowieso - und auch noch den einen oder anderen Kometen.
Bei fast allen Aufnahmen habe ich mich auf Schwarzweißbilder beschränkt - für mich eigentlich keine Beschränkung, sondern mein ganz persönlicher Zugang zum fotografischen Deep-Sky-Bildeindruck, der auch durch meine lange Zeit als visueller Beobachter geprägt ist. Farbbildbearbeitung ist - wenn man es richtig machen will
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
- sicherlich noch ein Brett, das es zu bohren gilt. Wobei die kolorierten Auswüchse anderer Beobachter, die man da manchmal auf den Bildschirm bekommt, mich aktuell nicht unbedingt motivieren, das Thema voranzutreiben. Was bleibt, ist dann das digitale Fotoalbum, das man präsentieren möchte - aber über die Dauerbaustelle Website zu schreiben, ist eine eigene Geschichte (s. www.astrodigital.de).
Alles gut in der Remote-Welt? Die Amateurastronomie hat viele Fallstricke und Tücken - und das gilt auch für die Remote-Astrofotografie. Was ist mir da in den vergangenen Monaten vor die Füße gefallen?
Teleskopverfügbarkeit: Gerade um die Neumondphasen herum muss man um Teleskopzeit kämpfen - oder eben langfristig im Voraus reservieren. Schade nur, wenn dann doch einmal eine Wolkenperiode dazwischenrutscht und man dann seine automatische verschobene Beobachtung plötzlich zu Vollmond wiederfindet, weil vorher alles ausgebucht war. Hier helfen nur Geduld, Flexibilität und eine Liste mit alternativen Beobachtungsobjekten weiter. Überhaupt das Wetter - die Station Nerpio in Spanien hat da gerade im Herbst mit ausgedehnten Regenperioden zu kämpfen, die es eben in Spanien gibt. Ganz abgesehen davon, dass dort die Technik auch sehr unzuverlässig läuft. Aber auch an Standorten mit emsigem Servicepersonal passieren einem unerwartete Dinge. Selbst die stabilste 10-Micron-Montierung oder der überragendste Planewave-Reflektor können zur Astrobitch mutieren und einen mit wilden Nachführfehlern und mieser Fokussierung nerven. Verklemmte Filterräder und vereiste CCD-Detektoren habe ich auch schon erlebt. Da ist schon regelmäßig menschlicher Eingriff vor Ort gefordert.
Das iTelescope-Netzwerk ist auch ständig bemüht, neue Standorte mit in das Portfolio aufzunehmen - ein Trend, den man nur begrüßen kann. Aber in den vergangenen Wochen musste dann eine sehr gefragte australische Station auch wieder aus dem Netz genommen werden, weil sie mit dem dargebotenen Gerätepark nicht klar kam. Unter dem Strich bin ich dennoch sehr zufrieden mit dem Service, den man sich hier ins Haus holen kann. Ich würde mir mehr Alternativen wünschen, vielleicht auch einmal langbrennweitiges Equipment für Mond und Planeten - oder vielleicht auch H-Sonnenbeobachtung. Aber all das steht und fällt mit den Personen, die so einen Teleskop-Pool betreuen können und wollen. Und - vielleicht macht sich die VdS ja auch einmal Gedanken über ein Remote-Observatorium für die Mitglieder?
6 Reflexionsnebel IC 2118, Komposit
aus 3 x 900 Sekunden Belichtung, Teleskop Televue NP127 fli (T9, s. Tab. 1)
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
UrsaMajor Observatory
- Teil 1: eine Remote-Sternwarte in Frankreich
von Markus Blauensteiner
Wenn man über eine ,,Remote-Sternwarte" spricht, dürfte klar sein, dass es sich um eine ,,fernbediente" Sternwarte handelt. Ich würde diese Art von Sternwarten noch um die ,,robotischen Sternwarten" erweitern - darunter verstehe ich jene ferngesteuerten Anlagen, deren Betrieb weitgehend selbstständig abläuft. Der Fotograf gibt lediglich noch die Objekte, Belichtungszeiten und Filter vor. Den Rest - das ist z.B. das rechtzeitige Öffnen des Daches / der Kuppel, das Kühlen der Kamera, Anfertigen von Flats, Anfahren und Zentrieren der Objekte, Leitsternsuche usw. - erledigt das System selbstständig und ohne weiteren Eingriff von außen. Dies ist nahezu unbeschränkt ausbaufähig, bis hin zur automatischen Archivierung und Übertragung der Bilddaten. Letztlich wird ,,remote" ein Hauptziel verfolgen: eine große Anzahl klarer Nächte möglichst effizient zu nutzen und dabei nicht permanent vor dem Rechner sitzen müssen. So werden sich viele Remote-Sternwarten einem ,,robotischen" Betrieb zumindest annähern. Spätestens, wenn auch noch eine große Zeitverschiebung (Chile) ins Spiel kommt, wird man als Berufstätiger kaum Zeit zur permanenten Überwachung finden.
Nehmen wir in der Folge (m)eine remote betriebene Sternwarte [1] an, die deutlich zu weit vom Wohnsitz entfernt ist, als dass man leicht und schnell dorthin gelangen könnte. Welche Voraussetzungen sollte ein Standort für eine solche Sternwarte zumindest erfüllen? - eine hohe Zahl klarer Nächte im Jahr - gutes bis sehr gutes Seeing in der Mehr-
zahl der klaren Nächte - trockene Luft - nicht nur wegen der
Transparenz (aber dazu später) - eine gute und vor allem stabile Internet-
anbindung - eine stabile Stromversorgung - Helfer vor Ort, zumindest für Notfälle
1 Bildschirmfoto unseres SQM, 27.04.2017
- wenig bis gar keine Frequentierung durch ortsfremde Personen
- Wohnmöglichkeit in annehmbarer Nähe bei Servicemissionen (außer man hat ein Wohnmobil)
In den folgenden Zeilen präsentiere ich konkret meine Sternwarte, aufgetretene Fragen / Probleme und Lösungen. Auf so manches läuft praktisch jeder mit solchen Plänen früher oder später auf, manche sind natürlich sehr individuelle Lösungen. Die Technik selbst wird im zweiten Teil im Detail besprochen. Eines möchte ich noch vorausschicken: Für jede Komponente und jedes Programm gibt es Alternativen bis hin zum Selbstbau. Mir war bei der Auswahl auch wichtig, dass ich Teile verbaue, die bei ROSA (s.u.) bekannt und bewährt sind - Fehlerdiagnose und Hilfe durch die Mitstreiter fallen so viel leichter.
Voraussetzungen vor Ort Meine Sternwarte ist eine von insgesamt sechs auf dem dortigen Gelände im Süden Frankreichs. Der ROSA-Verbund (ROSA = Remote Observatory Southern Alps [2]) besteht aus vier Kuppeln und zwei Rolldachhütten. Breitbandinternet und Strom via Erdkabel sind vorhanden. Der Grundstückseigentümer wohnt in unmittelbarer Nähe, ist praktisch immer erreichbar und kann mit geschickten Händen mechanische
Probleme meist recht flott lösen. PC, Teleskope, Kameras und Montierung allerdings fasst er nicht an. Der Standort bietet einen sehr guten Himmel mit SQM-Werten bis 21,9 Größenklassen pro Quadratbogensekunde, gemessen in Richtung Polaris (Abb. 1). Die örtliche Besiedelung ist im Umkreis von vielen Kilometern sehr dünn. Der nächste größere Ort mit 1.200 Einwohnern liegt etwa 30 Fahrminuten entfernt, die nächste größere Stadt (Montelimar) mit 40.000 Einwohnern ist eineinhalb Autostunden entfernt und liegt im Nordwesten. Das Seeing ist in etwa 60-70% der Nächte gut (2'') bis sehr gut (1'') und dann auch konstant. Bedingt durch den noch Einfluss nehmenden Mistral-Wind kann das Seeing allerdings auch sehr schlecht werden (schlechtester gemessener Wert 10''). Der Wind selbst, der im Rhônetal Sturmstärke erreicht, ist kein Problem, aber die höheren Luftschichten sind dann dementsprechend turbulent. In den Monaten von Mai bis Oktober ist das Wetter häufig über Wochen anhaltend gut. Die schlechtesten Monate sind Dezember und Januar. Für die Zeit der kürzesten Nächte des Jahres ergibt sich noch eine Dauer der astronomischen Dämmerung von mindestens 3,5 Stunden.
Durch die Lage ergibt sich die meteorologische Besonderheit, dass Wolken immer wieder ganz Frankreich bedecken, nur der
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Bereich vom Rhônetal bis zum Mittelmeer zur französisch-italienischen Grenze bleibt wolkenfrei, als liefen die Wolken gegen eine unsichtbare Barriere (das ,,wolkenfreie Dreieck", Abb. 2).
Motivation Meine Sternwarte war einige Jahre auf der Sternwarte Gahberg [3] in Oberösterreich angesiedelt. Damals war dort voller Remote-Betrieb nicht möglich, aber abgesehen vom Öffnen und Schließen des Daches konnten und wurden bereits dort praktisch alle Tätigkeiten vom PC aus dem Kontrollraum heraus erledigt. Daher war schon Erfahrung vorhanden, was die Verlässlichkeit der einzelnen Komponenten betrifft.
Da ich in meinem Beruf Nachtdienste zu leisten habe und natürlich gerne die klaren Nächte für die Astronomie nutzen wollte, wurden die vielen Nächte weg von zu Hause zunehmend zur Belastung - familiär und körperlich. Astronomie im Garten ist bei mir im insgesamt recht hellen Ballungsgebiet Vöcklabruck nur eingeschränkt möglich, ein voller Remote-Betrieb am Gahberg erwies sich in vielen Gedankenspielen als schwierig umzusetzen. Da tauchte langsam die Idee einer Remote-Sternwarte auf. Glücklicherweise durfte ich auf einem Workshop unseres Vereins Martin Rusterholz [4] kennenlernen, der bei ROSA eine Sternwarte betreibt und zufälligerweise auch noch der dortige ,,Netzwerk- und PC-Fachmann" ist. Über ihn konnten erste Informationen zum Standort eingeholt und der Kontakt zu den anderen Kollegen hergestellt werden. Nach einem Besichtigungsurlaub vor Ort und einem Gespräch mit Alain, dem Grundstücksbesitzer, wurde der konkrete Plan gefasst, nach Frankreich zu gehen.
Bau und Umsiedeln Dass die Sternwarte eine Rolldachhütte werden sollte, war schnell klar. Vor allem
2 Bildschirmfoto von www.sat24.com, 12.07.2017
die Berichte der anderen ROSA-Mitglieder über immer wiederkehrende und nicht dauerhaft lösbare Problemchen mit den Kuppeln (zweier verschiedener Hersteller) gaben den Ausschlag in Richtung Hütte.
Im Winter 2016/2017 standen die Planung der Hütte, Besorgung der nötigen Komponenten, Zeichnen eines ,,Kabelplans" und die Erstellung des Ablaufplans für den Aufbau an. Die Hütte wurde von der Fa. Teleskop-Schutzbauten [5] gefertigt. Sie besteht aus Holz, hat die Maße 3,6 m x 2,6 m und wurde als ,,Bausatz" mit Spedition nach Frankreich geliefert. Das Dach fährt Richtung Norden weg und deckt im geöffneten Zustand noch etwa ein Viertel der Hütte ab. Unter diesem Schutz befinden sich der Dachmotor, die PCs, die Dachsteuerung und der Schaltkasten. So sind die Teile dem Tau weniger ausgesetzt. Der obere Teil der Südwand kann nach außen weggeklappt werden.
PC und beide CCD-Kameras wurden zu Hause einem ,,Langzeittest" unterzogen, das heißt, es wurde praktisch Nacht für Nacht ein Sternwarten-Betrieb simuliert. Dazu waren alle Komponenten, also Kame-
ras, Filterräder, Motorfokussierer usw. angeschlossen, und es wurde getestet, ob alles verlässlich und stabil funktioniert.
Der Aufbau der Hütte, die Installation sämtlicher Geräte sowie die Inbetriebnahme wurden vollständig binnen einer Woche Ende April 2017 abgewickelt. Alain hatte im Vorfeld die Punktfundamente für die Hütte sowie den Sockel für die Säule betoniert und Schläuche für Internet und Stromleitung vergraben. Alleine hätte das niemals geklappt, daher darf ich mich an dieser Stelle herzlich bei Alain, Martin Rusterholz, Stefan Reichmann, Jürgen Kessler und Manfred Penn bedanken. Fachmänner für Strom, Netzwerk, PC und Holz vor Ort - da reicht es dann aus, wenn man selber nur einen Pinsel bedienen kann. Ein großer Vorteil war natürlich, dass die Ausrüstung beinahe genau so wieder aufgebaut wurde, wie sie zuvor am Gahberg in Betrieb gewesen war. Neu waren für mich hier nur das motorisierte Dach und die Verbindungen der neuen Geräte wie Wolkensensor, Dachsteuerung und unabhängige Spannungsversorgung untereinander. In den letzten Nächten vor Ort waren viele Testläufe nötig, bis alle Komponenten wie gewünscht und zuver-
Journal für Astronomie Nr. 73 | 21
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
3 UrsaMajor Observatory nach der Fertigstellung, es geht nach Hause
Worauf sollte man bei der Vorbereitung eines Remote-Standortes achten?
- ,,K.I.S.S." - keep it simple sir! [6] Es ist verlockend, was Software alles kann! Automatisiere ich doch dieses und jenes noch! Ein kleines Teleskop noch huckepack, das läuft ja nebenbei mit! Alles kein Problem, bis ein Problem auftaucht und die Fehlersuche ansteht. Ist nicht so einfach, wenn ich nicht mal eben an einem Teil fühlen oder horchen kann, ob es noch ,,lebt".
- Testen Sie alles ausgiebig, ehe Sie es an den Remote-Standort verlegen! Sie haben eine neue Kamera? Anschließen, und nächtelang testen. Ausschalten, einschalten, Stromversorgung einfach kappen, testen Sie möglichst jeden erdenklichen Fall! Stellen Sie zu Hause einen PC auf, der exakt jenem in der Sternwarte entspricht, auf der Hard- und Softwareseite.
- Sehen Sie sich die Wetterdaten Ihres Wunsch-Standortes über längere Zeit hinweg an. Und zwar wenn möglich nicht nur die Bedeckung, sondern auch den Wind und die Luftfeuchtigkeit.
- Prüfen Sie, wenn möglich, das Seeing über längere Zeit oder lassen Sie sich (wenn im Rahmen eines kommerziellen Projekts) belastbare Seeingdaten übermitteln. Rückschlüsse auf das lokale Seeing aus Daten in der Nähe gelegener professioneller Sternwarten sind nett, aber de facto unbrauchbar, besonders, wenn man von ganz unterschiedlichen Höhenlagen ausgeht. Gute Seeingmessungen sind nicht ganz einfach durchzuführen, sollten es bei dem Aufwand / den Kosten aber wert sein.
- Wenn möglich, testen Sie im Vorfeld die Internetanbindung. Es ist sehr nervend, wenn Mausklicks erst nach mehreren Sekunden ankommen - oder gar nicht.
- Wer leistet vor Ort Support und was kann er / sie wirklich? Das sollte klar definiert sein, um zeitaufwändige Reparaturfahrten (Flüge) wegen Dingen, die eigentlich der Support hätte lösen können, zu vermeiden.
- Ziehen Sie ein zweites, kleines Teleskop als ,,Backup" in Betracht. Auch wenn Sie vielleicht nicht unbedingt ein großer Freund von Weitfeld-Aufnahmen sind, sind Sie wahrscheinlich froh, weiter fotografieren zu können, sollte das große Teleskop wegen eines Defekts nicht nutzbar sein. Aber - K.I.S.S.!
- Sparen Sie nicht am falschen Ende! Die Montierung für 15.000 Euro, die Kamera für 5.000 Euro, angeschlossen am USB-Hub für 10 Euro? Nehmen Sie ein paar Euro mehr in die Hand und gönnen Sie Ihrer Sternwarte auch bei den Kleinteilen hochwertige Produkte.
- Sämtliches benötigtes Werkzeug muss vor Ort sein. Ist die Sternwarte so weit entfernt, dass sie nur per Flugzeug erreichbar ist, muss klar sein: dann erst recht.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
lässig zusammenarbeiteten. Und trotzdem war es ein merkwürdiges Gefühl am letzten Tag, alles zurückzulassen und von nun an die Freundschaft mit dem Teleskop über das Internet zu pflegen (Abb. 3).
verhältnismäßig wenig Aufwand verbunden. Ich habe im Kasten ein paar aus meiner Sicht wichtige Punkte zusammengefasst. Es lohnt sich, diese zu bedenken, ehe man sich ins Abenteuer stürzt.
[6] Russel Croman: ,,Remote Observing", Vortrag auf der Advanced Imaging Conference 2006
Dinge, die man zu Hause so nicht hat Nicht zu unterschätzen sind Staub, Insekten und Blütenpollen. Was man in der Gartensternwarte schnell mal mit einem feuchten Lappen beseitigt, sammelt sich in einer Remotesternwarte über einige Monate an und kann beim nächsten Besuch schon mal für kurze Schreckensmomente sorgen. Da darf man nicht empfindlich sein. Ich bin doch jedes Mal zwei bis drei Stunden damit beschäftigt, Spinnweben und Wespennester mit dem Staubsauger zu beseitigen und Teleskope, Montierung, PC usw. vom Staub zu befreien.
Ein anderes Kapitel sind Mäuse. Sie kommen grundsätzlich immer irgendwie in die Sternwarte und es stellt sich die Frage: Giftköder aufstellen und sie damit vielleicht erst recht anlocken oder hoffen, dass die Besuche nicht allzu intensiv ausfallen. Mein persönliches Highlight war die Mitteilung von Martin Nischang und David Bender, die während einer Servicemission bei mir einen ausgefallenen PC wieder in Schwung bringen wollten und feststellten, dass das PC-Gehäuse einer Maus als Winterquartier gedient hatte. Die Reste des Nestes lagen im Inneren verstreut, was den Ausfall auch erklärte. Ich lernte: lasse am PC keinen Kartenslot offen ...
Tipps fürs eigene Projekt Es ist in der Szene ein gewisser ,,Trend" zu Remote-Sternwarten erkennbar. Es gibt das eine oder andere Projekt für einen Verbund einzelner Sternwarten oder einer großen Sternwarte mit zu pachtenden Plätzen. Das klingt oft attraktiv, ist es doch - vor allem, wenn nur eine Säule angemietet wird - mit
Quellenhinweise (Stand: Oktober 2019): [1] M. Blauensteiner: ,,Meine remote be-
triebene Sternwarte", www.deeplook. astronomie.at [2] Remote Observatory Southern Alps: www.rosa-remote.com [3] Sternwarte Gahberg: www.astronomie.at [4] Martin Rusterholz: www.cxielo.ch [5] Fa. Teleskop-Schutzbauten: www.rolldachhuette.de
IMPRESSUM
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY Telefon: +496252 787154 | Fax: +496252 787220 service@vds-astro.de | www.vds-astro.de Redaktion: Dietmar Bannuscher, Dr. Werner E. Celnik, Otto Guthier, Sven Melchert, Peter Riepe. Redaktionelle Mitarbeit der VdS-FachgruppenRedakteure und VdS-Mitglieder Bearbeitung von Bildern und Grafiken: Dr. Werner E. Celnik und die Autoren Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin Anzeigen: Kullmann & Matic GbR, anzeigen@vds-astro.de Herstellung und Druck: Kullmann & Matic GbR, Stuttgart Vertrieb: Werner Teutsch GmbH, Laudenbach Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitgliedsbeitrag von 40,- E (EU) und 45,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten. Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe unter www.vds-astro.de). Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169, 64629 Heppenheim, E-Mail: service@vds-astro.de.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Astrofotografie mithilfe von Remote-Teleskopie
von Fred Gaschk
Astrofotografische Aufnahmen lassen sich in der heutigen Zeit nicht nur im nächtlichen Feldeinsatz, sondern mittlerweile auch vom heimischen Wohnzimmer aus bewerkstelligen. Der Einsatz mietbarer RemoteTeleskope ist keine Seltenheit mehr, so dass die Remote-Nutzung aufgrund der Wahlmöglichkeit verschiedener Standorte und Geräte zunehmend an Popularität gewinnt.
Nahezu jeder hat bereits Astrofotografien von dem berühmtesten Remote-Teleskop unserer Zeit, dem Hubble Space Telescope (HST), gesehen und bestaunt. Von unbestechlicher Klarheit und mit einer großen Fülle an Farbakzenten sind die durch Filter gewonnenen Aufnahmen des HST. Die meisten Menschen kommen mittlerweile durch die Medien damit in Berührung. Genau eine solche Berührung führte mich auch auf den Weg zur Astronomie.
Die Möglichkeiten der RemoteTeleskopie Auf der Suche nach einem geeigneten mietbaren Teleskop fanden sich schnell ein paar Anbieter mit Remote-Teleskopen. Oftmals sind diese an wenig lichtverschmutzten Orten stationiert. Häufig sind diese Anbieter leider lediglich auf einen Standort fixiert. Dies bedingt, dass man innerhalb der Nacht dieses Standorts zum einen Zeit haben muss, um das Teleskop zu bedienen, und zum anderen das entsprechende Teleskop zu der Zeit dann nicht durch andere Benutzer belegt sein darf. Einer der wenigen Anbieter mit multiplen Standorten ist hier das System iTelescope.net [1]. Mit derzeit 18 Online-Teleskopen an fünf Standorten bietet es eine große Fülle an Gerätschaften quer über den Globus. Die Standorte liegen in Siding Spring (Australien), New Mexico (USA), Kalifornien (USA), Nerpio (Spani-
en) sowie Südamerika (Chile). Durch diese Verteilung der Standorte haben Benutzer fast 24 Stunden am Tag die Möglichkeit, auf ein paar der 18 Online-Teleskope zuzugreifen. Ein weiterer Vorteil des großen Geräteparks ist die Diversität der Instrumente. So bieten die meisten Standorte verschiedene Geräte wie z.B. apochromatische Refraktoren sowie verschiedene Reflektoren an.
Die Funktionsweise anhand des iTelescope-Systems Remote gestützte Astrofotografie ist in gewissen Punkten sehr unterschiedlich zur ,,Feld-Astrofotografie". Dies betrifft nicht nur die Standorte, sondern auch in vielen Teilen die Bedienung der Gerätschaften. Die Bedienung des Online-Teleskops fängt nicht mit dem Einnorden an, sondern mit dem Login auf der Seite (Abb. 1). Hier erhalten wir einen direkten Überblick über
1 Statt Einnordung ein Loginverfahren zur Vorbereitung
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
2 Die Welcome Site bietet
eine Übersicht aller Teleskopfunktionen.
die Standorte sowie die Belegung der Teleskope. Zusätzlich erhalten wir hier eine zusammengefasste Übersicht über unser Kundenkonto und nützliche Links mit Tools zur weitergehenden Planung der Aufnahmen.
Nun haben wir grundsätzlich zwei Wege, die wir beschreiten können: die spontane Astroaufnahme oder die selbst geplante. Ich werde beispielhaft die selbst geplante Variante vorstellen. Vorab gehe ich jedoch auf das Teleskopinterface ein.
Nach dem Einloggen ins Interface sehen wir die verfügbaren Teleskope. Mit einem Klick auf den Schriftzug ,,Available" wird man zur Interface-Seite des jeweiligen Teleskops weitergeleitet. Nach der Eingabe seiner Login-Daten kommt man auf die ,,Welcome Site" des Teleskops, die bereits grundlegende Informationen enthält. Neben der Nummerierung des Teleskops erhalten wir ein Bild vom Gerät und dem Öffnungsdurchmesser.
Die Übersicht der Teleskopsteuerung Die Welcome Site bietet eine Übersicht aller Teleskopfunktionen (Abb. 2). Auf der linken Seite findet sich die Teleskopsteuerung in Form von Links. Diese sind in sechs verschiedene Untergruppen aufgeteilt: 1. ,,Home" / ,,Welcome Site" Hier erhalten wir eine Kurzübersicht über das Teleskop sowie die Reservierungszeiten. 2. ,,Systemstatus" In diesem Bereich können wir den Ablauf des so genannten ,,scripts" verfolgen, den Autoguider beobachten, das letzte Bild ansehen oder ggf. das Skript bei Fehlern abbrechen. Das Skript ist eine Anweisung für das Teleskop in Computersprache. Es sorgt für einen reibungslosen Ablauf des Geräts und steuert das Teleskop. 3. ,,Image/Plan" In diesem Bereich finden wir die Teleskopprogrammierung. Hierbei können wir
3 Die Übersichtsmaske Deep Sky Imaging
wählen, ob wir ein ,,One Click Image", ein ,,Deep Sky", einen ,,Comet/Neo", einen ,,Saved plan", also einen zuvor abgespeicherten Plan, machen wollen. Zusätzlich finden wir hier die Möglichkeit, eine Reservierung für das Teleskop anzulegen.
4. ,,My Documents" In diesem Bereich haben wir Zugriff auf eigene angelegte, geplante Observierungen - ,,My Observing Plans" - können uns die Logs vergangener Skripte anschauen - ,,Run Logs" - und können Zugriff auf den
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
4 Telescopius - der Planungshelfer
von iTelescope zugestandenen FTP-Server, nehmen - ,,My Image Files". 5. ,,Support" Der Bereich ,,Support" ist gerade am Anfang eine sehr hilfreiche Ecke. Neben der Möglichkeit, den Support bei Notfällen direkt zu kontaktieren - ,,Contact Support" - finden wir hier eine Fülle an hilfreichen Videos - ,,Video Tutorials" - sowie die am häufigsten gestellten Fragen - ,,FAQ". Der Support kann auch auf Deutsch angeschrieben werden. 6. ,,Tools" Der Bereich ,,Tools" enthält verschiedene praktische sowie interessante Informationen. So lassen sich über den Punkt ,,Cal. (Dark/Bias)" Darks, Flats und Bias für die erweiterte Bildbearbeitung anfordern. Über den Punkt ,,View Observatory" kann man den Desktop des Teleskops betrachten. Dieses ist jedoch nur ein Bild und kein LiveVideo. ,,Preview Last Image" ermöglicht es uns auch über diese Option, das letzte geschossene Bild zu sehen. Da dies jeweils nur eine komprimierte Vorschau ist, ent-
spricht es nicht den Rohdaten. Die ,,All Sky Camera" bietet einen schnellen Blick auf den Himmel und lässt erste Rückschlüsse auf das Wetter zu. Für eine genauere Wetteranalyse des Standorts empfehle ich jedoch den Punkt ,,Weather Data". Wirklich interessant ist der Punkt ,,Telescope Info", welcher uns detailreiche Informationen zu dem Teleskop sowie der genutzten Kamera, zu Guiding-System und Filter gibt. Der Punkt ,,Abort Script" beendet begonnene Aufnahmeskripte an der nächstmöglichen Stelle im Skript. Durch ,,Release Observatory" kann ein Benutzer, der während seiner reservierten Zeit mit seinen Aufnahmen fertig ist, die Reservierung beenden.
Fotografieren wie die Profis - das ,,Deep Sky" Für den erfahrenen Astrofotografen empfiehlt sich die Option ,,Deep Sky". In dieser haben wir die Möglichkeit, unser Ziel selbstständig festzulegen, die Belichtungszeiten sowie Filter selber zu wählen und diverse weitere Einstellungen vorzunehmen
(Abb. 3). Im obersten Feld haben wir die Möglichkeit, einen Plan-Namen einzugeben (1). Dieser ist nur erforderlich, wenn man lediglich einen Plan erstellen möchte, um ihn später zu nutzen. Im zweiten Feld wird nach dem Ziel gefragt. Wir können jetzt entweder direkt ein Objekt wie M 51 als Ziel eintragen und auf ,,get coordinates" klicken, um die Koordinaten automatisch eintragen zu lassen, oder wir tragen die Zielkoordinaten ein und geben dem Ziel selber einen Namen.
Im nächsten Bereich können wir nun die gewünschten Filter wählen. Hierzu wählen wir jeweils die Zeile an. Nun gibt es zwei Möglichkeiten zu definieren, wie oft wir die Filter nutzen möchten. Entweder wir geben in der Spalte ,,Qty" (2) ein, wie oft jeder einzelne Filter genutzt werden soll, oder wir setzen einen Haken bei ,,Repeat" (3) und geben an, wie oft die Filterserie laufen soll. In der vorletzten Spalte (4) geben wir unsere gewünschte Belichtungsdauer an. Hierbei ist die Maximalbelichtungsdauer zu
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
beachten. Diese steht i. d. R. unterhalb der Tabelle. In der letzten Spalte haben wir nun die Möglichkeit, das Binning anzugeben (5). Dieses ist beschränkt durch die Dropdown-Auswahl. Unter dem Punkt ,,Advanced Imaging Options" erhalten wir weitere Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Aufnahme. Ich gehe aufgrund der Fülle der Optionen hier nur auf ein paar wenige Optionen einen. Diese werden grundlegend alle in den Video-Tutorials sowie den FAQ des iTelescope-Systems genauestens erklärt.
Durch das Anklicken der Kästchen kann man hier die Optionen an- oder abwählen. So lassen sich Bilder dithern (6), um kleine Positionsänderungen zwischen den Belichtungszeiten zu erwirken, oder plate solving (7) anwenden (Bestimmung der Koordinaten des Bildmittelpunktes), um eine exakte Katalogisierung der Aufnahme zu ermöglichen. Durch einen Klick auf ,,Acquire images now" (8) wird nun das Skript gestartet oder durch ,,Create plan for later" (9) für später unter angegebenem Namen abgespeichert. Die Daten der Aufnahme sowie ggf. angeforderte Daten zu ,,Cal. (Dark/Bias)" werden hier ebenfalls unter dem Punkt ,,My Image Files" gespeichert. Die Daten werden in diesem Bereich 90 Tage maximal gespeichert. Daher empfiehlt es sich, alles zeitnah herunterzuladen und abzuspeichern.
Die Planung der Aufnahmen Das Itelescope-System arbeitet eng mit der Seite Telescopius.com [2] zusammen (Abb. 4) die auch für die ,,Nicht-Remote-Astrofotografie" ein mächtiges und kostenfreies Tool darstellt. Die einfachste Variante zur Planung ist, das gewünschte Objekt rechts oben in das Suchfeld einzutragen (1). Nach Bestätigung erhält man einen übersichtlichen Teleskop-Simulator, den man u.a. auch mit seinem eigenen Teleskop und Ka-
meraeigenschaften füttern kann. Zusätzliches bietet der Punkt ,,iTelescope" (2) eine Auswahl aller Online-Teleskope von iTelescope. Nach der Auswahl des gewünschten Teleskops erhält man direkt eine Voransicht des Aufnahmebereichs mit dem Gerät. Dies alles ist kostenfrei und erfordert keine weitere Anmeldung. Es ist sehr empfehlenswert, um das richtige Teleskop für das gewünschte Objekt, oder anders herum, zu finden.
Kosten der Technik Jeder Astrofotograf mit eigenem Equipment weiß, dass es sehr schnell teuer werden kann. Ein gutes Teleskop, eine gute Nachführmontierung, Guiding-System, dann eventuell noch eine gute Spiegelreflexkamera. Schnell sind ein paar Tausend Euro eingeplant, und das erste Bild ist noch nicht in Sicht. Diese Hürde kann ziemlich frustrierend sein, vor allem für jüngere Sternbegeisterte. Auch im schulischen Be-
5 NGC 253 im Sternbild
Sculptor (Bildhauer), RGBAufnahme je 3 x 300 s belichtet, T 24 Planwave 24 CDK mit 610 mm Öffnung und 3.962 mm Brennweite (f/6,5), Kamera FLI-PL09000, 3.056 x 3.056 Pixel von je 12 m Pixelgröße
reich ist es immer schwer, junge Menschen zu animieren, nachts in eine Sternwarte zu kommen, um Bilder im Zuge eines Projekts zu machen. Die Remote-Teleskopie birgt hier großes Potenzial, mit garantiertem Lerneffekt und Erfolg. Aber auch dieses System hat einen gewissen Kostenfaktor.
Das iTelescope bietet verschiedene Mitgliedschaften (Memberships) über monatlich kündbare Verträge an. So gibt es beispielsweise eine Probemitgliedschaft für 19,99 US$, die man einen Monat ausprobieren kann. Danach kostet die günstigste Mitgliedschaft 39,99 US$. Für die Mitgliedschaft erhält man 1:1 Punkte gutgeschrieben. Also 39,99 US$ entsprechen 40 Punkten.
Jedes Teleskop hat nun eine sogenannte Tickrate für die verschiedenen Mitgliedsarten. Ein ,,Tick" entspricht hierbei genau einer Belichtungsminute des Bildes. Je
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Der VdS-Bonuscode Als besondere Zugabe konnte ich in Zusammenarbeit mit dem System iTelescope.net und Dr. Christian Sasse einen Werbecode für alle Leser des VdS-Journals für Astronomie und für die VdS-Mitglieder verhandeln. Dieser lässt sich während des Bezahlvorgangs einmalig einlösen und führt zur Punkteverdopplung für neue Mitgliedschaften mit dem iTelescope-System. Dieser Bonus ist wirklich exklusiv für die VdS. iTelescope-Code: ITELVDS, gültig ab dem 01.04.2020 bis 31.05.2020.
Meine Ergebnisse Zur Veranschaulichung der Qualität möchte ich ein paar meiner Bilder vorstellen, die mit verschiedener Ausrüstung und Belichtungszeiten erstellt wurden (Abb. 5, 6, 7). Ich finde diese vor allem im Hinblick auf die teilweise sehr geringe Belichtungszeit bemerkenswert. Ich habe bewusst solche Bilder gewählt, die ohne Darks, Flats oder Bias verarbeitet wurden. Auch hält sich die fotografische Bearbeitung in Grenzen. Oftmals wurden sie lediglich in PixInsight zusammengefügt, die Belichtung angepasst und etwas entrauscht.
Eine Danksagung An dieser Stelle möchte ich dem Team von iTelscope.net und hier vor allem für die Hilfestellung von Dr. Christian Sasse danken. Erst durch seine Mithilfe konnten diese Projekte und dieser Bericht realisiert werden.
Weblinks (Stand November 2019): [1] www.itelescope.net [2] www.telescopius.com
6 IC 434 im Sternbild Orion mit dem Pferdekopfnebel, RGB-
Aufnahme je 3 x 600 s belichtet, T 9 Tele Vue NP127, 127 mm Öffnung und 670 mm Brennweite (f/5,3), Kamera FLI Prokline 16803 Grade 1, 4.096 x 4.096 Pixel von je 9 m Pixelgröße
mehr man im Monat investiert, desto geringer ist die Tickrate. Die Tickrate variiert auch sehr von Teleskop zu Teleskop. Nehmen wir als Beispiel eine Mitgliedschaft für 39,99 US$. Für das Teleskop 12 am Siding Spring bezahlen wir 101 Punkte pro Belichtungsstunde. Eine einzelne Aufnahme von 5 Belichtungsminuten kostet 8,41 $. In diesem Fall rundet iTelescope ab und sagt 8 Punkte. 8 Punkte entsprechen ca. 7,25 Euro. Mit 3 Bildern kann ich bereits ein RGB-Bild produzieren. Dies entspricht also 21,75 Euro und ist sicherlich nicht als billig zu bezeichnen. Ein Teleskop inklusive einer guten Kamera und einem Guiding-System jedoch auch nicht. Daher ist das Remote-Teleskop-System eine gute Einstiegsalternative.
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7 Der Orionnebel M 42, RGB-Aufnahme je 3 x 300 s belichtet, T 16
Takahashi TOA-150 mit 1.100 mm Brennweite (f/7,3), Moravian G4-16000, 4.096 x 4.096 Pixel von je 9 m Pixelgröße
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
SALSA
- Beobachtungen mit einem Remote-Radioteleskop
von Klaus Fenger
Wer hat nicht schon einmal überlegt, selber Radioastronomie zu betreiben, um zu verstehen, welche Möglichkeiten der Amateur hat? Für Fragen zu den Grundlagen der Radioastronomie zum Einstieg empfehle ich die Homepage zur Radioastronomie [1] und die Seiten des Astropeilers Stockert e.V. [2]. In Onsala an der Westküste von Schweden stehen zwei 2,3-m-Radioteleskope (Abb. 1) für Übungen zur Verfügung, um radioastronomische Beobachtungen im Bereich der Wasserstoffemissionen der Milchstraße durchzuführen. Der Name SALSA steht für ,,such a lovely small antenna". Umfangreiche Dokumentationen stehen auf Englisch bereit [3].
1 Die beiden 2,3-m-Radioteleskope, Foto: Onsala Space Observatory, Eskil Varenius
Wie geht man vor? Unter dem Menüpunkt ,,bserve" ist die einmalig auszuführende Prozedur beschrieben, welche Schritte für die Einrichtung eines kostenlosen (!) Accounts notwendig sind, um die Anlage zu benutzen. Danach können die Antennen zur Beobachtung reserviert werden. Auf der Unterseite ,,Telescope schedule" sucht man sich eine freie Beobachtungszeit, bucht hier für einen Zeitraum eine Antenne und beschreibt in einem Formular die für seine Beobachtung nötigen Werte. Für Fortgeschrittene und nach Einarbeitung in die
Thematik wird beschrieben, wie man aus seinen Beobachtungen z.B. die Struktur der Milchstraßenarme berechnet. Ein erläuterndes Video von Jean Jacques Maintoux hierzu findet sich auf Youtube [4]. Nach Abschluss der Messungen stehen die Messdaten in Form von FITS-, PNG- und TXTDateien zur Verfügung. Des Weiteren werden die Messdaten für den Anwender auf einem Server für längere Zeit gespeichert, so dass man seine Daten selbstständig auswerten kann (Abb. 2).
Beispiele für Messergebnisse sind in der Abbildung 3 dargestellt. Sie zeigen für die galaktischen Längen l = 89,5 Grad , 92,5 Grad und 94,5 Grad die mit SALSA gemessene Intensität über der Radialgeschwindigkeit. Die Letztere wurde berechnet aus der durch den Doppler-Effekt bedingten Frequenzverschiebung und ist normalisiert auf den Local Standard of Rest (LSR). Mit diesen Radialgeschwindigkeiten bewegt sich das Gas auf uns zu bzw. von uns weg. Die einzelnen Spiralarme erkennt man in den Maxima.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
2 Datenarchiv des Autors auf dem SALSA-Server, Screenshot: Klaus Fenger
Weblinks (Stand November 2019): [1] VdS-Fachgruppe Radioastronomie: www.vds-astro.de/index.php?id=radioastronomie [2] Astropeiler Stockert e.V.: https://astropeiler.de [3] SALSA: https://vale.oso.chalmers.se/salsa/ [4] Video Our Galaxy @ 21cm: www.youtube.com/watch?v=HGwkZY4E64k&feature= player_detailpage
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3 Messungen der 21-cm-Linie bei
l = 89,5 Grad , 92,5 Grad und 94,5 Grad , Screenshot: Klaus Fenger
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Astrofotografie im Remote-Betrieb
- das ,,Spanienexperiment"
von Robert Pölzl
Es ist 5:30 Uhr - der Wecker geht und ich muss raus aus dem Bett. Leichte Kopfschmerzen geben mir zu verstehen, dass das jetzt nicht unbedingt das ist, was mein Körper will ... rein in Jogginghose und Anorak, Haube und Fellstiefel. Mit der Stirnlampe bewaffnet mache ich mich auf den Weg zur Sternwarte - gute 300 Meter entfernt, hoch oben in den Bergen. Die frische Luft tut gut, aber ich frage mich im gleichen Moment, wie wohl der heutige Arbeitstag so abläuft und ich denke, dass dies wohl nicht so ganz der optimale Tagesstart ist. Nachdem ich in der Sternwarte die Bilder auf einen Stick übertragen habe, die CCD-Kamera wieder aufgewärmt ist und dazu all die notwendigen Schritte bis zum Schließen des Daches erledigt wurden, setze ich mich ins Auto und mache mich auf den Heimweg.
1 Die bunten Hochebenen am Weg von Madrid nach Süden
So oder so ähnlich geht's vielen von uns. Dank der übersichtlich gebauten Sternwarte funktionierten die Inbetriebnahme und das Schließen recht schnell und es passierten kaum Fehler. Hut ab vor allen Sternfreunden, die ihre Ausrüstung mobil verwenden und großen zusätzlichen Aufwand, Einsatz und erhöhtes Risiko für Fehler nicht scheuen. Auch ich habe in den ersten Jahren diese Situation durchgemacht. Ursprünglich habe ich mich lange gewehrt, dem PC sämtliche Arbeitsschritte anzuvertrauen und so war ich lange mit der DSLR und anfangs noch mit der Guidecam SBIG ST4 unterwegs.
2 Nerpio liegt in einem
Naturpark - hier wird wie bei uns noch mehr Wert auf die Natur gelegt.
Tja - Jahre später kommt man schon zum Grinsen, wenn man nachdenkt. Bedingt durch mein Ziel, möglichst tiefe Aufnahmen zu gewinnen, war es für mich klar, dass ich dafür einen möglichst dunklen Himmel benötige. Diesen dunklen Himmel und eine Möglichkeit zum Bau einer Rolldachhütte habe ich 2008 mit einer großen Portion Glück in Hirschegg in der Steiermark auf 1.300 Meter Seehöhe im Bereich eines Bergbauernhofes gefunden. Damit verbun-
3 Meine 300 kg schwere Kiste mit dem gesamten Setup wird auf den LKW verladen,
der sie zur Sternwarte hochbringt.
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
4 Eine der vielen Kojen mit verschieden
Ausrüstungen - die im Bild ersichtlichen Modelle fallen in die ,,kleine" Rubrik.
5 Mein damaliger 14-Zoll-Newton mit f/3,8
So war es ein anderer Zufall, der mich 2012 einen großen Schritt vorwärts machen ließ, als ich erstmals eine Remote-Sternwartenanlage erleben konnte. Auf Frage eines Sternfreundes begleitete ich ihn auf einen ,,Arbeitsurlaub" ins ,,Astrocamp" nach Nerpio in Spanien. Ich war überrascht von der wunderschönen Landschaft, der dünnen Besiedelung und den Bergen. Irgendwie hatte ich mir Spanien anders vorgestellt. Hier gibt es etwa 200 astronomisch brauchbare Nächte, sehr gutes Seeing und einen für unsere Begriffe dunklen Himmel. Das sind sehr gute Voraussetzungen für unser Hobby. Nachts konnte ich erstmals live erleben, was hier abgeht, wie sich die Teleskope ,,von alleine" über den Nachthimmel bewegen. Ich erkannte aber auch, dass die technischen Anforderungen an den Betreiber durchaus komplexer sind, als man zunächst vermutet. Vom 60-mm-Refraktor bis zum 20-zölligen Reflektor konnte man alles entdecken - und vor allem wie unterschiedlich jeder Kunde (= Astrofotograf) seine Ausrüstung aufgebaut hat. Jedes Setup trug die Handschrift des Eigentümers. Der Support vor Ort hat es in weiterer Folge oft nicht leicht, denn es wird erwartet, dass alles exakt nach den Vorstellungen des Kunden montiert und nach der Inbetriebnahme jede dieser unterschiedlichsten Ausstattungen auch eingestellt oder gewartet werden kann. Jedenfalls war dieser Besuch für mich eine Bestätigung, dass Remote-Astronomie wohl echt funktioniert und neue Dimensionen in der Belichtungszeit zulässt.
den ist jedoch auch eine Anfahrt von stattlichen 50 Kilometern - was in den Bergen mit einer Fahrzeit von knapp einer Stunde verbunden ist. Unterdessen hörte man aber auch schon damals von Sternwarten mit ferngesteuertem Teleskopbetrieb - aber mir fehlte eine leitende Hand. Handwerkliches Geschick und Einsatzbereitschaft begleiteten mich schon jeher, aber als es um Elektro-
technik, Netzwerk oder komplexe Software ging, fehlte mir das Wissen. Außerdem war meine Rolldachhütte eine ,,Handwerkerkonstruktion" und fertige Lösungen von Dachantrieben für diese Basis gab es nicht.
Andererseits wollte ich es aber auch nicht vermissen, den wunderschönen Sternenhimmel und die Umgebung live zu erleben.
Zuhause war dann wieder mal wochenlang nicht an das Arbeiten unter dem Sternenhimmel zu denken und so tendierte ich mehr und mehr dahin, den Schritt ins Abenteuer ,,Remote" zu wagen. Eine Anfrage per Mail wurde bald beantwortet und man ließ mich wissen, dass ich auf eine Warteliste käme und eine Info erhielte, wenn ein Platz frei wird. Ein paar Monate
32 | Journal für Astronomie Nr. 73
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
6 Die Koje, in der mein Teleskop und ein
anderes montiert sind. Es ist wichtig, dass das Teleskop so montiert ist, dass sich das Dach immer schließen lässt.
später war dieser freie Platz dann tatsächlich vorhanden und kurz darauf eine 300 kg schwere Kiste auf dem Weg nach Südspanien. Ab 2014 betrieb ich sodann meinen 14-zölligen Newton in Nerpio und kam hier mit zwei guten Freunden auf mehrere 100 Stunden an Belichtungszeit. Viele meiner besten Bilder entstanden dort. ,,Mehrere 100 Stunden Belichtungszeit" - was macht man wohl mit dieser Zeit? Natürlich hört sich das sehr verlockend an. Aber hierin steckt auch eine große Herausforderung, denn auf einmal kommen Fragen und Aufgaben, die man vielleicht nicht bedacht hat: - Welchen Hintergrund - welches Ziel hat
diese Aufnahme? - Welche Filter und Einzelbelichtungszei-
ten sind nötig, und mit welcher Gesamtbelichtungszeit ist zu rechnen? - Download der Bilder - Genaue Durchsicht der Rohbilder und exakte Analyse am selben Tag nach eventuellen Gradienten durch Zirren (vielleicht hat jemand in der benachbarten Koje das Licht vergessen auszuschalten).
- Wie gut ist die Qualität der Rohbilder: FWHM-Wert, Himmelshintergrund, Signal vom Zielobjekt
- Kalibrierungsbilder (u.a. Skyflats) erstellen.
- Erstellen des Plans für die nächste Nacht. Welches Objekt kommt als nächstes auf die Liste?
- Starten der Sternwarte - mit allen Dingen, die man zuhause auch macht.
Das sind viele Dinge, die man vielleicht nicht alle von vornherein bedenkt. Und dann ist nach einer erfolgreichen Nacht auch noch die Übertragung der Bilddaten eine große Herausforderung, da 20 Gleichgesinnte zeitgleich ihre Bilder herunterla-
den möchten. Eine Übertragung von 30 Bildern kann dann schon mal einige Stunden in Anspruch nehmen, denn die Infrastruktur, die wir zuhause als Standard gewohnt sind, liegt im Naturschutzgebiet in Spanien so nicht vor. Fast täglich muss man sich mit diesen und ähnlichen Herausforderungen beschäftigen, wenn man es so wie ich etwas ernster nimmt.
Wollte ich das dauerhaft? Nein - wollte ich nicht! Ich habe mich eher verpflichtet gefühlt.
Zwar war es nun kein Problem, ein Objekt in ein paar Tagen 70 Stunden oder mehr zu belichten, aber trotzdem habe ich Familie,
7 Überblick über die ganze Anlage ,,Astrocamp". Die Anlage befindet sich in ca. 1.700 m Seehöhe über Nerpio.
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
8 Bereits kurz nach Sonnenuntergang
ist die tolle Himmelsqualität zu erkennen. Die sehr trockene Luft (oft um 20% relative Feuchte) ermöglicht ein sehr gutes Seeing und eine tolle Transparenz.
Haus und Garten, Freunde und einen Job, der meinen Einsatz verlangt, von anderen Hobbys ganz zu schweigen.
Eine weitere große Herausforderung besteht darin, die eigene instrumentelle Ausrüstung unanfällig gegen Störungen zu machen und beim Auftreten von Pannen möglichst selbst eine Lösung parat zu haben. Natürlich bleibt es auch trotz gewissenhafter Arbeit, stabil laufendem Computersystem usw. notwendig, dass helfende Hände vor Ort sind. In der Regel geschieht eine solche Anforderung per Ticketsystem. Ein Mitarbeiter nimmt sich dann des Problems an und versucht, den Wunsch des Kunden zu erfüllen. Im Idealfall ist die Sache nach ein paar Stunden gelöst. Es kann aber auch sein, dass die Beschreibung des Problems für den Mann vor Ort nicht klar genug formuliert wurde und die Lösung mehrere Mails und mehrere Tage in Anspruch nimmt. Hier kann eventuell eine Anleitung mit Foto oder Zeichnung gut helfen. Natürlich kann man auch per Skype einen Termin vereinbaren und sozusagen live am Teleskop das Problem besprechen. Dies ist in der Umsetzung aber etwas schwierig und auch etwas unbeliebt, weil in Spanien ein etwas ,,anderes" Englisch gesprochen wird als bei uns. Sollte der Support vor Ort nicht in der Lage sein, das Problem perfekt zu lösen, gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Das Teil wird abmontiert und zum Kunden geschickt (das ist aber nur bei kleinen Teilen sinnvoll).
2. Ab ins Flugzeug und das Problem selbst lösen. Leider ist mir das tatsächlich passiert. Im Bereich des Off-Axis-Guiders war eine Demontage nötig und dies konnten die Mitarbeiter tatsächlich nicht lösen, auch weil sie vor Ort sehr vorsichtig vorgehen, um Beschädigungen zu vermeiden. Lieber, es fällt etwas für drei Wochen aus, als dass der Betreiber teures Equipment bezahlen muss.
Meine Meinung: Im Bereich Fertigkeiten der Feinmechanik bleibt noch Luft nach oben. Die Grenze, was der Support vor Ort leisten kann, ist schwer im Vorfeld abzuklären. Nachträglich gesehen rate ich jedem, sein Setup so einfach wie möglich und ohne Super- und Sonderlösung aufzubauen. Ganz erspart bleibt es aber trotzdem nicht, vielleicht einmal im Jahr persönlich vor Ort aufzutauchen und nach dem Rechten zu sehen. Vielleicht ist es zur Optimierung der Justage, um die Optik und alles andere zu reinigen, mögliche Veränderungen in der Nachbarschaft oder ähnliches wahrzunehmen oder auch nur, um mit den Betreibern und Leuten vor Ort ein gutes Verhältnis zu pflegen. Nach zwei intensiven Jahren beendete ich dieses Abenteuer in Spanien aus den gerade geschilderten Gründen - mit einem lachenden und einem weinenden Auge ...
INSERENTEN
144 APM Telescopes, Rehlingen 17 astronomie.de, Neunkirchen 13 Astroshop.de nimax GmbH, Landsberg
107 ATT, Essen U4 Baader Planetarium, Mammendorf 53 euro EMC 29 Gerd Neumann jr. Entwicklung und Herstellung
feinmechanischer & optischer Instrumente
119 Sahara Sky, Fritz G. Koring, Marocco 77 Kiripotib Astrofarm 65 Kosmos Verlag, Stuttgart U3 Optical Vision Limited, UK 47 Optische Geräte Wolfgang Lille, Heinbockel 35 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Spektrum der Wissenschaft
97 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg Sterne und Weltraum
U2 Vesting e. K. Fachhandel für Astronomie, Hamburg
34 | Journal für Astronomie Nr. 73
SPEZIAL Physik Mathematik Technik
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EDGE69 / GETTY IMAGES / ISTOCK
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Wenn einer eine Reise macht ...
von Josef Pöpsel
Gut sechzehn Jahre ist es her, dass unser Baby das Licht der Welt erblickte. Mit knapp einer Tonne Gewicht und 60 cm Durchmesser durchaus ein stolzes Exemplar seiner Gattung. Die Rede ist von ,,Ganymed", einem 24-Zoll-Spiegelteleskop, das wir uns als Team im Jahre 2002 zulegten, und das seitdem schon so Manches erlebt hat - und wir mit ihm. Um seine Reise um die Welt, von Löwen, Skorpionen und Schneestürmen geht es in diesem ersten Teil unseres Berichtes - im zweiten folgt dann die ,,Technikgeschichte": Die Remote-Steuerung, der Bau einer Kuppel und was man sonst noch so braucht, um sein Baby in trockene Tücher zu bekommen.
Ich erinnere mich noch gut, als ich irgendwann im Herbst 2002 eine Anzeige in ,,Sterne und Weltraum" las: ,,Suchen dritten Mann für Teleskop-Projekt auf La Palma". Ich war damals mit meinen Versuchen, vernünftige Astrofotos zu machen, ziemlich gescheitert - trotz einiger Investitionen in eine CCD-Ausrüstung (768 x 512 Pixel, um die Jahrtausendwende fast unbezahlbar). Sollte ich frustriert aufgeben oder ,,richtig" loslegen? Nun, ich habe mich für Letzteres entschieden.
Die Palmeros wollten auf dem Roque de los Muchachos neben den dortigen Großteleskopen ein Gästezentrum errichten und hatten Platz für unser Teleskop - so zumindest war damals der Stand der Dinge. Ein Trip nach La Palma, viele Diskussionen mit den Astronomen vor Ort und einige Zeit später folgte ein ernüchterndes Ergebnis:
Das Capella-Team besteht derzeit aus Josef Pöpsel, Dr. Stefan Binnewies und Frank Sackenheim. Der vierte Mann, Prof. Dr. Hanns Ruder, ist bekanntlich verstorben. Die Redaktion
1 Ganymed im Sommer 2003 zu Testzwecken im heimischen Garten.
Als Fundament diente der Boden des ,,Astroklos", einer auf Rollen befindlichen Hütte, in der normalerweise ein Meade LX200 montiert war.
Bis aus La Palma etwas wird, sind wir alt und grau. Ich sollte Recht behalten - erst 2016 wurde der Grundstein für das ,,Centro de Visitantes del Roque de los Muchachos" gelegt, noch heute sind die Bauarbeiten nicht abgeschlossen, sollen es aber bald sein. Ja - ich bin mittlerweile alt und grau.
Das Teleskop nebst Montierung war mittlerweile fertiggestellt und stand im Sommer 2003 für ein paar Wochen zum Test bei mir im Garten (Abb. 1). Ich weiß bis heute nicht, was die Nachbarn damals gedacht haben, als sie das Ungetüm mit knapp vier
Metern Höhe erblickten. Eine provisorische Plastik-Umhausung bot bedingt Wetterschutz, aber einen Sturm hätte es damals nicht geben dürfen. Zum Einsatz kam eine SBIG ST-10XME mit AO7. Das erste Bild war vielversprechend: die KaulquappenGalaxie UGC 10214 (Abb. 2). Die Hardware lief also, nur mein Garten war kein dauerhafter Hort für unser Baby.
2003 - 2006: Namibia Und dann erreichte uns ein Angebot aus Namibia. Dort gab es eine Gästefarm, wo man unser Teleskop gerne beherbergen
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
2 Das linke Bild von UGC 10214 entstand
im Sommer 2003 noch im heimischen Garten mit einer SBIG ST-10. Im Vergleich dazu rechts dasselbe Ziel mit demselben Teleskop, dieses Mal von Kreta aus fünf Jahre später mit einer SBIG STL-11000 remote aufgenommen (Ausschnitt).
wollte - wohl auch mit dem Hintergedanken, damit mehr Gäste auf die Farm zu locken. Diese Chance ließen wir uns nicht entgehen, war doch Namibia bekannt für seine klare, trockene Luft, das (angeblich) so gute Seeing und natürlich den Südhimmel. Im Vergleich zu La Palma waren die Entscheidungswege kurz und schon im Herbst stand das Teleskop in 2.500 m Höhe auf der Amani-Lodge nahe Windhoek in einer extra errichteten Rolldachhütte. Per Luftfracht hatte sich unser Baby in vier Holzkisten, von der Air Namibia aus ,,nationalem Interesse" gesponsert, auf den Weg gemacht und erblickte dort im August 2003 das erste Mal den Südhimmel. An RemoteSteuerung war seinerzeit nicht zu denken - wenn Internet, dann über ein Modem mit Akustik-Koppler bei 1024 Baud. Selbst einfache E-Mails dauerten ewig.
Der durchaus geschäftstüchtige Lodge-Besitzer hatte außer unserem Teleskop (damals das größte in Namibia) und einem frei herumlaufenden zahmen Geparden noch zwei weitere Attraktionen in Form von ausgewachsenen Leoparden. Die kommen zwar in diesem Teil Namibias eigentlich frei lebend nicht vor, aber was tut man nicht alles für die zahlenden (Foto-) Gäste. Blöd nur, dass die Umzäunung des Geheges die beiden Katzen nicht vom Ausbüchsen abhalten konnte. Ein bisschen mulmig ist einem schon, wenn man nachts im Freien herumspaziert und nicht nur Angst vor giftigen Puffottern, die den Weg kreuzen, sondern auch vor hungrigen Leoparden haben
3 In Kisten verpackt verlässt Ganymed Namibia, auf zu neuen Ufern Richtung Kreta.
muss. Wenn man sie bemerkt, ist es bereits zu spät. Da sind die vermeintlichen ,,Erdhaufen", die plötzlich nachts auf den Wegen zum Schlafplatz auftauchen und von denen man sich fragt, wie sie denn so schnell dahin gekommen sind, fast nicht mehr der Rede wert. Nach der ersten Begegnung mit einem solchen Haufen, aus dem plötzlich ein langer Hals mit Kopf auftauchte, um sich anschließend zu erheben und davonzulaufen, weiß man, was das gerade war ...
Nach drei Jahren haben wir Namibia wieder verlassen. Die Leoparden waren zwar nicht wieder aufgetaucht, aber das leere Gehege wurde nach dem Umbau mit zwei ausgewachsenen, nicht weniger furchteinflößenden Löwen gefüllt. Es gab nichts Be-
ruhigenderes, als die beiden nachts in drei Kilometern Entfernung in ihrem Gehege brüllen zu hören. Dann wusste man, dass sie weit weg waren. Meine Furcht vor wilden Tieren erwies sich im Nachhinein als nicht unbegründet. In einem Internetbericht vom März 2013 stand, dass Alain und Shanaaz Houalet (Eigentümer der AmaniLodge) Reiseveranstalter und Safariunternehmen über einen tödlichen Angriff eines Löwen informiert hatten. Ein 22-Jähriger wurde schwer verletzt und starb kurz darauf.
Die mehrwöchigen Reisen gingen doch stark ins Geld und die astronomischen Bedingungen hielten nicht das, was wir uns versprochen hatten. Wahrscheinlich
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
4 Elefantenrüsselnebel IC 1396 A/B, August 2006, bei 5 m Brennweite (f/8,3) mit einer SBIG STL-11000M aufgenommen, FWHM = 1''-1,3''
5 Spiralgalaxie M 74, Aufnahmedaten wie in Abb. 4
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
6 Stephans Quintett, Aufnahmedaten wie in Bild 4
7 Das erste Bild von M 3, remote mit Ganymed aufgenommen im Mai 2007
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Berg angekommen, konnten wir bereits in
der darauf folgenden Nacht ,,First Light"
feiern. Das Teleskop funktionierte hervor-
ragend und wir machten den Rest der Wo-
che einzigartige Aufnahmen (Abb. 4, 5 und
6). Angst vor wilden Tieren brauchten wir
nun nicht mehr zu haben. Lediglich Schafe
und Ziegen, die sich nachts auf den Wegen
zum Schlafen legten, sorgten für Stolperfal-
len und ihre Hinterlassenschaften für eine
gewisse Rutschgefahr. Skorpione auf Kre-
ta sind im Vergleich zu den namibischen
winzig! Übrigens hatte ich in Namibia eine
Flasche Champagner versprochen, wenn
8 Hanns Ruder live in Skinakas - hier bei der Videoaufnahme Jupiters
wir irgendwann einmal ein Seeing besser 1'' haben sollten. Bereits nach der zweiten
Nacht auf Kreta musste ich mein Verspre-
chen einlösen. Überglücklich verließen wir
auf Grund der Lage der Rolldachhütte am Sie war elektrisch betrieben, Internet war Skinakas, mit dem Vorsatz, Ganymed beim
Hang hatten wir nur ein mittleres Seeing auch verfügbar. Also ging es in Namibia nächsten Besuch remotefähig zu machen.
von schlechter als 2''. Unser Ende in Nami- ans Kistenpacken. Ganymed machte sich
bia hatte aber noch einen anderen, wesent- auf den weiten Weg nach Kreta, dieses Mal Das von der Universität Heraklion betrie-
lichen Grund: Wir hatten eine ausgespro- über Südafrika per Schiffsfracht (Abb. 3). bene Skinakas Observatory ist allerdings
chen interessante Alternative!
Air Namibia stand aus nachvollziehbaren während der Wintermonate von Oktober
Gründen nicht mehr als Sponsor zur Ver- bis April geschlossen und aufgrund der
2006 - 2012: Kreta
fügung. Gut acht Wochen später, im August Schneemengen nur zu Fuß erreichbar. Man
Einer aus unserem Dreierteam war ab- 2006, erreichte das Teleskop nebst Tech- wird dort zwar von Frühjahr bis Herbst mit
gesprungen und Prof. Dr. Hanns Ruder nik ohne allzu große Blessuren Kreta. Am 150 klaren Nächten verwöhnt, aber für die
(schon damals emeritierter Professor für
theoretische Astrophysik) bekundete nach
einem SuW-Titelblatt mit der von uns foto-
grafierten Spiralgalaxie NGC 613 Interesse
an einer Zusammenarbeit. Ab 2005 war er
der dritte Mann im Team. Er wollte sich
als Rentner noch einmal an die praktische
Astronomie wagen, die er in seiner Jugend
betrieben hatte. Ein Kontakt zu seinem al-
ten Studienfreund Prof. Papamastorakis,
der mittlerweile Professor für Astronomie
an der Universität Heraklion war, sollte uns
auf die Insel Kreta umziehen lassen. Dort
stand auf dem Berg Skinakas in 1.750 m
Höhe eine leerstehende, in die Jahre ge-
kommene 8-m-Kuppel (ASH-Dome),
die nur alle paar Wochen an öffentlichen Tagen als Besucherraum benutzt wurde.
9 Das jähe Ende auf Skinakas: die Kuppel nach einem Schneesturm im April 2012
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Wintersternbilder ist der Standort leider ungeeignet. So war über den Winter Zeit für die Planung und das Beschaffen von Equipment für die Remote-Steuerung - von elektrisch zu öffnenden Klappen für den Hauptspiegel hin zu Internetkameras und fernsteuerbaren Steckdosen. Der Dome konnte zwar elektrisch gedreht und geöffnet werden, das aber nur per Kopfdruck und durch Stecker einstecken. Näheres zum nötigen Umbau dann im zweiten Teil des Artikels. Im April 2007 war es schließlich so weit. Vollgepackt mit nötiger Hardware machten wir uns an den Umbau. Nach einer Woche Arbeit, drei Stunden vor Abflug, war es geschafft!
1 0 Richtfest des neuen Domes im heimischen Garten
Ganymed ist in zwei verschiedenen Modi betreibbar. Im Sekundärfokus bei 5 Metern Brennweite (f/8,3), bei dem die Kamera hinter dem Primärspiegel montiert wird und im Primärfokus bei 1,8 Metern Brennweite (f/3). Hier wird die Kamera oben am Teleskop direkt an der Spinne montiert. Der 8-zöllige Sekundärspiegel wird zu diesem Zweck abgeschraubt. Im Sekundärfokus ist so bei Verwendung derselben Kamera eine etwa dreimal höhere Auflösung bei entsprechend längerer Belichtungszeit möglich. Trotz des außerordentlich guten Seeings auf Kreta entschieden wir uns, das Teleskop erstmal im Primärfokus remote zu betreiben (Abb. 7). Bei 1,8 m Brennweite ,,verläuft" sich das Teleskop nicht so schnell und ein Leitstern für das Guiding ist so gut wie immer im Gesichtsfeld.
Ein Jahr später, mittlerweile mit reichlich Übung in der Remote-Steuerung, bauten wir das Teleskop auf Sekundärfokus um und konnten so auch das gute Seeing ferngesteuert voll ausnutzen. Es folgten produktive Jahre, es entstanden Hunderte
1 1 Der neue Aufbau in der Eifel
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1 2 Ganymed während einer
Remote-Aufnahme in der neuen Kuppel im Juli 2018
land zu holen. Dort harrte er dann knapp zwei Jahre der Dinge, die da kamen.
wunderbar scharfer Aufnahmen. Gelegentlich ein Besuch, um den Spiegel zu putzen und ein paar Tropfen Öl zu verteilen, oder einfach, um ,,live" vor Ort Bilder zu machen - mehr war nicht nötig (Abb. 8).
Und dann kam das jähe Ende! Im April 2012 erreichte mich ein Anruf aus Griechenland mit dem lapidaren Inhalt ,,Mit Eurer Kuppel stimmt was nicht". Ein Bauarbeiter, der die letzten Schneeverwehungen der Zufahrtsstraßen weggeräumt hatte, hinterließ per Handy eine ähnlich lautende ,,Fehlermeldung" an der Uni Heraklion. Einen Tag später erreichten uns dann die ersten Bilder des Desasters: Die Kuppel sah aus, als hätte sich Zeus (der der Sage nach ganz in der Nähe von einer Ziege gesäugt aufwuchs) persönlich auf den Dome gesetzt, um ihn als Melkschemel zu benutzen (Abb. 9). Ein Schneesturm über den Winter hatte wohl erst den Spalt davongefegt, er wurde ein paar hundert Me-
ter entfernt gefunden. So entstand dann genügend Angriffsfläche, um den Dome platt zu drücken. Aber wir hatten Glück im Unglück: Ganymed war ohne große Blessuren davongekommen. Die wesentliche Elektronik hatten wir eh am Ende der Saison abgebaut und sicher gelagert. Einzig in der Tauschutzk appe unseres FSQ 106, der huckepack an Ganymed montiert war, hatten sich ein paar Zentimeter Wasser gesammelt. Aber auch er konnte gerettet werden. Glück im Unglück hatten wir auch insofern, dass der Primärspiegel des SkinakasHauptgerätes (Durchmesser 1,35 m) über den Winter neu verspiegelt wurde und ein Kranwagen ihn auf den Berg brachte. Mit dessen Hilfe konnte unser Baby dann abgebaut und ebenfalls sicher gelagert werden.
Auch ein Jahr später war nicht abzusehen, ob die Kuppel jemals wieder aufgebaut würde. So entschlossen wir uns, Ganymed per Spedition wieder zurück nach Deutsch-
In den Abendstunden des 17. Oktober 2015 verstarb Hanns. Wir trauern um unseren Freund, Inspirator und Mäzen. Wie schon Jahre zuvor sollte ein ,,neuer dritter Mann" uns aus der Standort-Patsche helfen. Frank Sackenheim, gleichermaßen bekannter Musiker wie Astrofotograf, stieß zu uns und hatte Kontakte in die Eifel, wo sich ein neuer Standort auftat. Im Gegensatz zu Kreta allerdings ohne vorhandenen Dome. Ein 5-m-Dome von der Stange war uns definitiv zu teuer und nach reichlicher Überlegung entschloss ich mich, einen solchen selbst zu bauen. Ein Jahr, Dutzende Stichsägeblätter und zehn Liter PU-Leim später - im Winter 2017, konnten wir Richtfest im heimischen Garten beim Probeaufbau feiern (Abb. 10, 11).
Im Frühjahr 2018 wurde alles wieder abgebaut, in einen (reichlich überladenen) 7,5-Tonner gepackt und in die Eifel gefahren, wo zwischenzeitlich die Gründungsarbeiten für die Punktfundamente des Domes sowie die der Teleskopsäule erfolgt waren. Nach einer Hauruck-Aktion stand der Dome nach einer Woche und beim nächsten Besuch wurde Ganymed montiert und erblickte Anfang Juni 2018 nach 14 Jahren wieder heimischen Himmel. Zwei Wochen später startete der Remote-Betrieb (Abb. 12).
Mittlerweile haben über die Jahre gut fünfhundert Astroaufnahmen den Weg auf unsere Website www.capella-observatory. com gefunden. Im zweiten Teil wird die verwendete Technik und deren Evolution Thema sein. Ebenso eine Danksagung an all die Menschen, die uns bei dieser Reise rund um die Welt geholfen haben.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Generation Z oder doch digital native?
Ganymed goes remote
von Josef Pöpsel
Der vorangegangene Beitrag handelte von der Reise unseres Babys um die halbe Welt. Ganymed, so sein Name, ist ein 24-ZollSpiegelteleskop, das wir uns als Dreierteam im Jahre 2002 zugelegt hatten. In diesem zweiten Teil geht es um die Technikgeschichte rund um das Teleskop - die Remote-Steuerung, den Bau einer Kuppel und was man sonst noch so braucht, um sein Baby in trockene Tücher zu bekommen.
Eigentlich war es eine Frühgeburt: Ganymed stand zwar im Sommer 2003 bei mir im Garten, aber es fehlte noch so einiges. Diverse Kabel wollten sortiert und mit zuverlässigen Steckern versehen werden, die Antriebe für Rektaszension und Deklination entsprachen bzgl. Genauigkeit nicht unseren Erwartungen, und die Linsen für den Primärfokus-Korrektor fehlten noch. Letztere konnte ich erst gut ein Jahr später, als das Teleskop bereits in Namibia stand, montieren: drei Linsen mit bis zu 7 Zoll im Handgepäck auf dem Flug nach Namibia und reichlich Stress bei der Gepäckkontrolle - sahen die Linsen im Röntgenbild der Kontrolleure doch aus wie große ,,schwarze Löcher". Erst nach ausgiebiger Sichtkontrolle und Sprengstofftest durfte ich in den Flieger.
Die Bewegung der Montierung, einer K140 von Michael Knopf mit 140 mm Durchmesser der Hauptachse erfolgt über zwei Friktionsräder. Je ein Gleichstrommotor mit angeflanschtem Encoder (1.024 Striche/Umdrehung) sorgt für den Antrieb, nach Untersetzung durch ein Planetengetriebe und ein Schneckengetriebe. Motor und Achsen sind über einen Stahlzylinder von 5 cm Durchmesser, der auf eine große Stahlscheibe von 30 cm Durchmesser gepresst ist, gekoppelt. Nach verschiedenen Umwegen, mit denen wir den trotz Friktionsantriebs vorhandenen Nachführfehler in den Griff bekommen wollten, bauten wir
1 Die Nabelschnur des Babys - die SBIG
STL-11000M im Sekundärfokus mit vom Rotator aufgewickelten Versorgungsleitungen
2 Die aktuellen Kameras für den
Primärfokus nebst selbstgebautem Filterschieber
Jahre später auf Kreta zwei bezahlbare Encoderringe für die Montage direkt an den Achsen ein.
Kameras Ein bisschen wie beim Hubble-Teleskop und seinen diversen Service-Missionen kamen über die Jahre verschiedene Kameras an Ganymed zur Anwendung. Begonnen hatten wir 2003 mit einer Kombination aus SBIG ST-10XME und AO7, damals das ,,non plus ultra". Als Filterrad leistete ein FR03 der Fa. Gerd Neumann, bestückt mit sechs 34-mm-Filtern, gute Arbeit. Weiter ging die Reise 2006 mit einer SBIG STL11000M. Durch die kompakte Bauweise inkl. Filterrad konnten wir diese auch im Primärfokus ohne allzu große Abschattung benutzen. 2010 tauschten wir die ST11K gegen eine SBIG STX-16803 ein, nebst FW7-STX (Siebenfach-Filterrad für quadratische 50-mm-Filter). Für Ganymeds Primärfokus war die Kombination wegen des ausladenden Filterrades leider ungeeignet. Alle verwendeten Kameras hatten einen integrierten Guider - mit dem Nachteil, dass
bei gefilterten Aufnahmen auch der Leitstern gefiltert und entsprechend dunkler wurde. Bei 5 m Brennweite und den kleinen Guidechips der SBIG-Kameras hieß das häufig, dass ein Leitstern nur bei entsprechender Drehung der Kamera zu finden war. Deshalb kam ein Pyxis-Instrumentenrotator von Optec Inc. mit 3-Zoll-Durchlass zum Einsatz. Mit ihm konnten wir die Kamera bei Bedarf drehen. Dass sich der Rotator wie versprochen nicht automatisch zurückdreht, wenn er neu gestartet wird, mussten wir erstaunt feststellen, als wir ein Jahr nach der Montage zum Service vor Ort waren: Unser Baby hing immer noch an der Nabelschnur (Abb. 1).
Nach dem Umzug in die Eifel wollten wir aufgrund des zu erwartenden Seeings Ganymed vornehmlich im Primärfokus betreiben. Wir entschieden uns, die STX, die hierfür wegen des ausladenden Filterrades zu groß war, weiter am FSQ 106 (dem Huckepack-Teleskop) zu benutzen und für den Primärfokus eine weitere, ,,moderne" Kamera zu beschaffen. Bei 1,8 m Brennweite
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
3 Vollausbau des Sekundärfokus: Mit Hilfe des quadratischen Kastens (,,Zaphod")
kann der Strahlengang nach links oder hinten (verdeckt) in zwei unterschiedliche Kameras abgelenkt werden. Links am Kasten montiert ist eine Video-Kamera (hellblau) mit vorgeschaltetem Filterrad und CaF-Flatfield-Corrector zur Brennweitenverlängerung zu sehen. Unterhalb von Zaphod ist der 3-Zoll-Rotator zu erkennen (dunkelblau), darunter die SBIG STX-16803 nebst Siebenfach-Filterrad. Oben rechts im Bild übrigens einer der beiden ,,elektronischen Schraubendreher" für die Kollimation.
gen der Schieber dienen übrigens zwei alte DVD-Auswurfschacht-Antriebe. Noch vor dem Filterschieber ist ein Off-Axis-Guider montiert. Hier kommt eine ASI290MM Mini (mono) als Kamera zum Einsatz.
Ersatz der Steuerung Der XP-Rechner, der bis dahin als SteuerPC benutzt wurde, war mit den großen Bildern der ASI094 leider hoffnungslos überfordert. Ihn einfach auszutauschen, war nicht ohne Weiteres möglich, da die verwendete Steuerhardware PC-Einsteckkarten benutzte, die es nur für ISA-Bus-Rechner gab und für deren Treiber Windows XP zwingend war. Zusätzlich hatten die DC-Motoren der Montierung offensichtlich den ,,Schneeeinbruch" auf Kreta doch nicht so gut überstanden. Sie gaben beide innerhalb eines Jahres nach Wiederinbetriebnahme ,,ihren Geist auf ".
So stand also ein neuer Umbau an: Der PC wurde gegen einen modernen PC mit Windows 10 getauscht und die komplette
entsprechen die 9-m-Pixel der ,,alten" Kameras etwa einer Bogensekunde am Himmel. Bei gutem Seeing ist das etwas reichlich; kleinere Pixel mussten her. Nach langem Hin und Her entschieden wir uns für den Sprung ins kalte Wasser - weg von Mono-CCD-Chips hin zu einem Farb-CMOSChip. Wir entschieden uns für die ZWO ASI094MC Pro (Full Frame, 7.376 x 4.928 Pixel, 4,88 m/Pixel). Mit 36 Megapixeln hat sie mehr als zehnmal so viele wie unsere erste Kamera. Um auch mit der Farbkamera Schmalbandaufnahmen zu erhalten, entstand ein Doppel-Filterschieber nebst ASCOM-Treiber, der ohne zu vignettieren im Primärfokus benutzt werden kann.
Einer der beiden aufeinander geschichteten Schieber (Abb. 2) wurde mit einem UV/IRCut-Filter und einem Dualbandfilter für H/[OIII] versehen, der andere mit einer schwarzen Kappe und ,,nichts". So sind automatisierte Darkframes (die ASI verfügt nicht über einen eingebauten Shutter), UV/ IR-gefilterte RGB-Bilder und H/[OIII]Bilder möglich. Als Mechanik zum Bewe-
4 Diverse Bogenplatten nach dem Aus-
sägen mit der Stichsäge. Sie wurden anschließend versetzt in drei bzw. vier Schichten verleimt. Insgesamt waren gut 500 dieser Bogenplatten nötig.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Steuerung ,,ausgemistet". Die Motor-Encoder haben wir ersetzt und die Steuerung tauschten wir gegen eine SiTech II, einer über USB ansprechbaren Steuerung, die zwei DC-Servomotoren bedienen kann und auch Digital-Eingänge für Achs-Encoder hat. Die alten Achsen-Encoder konnten wir weiter verwenden, nur die Signalaufbereitungskästchen der Encoder mussten von ,,analog" auf ,,digital, 1.024-fach interpolierend" umgetauscht werden. Die in die Jahre gekommene AutoSlew-Software wurde komplett durch die Software für die SiTech II ersetzt.
Die Fokusmotoren, die ,,früher" von der Phillip-Keller-Hardware betrieben wurden, steuert nun ein Microcontroller (ESP8266) mit nachgeschalteter H-Brücke. Der Controller, an den die Fokusmotor-Encoder-Signale direkt gehen, ist per USB an den PC angeschlossen und wird über einen selbst geschriebenen ASCOM-Fokustreiber gesteuert.
5 Beplankung des Domes in der Eifel. Die vorgefertigten Planken wurden ,,am lebenden
Objekt" gebogen und verschraubt. Der lange, aus der ,,Tür" herausragende Holzbalken diente während des Aufbaus als Kran.
Seit dem Umbau ,,rennt" das Baby wie nie zuvor - zuverlässig und (wg. des deutlich schnelleren Rechners) flüssiger - selbst der Autofokus (bei f/3 und 1,8 m Brennweite keine leichte Aufgabe) funktioniert gut.
Teleskop-Hilfsaggregate Über die Jahre kamen einige weitere Geräte am Teleskop zum Einsatz. Eine experimentell angebrachte CCD-Kamera (Leihgabe der Uni Tübingen, Hanns' ehemaliger Arbeitsstätte), die normalerweise für Röntgengeräte benutzt wird (7.168 x 4.096 Pixel, der Chip hatte etwa die Ausmaße einer Zigarettenschachtel!) nebst selbstgebautem 4x-Filterschieber erwies sich leider wegen ihrer schlechten Quanteneffizienz als ungeeignet.
,,Zaphod" (Abb. 3) ermöglicht mit zwei in den Lichtweg einfahrbaren Diagonalspiegeln das Verwenden zweier zusätzlicher
6 Fast geschafft. Beschichtung der beiden Dome-Klappen mit EDPM-Folie. Jede Klappe
wird an allen vier Ecken durch je drei Kugellager, die die beiden zu sehenden EdelstahlStangen umgeben, geführt.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Kameras, z.B. für Planetenaufnahmen. Mittels Brennweitenverlängerung und Video-CCD-Kameras gelangen uns hiermit remote ansprechende Aufnahmen von Planeten und Mond - dem Steckenpferd von Hanns. Die Steuerung erfolgte über USB und Spezialsoftware (ASCOM bietet hierfür keine Schnittstelle).
An zwei der drei Kollimationsschrauben des Hauptspiegels wurden ,,elektronische Schraubendreher" (Schrittmotoren mit Getriebe) angebracht, um Ganymed auch remote kollimieren zu können - was gelegentlich nötig ist.
Remote-Betrieb Was fehlt nun, um aus einem Teleskop, das komplett über den PC gesteuert wird, ein Remote-Teleskop zu machen? Nicht mehr sehr viel. Einerseits ein ebenfalls über den PC steuerbares Dach über dem Kopf (mit zusätzlicher Staubschutzkappe für den Spiegel), andererseits ein paar Überwa-
7 Blick vom Tele-
skop-Fundament in die fast fertige Kuppel. Die Sperrholzbeplankung wurde zum Schluss noch mit 1 cm dickem, selbstklebendem Dämmstoff beschichtet, um Kondenswasser und Schimmelbildung vorzubeugen.
chungskameras, eine zuverlässige Stromversorgung (aus der Ferne schaltbar) und natürlich eine zuverlässige Internetverbindung. Letztere ,,von außen" erreichbar, z.B. per fixer IP-Adresse oder über dynamisches DNS (eine Art Internet-Adress-Vermittlungs-Service). Schließlich dient eine Fernsteuer-Software wie Remote Desktop (langsam), TeamViewer (der mit ,,kommerzielle Nutzung-Meldungen" nervt) oder UltraVNC zur Kommunikation mit der Außenwelt.
Die alte Kreta-Kuppel, die wir benutzen durften, war von vornherein elektrisch betrieben. Hier mussten nur die vorhandenen Schalter durch Relais ersetzt werden, die über eine USB-Karte (Veleman K8055) angesprochen wurden. Ein Drehencoder, per Gummischlauch an die Antriebsachse des Domes geflanscht, lieferte die aktuelle Position. Der Stecker für die Stromversorgung des Kuppelspalts wurde durch einen kurzen Schleifkontakt ersetzt. Ein Finger, der
in diesen Schleifkontakt fuhr, nahm einerseits den Strom ab und bediente andererseits einen Schalter, der die Home-Position des Domes signalisierte. Die Bedienung des Kuppelspalt-Motors erfolgte über Funkrelais nebst zugehörigem USB-Interface (ELV FS 20-Reihe). Der Dome konnte so zwar nur in ,,Home-Position" geöffnet/ geschlossen werden, aber für den Notfall standen die griechischen Profis, die sich auf dem Berg befanden, telefonisch zur Verfügung. Ein Do-It-Yourself-ASCOM-Dome-Treiber steuerte beide USB-Interfaces und zusätzlich die beiden Kollimations,,Schraubendreher" und die beiden Staubschutzklappen. Zwei schwenkbare IP-Kameras und eine achtfache IP-Steckdosenleiste - und es konnte losgehen. Die Steckdosenleiste war und ist das einzige Gerät, das ständig mit Strom versorgt wird. Alle anderen Geräte
8 Der kleine Mann, der auf der Montierung
sitzt, ist mittlerweile volljährig. Ganymed braucht bis dahin noch zwei Jahre ...
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
9 Noch ein Bild vom kleinen Mann, dieses Mal nicht vor, sondern hinter der Kamera. Max Pöpsel wirkte bei der Belichtung dieses aktuellen
Bildes mit. Zu sehen ist P Cygni (der helle Stern im Zentrum) nebst Seifenblasennebel Ju 1 (am rechten Rand) und dem ,,Mini-PN" Abell 69 oben links in der Ecke.
werden über sie geschaltet; auch der SteuerPC, der so konfiguriert ist, dass er bootet, wenn er nach ,,Stromausfall" neu mit Strom versorgt wird.
Nach dem ,,Unfall" auf Kreta musste für den neuen Standort in der Eifel ein neues Dach über dem Kopf her. Aus Kostengründen (und weil ich so was schon immer mal machen wollte ...) entschieden wir uns für den Selbstbau einer 5-m-Kuppel. Ganz klassisch, weitestgehend aus Holz (Abb. 4, 5). Nur für den Antrieb und einige wenige tragende Teile wurde Edelstahl verwendet. Die Planung der Kuppel und deren Bau hier komplett zu beschreiben, würde viel zu weit führen - deshalb nur kurz: Der untere Zylinder (ein 24-Eck), auf dem die Kuppel selbst fährt, ist etwa 120 cm hoch
und aus 8 x 16 cm2 Leimbindern gefertigt. Als Außenverkleidung dienen OSB-Platten. Die 23 Ständer (einer im Bereich des Eingangs fehlt) sind per Punktfundament im Boden verankert. Sie tragen ebenfalls die Fußbodensparren, unterstützt von vier weiteren Punktfundamenten. Die beiden Basisringe des Domes (ein fixer, ein drehbarer) wurden ebenso wie die Sparren aus mit der Stichsäge beschnittenem, versetzt verleimtem Brettschichtholz gefertigt. Die Beplankung der Kuppelsegmente, also die ,,Außenhaut" der Kuppel, erfolgte mit 9 mm dickem Birke-Multiplex-Sperrholz, das ohne Weiteres auf den gewünschten Radius von 2,5 m gebogen werden konnte. Die Kuppel wird von zwölf Schwerlastrollen getragen und von zwölf kleineren Rollen seitlich geführt. Als Wetterschutz wurde
die Kuppel vollständig mit 1,5 mm starker, weißer EDPM-Folie (ähnlich Teichfolie) beklebt und vulkanisiert. Als Antrieb dient ein 750-W-Getriebemotor, der über einen Frequenzumrichter angesprochen wird. Mittels Ritzel greift er in eine Edelstahlkette ein, die mit 6.000 Schrauben am sich drehenden Ring der Kuppel befestigt ist. Als Steuer-Interface dient die ,,alte" Veleman-K8055-USB-Interface-Karte aus Kreta, der ASCOM-Dome-Treiber wurde entsprechend modifiziert.
Die seitlich öffnenden Dome-Klappen (Abb. 6 und 7) treibt ein 50W / 24V-Motor an, der über eine 24V-USV, durch zwei 12V-Batterien gepuffert, versorgt wird. Die USV dreht sich mit dem Dome mit und wird wie in Kreta auch, in Home-Position
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
mit 24V versorgt. Dank der Pufferung ist aber das Öffnen und Schließen des Domes in jeder Position möglich. Die recht unzuverlässige FS-20-Funkstrecke zur Steuerung des Klappenmotors übernimmt nun ein bidirektionales Funkmodul, das den Empfang von Befehlen an den Sender zurückmeldet - ein nicht zu unterschätzender Sicherheitsaspekt.
Der Dome bereitet sich nun auf seinen zweiten Winter in der Eifel vor. Nach ein paar Anfangsproblemen (Holz arbeitet), funktioniert er mittlerweile recht zuverlässig. Nachträglich sind die Erfahrungen mit der verwendeten EDPM-Folie eher mittelmäßig. Die Nahtstellen dicht zu bekommen, ist nicht ganz einfach und die Verfügbarkeit der Folie ist auch nicht wirklich gegeben. Das verwendete Fichte-Brettschichtholz ist nicht sonderlich stabil - für die nächste Kuppel würde ich vermutlich massive Kiefer- oder Lärchenbretter ver-
wenden - mal sehen, wohin es unser Baby noch so treibt ...
Danksagung Ohne die Hilfe vieler Menschen wäre ein Projekt, wie das hier beschriebene, nicht möglich gewesen. Unser besonderer Dank gilt Alain und Oliver Houalet aus Namibia, Dietmar Böcker, Prof. Dr. Hanns Ruder (in memoriam), Rainer Sparenberg, Erwin Wünnenberg, Dr. Carolin Liefke und Prof. Dr. Dominik Elsässer sowie Prof. Dr. Ioannis Papamastorakis, George Paterakis und Tasos Kougentakis aus Kreta.
Weblinks (Stand Oktober 2019): [1] Teleskop Ganymed: ,,Bilder über die
letzten 16 Jahre mit Ganymed", www.capella-observatory.com
Der 90" große bipolare PN WeBo 1 in der Cassiopeia Impression
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Der 90" große bipolare PN WeBo 1 in der Cassiopeia, 1,12-m-Newton (f = 4.900 mm) der EXPO-Sternwarte Melle, CCD-Kamera SBIG STL-11000, Belichtung: 4 h H (für den L-Kanal) und je 30 min für RGB. Autor: Rainer Sparenberg, Bildbearbeitung: Stefan Binnewies.
Automatisierte und Remote-Beobachtungen
Remote Observatory Atacama Desert (ROAD)
von F.-J. (Josch) Hambsch
1 Strichspuren am Südhimmel auf der
IAS-Sternwarte Farm Hakos, Namibia, Foto: F.-J. Hambsch
Jetzt fragen sich wahrscheinlich viele Leser, wie man zu einem Remote-Teleskop in der chilenischen Atacama-Wüste kommt. Das ist natürlich eine längere Geschichte.
Die Anfänge Seit meiner Kindheit interessiere ich mich für Astronomie. In den 1980er-Jahren kaufte ich mir mein erstes Quelle-Teleskop, ein 114-mm-Newton. Danach kam ein gebrauchtes C8-Teleskop ins Haus. Nach vielen Jahren der Inaktivität durch Studium, Beruf und Familie habe ich mir dann vor 20 Jahren eine Rolldachhütte in unserem Garten in Belgien gebaut.
Schon einige Jahre vorher hatte ich eine Astronomie-Gruppe gegründet, da es so etwas in meinem Wohnort nicht gab. Nachdem meine Sternwarte stand, haben wir öfters an unseren Vereinsabenden von dort aus beobachtet. In den ersten Jahren habe ich mich dann hauptsächlich der Astrofotografie mit CCD gewidmet. Dafür hatte ich als Hauptinstrument einen 40-cm-Hyper-
graphen, f/8 und f/3 fotografisch optimiert, von P. Keller erworben.
Astrofotografie Mit diesem Gerät habe ich dann einige Jahre Astrofotografie betrieben und wurde auch Mitglied der IAS (Internationalen Amateur Sternwarte), die auf der Farm Hakos in Namibia eine Sternwarte errichtet hat. Ich habe einige Jahre die Geräte der IAS in Namibia benutzt und das führte zu einigen APODs (Astronomical Pictures of the Day). Das schönste meines Erachtens ist in der Abbildung 1 zu sehen.
Veränderlichenbeobachtung zuhause Der Wechsel zur wissenschaftlichen Arbeit kam mit der Beobachtung eines GammaRay-Burst GRB03 ... Für den Wissen-
schaftler, der ich bin, war es ein großes Ereignis, in meinem Garten im lichtverschmutzten Belgien ein Ereignis zu beobachten, das Hunderte Millionen, vielleicht Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ist. Und das nicht nur in einer Nacht, sondern in mehreren Nächten hintereinander. Das gab den Ausschlag, mich auf die Veränderlichenbeobachtung zu stürzen. Leider ist ja Belgien nicht bekannt dafür, dass es viele klare Nächte gibt. In guten Jahren kommt man auf ca. 80-100 klare Nächte. Das kann man kompensieren, wenn man an Stelle eines Teleskops zwei oder mehr Teleskope gleichzeitig benutzt. Glücklicherweise habe ich meine Sternwarte im Garten groß genug konzipiert und im Endausbau hatte ich dann vier Teleskope gleichzeitig in Aktion. Damit konnte man acht oder mehr Sterne an einem klaren Abend beobachten. Allerdings war der Aufwand doch recht groß, und ich sah mich nach anderen Möglichkeiten um.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
2 Meine Remote-Sternwarte ROAD in Betrieb unter dem Sternenhimmel der Atacama-
Wüste, Foto: F.-J. Hambsch
Erste Remote-Beobachtungen in New Mexico Durch die Astrofotografie kannte ich einige amerikanische Amateure. Zusammen mit dem bekannten Astrofotografen Jay Gabany und einem anderen Amerikaner habe ich für einige Jahre eine Sternwarte in Cloudcroft, New Mexico, USA, betrieben. Leider entsprach das Versprechen mit vielen klaren Nächten und sehr gutem Seeing nicht der Wirklichkeit. Regenzeit, Schneefall und immer wieder stärkere Winde reduzierten die Anzahl der nutzbaren Nächte auf ungefähr 150-200 pro Jahr. Das war natürlich immer noch besser als in Belgien, aber auch nicht unbedingt das Geld wert, das man dort investiert, zumal man auch noch zu dritt ein Teleskop teilt.
Inzwischen kannte ich auch weitere Amateure, die auf dem Gebiert der veränderlichen Sterne arbeiteten. Einer davon, Tom Krajci, lebte selbst auch in Cloudcroft, New Mexico, und kannte die dortigen Wetterbedingungen. Als ich ihn einmal auf einer Konferenz traf, sprachen wir natürlich auch über die klimatischen Bedingungen in New Mexico. Ich fragte ihn, ob er denn keinen besseren Platz kennen würde, und zu mei-
nem Erstaunen sagte er mir: ,,Ja, in San Pedro de Atacama in Chile." Dort hatte er einmal für einen Amerikaner ein Teleskop installiert.
Die Remote-Sternwarte in Chile Tom gab mir die E-Mail-Adresse von Alain Maury, der in San Pedro de Atacama eine Sternwarte mit Remote-Möglichkeiten betreibt. Ihn habe ich dann natürlich gleich kontaktiert und wir wurden uns schnell einig, dass ich bei ihm meine Remote-Sternwarte aufbauen konnte. Das war 2009. Das war auch gerade zu der Zeit, als die Firma ASA (Astrosysteme Austria) ihre erste Direct-Drive-Montierug DDM85 offerierte. Ich sah sofort die erweiterten Möglichkeiten einer solchen Montierung gegenüber den traditionellen Montierungen mit Schnecke und Schneckenrad. Die Montierung wurde also bestellt und ebenso das damals neue 40-cm-Dall-Kirkham-Teleskop, f/6,8 Optimized (ODK) von Orion Optics, UK. Lieferzeiten wurden mit drei Monaten angegeben. Ich wollte alles in meiner Gartensternwarte testen, bevor es die Reise nach Chile antreten sollte. Das war zumindest der Plan. Dieser wurde durchkreuzt, da sich die Lieferzeit des Teleskops um
beinahe ein Jahr verzögerte. Zum Testen des Teleskops kam ich also viel später als gedacht. Die Montierung hatte sich in der Zwischenzeit schon bewährt, da ich glücklicherweise noch ein anderes Teleskop hatte, mit der ich sie testen konnte. Durch den Einsatz der schnellen Montierung konnte ich jetzt dieselbe Anzahl von Sternen beobachten wie vorher mithilfe mehrerer traditioneller Montierungen, die noch in meiner Sternwarte standen. Schlussendlich konnte ich alle Gerätschaften dann im Juni 2011 in einer großen Kiste auf die lange Reise nach Chile schicken. Ich hatte natürlich auch für mich einen Flug im Juli 2011 gebucht, da ich vor Ort zum Sternwartenaufbau dabei sein wollte. Anders als versprochen, war der Dome bei meinem Eintreffen noch nicht fertig. Also musste sich Alain entschließen, einen anderen leeren Dome abzubauen und an meinem Sternwartenplatz wieder aufzubauen. Das ging schneller, als den Dome vor Ort zu fertigen. Die Kiste kam natürlich auch nicht zum festgelegten Zeitpunkt an, sondern blieb länger als erwartet beim Zoll hängen. Aber mit Hilfe von Alain konnte innerhalb der 14 Tage, die ich in San Pedro blieb, alles aufgebaut, die Poljustage gemacht und auch die ersten Testaufnahmen gewonnen werden. Nach meiner Rückkehr in die Heimat konnte ich am 1. August 2011 die ,,Produktion" im wahrsten Sinne des Wortes aufnehmen. Seitdem war die Sternwarte nicht länger als einen Tag außer Betrieb (Abb. 2).
Anfänglich betrieb ich beide Sternwarten, die in San Pedro und die in meinem Garten, aber nach kurzer Zeit sah ich ein, dass die Remote-Sternwarte so viele Daten liefert, dass ich damit in meiner Freizeit ausgelastet bin. So fing ich an, die Sternwarte in Belgien aufzulösen.
Viele werden sich fragen, was außer der Montierung und dem Teleskop noch ver-
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
wendet wird. Seit 2011 war ich natürlich schon einige Male wieder in San Pedro, um das eine oder andere auszutauschen, angefangen mit dem PC. Mittlerweile habe ich dort einen PC mit einem I7-Prozessor und einer 1-GB-SSD-Harddisk. Die eingesetzte Software ist vom Betriebssystem her Windows 10 und von der Astronomiesoftware MAXIM DL für die Kamera-Steuerung, The Sky 6 als Planetariumsprogramm, CCD Commander als Automatisierungssoftware und natürlich Autoslew für die Steuerung der DDM85. CCD Commander hat sich für meine Anwendung als die beste Lösung ,,von der Stange" erwiesen.
Als CCD-Kamera wird eine ML16803 von FLI, USA, benutzt. Sie hat einen großen Chip von 36 mm x 36 mm Kantenlänge und 16 Millionen Pixeln mit 9 Mikrometern. Bei einer Brennweite von 2,7 m benutze ich die Kamera meistens mit 3x3-Binning, um die Größe der Bilddateien zu verringern. In diesem Modus sind die Bilder nur ca. 3 MB groß, gegenüber 32 MB bei 1x1-Binning. Für Veränderlichenbeobachtung spielt das Binning keine so große Rolle.
Das Filterrad, ebenfalls von FLI, hat 7 Plätze für Filter und ist bestückt mit den fotometrischen Filtern UBVRI und Clear von Astrodon. Das Filterrad von FLI ist genial, da es gegenüber den mir vorher bekannten Filterrädern von SBIG mit einer Kette wie beim Fahrrad angetrieben wird. Bei der ST- und STL-Familie wurden die Filterräder von einem Reibrad angetrieben. Der Kettenantrieb ist natürlich, wenn man ihn wie ich sehr häufig benutzt, gegenüber dem Reibradantrieb verschleißfrei. Bisher gab es mit dem Filterrad noch keinerlei Probleme.
Veränderlichenbeobachtungen in Chile Kommen wir nun zu den Beobachtungen: Wie gesagt, habe ich mich ganz der Beob-
3 Phasendiagramm des RR-Lyr-Sterns AL Pic, der auch den so genannten Blazhko-
Effekt zeigt. Bei AL Pic ist dabei eine Modulation der Amplitude und der Phase zu sehen. Dieser Effekt ist von den Profis noch nicht verstanden. Diagramm von F.-J. Hambsch
achtung von veränderlichen Sternen verschrieben. Was sind veränderliche Sterne? Diese Sterne ändern periodisch oder nicht periodisch ihre Helligkeit, und diese Veränderung zu messen und das nicht nur innerhalb einer Nacht, sondern über einen längeren Zeitraum hinaus, ist der Beitrag, den Amateure leisten können. In den letzten Jahren kommen immer mehr Profi-Astronomen zu den Amateuren und bitten diese um deren Mithilfe bei wissenschaftlichen Projekten. Dies geschieht meistens über sogennante Alerts (Alarmmeldungen), die von der Dachorganisation der Veränderlichenbeobachter, der Amerikanischen Vereinigung von Veränderlichenbeobachtern (AAVSO, American Association of Variable Star Observers) über deren Webseite aavso.org mitgeteilt wird. Die AAVSO betreibt auch eine Datenbank, in die man die eigenen Beobachtungen eintragen kann. In Deutschland gibt es die BAV, Bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne, welche die Beobachtungen sammelt und ihrerseits über die Webseite bav.eu zu Beobachtungen einzel-
ner Sterne aufruft. Jeder, der ein Teleskop, eine Kamera (DSLR, CMOS oder CCD) und eine Montierung hat, kann sich an solchen Programmen beteiligen. Bei hellen Sternen genügt sogar schon ein Stativ und ein Objektiv ohne Nachführung. Man sollte es einfach einmal probieren und mit der BAV Kontakt aufnehmen. Beobachter gibt es nie genug, da es so viele interessante Sterne gibt.
Mein Beobachtungsprogramm Mein eigenes Programm ist ein Sammelsurium vieler Sterne, die ich teilweise schon jahrelang in jeder klaren Nacht beobachte. In den Jahren, seit ich die Sternwarte in San Pedro de Atacama betreibe, hat sich natürlich schon einiges angesammelt. Mein Hauptinteresse gehört den Kataklysmischen Sternen, das sind Doppelsternsysteme, wobei einer der beiden Sterne ein Weißer Zwerg ist, der meistens Materie von dem anderen Stern über eine Akkretionsscheibe erhält. Ab und an zeigen diese Sterne so genannte Ausbrüche, und ihre Helligkeit steigt um bis zu 10 Größenklassen an.
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Automatisierte und Remote-Beobachtungen
In solchen Fällen ist es interessant, die Sterne zu beobachten und deren Lichtwechsel über einen Zeitraum von Tagen oder Wochen zu verfolgen. Die Profis lernen daraus, wie das System aufgebaut ist und wie der Massentransfer vonstatten geht. Weiterhin interessieren mich sogenannte RR-LyrSterne, das sind alte, pulsierende Sterne, die auch zur Abstandsmessung innerhalb der Milchstraße dienen (Abb. 3). Das Schöne an diesen Sternen ist, dass die Periode weniger als einen Tag beträgt und man so innerhalb einer Nacht schon einen großen Bereich des Lichtwechsels beobachten kann. Weiterhin haben wir in Belgien ein Programm zum Beobachten von so genannten High-Amplitude-Delta-Scuti-Sternen (HADS). Diese Sterne haben noch kürzere Perioden von nur wenigen Stunden und man kann somit die ganze Periode, also den Lichtwechsel des Sterns vom Maximum über das Minimum zum nächsten Maximum, innerhalb einer Nacht beobachten. Hier kommt es darauf an, Periodenveränderungen im Laufe der Zeit zu beobachten, die man dann auch benutzen kann, um mehr über die Sternentstehung zu erfahren. Auch hierzu gibt es eine Webseite, und jedermann kann sich an den Beobachtungen beteiligen.
Das Highlight - AR Sco Im Laufe der Zeit haben sich natürlich sehr viele Objekte in meinem Programm angesammelt. Alles aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Deshalb
4 Lichtkurve des ersten
Weißen-Zwerg-Pulsars, AR Sco. Die Aufnahmen mit 10 s Belichtungszeit zeigen deutlich die verschiedenen Pulsationsperioden und eine Veränderung der Amplitude von bis zu 1 Magnitude innerhalb von 1 Minute. Lichtkurve von F.-J. Hambsch
kommen jetzt die so genannten Highlights. Der bisher größte Erfolg der Zusammenarbeit mehrerer Amateure und der Profis war die Entdeckung des ersten Weißen-ZwergPulsars. Neutronensternpulsare sind schon lange bekannt, aber Weiße Zwerge als Pulsare kannte man bis 2016 noch nicht. Theoretisch wurden diese wohl vorhergesagt, aber Beobachtungen von solchen Sternen gab es bisher nicht. Der Stern, um den es sich handelt, AR Sco, im Sternbild Skorpion, war schon seit den 1970er-Jahren als Veränderlicher bekannt, aber eben falsch klassifiziert, wie so viele Veränderliche. Ein deutscher (Stefan Hümmerich) und ein österreichischer Amateur (Klaus Bernhard) fanden den Stern bei der Durchsuchung von astronomischen Sterndatenbanken im Internet. Da wir uns schon von vorherigen Projekten und auch über die BAV kannten, fragten mich beide, ob ich diesen Stern beobachten könnte. Gesagt, getan, und die Lichtkurve, die herauskam, war für uns rätselhaft (Abb. 4). Also schalteten wir die Profis ein und die waren sofort aus dem Häuschen und haben alles, was ihnen zur Verfügung stand (VLT auf dem Paranal in Chile, WHT auf La Palma, Radioteleskope in Australien, verschiedene Satelliten, unter anderem Hubble) auf den Stern gerichtet.
Der Erfolg Heraus kam dann die Entdeckung des ersten Weißen-Zwerg-Pulsars und eine Publikation der Ergebnisse im Fachblatt Nature
(Nature 2016). Die Amateure spielten dabei die herausragende Rolle, diesen Stern als Erste entdeckt zu haben, und es war doch schön zu sehen, dass mein bescheidenes Teleskop in dem Artikel in Nature neben den großen Lichtkanonen (VLT, WHT, Hubble) erwähnt wurde.
Als Naturwissenschaftler, auch wenn meine Ausbildung nicht in der Astronomie war, bin ich natürlich daran interessiert, dass meine Beobachtungen, die ich für die Profis mache, letztendlich zu publikationsreifen Manuskripten führen. Das war in den letzten Jahren sehr fruchtbar, und wer sich dafür interessiert, kann gerne die Artikel als Vorabversion, die für jedermann auf ARXIV.org zugänglich sind, anschauen. Man muss nur nach meinem Nachnamen, Hambsch, suchen.
Ich hoffe, ich konnte einen interessanten Einblick in meine Arbeit und meine Remote-Sternwarte, die, wie im Titel aufgeführt, den Namen ROAD (Remote Observatory Atacama Desert) trägt, geben und stehe für weitere (Detail-)Fragen sowohl zum Remote-Betrieb als auch zu der Veränderlichenbeobachtung zur Verfügung.
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Amateurteleskope / Selbstbau
Neues aus der FG Amateurteleskope/Selbstbau
Österreichischer Optik-Spezialist verstorben Alois Ortner, 1938 als Bauernsohn in Kärnten geboren, verstarb am 6. September 2019 nach längerer Krankheit in seinem Heimatort Mäder in Vorarlberg. Alois hatte schon als Jugendlicher großes Interesse an Optik. In den 1960er-Jahren machte er relativ spät seine Lehre als Feinoptiker. Später legte er in Mäder auch seine Meisterprüfung ab. Bei einer großen optischen Firma in Heerbrugg war er als Fachmann für die Lösung schwieriger Probleme zuständig, auch dann, wenn es um hochpräzise optische Teile für Satelliten oder das Weltraumteleskop ging.
Treffen der FG Amateurteleskope/Selbstbau auf der BoHeTa 2019 Teleskoptreffen und Tagungen bieten immer wieder gute Möglichkeiten für gemeinsame Gespräche und Ideenaustausch. So haben sich einige Interessenten zum Thema Selbstbau auf der BoHeTa am 9. November 2019 getroffen (Abb. 2).
Als Ehrenmitglied des Astronomischen Arbeitskreises Salzkammergut nahm Alois Ortner - solange es seine Gesundheit zuließ - stets am Astronomie-Workshop teil und stand mit fachkundigem Wissen jedem zur Seite, der ihn um Rat fragte (Abb. 1). Auch bei vielen deutschen Fernrohrbauern war Alois gut bekannt und beliebt.
2 Erstes Fachgruppentreffen auf der BoHeTa 2019 im kleinen Kreis,
Bild: Hubert Hermelingmeier
1 Alois Ortner prüft ein Spiegelteleskop beim
Astronomie-Workshop, Bild: Erwin Filimon
Die Teilnehmer waren zumeist der Meinung, dass der klassische Selbstbau eine andere Sichtweise bekommen hat. So stehen nicht mehr die Kosten beim Selbstbau von Teleskopen und Montierungen im Vordergrund, sondern eher die Modifizierung an erworbenen Beobachtungsgeräten. Es besteht aber auch das Interesse, Teleskopspiegel selbst zu schleifen. Gleichzeitig gab es die Information, dass einige Spiegelrohlinge verfügbar sind. Wer also Interesse hat, seinen Teleskopspiegel selbst (aber nicht alleine) zu schleifen, melde sich bitte per E-Mail bei dem Fachgruppenleiter Andreas Berger.
Alois Ortner ist am Himmel verewigt - der Kleinplanet (367488) Aloisortner wurde 2014 von der Weltraumbehörde NASA nach unserem lieben Kollegen benannt, weil er dort einen ausgezeichneten Ruf als Feinoptiker und Berater in optischen Fragen genoss.
Für die hier zu lesenden Informationen vielen Dank an Udo Peter, den Obmann der Vorarlberger Amateurastronomen, bei denen Alois Ortner langjähriges Mitglied war. Wir werden Alois in bester Erinnerung behalten und sprechen hiermit auch seiner Familie unser Mitgefühl aus.
Peter Riepe
Für den Austausch innerhalb der Fachgruppe wird eine neue Mailingliste eingerichtet. Dabei hoffen wir auf eine bessere Steuerung der Nachrichten für die einzelnen Teilnehmer, so dass kein Diskutant übermäßig viele Nachrichten bekommt. Der Zugang zur Mailingliste erfolgt über die FG-Webseite http://selbstbau.vdsastro. de/Gruppe#Mailingliste. Ein wichtiger Hinweis dazu: Es wird keinen automatischen Transfer der Teilnehmeradressen aus der alten Mailingliste in die neue geben.
Hubert Hermelingmeier
QR-Code zur Mailingliste
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Amateurteleskope / Selbstbau
Experiment veranschaulicht Sternefunkeln
von Hubert Hermelingmeier
Warum funkeln die Sterne? Diese Frage wird uns bei Astroveranstaltungen wie z.B. den alljährlichen Astronomietagen oder bei Wanderungen auf unserem Planetenweg immer wieder gestellt [1]. Bei den Wanderungen auf dem Planetenweg kommt die Frage genau dann auf, wenn wir erklären, dass die Planeten am Sternenhimmel an ihrem ruhigen Licht erkennbar sind, während die Sterne gerade in kalten Winternächten funkeln. Wir wissen, dass das Licht gebrochen wird, wenn es von einem Medium in ein anderes wechselt. Die Atmosphäre weist bewegliche Luftzellen unterschiedlicher Temperaturen auf - dort wird das Licht unterschiedlich und schwankend gebrochen. Diese Lichtbrechung verursacht das Funkeln.
dass der Stab an der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser geknickt ist. Das Wasser ist das ,,andere Medium" anstelle der Luft. Soweit der erste Teil des Experimentes. Des Weiteren nehmen wir unseren Laserkollimator, über den jeder Dobsonbesitzer verfügt, und zeigen, dass der Laserstrahl an der gegenüberliegenden Fläche einen kleinen ruhigen Lichtpunkt zeigt (Abb. 1). Wenn wir den Laserstrahl aber durch das Wasser schicken und dann die Flasche auch noch leicht schütteln, beginnt der Laserpunkt auf der dahinterliegenden Fläche zu tänzeln und wird ,,matschig" (Abb. 2).
Mit diesem Experiment werden unseren Besuchern die Szintillation und das Funkeln der Sterne deutlich.
Zur Erläuterung dieses Sachverhaltes nutzen wir folgendes Experiment: Wir haben von einer klaren PE-Flasche das Etikett entfernt und diese bis zur Hälfte mit Wasser befüllt (Abb. 1). Darin steht ein Stab, der zur Hälfte in das Wasser eingetaucht ist. Bis dahin kennen wir aus dem Physikunterricht,
Literaturhinweis: [1] H. Hermelingmeier, 2019: ,,Der
Planetenweg als Eingang zur astronomischen Bildung", VdS-Journal für Astronomie 70, 3/2019, S. 72
1 Der Stab im Wasser zeigt die Lichtbrechung. Der Laserstrahl
zeigt an der Wand eine kreisförmige Abbildung.
2 Der Laserstrahl geht durch die Flasche mit dem Wasser. Der
Lichtpunkt wird teilweise reflektiert und zeigt an der dahinterliegenden Wand eine längliche Form.
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Amateurteleskope / Selbstbau
Polhöhenwiege für Astrotrac TT320x und andere Reisemontierungen
von Christoph Jelsen
Vor vielen Jahren während eines Praktikums habe ich mir eine Polhöhenwiege für meine erste parallaktische Montierung gebaut, die seinerzeit für ein kleines Tischfernrohr, das Multi 70 S von Vixen, gedacht war und auch genutzt wurde. Die Teile für die Polhöhenwiege stammen aus einem Schrottcontainer der Praktikumsfirma. Die Bleche wurden an den Kanten mit einer Fräsmaschine überarbeitet, so dass sie am Ende winkelig waren. Die Maße der Polhöhenwiege ergaben sich im Wesentlichen aus den gefundenen Schrotteilen und nicht aus irgendwelchen Berechnungen. Die Klemmringe wurden auf der Drehbank gefertigt und dort auch exzentrisch gebohrt. Die Klemmringe und die Welle hat mir dann ein Kollege bei der Firma nach meinen Wünschen an die Bleche angeschweißt. Das Material besteht aus verschiedenen Edelstählen (was der Schrottcontainer eben so hergab). Das Ganze ist inzwischen etwa 30 Jahre her. Damals haben sich alle über die Eigeninitiative des Praktikanten gefreut. Heute wäre das so sicher nicht mehr ohne Weiteres möglich. So ändern sich die Zeiten.
Etwas Ähnliches lässt sich aber auch ohne Werkzeugmaschinen bauen, z.B. aus Holz. Die Steifigkeit der Polhöhenwiege hängt im Wesentlichen von dem Konstruktionsprinzip ab und weniger vom Elastizitätsmodul der Werkstoffe. Wesentlich ist, dass sich alle beweglichen Teile nach der Einstellung festklemmen lassen, so dass jegliches Spiel verschwindet. Es darf nicht einfach nur ein Winkel sein, der sich um den Drehpunkt herum elastisch verformt. Es sollte vielmehr geometrisch ein Dreieck darstellen, das die Verformung stark behindert, weil es durch die geschlossene Geometrie wesentlich steifer ist.
Eines schönen Tages, Jahre später, habe ich dann auf einem ATT in Essen die Reisemontierung Astrotrac TT320x gesehen
1 Gesamtansicht der Polhöhenwiege
und gekauft. Damals war die zugehörige Polhöhenwiege von Astrotrac ausverkauft und erschien mir für 350,- EUR auch ziemlich teuer. Jedenfalls kam mir bei dieser Gelegenheit mein altes Schätzchen wieder in den Sinn und wurde kurzerhand für den Astrotrac TT320x umgebaut (Abb. 1).
Die Polhöhenwiege lässt sich auch unter Last verstellen, in dem die beiden Inbusschrauben an der Klemmung etwas gelöst werden und sich der Neigungswinkel mit der Flügelmutter an der Gewindestange einstellen lässt. Das Widerlager der Gewindestange im Bereich der Flügelmutter ist der Kopf eines alten Fotostativs vom Flohmarkt, das für diesen Zweck herhalten musste.
2 Detailansicht Polhöheneinstellung
der Polhöhenwiege
Der Kopf lässt sich ebenfalls festklemmen. Vielleicht ersetze ich alle Inbus- und Kreuzschlitzschrauben noch durch Rändelschrauben, so dass ich zum Einstellen kein Werkzeug mehr benötige, nach dem nächsten Baumarktbesuch wahrscheinlich. Die Polhöhenwiege hat einen sehr großen Einstellbereich, so dass sie, abgesehen von äquatornahen Bereichen, nahezu weltweit eingesetzt werden kann (Abb. 2).
Die Gewindestange ist spielfrei mit dem Winkel verbunden. Am oberen Ende der Gewindestange befindet sich eine Messingkugel aus dem Bastlerladen oder von einem alten Möbelstück - ich weiß es nicht mehr genau. Sie ist zwischen zwei Brettchen ein-
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Amateurteleskope / Selbstbau
3 Detailansicht exzentrische
Klemmringe
4 Detailansicht Aluminium-Vierkantprofil mit
Befestigungsschraube für den Astrotrac TT320x
5 Gesamtansicht Montierung mit Objektiv
und Kamera
geklemmt und funktioniert als Gelenk. Alle an der Polhöhenwiege vorhandenen Gelenke können festgeklemmt werden, so dass die Wiege in sich kein Spiel hat und eine sehr große Steifigkeit aufweist. Auch unter großer Belastung verformt sie sich kaum und würde auch bei Verwendung von noch höherwertigen Bestandteilen der Montierung wie Fotokopf, Astrotrac und Stativ nicht den Schwachpunkt des Ganzen darstellen.
Zur Befestigung des Astrotrac TT320 ist mir ein Vierkant-Aluprofil in die Hände gefallen. Das wurde mittig durchbohrt und im rechten Winkel dazu mit vier Schrauben auf dem Blech des Polhöhenwinkels geschraubt. Die vier Schrauben halten auf der
Rückseite gleichzeitig das Brett, auf dem die Messingkugel für die Gewindestange eingespannt ist. Durch das untere Loch kann man mit Hilfe eines Inbusschlüssels die Schraube anziehen, die den Astrotrac TT320 hält. Die Mutter dient dem Kontern der Schraube. Wichtig für die Steifigkeit ist auch hier das geschlossene Vierkantprofil. Ein Winkel aus dem Baumarkt hätte es im Prinzip auch getan, wäre aber wesentlich elastischer gewesen und hätte die Steifigkeit der Gesamtkonstruktion stark beeinträchtigt (Abb. 3 und 4).
Schwierig war es, die 3/8-Zollschraube mit Kontermutter zu bekommen, um den Astrotrac 320 darauf zu befestigen. Hier
hilft eine gut sortierte Grabbelkiste. Ab und zu hat auch der Stativhersteller Berlebach solche Schrauben im Angebot.
Mit dem verwendeten guten Fotokopf kann man dann auch schwere Objektive aufsetzten und mehrere Minuten problemlos nachführen, z.B. ein Pentax f = 500 mm, 1:4,5, mit Kamera auf der Montierung. Kamera und Objektiv wiegen zusammen ca. 5 kg (Abb. 5). Entscheidend für die mögliche Nachführdauer ist dann nur die vorherige genaue Polausrichtung. Das Batteriepack des Astrotrac TT320 habe ich einfach auf die Polhöhenwiege geschnallt (Abb. 6). Wenn es auf das Gewicht nicht so ankommt, benutze ich einen 12-V-Motorrad-
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Amateurteleskope / Selbstbau
schon seit Jahren und ich habe nicht vor, es zu ändern (Abb. 7).
6 Detailansicht Polhöhenwiege mit Batteriepack
unten aus der Halterung und zerschellt am Boden. Um das zu verhindern, ist es unbedingt erforderlich, das Polsucherfernrohr gegen Herausfallen zu sichern. Ich habe das mit Schaumstoffringen improvisiert, die ich über das Polsucherfernrohr gezogen habe und die größer sind als das Loch für den Polsucher, so dass der Polsucher nicht herausfallen kann. Außerdem dämpft der Schaumstoff den Aufprall, sollte es, aus welchen Gründen auch immer, doch einmal geschehen. Das Provisorium hält auch
Zum Abschluss noch ein Foto des Orionnebels M42, das am Stadtrand von Olten in der Schweiz am 28.12 2016 mit dieser Montierung entstanden ist (Abb. 8). Allerdings mit einem alten Tele-Picon 1:4,5 / 400 mm von Piesker, Berlin, West-Germany, mit 5 min Belichtungszeit bei ISO 800 mit einer für die Astronomie modifizierten Canon 40 D. Vor dem Aufnahmechip war noch ein CLS-Filter in die Kamera eingeklipst. Kamera und Objektiv wiegen hier etwa 3,5 kg. Die Aufnahme ist ansonsten unbearbeitet. Sie zeigt außerdem, wie gut der Astrotrac TT320x funktioniert, der ja nicht fürs Guiden ausgelegt ist. Sie zeigt aber auch, wie wichtig eine gute Polausrichtung ist, und man sieht, dass die Montierung in ihrer Gänze mit der Belastung, Brennweite und Belichtungszeit noch nicht am Ende ist. Alles in allem bin ich mit diesem Aufbau für die Reise sehr zufrieden.
7 Detailansicht mit Polsucherfernrohr des
Astrotrac TT320x, gegen Herausfallen gesichert
akku, der auf dem Ablagebrett des Stativs liegt und der auch die Kamera versorgt.
An dieser Stelle noch eine kleine Verbesserung für den Astrotrac TT320. Die Befestigung des Polsuchers mit Magneten ist sicher eine Spielerei, denn das Polsucherfernrohr fällt bei kleinen unachtsamen Stößen nach
8 M 42, aufgenommen mit Tele-Picon 1:4,5/400 mm, Belichtungszeit 5 min
bei ISO 800 mit einer Canon 40Da
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Amateurteleskope / Selbstbau
Eine All-Sky-Kamera Marke Eigenbau
als Hilfsmittel für die Astrofotografie
von Patrick Winkler und Fritz Amtmann
Heutzutage offeriert der Markt eine Vielzahl an All-Sky-Kameras. Das sind Kameras, die in einem Schutzgehäuse untergebracht sind und über ein Weitwinkelobjektiv verfügen. Die Preisspanne der Geräte reicht dabei von wenigen hundert bis zu mehreren tausend Euro. Je höher der Qualitätsanspruch, desto schneller landet man bei Modellen ab 3.000 Euro aufwärts. Und selbst dann sind gewisse Anforderungen nicht erfüllt. Daher fiel die Entscheidung, eine All-Sky-Kamera selbst zu bauen (Abb. 1). Rückwirkend betrachtet waren viel Recherchearbeit, Testen und Ausprobieren notwendig, aber es hat viel Spaß gemacht und war sehr lehrreich. Natürlich hatte ich tatkräftige Unterstützung von meinem Sternwartenkollegen und Co-Autor dieses Artikels in elektrotechnischen Belangen und der Programmierung. Drehen wir die Zeit zurück und beginnen mit den definierten Anforderungen.
1 Die montierte
All-Sky-Kamera an der Sternwarte
Das Anforderungsprofil Was soll nun das zu bauende Gerät können? Diese Überlegungen erstreckten sich von der Kamera mit der gewünschten Auflösung über das zu verwendende Objektiv, die Kuppel, die Kuppelheizung, das Gehäuse, die Stromzufuhr bis hin zur Steuerung/ Software: - mindestens eine 6-Megapixel-Kamera - möglichst verzerrungsfreies Objektiv mit
180 Grad Gesichtsfeld - dichtes Gehäuse, das auch extremen Um-
gebungsbedingungen trotzt und möglichst wartungsfrei ist - kleine und witterungsresistente Kuppel, die leicht zu tauschen ist - so wenige Zuleitungen/Kabel wie möglich - größtmögliche räumliche Ungebundenheit zu Computer/Router - völlig autonome Operation des Systems - automatischer Upload der Bilddaten
Zugegeben, anfänglich liest sich die Liste wie der Wunschzettel ans Christkind, daher gehen wir die Liste der Reihe nach durch.
Die Kamera und das Objektiv Bei der Wahl der Kamera kam ich ziemlich schnell zu Modellen von ZWO ASI. Unsere Wahl fiel schlussendlich auf das ungekühlte Modell ASI178MM. Die Kamera hat einen back-illuminated Sensor (3.096 x 2.080 Pixel; 2,4 m) mit einer Quanteneffizienz von 81% bei einer Lichtwellenlänge von 480 nm. Natürlich war auch der Preis ein entscheidendes Kriterium, wollte ich doch für die Kamera nicht mehr als 400 Euro ausgeben. Im Lieferumfang der Kamera befand sich auch eine All-Sky-Linse (Weitwinkeloptik von 2,5 mm Brennweite) mit knapp 170 Grad Gesichtsfeld. Erste nächtliche Tests zeigten, dass bei dieser Brennweite gut 30 Sekunden belichtet werden kann, ohne Strichspuren zu erhalten mit bereits erkennbarer Milch-
straße. Leider war das mitgelieferte Objektiv aber nicht ideal (starke Verzerrungen). Nach ausgiebiger Internet-Recherche kam ich auf ein bautechnisch sehr kleines Objektiv MPL 1,55 mm von Arecont Vision, das über eine Anfangsblende von 2,0 verfügt [1]. Nach gut vier Wochen Lieferzeit war das nicht gerade billige 180 Grad -Objektiv für meine All-Sky-Kamera angekommen (ca. 120 Euro). Es zeichnet scharf und hat für das große Gesichtsfeld wenig Verzerrung.
Das Gehäuse Eine zentrale Komponente einer guten AllSky-Kamera ist meiner Ansicht nach das Gehäuse, ist es doch jeden Tag dem Wetter ausgesetzt - im Sommer intensiver Hitze und hoher UV-Belastung sowie im Winter Nässe, Schnee, Eis und tiefen Temperaturen. Dabei muss das Gehäuse absolut dicht und vor allem über Jahre wartungsfrei sein. Diesen Anforderungen entsprechend und
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Amateurteleskope / Selbstbau
2 Oben: Das Gehäuse der All-Sky-Kamera mit Kuppel 3 Oben rechts: Kontermutter und verschraubte Kuppel im Deckel
4 Einige Komponenten im Gehäuse (Lüfter, Raspberry, PoE-Injektor).
Die Kamera würde sich in der Bildmitte befinden.
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auch in Hinblick darauf, dass die All-Sky-Kamera vielleicht einmal ihren Dienst in anderen Regionen der Welt erfüllen soll, schieden für mich Kunststoffgehäuse aus. Die hohe UV-Einstrahlung lässt Kunststoffe schnell altern und spröde werden. Auch lässt ein Remotebetrieb in einer weit entfernten Region es nicht zu, schnell mal hinzufliegen, um etwas zu reparieren. So kam ich auf ein Schaltschrank-Edelstahlgehäuse von Rittal (Abb. 2). Diese werden eigentlich für Anwendungen in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie hergestellt und erfüllen die Anforderungen der Schutzklasse IP 66 (staubdicht und geschützt gegen starkes Strahlwasser [2]). Auch können alle Kabel, die später ins Gehäuse führen, nach demselben Standard mit Kabelverschraubungen versehen werden. Alle Teile wie Schrauben, Dichtungsrahmen, Deckel usw. sind als Ersatzteile einzeln bestellbar. Das Gehäuse hat daher einen stolzen Preis (rund 300 Euro), und es ist relativ schwer.
Die Kuppel Die Kuppel bereitete mir am meisten Kopfzerbrechen, die Suche war sehr zeitaufwändig. Zumeist sind All-Sky-Kameras mit Acrylglaskuppel ausgestattet. Prinzipiell nicht schlecht, doch wollte ich neben bestmöglicher Transparenz auch größtmögliche Witterungsbeständigkeit. Aus Gesprächen mit Personen, die All-Sky-Kameras schon einige Jahre in Wüstenregionen im Einsatz haben, erfuhr ich, dass Sand und Wind eine Acrylglaskuppel schnell abschleifen und diese dann matt wird. Die Lebensdauer beträgt oft nur 1,5 Jahre. Sie ist zwar billig, aber der Tausch wiederum nicht. Glas sei deutlich besser, wurde mir gesagt. Doch woher eine Glaskuppel bekommen? Fündig geworden bin ich schlussendlich bei KanalInspektionskameras von Wöhler [3]. Diese Kuppeln
Amateurteleskope / Selbstbau
5 Die Wetterüberwachungs-
seite mit Bild der All-Sky-Kamera und den Daten des AAG Cloud Watchers
6 Die Weboberfläche, über die
sich Lüftung, Heizung und die Automatik steuern lassen
sind aufgrund ihres Einsatzzwecks klein, widerstandfähig und sowohl in Acryl- als auch in Glasversionen verfügbar. Die Glaskuppel bewegt sich preislich bei ca. 77 Euro, nahezu dem 5- bis 6-fachen der Acrylglasversion. Sie hat einen stabilen Metallkranz mit Gewinde und lässt sich mit der passenden Mutter wunderbar verschrauben. Diese musste ich allerdings anfertigen lassen, da Gewindesteigung zu Durchmesser nicht Standard ist. Im Fall eines Kuppeltausches wird die Kuppel aus dem Deckel geschraubt, die Neue eingeschraubt und außen um den Metallkranz mit Silikon abgedichtet (Abb. 3).
Da die Kuppel das Fenster zum Himmel darstellt und das Wetter nicht immer Sonnenschein verspricht, war eine Beheizung ebenso Thema. Dafür wurde ein Ringheizelement aus einem Widerstandsdraht auf einem Rundrohr (bei 5 V rund 4 W Heizleistung, Länge ca. 10 cm) konstruiert, das sich zwischen Objektiv und Kuppel einschieben lässt und per Software ein- und ausschaltbar ist. Es zeigte sich, dass sich durch das abgedichtete Gehäuse und die darin laufenden Geräte (Kamera, Raspberry-Computer) selbst bei -5 Grad C Außentemperatur die Innentemperatur bei +1 Grad C bewegt und ein Beheizen der Kuppel selten notwendig war. Insgesamt dreimal nach Schneefällen und einmal wegen Vereisung der Kuppel musste die Heizung im Winter aktiviert werden. 30 Minuten später war das System frei und die Innentemperatur um einige Grade angehoben.
Stromversorgung, Steuerung und Datentransfer Wie bereits erwähnt, war eine der Anforderungen, so wenig Zuleitungen wie möglich zum Gehäuse und von der Kabellänge ausreichend Reichweite zu haben (mindestens 10 m, idealerweise 30 m). Und es galt, alle Geräte, also All-Sky-Kamera, Raspberry, Kuppelheizung und Lüfter (der sich automatisch bei einer Gehäuseinnentemperatur über 50 Grad C einschaltet und bei Unterschreiten dieses Wertes wieder abschaltet) zu betreiben. Die Lösung für dieses Problem war ein PoE-System (Stromversorgung über Ethernet-Kabel) mit Injektoren (eine Art Wandler, der das Ethernet-Signal für lange Kabellängen tauglich macht [4], Abb. 4). Je länger die Zuleitung, umso höher muss die
Spannung sein, um am Raspberry stabile 5 V zu haben, da sonst ein Neustart schon beim Hochfahren des Raspberrys erfolgt. In diesem Fall waren es 24 V bei 30 m Zuleitung zu einem 5-V-Regler bei bis zu 5 A. Zur Steuerung wurde das Programm selbst geschrieben. Die Kamera arbeitet vollautomatisch, regelt Belichtungszeit und dergleichen eigenständig, macht alle 5 Minuten ein Bild und lädt dieses direkt via FTP (Datei-Übertragungs-Protokoll) zur Wetterüberwachungsseite der Sternwarte (Abb. 5). Über eine gesonderte in PHP (das ist eine spezielle Programmiersprache) programmierte grafische Benutzeroberfläche, die über einen Webbrowser gesteuert wird (Abb. 6), kann die Lüfterautomatik ein- bzw. ausgeschaltet und die Heizung ge-
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Amateurteleskope / Selbstbau
7 Die fertig lackierte All-Sky-Kamera
8 Links das unlackierte Blech, rechts das lackierte
steuert werden. Zusätzlich werden die Temperatur des Raspberry, der Kamera sowie die Gehäuseinnenraumtemperatur ausgelesen und in jedes Bild eingeblendet. Für den Fall eines Kameraausfalls oder Fehlfunktion (z.B. schwarzes Bild) sorgt eine automatische Routine für einen Neustart des gesamten Systems (bis dato aber nicht vorgekommen). Sollte man wirklich einmal ein aktuelles All-Sky-Bild in Vollauflösung haben wollen (z.B. hübsche Wolkenstimmung, All-Sky-Milchstraßenbild), kann dies jederzeit per Klick auf das Vorschaubild in voller Auflösung abgerufen werden.
Testbetrieb und Erkenntnisse Für den neunmonatigen Testbetrieb war die Hoffnung, jedes mögliche Wetter zu erleben. Hitze, tagelanger Regen, Wolkenbrüche, Schnee, Sturm, klirrende Kälte. Gleich vorweg: die Kamera hat all dies gemeistert und funktionierte einwandfrei. Einen Punkt möchte ich aber illustrativ herausgreifen, um den Bau und die gewonnen Erkenntnisse zu beschreiben.
hen und die Wärmeaufnahme zu senken. Der Sonnenschirm ist ein Blech (30 cm x 30 cm) mit einer Aussparung für die Kuppel, das auf den Schrauben aufliegt. Klingt einfach, bringt aber durch die Beschattung des Gehäuses einiges an Wärmereduzierung. Auch kann der Wind alles umstreichen und so zusätzlich Wärme abführen.
Die zweite Maßnahme war das Lackieren der kompletten Oberfläche inklusive der Beschattungsplatte. Gesucht war ein Lack, der neben einem hohen Reflexionsgrad auch kühlende Eigenschaften hat. Tatsächlich fand sich Derartiges (COOLDRY von Sistec Coatings, [5]). Dieser wird zur Lackierung von Blechdächern verwendet, aber auch bei Kühltransportern
oder Wohnmobilen. Laut Hersteller soll die Oberfläche nur wenige Grade wärmer werden als die Umgebungstemperatur. Mit diesem Lack wurden das Gehäuse und die Beschattungsplatte lackiert und in ein elegantes Weiß gehüllt (Abb. 7). Den Herstellerangaben zu glauben, war die eine Sache, das ,,kontrollierte" Austesten musste folgen. Zu Testzwecken blieb ein Blechstück unlackiert, ein zweites wurde identisch zu den Gehäuseteilen lackiert (Abb. 8). Anschließend wurden beide Musterstücke eine Stunde lang mit einer Infrarotlampe bestrahlt und regelmäßig die Oberflächentemperatur mittels Laser-Thermometer gemessen. Die Ergebnisse waren überraschend positiv. Natürlich ist dieser einfache Versuchsaufbau weder eine Klimakammer
An heißen Sommertagen bei Temperaturen bis zu 38 Grad C zeigten Vorversuche, dass die Innentemperatur im Gehäuse schnell auf bis zu 70 Grad C anstieg. Der Lüfter konnte die Temperatur um gute 8 Grad C senken, dennoch galt es, die Hitzeeinstrahlung zu minimieren und ein Aufheizen des Gehäuses zu verhindern. Die dahingehenden Maßnahmen waren zweistufig. Einerseits eine Art Sonnenschirm für das Gehäuse anzubringen, andererseits den Reflexionsgrad zu erhö-
9 Messung der Temperatur beider Blechstücke mittels Laserthermometer
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Amateurteleskope / Selbstbau
noch Ähnliches, aber der Temperaturunterschied beider Blechoberflächen betrug im Mittel 16 Grad C (Abb. 9).
Fazit Zusammenfassend lässt sich das Projektergebnis als überaus zufriedenstellend bewerten, die Kamera läuft einschließlich der Testbetriebszeit nun seit mehr als 1 ¾ Jahren absolut zuverlässig und ohne Probleme. Unser letztes Bild ist der astronomische Beweis: ein schöner Nachthimmel (Abb. 10).
Weblinks (Stand Dezember 2019): [1] Arecont-Vision-Objektiv: https://sales.arecontvision.com/product/Lenses/MPL1.55 [2] Rittal-Schaltschrank-Hygienic-Design: www.rittal.com/at-de/product/show/
variantdetail.action?category Path=/PG0001/PG0002SCHRANK1/PG0125SCHRANK1/ PRO0130SCHRANK&productID=1671600 [3] Glaskuppel der Fa. Wöhler: www.woehler.de/shop/glaskuppel.html [4] PoE-Injektor: https://www.conrad.at/de/p/tp-link-tl-poe2412g-poe-injektor10-100-1000-mbit-s-ieee-802-3af-12-95-w-1926762.html [5] COOLDRY-Dachbeschichtungsfarbe: www.sistec-coatings.de/de/produkte/cooldry.html
1 0 Unser Ziel: der Nachthimmel präsentiert sich prächtig.
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Astrofotografie
Entdeckungen durch Amateure
Die Zwerggalaxie NGC 3344 Dw1
von Markus Blauensteiner, Bernhard Hubl, Günter Kerschhuber und Peter Riepe
Innerhalb der VdS-Fachgruppe Astrofotografie haben wir eine etwa 40-köpfige Arbeitsgruppe, die sich speziell mit extrem lichtschwachen Phänomenen des extragalaktischen Raumes befasst. Diese ,,TBG-Gruppe" (tief belichtete Galaxien, [1]) arbeitet gemeinsam mit dem bekannten russischen Astrophysiker Prof. Dr. Igor D. Karachentsev zusammen [2], der sich in der Kosmologie seit den 1960er-Jahren verdient gemacht [3]. Unser Ziel ist die Entdeckung neuer Begleiter von Galaxien des Local Volume (LV). Darunter versteht man den Raum mit einem Radius von etwa 11 Mpc (1 Megaparsec = 3,262 Mio. Lj) um unsere Milchstraße herum. Gewöhnlich sind die neu zu erwartenden Begleitgalaxien unscheinbare Zwerggalaxien mit Flächenhelligkeiten von 24 Größenklassen pro Quadratbogensekunde und lichtschwächer. Aus ihrer Zahl und Anordnung im Muttersystem lassen sich wertvolle Informationen zur Galaxienentwicklung gewinnen.
I. D. Karachentsev hat für unsere TBGGruppe einen Katalog vordringlicher LV-Galaxien erstellt. Die TBG-Mitglieder suchen daraus zunächst passende Zielgalaxien aus und nehmen sie dann extrem tief mit möglichst weitem Umfeld auf. Dabei geht es in erster Linie nicht um ,,pretty pictures" der Muttergalaxie selbst, sondern um schwache, in der Fachwelt bisher unbekannte diffuse Objekte in einem Umkreis von bis zu 400 Kiloparsec Radius um die Muttergalaxie. In der TBG-Gruppe werden diese Aufnahmen dann einer ersten Auswertung unterzogen. Danach werden die in Frage kommenden, Erfolg versprechenden Bilder mit ,,verdächtigen" neuen Objekten nach Russland geschickt. Dort werden sie von Prof. Karachentsev kritisch geprüft. Wenn noch nichts über einen neuen möglichen Begleiter an diesem Ort bekannt ist, werden unsere Aufnahmen für gemeinsa-
1 Umgebung von NGC 3344, Teleskope und Kameras: s. Text, Belichtung: Luminanz
57 x 10 min und 93 x 5 min, RGB je 8 x 10 min und R 31 x 5 min, G 29 x 5 min, B 33 x 5 min. Bild: Günter Kerschhuber und Markus Blauensteiner
me wissenschaftliche Publikationen eingeplant. Sobald die Gelegenheit besteht, wird diese neue Galaxie mit dem russischen 6-m-Spiegel im Kaukasus langbrennweitig belichtet. Um die Natur als Begleiter zu bestätigen, werden auch lang belichtete Spektren der Zwerggalaxien angefertigt. Für Objekte mit H-Emission lassen sich aus der gemessenen Radialgeschwindigkeit die Entfernung und damit die Zugehörigkeit zur Muttergalaxie nachweisen. Bei dem zweiten Typ von Zwerggalaxien, den sphäroiden Zwergen (dSph), können die hellsten Einzelsterne fotometrisch vermessen und daraus die Entfernungen abgeleitet werden.
In diesem Bericht stellen wir eine typische TBG-Entdeckung vor, die sich über Jahre
hingezogen hat. Eine der KarachentsevGalaxien ist NGC 3344. Diese Balkenspirale im Kleinen Löwen hat eine Entfernung von 9,51 bzw. 9,82 Mpc [4, 5], das sind rund 30 Mio. Lichtjahre. Ihr scheinbarer Durchmesser beträgt auf unseren Aufnahmen 8' (rund 70.000 Lj). NGC 3344 erscheint in direkter Draufsicht (face-on) mit einer ganz normalen Spiralarmstruktur, nichts erinnert an gravitative Wechselwirkungen. Bis zu unserer Entdeckung war auch nichts über irgendwelche Begleiter von NGC 3344 bekannt. Eine erste Aufnahme von Günter Kerschhuber und Markus Blauensteiner (Abb. 1) entstand im Frühling 2014 auf der Sternwarte Gahberg in 860 m Höhe, wo beide Bildautoren ihre ,,GeMini"-Sternwarten betrieben (und Günter Kerschhuber heute noch betreibt). Beide verwendeten zwei
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2 SDSS-Aufnahme, zentriert auf den Ort von NGC 3344 Dw1
3 Aufnahme aus dem Pan-STARRS-Archiv, zentriert
auf den Ort von NGC 3344 Dw1
Journal für Astronomie Nr. 73 | 65
Astrofotografie
4 NGC 3344 mit der möglichen neuen Zwerggalaxie (roter Kreis), Newton 300 mm/1.120 mm mit Kamera QSI 660, Astrodon-Filter,
Belichtung: L 90 x 8 min/R, G und B je 31 x 8 min. Bild: Bernhard Hubl
parallel montierte Newton-Teleskope, so dass gleichzeitig vier Teleskope Licht von NGC 3344 einsammelten. So kamen in vier Nächten 29 Stunden Belichtungszeit zusammen. Davon entfallen 17,25 Stunden auf die Luminanz und 11,75 Stunden auf RGB, alle Aufnahmen ohne Binning. Zum Einsatz kamen ein ASA-Newton 250 mm / 900 mm mit einer CCD-Kamera SBIG ST-10XME (Kerschhuber) und ein Lacerta-Newton 250 mm/1.000 mm mit einer CCD-Kamera SBIG ST-2000XM (Blauensteiner). Damit wurden die Luminanz-Aufnahmen angefertigt. Weiterhin waren ein Newton 200 mm/580 mm mit einer Starlight SXV-H9 (Kerschhuber) und ein Newton 130 mm/650 mm, ebenfalls mit einer
SXV-H9 (Blauensteiner), in Verwendung. Mit diesen beiden Teleskopen entstanden parallel zu den L-Aufnahmen die RGB-Bilder. Das Kalibrieren, Ausrichten und Mitteln der Rohbilder erfolgte in CCDStack, die Farbkalibrierung wurde in eXcalibrator erledigt. Das Bild zeigt einen LSB-Zwerg (low surface brightness = geringe Flächenhelligkeit) in etwa 12' (105.000 Lichtjahre) projiziertem Abstand von NGC 3344. An dieser Stelle erscheint im Sloan Digital Sky Survey (SDSS, [6]) nach kräftiger Kontraststeigerung eine sehr schwache Aufhellung (Abb. 2). Dagegen ist im qualitativ besseren PanSTARRS-Bildarchiv [7] nichts zu sehen (Abb. 3). Auch der GALEX-Survey konnte nichts entdecken. Das verwundert uns
aber nicht, denn NGC 3344 Dw1 (so die Bezeichnung des vermuteten neuen Begleiters) kann ja eine gasarme dSph-Galaxie sein. Über NGC 3344 Dw1 berichteten wir ebenso wie über andere neue LSB-Zwerge [8]. Bis zu diesem Zeitpunkt war das SDSSBild die einzige, jedoch eher dürftige Bestätigung für die Existenz von NGC 3344 Dw1.
Der echte astrofotografische Nachweis gelang dann Bernhard Hubl. Seine hier vorgestellte tiefe Aufnahme der Galaxie NGC 3344 (Abb. 4) entstand in seiner Gartensternwarte in insgesamt acht Nächten zwischen Februar und April 2019. Die Sternwarte liegt auf einer Seehöhe von 400 m
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Astrofotografie
5 NGC 3344, Vergleich der Aufnahmen von G. Kerschhuber / M. Blauensteiner (links) und B. Hubl (rechts) in Ausschnittsvergrößerungen
in einem flachen Tal des leicht hügeligen oberösterreichischen Alpenvorlandes. Der Standort ist aufgrund der nebelanfälligen Tallage und der sich in der Nähe befindenden Siedlungs- und Industriegebiete sicher nicht ideal, und daher sind die Bedingungen wahrscheinlich vergleichbar mit denen vieler anderer Astrofotografen in Mitteleuropa. Zum Glück gab es im Frühjahr 2019 einige Nächte mit besonders guter Transparenz und gutem Seeing. Daher konnte der Bildautor mit seinem NewtonTeleskop (300 mm/1.120 mm) in Kombination mit einer gekühlten CCD-Kamera des Typs QSI-660 bei einem Bildmaßstab von 0,84'' pro Pixel in Summe über 24 Stunden Belichtungszeit sammeln. Dabei wurde jeweils zwölf Stunden in Luminanz und zwölf Stunden in RGB belichtet.
Alle Aufnahmen wurden ohne Einsatz von Binning angefertigt. Die Kalibrierung der Rohdaten und die Bildaddition erfolgten mit der Software CCDStack. Mittels Dekonvolution konnte die Auflösung des gemittelten Luminanz-Bildes weiter erhöht werden. Die Farbkalibrierung erfolgte mit Hilfe der Software eXcalibrator, welche die Farbgewichtungsfaktoren zuverlässig unter Nutzung der Fotometriedaten von Sternen aus dem SDSS-Katalog ermittelt.
Der direkte Vergleich beider TBG-Bildresultate lässt keinerlei Zweifel aufkommen (Abb. 5). Aus dem scheinbaren Durchmesser von 15 Bogensekunden ergibt sich für NGC 3344 Dw1 in der Entfernung von ~30 Mio. Lichtjahren ein wahrer Durchmesser von 2.200 Lichtjahren, was sehr gut zu dSph-Zwergen wie etwa Andromeda I bis V aus dem Halo von M 31 passt. Damit hat NGC 3344 Dw1 die ungefähre Leuchtkraft des galaktischen Kugelsternhaufens Omega Centauri. Sie ist jedoch viel ausgedehnter und hat daher eine viel geringere Flächenhelligkeit. Das alles freut uns sehr. Nun warten wir auf die langbrennweitigen Befunde am 6-m-Teleskop.
Literaturhinweise und Weblinks (Stand September 2019): [1] TBG-Webseite (Thorsten Zilch):
http://tbg.vdsastro.de/ [2] Special Astrophysical Observatory,
Russian Academy of Sciences, Nizhnii Arkhyz 369167, Russia [3] P. Riepe, 2015: ,,Igor D. Karachentsev und der ,Viktor Ambartsumian Prize 2014' "; VdS-Journal für Astronomie
53, 2/2015, S. 62 [4] Catalogue & Atlas of the LV Galaxies:
www.sao.ru/lv/lvgdb/object.php? name=NGC3344&id=210... [5] L. Bottinelli et al., 1984: ,,HI line studies of galaxies III, Distance moduli of 822 disk galaxies"; Astron. Astrophys. Suppl. Ser. 56 (6-1984), p. 381-413 [6] Sloan Digital Sky Survey: http:// skyserver.sdss.org/dr15/en/tools/ chart/navi.aspx [7] PanSTARRS-Bildarchiv: http:// ps1images.stsci.edu/cgi-bin/ps1 cutouts [8] I. D. Karachentsev, P. Riepe, T. Zilch, M. Blauensteiner, M. Elvov, P. Hochleitner, B. Hubl, G. Kerschhuber, S. Küppers, F. Neyer, R. Pölzl, P. Remmel, O. Schneider, R. Sparenberg, U. Trulson, G. Willems, H. Ziegler, 2015: ,,New Low Surface Brightness Dwarf Galaxies Detected Around Nearby Spirals"; Astrophys. Bulletin 70, No. 4, p. 379-391
Journal für Astronomie Nr. 73 | 67
Astrofotografie
Kontinuumssubtraktion in der Astrofotografie
Teil 3: Anwendung an einer großflächigen HII-Region (Rosettennebel)
von Werner E. Celnik
Im Teil 1 dieser Betrachtungen [1] wurden Grundlagen und Methodik bei der Trennung von optischer Kontinuumsstrahlung und Emissionslinienstrahlung aus Aufnahmen von Himmelsobjekten mit H-Filtern vorgestellt. Der Teil 2 [2] beschrieb den analytischen Bearbeitungsprozess dieser Strahlungstrennung und eine praktische Anwendung an der Galaxie M 33. Nun, M 33 ist zwar eine Galaxie mit großem Winkeldurchmesser, die Objekte darin, die im Licht der H-Linie Strahlung abgeben, sind jedoch von recht kleinem Winkeldurchmesser. Daher folgt in diesem Teil
eine Anwendung an einem großflächigen Gasnebel - dem Rosettennebel mit dem offenen Sternhaufen NGC 2244 darin.
Da die Original-Aufnahmen von M 33 in Teil 2 bei nahezu identischen Beobachtungsbedingungen gewonnen werden konnten, werden jetzt bewusst Aufnahmen herangezogen, bei denen die Beobachtungsbedingungen stark voneinander abwichen, hier: Aufnahmen ohne Mondlicht, dafür mit Störungen durch Wolken, und Aufnahmen bei sehr himmelsaufhellendem Mondlicht. Entsprechend der Dar-
stellungen in Teil 2 müssen nun Korrekturfaktoren an den Pixelwerten angebracht werden.
Beobachtungen Der Rosettennebel wurde mit einem ZoomTeleobjektiv von Canon 1:4,5-5,6 / 100-400 mm (Arbeitsblende 7,1, Arbeitsbrennweite 400 mm) und mit einer modifizierten Kamera Canon 700Da im APS-C-Format aufgenommen. Die Abbildungsqualität bei den Sternen ist nicht berauschend, aber darum geht es hier nicht. Die Aufnahmen mit einem 12 nm breiten H-Filter [3] wurden
1 Das Ausgangsmaterial zur Kontinuumssubtraktion: Oben: Einzelbelichtungen mit H-Filtern, links mit HWB 12 nm,
rechts mit HWB 6 nm; unten: im Kontrast linear gestreckte Summenbilder nach dem Stacking-Prozess mit Deep Sky Stacker, links mit HWB 12 nm, rechts mit HWB 6 nm. Aufnahmedaten: s. Text.
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Astrofotografie
am 18.02.2018, mit 13 x 600 s bei ISO 1600 aufgenommen. Aufnahmen mit einem HFilter der Halbwertsbreite von 6 nm [3] wurden am 21.02.2018 ebenfalls 13 x 600 s bei ISO 1600 belichtet (Abb. 1). Die Einzelbelichtungen wurden mit der Software Deep Sky Stacker [4] gestapelt. Am 18.02. störte der Mond noch nicht, dafür zogen Zirruswolken durchs Feld, am 21.02. stand der 6 Tage alte Mond 55 Grad entfernt und sorgte bei leichtem Dunst für Himmelsaufhellung.
Am Schluss des Beitrags soll das Ergebnisbild mit der reinen Linienstrahlung zur Kontraststeigerung an einer RGB-Aufnahme verwendet werden. Diese RGB-Aufnahme (Abb. 6) wurde mit gleichem Objektiv und gleicher Kamera am 08.01.2016 gewonnen.
Vorbereitungen Bei beiden H-Summenbildern aus dem Stapelprozess mit Deep Sky Stacker wurde der Schwarzpunkt im Bild auf Null gesetzt, um den aufgehellten Himmelshintergrund durch die Störfaktoren (Wolken, Mondlicht) zum Teil auszugleichen. Das entspricht einer linearen Streckung. Natürlich wurden die Aufnahmen mit 6 und 12 nm HWB für die nachfolgende Bearbeitung so exakt wie möglich aufeinander ausgerichtet.
2 Bei unterschied-
lichen Beobachtungsbedingungen hängt der errechnete Anteil der Kontinuumsstrahlung im Bildfeld von der richtigen Wahl des Korrekturfaktors K ab. Oben: K zu klein, Mitte: K richtig, unten: K zu groß.
Trennungsformeln Wir verwenden die im Teil 2 abgeleiteten Trennungsformeln auf Seite 56 des VdSJournals für Astronomie Nr. 69 in der linken Spalte: Für die Intensität der Linienstrahlung IL gilt nach [2]:
IL = 2,361 (PWs K - PWb / 1,967) (1)
Und für die Intensität der von den Filtern
eingefangenen Kontinuumsstrahlung IC in
einem 10-nm-Band:
IC / (1/10 nm) = 1,760
(PWb - PWs K / 0,968)
(2)
3 Die Emissionslinienstrahlung in H und [NII] mit richtigem K-Faktor und mit Sternresten.
Journal für Astronomie Nr. 73 | 69
Astrofotografie
4 Die Emissionslinienstrahlung in H und [NII], aber mit weggestempelten Sternresten,
nicht-linear gestreckt.
Der Korrekturfaktor Der Korrekturfaktor K ist experimentell zu bestimmen. Man beginnt mit K = 1. Wird K zu klein gewählt, bleibt im Ergebnisbild für die Kontinuumsstrahlung IC noch ein Rest von H-Emission zu sehen (vgl. Abb. 2 oben, K = 0,546). Wird K zu groß gewählt, wird zu viel vom Pixelwert subtrahiert und es erscheint ein dunkles Loch dort, wo bisher das H emittierende Nebelgebiet stand (vgl. Abb. 2 unten, K = 0,700). Wenn der Hintergrund so glatt wie möglich erscheint und die H-Strahlung weder als helle noch als dunkle Struktur erscheint, ist der K-Faktor korrekt gewählt. Das Verfahren reagiert extrem empfindlich auf kleine Änderungen von K, wenn man sich nahe am korrekten Wert befindet (vgl. Abb. 2 Mitte, K = 0,660).
5 2-Farb-Komposition der Kontinuumsstrahlung (grünblau) und der Emissions-
linienstrahlung (rot).
Zur Erinnerung, dabei bedeuten:
PWs = der Wert eines Pixels in der Aufnahme mit schmalerem Filter,
PWb = der Wert eines Pixels in der Aufnahme mit breiterem Filter,
K = Korrekturfaktor zum Ausgleich unterschiedlicher Beobachtungsbedingungen.
Zum ,,Rechnen" mit Bildern (d.h. mit Pixelwerten!) in Photoshop wird der Menüpunkt ,,Bild - Bildberechnungen ..." verwendet. In der erscheinenden Eingabemaske werden die gewünschten Dateinamen, die Rechenoperation und evtl. ein Offset (empfohlen: 30, damit der Hintergrund nicht schwarz erscheint) eingegeben.
Zwischenergebnis Dennoch sind im Ergebnisbild von IC v.a. im südöstlichen Nebelgebiet hellere Flächen zu erkennen (Abb. 2 Mitte). Dies liegt daran, dass in diesem Gebiet der Staub sehr dicht ist und daher kontinuierliches Sternlicht aus der Umgebung reflektiert. Wir haben hier also ein Reflexionsnebelgebiet, welches nur im Bild mit der Kontinuumsstrahlung IC erscheint. Auf Farbbildern macht es hier durch eine leichte (!) Farbverschiebung von Rot nach Orange auf sich aufmerksam (Abb. 5).
Nachdem das Bild mit der Emissionslinienstrahlung IL mit demselben Korrekturfaktor K = 0,660 berechnet worden ist (Abb. 3), sollten ja eigentlich keine Sterne, die kontinuierliches Licht abstrahlen, mehr sichtbar sein. Bereits im Teil 2 haben wir auf die möglichen Ursachen für diese ,,Sternreste" hingewiesen.
Endergebnis Wie stempeln in Photoshop diese Sternreste durch Übernahme von dicht daneben liegenden Bildpunkten weg. Das Bild zeigt
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Astrofotografie
nun die reine Linienstrahlung IL. Achtung! Wie in Teil 1 und 2 beschrieben, werden mit den verwendeten Filtern stets auch die im Spektrum benachbarten [NII]-Linien zusammen mit der H-Linie beobachtet. Deren Anteile können wir mit diesen Filtern nicht trennen. Wir haben demnach die Summe der Emission von (H + [NII]) registriert (Abb. 4).
Handelt es sich um eine wissenschaftliche Arbeit, darf man dies so nicht tun, da man im Ergebnisbild nicht mehr erkennt, wo Sterne weggestempelt wurden. Hier ist es dann ehrlicher, wenn man den Stern z.B. mit einer kleinen grauen Scheibe abdeckt. So machen das die ,,Profis". Es sieht nur nicht mehr so ,,schön" aus. Das Bild in der Abbildung 4 wurde noch nicht-linear gestreckt.
6 RGB-Farbaufnahme des Rosettennebels vom 08.01.2016, 400 mm
Aufnahmebrennweite, astromodifizierte Kamera Canon 700Da.
Das Rauschen im Bild ist im Vergleich zu den Summenbildern aus dem StackingProzess (Abb. 1) deutlich angestiegen, da es sich im Wesentlichen um ein Differenzbild von Bildern handelt, die ja ebenfalls von Rauschen ,,befallen" sind.
Anwendungsmöglichkeiten Natürlich bietet es sich wie schon im Teil 2 beschrieben an, auch für dieses Objekt ein 2-Farb-Komposit anzufertigen. Die Kontinuumsaufnahme IC wird in einem sonst leeren Farbbild in die Farbkanäle Grün und Blau kopiert, die (Ha+[NII])-Aufnahme IL in den Rot-Kanal (Abb. 5).
Zur Kontraststeigerung des Nebels in einer RGB-Farbaufnahme (Abb. 6) kann das ILBild (Abb. 4) verwendet werden. Die beiden
7 RGB-Farbaufnahme mit geändertem
Rot-Kanal: Das errechnete Emissionslinienbild wurde über die Funktion ,,Aufhellen" dem Rot-Kanal hinzugefügt.
Journal für Astronomie Nr. 73 | 71
Astrofotografie
Bilder müssen zunächst wieder exakt aufeinander ausgerichtet werden, indem man sie in verschiedenen Ebenen in einem Bild anordnet, dann gegeneinander verdreht und verschiebt, bis es passt. Dann die beiden aufeinander ausgerichteten Bilder einzeln in separaten Dateien speichern. Von dem RGB-Bild wird der Rot-Kanal in einem Graustufen-Bild isoliert (im Zusatzfenster ,,Ebenen" von Photoshop, und wieder separat gespeichert. Das IL-Bild wird als Ebene über das Graustufen-Bild mit dem Rot-Kanal (aus RGB) gelegt und mit der Kombinierungsmethode ,,Aufhellen" zu 100% dem R-Kanal hinzugefügt. Speichern. Wir laden anschließend das RGB-Bild und das neue Graustufenbild des mit IL modifizierten Rot-Kanals. Letzteres wird in den RotKanal des RGB-Bildes kopiert. Fertig.
Da das IL-Bild keine Sterne enthält, können auch die Sternfarben im RGB-Bild nicht verfälscht werden. Lediglich die Nebelteile, die im IL-Bild heller scheinen als im RGBBild, werden nun heller und kontrastreicher erscheinen (Abb. 7).
Fazit Man sieht, das Verfahren funktioniert nicht nur bei Galaxien, sondern auch bei großflächigen HII-Regionen. Man kann sogar Emissions- und Reflexionsnebel voneinander trennen.
Aufpassen muss man beim Wegstempeln der ,,Sternreste": es könnte sich ja bei einem sehr kleinen Objekt nicht um einen Stern, sondern um einen kleinen Planetarischen Nebel handeln, der somit entdeckt werden könnte, sofern man ihn nicht weggestempelt hat ...
Literaturhinweise und Weblinks (geprüft 1.12.2019): [1] P. Riepe, W. E. Celnik, H. Tomsik,
2019: ,,Kontinuumssubtraktion in der Astrofotografie (Teil 1), Grundlagen und Methodik", VdS-Journal für Astronomie 68 (1/2019), S. 47 [2] W. E. Celnik, P. Riepe, H. Tomsik, 2019: ,,Kontinuumssubtraktion in der Astrofotografie (Teil 2), Theorie, technik und eine praktische Anwendung mit Adobe Photoshop", VdS-Journal für Astronomie 69 (2/2019), S. 52 [3] H-Clip-Filter von Astronomik: Ser. Nr. 1200002909 (6 nm) und 1150017145 (12 nm), www.astronomik.com [4] Software Deep Sky Stacker: http:// deepskystacker.free.fr/german/
Grundlagen der Bildebnung in der Astrofotografie - Teil 1
von Peter Köchling
Wir Hobbyastronomen sind Dank zunehmend lichtstärkerer Optiken und empfindlicherer Kameras in der Lage, immer dunklere Objekte des Nachthimmels fotografisch nachzuweisen. So engagieren sich manche mittels tief belichteter Aufnahmen von vielen Stunden oder Tagen Gesamtbelichtungszeit bei der Entdeckung von Zwerggalaxien und Sternströmen oder der Ablichtung des galaktischen Zirrus. Für derart dunkle Objekte jenseits von 28 Größenklassen pro Quadratbogensekunde Flächenhelligkeit wird neben der richtigen Ausrüstung die Beherrschung eben dieser umso wichtiger, damit Bildfehler möglichst vermieden oder eliminiert werden.
1 Oliver Schneider nahm an jeweils drei Nächten ein Himmelsflat (Bildreihe oben)
und ein Folienflat (Bildreihe unten) auf. Um die Farbgradienten hervorzuheben, dividierte er das Flat durch seinen Luminanzanteil. Die Himmelsflats zeigen deutlich größere Unterschiede von einer Nacht zur anderen. Wahrscheinlich ist dies auf unterschiedliches Streulicht zurückzuführen.
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Astrofotografie
können. Häufigste Artefakte sind dunkle Halos um helle Sterne, Kugelsternhaufen oder Galaxien.
2 Beim Celestron-Hyperstar-System befindet sich die Kamera samt Kabel im
Strahlengang. Aufgrund der asymmetrischen Bauform der Canon EOS 60Da, hier mit selbstgebauter aktiver Kühlung, ist auch die Vignettierung entsprechend asymmetrisch und komplex. Ein großer, mit schwarzem Velours ausgekleideter Mülleimer dient dem Celestron-11-Teleskop als Streulichtblende.
Der bedeutendste Bildfehler in diesem Zusammenhang ist die Vignettierung, der jede Optik unterlegen ist. Zudem schatten Tubus, Streulichtblende, Taukappe und andere Teile im Strahlengang die Ausleuchtung des Sensors am Rand ab und lassen die Objekte dort dunkler erscheinen. Das Bild muss also nachträglich in der Bildbearbeitung am Rand aufgehellt werden; man sagt auch geebnet werden. Mittlerweile haben sich in der Astronomie-,,Community" die ,,denglischen" Begriffe ,,flatten" oder ,,Flatfield" durchgesetzt.
Im Gespräch mit anderen Hobbyastronomen oder bei der Recherche im Internet merkte ich bald, dass es zu der optimalen FlatfieldProzedur zwar viele Meinungen, aber wenige Fakten gibt. Ausgelöst durch eine lange und leidenschaftliche Diskussion während eines
Treffens des Ostwestfälischen AstronomieStammtisches (OwAS), beschlossen wir, ein kleines Projektteam zu gründen, welches die Vor- und Nachteile verschiedener Prozeduren erarbeitet und eine optimale Prozedur zur Bildebnung beschreibt. Mitglieder dieser Flatfield-Gruppe waren Ulf Kriese, Peter Rocznik, Oliver Schneider, Andy Sischka, Mathias Straube und ich, Peter Köchling. Die wahrscheinlich am häufigsten genutzten Mittel zur Bildebnung sind die Möglichkeiten zur automatischen Himmelshintergrund-Subtraktion verschiedener Softwareprodukte. Auch wenn sich damit auf den ersten Blick schöne Bilder erstellen lassen, sollten die Techniken möglichst nicht verwendet werden, da die Algorithmen immer weitere künstliche Bildinformationen, so genannte Artefakte, in das Bild hineinbringen, die schnell fehlgedeutet werden
Anstatt die Bildfehler durch eine Software künstlich zu reduzieren, sollte man den Bildfehler systematisch messen und das Bild damit korrigieren. Um die Vignettierung zu messen, muss man als Testbild ein sogenanntes ,,Flatfield" aufnehmen. Dieses Flatfield sollte außer der Information der Vignettierung, also Randabschattung, möglichst keine weitere Bildinformationen enthalten. Man muss also mit der identischen Teleskopeinstellung wie bei der eigentlichen Belichtung in der Nacht ein möglichst homogenes Objekt fotografieren. Was liegt da also näher, als den wolkenlosen und stahlblauen Taghimmel oder alternativ einen wolkenbedeckten Himmel abzulichten? Grundsätzlich liefert ein solches Himmelsflat für einfache Anwendungen ausreichende Ergebnisse. Die Erfahrung unserer Flatfieldgruppe zeigt jedoch, dass ein solches Himmelsflat eben nicht unter exakt denselben Bedingungen wie in der eigentlichen Belichtungsnacht aufgenommen werden kann (Abb. 1). Ein großer Einflussfaktor ist das Streulicht der Umgebung, welches abhängig von der Tageszeit und den Wetterbedingungen sehr unterschiedlich sein kann. Ein weiterer Faktor ist, dass sich das Teleskop vom Zeitpunkt des Himmelsflats bis zur Belichtungsnacht verändern kann. Die geringere Temperatur in der Nacht lässt den Tubus leicht verziehen. Eine Bewegung im Azimut ändert ebenso die Teleskopbiegung. Ich selbst verwende zwei Celestron 11 mit Hyperstar-System und jeweils die Canon EOS 60D als Kamera oder die ASI1600, die in der Schmidtplatte montiert ist. Hierbei befinden sich Kameragehäuse und alle notwendigen Kabel also im Strahlengang (Abb. 2). Kleinste Änderungen wie das Drehen des Kameragehäuses, Kippen der Kamera
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Astrofotografie
3 Ulf Kriese verwendet bei der Flatfield
erstellung auch für Fotoobjektive einen Milchglas-Diffusor, den er in einen Papprahmen eingefasst hat.
oder eine Verschiebung der Kabel können auf dem Flatfield bei tief belichteten Aufnahmen zu relevanten Abbildungsfehlern führen.
Somit rücken fortgeschrittene Astrofotografen vom Himmelsflat ab und verwenden Lösungen, bei denen ein Flatfield kurz vor, während oder nach der Belichtungsnacht angefertigt werden kann. Einfachste Hilfsmittel sind sogenannte ,,Diffusoren" vor der Teleskopoptik. Dazu wird eine transparente, aber diffuse Platte, Tuch oder Folie während der Belichtung des Flatfields vor die Optik platziert. Dabei zeigte die Milchglasplatte im Vergleich zu einem Himmelsflat als Referenz das homogenste Flatfield. Ein Vorteil der Milchglasplatte ist, dass sie während der Belichtungsnacht jederzeit vor die Optik gehalten werden kann und ohne Änderung der Kameraeinstellung ein Flatfield aufgenommen werden kann (Abb. 3). Zudem wird in diesem Milchglasflat nicht nur die Vignettierung der Optik erfasst, sondern auch die Farbe des Himmelshintergrundes, der bei der späteren Bildbearbeitung hilfreich sein kann. Bei großen Durchmessern muss sicher gestellt sein, dass das Milchglas homogen beleuchtet wird. Ein diffuser, kaum sichtbarer Schatten, beispielsweise durch eine nahe Straßenlampe hinter Vegetation, kann schnell Geisterbilder erzeugen.
Möchte man sich von externen Störfaktoren bei der Flatfieldaufnahme befreien, so muss die Milchglasplatte künstlich möglichst gleichmäßig beleuchtet werden. Dies ist das Funktionsprinzip vieler Flatfieldboxen. Eine andere Lösung mit aktiver Beleuchtung sind sogenannte Flatfieldfolien, die mittels Elektrolumineszenz gleichmäßig leuchten. Hiermit lassen sich reproduzierbar reine ,,Instrumentenflats" erstellen, die die Vignettierung der Optik erfassen. Wahrscheinlich sind dies die besten Flatfieldaufnahmen. Diese aktiv beleuchteten Hilfsmittel haben bis heute einen kleinen Nachteil. Da sie deutlich heller leuchten als der Nachthimmel, sind zur Flatfieldaufnahme viel kürzere Belichtungszeiten notwendig. Somit ist die Wirkung der einseitigen Abschattung durch den umklappenden Spiegel einer Spiegelreflexkamera viel stärker. Zudem benötigt man für das kürzer belichtete Flatfield eine separate Reihe von Dunkelbildern, den sogenannten ,,Flatdarks".
Denkt man die technische Herausforderung der Flatfielderstellung zu Ende, so wäre das beste Hilfsmittel eine dimmbare, homogen beleuchtete Flatfieldfolie oder Flatfieldbox, die nur geringfügig heller ist als der Nachthimmel. Um nicht wertvolle Belichtungszeit zu verschwenden, sollte in
der Dämmerung vor und nach der Belichtungsnacht das Flatfield erstellt werden. Mit einem Flatfield lässt sich nicht nur die Vignettierung der Optik, sondern auch der Einfluss von Partikeln im Strahlengang eliminieren, die sich als dunkle Ringe bemerkbar machen und umgangssprachlich ,,Donuts" genannt werden. Nach der Flatfielderstellung am Abend dürfen diese Partikel nicht ihre Position ändern. Die Sensorreinigung darf also zu diesem Zeitpunkt nicht durchgeführt werden. Andernfalls erhält man auf dem Light später einen hellen Donut, wo auf dem Flat zuvor das Partikel lag.
In unserem Flatfield-Team sind wir uns einig, dass ein Flatfield immer bei Änderungen am Fokus, der Blende, der Kameraposition, beim Tausch von Farbfiltern oder weiteren Änderungen im Strahlengang erfolgen sollte. Der Einfluss von Streulicht der Umgebung muss durch Blenden möglichst eliminiert werden. Zur Reduktion des Rauschens im Flatfield empfiehlt es sich, dass der Dynamikumfang des Chips möglichst ausgenutzt wird, mehrere Flatfieldaufnahmen gemittelt werden oder später in der Bildbearbeitung ein Rauschfilter-Algorithmus angewendet wird. In jedem Fall sollte die mittlere Helligkeit des Flatfields heller sein als 5% des Dynamikumfangs. Einen Einfluss der Kameraeinstellung auf die Qualität des Flatfield konnten wir bisher nicht feststellen, sofern die Belichtungszeit nicht zu kurz wird.
Befolgt man diese grundlegenden Ratschläge zur Erstellung des Flatfields, so erhält man eine gute Basis für die spätere Bildbearbeitung. Allerdings muss das Flatfield selbst in einem anspruchsvollen Verfahren erst an die Lights einer Nacht angepasst werden. Dies beschreibe ich im zweiten Teil in der nächsten Ausgabe des VdS-Journals für Astronomie.
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Astronomische Vereinigungen
JUGENDARBEIT
Eine Reise rund um den Mond
Eine Einstiegsveranstaltung für Kinder
von Alexander Golitschek, Volkssternwarte Darmstadt e.V.
Astronomie ist ein toller Beruf und ein tolles Hobby, soweit dürften sich die Leser einig sein. Die Faszination und das Interesse an Kinder und Jugendliche weiterzugeben, gestaltet sich häufig jedoch als eine größere Hürde, als es den Anschein haben mag, sei es innerhalb oder außerhalb eines Vereins. Bilder, Videos und Bücher können Interesse wecken, doch der Besuch einer Sternwarte kann eine größere Überwindung kosten, als es den Vereinen klar sein mag. Ist man als Besucher überhaupt willkommen, oder würde man nur als störendes Element empfunden - besonders dann, wenn man mit Kindern kommt.
Um diese Hemmschwelle zu reduzieren, bieten wir in der Volkssternwarte Darmstadt seit Januar 2015 mehrmals pro Jahr eine Mondveranstaltung ,,Eine Reise rund um den Mond" an, welche auf Kinder im Alter von ca. 8-12 Jahren ausgerichtet ist. Zum einen bietet sich der Mond als Thema dadurch an, dass jedes Kind den Mond schon mit eigenen Augen gesehen hat und er somit schon greifbar für dieses Alter ist. Außerdem ist er durch seinen 4-wöchigen Zyklus häufig genug sichtbar, so dass sich ein Besucher (gleich welchen Alters und Geschlechts) an das Gesehene und Erfahrene erinnern kann und dadurch im besten Fall Lust auf mehr bekommt.
1 Kraterschießen
im Schuhkarton
Die Mondveranstaltung ist so konzipiert, dass wir pro Termin maximal 12 Kinder plus jeweils bis zu zwei Erwachsene zulassen. So ist die Größe der Gruppe noch ausreichend überschaubar, um genügend Zeit für die jungen Teilnehmer zu haben. Der Ablauf gliedert sich grob in zwei Teile: Einen Vortragsteil (I) für alle Zuhörer gleichzeitig, gefolgt von einem Gruppenteil (II) in drei Stationen (II.A - II.C), die im Wechsel durchlaufen werden. Insgesamt dauert diese Veranstaltung etwa 100-110 Minuten.
2 Schattenwurf im 3D-Modell des Kraters Tycho, ca. 12 cm x 12 cm x 1 cm
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Astronomische Vereinigungen
3 Das ,,NASA-Weltraumspiel" mit ausgeschnittenen Kärtchen
der 15 Gegenstände
4 Beobachtung des Mondes an unserem
CFF 182 mm/1.260 mm-Teleskop
I. Vortrag (Dauer ca. 45 Minuten) Der Vortrag wird hauptsächlich durch Modelle, Bilder und Videos gestaltet, mit unterstützendem Text. Dadurch wollen wir einen leichteren Zugang zu den Inhalten erreichen, denn gerade Kinder nehmen sehr viel besser bildliche und haptische Reize auf, als einen Wust an Buchstaben - zumal ein Mangel an flüssiger Lesefähigkeit das Kind nicht demotivieren soll.
Inhaltlich gehen wir auf folgende Punkte ein: - Unterschied Stern - Planet - Mond - Größenvergleich und Abstand Erde -
Mond - Mondphasen - Finsternisse, Ebbe und Flut - Aufbau des Mondes - Temperaturen/Luft/Wasser/Nahrung
auf dem Mond? - Voraussetzungen für Leben - Entstehung des Mondes - Kollision Theia/Erde
- Die Mondoberfläche: Krater, Strahlen, Berge, Meere, Hochländer, Rillen
- Beobachtungen am Terminator - Erforschung des Mondes: Galilei, Apollo,
Chang'e 4 - Bilder und kurze Clips der Apollo-Mis-
sionen
II. Gruppenphase Nach dem Vortrag, der sich mit 45 Minuten Länge bewusst an einer Schulstunde orientiert, teilen wir die Kinder in drei Gruppen zu je vier Kindern auf. Drei Gruppen deswegen, weil wir so im Wechsel alle drei Stationen der Gruppenphase durchlaufen können, ohne dass Leerlauf entsteht. Die Gruppengröße zu vier Kindern (plus Begleiter) hat sich dahingehend bewährt, dass in jeder Station ausreichend Zeit für weitere Erklärungen und Fragen der Kinder bleibt. Bevorzugt werden Kinder gleichen Alters in einer Gruppe, da dies die Didaktik verbessert und der Ablauf für die Betreuer vereinfacht wird. Daher erfragen wir das Alter der Kinder bereits bei der Anmeldung. Bei
der Durchführung hat es sich bewährt, die allerjüngsten Teilnehmer nach der Vortragsphase direkt bei der Station II.C ,,Beobachtung" anfangen zu lassen und danach entsprechend durchzuwechseln.
Jede Station der Gruppenphase ist geplant für eine Dauer von ca. 15 Minuten. Da der Wechsel auch noch ein bisschen Zeit in Anspruch nimmt, ist somit die Gesamtdauer der Gruppenphase ca. 55 Minuten.
II.A Station ,,Kraterschießen" Dies ist ein Experiment zur Entstehung der Mondkrater, welches durch einen entsprechenden Artikel der Webseite Astrokramkiste inspiriert ist [1]. Dabei nehmen wir einen Schuhkarton, füllen diesen mit 2-3 kg Mehl, und bedecken die Oberfläche ganz leicht mit gesiebtem Kakaopulver. In dieses dürfen die Kinder dann verschieden schwere und verschieden große Kugeln fallen lassen. Der Aufprall dieser Modell-Meteoriten erzeugt sehr schöne Kraterstrukturen - freilich ohne Zentralberg und ohne
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Astronomische Vereinigungen
zerstörten Meteoriten. Doch man kann sehr schön darstellen, dass durch den Einschlag Material aus dem Mondinneren (also helles Mehl) an die Oberfläche gebracht wird (Abb. 1). Außerdem ist wie bei echten Meteoriten die Kratergröße beziehungsweise die Kratertiefe abhängig von der Größe und der Geschwindigkeit des Aufpralls, was man durch unterschiedliche Fallhöhen darstellen kann. Weiterhin kann man hierdurch eine grobe Altersbestimmung erklären: Ein Krater innerhalb eines anderen Kraters muss zwangsläufig neuer (also jünger) sein.
Zum Vergleich bietet sich eine Veranschaulichung echter Mondkrater an. Unter anderem beim Webauftritt der NASA [2] findet man 3D-Modelle einiger Krater (Copernicus, Gassendi, Tycho), die zum Beispiel mit einem 3D-Drucker gut druckbar sind und an denen man auch die Schattenwürfe bei schrägem Lichteinfall einfach zeigen kann (Abb. 2: Tycho).
II.B Station ,,NASA-Weltraumspiel" Dieses Spiel ist eine Art Planspiel, also kein herkömmliches Würfelspiel oder Geschicklichkeitsspiel, wie es die meisten Kinder vielleicht erwarten würden. Es ist unter anderem bei Wikipedia [3] beschrieben, so dass wir hier nur grob auf die Aufgabenstellung eingehen.
5 Blick durch ein 114 mm/500 mm-Newton-Teleskop auf unser 3D-Mondmodell
Jedes Kind steht vor der Situation, dass es mit einer Mondfähre eine Bruchlandung gemacht hat und nur noch 15 Gegenstände unbeschädigt geblieben sind. Bis zur nächsten Mondbasis sind 200 Kilometer zurückzulegen. Somit ist zu überlegen, wel-
che der 15 Gegenstände besonders überlebenswichtig sind oder zum Erreichen der Mondbasis gebraucht werden.
Dieses Spiel kann man durchaus komplex durchführen, aber damit es auch für die
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jüngsten Kinder machbar ist, haben wir folgende Vereinfachungen vorgenommen: Die Kinder sollen nur die wichtigsten 4-5 Gegenstände aussuchen und die 4-5 sinnlosesten Gegenstände, ohne dass dabei eine Erklärung nötig ist. Dies ist normalerweise in 5-10 Minuten von allen Kindern zu schaffen. Drei wichtige - Sauerstoff, Wasser, Nahrung - wurden dabei schon im Vortragsteil erwähnt, damit es nicht zu schwierig wird. Außerdem wurde auch das Fehlen eines Magnetfeldes erwähnt sowie die Temperaturen, was das Ausschließen des Magnetkompasses und des Heizgeräts erleichtert.
Zur Auswertung vergleichen wir die Antworten und erklären bei Bedarf kurz, warum etwas sinnvoll oder sinnlos ist. Ein besonderer Reiz ist es, die begleitenden Erwachsenen als eine Gruppe das Spiel durchführen zu lassen (Abb. 3). Nicht immer machen die Erwachsenen es besser als die Kinder ...
II.C Station ,,Beobachtung" Die Beobachtung durch das Teleskop ist sicherlich etwas Besonderes für die Kinder, daher planen wir die Veranstaltung immer so, dass wir mehr oder weniger zunehmenden Halbmond haben, so dass der Mond möglichst früh am Abend am Himmel steht und die Krater am Terminator einfach erkennbar sind. Am besten ist es dann, wenn man dabei mehrere Teleskope mit unterschiedlichen Vergrößerungen einsetzen kann. Dabei kann man auch einiges zur Funktion eines Teleskops erläutern. Eine kleine Leiter zur Hand zu haben, hat sich bewährt (Abb. 4).
Freilich lässt sich ein wolkenfreier Himmel in unseren Breiten nicht gut vorhersagen oder planen. Für den - leider sehr häufigen - Fall einer nicht möglichen Beobachtung hat sich unser 3D-Modell des Mondes
6 Andenken für die Kinder: ein kleiner 3D-Mond mit Eigenwerbung
sehr bewährt, der mit einem Durchmesser von 17,38 cm und einer relativen Überzeichnung der Höhen um den Faktor 10 im FDM-Verfahren gedruckt wurde. Diesen stellen wir in ca. 5,50 m Entfernung zu einem Newton-Teleskop 114 mm/500 mm auf, welches unter Zuhilfenahme einer Verlängerungshülse von etwa 7 cm Länge in den Fokus kommt. Wenn man dies an einem möglichst dunklen Ort macht, kann man mit einer seitlich ausgerichteten Lampe sogar einigermaßen die Mondphase nachstellen und die Schattenwürfe der Krater in Terminatornähe erkennen. Die Abbildung 5 zeigt eine Aufnahme des Modells durch das Okular des kleinen Teleskops.
Zum Abschluss der Veranstaltung überreichen wir jedem Kind als Andenken noch ein kleines 3D-Modell des Mondes (1 cm entspr. 1.000 km, Höhen 30-fach übertrieben), welches man zum Beispiel in einen Setzkasten oder in eine Vitrine stellen kann. Auch bei diesem Modell kann man die Kraterstrukturen und die Mondmeere sehr gut erkennen (Abb. 6) sowie ein bisschen Eigenwerbung ...
In den etwa fünf Jahren seit der ersten Mondveranstaltung haben wir diese mehr als zwanzigmal durchgeführt. Alle diese Veranstaltungen waren schnell ausgebucht, so dass wir inzwischen weit mehr als 200
Kinder zwischen 6 und 12 Jahren (und ungefähr ebenso viele erwachsene Begleiter) in diesem Rahmen zu Gast hatten. Nach einer anfänglichen Lernphase unsererseits sind wir inzwischen bei einem Format angekommen, welches wir guten Gewissens zur Nachahmung empfehlen können. Die allermeisten Kommentare, die wir am Ende von Kindern und Erwachsenen bekommen, sind durchweg positiv. Auch unseren Betreuern - immerhin 4-5 Vereinsmitgliedern für die Durchführung - macht die Arbeit mit den Kindern viel Freude. Somit hoffen wir, mittelfristig vielleicht das ein oder andere Jungmitglied im Verein begrüßen zu dürfen, dessen Interesse durch diese Veranstaltung geweckt wurde. Jedoch ist auch klar, dass solch eine Veranstaltung nur ein Anreiz zum Einstieg sein kann und dass regelmäßige Jugendveranstaltungen wünschenswert sind, um eine tatkräftige und engagierte Jugendgruppe im Verein zu etablieren.
Weblinks (Stand: Juni 2019): [1] www.astronomie.de/astronomie-
fuer-kinder/die-astrokids/experimente/ mondkrater-simulation/ [2] https://nasa3d.arc.nasa.gov/models/ printable [3] https://de.wikipedia.org/wiki/NASAWeltraumspiel
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Astronomische Vereinigungen
JUGENDARBEIT
Ein Tag für die Zukunft
Innovationsworkshop ,,Jugendliche in der Astronomie"
von Rolando Dölling, Astrid Gallus und Michael Schomann
1 Gruppenfoto aller Teilnehmer im
Physikalischen Verein und Sternwarte Frankfurt, Foto: M. Schomann
Die Fachgruppe Astronomische Vereinigungen der VdS [1] hatte am 5. Oktober 2019 nach Frankfurt in die Räume des Physikalischen Vereins zu einem ,,Jugendworkshop Astronomie" eingeladen. Insgesamt fanden 35 Jugendliche und jung gebliebene Amateurastronomen den Weg in die frisch renovierten Räume des Physikalischen Vereins (Abb. 1).
Hintergrund und Anlass für die Tagung war die Frage, wie wir junge Menschen für das schöne Hobby Astronomie gewinnen können und welche Wünsche sich bei Jugendlichen entwickeln.
Solche Fragen haben wir uns gestellt: - Welche konkreten Angebote oder Unter-
stützung brauchen Jugendliche? - Was motiviert Jugendliche, warum inter-
essieren sie sich für Astronomie? - Wie sind Jugendliche vernetzt, was fehlt
dazu oder stört? - Welche VdS-Fachgruppen/Themen sind
für Jugendliche interessant? - Wie kann die VdS die Jugend unterstüt-
zen?
Dazu begrüßte Rolando Dölling als Fachgruppenleiter (Abb. 2) die zum Teil weit angereisten Teilnehmer mit einem Ausblick auf den Tagesablauf. Einen amüsanten Einstiegsvortrag passend zum Thema: ,,Vom jungen Sternengucker zum Astrophysiker" hielt der ortsansässige Sternfreund Mario Weigand. Die im Anschluss folgende Vorstellungsrunde aller Teilnehmer lieferte gleichzeitig die ersten Ideen, die Benjamin Mirwald auf einem Flipchart festhielt (Abb. 3).
Dieser erste Schritt war eine der wichtigsten Komponenten der angewendeten Methode in diesem Workshop, sie wurde aus bekannten Erfahrungen zur Ideenentwicklung in
Teams speziell für diesen Tag angepasst und optimiert [2, 3, 4]. Die Abbildung 4 zeigt den groben Ablauf und die Durchführung der einzelnen Schritte, die letztendlich zum erzielten Gesamtergebnis führten.
Aus diesen vielen gesammelten Ideen und Themen wurden vier Schwerpunkte zusammen gebildet, die das Organisationsteam in der Mittagspause erstellte. Diese Schwerpunkte waren: ,,Vernetzung", ,,Motivation", ,,Schule" und ,,Angebote". Analog zu diesen Themen wurden vier Gruppen gebildet mit der jeweils gleichen Anzahl von Jugendlichen und restlichen Teilnehmern. Jede Gruppe bekam einen Moderator und einen eigenen Raum für den Work-
Tabelle 1
Die 4 Gruppen und deren Themen
Raum 1
Raum 2
Raum 3
Raum 4
Konkrete Angebote Motivation
Vernetzung
Schulen
Erika Dölling
Benjamin Mirwald Michael Schomann Dr. Heinz Beister
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Astronomische Vereinigungen
2 Rolando Dölling erläutert die Vorgehensweise des Workshops, Foto: M. Schomann
shop (Tab. 1). Der jetzt folgende Schritt war denkbar einfach: Auf ein leeres Blatt Papier schrieb jeder Teilnehmer je eine ihm wichtige Idee passend zum Thema seiner Gruppe jeweils auf die Vorder- und auf die Rückseite. Hierfür hatte man nur zwei Minuten Zeit, welche der Moderator auch tatsächlich stoppte. Danach wurden die Blätter alle zwei Minuten im Uhrzeigersinn weitergereicht, damit jeder noch die eigenen Gedanken zu den Ideen seiner Vordermänner(-frauen) schreiben konnte. Erst als jeder Teilnehmer sein eigenes Blatt wieder in den Händen hielt, endete diese Runde (Abb. 5). Nun trug jeder die Ergebnisse
3 Die ersten 35 Ideen [5], Autor: R. Dölling
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4 Die angewendete Methode [5],
Autor: R. Dölling
Astronomische Vereinigungen
5 Links: eine der Arbeitsgruppen,
Foto: R. Dölling
6 Unten: ergebnisse der 4 Arbeitsgruppen [5],
Autor: R. Dölling
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Astronomische Vereinigungen
7 Die 12 ausgewählten Ideen aus den 4 Gruppen [5], Autor: R. Dölling
8 Die 3 Sieger der ausgewählten Ideen [5], Autor: R. Dölling
seines Blattes vor, die zu einem oder zwei Hauptthemen zusammengefasst wurden. Der Moderator notierte diese Themen auf Karten und klebte sie auf eine Tafel. Zum Schluss durften die Teilnehmer mit nur drei Klebepunkten die aus ihrer Sicht besten Ideen bewerten (Abb. 6). Von allen vier Gruppen fanden somit nun die jeweils drei wichtigsten Themen den Weg zurück in den großen Hörsaal. Nach
der Mittagspause mit einem tollen Büffet stellten die Moderatoren dort nun die Arbeitsergebnisse ihrer Workshops vor, die alsdann auf eine Stellwand geheftet wurden (Abb. 7).
Im letzten Schritt waren alle Teilnehmer aufgefordert, mit (jetzt nur noch) zwei großen roten Klebepunkten ihre endgültigen beiden Favoriten zu kennzeichnen.
Folgende Ideen machten das Rennen (Abb. 8): - Regionale Wochenenden für Jugendliche
als Astro-Camps (Vorbild das ASL der VEGA) - Vernetzung jugendlicher Organisatoren aus verschiedenen Themenbereichen - VdS-Datenbank mit digitaler Materialzentrale zum Basteln, Modellbau, Powerpoints etc.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Jugendlichen gerne Veranstaltungen unter sich machen möchten und Freundschaften entwickeln wollen. Reale soziale Kontakte sind gerade in der Zeit von Socialmedia und Smartphones gefragt, sowohl im Verein als auch in der Schule oder bei Jugendcamps. Anreize zu astronomischen Themen in Form einer digitalen Materialzentrale, Auszeichnungen oder Themenwochen müssen realisiert werden. Die Vernetzung zu anderen verwandten Bereichen (z.B. Pfadfinder) soll neue Freundschaften und Ideen befördern. Jungen Menschen Zeit am Teleskop zu geben und ihnen Verantwortung zu übertragen, ist für die Zukunft wichtig. Die genannten Themen inklusive der noch auszuwertenden Ideen werden von der Fachgruppe und vom Vorstand der VdS als Auftrag verstanden und weiterverfolgt. Das bedeutet, dass auch die Ideen, welche es nicht in die beste Bewertung geschafft haben, nicht verloren sind. In ca. einem Jahr möchten wir erneut eine Umfrage starten, um die Erfolge dieser Ideen in den Regionen der FG Astronomische Vereinigungen abzufragen. Wir werden die Leser des VdS-Journals für Astronomie durch kleine Berichte in den kommenden Journalen auf dem Laufenden halten.
Herzlichen Dank allen Teilnehmern seitens des Organisationsteams (Abb. 9) für ihren persönlichen Einsatz und insbesondere den unterstützenden Mitgliedern des Phy-
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Astronomische Vereinigungen
sikalischen Vereins Frankfurt, namentlich Barbara, Maria und Dietmar. Hinweis: Wir hatten uns auf das ,,Du" zwischen allen Teilnehmern geeinigt. Damit sich die Teilnehmer nicht aus den Augen verlieren, wurde eine Mailingliste eingerichtet, damit ein permanenter Austausch stattfinden kann. Interessierte Leser sind herzlich hierzu eingeladen, sie mögen sich bei Rolando Dölling melden.
Danke und Grüße von der VdS-Fachgruppe Astronomische Vereinigungen
Literaturhinweise und Weblinks (Stand: November 2019): [1] VdS-Webseite der Fachgruppe Astro-
nomische Vereinigungen: www.vds-astro.de/index.php?id=338 [2] M. J. Eppler, F. Hoffmann, R. Pfister, 2017: ,,Creability. Gemeinsam Kreativ,
Innovative Methoden für die Ideenentwicklung in Teams", Schäfer-Poeschel Verlag Stuttgart. 2. Auflage [3] I. Osann, L. Mayer, I. Wiele, 2018: ,,Design Thinking Schnellstart. Kreative Workshops gestalten", Hanser Verlag München [4] M. Lewrick, P. Link, L. Leifer, 2018:
9 Das Organisations-
team, Foto: E. Dölling
,,Das Design Thinking Playbook. Mit traditionellen, aktuellen und zukünftigen Erfolgsfaktoren", Franz Vahlen Verlag, 2. Auflage [5] Rolando Dölling, 2019: Folien aus dem Vortrag zum Innovationsworkshop, VdS-Tagung, 19. Oktober 2019, Neunburg vorm Wald
50 Jahre Walter-HohmannSternwarte Essen e.V.
von Udo Siepmann
Genau 50 Jahre nach der ersten bemannten Mondlandung feiert auch die Essener Walter-Hohmann-Sternwarte ihr 50-jähriges Bestehen. Zu ihrer Jubiläumsfeier am 12. Oktober im Residenzsaal des Schlosses in Essen-Borbeck dankte Oberbürgermeister Thomas Kufen den Essener Sternfreunden ,,für fünfzig Jahre engagierter Arbeit" (Abb. 1). Für viele Besucher der Sternwarte sei der Blick durch die Teleskope auf den Mond, die Planeten oder ferne Galaxien ein erster Anreiz, sich intensiver mit der Astronomie zu befassen. Die Vorsitzende der Sternwarte, Claudia Henkel, betonte: ,,Unsere Sternwarte hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, ihre Faszination
1 Claudia Henkel, Vorsitzende der Walter-Hohmann-Sternwarte Essen e.V., und
Oberbürgermeister Thomas Kufen. Foto: Jörg Henkel
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Astronomische Vereinigungen
2 Volker und Hasso Hohmann,
Claudia Henkel, Wolfgang Both, Torsten Englert. Foto: Jörg Henkel
für das Universum zu entdecken." Mit dem Projekt ,,Sterne funkeln für jeden" setze sie sich dafür ein, an vielen Schulen in Essen, aber auch weit darüber hinaus, Kindern mit Handicap die Möglichkeit zu geben, den Himmel mit gespendeten Teleskopen und passendem Lehrmaterial kennenzulernen.
Einen Überblick über die bewegte Vereinsgeschichte gab der zweite Vorsitzende Helmut Metz.
Aus einem kleinen Freundeskreis, der sich durch einen Aufruf über die Vereinigung der Sternfreunde (VdS) rasch verbreiterte, entstand auf einem Gartengrundstück im Essener Stadtteil Heidhausen der Vorläufer des heutigen Vereins. Ab Juni 1965 trafen sich die Sternfreunde regelmäßig und nahmen im Juni 1968 ein erstes selbstgebautes 20-cm-Spiegelteleskop in Betrieb. Mit der Eintragung ins Essener Vereinsregister im Oktober 1969 durch - den im vergangenen Jahr leider verstorbenen - Ansgar Korte, der fortan den Verein für 28 Jahre führte, begann das offizielle Vereinsleben.
Seinen heutigen Namen nahm der Verein 1972 an. Damit würdigten die Mitglieder die großen Verdienste des Essener Stadtbaurates (1912-1945) und Raumfahrtpioniers Walter Hohmann, der mit seinem 1925 erschienenen Werk ,,Die Erreichbarkeit der Himmelskörper" die Basis für Energie sparende Reiserouten zu den Objekten des
Sonnensystems legte. Die ,,Hohmann-Bahnen" gehören heute zum festen Bestandteil der Wissenschaft von der Raumfahrt. Auch die Idee einer Mondlandefähre, so wie sie später im Apollo-Programm auch realisiert wurde, stammt aus Hohmanns Feder. Der junge Wernher von Braun las Hohmanns Werk, das eine kongeniale Ergänzung zu Oberths Arbeiten zur Raketentechnologie darstellte.
Aus Anlass ihres Jubiläums erinnert die Sternwarte an das Lebenswerk ihres Namensgebers mit einer von Wolfgang Both verfassten Biografie. Both beleuchtete während seines Vortrages in der Feierstunde eine eher unbekannte Seite von Walter Hohmann, nämlich die des Humanisten. Entgegen dem Zeitgeist des ersten Weltkrieges und der Zeit danach plädierte Hohmann für die Gleichberechtigung der Frau und wandte sich gegen einen Patriotismus, der zur ,,Rohheit und Niederträchtigkeit" verleite. Auch warb er darum, die Beiträge der römischen und arabischen Kultur für die Astronomie und die exakten Wissenschaften zu achten. Besonders erfreut zeigten sich die Essener Sternfreunde, dass auch zwei Enkel ihres Namensgebers, nämlich Volker und Hasso Hohmann und der Vorsitzende Torsten Englert der namensgleichen Sternwarte aus Walter Hohmanns Geburtsort Hardheim zu Gast waren (Abb. 2).
Allen Sternfreunden ist die Walter-Hohmann-Sternwarte durch die Ausrichtung des ATT, Europas größter AstronomieMesse, bekannt. Jahr für Jahr zieht sie rund 2.000 in- und ausländische Besucher sowie alle namhaften Händler und Hersteller aus der Astroszene nach Essen. ,,Der ATT ist der Marktplatz der Amateurastronomen schlechthin. Hier gibt es nicht nur regen fachlichen Austausch, sondern vor allem Gelegenheit, Innovationen für unser faszinierendes Hobby aus erster Hand kennenzulernen", so die Vorsitzende Claudia Henkel. Mit einem Grußwort des VdS-Vorstandes und der Übergabe einer Ehrenurkunde zum Jubiläum würdigte auch Schriftführe-
3 VdS-Schriftführerin Astrid Gallus überreicht
die Ehrenurkunde zum Jubiläum. Foto: Jörg Henkel
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Astronomische Vereinigungen
rin Astrid Gallus das breite ehrenamtliche Engagement der Walter-Hohmann-Sternwarte (Abb. 3). Vor allem dieses habe zu ihrem hervorragenden Ruf unter den Sternwarten beigetragen. Alleine der ATT belege dies Jahr für Jahr. Auch sei die Radioastronomie ein ganz besonderer und eher seltener Schwerpunkt. Zudem habe sich die Sternwarte mit herausragenden Astrofotografen und ihrer erfolgreichen Kleinplanetenforschung einen Namen gemacht. In den Jahren 2002 und 2003 sind dort fünfzehn Kleinplaneten entdeckt worden, von denen einer nun sogar den Namen ,,Essen" trägt.
4 Vereinsgelände der Walter-Hohmann-Sternwarte. Foto: Helmut Metz
Schmidt-Cassegrain, einen 15-cm-ED-Refraktor sowie einen 3-Meter-Radioreflektor.
Auch das jährliche Programm der Sternwarte ist beachtlich. ,,Wir bieten jährlich rund 60 Vorträge mit anschließender Beob-
achtung an den Teleskopen, bei besonderen Ereignissen wie Finsternissen und Meteorströmen sind uns Besucher stets willkommen", so Claudia Henkel. Das gilt auch für sonntägliche Sonnenbeobachtungen in den Sommermonaten (Abb. 5).
Das heutige Vereinsgelände der WalterHohmann-Sternwarte liegt seit 1978 im ländlichen Essener Stadtteil Schuir (Abb. 4). Dies ist ein - gemessen am lichtverschmutzten Himmel des Ruhrgebietes - noch außergewöhnlich dunkler Standort. Das Vereinsheim, eine ehemalige Zwergschule aus dem Jahre 1829, und das Außengelände überließ die Stadt Essen im Jahre 1978 dem Verein zur Pacht.
Heute verfügt die Sternwarte über einen 56-cm-Cassegrain mit Nasmyth-Fokus in einer Kuppel, zwei 32-cm- bzw. 40-cm-Spiegel-Astrografen, einen 35-cm-
5 Sonnenbeobachtung am 15-cm-ED-Refraktor. Foto: Helmut Metz
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Astronomische Vereinigungen
Das Weltall - Du lebst darin, entdecke es!
von Josefine Liebisch
Diesen Worten folgend gründeten im Internationalen Jahr der Astronomie 2009 dreizehn interessierte Bürger die Interessengemeinschaft (IG) Sternwarte DresdenGönnsdorf. Ziel war die Gestaltung eines Freizeitprojektes für Kinder und Jugendliche zur Vermittlung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. Zu diesem Zeitpunkt lag das Kuppelgebäude jedoch brach (Abb. 1) und bedurfte einer Grundsanierung sowie einer technischen Ausstattung.
Die Geschichte der Kuppel begann mit ihrem Bau 1976 durch die Technische Universität Dresden. Sie befindet sich am nordöstlichen Stadtrand Dresdens im Schönfelder Hochland und diente zur Vermessung von Himmelskörpern. Durch die zunehmende Lichtverschmutzung wechselte die TU 2006 den Standort. Seitdem war das Gebäude dem Verfall preisgegeben. Ausschließlich mit enormen Eigenleistungen sowohl materieller als auch finanzieller Art hauchte die IG von 2009 bis 2010 der Kuppel neues Leben ein. Um die Sternwarte jedoch ganzjährig nutzen zu können, war ein Funktionsgebäude mit Heizung und Sanitäreinrichtung notwendig. Mithilfe privater und gewerblicher Sponsoren sowie des Ortschaftsrates Schönfeld/Weißig wurde der Bau 2013 fertiggestellt (Abb. 2). Bereits ein Jahr zuvor entstand ein enger Kontakt zum Schülerlabor DeltaX des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf. Das Ergebnis dieser Kooperation ist ein 16-Zoll-Schmidt-Cassegrain von Meade als Leihgabe. Es bildet das Herzstück unserer Sternwarte. Im Gegenzug beteiligen wir uns an den jährlich stattfindenen Veranstaltungen wie den ,,Astrotagen" und dem ,,Juniordoktor" am DeltaX.
1 Sternwarte im ursprünglichen Zustand
Da wir als IG bisher Teil des ,,Vereins zu Förderung der Jugend e.V." waren, gründeten wir im Dezember 2018 einen eigenen Verein, den ,,Verein Sternwarte Dresden-Gönnsdorf
2 Sternwarte heute nach liebevoller Renovierung
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Astronomische Vereinigungen
e.V.". Das soll uns künftig ermöglichen, autonome Entscheidungen bezüglich Finanzen und Sternwartenbetrieb treffen zu können, sofern uns das Eigentum übertragen wird. Unser Vereinsziel ist vorwiegend die Förderung der astronomischen Bildung sowie der Betrieb und die Weiterentwicklung der Sternwarte als Ort der Wissensvermittlung. Bis zur endgültigen Entscheidung zu einem Verein ist nach wie vor die IG für den Sternwartenbetrieb zuständig.
3 Unsere Astro-AG für Jugendliche
Was wir bieten In den vergangenen zehn Jahren haben sich ein stabiler Ablauf im ,,Alltag" und gewisse Stärken herausgebildet. Zu Letzteren gehört unter anderem ein breites Besucherspektrum. Neben vielen Familien, Privatpersonen und Erwachsenengruppen bieten wir Bildungseinrichtungen und Kindergärten den Besuch unserer Sternwarte an. Auf Wunsch kann auch über ein bestimmtes Thema referiert werden. Das nehmen besonders Gymnasien gern für ihre zehnten Klassen zur Einführung in die Astronomie an. Auch Grundschulen bauen verstärkt Projektwochen zur Astronomie in den Lehrplan ein. Auf diese Weise wird bei Kindern und Jugendlichen das Interesse an der Astronomie geweckt. Kürzlich fragte mich ein vierjähriger Junge, wie das mit der Unendlichkeit und den Grenzen des Universum sei - ist das nicht ein Beweis dafür, dass die Astronomie alles andere als unbekannt ist? Die Astronomie ist bei uns lange nicht mehr nur ein ,,Hobby für Ältere" - im Gegenteil: Sie wird von jungen Leuten bevölkert. Deshalb bieten wir für Kinder und Jugendliche der 5. bis 12. Klassen die AstroAG an (Abb. 3). Betreut von unseren zwei IG-Mitgliedern Steffen Grundmann und Dr. Frank Bok treffen sich bis zu 16 Schüler jeden Freitagabend. Dabei werden eigene Projekte bearbeitet: Ein Sonnenposter als Unterstützung für die Beobachtung, ein Kalender mit selbst erstellten Astrofotos
4 Bibliothek, Aufenthalts-, Schulungs- und Vortragsraum
oder eigene Vorträge zu astronomischen Ereignissen. Natürlich wird auch beobachtet, wann immer das Wetter es zulässt. Einige der ehemaligen Schüler haben sich für eine naturwissenschaftliche Ausbildung entschieden oder sind inzwischen Vereinsmitglieder geworden. Ich war zwei Jahre lang ein Teil der AG und habe auf diesem Weg einen wundervollen Einstieg in die Astronomie bekommen.
Daneben bieten wir auch eine Spektroskopie- und eine Astrofotografie-AG sowie die Betreuung von schulischen Facharbeiten
an. Aus eigener Erfahrung kann ich die Betreuung als hohe Qualität einstufen. Man nimmt sich mit viel Geduld, Wissen und Begeisterung der Schüler an.
Wie schon aus den AGs erkennbar, decken die Interessensgebiete unserer Mitglieder viele verschiedene Bereiche ab. Dieser Aspekt wird durch unser großes Vortragsangebot sichtbar. Des Weiteren beherbergen wir eine kleine Bibliothek mit Zeitschriften, historischen Büchern, Kinderliteratur und Fachbüchern unterschiedlichster Themen (Abb. 4).
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Astronomische Vereinigungen
5 Große Besucherzahl während einer unserer Veranstaltungen
Sternwarte Dresden-Gönnsdorf
Derzeitige Mitglieder: 12 Standort: Weißiger Landstraße 6, 01328 Dresden Leiterin: Renate Franz Web: www.sternwarte-goennsdorf.de Telefon: Renate Franz, +49160 94806100
Neben der guten inhaltlichen Aufstellung, haben wir auch technisch einiges zu bieten. Zusätzlich zum 16-Zoll-Schmidt-Cassegrain besitzen wir folgende Optiken, die allesamt durch Spenden zusammengekommen sind: - 10-Zoll-Newton mit EQ8-Montierung - 12-Zoll-Dobson - 3 Telementoren mit Ausrüstung für die
Sonnenbeobachtung - DADOS-Spektrograf mit 200L/mm - astromodifizierte Canon-Kamera - Sonnenteleskop mit H-Interferenzfilter - weitere kleinere Optiken
Selbstverständlich wird die Technik rege genutzt, zum Beispiel bei öffentlichen Beobachtungen, eigenen Projekten oder zu Teleskoptreffen. Einige unserer Mitglieder sind beim Westhavelländer Astrotreff (WHAT) und beim Sächsischen Sommernachtsteleskoptreffen (STT) in Riesa anzutreffen. Auch wir als Sternwartenteam leben mit Freude und sichtlich großem Engagement das ,,Ehrenamt Astronomie".
Besuchen Sie uns! Bei gutem Wetter kann die Sternwarte jeden Montag ohne Anmeldung besucht werden, die Öffnungszeiten richten sich nach der einsetzenden Dunkelheit und sind unserer Homepage zu entnehmen. Am zweiten Montag im Monat bieten wir zudem einen wissenschaftlichen Vortrag an. Auf unserer
6 Renate Franz, Chefin der Sternwarte Dresden-Gönnsdorf
Homepage haben wir die von unseren Mitgliedern erarbeiteten Vorträge aufgelistet. Gern können Besuchergruppen über die Besucheranfrage auf unserer Homepage auch außerhalb der Montage Besuche buchen. Und selbstverständlich sind wir bei Himmelsereignissen präsent, egal zu welcher Uhrzeit (Abb. 5).
dern und Unterstützern, die uns in den zurückliegenden 10 Jahren zur Seite standen. Ohne sie hätten wir uns nicht weiterentwickeln können. Nun starten wir in die nächsten 10 Jahre. Wir hoffen sehr, dass wir auch weiterhin das Interesse und die Neugierde für unsere Sternwarte wecken können.
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ohne unsere Chefin Renate Franz (Abb. 6) keine einzige dieser Aktivitäten möglich wäre. Sie setzt sich mit einem unglaublichen Engagement für die Zukunft und Qualität unserer Sternwarte ein. Voller Hochachtung danken wir auch allen Spen-
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Astrophysik & Algorithmen
Entstehung und Morphologie von Meteoriten
- zum 100. Leipziger Astronomie-Stammtisch
von Donald Ranft und Frank Ziegenhein
Am 11. Oktober 2019 fand der 100. Leipziger Astronomie-Stammtisch im Restaurant ,,Aufgehende Sonne" statt. Die Einladungen zum Stammtisch sowie zum Informationsaustausch untereinander erfolgen seit Jahren auf astronomie.de unter ,,Treffpunkt/Leipziger Sternfreunde" und seit einem reichlichen Jahr zusätzlich in einer Whatsapp-Gruppe.
14 Sternfreunde fanden die Zeit zum Hundertsten und konnten nach der üblichen asiatischen Stärkung einem von Frank Ziegenhein gestalteten und per Mini-Beamer visualisierten Vortrag über Entstehung und Morphologie von Meteoriten lauschen. Anschließend kamen ca. ein Dutzend Meteoriten und Meteoritenteile aus Franks Sammlung sowie drei Meteoriten von Uwe Pilz in Umlauf und konnten freiäugig, mit Lupe und Mikroskop auf charakteristische Eigenschaften untersucht werden. Wohl erstmalig sah es in einem Bereich eines Asia-Restaurants aus wie in einem Labor.
Tabelle 1
1 Scheibe eines gewöhnlichen Chondriten mit gut erhaltenen Chondren (Donald Ranft)
Vereinfachte Systematik der Morphologie von Meteoriten
Undifferenzierte Meteoriten - Gewöhnliche Chondrite Kohlige Chondrite Enstatite R-Chondrite
Differenzierte Meteoriten - Achondrite Eisenmeteorite Stein-Eisen-Meteorite Mondmeteorite Marsmeteorite
2 Kohliger Chondrit mit kalziumaluminiumreichen Einschlüssen,
das sind die hellen, unregelmäßigen Flecken (Uwe Pilz)
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Astrophysik & Algorithmen
3 Achondrit der HED-Untergruppe,
welche zum überwiegenden Teil aus aufgeschmolzenem Material bestehen (Frank Ziegenhein)
Im Folgenden sollen einige Punkte des Vortrages vorgestellt werden. Viele Meteoriten gehören zu den ursprünglichsten erhaltenen festen Gebilden aus der Akkretionsscheibe unseres Sonnensystems. Von der Art der Entstehung her können Meteorite in Undifferenzierte und Differenzierte unterschieden werden (Tab. 1).
Chondrite sind undifferenziert. Sie wurden benannt nach den in mehr oder minder metallreicher Matrix eingebetteten, annähernd kugelförmigen silikatischen Einschlüssen - den Chondren (Abb. 1). Die Entstehung der Chondren ist noch nicht ausreichend verstanden. Kohlige Chondrite (Abb. 2) könnten in ähnlicher wasserreicher Umgebung wie Kometen entstanden sein. Bei wenigen, besonders wasserreichen Meteoriten wird eine kometarische Herkunft vermutet. Zu den ältesten in den
Chondriten erhaltenen Mineralien gehören hochschmelzende kalziumaluminiumreiche Einschlüsse (CAI) in kohligen Chondriten, welche von Mischoxiden und -silikaten dominiert werden. Diese gingen vermutlich als erste wieder in den festen Aggregatzustand über. Für einige Chondriten wird ein Alter von 4,6 Milliarden Jahren angegeben - älter als unser Heimatplanet: Das älteste irdische Gestein ist ca. 4 Milliarden Jahre alt.
Die Entstehung Differenzierter Meteoriten wird durch das Aufschmelzen größerer Konglomerate erklärt, vermutlich Asteroiden mit mehreren hundert Kilometern Durchmesser. Größere Körper können durch Hitzeentwicklung bei Agglomeration und Zerfallswärme aus radioaktiven Prozessen ausreichend Wärme zum Aufschmelzen des ursprünglichen Ma-
4 Scheibe eines Eisenmeteoriten mit typischen Widman-
stättenschen Figuren (Donald Ranft)
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5 Eisen-Stein-Meteorit. Gut zu sehen sind die so genannten
Neumannschen Linien im linken oberen und unteren rechten Eisenkompartiment. Sie entstehen bei Schockprozessen infolge von Einschlägen. (Frank Ziegenhein)
Astrophysik & Algorithmen
terials entwickeln. Im flüssigen Zustand entmischt sich das Material und bildet einen eisenhaltiger Kern und eine aufgeschmolzene (und daher keine Chondren mehr enthaltende) Kruste. Dazwischen gibt es einen Übergangsbereich, aus dem Stein-Eisen-Meteoriten stammen. Werden solche Körper durch Einschläge ganz oder teilweise zerstört, können die entsprechenden Bruchstücke als Achondriten (Abb. 3), Eisenmeteoriten (Abb. 4) oder Stein-EisenMeteoriten (Abb. 5) auf der Erde niedergehen. Da diese Meteoriten aus Körpern ent-
standen sind, die sich nach erfolgter Aufschmelzung erst wieder abkühlen mussten, haben sie ein geringeres Alter als gewöhnliche Chondrite. Als Ursprung eines großen Teils der Differenzierten Meteoriten gilt der Asteroid Vesta, da die Absorptionsspektren sich gleichen [1]. Besonders eindrücklich in Eisenmeteoriten sind die so genannten Widmanstättenschen Figuren (Abb. 4). Sie bilden sich durch Kristallwachstum bei extrem langsamem Abkühlen von Eisen-Nickel-Schmelzen. Sie bestehen aus nickelreichem Taenit, die Zwischenräume werden
durch verbleibendes nickelarmes, niedriger schmelzendes Kamacit aufgefüllt.
Die Eisenmeteoriten sind trotz des Nickelgehaltes in gewissem Maße rostanfällig. Sie sollten in trockener Umgebung aufbewahrt werden. Empfehlenswert ist eine kleine Menge des preiswerten und weitgehend inerten Kieselgels in der Aufbewahrungsbox des Meteoriten.
Weblink (geprüft 08.12.2019): [1] de.wikipedia.org/wiki/Achondrit
Das Mehrkörperproblem in der Astronomie
von Uwe Pilz
Die Bewegung von Körpern unter Einfluss ihrer Gravitation wird durch so genannte Differentialgleichungen beschrieben. Gegeben sind in solchen Gleichungen nicht die gesuchten Größen selbst, sondern der Grad ihrer Veränderung. Eine ausführliche Erläuterung zu Differentialgleichungen habe ich auf den Seiten der Fachgruppe unter ,,Algorithmen und Lektionen" gegeben [1]. Die Bewegung von Körpern im Raum zu berechnen bedeutet, den Ort (die Koordinaten) aller Körper zu jedem Zeitpunkt angeben zu können. Hierfür gibt es keine geschlossene Formel. Man kann man zwar mittels des Gravitationsgesetzes die Kräfte ausrechnen, die sie aufeinander ausüben und davon ausgehend die Beschleunigungen, welche die Körper erfahren (Abb. 1). Wir benötigen aber die Koordinaten.
Das Mehrkörperproblem geht der Frage nach, wie man aus diesen Beschleunigungen näherungsweise einen Bahnverlauf bestimmt. Für die Bewegung zweier Körper gelingt das exakt mit Hilfe der Kepler-Gleichung [2]. Kommen mehr Körper ins Spiel, lässt sich der exakte Bahnverlauf nur noch
für Sonderfälle genau berechnen. Im Allgemeinen sind wir auf Näherungsverfahren angewiesen. Ein Beispiel, welches uns in dieser Aufsatzreihe begleiten wird, ist die Bewegung aller Planeten unseres Sonnensystems. Das Zweikörperproblem liefert dafür nur eine Näherungslösung und berücksichtigt die so genannten ,,Störungen" durch die anderen Planeten nicht. Die damit erreichbare Genauigkeit ist gering, die Abweichungen können im Gradbereich liegen.
Der mathematische Ansatz und die Umsetzung im Programm Der Bahnverlauf von Körpern lässt sich numerisch nur bestimmen, wenn so genannte Randwerte bekannt sind. Für die Bahnbestimmung ist dies typischerweise die Angabe aller Orte und aller Geschwin-
1 Für die Berechnung der
Kraft können ausgedehnte Körper durch Punktmassen ersetzt werden. Kräfte zwischen mehreren Körpern überlagern sich und werden summiert.
digkeiten der beteiligten Körper zu einem Startzeitpunkt. Für unsere Experimente mit dem Sonnensystem habe ich die Startwerte (Koordinaten und Geschwindigkeiten) für alle Planeten für die Standardepoche J2000.0 berechnet, also für den 1. Januar 2000, 12 Uhr UTC. Ich drucke diese Werte hier nicht ab, sie sind aber im vollständigen Programm enthalten, welches ich im Forum [3] publiziere und über die Startseite unserer Fachgruppe verfügbar mache [4]. Als Einheitensystem habe ich SI-Einheiten gewählt, Koordinaten in Metern, Geschwindigkeiten in Metern je Sekunde und Massen in Kilogramm.
Zum gegebenen Zeitpunkt ist erst einmal alles bekannt: Die Orte und Geschwindigkeiten sind gegeben, auch die Massen
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Astrophysik & Algorithmen
der Planeten sowie die der Sonne. Die Beschleunigungen für diesen Zeitpunkt lassen sich mit Hilfe des Gravitationsgesetzes bestimmen. Kräfte lassen sich durch Überlagerung berechnen. Man kann also je zwei Körper betrachten und zunächst die Kraft F und die Beschleunigung a aus den beiden Massen m und M sowie dem gegenseitigen Abstand r ausrechnen:
F = G · M · m / r2
G ist die Gravitationskonstante. Da weiter-
hin gilt
a = F / M
erhält man a = G · m / r2
In die Beschleunigung geht nur die Masse des Kraft ausübenden Körpers m ein, die Masse des betrachteten Körpers M ist nicht mehr enthalten. Die Beschleunigung muss koordinatenweise (vektoriell) bestimmt werden, sie wirkt in Richtung der Verbindungslinie der beiden Körper.
Kräfte addieren sich, und so tun es auch die Beschleunigungen. Durch Berücksichtigung aller Körper erhält man die Gesamtbeschleunigung, zunächst für den Ausgangszustand. Im Programm erledigt dies die Funktion ,,beschleunigung". Um Rechenzeit zu sparen, werden hier die Werte der beiden gerade betrachteten Partner parallel summiert.
Test der Genauigkeit Das Programm rechnet in kartesischen Koordinaten. Hierzu hat man üblicherweise keine Referenzwerte im Sonnensystem. Um zu vergleichen, wie gut das Programm rechnet, müssen wir diese kartesischen Werte in etwas Gebräuchliches umrechnen. Am einfachsten lassen sich die heliozentrischen Koordinaten bestimmen. Man muss beachten, dass die Sonne nicht im Zentrum des Planetensystems ruht, sondern auch ein wenig ,,herumeiert". Um die heliozentrischen, zunächst kartesischen, Koordinaten zu bekommen, muss man die Differenzen zwischen dem betrachteten Planeten und der Sonne bestimmen. Aus diesen lassen sich dann durch Winkelfunktionen die heliozentrische Länge und Breite bestimmen. Der Programmteil ,,ausgabe" ist jetzt so eingestellt, dass er dies für den Planeten Mars tut. Die Erde eignet sich übrigens schlecht für solche Abschätzungen, weil das Programm den Einfluss des Mondes nicht berücksichtigt.
Das Hauptprogramm rechnet in der angegeben Form 400 Tage weit und gibt die Zwischenergebnisse für jeden Tag aus. 400 Tage nach JD2000.0 - das ist der 4. Februar 2001, 12 h UT. Man kann dies verändern, in dem man die Anzahl hinter ,,range()" ändert. So wie hier abgedruckt, rechnet die Funktion ,,eulerCauchy" immer einen Tag weiter, 10 Schritte mit einer Schrittweite von einem
Zehntel Tag (0,1 * sekProTag). Man kann beide Parameter parallel verändern und schauen, wie sich die Ergebnis-Genauigkeit ändert, wenn man die Schrittweite verkürzt. Die Tabelle 1 enthält einige Werte. Man erkennt: Eine zusätzliche Stelle an Genauigkeit erfordert es, die Schrittweite um den Faktor 10 zu verkleinern. Bei hohen Genauigkeitsanforderungen steigt die Rechenzeit stark an. Im nächsten Heft werde ich Verfahren vorstellen, die einen Weg aus diesem Dilemma zeigen.
Literaturhinweise und Weblinks (geprüft 09.12.2019): [1] U. Pilz: ,,Was sind Differentialglei-
chungen?", fg-astrophysik.vdsastro. de/algDGL.html [2] U. Pilz, 2018: ,,Simulationen zur Bahnbewegung von Planeten", VdS-Journal für Astronomie 66, S. 57-58 [3] Forum der Vereinigung der Sternfreunde: forum.vdsastro.de [4] Fachgruppe Astrophysik und Algorithmen: ,,VdS-Journal für Astronomie 73 - Mehrkörperproblem", http://fgastrophysik.vdsastro.de/prg73-74. html
Damit ist für den Startzeitpunkt alles bekannt: Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung. Das hier vorgestellte Euler-CauchyVerfahren nutzt aus, dass sich diese Werte innerhalb einer kurzen Zeitspanne nur sehr wenig ändern. Man kann also näherungsweise annehmen, die Werte seien eine kurze Weile lang konstant. Damit lassen sich neue Geschwindigkeiten und Orte für das Ende dieser Zeitspanne berechnen (Abb. 2). Dann kann man die Beschleunigung wieder berechnen und einen weiteren Zeitschritt voranschreiten. Im Programm habe ich dies in der Funktion ,,eulerCauchy" umgesetzt. Sie berechnet so viele Zeitschritte, wie im Parameter ,,tsteps" angegeben. Die Länge des Zeitschritts ist ,,dt".
2 Prinzip des Polygonzugverfahrens nach Euler/Cauchy zur näherungsweisen Lösung von
Differentialgleichungen
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Astrophysik & Algorithmen
Python-Programm:
from turtle import * from random import * from math import *
# globale Variable G = 6.67408e-11 mProAE=149597870700 sekProTag=86400
#Gravitationskonstante #Astronomische Einheit
N=10 # Anzahl der Körper r0 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)] # Koordinaten v0 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)] # Geschwindigkeiten a0 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)] # Beschleunigungen m = [0 for i in range (10)]
def startwerte():
# Orte und Geschwindigkeiten
r0[0][0]= -1063436181; v0[0][0]=
9.29323348
:
# Massen
:
m[8]=1.0295513181974406248e+26; m[9]=6.6282513865551224955e+24
def sq(x): return x*x;
def abstand(r, p, q): return sqrt( sq(r[p][0]-r[q][0]) + sq(r[p][1]-r[q][1]) + sq(r[p][2]-r[q][2]) )
def beschleunigung(N, m, r, a): for p in range(N): # alle Beschleunigungen löschen for k in range (3): a[p][k]=0; for p in range(N): # alle Planeten for q in range(p+1, N): # gegen alle anderen Planeten R=abstand(r, p, q) R3=R*R*R; for k in range(3): A=G*(r[q][k]-r[p][k])/R3 a[p][k]+=m[q]*A a[q][k]-=m[p]*A
def eulerCauchy(tsteps, dt): for t in range(tsteps): beschleunigung(N, m, r0, a0); for i in range(N): for k in range(3): r0[i][k] = r0[i][k] + dt * v0[i][k] v0[i][k] = v0[i][k] + dt * a0[i][k]
def ausgabe(ii): for i in range(4,5): x=r0[i][0]-r0[0][0] y=r0[i][1]-r0[0][1] z=r0[i][2]-r0[0][2] r=sqrt(x*x+y*y+z*z) l=atan2(y,x) if (l<0): l+=2*pi; b=atan(z/r) print(ii, r/mProAE, 180*l/pi,
180*b/pi)
# Hauptprogramm startwerte() for i in range(400):
ausgabe(i) eulerCauchy(10, 0.1*sekProTag) ausgabe(i+1)
name = input("Fertig?")
Tabelle 1
Veränderung der Rechengenauigkeit durch die Zeitschrittweite
Schrittweite/d r/AE
l/ Grad
b/ Grad
Guide 1 0,1 0,01 0,001
1,624 1,746 1,636 1,625 1,624
197,60 191,32 196,88 197,49 197,56
0,9796 1,1444 0,9983 0,9816 0,9800
Journal für Astronomie Nr. 73 | 93
Atmosphärische Erscheinungen
Reguläre Ausdrücke in der Programmierung
von Helmut Jahns
Reguläre Ausdrücke sind ein leistungsfähiges Werkzeug in der Programmierung. Es handelt sich hierbei um eine Textbeschreibungssyntax, mit deren Hilfe sich Suchkriterien erzeugen oder auch Texteingaben (von Tastatur oder aus einer Datei) prüfen lassen, ob sie einem vorgegebenen Format entsprechen. Der wohl bekannteste Reguläre Ausdruck ist sicherlich der Wildcard (,,*"), welcher einen beliebigen Text ohne festgelegte Länge repräsentiert.
Es gibt eine Vielzahl weiterer Ausdrücke, mit denen man die Eingaben eingrenzen kann: der Reguläre Ausdruck [0-9a-zAZ]beispielsweise erzwingt einen Input, der nur aus Ziffern, Klein- und Großbuchstaben bestehen darf. Oder ein anderes Beispiel: [0-9]{5} verlangt ein fünfmaliges Wiederholen von Ziffern; dies könnte für die Prüfung auf gültige deutsche Postleitzahlen Verwendung finden. Mit (NGC|ngc|IC|ic) wird hingegen auf eine der vier Katalogbezeichnungen geprüft. Es soll an dieser Stelle darauf verzichtet werden, Reguläre Ausdrücke in voller
Breite zu erklären; unter [1] findet sich ein geeignetes Tutorial für den Einstieg. In der Astronomie lassen sich mehrere Anwendungsfälle für Reguläre Ausdrücke finden: - Prüfung einer Eingabe auf gültige Kata-
logbezeichnungen (z.B. NGC891, ngc 891, IC1204, PK 64+8.1, ...) - Prüfung einer Eingabe auf gültige Koordinatendarstellung (z.B. 13h44min20s, mit oder ohne Leerzeichen) - Prüfung einer Eingabe auf gültiges Zeitstempelformat (Datum/Uhrzeit)
Man muss nicht notwendigerweise auf Reguläre Ausdrücke zurückgreifen, um Benutzereingaben zu prüfen; die Prüfung kann natürlich auch klassisch implementiert werden. Dies kann jedoch längere Anweisungsblöcke zur Folge haben. Reguläre Ausdrücke sind hingegen meist kompakt,
was aber damit erkauft wird, dass sie u. U. kryptisch werden können. Ist dies der Fall, sollte genau kommentiert werden, welchem Zweck der Reguläre Ausdruck eigentlich dient und wie er genau wirkt.
Für nahezu jede Programmiersprache lässt sich Unterstützung für Reguläre Ausdrücke finden, sei es durch den Sprachumfang oder durch Einbindung externer Bibliotheken. In C++ z.B. sind sie Bestandteil des Sprachstandards C++11 geworden.
Während der Programmierung möchte man sicherlich wissen, ob der aufgefundene Reguläre Ausdruck auch wirklich genau das ausführt, was ihm zugedacht wird. Hierbei gibt es Unterstützung von OnlineTools, die eine Prüfung des Ausdrucks vornehmen, z.B. [2].
Weblinks (geprüft am 8.12.2019): [1]: Tutorial Reguläre Ausdrücke: https://danielfett.de/de/tutorials/tutorial-regulare-
ausdrucke/ [2]: Reguläre Ausdrücke online testen: http://www.regexe.de/
Fichten- und Kiefernpollenkoronen 2018
- Beobachtungen und Simulationen, Teil 2
von Alexander Haußmann
Nachdem der erste Teil dieses Artikels [1] die Beobachtungen behandelte, soll hier nun beschrieben werden, wie sich Pollenkoronen am Computer simulieren lassen. Nach dem Ansatz von Tränkle und Mielke beginnt man zunächst mit einem 3D-Pollenformmodell. Eine einfache und einigermaßen naturgetreue Repräsentation von Kiefern- und Fichtenpollen lässt sich aus drei Ellipsoiden konstruieren (Abb. 3). Neben den Größenangaben ist die Orientierung des Pollenkorns bezüglich der Einfallsrichtung des Sonnenlichts festzulegen, was über die drei Eulerwinkel geschieht.
Einer davon ist die Neigung der Pollenachse zur Vertikalen, welche im Idealfall Null wäre. Realistischer ist die Annahme einer Gaußverteilung der Achsrichtungen um die Vertikale (mit Standardabweichung thet). Die anderen beiden Winkel (Drehung um die Vertikale und die Pollenachse, welche bei Neigung ungleich Null nicht zusammenfallen) werden gleichverteilt zufällig zwischen 0 Grad und 360 Grad gewählt. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Pollenkörner nicht exakt gleich groß sind, was wiederum mit einer Gaußverteilung (mit relativer Standardabweichung ges) modelliert
werden kann. Außerdem kann die Form der Pollenkörner untereinander variieren. Am einfachsten lässt sich dies abbilden, indem die einzelnen Formparameter jeweils für sich ebenfalls gaußverteilt (relative Standardabweichung einzel) skaliert oder verschoben werden. Damit hat im Modell jedes Korn seine individuelle Geometrie, im statistischen Durchschnitt ergibt sich wieder die vorher festgelegte mittlere Form. In eine typische Monte-Carlo-Simulation gehen N = 500 ... 2000 individuelle Körner ein.
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Atmosphärische Erscheinungen
a)
3 Modell-Pollenformen, dargestellt durch b )
Kombination von je drei Ellipsoiden nach erfolgter Optimierung (Anpassung der Formparameter für beste Übereinstimmung mit den Beobachtungen), a) Fichtenpollen, b) Kiefernpollen, jeweils in Schrägansicht, Draufsicht und Frontalansicht, Skalierungen in m.
Zur Berechnung der Lichtbeugung hinter einem so ,,gebastelten" Pollenkorn soll die Fraunhoferbeugung zum Einsatz kommen. Eigentlich beschreibt sie die Lichtverteilung in großem Abstand hinter einer kleinen Öffnung vorgegebener Form und Größe in einem ebenen, undurchsichtigen Schirm. Um bis zu diesem Punkt zu kommen, ist eine ganze Reihe von Näherungen nötig. Dabei stellt sich auch heraus, dass die beugende Öffnung im Schirm und ein gleich großes und gleich geformtes undurchsichtiges Scheibchen in frei transparenter Umgebung dasselbe Beugungsbild (bis auf eine nicht beobachtbare Phasenumkehr) erzeugen (Babinetsches Prinzip).
Ein Pollenkorn ist jedoch ein dreidimensionales Objekt und kein ebenes Scheibchen. Hier greift die Näherung der ,,flachen Maske": Die entlang der Lichteinfallsrichtung projizierte Querschnittsfläche wirkt als Beugungshindernis. Diese Idee der flachen Maske wurde bereits von W. B. Schneider und M. Vollmer zur experimentellen Demonstration von Pollenkoronen benutzt, indem sie computergenerierte Schattenprojektionen in Film einbelichteten. Wichtig ist noch festzuhalten, dass die Pollenkörner bzw. ihre Projektionen untereinander keine regelmäßige Anordnung aufweisen dürfen, da es sonst zu Gittereffekten wie bei manchen Beugungseffekten an Gardinen oder Fahnen kommt. Auch muss ihr Abstand groß genug sein, damit eine inkohärente Überlagerung der Beugungsintensitäten der einzelnen Körner angenommen werden kann. Mathe-
matisch wird bei der Fraunhoferbeugung die zweidimensionale Fouriertransformierte des projizierten Querschnitts berechnet und das Betragsquadrat gebildet (hierbei geht die Phaseninformation verloren). Für eine ausreichend dichte Reihe von Wellenlängen aus dem Sonnenspektrum wird dann das Resultat passend zum Bildausschnitt skaliert. Die multispektralen Daten werden dann in RGB-Intensitäten übertragen. Diese Ergebnisse werden dann für die N Pollenkörner nacheinander aufaddiert. Dabei kommt zunächst der Verwischungseffekt durch die frei erlaubten Drehungen um die Vertikale und die Pollenachse zum Tragen, zusätzlich führen die Neigungsschwankungen zu einer Verrundung und die Größenund Formschwankungen zur Auslöschung der äußeren Ringe.
Abschließend wird noch eine zweidimensionale Faltung mit der Sonnen- oder Mondscheibe vorgenommen, es kann optional noch ein Himmelshintergrund addiert werden, außerdem erfolgt eine nichtlineare Anpassung der Helligkeit. Koronen weisen einen sehr hohen Dynamikumfang auf, der bei der üblichen Fotobearbeitung auch nicht linear umgesetzt werden kann. Die Faltung würde unterbleiben, wenn eine Pollenkorona durch eine annähernd punktförmige Lichtquelle simuliert wird. Solche Beobachtungen konnten 2018 tatsächlich an Venus und Jupiter durchgeführt werden und auch früher schon beim Diamantringphänomen während der Sonnenfinsternis vom 29.03.2006.
Im Rahmen dieser Theorie weisen die Pollenkoronen stets charakteristische Symmetrien auf. Zum einen müssen sie aufgrund der Fouriertransformation symmetrisch bezüglich einer Punktspiegelung am Sonnenscheibenmittelpunkt sein, zusammen mit einer im Mittel vertikalen Pollenachse erzwingt dies eine Links/rechts- sowie Oben/unten-Symmetrie. Damit ist die vollständige Information bereits in einem einzelnen 90 Grad -Sektor enthalten. Seitenwinde könnten allerdings die mittlere Pollenachse aus der Vertikalen neigen, was sich dann in einer Verkippung der Symmetrieachsen der Pollenkorona äußern würde. Auch werden hier Geometrieeffekte der Streupartikelanordnung (d.h. unterschiedliche Lichtweglängen in der Pollenschicht) und Gradienten des Himmelshintergrunds in Helligkeit und Farbe vernachlässigt. Beides hebt die Oben/unten-Symmetrie der Pollenkorona in absoluten Helligkeitswerten oder auch beobachtbarem Kontrast auf. Aus der Symmetrie des Formmodells (wieder im statistischen Mittel) ergibt sich zudem, dass die Pollenkoronen für betragsmäßig gleiche positive wie negative Sonnenhöhen identisch sein müssen. Beobachtungen für negative Höhen sind möglicherweise schon aus Flugzeugen in reflektiertem Sonnenlicht gemacht worden. Denkbar wäre auch der Einsatz künstlicher Lichtquellen an baumbewachsenen Hängen und die Auslösung lokaler Koronen durch Schütteln.
Schließlich verbleibt noch die wichtige Eigenschaft, dass Pollenkoronen für den Ze-
Journal für Astronomie Nr. 73 | 95
Atmosphärische Erscheinungen
4 Simulierte Fichten- (a-d) und Kiefernpollenkoronen (e-h), passend zu Abb. 2 in Teil 1 des Artikels [1]. Den Farbbildern (a, c, e, g) ist jeweils
die Differenz aus Rot- und Grünkanal (b, d, f, h) gegenübergestellt. a, b): Sonnenhöhe 10,4 Grad ; c, d): Sonnenhöhe 34,2 Grad ; e, f): Sonnenhöhe 4,6 Grad ; g, h): Sonnenhöhe 53,9 Grad . Zahl der modellierten Körner jeweils N = 1000. a-d): Streuungsparameter thet = 5 Grad , ges = 10 %, einzel = 7 %, mittlere Form nach Abb. 3a; e-h): Streuungsparameter thet = 3 Grad , ges = 7 %, einzel = 12 %, mittlere Form nach Abb. 3b.
nitstand (oder Nadirstand) der Lichtquelle kreisrund werden. Dieser Effekt basiert darauf, dass die Pollenorientierungen letztlich nur die Vertikale als ausgezeichnete Achse besitzen. Fällt diese mit der Lichteinfallsrichtung zusammen, mitteln sich über viele Pollenkörner alle azimutalen Unterschiede der Beugungsbilder weg - es fehlt dann schlichtweg an einer bevorzugten Azimutrichtung. Pollenkoronen sind damit ein Übergangsphänomen zwischen der Beugung an völlig zufällig angeordneten Streuern (u.a. in der biophysikalischen Kleinwinkelstreuung, v.a. mit Röntgenstrahlung und Neutronen) und fixierten kristallinen Strukturen (z.B. bei der Strukturaufklärung des DNA-Moleküls). Für die praktische Beobachtung ist jedoch interessant, wie der eigentliche Übergang von der ,,lichtknotigen" Pollenkorona bei tiefem Sonnenstand hin zur runden Form aussieht. Beobachtung und Simulation zeigen für Kiefernpollen eine bereits so gut wie runde Korona für Sonnenhöhen ab 50 Grad (Abb. 2 in [1] und Abb. 4).
Man kann versuchen, die für Simulationen erforderlichen Geometriedaten der Pollenkörner von licht- oder elektronenmikroskopischen Aufnahmen abzulesen, allerdings sind die Ergebnisse nicht so eindeutig
wie erhofft. Insbesondere der Abstand der Luftsäcke bei Kiefernpollen scheint empfindlich auf Änderungen der Feuchtigkeit bzw. Präparation der Pollen zu reagieren, und einige Fotos zeigen im Gegensatz zur Abbildung 3b klar separierte Luftsäcke. Welche Form die in der Atmosphäre schwebenden Pollen im Detail aufweisen, ist direkt kaum feststellbar. Also kann man den Spieß umdrehen und probieren, durch Variation einer Startform und der Streuparameter eine bessere Übereinstimmung mit den Fotos zu erzielen, am besten konsistent für mehrere Sonnenhöhen (ein ,,inverses Problem").
Eine direkte Einschätzung der Qualität ist durch Gegenüberstellung der Fotos aus der Abbildung 2 (in [1]) mit den Simulationen in der Abbildung 4 möglich. Wie man sieht, ist die Übereinstimmung bei Kiefernpollen bereits sehr gut. Bei den Fichtenpollen verbleiben noch einige Unterschiede in den Radienverhältnissen und der Ausprägung des 3. Ringes. Die Modelle in der Abbildung 3 zeigen dabei keine willkürlichen mittleren Pollenformen, sondern die tatsächlichen Optimierungsergebnisse.
Problematisch ist, dass das Drei-EllipsoidModell zu ,,einfach gebaut" ist und damit
zu einem gewissen Grad an der Realität vorbeigeht - echte Pollen sehen schließlich doch noch etwas anders aus. Die Frage nach der Eindeutigkeit und Stabilität der Optimierung ist ebenfalls noch offen. Damit stellt sich schnell der Wunsch nach einer direkten Lösung ein, um das langwierige Vorantasten durch einen trotzdem möglicherweise unzureichenden Parameterraum abzukürzen. Eine Umkehrung der Fouriertransformation wäre prinzipiell unter Verwendung von Phasenrekonstruktionsalgorithmen möglich. Allerdings geht in die Pollenkorona auch die inkohärente Mittelung über die erlaubten Orientierungs- und Größen-/Formverteilungen ein. Die Faltung mit der Sonnenscheibe, das Hintergrundsignal, die endliche spektrale Breite der Farbkanäle sowie Nichtlinearität und Rauschen verkomplizieren das Problem weiter. Somit bleiben wohl doch nur das iterative Vorwärtsmodellieren und der anschließende Vergleich mit den Fotos.
Literaturhinweis: [1] A. Haußmann, 2019: ,,Fichten- und
Kiefernpollenkoronen 2018 - Beobachtungen und Simulationen, Teil 1", VdS-Journal für Astronomie 72, S. 80-82
96 | Journal für Astronomie Nr. 73
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UNSPLASH / PAWEL CZERWISKI (https://unsplash.com/photos/6lQDFGOB1iw)
Deep Sky
Visuelle Beobachtung der NGC-5566-Galaxiengruppe (Arp 286)
von Klaus Wenzel
Zwischen Spica und Arcturus befindet sich die helle, relativ wenig beachtete Galaxiengruppe um den Spiralnebel NGC 5566. In Halton Arps Katalog über pekuliäre Galaxien finden sich diese drei Galaxien unter der Nummer 286. Diese Gruppe stand erstmals am 25. Mai 1997 auf meinem visuellen Beobachtungsprogramm mit meinem altbewährten 12,5-Zoll-Newton. Anlässlich der Beobachtung des Kometen C/2013 US10 Catalina beobachtete ich diese Gruppe am 23. Dezember 2015 ein zweites Mal visuell, erstmals mit dem 16-Zoll-Newton.
Historische visuelle Beobachtungen Lange bevor Halton Arp diese Galaxiengruppe als Nummer 286 in seinen bekannten Katalog integrierte, waren hier zuerst die historischen visuellen Beobachter am Zug.
Am 30. April 1785 entdeckte Wilhelm Herschel zwei Galaxien des Galaxientrios. Dies waren NGC 5566 und NGC 5560. NGC 5566 beschrieb er als sehr hellen runden, großen Nebel mit hellerem Zentrum. Zu NGC 5560 vermerkte er: hell, groß und oval. Die dritte Galaxie NGC 5569 bemerkte er hingegen nicht. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam sein Sohn John bei seinen Nebelbeobachtungen zwischen 1825 und 1833. Auch er sah NGC 5569 nicht.
Die Entdeckung von NGC 5569 blieb Lord Rosse bzw. seinem Assistenten Johnstone Stoney vorbehalten. In Birr Castle wurde diese Gruppe erstmals am 26. April 1849 mit dem ,,Leviathan von Parsonstown" beobachtet und dabei ein weiterer schwacher Nebel nordöstlich von NGC 5566 erkannt. Ein weiterer visueller Beobachter war Eduard Schönfeld in Mannheim, der den hellsten Nebel NGC 5566 im Juni/Juli 1861 insgesamt fünfmal zur Positionsbestimmung beobachtete. NGC 5560 konnte er ebenfalls erkennen, aber zu NGC 5569 findet sich kein Hinweis bei seinen Beschreibungen,
1 Die Galaxiengruppe Arp 286, gezeichnet am 12,5-Zoll-Newton bei 170-facher Vergröße-
rung am 25.05.1997. Bildgröße: etwa 20 Bogenminuten, Zeichnung: Klaus Wenzel.
obwohl ihm seine Existenz bereits bekannt sein sollte. Schönfeld beobachtete auf dem Sternwartenturm in Mannheim mit einem 15-cm-Refraktor.
Eigene visuelle Beobachtungen Meine erste visuelle Beobachtung dieser Gruppe führte ich am 25.05.1997 mit meinem 317 mm/1.500 mm-Newton durch. Bei dieser Beobachtung waren bereits bei einer Aufsuchvergrößerung von 75x die zwei hellsten Galaxien erkennbar. NGC 5566, die hellste des Trios, erschien rund, relativ groß mit leicht hellerem Zentrum. NGC 5560, nordwestlich von NGC 5566, war deutlich elongiert, ohne hellere Ver-
dichtung, noch direkt sichtbar, aber deutlich lichtschwächer als NGC 5566. NGC 5569 schließlich war bei 170-facher Vergrößerung indirekt, sehr schwach, aber deutlich als diffuser Lichtfleck nordöstlich von NGC 5566 erkennbar.
Meine zweite visuelle Beobachtung führte ich, wie bereits oben erwähnt, anlässlich einer Beobachtung des Kometen C/2013 US10 Catalina am Tag vor Heiligabend 2015 in den frühen Morgenstunden (06:00 MEZ) durch. Nach der Kometenbeobachtung nahe dem 7,8 mag hellen Stern SAO 120375 mit Zeichnung, schwenkte ich zur benachbarten Galaxiengruppe. Bei dieser
98 | Journal für Astronomie Nr. 73
Beobachtung benutzte ich meinen 406 mm/ 1.829 mm-Newton. Während der Beobachtung mit dem größeren Teleskop steigerte ich die Vergrößerung auf 360-fach. Zu NGC 5566 notierte ich eine leicht ovale Form und ein deutlich helleres Zentrum. NGC 5569 war in diesem Teleskop relativ einfach als runder Nebel mit einer flächigen Verdichtung zum Zentrum erkennbar. Und schließlich NGC 5560 als direkt und einfach sichtbarer länglicher Nebel.
Eine CCD-Beobachtung dieser Gruppe steht noch aus, ist aber für die kommende Beobachtungssaison geplant.
2 Diese Zeichnung von Arp 286 entstand
am 23.12.2015 nach der Beobachtung des Kometen Catalina am 16-Zoll-Newton bei 360-facher Vergrößerung. Bildgröße: etwa 12 Bogenminuten, Zeichnung: Klaus Wenzel.
Deep Sky
Impression
Die Dunkelwolke LDN 1622 in
, Barnard s Loop
Die Dunkelwolke LDN 1622 in Barnard ,s Loop, Lacerta-Newton 254 mm/1000 mm, CCD-Kamera SBIG ST-8300M, Baader-Filter, Belichtung: 55 x 10 min in H, 12 x 5 min in Luminanz und je 8 x 5 min in RGB. Datum: 19.-22.09.2019, Autor: Michael Deger, Erdweg (Bayern)
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Deep Sky
Skyguide 2020 - 1 (Frühling)
von Robert Zebahl und Rene Merting
Unser Skyguide soll in erster Linie Anregungen für eigene Beobachtungen geben und wird dabei jährlich für jede Jahreszeit fünf Objekte kurz beschreiben. Es werden dabei sowohl leichte als auch schwierige Objekte ausgewählt, welche nach Schwierigkeitsgrad sortiert sind. Wie schwer ein Objekt letztlich ist, hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab, vor allem der Himmelsqualität, der Teleskopöffnung und der persönlichen Erfahrung.
freien Software Cartes du Ciel (Skychart), für die grobe Orientierung vorhanden, welche Sterne bis zu einer visuellen Größenklasse von ca. 8,0 mag zeigt. Telradkreise (0,5 Grad ; 2 Grad ; 4 Grad ) auf der Karte markieren die Position des Objekts. Im Allgemeinen empfehle ich aber, eigene Aufsuchkarten zu erstellen. Die visuelle Beschreibung des Objekts basiert weitestgehend auf eigenen Beobachtungen und soll lediglich als Anhaltspunkt dienen.
Zu jedem Objekt werden die wichtigsten Informationen in Kurzform angegeben. Des Weiteren ist eine Karte, erstellt mit der
Übersichtkarte der Objekte für Skyguide 2020-1
Karte erstellt mit Cartes du Ciel 100 | Journal für Astronomie Nr. 73
Deep Sky
Melotte 111 (Coma-Berenices-Sternhaufen)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0):
visuelle Helligkeit: Winkelausdehnung:
Offener Sternhaufen Com 12h 22m 30,00s, +25 Grad 50' 42,00'' 1,8 mag 270' x 270'
Melotte 111 (s. Übersichtskarte!) ist ein großer und heller Sternhaufen, dessen Mitglieder alle heller als 10,5 mag sind. Durch seine Helligkeit und Größe ist er bereits seit der Antike bekannt. Der Sternhaufen ist mit geschätzten 100 Sonnenmassen vergleichsweise massearm und zeigt sich locker verteilt. Die gravitative Bindung der Mitglieder untereinander ist daher gering. Damit sich ein solcher Sternhaufen nicht frühzeitig auflöst, muss er sich außerhalb der galaktischen
Ebene in sternarmer Umgebung befinden. Melotte 111 zählt wie auch die Ursa-Major-Gruppe oder die Hyaden zu den Bewegungshaufen, deren Mitglieder also eine ähnliche Eigenbewegung aufweisen. Für die Beobachtung genügt ein schwach vergrößerndes Fernglas vollkommen, unter dunklem Himmel sogar das freie Auge. Der Sternhaufen bietet sich auch gut für eine Zeichnung an.
Messier 64 (NGC 4826, Blackeye-Galaxie)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0):
visuelle Helligkeit: Winkelausdehnung:
Galaxie Com 12h 56m 43,70s, +21 Grad 40' 57,57'' 8,5 mag 10' x 5,4'
Messier 64 ist die hellste Galaxie im Sternbild Haar der Berenike und bietet fotografisch und visuell schöne Details. Eine Besonderheit ist eine Dunkelwolke in der Nähe des Zentrums. Es wird angenommen, dass diese durch eine Verschmelzung mit einer viel kleineren, staubreichen Galaxie entstand. Die Dunkelwolke wurde erstmals von William Herschel gesehen. Bei einer gemeinsamen Beobachtung mit dem Physiker Charles Blagden verglich dieser den Anblick mit einem schwarzen Auge, daher der Beiname. Visuell lässt sich diese Galaxie unter einem Vorstadthimmel (Bortle 6) bereits mit einem kleinen 8x40-Fernglas beobachten. Unter gleichen Bedingungen zeigt ein Teleskop mit 102 mm Öffnung die Galaxie einfach, und die Dunkelwolke lässt sich erahnen. Bei 150 mm Teleskopöffnung ist die Dunkelwolke dann bereits indirekt gut erkennbar. Die schwächeren Außenbereiche benötigen einen eher dunkleren Landhimmel.
2 M 64, Zeichnung von Robert Zebahl am 6-Zoll-Refraktor unter Vorstadt-
bedingungen (Bortle 6) bei 129-facher Vergrößerung
Journal für Astronomie Nr. 73 | 101
Deep Sky
NGC 4147 (NGC 4153, H 1.19)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0):
visuelle Helligkeit: Winkelausdehnung:
Kugelsternhaufen Com 12h 10m 06,15s, +18 Grad 32' 31,78'' 10,3 mag 4,0' x 4,0'
Im Sternbild Haar der Berenike gibt es genau drei Kugelsternhaufen, welche im New General Catalogue (NGC) verzeichnet sind: Messier 53 (= NGC 5024), NGC 5053 und NGC 4147. Letzterer ist im Vergleich zu anderen Kugelsternhaufen eher klein und sternarm, da seine Gesamtmasse nur etwa ein Zehntel der Masse eines durchschnittlichen Kugelsternhaufens beträgt. Aufgrund der geringen Winkelausdehnung ist seine Flächenhelligkeit recht hoch, er lässt sich damit schon mit kleinerem Instrument, selbst aus der Stadt heraus, erfolgreich beobachten. Reicht unter dunklem Landhimmel schon ein mittelgroßes Fernglas für eine Sichtung? Bei welcher Teleskopöffnung zeigt der Kugelsternhaufen Einzelsterne?
3 NGC 4147, Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei
NGC 4314 (H 1.76)
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0):
visuelle Helligkeit: Winkelausdehnung:
Galaxie Com 12h 22m 31,98s, +29 Grad 53' 43,09'' 10,6 mag 4,2' x 3,7'
Bei NGC 4314 handelt es sich um eine wunderschöne Balkenspiralgalaxie, welche aufgrund ihrer scheinbaren Helligkeit auch mittelgroßen Teleskopen einfach zugänglich ist. Eine Besonderheit ist ein Ring aus vergleichsweise jungen Sternen im Inneren der Galaxie. Normalerweise liegen solche Sternentstehungsgebiete meist in den Spiralarmen. Visuell am auffälligsten sind das besonders helle Zentrum sowie der Balken, welcher die Galaxie länglich erscheinen lässt. Die viel schwächeren Spiralarme benötigen dunklen Himmel. Ab welcher Teleskopöffnung zeigen sich erste Ansätze der Spiralstruktur?
4 NGC 4314, Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei
102 | Journal für Astronomie Nr. 73
3C273
Geschichte
Typ: Sternbild: Koordinaten (2000.0): visuelle Helligkeit:
Quasar Vir 12h 29m 06,70s, +02 Grad 03' 08,66'' 12,8 mag
Der Quasar 3C273 ist am Sternhimmel der scheinbar hellste Vertreter seiner Art. Quasare gehören zu der Gruppe der aktiven Galaxienkerne (engl.: active galactic nucleus, AGN). Es handelt sich hierbei um Galaxien, in deren Zentrum sich ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet, welches enorm große Energiemengen freisetzt und damit für eine sehr hohe Leuchtkraft verantwortlich ist. Erreicht ein aktiver Galaxienkern eine absolute Helligkeit (scheinbare Helligkeit bei einer
5 Aufsuchkarte von 3C273, erstellt mit Cartes du Ciel
Entfernung von 10 Parsec) von mehr als -23 mag, spricht man von einem Quasar. Die absolute Helligkeit von 3C273 liegt bei etwa -26,7 mag. Damit ist dieser Quasar ca. 300-mal heller als unsere Milchstraße. Da aktive Galaxienkerne und damit auch Quasare vergleichsweise kleine Objekte in der Größenordnung unseres Sonnensystems sind, wird man diese nur punktförmig sehen können. Eine Teleskopöffnung von etwa 100 mm unter dunklem Himmel sollte genügen.
Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie
von Wolfgang Steinicke
Die 16. Geschichtstagung fand vom 1. bis 3. November 2019 in der Dr.-Karl-Remeis-Sternwarte in Bamberg statt und war wieder gut besucht. Lesen Sie dazu meinen Bericht in diesem Heft. Dort hielt Volker Witt einen Vortrag über ,,Alexander von Humboldt und die älteste Sternwarte Südamerikas in Bogota". Seine schriftliche Ausfertigung ist hier abgedruckt. Ein weiteres Highlight der Tagung war die Präsentation eines neuen Kartenwerks durch Karl-Peter Julius (Albireo-Verlag): ,,Charles Messier - Himmelskarten und
Zeichnungen aus der Zeit von 1759 bis 1807". Die Publikation habe ich in meiner Rezension vorgestellt. Die nächste Tagung wird voraussichtlich vom 30.10.-1.11.2020 stattfinden. Der Tagungsort steht noch nicht fest. Näheres dazu finden Sie zu gegebener Zeit auf der Webseite der Fachgruppe Geschichte der Astronomie http:// geschichte.fg-vds.de. Versorgen Sie mich auch weiterhin mit interessanten Artikeln!
Journal für Astronomie Nr. 73 | 103
Geschichte
16. Tagung der Fachgruppe Geschichte der Astronomie in Bamberg
von Wolfgang Steinicke
Vom 1. bis 3. November 2019 fand die 16. Tagung der VdS-Fachgruppe ,,Geschichte der Astronomie" statt. Treffpunkt war diesmal die Dr.-Karl-Remeis-Sternwarte in Bamberg. Die Stadt ist bekannt für ihr gutes Bier (in allen Farbtönen) und üppige fränkische Speisen. Beides konnte am Freitagabend in der historischen Brauerei-Gaststätte ,,Klosterbräu" stilvoll genossen werden. Wie üblich war es ein Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern. Die Tagung ist seit 16 Jahren ein beliebter Treffpunkt für Freunde der Astronomiegeschichte, egal ob Amateur oder Profi. Immer wieder können auch neue Teilnehmer begrüßt werden.
Auf einer Anhöhe südlich der Stadt liegt das Gelände der 1889 eröffneten Sternwarte, dominiert von zwei Kuppelbauten, die das ehemalige Meridiangebäude einrahmen (Abb. 1). Dort befindet sich heute die Bibliothek und ein kleiner Hörsaal für 50 Personen. Er reichte gerade aus, um die 46 Teilnehmer aufzunehmen (Abb. 2). Das Programm startete am Samstag um 10:00 Uhr mit einem Vortrag des Sternwartendirektors Prof. Ulrich Heber über die ,,Geschichte der Dr.-Remeis-Sternwarte und ihres Fotoplattenarchivs". Der Stifter, Karl Remeis (1837-1882), war ein Bamberger Jurist und Amateurastronom. Über die Jahre wurde die Sternwarte von bekannten Personen geleitet: Ernst Hartwig, Ernst Zinner und Wolfgang Strohmeier. Zentrales Forschungsgebiet wurden die veränderlichen Sterne - zunächst visuell, dann mittels fotografischer Durchmusterungen. Der Südhimmel wurde in Außenstationen in Südafrika, Neuseeland und Argentinien aufgenommen. Das Bamberger Archiv beherbergt heute 40.000 Fotoplatten, die mittlerweile digitalisiert wurden.
Der Südhimmel war auch das Thema von Volker Witt: ,,Alexander von Humboldt und die älteste Sternwarte Südamerikas in
2 Blick in den Vortragssaal (der Referent ist Prof. Heber)
104 | Journal für Astronomie Nr. 73
1 Auf dem Verbindungs-
gang zwischen den Kuppeln (Bilder: W. Steinicke; bis auf Abb. 4)
Geschichte
3 Blick von der Sternwarte
auf den Bamberger Dom
Bogota". Sie entstand in der kolumbianischen Hauptstadt um das Jahr 1802. Drei herausragende Persönlichkeiten haben dazu beigetragen: der aus Spanien stammende Naturforscher Jose Celestino Mutis, der aufstrebende kolumbianische Wissenschaftler und spätere Freiheitskämpfer Francisco Jose de Caldas und der deutsche Expeditionsreisende und Universalgelehrte Alexander von Humboldt. Die Geschichte des kleinen, auf 2.600 m Höhe gelegenen Observatoriums verlief turbulent. Das turmartige Gebäude ist heute noch erhalten und einen Besuch wert.
Torsten Eisenschmidt zeigte anschließend in seinem Beitrag ,,Das Schulplanetarium Astronomische Station Kanena - Vergangenheit trifft Gegenwart" ein interessantes Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte. Im Dorf Kanena, am östlichen Stadtrand von Halle gelegen, wurde 1962 das
erste professionelle Schulplanetarium in Deutschland eingeweiht. In einer Zeit kosmischen Aufbruchs setzte der Astronomielehrer Karl Kockel als Initiator und Mentor das Vorhaben erfolgreich um. Der Referent illustrierte die Entstehung und Nutzung der Einrichtung in eindrucksvollen Originalaufnahmen. Das Planetarium mit seinen 50 Sitzen ist noch heute in Betrieb und beherbergt einen manuell gesteuerten Zeiss-Projektor vom Typ ZKP1.
In der zweistündigen Mittagspause wurde die Sternwarte besichtigt. Besonders interessant waren natürlich die beiden Kuppeln - hoch über der Stadt bot sich hier ein imposanter Blick über Bamberg (Abb. 3). Die historischen Instrumente sind heute in einer kleinen astronomischen Ausstellung zu sehen (im Verbindungsgang zwischen Kuppelbau und Hauptgebäude). Darunter der 26-cm-Schröder-Refraktor (Abb. 4) von 1882 und die Dreifach-Weitwinkel-
4 Der Schröder-Refraktor (Bild: Ulrich Görze)
5 Karl-Peter Julius mit einer Ausgabe der ,,Histoire de
L'Academie Royale des Sciences"
Journal für Astronomie Nr. 73 | 105
Geschichte
kamera für die Himmelsdurchmusterung. Das Plattenarchiv ist in einem eigenen Gebäude untergebracht. Hier ist ein großer Blinkkomparator von Zeiss zu bewundern.
Nach der Pause referierte Regina Umland über ,,Maria Clara Eimmart (1676-1707)". Sie ist die Tochter von Georg Christoph Eimmart, dem Gründer der Nürnberger Sternwarte. Als dessen Assistentin wurde sie zu einer eigenständigen astronomischen Beobachterin. Aufgrund ihres zeichnerischen Talents entwarf sie viele Skizzen des Mondes und der Planeten. Anschließend ging es um ,,Kepler und die neuzeitliche Naturwissenschaft". In einem forschen Ritt durch die Astronomiegeschichte skizzierte Pierre Leich die Zeit von Copernicus, Galilei, Kepler und Newton. Angereichert durch mathematisch-physikalische Betrachtungen, wurde der epochale Schritt zu einem dynamischen Verständnis der Planetenbahnen durch Keplers Werk sichtbar, das 1619 unter dem Titel ,,Harmonices mundi" erschien. Eine andere Lichtgestalt wurde von Karl-Peter Julius vorgestellt: Charles Messier. Man denkt hier meist an
seinen populären Katalog von 103 DeepSky-Objekten. Doch der Franzose war hauptsächlich ein Kometensucher. Seine Beobachtungen präsentierte er kunstvoll in Sternkarten, Zeichnungen und Grafiken. Sie erschienen in diversen Journalen und sind heute leider kaum bekannt. Julius, neueste Publikation ,,Charles Messier - Himmelskarten und Zeichnungen aus der Zeit von 1759 bis 1807", erschienen im eigenen Albireo-Verlag, hat dies nun in beeindruckender Weise geändert (Abb. 5). Der Vortrag zeigte das Entstehen der Edition von der mühsamen Quellensuche bis zu den fertigen Faksimiledrucken, die am Stand zu bewundern waren.
Vor der Kaffeepause wurde das obligatorische Gruppenfoto gemacht, leider bei etwas trübem Himmel (Abb. 6). Danach gab es reichlich Kuchen und, wie immer, anregende Gespräche. Anschließend stellte Klaus Rohe ,,Die astronomischen Arbeiten von Alfred Wegener" vor. Der deutsche Wissenschaftler ist hauptsächlich für seine Theorie der Kontinentalverschiebung bekannt. Er hat sich aber auch auf dem Gebiet
6 Gruppenfoto
der Astronomie betätigt. Hier finden wir seine Dissertation zu den Alfonsinischen Tafeln, Untersuchungen über Meteore und Meteorite und eine Arbeit zur Entstehung der Mondkrater durch Impakt-Ereignisse. Im abschließenden Vortrag ,,Karl Friedrich Küstners Beobachtungen der Nova Persei 1901" berichtete der Bonner Astronom Michael Geffert über einen berühmten Vorgänger. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde von Vielen der Ausbruch einer Nova im Sternbild Perseus beobachtet. Küstner benutzte hierzu den neuen Bonner Doppelrefraktor. Sein Hauptziel war die Bestimmung der Entfernung mittels fotografischer Parallaxenmessung. Der Referent stellte den astronomiegeschichtlichen Hintergrund und die (leider negativen) Ergebnisse der Messungen vor.
Der Samstag fand seinen Ausklang im Restaurant ,,Weißbierhaus"; Bier und Speisen ließen keine Wünsche offen. Am Sonntagmorgen traf man sich im Bamberger Natur-
106 | Journal für Astronomie Nr. 73
Geschichte
kundemuseum. Es bietet zwar keine astronomischen Exponate, beeindruckt aber durch den historischen ,,Vogelsaal" (Abb. 7) aus dem Jahr 1810 (mit ausgestopften Tieren aller Art) und eine einmalige Fossiliensammlung. Die 150 Mio. Jahre alten Objekte, darunter ein Flugsaurier und ein Quastenflosser, stammen aus dem fränkischen Jura (Steinbruch Wattendorf).
7 Der historische ,,Vogelsaal" im Naturkundemuseum
Die 16. Tagung war - nach Ansicht der Teilnehmer - wieder eine gelungene Veranstaltung. Als Termin für 2020 ist der 30.10.01.11. angedacht. Der Tagungsort steht noch nicht fest. Vorgeschlagen wurden u.a. Aachen und Nördlingen.
Näheres dazu finden Sie zu gegebener Zeit auf der Webseite der Fachgruppe Geschichte der Astronomie: http://geschichte.fgvds.de.
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Journal für Astronomie Nr. 73 | 107
Geschichte
Alexander von Humboldt und Südamerikas älteste Sternwarte
- Himmelsbeobachtung in Kolumbien vor 200 Jahren
von Volker Witt
Das Stichwort ,,Südamerika" lässt einen spontan an die klassischen Beobachtungsplätze in Chile denken, wie etwa Cerro Tololo, Las Campanas, La Silla oder Cerro Paranal, wo heute die modernsten und größten Teleskope auf den Südhimmel gerichtet sind. Blickt man weiter zurück in die astronomische Vergangenheit des Kontinents, findet man beispielsweise Sternwarten in Santiago (Chile), Cordoba und La Plata (Argentinien), Rio de Janeiro (Brasilien) oder Quito (Ecuador), die bereits im 19. Jahrhundert gegründet wurden [1]. Wenig bekannt ist aber der Umstand, dass die erste fest eingerichtete Sternwarte Südamerikas schon um die Jahre 1802/3 in Bogota, der Hauptstadt des heutigen Kolumbien, entstand (Abb. 1). Die Stadt hieß damals Santa Fe de Bogota oder auch nur Santa Fe und war die Hauptstadt des von Spanien verwalteten Vizekönigreichs Neugranada (auch Nueva Granada genannt), das die heutigen Länder Kolumbien, Venezuela, Ecuador und Panama umfasste.
Es waren zwei oder drei Persönlichkeiten, die entscheidend zur Gründung des astronomischen Observatoriums in Bogota beitrugen. Der aus der südspanischen Stadt Cadiz stammende Arzt Jose Celestino Mutis (1732-1808) galt als zentrale Figur für die Belebung der Naturwissenschaften in Neugranada [2]. Mutis unterrichtete am Colegio del Rosario in Bogota als Dozent für Mathematik, Physik und Astronomie und widmete sich vor allem der Erforschung der heimischen Pflanzenwelt (Abb. 2). Im Jahr 1783 gründete er mit Genehmigung des spanischen Königs Carlos III. die Real Expedición Botanica, die königliche Botanische Expedition. Sie ist nach heutigem Verständnis als wissenschaftliches Institut zu verstehen, das sich der Erkundung und Dokumentation der reichhaltigen Flora und Fauna des Landes verschrieben hat.
108 | Journal für Astronomie Nr. 73
2 Jose Celestino Mutis war
an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert einer der angesehensten Wissenschaftler in Lateinamerika. Auf seine Initiative geht die Gründung des astronomischen Observatoriums in Bogota zurück. Denkmal im Freigelände der Sternwarte.
1 Das in den Jahren
1802/3 in Bogota (Kolumbien) errichtete astronomische Observatorium ist die älteste fest eingerichtete Sternwarte in Südamerika. Ursprünglich im Garten der ,,Botanischen Expedition" erbaut, gehört sie heute zum Gebäudekomplex des Palacio de Nariño, in dem der Präsident Kolumbiens residiert. Die Drehkuppel wurde erst später hinzugefügt, sie beherbergt einen nicht mehr gebrauchsfähigen Refraktor.
Geschichte
3 Alexander von Humboldt hatte ent-
scheidenden Einfluss auf die Gründung der Sternwarte in Bogota. Die Büste im Garten der Sternwarte stellt den Naturforscher in seinen jungen Jahren dar und wurde dem kolumbianischen Nationalobservatorium von der Bundesrepublik Deutschland aus Anlass des 200. Geburtstags von Humboldt gestiftet.
Die Rolle Alexander von Humboldts Im Sommer 1801 kommt es zu dem denkwürdigen Treffen zwischen Mutis und dem deutschen Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859), der von Kuba kommend in der kolumbianischen Hafenstadt Cartagena eintrifft und zusammen mit seinem Weggefährten Aime Bonpland (1773-1858) den südamerikanischen Kontinent bereisen will. Humboldt äußerte dazu in einem Brief an seinen Bruder Wilhelm ,,... den lebhaften Wunsch, den großen Botaniker Don Jose Celestino Mutis, der noch ein Freund Linne's ist, und sich jetzt in Santa Fe de Bogota aufhält, zu sehn, und unsre Pflanzensammlung mit der seinigen zu vergleichen ..." [3]. Humboldts Ankunft in Bogota wurde wie ein Triumphzug gefeiert und verlieh der dort bestehenden, eher bescheidenen Forschungslandschaft einen großen Schub, der sich bis hin zur Gründung einer Sternwarte auswirkte (Abb. 3).
4 Humboldt galt als profunder Wissen-
schaftskommunikator, der in der Szene auch bei den Astronomen - bestens vernetzt war. Das Gemälde zeigt den Gelehrten im reiferen Alter und befindet sich im großen Saal des Observatorio Astronómico de Bogota.
In der von Zach herausgegebenen Schrift ,,Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde" beklagte Humboldt in einem aus Cumana - im heutigen Venezuela - am 1. September 1799 geschriebenen Brief seine damals eher noch mangelhafte Erfahrung in Sachen Astronomie: ,,... haben Sie besonders Nachsicht mit meinen astronomischen Arbeiten. Bedenken Sie, dass dies nur ein Nebenzweck meiner Reise ist, dass ich ein Anfänger in der Astronomie bin, und erst seit zwey Jahren mit Instrumenten umzugehen gelernt habe."
Hier soll nun auf Humboldts Verhältnis zur Astronomie etwas näher eingegangen werden - nicht zuletzt auch aus dem Anlass, dass sich gerade sein Geburtstag zum 250. Male jährt [4]. Bevor Humboldt zu seiner großen, sich über fünf Jahre hinziehenden Amerikareise aufbrach, machte er sich mit dem Umgang einiger astronomischer Instrumente vertraut. Er holte sich dafür kundigen Rat bei Franz Xaver von Zach (17541832), dem Leiter der Seeberg-Sternwarte
bei Gotha, und bei Johann Gottfried Köhler (1745-1800) in Dresden, der dort als Inspektor des Mathematisch-Physikalischen Salons wirkte. Die beiden Experten zeigten ihm, wie er die Sextanten zu benützen habe, von denen er zwei besaß: einen achtzölligen des Londoner Instrumentenbauers Ramsden sowie einen kleineren aus der Werkstatt von Troughton.
5 Der ursprünglich als Jurist ausgebildete
Francisco Jose de Caldas begann als Autodidakt mit astronomischen Messungen und wurde später durch Alexander von Humboldt gefördert. Er war der erste Direktor der Sternwarte in Bogota. Auf dem Ölgemälde von Miguel Díaz Vargas ist links im Bild die Vorrichtung zu erkennen, mit der Caldas aus der Siedetemperatur von Wasser die Höhe von Bergen zu bestimmen versuchte.
Journal für Astronomie Nr. 73 | 109
Geschichte
1830er-Jahre für die Gründung der Neuen Berliner Sternwarte in der Lindenstraße tatkräftig einzusetzen.
Vom Autodidakten zum Astronomen
Eines der wissenschaftlich hoffnungsvolls-
ten Talente in Neugranada war der Ko-
lumbianer Francisco Jose de Caldas (1768-
1816) [5, 6]. Aus der im Süden Kolumbiens
liegenden Stadt Popayan stammend stu-
dierte Caldas zunächst in Bogota Rechts-
wissenschaft, fühlte sich aber bald weitaus
mehr zu den Naturwissenschaften hingezo-
gen. Besonders die Astronomie hatte es ihm
angetan, und er begann als Autodidakt, mit
meist selbst gefertigten Instrumenten, as-
tronomische Beobachtungen und Messun-
6 Auf kolumbianischen Banknoten wurde den Gelehrten Mutis (oben) und Caldas (unten)
gen auszuführen. Um astronomische Längenbestimmungen vorzunehmen, wählte
ein bleibendes Denkmal gesetzt, das von ihrer allgemeinen Wertschätzung zeugt. Neben
er beispielsweise Sternbedeckungen, ge-
dem Bildnis von Mutis ist auch das Sternwartengebäude in seiner ursprünglichen Ausfüh-
legentliche Mondfinsternisse oder gar die
rung (mit anderer Kuppel) dargestellt.
Verfinsterungen der Jupitermonde, die er
mit entsprechenden Ephemeriden verglich.
Er führte zudem meteorologische und geo-
Durch die sich ergebenden häufigen Orts-
wechsel wurde Humboldt aber bald ein Ex-
perte für astronomisch-geodätische Orts-
bestimmungen, die sich in den fünf Jahren
der Reise auf ungefähr 200 beliefen. Das Er-
leben verschiedener Himmelsschauspiele
während der langen Tropennächte schärfte
seine Beobachtungsgabe. Ein spektakulä-
rer Sternschnuppenfall, die Beobachtung
des Zodiakallichts und Gegenscheins, die
Szintillation der südlichen Sterne und die
Messung ihrer Farbe und Helligkeit, all dies
fand später auch seinen Niederschlag im
dritten Band von Humboldts Kosmos, der
vor allem der Astronomie gewidmet war.
Humboldt war in der damaligen europäi-
schen Wissenschaftsszene bestens vernetzt
und hatte in späteren Jahren auch guten
Kontakt zu vielen bekannten Astronomen wie etwa Gauß, Bessel, Encke und Schuma-
7 Die historische Sternwarte gehört heute zu den Museen der Universidad Nacional de
cher (Abb. 4). Und schließlich war es auch Colombia. Im großen Saal werden verschiedene Exponate gezeigt, die den Besucher die
sein besonderes Verdienst, sich Anfang der Arbeit der Astronomen nachempfinden lassen.
110 | Journal für Astronomie Nr. 73
Geschichte
grafische Messungen aus und entwickelte eine als Hypsometrie bezeichnete Methode, nach der er aus der Siedetemperatur von Wasser die Höhe eines Berges bestimmen konnte (Abb. 5).
Schon kurz nach seiner Ankunft in Cartagena wurde Humboldt auf das besondere Talent des jungen Caldas aufmerksam, und im weiteren Verlauf der Reise wies man ihn immer wieder auf den wissenschaftlichen Autodidakten hin. Im September 1801 brachen Humboldt und Bonpland nach einem längeren Aufenthalt in Bogota auf, um auf dem Landweg in die Stadt Quito zu gelangen. Da die Reise ohnehin über die Stadt Popayan führte, war ein Besuch bei Caldas eingeplant, der aber zu ihrer Enttäuschung bereits in Quito weilte. Stattdessen wurden die beiden von seinem Vater empfangen, der ihnen bereitwillig Einblick in die astronomischen Beobachtungsprotokolle seines Sohnes gewährte. Welch eine Überraschung erlebte Humboldt, als er gewahr nahm, dass Caldas auch aus den Verfinsterungen der Jupitermonde die geografische Länge bestimmen konnte, wie er es selbst zu tun pflegte! Seine Hochachtung vor Caldas lässt ein Tagebucheintrag vom 15. November 1801 erahnen: ,,Geradezu ein Wunder in der Astronomie, arbeitet er hier im Dunkel einer abgelegenen Stadt seit Jahren; bis vor Kurzem hat er ... kaum weitere Reisen als nach Bogota unternommen. Sich selber hat er die Instrumente für Messungen und Beobachtungen hergestellt. Jetzt zieht er Meridiane, jetzt mißt er Breiten! Was würde solch ein Mann in einem Lande leisten, wo mehr Unterstützung ihm zu Theil würde!"
Von der Begegnung mit Humboldt Anfang des Jahres 1802 versprach sich Caldas einen wissenschaftlichen Gedankenaustausch mit einem ebenbürtigen Gesprächspartner, den er bislang schmerzlich vermisste.
8 Universalinstrument Nr. 8980 von Gustav Heyde, Dresden
In Alexander von Humboldt hatte er einen großartigen Lehrmeister gefunden, der ihn im Gebrauch astronomischer Instrumente, etwa eines Oktanten oder Quadranten, unterwies und ihm vermittelte, wie die Tabellen der atmosphärischen Refraktion anzuwenden wären. Von Humboldt erhielt er auch einen Sternkatalog sowie eine Sammlung von Ephemeriden. Schließlich verkaufte ihm der europäische Gelehrte auch noch seinen 18-Zoll-Quadranten des englischen Instrumentenbauers John Bird, der sogar mit einem Mikrometer ausgestattet war. Als Caldas jedoch seine Absicht erkennen ließ, die beiden Forscher auf ihrer Reise bis zur Rückkehr nach Europa begleiten zu wollen, kam es zur Missstimmung und gegenseitigen Entfremdung.
In der historischen Rückschau zählen Jose Celestino Mutis und Francisco Jose de Caldas zu Kolumbiens renommiertesten Naturforschern, die auch nach mehr als zweihundert Jahren noch in hohem Ansehen stehen. Die ihnen entgegengebrachte allgemeine Wertschätzung zeigt sich auf kolumbianischen Briefmarken und Bank-
noten, wo den beiden ein bleibendes Denkmal gesetzt wurde (Abb. 6).
Die Sternwarte wird gebaut Der von Mutis beauftragte Architekt war der Kapuzinermönch Domingo de Petres, der die Sternwarte nach europäischen Vorbildern als Turm mit oktogonalem Grundriss und einem Durchmesser von etwa zehn Metern entwarf. An dieses Hauptgebäude ist ein schlanker, etwa 25 Meter hoher Treppenturm mit quadratischem Querschnitt angelehnt (Abb. 1). Die Grundsteinlegung erfolgte am 24. Mai 1802, und schon am 20. August 1803 war der Bau beendet [7, 8]. Nun aber musste das Gebäude mit Leben erfüllt werden.
Die Frage nach dem Leiter der Sternwarte wurde sicherlich auch wesentlich durch Humboldts Einfluss bestimmt, der gegenüber Mutis die außergewöhnliche Begabung lobte, die Caldas bei astronomischen Messungen und Beobachtungen bewies. Ende des Jahres 1805 wird Francisco Jose de Caldas von Mutis zum Direktor des Observatoriums bestellt.
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Geschichte
9 Bildnisse im großen Saal der Stern-
warte. Obere Reihe (von links): Jose Celestino Mutis, Francisco Jose de Caldas, Julio Garavito Armero. Untere Reihe: Alexander von Humboldt, Jose María Gonzalez Benito, Jorge Álvarez Lleras
hielt die Sternwarte von Bogota lange Zeit den Höhenrekord auf dem amerikanischen Kontinent.
Die Ausstattung mit Instrumenten, welche die spanische Krone zur Verfügung stellte, umfasste einen Quadranten von Sisson sowie verschiedene Teleskope, zwei Theodoliten von George Adams, zwei Chronometer von Josiah Emery sowie Thermometer und Kompasse. Mutis selbst beschaffte unter anderem drei Spiegelteleskope von Dollond sowie Oktanten, Barometer, Kompasse und eine astronomische Pendeluhr von Graham. Auch Caldas steuerte einige Instrumente bei, darunter vor allem den von Humboldt erworbenen Bird-Quadranten.
Observatorium (Observatorio Real) auf der Isla de León - dem heutigen San Fernando in der Nähe der südspanischen Stadt Cadiz. Die Höhenlage bestimmte er zu 2.686 Meter (exakter Wert 2625 Meter), damit
Dass sich Caldas nun wieder mit Fragen der atmosphärischen Refraktion befasste, dürfte noch auf die Anregung durch Humboldt zurückgehen. Die äquatornahe Lage des Standorts weckte in ihm auch die Idee, einen Sternkatalog des Südhimmels zu erstellen. Große Aufmerksamkeit widmete er der Beobachtung des Großen Kometen C/1807 R1. Allerdings stellte sich das Fehlen eines größeren Teleskops immer mehr als Nachteil heraus.
Im großen Saal der Sternwarte kann der heutige Besucher die Atmosphäre verspüren, wie sie früher geherrscht haben mag (Abb. 7). Der Raum ist inzwischen als Museum eingerichtet und zeigt als Exponate einige Spektroskope und Spektive, mehrere Pendeluhren, einen Erd- und Himmelsglobus, verschiedene Theodoliten oder Universalinstrumente (Abb. 8), Teile der Bibliothek und nicht zuletzt die Bildnisse von Persönlichkeiten, die einen Bezug zur Sternwarte haben (Abb. 9).
Caldas verbrachte die ersten Monate mit Positionsmessungen und fand für den Standort des Observatoriums eine nördliche Breite von 04 Grad 36' 06'', was vom modernen Wert nur um neun Bogensekunden abwich. Als geografische Länge ermittelte er 04h 32m 16s westlich vom Königlichen
1 0 Im großen Saal der Sternwarte kennzeichnet eine in den Boden
eingelegte Messingschiene den Ortsmeridian.
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Geschichte
1 1 Julio Garavito Armero führte
das Observatorium an der Wende zum 20. Jahrhundert zu neuer wissenschaftlicher Aktivität. Büste im Garten der Sternwarte
Schicksalswende Die Situation ändert sich schlagartig am 20. Juli 1810, als in Kolumbien die Revolution ausbricht, und sich das Land von der spanischen Vorherrschaft lossagt. Caldas widmete sich in der Folge ganz dem nun stattfindenden Freiheitskampf, während die Sternwarte verwaiste. Im Zuge der ab 1815 einsetzenden spanischen Reconquista wurde Caldas von den Royalisten gefangengenommen und am 29. Oktober 1816 öffentlich hingerichtet. Als sich Freunde für sein Leben einsetzten, soll der spanische Befehlshaber entgegnet haben: ,,Spanien braucht keine Wissenschaftler" (,,España no necesita de sabios").
In den folgenden Jahren und Jahrzehnten erfuhr das Observatoriumsgebäude unterschiedlichste Nutzung, die häufig wenig mit Astronomie, aber umso mehr mit der Historie des Landes zu tun hatte. Es diente zwischenzeitlich als meteorologisches Observatorium, als Militärakademie, als Festungsbollwerk und sogar als Gefängnis für einen ehemaligen Staatspräsidenten.
Im Jahr 1866 hört man von einem neuen Direktor der Sternwarte namens Indole-
cio Lievano (1834-1913), der Sternbedeckungen durch den Mond beobachtet und Ephem eriden berechnet. Er lässt die bereits von Caldas im großen Saal angelegte Meridianlinie durch Anbringen einer massiven Messingschiene erneuern (Abb. 10).
Im Februar 1868 wird Jose María Gonzalez Benito (1843-1903), Professor der Astronomie und Meteorologie, zum Direktor ernannt (Abb. 9). Er widmet sich dem Studium der Meteorströme und pflegt enge Kontakte zu Astronomen in Europa, wie beispielsweise zu dem Franzosen Camille Flammarion (1842-1925). Er begründete die Annalen des Observatorio Astronómico Nacional de Bogota, deren erste Ausgabe 1882 erscheint.
Neue wissenschaftliche Aktivität erlebte das Observatorium, als Julio Garavito Armero (1865-1920) die Leitung im Jahr 1891 übernommen hatte (Abb. 9 und 11). Er brillierte durch seine praktische Beobachtungsgabe wie auch durch theoretisches Wissen und zählt wohl im Bunde mit Mutis und Caldas zu den Wissenschaftlern mit internationaler Reputation [9]. Allgemeine Anerkennung fanden Garavitos theoretische Arbeiten zur Wahrscheinlichkeitsrechnung, mathematischen Optik und Himmelsmechanik, insbesondere seine Studien über die Bewegung des Mondes. Zu seinen Ehren ist seit 1970 der Krater ,,Garavito" auf der Rückseite des Monds benannt. Nach Garavitos Tod folgte ein neuerliches Interregnum und erst im Jahr 1930 kehrte mit Jorge Álvarez Lleras (1885-1952), einem Schüler Garavitos, das wissenschaftliche Leben auf die Sternwarte zurück (Abb. 9). Belisario Ruiz Wilches (1887-1958) ist schließlich der letzte Direktor am historischen Observatorium, dessen Funktion ab dem Jahr 1952 vom neu gebauten Observatorio de la Ciudad Universitaria übernommen wird.
Literaturhinweise und Weblinks (geprüft 10.12.2019): [1] P. C. Keenan, 1991: "The Earliest National Observatories in Latin America", Journal of the History of Astronomy Vol. 22, p. 21-30 [2] https://en.wikipedia.org/wiki/Jos%C3%A9_Celestino_Mutis, https://es.wikipedia.org/wiki/Jos%C3%A9_Celestino_Mutis [3] A. von Humboldt, 1804: ,,Notizen Alex. von Humboldt's von seinen Reisen in der Kordillere der Anden und von seinen physikali-
schen Beobachtungen in Quito und Mexiko", Annalen der Physik Bd. 16, S. 450-493 [4] O. Schwarz, 2014: ,,Alexander von Humboldt als astronomischer Arbeiter, Diskussionspartner und Ideengeber", HiN Internationale
Zeitschrift für Humboldt Studien XV, 29, S. 39-49 [5] J. W. Appel, 1994: "Francisco Jose de Caldas: A Scientist at Work in Nueva Granada", American Philosophical Society, Philadelphia [6] www.biografiasyvidas.com/biografia/c/caldas.htm, https://en.wikipedia.org/wiki/FranciscoJos%C3%A9_de_Caldas,
https://es.wikipedia.org/wiki/Francisco_Jos%C3%A9_de_Caldas [7] A. D. Bateman, 1953: "El Observatorio Astronómico de Bogota", Universidad Nacional de Colombia, Bogota [8] R. J. Londoño, A. Morales, 2007: "Observatorio Astronómico de Bogota. Pedes in terra ad siderum visum", Universidad de los
Andes, Departamento de Arquitectura, Bogota [9] https://en.wikipedia.org/wiki/Julio_Garavito_Armero, www.biografiasyvidas.com/biografia/g/garavito.htm
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Geschichte
REZENSION
Charles Messier - Himmelskarten & Zeichnungen aus der Zeit von 1759 bis 1807
Albireo Verlag, Köln 2019, ISBN 978-3-9816040-6-1, 24 Blätter in kartonierter Archiv-Box, 159,-
Hört ein Amateurastronom den Namen ,,Messier", so denkt er sicher gleich an leicht zu beobachtende Objekte aus dem berühmten Katalog der 103 Nebel und Sternhaufen. Kein Beobachtungsabend kommt ohne ihn aus; man denke nur an M 1 (Krebsnebel), M 31 (Andromedanebel) oder M 42 (Orionnebel). Nur die Wenigsten wissen, dass der Messier-Katalog bereits 1781 veröffentlicht wurde. Heute werden moderne Versionen mit aktuellen Objektdaten verwendet.
Dabei wurde der Initiator, Charles Messier (1730-1817), zu seiner Zeit wegen ganz anderer Beobachtungen gefeiert: Kometen - er entdeckte insgesamt 20. Noch weniger bekannt ist, dass der französische Astronom eine Reihe bemerkenswerter Sternkarten, Zeichnungen und Grafiken publiziert hat. Sie wurden meist erstellt, um die Bahn eines Kometen und die Lage von Nebeln zu zeigen. Seine Sternkarten sind, dem Stil der Zeit entsprechend, kunstvolle Darstellungen mit historischen Sternbild-
figuren und aufwändigen Sternsymbolen. Im Gegensatz zu anderen Astronomen, wie etwa Bayer, Flamsteed oder Bode, hat Messier aber keinen Sternatlas produziert. Es gibt nur einzelne Karten ausgewählter Himmelsregionen, die zudem in verschiedenen französischen Journalen und unterschiedlichen Jahren erschienen sind. Das macht die Sache ziemlich unübersichtlich. Dieser versunkene astronomische Schatz ist nun endlich gehoben! Unser Dank geht - wieder einmal - an Karl-Peter Julius und seinen Albireo-Verlag. Das beeindruckende Resultat trägt den schlichten Titel ,,Charles Messier - Himmelskarten & Zeichnungen aus der Zeit von 1759 bis 1807" (Abb. 1). Es reiht sich ein in eine ganze Serie historischer Raritäten, die in Köln (stets in streng limitierter Auflage) wieder auferstanden sind; darunter der ,,Atlas Coelestis 1742" von Doppelmayr, Fortins ,,Flamsteed Edition" oder der ,,Mondatlas 1791" von Schroeter.
1 Titelbild
Der ,,Messier" stellt eine Kollektion von 24 Kartenblättern dar, aufbewahrt in einem edlen, 46 cm x 33 cm großen Karton. Einige sind gefaltet. Die größte Karte, und zugleich das Prunkstück der Sammlung, misst 57 cm x 42 cm. Sie zeigt den Stier (Sternbild Taurus). Obwohl ihm der Komet von 1758 vor die Nase gesetzt wird, schaut er überaus gutmütig drein (Abb. 2). Weitere 18 Sternkarten zeigen Kometenbahnen. Zusätzlich enthalten sie insgesamt 32 MessierObjekte. Darüber hinaus gibt es 5 Blätter mit Zeichnungen spezieller Objekte bzw. Ereignisse: Saturn (1776), Merkurtransit (1786), Saturnbedeckung (1775), Polarlicht (1777) und den Andromedanebel (1807). Das Ganze ist auf Hahnemühle-Bütten gedruckt - allein das Anfassen versetzt einen in die Zeit von Messier.
2 Sternbild Stier und Komet von 1758 (Karte 1)
Eine 43-seitige Begleitschrift liefert wichtige Erläuterungen zu den Karten und Objekten. Wem Messier durch seine DeepSky-Objekte oder Kometen vertraut ist, und wer Sinn für rare historische Werke der Astronomie hat, kommt an dieser Edition nicht vorbei. Das Ganze hat natürlich seinen Preis. Als stolzer Besitzer ist man einer von nur 399 anderen: Es lohnt sich also, seinen ,,van Gogh" mal abzuhängen und durch einen liebevollen Stier zu ersetzen!
Dr. Wolfgang Steinicke
114 | Journal für Astronomie Nr. 73
Kleine Planeten
Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten
von Gerhard Lehmann
Das Frühjahr kündigt sich wieder an und die Nächte werden wieder kürzer. Vielleicht haben Sie in diesen Nächten auch Lust, einen Kleinplaneten zu beobachten. Es muss nicht immer die Astrometrie im Vordergrund stehen. Auch visuelle Beobachtungen haben ihren Reiz. Alexander Geiss berichtet in dieser Ausgabe von einer solchen Beobachtung anlässlich des Bayerischen Teleskop-Meetings.
1 Entdeckungsauf-
nahme vom 27.Januar 1998 mit einem 7-ZollRefraktor und einer ST6-CCD-Kamera des später nach Sigmund Jähn benannten Kleinplaneten 1998 BF14 (rechts unten). Bildautor: Jens Kandler
Die astrometrische Beobachtung von Kleinplaneten erlebte in den letzten Jahren vor dem Jahrtausendwechsel durch den Einsatz von CCD-Kameras einen enormen Aufschwung. In der Folge wurden an vielen Amateursternwarten Kleinplaneten neu entdeckt. So auch in der Volkssternwarte Drebach, wo an einem 7-zölligen Refraktor mit einer ST6 beobachtet wurde. Damit gelang dem heutigen Leiter der Einrichtung am 27. Januar 1998 die Entdeckung des Kleinplaneten 1998 BF14 (Abb. 1).
Nach der Nummerierung reichte das Kleinplanetenteam der Sternwarte Drebach für diesen Kleinplaneten beim Minor Planet Center (MPC) in den USA einen Namens-
vorschlag ein. Die Freude war groß, als das MPC im Januar 2001 den Vorschlag akzeptierte. Seit dieser Zeit gibt es den Kleinplaneten (17737) Sigmundjähn. Der Kleinplanet erhielt den Namen nach dem am 13. Februar 1937 in Morgenröhte-Rautenkranz / Vogtland geborenen ersten deutschen Kosmonauten. Er flog am 26. August 1978 mit dem sowjetischen Raumschiff Sojus 31 zur Raumstation Salut 6.
Wer je die Möglichkeit hatte, ihn kennenzulernen, weiß um seine ihm eigene Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit. Der Autor dieser Zeilen hatte gemeinsam mit seiner Ehefrau das Glück, ihn noch einmal
(17737) Sigmundjähn = 1998 BF14
Discovered 1998 Jan. 27 by J. Kandler at Drebach.
Sigmund Jähn (b. 1937) was the first German to travel into space. In August 1978 he spent nine days in the Soviet space station Salyut 6, together with the Russian commander Valery Bykovsky. Today Jähn works in the astronaut training center of DLR, the German Research Center for Aeronautics and Astronautics.
im Frühjahr 2018 (Abb. 2) zu treffen. Am 21. September 2019 ist er in Strausberg bei Berlin verstorben. Bis in alle Ewigkeit, zumindest nach menschlichen Maßstäben, wird sein Kleinplanet unsere Sonne umlaufen. Wenn Sie Lust bekommen haben, vielleicht auch einmal Kleinplaneten zu beobachten, dann sind Sie herzlich eingeladen. Als Mitglied in der FG Kleine Planeten werden Sie Gleichgesinnte treffen und von den Erfahrungen der anderen profitieren.
2 Von links nach rechts: Gerhard Lehmann, Sigmund Jähn, Jens Kandler, Katrin Lehmann
und Sabrina Fritzsch. Fotografiert im Frühjahr 2018 vor der Sternwarte und dem Planetarium ,,Sigmund Jähn" in Rodewisch/Vogtland. Bildautor: Olaf Graf
Weblinks (geprüft 10.12.2019): [1] Sternwarte Drebach:
www.sternwarte-drebach.de/ [2] Kleinplanetenseite:
www.kleinplanetenseite.de/
Journal für Astronomie Nr. 73 | 115
Kleine Planeten
Kleinplanetentagung 2019 in Salzburg
von Daniel Bamberger
Zur 22. Tagung der VdS-Fachgruppe Kleine Planeten vom 14. bis 16. Juni 2019 lud die VEGA-Sternwarte Haus der Natur in Salzburg in den Neubau des Observatoriums ein. Am Freitagabend trafen sich die Teilnehmer zum gemütlichen Beisammensein in einem Restaurant im nahegelegenen Anthering. Zuvor bestand die Möglichkeit, an einer Stadtführung durch Salzburg teilzunehmen.
Helmut Windhager, Leiter der ehrenamtlichen Arbeitsgruppe Astronomie des Hauses der Natur, Lothar Kurtze von der Sternwarte Heppenheim, und der Vorsitzende der Fachgruppe, Gerhard Lehmann, begrüßten am Samstag die mehr als 50 Teilnehmer der Tagung aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden im Vortragsraum des Observatoriums.
Danach erzählte Helmut Windhager die Geschichte der VEGA-Sternwarte, von den ersten Plänen über die Suche nach Sponsoren bis hin zur Auswahl des Bauplatzes und dem Design des Gebäudes. Im August 2018 konnte die Sternwarte schließlich feierlich eröffnet werden. Seither wird sie insbesondere für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt.
Ihm folgte Gerhard Lehmann mit Neuigkeiten aus der Fachgruppe Kleine Planeten. Die Mitgliederzahl der Fachgruppe ist ansteigend, ebenso wie die Zahl der aktiven Sternwarten. Während die Zeit der Entdeckungen durch Amateure Lehmann zufolge vorbei sei, könnten Amateure nach wie vor wichtige Beiträge leisten.
Detlef Koschny berichtete von seiner Arbeit am Planetary Defense Office der ESA und von der Bedeutung von Amateuren. Koschny beschrieb die Fortschritte beim Bau des 1,2-Meter-Flyeye-Teleskops auf Sizilien, das ab 2020 nach erdnahen Asteroiden suchen soll. Er hob die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit hervor. Unter Einbindung von Amateuren soll so ein weltweites Netzwerk von Asteroidenbeobachtern entstehen. Gleichzeitig arbeitet die ESA an der Entwicklung neuer Software zur Vorhersage von Asteroideneinschlägen, an der besseren Zusammenarbeit mit den Behörden und an der schnelleren Koordinierung von Beobachtungen. Auch Weltraum-Missionen zum Studium von Asteroiden unter Beteiligung der ESA sind in Planung.
Nach Gruppenfoto und Kaffeepause folgte Mike Kretlow, welcher leider nicht persönlich anwesend sein konnte, der aber für seinen Vortrag über ,,Fehlermodelle und die Zukunft (amateur-) astrometrischer Messungen" per Video zugeschaltet wurde. Kretlow beschrieb die Möglichkeiten und Herausforderungen, die sich durch die neueste Generation von Sternkatalogen ergeben. Besonders der Gaia-Katalog erlaubt neuartige Anwendungen, wie die bessere Vorhersage von Sternbedeckungen oder die Schwierigkeiten bei der Vorhersage von Kollisionen. Während kleine systematische Fehler in Sternkatalogen früher von geringer Bedeutung waren, werden diese nun zu einem der zentralen Probleme, an denen Wissenschaftler in den kommenden Jahren werden arbeiten müssen. Die Ergebnisse sind auch für Amateure relevant. Für Amateure bieten sich dabei außerdem neue Chancen, vor allem bei Sternbedeckungen, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden.
Nahtlos schloss sich der Vortrag von Herbert Raab an, der über das neue Beobachtungsformat ADES referierte. ADES ersetzt das alte Format zur Datenübermittlung an
1 Gruppenbild der Teilnehmer an der Kleinplanetentagung 2019 in Salzburg. Bild: Johann Reifberger
116 | Journal für Astronomie Nr. 73
Kleine Planeten
das Minor Planet Center. Die Vorteile von ADES liegen in der Flexibilität des Formats, und in der Menge an Informationen, die festgehalten werden können. Insbesondere bietet ADES die Möglichkeit, den geschätzten Fehler der Messungen zu übermitteln, was für die von Mike Kretlow diskutierten Anwendungen wichtig ist. Herbert Raab hat ADES in seine bekannte Software ,,Astrometrica" integriert, und er ermutigte alle Amateurastronomen, so bald wie möglich auf das neue Format umzusteigen.
Nach einer Mittagspause mit kleinem Imbiss auf der Sternwarte berichtete Erwin Schwab von der Zerreißprobe des Asteroiden 2018 AM12. Der Asteroid flog im Januar 2018 an der Erde vorbei, und wurde von Erwin Schwab am Calar-Alto-SchmidtTeleskop beobachtet. Schwab stellte durch Auswertung der Lichtkurve fest, dass der Asteroid schneller rotierte, als es für einen lose zusammengehaltenen Körper dieser Größe möglich wäre. Dies zeigt, dass 2018 AM12 ein sehr stabiles monolithisches Objekt sein muss.
2 Von links nach rechts: Rochus Hess von der VEGA-Sternwarte und David Voglsam im
Gespräch mit Herbert Raab, dem Autor der Software Astrometrica. Seine Software wird seit vielen Jahren weltweit von Profi- und Amateurastronomen zur Astrometrie eingesetzt. Bild: Gerhard Grau
Weniger stabil ist Asteroid 6478 Gault, der das Thema von Michael Jägers Vortrag war. Gault ist ein aktiver Asteroid im Hauptgürtel, dessen Aktivität Ende 2018 entdeckt wurde. Es handelt sich wohl um ein Objekt, das durch Fliehkräfte zerrissen worden ist. Michael Jäger hat die Entwicklung von Gault in den Monaten nach der Entdeckung bildlich festgehalten und diese Bildserie in seinem Vortrag präsentiert.
Daniel Bamberger stellte die ersten Ergebnisse des Vorbeiflugs von NASAs New-Horizons-Sonde am Kuipergürtel-Objekt ,,Ultima Thule" vor. Im Januar 2019 hatte New Horizons erfolgreich Ultima Thule passiert und Aufnahmen dieses fernen Planetesimals zur Erde geschickt. Objekte wie Ultima Thule sind die Bausteine der Planeten-
3 Von links nach rechts: Carolin Liefke vom Haus der Astronomie in Heidelberg im
Gespräch mit Matthias Busch und Martin Metzendorf von der Starkenburg-Sternwarte in Heppenheim. Matthias Busch hat die von vielen Kleinplanetenfreunden verwendete Software EasySky geschrieben. Bild: Gerhard Grau
entstehung, und die Erkenntnisse aus dem Vorbeiflug werden unser Wissen darüber erweitern. Ultima Thule weist auch Ähnlichkeiten zu den Kometen und kleinen Monden im inneren Sonnensystem auf. Für Amateure bietet sich seit Einführung des Gaia-Sternkatalogs die Möglichkeit, durch die Beobachtung von Sternbedeckungen auch an der Erforschung kleiner Kuipergürtel-Objekte aktiv mitzuwirken.
Ihm folgte Thomas Pausch, der von der Suche nach dem hypothetischen ,,Planet 9" am äußersten Rand des Sonnensystems berichtete. Er erläuterte seine Zweifel an dieser Hypothese.
Wegen des aufziehenden schlechten Wetters wurde die für später vorgesehene Führung durch die Sternwarte zeitlich vorgezogen. Die Mitarbeiter der Sternwarte erläuterten die Funktion und Nutzung
Journal für Astronomie Nr. 73 | 117
Kleine Planeten
der Teleskope. Nach der anschließenden Kaffeepause beschrieb Bernd Gährken in seinem Vortrag ,,Exokleinplaneten - geht das?" seine Beobachtungen von Exoplaneten und wie diese auch für Amateurastronomen zugänglich sind. Er spekulierte außerdem, ob auch Kleinplaneten um andere Sterne beobachtet werden könnten.
Markus Griesser erfreute die Zuhörer mit seinem Vortrag über Schularbeiten zu astronomischen Themen. Er betätigt sich seit Langem als Berater für Abschlussarbeiten zum Thema Astronomie. Griesser beschrieb die Herausforderungen, die sich bei der Arbeit mit jungen Erwachsenen ergeben. Gleichzeitig rief er dazu auf, sich auf junge Erwachsene und ihre Ideen einzulassen. Paul Breitensteins Vortrag stellte die Arbeiten von Schülern der von ihm betreuten Projektgruppe für Astronomie des Pascal-Gymnasiums in Münster vor. Die Schüler nutzten das Faulkes-Teleskop, um unbekannte Kleinplaneten zu entdecken und sie im darauffolgenden Jahr erneut aufzuspüren. Die Arbeiten, die daraus hervorgingen, gewannen Preise in den Wettbewerben ,,Jugend forscht" und ,,Schüler experimentieren".
Den Abschluss des ersten Vortragstages machte Lothar Kurtze, mit seinem Vortrag über den Start des Kleinplaneten-Projekts auf der VEGA-Sternwarte. Beim anschließenden Beisammensein in einem Restaurant in Anthering ließ man den Tag gemütlich ausklingen.
Den Start am Sonntag machte Bringfried Stecklum, der über die neue TAUKAMKamera in der Thüringer Landessternwarte Tautenburg referierte. Die staatlich geförderte Primärfokus-Kamera ist seit Ende 2018 am Schmidt-Teleskop in Tautenburg im Einsatz und wird dort vor allem für die Beobachtung neu entdeckter erdnaher
4 Von links nach rechts: Anna Griesser von der Sternwarte Eschenberg in der
Schweiz und Katrin Lehmann von der Sternwarte Drebach im Gespräch mit Detlef Koschny von der ESA sowie seiner Ehefrau Gabi. Detlef Koschny unterstützt als Profi auf vielerlei Art und Weise die Arbeit der Amateurastronomen. Bild: Gerhard Grau
Asteroiden (NEOCP) genutzt. Das große Gesichtsfeld und ein speziell entwickeltes Bildbearbeitungsverfahren (,,Entfaltung") ermöglichen die Astrometrie von Asteroidenspuren auch bei Objekten, die sich sehr schnell am Himmel bewegen.
Jürgen Linder präsentierte die Ergebnisse seiner Tests von CMOS-Kameras. Er untersuchte, ob sich CMOS-Kameras auch für die Astrometrie eignen. In den vergangenen Jahren sind CMOS-Sensoren zu einer ernsthaften Alternative zur klassischen CCD geworden, auch wenn sie mit ganz eigenen Herausforderungen verbunden sind. Nach einer kurzen Kaffeepause knüpfte Bernd Häusler an seinen Vortrag vom vergangenen Jahr an, mit einem Bericht über die Fortschritte bei der automatisierten NEO-Beobachtung an seinem DettelbachVineyard-Observatorium. Häusler erläuterte seine Ausrüstung und sein Vorgehen bei der Beobachtungsplanung. Es ist ihm gelungen, die Beobachtung mit Hilfe selbstgeschriebener Computerprogramme so weit zu automatisieren, dass das Teleskop während der Nacht ganz ohne Beobachter auskommt.
Markus Hoflehner und Günther Truhlar berichteten im letzten Vortrag von der Modernisierung und dem Umzug des 0,6 m-
f/3,3-Deltagraphen der ehemaligen Sternwarte 540 Linz in den Star Park ,,Hohe Dirn". Der neue Standort bietet Vorteile wie Höhe und geringe Lichtverschmutzung, aber auch Herausforderungen wie schlechte Erreichbarkeit und strenges Wetter (Schnee). Hoflehner und Truhlar zeigten Bilder vom Bau der neuen Kuppel und vom Umbau der Elektronik. Die Steuerung war veraltet und musste ersetzt werden. Geplant ist der Einsatz als Remote-Sternwarte. Hierzu fehlt noch die notwendige Internetanbindung.
Die Ankündigung, dass die 23. Kleinplanetentagung am 6. und 7. Juni 2020 im Zeiß-Planetarium und der Volkssternwarte Drebach stattfinden werde, stieß bei den Anwesenden auf Zustimmung. Die Räumlichkeiten in Drebach wurden in einem kurzen Vortrag vorgestellt.
Gerhard Lehmann und Helmut Windhager dankten zum Abschluss der 22. Kleinplanetentagung allen Anwesenden und Vortragenden, der VdS und der Fachgruppe Kleine Planeten. Nach der Verabschiedung durch Helmut Windhager und Gerhard Lehmann folgte das Mittagessen auf der Kaiserbuche sowie die erneute Gelegenheit, an einer Stadtführung durch Salzburg teilzunehmen.
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Kleine Planeten
Öffentliche Kleinplanetenbeobachtung im Fernglas
von Alexander Geiss
Spätestens seit dem Ereignis von Tscheljabinsk am 15. Februar 2013, als quasi ,,aus dem Nichts" die Druckwelle eines Meteoroiden bzw. eines kleinen Asteroiden eine unvorbereitete Stadt erschütterte, rückte die Gruppe der Asteroiden und Kleinplaneten stärker in den Fokus der an Astronomie interessierten Bevölkerung. Aus diesem Grund und, weil anhand von Kleinplaneten die Dynamik des Sternenhimmels erlebbar ist, biete ich gerne während des Bayerischen Teleskop-Meetings (BTM) bei der Führung der Besuchergruppen die Beobachtung dieser Himmelskörper an, die sich am Sternenhimmel schnell zu bewegen scheinen und leider selten gezeigt werden. Dabei ist das gar nicht so schwer, wenn man die Möglichkeit des Vergleichs mit dem Anblick einen oder mehrere Tage zuvor bietet.
Der Kleinplanet (15) Eunomia, ein klassischer Hauptgürtelasteroid, 255 km groß und 1851 durch den italienischen Astronomen de Gasparis entdeckt [1], bot Ende August 2019 ideale Bedingungen. Er war während seiner Oppositionsschleife nach Ende der astronomischen Dämmerung im westlichen Teil des Aquarius noch vor der Kulmination etwa 8,5 mag hell und somit einigermaßen leicht zu finden. Die Vorplanung erfolgte über ,,Heavens Above" [2]. In den Tagen des BTM war eine ansehnliche Dreier-Anordnung von Feldsternen in der Nähe.
1 Der Autor freut sich bei der Kleinplanetenbeobachtung an der freundlichen und warmen
Atmosphäre in der stockdunklen Umgebung. Das Bild ist ein Einzelbild aus einem Video, welches mit einer GoPro-Hero-3+-Black-Kamera ohne einen IR-Sperrfilter und einer Beleuchtung mit einem IR-Strahler entstanden ist. Bild: Johannes Hildebrandt
Als Beobachtungsinstrument sollte mein 20x80-Fernglas auf einem Kugelkopf und einer Parallelogramm-Montierung (Abb. 1) dienen, um Beobachtern verschiedener Größen einfach den Einblick zu ermöglichen, ohne die eingestellte Richtung des Anblicks zu verändern. Bei einer Bildfeldgröße von 3 Grad kann man einen relativ großen Himmelsabschnitt überblicken und die zu erwartenden Bewegungen einfach nachvollziehen.
Schon Tage zuvor begann ich mit der Zeichnung des Himmelsausschnitts um 12 Aqr bei einer Rektaszension von 21h 05min und einer Deklination von -6 Grad . Dort sollte sich (15) Eunomia Ende August aufhalten (Abb. 2). Die Helligkeit des Kleinplaneten machte im Großfernglas keine Probleme, die Grenzhelligkeit bei den Verhältnissen vor der Haustüre lag bei etwa 10 mag. Das BTM ist für seine nette und familiäre Atmosphäre bekannt und auch der Kontakt mit unbedarften Laien ist immer wieder durch-
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Kleine Planeten
aus erwünscht. Damit nicht aber die Unbedarftheit der Bevölkerung bei allen ambitionierten Amateuren voll durchschlägt, hatten wir Organisatoren des BTM uns darauf verständigt, dass Instrumente, die unter geführter Anleitung zur öffentlichen Beobachtung zur Verfügung stehen sollten, mit Knicklichtern kenntlich gemacht werden und dies den Besuchern mitgeteilt wird. Auf diese Weise bleiben die Besucher zum größten Teil an den Instrumenten des BTM-Organisationsteams hängen und können hier ihren Wissensdurst stillen. Mich überraschte nicht, dass ich der Einzige war, der einen Kleinplaneten vorstellen wollte. Die Zeichnung musste ich an die besseren Bedingungen des BTM-Standorts anpassen, denn die Grenzhelligkeit im Fernglas betrug nun etwa 11 mag.
Die Besucher, die sich an meinem Fernglas einfanden, musste ich aber zunächst in die Thematik einführen. Ich erklärte, dass an meinem Fernglas ein sich rasch bewegender Himmelskörper beobachtet werden konnte, der sich im Prinzip wie ein Stern darstellt und daher der schnelle Blick ins Fernglas nicht sinnvoll sei, weil nicht zu erkennen ist, welches der Sternpünktchen nun das zu beobachtende Objekt ist. Um ihn aber als Kleinplaneten zu identifizieren, muss man wissen, dass diese Körper durch ihre Bewegung und die der Erde vor ihrem Himmelshintergrund eine schnelle Bewegung vollführen. Und so konnte ich durch meine Zeichnung im Rotlicht meiner Buchbeleuchtung die Bahn von (15) Eunomia in den vergangenen Tagen aufzeigen und erklären, wo sich am Beobachtungsabend die neue Position zeigen sollte. In diesem Fall erwähnte ich explizit die drei hellsten Sterne, die auf der Zeichnung als die drei dicksten Punkte in stumpfem Winkel dargestellt wurden. Darunter eingetragen waren die Positionen des Kleinplaneten der vorangegangenen Tage, nicht aber die
2 Eine Skizze der Feldsterne um 12 Aqr mit den Positionen von (15) Eunomia
vom 22.-31.08.2019. Bild: Alex Geiss
aktuelle Position. Die sollten die Besucher vermuten und sich relativ zu den drei markanten Sternen merken. Die neue Position sollte sich dann beim Anblick im Fernglas bestätigen, also mit der Kenntnis, wie sich (15) Eunomia in den Tagen zuvor bewegt hatte.
Mir war wichtig, dass diese Erklärung für jede meiner Besuchergruppen verständlich war, was mir immer wieder bestätigt wurde. Erst danach ließ ich den Blick ins Fernglas zu. Hier zeigte sich der Vorteil der Parallelogramm-Montierung, die auf die verschiedenen Einblickhöhen leicht einstellbar war, was doch immer wieder für Erstaunen sorgte, weil sich bei dieser Montierung nicht die Beobachtungsrichtung ändert. Während also der erste Blick ins Fernglas erfolgte, erfragte ich, ob die drei hellen Sterne im stumpfen Winkel wie auf der Zeichnung erkennbar waren. Und anschließend, ob auf der vermuteten Stelle auch tatsächlich etwas zu sehen wäre. Wenn das bestätigt wurde, bestätigte ich damit das Erkennen des Kleinplaneten. Meine Fröhlichkeit darüber hörte man mir sicher an. Vielleicht mit dem Gefühl einer ,,kleinen Planetenentdeckung".
Nach dem ersten Anblick im Fernglas kam auch bei Erkennen des Kleinplaneten immer wieder der Blick auf die Zeichnung und ab und zu auch die erneute Anerkennung, dass die Erklärung nachvollziehbar war. Wichtig war mir aber für wirklich jeden Beobachter, dass der Kleinplanet wie auf der Zeichnung dargestellt real beobachtet werden konnte. Erst am Ende des Beobachtungsabends trug ich die neue Position in die Zeichnung ein. Besonders zu erwähnen ist auch die Freundlichkeit, mit der sich Besucher und Teilnehmer begegnen. Dies ist immer wieder für mich der Antrieb, solche öffentlichen Beobachtungen durchzuführen. Sie entfachen jedesmal wieder meine Begeisterung aufs Neue.
Weblinks (geprüft 10.12.2019): [1] Kleinplanet (15) Eunomia: https://
de.wikipedia.org/wiki/(15)_Eunomia [2] Software ,,Heavens-Above":
www.heavens-above.com/
120 | Journal für Astronomie Nr. 73
Kleine Planeten
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Zwei Jahre nach seinem letzten Bild kann ich heute wieder eine kosmische Begegnung von Wolfgang Bodenmüller [1] präsentieren. Sein Deep-Sky-Objekt ist der Kugelsternhaufen M 80 im Skorpion. Am 3. September 2019 erhielt dieser Besuch vom Zwergplaneten (1) Ceres und vom Kleinplaneten (106) Dione. Da M 80 im September von unseren Breiten aus nicht erreichbar ist, hat Wolfgang diese kosmische Begegnung von der Remote-Sternwarte in Siding Spring aus aufgenommen. Sein Einsatz hat sich ausgezahlt und beschert uns ein einmaliges Dokument dieses Ereignisses.
Der Kugelsternhaufen M 80 wurde 1781 von Charles Messier entdeckt. Er ist ca. 7,3 mag hell und hat einen scheinbaren Durchmesser von ca. 10 Bogenminuten am Himmel. Messier konnte ihn nicht in Einzelsterne auflösen, und er ist in der Tat einer der kompaktesten Kugelsternhaufen am Himmel. M 80 umrundet das Milchstraßenzentrum auf einer stark elliptischen Bahn und braucht dazu ca. 70 Mio. Jahre. Derzeit befindet er sich ca. 33.000 Lichtjahre von uns entfernt und ist damit viermal weiter weg als sein prominenter Kollege M 4.
Noch viel näher war uns zum Aufnahmezeitpunkt der Zwergplanet Ceres, der sich damals in einer Entfernung von ca. 408 Mio. km befand. Seine Helligkeit betrug 8,8 mag. Ceres wurde am Neujahrstag 1801
1 Der Kugelsternhaufen M 80 mit dem Zwergplaneten (1) Ceres (links unten) und dem
Kleinplaneten (106) Dione (rechts oben) am 3. September 2019. Aufgenommen an der Remote-Sternwarte in Siding Springs mit einem 127-mm-Apochromaten f/5,35 und einer FLI-CCD-Kamera von Wolfgang Bodenmüller. Bild: Wolfgang Bodenmüller
Journal für Astronomie Nr. 73 | 121
Kleine Planeten
vom Pater Guiseppe Piazzi in Palermo entdeckt. Er benannte sie nach der römischen Göttin des Ackerbaus und der Schutzpatronin von Sizilien. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt Ceres als vollwertiger Planet. Anschließend wurde sie zum Kleinplaneten degradiert, da man immer mehr Himmelskörper zwischen Mars und Jupiter entdeckte. Seit 2006 zählt sie zu der neu geschaffenen Klasse von Himmelskörpern, den Zwergplaneten. Planeten und Zwergplaneten kreisen um die Sonne und haben durch ihre Eigenmasse eine annähernd runde Form. Die Masse der Zwergplaneten reicht aber nicht aus, ihre Bahn von anderen Himmelskörpern zu bereinigen, wie es bei vollwertigen Planeten der Fall ist. Mit rund 900 km Durchmesser ist Ceres auch um einiges kleiner als unser Mond. In den Jahren 2015 bis 2018 untersuchte die Raumsonde Dawn Ceres, wobei auffällige helle Bereiche gefunden und heftig diskutiert wurden. Seit dem Ende der Mission im Jahr 2018 umkreist Dawn Ceres als künstlicher Satellit.
Mit 502 Mio. km Entfernung von der Erde war (106) Dione fast 100 Mio. km weiter weg als der Zwergplanet Ceres. Der rund 200 km große Brocken ist ein Asteroid des
äußeren Hauptgürtels und war zum Aufnahmezeitpunkt ca. 13,6 mag hell. Entdeckt wurde (106) Dione im Jahr 1868 vom amerikanischen Astronomen James Craig Watson, auf dessen Konto insgesamt 24 Asteroiden und ein Komet gehen. Dione ist in der griechischen Mythologie die Mutter von Aphrodite und gleich zweimal am Himmel verewigt, da sie auch die Namenspatronin eines Saturnmondes ist [2].
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die nachfolgende Tabelle 1 enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und DeepSky-Objekten, die von uns erstellt wurde. Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [3]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder
die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an ries@sternwarte-altschwendt.at. Bitte vergessen Sie nicht das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Weblinks (geprüft 10.12.2019): [1] Sternwarte Singen:
www.sternwarte-singen.de/ [2] Dione: https://de.wikipedia.org/wiki/
Dione [3] Homepage: http://astrofotografie.
hohmann-edv.de/aufnahmen/ kosmische.begegnungen.php
Tabelle 1
Ausgewählte Begegnungen von Kleinplaneten mit Deep-Sky-Objekten im 2. Quartal 2020
Datum
18.04.2020 26.04.2020 19.05.2020 21.05.2020 23.06.2020 28.06.2020
Uhrzeit
22:00 22:00 22:00 24:00 23:00 23:00
Kleinkörper
mag
(2408) Astapovich 15,4
(334) Chicago
13,4
(727) Nipponia
13,9
(4637) Odorico
15,5
(1614) Goldschmidt 15,5
(57) Mnemosyne 12,3
Objekt
Art
NGC 4206/16
Gx
IC 849
Gx
NGC 5921
Gx
M 80
GC
M 12
GC
M 10
GC
mag
12,0/10,3 13,1 10,7 7,3 6,1 6,6
Abstand
7' 5' 7' 6' 2' 3'
Abkürzungen: Gx = Galaxie, GC = Kugelsternhaufen
122 | Journal für Astronomie Nr. 73
Kometen
Auffallende Kometen
des dritten Quartals 2019
von Uwe Pilz
Der Komet C/2018 W2 (Africano) war der am leichtesten zu beobachtende Schweifstern des dritten Quartals 2019. Das Perihel (5. September) und die Erdnähe (27. September) fielen fast zusammen. Der Komet erreichte das Perihel auf der sonnenabgewandten Seite der Erde und kam uns dadurch besonders nahe, der Abstand betrug nur 0,5 AE. Eine solche Bahngeometrie führt zu einem großen, diffusen Kometen ohne sichtbaren Schweif, da dieser von der Erde weggerichtet ist. Trotz der hohen Gesamthelligkeit war der Komet kein auffallendes Beobachtungsziel und erforderte einen dunklen Himmel. Dennoch war er im August und September in größeren Ferngläsern ab 63 mm Öffnung sichtbar. Die Aufnahme von Norbert Mrozek zeigt den Kometen in der Giraffe, in der Nähe des offenen Sternhaufens King 6 (Abb. 1).
Für uns Kometenbeobachter ist die enge Begegnung zweier Schweifsterne immer ein besonderes Ereignis. Um den 7. September herum war es wieder so weit: 260P/ McNaught und C/2018 N2 (ASASSN) kamen sich auf wenige Bogenminuten nahe. Beide Kometen erreichten zwar nur die 12. Größenklasse, aber das Zusammentreffen war schon ein besonderes. Im Foto von Roland Fichtl ist ASASSN links oben und McNaught rechts unten zu sehen (Abb. 2).
1 C/2018 W2 (Africano) am 30. August 2019, 22:14 Uhr UT, Instrument: 130-mm-Astrograf
(f/3,3), 60 Minuten belichtet auf Canon-CCD-Kamera (Bild: Norbert Mrozek)
2 C/2018 N2 (ASASSN) und 260P/
McNaught am 5. September 2019, 23:20 Uhr UT, Instrument: 16-Zoll-Newton (f/2,5), 12 Minuten belichtet auf CDS-5D-CCD-Kamera (Bild: Roland Fichtl)
Journal für Astronomie Nr. 73 | 123
Kometen
Mehr als 30 Jahre Kometenfieber
- Ein Rückblick
von Maik Meyer
1987 - 1990: Aller Anfang ist schwer Da stand ich also im Dezember 1987 als 17-Jähriger am frühen Abend im Hof unseres Hauses, bewaffnet mit einem 8x30Feldstecher, und suchte den Kometen, den ein gewisser Herr Bradfield aus Australien laut Tageszeitung entdeckt haben sollte. Ich hatte keinerlei Umgebungskarten, Vergleichssterngrößen oder Ähnliches, jedoch dauerte es nicht lange, bis ich den etwa 5-6 Größenklassen hellen Kometen mit kurzem Schweif aufgefunden hatte. Bis Mitte Januar 1988 konnte ich ihn siebenmal beobachten. Während dieses Zeitraumes beschloss ich, mich näher mit den Kometen zu beschäftigen, und trat dem damaligen AK Kometen im Kulturbund der DDR bei. Ich besorgte mir einen einfachen Himmelsatlas, kaufte mir vom ersparten Geld einen 10x50-Feldstecher von Carl Zeiss Jena (den ich noch heute benutze!) und begann, die Beobachtung von Kometen ernsthaft mit Helligkeitsschätzungen zu betreiben.
1990 - 1993: Mehr Öffnung! Ich wurde Mitglied der VdS und trat der Fachgruppe Kometen bei. 1990 konnte ich auch meinen ersten Kometen mit bloßem Auge beobachten. C/1990 K1 (Levy) war dabei jedoch relativ unspektakulär und erschien als diffuser großer Fleck am Nachthimmel. Mir war nun klar, dass ich ein größeres Teleskop brauchte, welches ich 1991 kaufte - einen 130-mm-Newton. Damit war der Himmel für Kometen plötzlich sehr viel größer geworden. Die Beobachtungen wurden nun regelmäßig auch an das ,,International Comet Quarterly" gesandt.
Informationen über Neuentdeckungen holte ich über die ABBS, eine Astro-Mailbox, in die ich mich mittels Modem einwählte. Dort bildete sich auch eine frühe Online-Community der deutschen Kometenbeobachter. Eine Kopie des AAVSO-Atlas bildete dann auch die Grundlage der
1 Blick in südwestliche Richtung von meinem Beobachtungsplatz in den 90er-Jahren hinter
dem elterlichen Haus im Erzgebirge. Tageslichtkometen waren leider keine zu sehen ...
Vergleichssterne. Bei der AAVSO wurden im großen Stil Vergleichssternkarten geordert, die in der Summe drei Ordner füllten, um auch für schwächere Kometen gerüstet zu sein. Ein Quantensprung war dann das Sternkartierungsprogramm GUIDE, welches ich noch heute zur Beobachtungsplanung verwende.
Ab 1992 konnte ich bereits 60 Helligkeitsschätzungen pro Jahr gewinnen. Jedoch reichten mir nun die 130 mm Öffnung auch nicht mehr. Somit erwarb ich 1996 einen 250-mm-Dobson mit elektronischen Teilkreisen, was mir das zeitaufwändige ,,Starhopping" beim Aufsuchen insbesondere schwacher Kometen ersparen sollte. Das nun große und schwere Teleskop führte zu sportlicher Betätigung, da ich dieses nun die 100 m in den Garten bzw. auf das angrenzende Feld bugsieren musste. Besonders enttäuschend waren dann immer die Situationen, in denen man nachts gegen
zwei Uhr das Teleskop präpariert und verkabelt hatte und dann plötzlich Wolken aufzogen.
Noch abenteuerlicher war es im Winter. Da ich im Erzgebirge in Kammlage wohnte, bedeutete dies Schneeverwehungen bis zu zwei Metern Höhe in unserem Garten. Wollte ich also beobachten, musste ich mir vorher einen Gang durch die Verwehungen graben - eine schweißtreibende Angelegenheit. Das Ergebnis allerdings war eine Art Iglu-Observatorium, da ich Schneeblöcke als Windschutz verwenden konnte. Es kam allerdings auch vor, dass das Graben eines Ganges nicht mehr möglich war, da der Schnee durch häufiges Antauen, Neuschnee und Sturm verharscht und festgebacken war. Zu solchen Gelegenheiten konnte ich das Teleskop über die Schneewehen über den Zaun hinwegtragen und auf dem Schnee absetzen und auf einem Meter Schneehöhe beobachten! Ich bin nicht
124 | Journal für Astronomie Nr. 73
Kometen
Meine Kometenstatistik (Stand 01.08.2019)
selten in solchen Nächten mit der Nase am Okular angefroren ... die kälteste Beobachtungsnacht hatte -16 Grad Celsius.
Wenn es klar war, dann waren 6,5 mag Grenzhelligkeit im Zenit normal. Auch von Inversionswetterlagen konnte ich profitieren. Ab und zu sorgte auch der Föhn aus der Tschechischen Republik für exklusive Wetterlagen. Zusätzlich wurden in unserem kleinen Ort ab Mitternacht die Straßenlampen abgeschaltet. Da unser Haus am Stadtrand steht, waren auch nächtliche Besuche durch Tiere normal. Nicht selten ist mir der Schreck in die Glieder gefahren, wenn ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm oder der hustende Igel im Gebüsch wie ein Wildschwein klang.
1994 - 1999: Verpasste Kometenentdeckungen Anfang Mai 1994 erkannte ich während eines Beobachtungsabends mit dem bloßen Auge einen diffusen Fleck im Nordwesten. Ich schaute mit dem Feldstecher und sah einen Kometen mit drei Schweifen. Mir stockte der Atem! Was tun? Ich skizzierte schnell die grobe Position und rannte zur öffentlichen Telefonzelle, um Hartwig Lüthen in Hamburg anzurufen (ja, man kann ohne Telefon leben... und ohne Mobiltelefon wohl auch ... damals jedenfalls). Es war ein aufregender Abend. Beobachter aus ganz Europa hatten das Objekt gesehen und als Komet gemeldet. Nach der mir langsam dämmernden Erkenntnis, dass es sich wohl um keinen Kometen handeln konnte, da sich das Objekt zu schnell bewegte und drastisch an Helligkeit verlor, stellte sich einige Tage später heraus, dass es sich um die ausgasende Stufe einer amerikanischen Rakete handelte, die einen geheimen Satelliten ins All geschossen hatte.
1997 schrammte ich dann ganz knapp an einer richtigen Kometenentdeckung vor-
Anzahl Beobachtungen Anzahl Kometen Hellste Schätzung Schwächste Schätzung Längster Schweif Größter Durchmesser die meisten Kometen/Jahr die meisten Schätzungen/Jahr Homepage
1.436 150 -0,6 mag (C/1996 B2 (Hyakutake) 14,2 mag (C/1998 K5 (LINEAR) 63 Grad (C/1996 B2 (Hyakutake) 80 Bogenminuten (17P/Holmes) 17 144 www.comethunter.de
bei. Am 07.05. wollte ich den neu entdeckten Kometen C/1997 J1 (Mueller) beobachten. Leider war der Himmel nicht optimal und leicht dunstig. Der Komet sollte 12-13 mag aufweisen, war aber glücklicherweise zenitnah platziert. Nur mit Mühe und indirektem Sehen konnte ich den Kometen am vorhergesagten Ort erkennen und auf 12,6 mag schätzen. Am nächsten Tag fiel ich allerdings fast vom Stuhl, als das neueste IAU-Zirkular in meiner Mailbox landete: Nur 0,5 Bogenminuten von dem gestern beobachteten Kometen entfernt wurde ein weiterer Komet entdeckt, ca. 0,5 mag heller, C/1997 J2 (Meunier-Dupouy)! Ich konnte es nicht glauben! Wäre der Himmel optimal gewesen, hätte ich beide Kometen gesehen. Oder hatte ich den falschen, den neuen, Kometen geschätzt? Ich werde es wohl nie erfahren.
Natürlich stellen auch für mich die Kometen C/1995 O1 (Hale-Bopp) und C/1996 B2 (Hyakutake) unvergessene Höhepunkte dar, wobei ich immer Hyakutake als beeindruckender empfinde. Besonders in Erinnerung ist mir eine Nacht geblieben: Der Komet sollte seine optimale, wenn auch kurze Sichtbarkeitsperiode mit größter Erdnähe durchlaufen. Glücklicherweise spielte das Wetter mit. Auf der Fahrt von der Uni nach Hause konnte ich bereits aus dem Bus abends den aufgehenden Kometen erkennen. Ich stellte mir dann den Wecker auf zwei Uhr morgens und war dann
vollkommen erschlagen von dem, was ich sah. Der Komet im Zenit, Koma ca. ein Grad und ein 60 Grad langer Schweif, der quer über den Himmel reichte!
2001 - 2010: Neue Horizonte Beruflich bedingt musste ich 2001 meinen Standort wechseln und es verschlug mich ins Rhein-Main-Gebiet. Es war sehr schwer für mich, meinen guten, dunklen Himmel im eigenen Garten gegen den lichtverschmutzten Himmel dieses Ballungsraums auszutauschen. Fahrten zu dunklen Beobachtungsplätzen waren jetzt notwendig und es zeigte sich, dass ich die gleiche Aktivität wie früher nicht beibehalten würde können. Dazu gesellten sich neue Prioritäten in Form von Nachwuchs.
Da der Dobson für schnelle und spontane Beobachtungsausflüge nicht mehr geeignet war, entschied ich mich für den Kauf eines kurzbrennweitigen 150-mm-Refraktors. Dieses Gerät war der ideale Kompromiss zwischen Öffnung und Transportfähigkeit. Azimutal montiert beobachtete ich wie mit einem Dobson.
Ein Merkmal meiner damaligen Beobachtungstätigkeit war, dass ich keinen festen Beobachtungsplatz hatte. Da ich auch häufig beruflich unterwegs bin, beobachtete ich oft überall in Deutschland. Allerdings fehlt dabei etwas die Entspannung, die ich aus dem heimischen Garten von früher
Journal für Astronomie Nr. 73 | 125
Zum Nachdenken
kannte. Nun machte ich Bekanntschaft mit Jägern, die fragen, ob man denn nicht gehört hätte, wie sie eben geschossen haben, neugierigen Passanten oder um ihre Sicherheit bedachten Personen.
Eine große Enttäuschung war, dass ich den Großen Kometen C/2006 P1 (McNaught) am Taghimmel nicht sehen konnte. Auch eine hektische Jagd nach dunstfreiem Himmel am Tag des Perihels mit dem Auto durch den Westerwald und bis nach Bonn mit Sebastian Hönig endete nicht mit meiner ersten Taghimmelsichtung eines Kometen. Zuviel Dunst. Dies steht also noch auf meiner ToDo-Liste.
2010 - heute: Pause und Neustart 2010 war dann bei mir die Luft heraus und ich legte eine Beobachtungspause ein,
nachdem ich schon 2009 die Leitung der Fachgruppe an Uwe Pilz übergeben hatte. Ein drittes Kind, berufliche Verpflichtungen und diverse Buchprojekte nahmen mich in Anspruch.
2014 war es dann aber vorbei mit dem Entzug und ich musste wieder unter den gestirnten Himmel. 2015 konnte ich seit 1999 wieder einmal mehr als 100 Helligkeitsschätzungen in einem Jahr erreichen; allerdings war ich aufgrund meines Standorts auf hellere Kometen beschränkt. Selbst mit dem 250-mm-Dobson waren von zuhause nur 10 mag helle Kometen erreichbar. Auch die Horizontsicht war extrem eingeschränkt. Fahrten zur Beobachtung außerhalb waren selten. Seit Anfang 2019 wohnen meine Familie und ich in einem leidlich dunklen Vorort, der es mir endlich wieder
ermöglicht, auch 12 mag helle Kometen zu erreichen. Meinen 150. visuell beobachteten Kometen konnte ich im Juli 2019 feiern.
Fazit Zurückblickend kann ich auf mehr als 30 ereignisreiche und bereichernde Jahre Kometenbeobachtung zurückblicken. Und bei aller Routine: Kometen sind für mich immer noch so spannend wie zu Beginn. Ich freue mich auf die nächsten 30 Jahre!
Vielleicht konnte ich mit diesem Rückblick neue Beobachter für ein faszinierendes und abwechslungsreiches Beobachtungsgebiet interessieren. Die Fachgruppe freut sich immer über neue und aktive Mitglieder!
Seit 60 Jahren gibt es das Fach Astronomie an allen Schulen in Sachsen-Anhalt
30 Jahre vor der Wende und 30 Jahre nach der Wende!
Die Astronomie ist die älteste Wissenschaft. Ihr Ursprung liegt im Dunkel der Vorgeschichte der Menschheit. Sie entwickelte sich mit den praktischen Bedürfnissen der Gesellschaft. Zwei Beispiele sind typisch dafür: der Kalender und die Orientierung in der Seefahrt.
Der große Zugang für die Allgemeinheit war aber erst im 20. Jahrhundert gegeben.
Im Jahre 1959 hatte die DDR in ihrem Schulsystem das Fach Astronomie für alle Schüler*innen in der Klassenstufe 10 mit einer Wochenstunde eingeführt. Sicherlich kam diese Erweiterung des naturwissenschaftlichen Unterrichts nicht von ungefähr, sondern wurde ausgelöst durch den kurz zuvor erfolgten Start des ersten
künstlichen Satelliten ,,Sputnik I" durch die Sowjetunion. Als den USA die bemannte Landung auf dem Mond gelang, führte man 1972 in der alten Bundesrepublik ebenfalls Astronomie ein, aber nur als Wahlfach in den Klassenstufen 12 und 13 des Gymnasiums. Abgesehen von einigen ideologischen Hintergründen erwies sich die Einführung des regulären Astronomieunterrichts in der DDR als bildungspolitischer Glücksfall. Denn bereits im 19. Jahrhundert hatten Vertreter der bürgerlichen Pädagogik wie Diesterweg (,,Des Menschen Antlitz ist nicht zur Erde, sondern aufwärts gerichtet. ... Die Wissenschaft, die sich mit dem Himmel beschäftigt, ist die erhabendste im Raume.") gefordert, die Astronomie als ordentliches Schulfach einzuführen. Es bedurfte aber erst der besonderen weltpolitischen
Situation, um diese Forderung umzusetzen. Wo es heutzutage in den Schulen nicht nur um Wissensvermittlung, sondern um Kompetenzerwerb, fächerübergreifendes Lernen und Verstehen von Zusammenhängen geht, erweist sich das Fach Astronomie als denkbar günstiges Hilfsmittel bei der Umsetzung dieser Ansprüche. Die Mathematik, alle Naturwissenschaften, die Philosophie sowie Kunst, Musik und Religion fließen in die Astronomie ein. Diese Zusammenhänge können aber nur in einem eigenständigen Unterrichtsfach und von dafür ausgebildeten Lehrkräften vermittelt werden. Gerade für die junge Generation ist der große Anteil an Begriffen und Theorien wie ,,Urknall", ,,Schwarzes Loch", ,,Antimaterie", ,,außerirdisches Leben" oder ,,Ufos" durch Science-Fiction-Themen zu einer
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Zum Nachdenken
Art Anreiz geworden. In unserem Bundesland, in Thüringen und in MecklenburgVorpommern ist die Astronomie, man möchte fast sagen ,,dem Himmel sei Dank", ein obligatorisches Schulfach geblieben. In den übrigen Bundesländern wird durch die Kulturhoheit dieses Fach, wenn überhaupt, in Projekten, Einlagerungen in das Fach Physik oder als Wahlfach angeboten.
Zur Orientierung am Sternhimmel diente im Unterricht als erstes Hilfsmittel nur die sehr gute und einfach zu handhabende drehbare Schülersternkarte vom Verlag für Lehrmittel Pössneck. Die wissenschaftliche Bearbeitung und Gebrauchsanweisung erfolgte durch Arnold Zenkert, den Verfasser des Standardwerkes über Sonnenuhren und Gründer des Urania-Planetariums Potsdam. Mit der drehbaren Deckscheibe aus Zelluloid ist das Aufsuchen von Sternen und Sternbildern zu bestimmten Zeiten ein ,,Kinderspiel".
In der Astronomie ist ausschließlich die Beobachtung das Mittel zur Erkenntnisgewinnung. Das Licht ist dabei der wichtigste Informationsträger. Es war also eine ganz normale Sache, dass man sich in den ersten Jahren mit dem Selbstbau von kleinen Fernrohren behalf. Außerdem wurden von verschiedenen Firmen Fernrohrbausätze angeboten.
Das war aber alles nicht optimal, denn ,,Der neue Lehrplan für das Fach Astronomie" forderte: ,,Die Schüler sind zu befähigen, wichtige Erscheinungen am Himmel zu beobachten und sie mit Hilfe von Naturgesetzen erklären zu können. Der neue Lehrplan sieht deshalb die Durchführung von obligatorischen Beobachtungen sowie einfache Messungen mit Schülern vor. Es wird hauptsächlich auf solche Objekte orientiert, an denen Beobachtungen nach klar formulierten Aufgaben durchgeführt und unterrichtliche Erkenntnisse vertieft oder überprüft werden können."
Nach der Aufgabenstellung des Instituts für Lehrmittel sollte jede polytechnische Oberschule der DDR mindestens mit einem Schulfernrohr ausgestattet sein. Bei der Konzeption des Fernrohrs wurde vor allem eine robuste Ausführung verlangt, die den Anforderungen der Dauernutzung durch die Schüler*innen gerecht wird. Diese Aufgabe wurde Ende der 60er-Jahre dem VEB Carl Zeiss Jena zugewiesen. Der Hauptanreiz für die Leitung der Erzeugnisgruppe Astronomische Geräte bestand darin, eine Schulfernrohr-Generation für Großserien zu entwickeln, mit geplanter Rationalisierung der Fertigung. Erfahrene Konstrukteure und Technologen, die sonst an großen Teleskop-Projekten tätig waren, schufen ein Schulfernrohr mit hohem Gebrauchswert, das so einfach wie möglich aufgebaut und bedient werden konnte: der Telementor 63/840 war ,,geboren".
Das Gerät ist ein einfaches, solides und mit einem hochwertigen Astroobjektiv ausgestattetes Linsenfernrohr. Ein mitgelieferter Sonnenprojektionsschirm gestattet zudem die gefahrlose Betrachtung der Sonnenscheibe. Der Telementor und seine Weiterentwicklung, der Telemator, sind inzwischen zu einer Legende unter den Amateurastronomen geworden.
Es dauerte etwa zwei Jahre, bis alle polytechnischen Oberschulen mit dem Schulfernrohr ausgestattet waren. Größere Schulen erhielten sogar mehrere Fernrohre. Nun konnten die in der Astronomie unerlässlichen Beobachtungen mit geringem Aufwand zur großen Freude der Schüler*innen durchgeführt werden.
Vor einigen Jahren besuchten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft ,,Astronomie und Raumfahrt" Quedlinburg den in Jena lebenden ,,Industrie-Astronomen" Hans G. Beck, der maßgeblich an der Entwicklung des Schulfernrohrs beteiligt war. Er berichtete uns über die Aufgabenstellung durch
das Ministerium für Volksbildung, verschiedene Probleme bei der Realisierung und die Endabnahme in Jena durch die staatliche Fachkommission.
Sehr viele Schulen unseres Landes besitzen auch noch heute beide Teleskope und nutzen diese für vielseitige Beobachtungen.
Der ältesten und zugleich auch lebendigsten Wissenschaft der Menschheit sollte man in ganz Deutschland das Recht einräumen, ein Schuljahr lang zum Fächerkanon aller Schulen zu gehören. Zumal sich die Beobachtungsmöglichkeiten und der Einsatz von Unterrichtsmitteln revolutioniert haben. Alles andere ist Aktionismus, der dem eigentlichen Anliegen eines ausgereiften Astronomieunterrichtes nicht einmal ansatzweise gerecht wird. Ein systematischer und praxisorientierter Astronomieunterricht, so wie in Sachsen-Anhalt, trifft bei der Mehrzahl der Schüler*innen auf großes Interesse.
Viele Astronomen glauben, dass wir ,,nicht allein" sind. Mit empfindlichen Radioteleskopen ,,horchen" sie seit Langem auf jegliche Form reproduzierbarer Signale aus dem All, die vielleicht beabsichtigt von Planeten ferner Sonnen gesendet worden sein könnten.
Das ist einer der Aspekte, der zu spannenden Diskussionen führen kann, die weit über die gesteckten Ziele des Lehrplanwerkes hinausgehen.
Wilfried Lassak
Wilfried.Lassak@gmx.de
Journal für Astronomie Nr. 73 | 127
Sonne
Die Sonnetagung 2019 in Jena
von Michael Delfs
Die diesjährige Sonnetagung fand auf Einladung von Herrn Prof. Dr. Ralph Neuhäuser (Astrophysikalisches Institut und Universitäts-Sternwarte Jena) vom 5. bis 7. Juli 2019 in den Räumlichkeiten der Universität Jena statt.
Schon der erste Vortrag am Freitagabend über die Geschichte der Universitäts-Sternwarte Jena (Abb. 1) von Dr. Reinhard Schielicke (Uni Jena) im altehrwürdigen Institutsgebäude am Schillergässchen neben Schillers Gartenhaus und Garten brachte uns in doppeltem Sinn der Geschichte näher. Im Anschluss an den Vortrag führte uns Herr Professor Dr. Neuhäuser auf das Dach mit einem herrlichen Ausblick auf Jena (Abb. 2) und zeigte uns in der großen Kuppel die beiden alten Fernrohre, einen 25-cm-Cassegrain und einen 20-cm-Refraktor von Zeiss Jena auf einer originalen Zeiss-Montierung. An allem hatte der Zahn der Zeit schon deutlich genagt, Mittel für eine Restaurierung aber sind wahrscheinlich - wie so oft - knapp. Nach der interessanten Führung gingen wir in das alteingesessene Gasthaus ,,Roter Adler", um den Tag ausklingen zu lassen.
1 Der Tagungsort: die Universitäts-Sternwarte Jena 2 Besichtigung der Uni-Sternwarte, ganz links Prof. Dr. Ralph Neuhäuser
Am Samstagvormittag dann eröffnete Andreas Zunker (Bretten) das Vortragsprogramm in einem anderen Hörsaal am Schillergässchen. Es begann mit Heinz Hilbrecht (Laufenburg) und den Themen ,,Die photosphärische Supergranulation fotografieren" und anschließend ,, Polarlichter auf dem Mond beobachten", setzte sich mit Oliver Smie (Dresden) und ,,Protuberanzen im Hb-Licht" fort, um den ersten Vortragsblock mit ,,Die DARGESO (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Sonnenbeobachtung) und ihre Geschichte" von Michael Delfs (Berlin) zu beschließen. Nach einer Mittagspause an den Gartentischen einer Pizzeria ging es am Nachmittag weiter mit der ,,Rekonstruktion der Sonnenflecken vor und im Maunder-Mi-
nimum" von Prof. Dr. Ralph Neuhäuser (Uni Jena) und der ,,Rekonstruktion der Sonnenaktivität im Dalton-Minimum" von BSc Michael Geymeier (Uni Jena). Damit war der Vortragsteil beendet.
Vor dem Grillabend im Garten der Sternwarte besuchten wir dann noch die angrenzende Volkssternwarte Urania Jena bei sehr wolkigem Himmel und konnten das für Sonnenbeobachtungen geradezu perfekte Teleskop, einen Zeiss-Coude-Refraktor mit einer Objektivöffnung von 150 mm und einer Brennweite von 2.250 mm bewundern, an dem gerade ein Ha-Filter mit Fotokamera montiert war.
Am frühen Abend wurde im Garten des Institutsgebäudes gegrillt, danach begaben wir uns in die angrenzende Gartengaststätte, die das Kuppelgebäude der Volkssternwarte Urania Jena fast umschließt. Dort fand auch die SONNE-Redaktionssitzung statt.
Am Sonntagvormittag referierten noch Steffen Fritsche (Köditz), Martin Hörenz (Schulzendorf) und Andreas Bulling (Eppelheim) zu dem Thema ,,Was Wolf 'sche Relativzahlen, A-Netz-Zahlen und HaRelativzahlen miteinander zu tun haben". Hierbei zeigte Andreas Bulling aus den Zahlen des SONNE-Netzes, dass es offenbar eine Trendwende der Sonnenaktivität zum nächsten (25.) Zyklus gegeben hat.
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Sonne
3 Grillabend auf dem Gelände
der Universitäts-Sternwarte Jena
Die Tagung endete mittags und wir besuchten ein weiteres Mal den ,,Roten Adler", um ein kleines Mittagessen einzunehmen. Dann verabschiedeten wir uns voneinander, wobei einige Teilnehmer noch die Besichtigung der Universitätssternwarte Großschwabhausen nahe Jena mit ihrem 90-cmSpiegelteleskop wahrnahmen.
Die Fachgruppe Sonne bedankt sich ganz herzlich bei Prof. Dr. Neuhäuser und seinem Team für die Ausrichtung dieser gelungenen Tagung!
Bitte vormerken: Die 43. Sonnetagung wird am 11. und 12.07.2020 im Museum am Schölerberg in Osnabrück stattfinden. Infos und Anmeldung unter: www.sonnetagung.de.
Weblinks (geprüft am 11.12.2019): [1] Astrophysikalisches Institut und Universitäts-Sternwarte Jena: www.astro.uni-jena.de/index.php/aiu-history.html [2] R. E. Schielicke: ,,Geschichte der Astronomie in Jena", www.astro.uni-jena.de/%7Eschie/UStw-Geschichte.html [3] Volkssternwarte Urania Jena: www.urania-sternwarte.de
Sonnenaktivität
Auf dem Weg zum Minimum (Teil 3)
von Andreas Bulling
Nach der fleckenarmen ,,Durststrecke" der letzten vier Monate zeichnet sich zumindest Klarheit darüber ab, dass das Minimum des 25. Fleckenzyklus nicht schon zum Jahreswechsel 2018 / 2019 eingetreten ist.
Selbst wenn alle Monatsmittel im kommenden halben Jahr bei Re = 7 lägen, würden die P17-Mittel bis Mitte 2019 unter den bisher niedrigsten Wert vom Dezember 2018 sinken (orangefarbene Linien).
Wird Re = 4 als mittlerer Wert aus den letzten Monaten angesetzt (grüne Linien), ergibt sich für die Jahresmitte 2019 eine deutliche Abwärtstendenz (Abb. 1).
Die vier aufeinander folgenden Monatsmittel mit Re < 1,0 zwischen Juni und September 2019 sind in der Tat außergewöhnlich.
1 Verlauf der Monatsmittel und P17-Mittel der Wolfschen Relativzahl des SONNE-
Netzes seit 2018 (definitive und provisorische Werte)
Ein solcher Fall trat selbst beim letzten sehr niedrigen Minimum nicht auf. In der Zahlenreihe des SIDC (alte Version) kam dies zuletzt zwischen März und Juni 1913 vor, in der korrigierten ,,Version 2.0" noch früher, von August bis November 1823. Den
Rekord von 21 fleckenfreien Monaten zwischen Oktober 1809 und Juni 1811 werden wir hoffentlich nicht brechen, sonst wird es für passionierte Fleckenzähler für sehr lange Zeit sehr wenig zu tun geben ...
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Sternbedeckungen
Die Fachgruppe Sternbedeckungen + + + aktuell + + +
von Eberhard H. R. Bredner
Nur wenn viele Bedingungen erfüllt sind, kann die Beobachtung einer Bedeckung zu dem erhofften Erfolg führen. Das wissen wir alle von der Beobachtung einer Mondoder Sonnenfinsternis. Wenn es heute nicht geht, dann versuchen wir es eben morgen noch einmal - leider hier unmöglich.
Das Projekt BAST (Beobachtung aktueller Sternbedeckungen) hat unter den VdS-Mitgliedern leider nicht die erhoffte Resonanz gefunden, es wird aber auch weiterhin Informationen zu totalen Bedeckungen geben.
Regelmäßige Leser werden den Beitrag von Dr. Eberhard Riedel zu streifenden Sternbedeckungen in dieser Ausgabe vermissen. Nach seinen Kriterien (Sternhelligkeit bei mittlerer Größe des Fernrohres) gibt es keine empfehlenswerten Beobachtungsereignisse in diesem Quartal. ABER für gut geübte Amateure mit einer etwas komfortableren Ausstattung gibt es am 25 und 26. Mai Gelegenheiten zur Beobachtung (Abb. 1. und Tab. 1).
Wir planen dazu eine gemeinsame Beobachtung. Interessenten melden sich bitte per E-Mail. Sie erhalten ausführliches Informationsmaterial. Was Sie erwarten können, schildern Wolfgang Dzieran und Hubert Hermelingmeier in ihrem Beitrag in dieser Ausgabe des VdS-Journals für Astronomie.
Lassen Sie sich verzaubern ...
1 Die beiden Bedeckungsereignis-Linien am 25. und 26. Mai 2020
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2 Daten zu den beiden Bedeckungsereignissen am 25. und 26. Mai 2020
Sternbedeckungen
Beobachtung einer streifenden Sternbedeckung
in unserer Astrogruppe ,,Beobachtertreff OWL"
von Wolfgang Dzieran und Hubert Hermelingmeier
Die Beobachtung von streifenden Sternbedeckungen stand schon lange auf unserem Beobachtungsplan, leider bedeutete das bisher aber meist längere Fahrten, und es ging nur in arbeitsfreien Zeiten. Umso erfreuter waren wir, als wir im VdS-Journal für Astronomie [1] die Karte mit den Bedeckungslinien für das 3. Quartal 2019 sahen. Gleich drei streifende Bedeckungen in Ostwestfalen waren verzeichnet. Die Bedeckungen am 27.08. und 20.09. waren in den frühen Morgenstunden zu beobachten. Ohne zu zögern, schrieben wir eine E-Mail an Dr. Eberhard Riedel, den Autor des Journal-Beitrages, um mögliche Standortkoordinaten zu bekommen. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, und so war klar, dass die Bedeckung am 27.08. für einen der Autoren auf dem Weg zur Arbeit erreichbar war. Da wir in der Astrogruppe Beobachtertreff OWL sind, bereiteten wir die Beobachtungsdaten aller Bedeckungen für OWL auf unserer Webseite [2] auf, in der Hoffnung, dass sich weitere Sternfreunde der Beobachtung anschlossen. In der WhatsApp-Gruppe meldeten sich bald weitere interessierte Sternfreunde.
Da wir noch keine streifende Sternbedeckung beobachtet hatten, gab es noch viele Fragen, die wir per Mail von Dr. Riedel freundlicherweise beantwortet bekamen. Auf der Webseite der Vereinigung der Sternfreunde Deutschlands [3] findet man folgende Definition einer ,,Streifenden Sternbedeckung": ,,Streifende Sternbedeckungen sind ein Sonderfall der Sternbedeckungen durch den Mond. Während bei einer totalen Bedeckung der Stern nur einmal an der voran laufenden Seite des Mondes verschwindet und auf der gegenüberliegenden Seite wieder auftaucht, geschehen solche Bedeckungsphänomene in den Polregionen des Mondes gleich mehrfach. Hierzu muss man die Linien auf der Erde kennen, die der
1 Tangentiale Begegnung zwischen Stern und Mond
jeweils oberste bzw. unterste Rand des scheinbaren Mondschattens beschreibt. Je nach Standort auf oder in der Nähe dieser Grenzlinie beobachtet man ein unterschiedliches Relief des Mondschattens. Aus den Kontaktzeiten mehrerer Beobachter lässt sich das vom Stern auf die Erde projizierte Mondprofil rekonstruieren ..."
Früher waren solche Beobachtungen wichtig, um das Profil des Mondrands genau zu berechnen. Heute ist zur Berechnung des Mondprofils die Beobachtung von Amateurastronomen nicht mehr notwendig. Den Mond umkreisende Satelliten sind einfach viel näher dran und erledigen solche Aufgaben professionell.
Auf den ersten Blick erscheint der Mond am Rand immer glatt rund. Weil der Mond aber auch an seinem Rand (= Horizont) Berge, Täler und Kraterformationen besitzt, also eben doch nicht gleichförmig ist, kann es passieren, dass bei einer ,,streifenden Bedeckung" ein Stern mal durch einen Berg oder Kraterrand verdeckt wird und dann nicht zu sehen ist, und dann plötzlich in einem Tal zwischen zwei Erhebungen wieder auftaucht, dann wieder verschwindet usw. Für die visuelle Beobachtung von der Erde aus gibt es eine hervorragende Software zur Vorhersage solcher Bedeckungsereignisse: GRAZREP [4].
Aber ist das nicht alles nur Theorie? Wie sieht das denn tatsächlich in der Realität aus? So eine Beobachtung soll ja besonders spannend sein. Wie oft verschwindet der Stern denn in der Praxis am Mondrand? Einmal, zweimal, mehrfach? Oder vielleicht gar nicht? - Nun, es kommt dabei schon sehr genau auf den Standort des Beobachters an. Bezogen auf einen bestimmten Standort wird eine solche Beobachtung schon 100 Meter weiter nördlich oder südlich ganz anders ausfallen.
Bei der Bedeckung am 27.08. ging es vorrangig darum, erste Erfahrungen für die Beobachtung am 20.09. zu sammeln. Diese Be-
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Sternbedeckungen
2 Die Beobachtungsgruppe
am Feldweg östlich von Paderborn
zum Glück war auch diesmal bei uns der Himmel klar. Mit mehreren Sternfreunden gemeinsam trafen wir uns bei Paderborn direkt auf der ,,Zentrallinie" dieser Bedeckung (Abb. 2)
deckung konnten wir um 04:24 Uhr MESZ bei klarem Himmel von Gütersloh aus gut verfolgen. Der Stern SAO 79216 war mit 7,0 mag am Südpol der schmalen Mondsichel gut zu erkennen. Der Stern blinkte mehrfach in unregelmäßigen Abständen hinter den Mondbergen auf. Es erforderte zwar ein wenig Konzentration, den Stern visuell zu verfolgen, wie er am Mondrand entlangstreicht. Aber es war ein schöner Anblick!
In Gütersloh haben wir versucht, die Bedeckungszeiten ,,von Hand" zu messen. Mit einem Löffel wurde jeweils beim Verschwinden oder Erscheinen des Sterns auf einen Campingtisch geklopft. Dieses Geräusch wurde mit einer Smartphonekamera aufgezeichnet, die zeitgleich eine auf einem 2. Smartphone schnell laufende Uhr (App ,,AtomUhr") abfilmte. Einer der Verfasser, der so früh nicht mit dem Auto zur Zentrallinie fahren wollte, hat die Bedeckung von seinem Garten aus versucht zu verfolgen. Doch ca. 30 Kilometer südlich der Zentrallinie gab es keine streifende, sondern ,,nur"
eine vollständige Bedeckung von wenigen Minuten zu sehen. (Eine Aufnahme kurz vor der dortigen Bedeckung zeigt schön, wie der Stern ,,tangential" am Mondrand entlangzieht (Abb. 1).
Ein weiteres Ereignis gab es am 20. September kurz nach 6 Uhr in der Frühe - und
3 Der Münchener
Hobbyastronom B. Gährken mir seinen Beobachtungsgerät
Es ist nicht ganz einfach, eine solche Beobachtung zu dokumentieren. Die Wahrscheinlichkeit eines Beobachtungserfolges ist höher, wenn sie am unbeleuchteten Mondrand stattfindet. In einem Spektiv (90 mm Öffnung) zum Beispiel war das Sternchen am 20. September mit bloßem Auge kaum zu erkennen, der helle Mond über-
4 Links: Der Stern ist ein kleiner lichtschwacher Punkt, dicht an der Schattengrenze des Mondes. Mitte: Der Stern ist hinter einem Mondberg
verschwunden. Rechts: Der Stern ist wieder da.
132 | Journal für Astronomie Nr. 73
Sternbedeckungen
5 Einer der Verfasser verfolgt die Bedeckung mit seinem
Selbstbau-Reiseteleskop
6 Austausch der Daten vor dem gemeinsamen Frühstück
strahlte fast alles. Das macht auch das Fotografieren nicht einfach.
Viel besser hat es jedoch unser Sternfreund Rainer Kleibrink gemacht. Er konnte das gesamte Ereignis sogar per Video aufzeichnen [5]. Versuchen Sie einmal, auf dem laufenden Video zu zählen, wie häufig der Stern verschwindet und wiederauftaucht.
Zur Beobachtung am 20.09. war auch Bernd Gährken (Abb. 3) aus Bayern zu uns gestoßen. Er hat seine Beobachtungstechnik so weit professionalisiert, dass er in eine Videoaufnahme der Bedeckung automatisch das exakte Zeitsignal eines GPS-Empfängers einblenden kann. In der Auswertung seiner Daten wurde deutlich, dass es zwischen der praktischen Beobachtung und der theoretischen Vorhersage des Mondprofils wohl doch kleine Abweichungen gibt. Und das vielleicht sogar die Doppelsternstruktur des streifenden Sternes eine Rolle gespielt haben könnte. Mehr Informationen dazu auf der Webseite von Bernd Gährken [6].
Wer mehr über ,,streifende Sternbedeckungen" erfahren will, dem seien die Seiten der entsprechenden Fachgruppe der Vereinigung der Sternfreunde Deutschlands empfohlen oder gleich die Seiten einer entsprechenden weltweiten Spezialistenorganisation IOTA/ES [7].
Und von uns noch einmal einen ganz herzlichen Dank an all die anderen Mitbeobachter aus Bayern, aus Bielefeld, Delbrück und Leopoldshöhe. Es war wirklich eine schöne, spannende Aktion! Und vielen Dank an die Freunde des ,,Beobachtertreff OWL", die rechtzeitig auf das Ereignis aufmerksam machten!
Diese erfolgreiche Beobachtung beendeten wir mit einem gemeinsamen Frühstück, bei dem wir die Beobachtungsdaten austauschten und uns noch viel über unser schönes Hobby unterhielten.
Verschiedene Fotos von der Bedeckung und weitere Hintergrundinformationen gibt es in dem Astroblog eines der Verfasser [8].
Literaturhinweise und Weblinks (Stand 30.09.2019): [1] E. Riedel, 2019: ,,Streifende Sternbedeckungen durch den Mond im
3. Quartal 2019", VdS-Journal für Astronomie 70, S. 139 [2] Webseite Beobachtertreff-OWL, mit Standortinformationen etc.:
www.astronomie-owl.de [3] Vereinigung der Sternfreunde e.V., Homepage: www.vds-astro.de [4] GRAZPREP, Download-Seite: www.grazprep.com [5] R. Kleibrink, 2019: ,,Video zur streifenden Sternbedeckung am
20.09.2019", http://astronomie-owl.mozello.com/neues/ beobachtungshinweise/ [6] B. Gährken, 2019: Homepage, ,,Streifende Sternbedeckung durch den Mond am 20.0.2019", www.astrode.de/9graze20j19a.htm [7] IOTA/ES, Homepage: www.iota-es.de [8] W. Dzieran, 2019: Blog zur streifenden Sternbedeckung am 20.9.2019, http://astroblog-lippspringe.blogspot.com/2019/09/20-septemberstreifende-sternbedeckung.html?m=1
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Veränderliche
Zwei unterschiedliche Nova-Aktivitäten 2019
- Helligkeitseinbruch der Nova Aql 1918 (V603 Aql) und Ausbruch der Zwergnova
TCP J21040470+4631129
von Klaus Wenzel
Zwei veränderliche Sterne erregten 2019 meine besondere Aufmerksamkeit. Zum einen ein alter Bekannter, V603 Aql, eine historische Nova von 1918, die einen seltsamen Helligkeitseinbruch zeigte. Zum anderen TCP J21040470+4631129, eine Zwergnova vom Typ WZ Sge, bei der 2019 erstmals ein Ausbruch beobachtet wurde, mit immerhin einer Maximalhelligkeit von über 9 mag.
Seltsames Minimum von V603 Aql (Nova Aql 1918) Seit April 2010 steht die alte Nova V603 Aql (Nova Aql 1918) auf meinem regelmäßigen, vornehmlich visuellen Beobachtungsprogramm. Bisher verliefen die Beobachtungen eher unspektakulär, die Helligkeit schwankte etwa in den Bereichen um 11,5 und 11,9 mag. Am 24. Februar 2019, der ersten visuellen Beobachtung (mit dem 12,5-Zoll-Newton) der neuen Saison, fiel mir sofort auf, dass die Nova deutlich lichtschwächer als gewohnt erschien. Eine unmittelbar daraufhin durchgeführte CCDBeobachtung (mit dem 8,3-Zoll-Newton) bestätigte den Befund: V603 Aql war mit 12,5 mag etwa eine Größenklasse schwächer als sonst (Abb. 1).
Rückblick Am 8. Juni 1918 wurde von verschiedenen Beobachtern weltweit eine sehr helle Nova im Sternbild Adler entdeckt. Die Nova Aquilae 1918 war in dieser Nacht bereits als Stern erster Größe sichtbar und in etwa vergleichbar mit Atair (Alpha Aquilae). Zu den ersten Beobachtern dieser Nova zählte unter anderem auch Eduard Emerson Barnard. Vor den Amerikanern wurde die brillante, helle Nova jedoch bereits in Europa gesehen. Unter anderem in Babelsberg von Prof. Leopold Corvoisier oder in Ilmenau von F. Schwab, um nur einige der zahlreichen Beobachter zu nennen, die sie alle mehr oder weniger gleichzeitig nach Ein-
bruch der Dunkelheit erspähten. Alle meldeten eine Helligkeit vergleichbar mit Atair. Neben diesen Beobachtern wurde der auffallende ,,Neue Stern" auch zeitgleich in vielen Schützengräben des Ersten Weltkrieges, der ja noch in Europa tobte, gesehen, wo in zahlreichen Feldpostbriefen über diese Erscheinung berichtet wurde.
Das Maximum mit einer Helligkeit um etwa -1 mag wurde bereits in der folgenden Nacht erreicht. Manche Quellen sprechen hier sogar von einer Maximalhelligkeit von -1,4 mag. Damit war die Helligkeit von Nova Aquilae 3 1918 - so die vorläufige Bezeichnung - auf jeden Fall deutlich heller als Wega, wie viele der damaligen Beobachter bestätigten. Die Nova wurde zunächst als ,,blendend weiß", später als ,,gelbrot" und schließlich als ,,stark rot" beschrieben. Ähnliche Farbphänomene konnten wir sehr gut zuletzt bei der etwa 4 mag hellen Nova Delphini 2013 (V339 Del) beobachten.
Die letzte Aufnahme vor dem Ausbruch gelang übrigens Max Wolf am 5. Juni 1918, als er zufällig die Sternfelder in dieser Region in der Bergsternwarte auf dem Königsstuhl mit seinem ,,Uranographen" (31 mm, f/4,7) fotografierte. Die Entwicklung dieses Ausbruchs wurde von Max Wolf und seinen Kollegen in Heidelberg mit den Instrumenten der Königstuhlsternwarte gut dokumentiert. Die meisten Aufnahmen sind heute im Internet frei verfügbar und können dort eingesehen werden [1, 2].
Bis Ende Juni 1918 fiel dann die Helligkeit bis auf etwa 4 mag ab und bis Ende August um eine weitere Größenklasse, wobei bei dieser Phase größere Helligkeitsschwankungen bis zu einer Größenklasse beobachtet wurden. Bis Ende des Jahres wurde die Lichtkurve immer flacher und bis Mitte 1919, also etwa ein Jahr nach dem Ausbruch, wurde die Nova Aql 1918 immer noch auf etwa 6,5 mag
1 V603 Aql (Nova Aql 1918) am 28.02.2019
um 4:24 Uhr UT mit einer Helligkeit von 12,5 mag, CCD-Aufnahme am 8,3-Zoll-Newton (f/3,9), 4 x 15 s, Canon EOS 1300, Bildfeld ca. 45' x 35', Norden ist oben.
geschätzt. Bis etwa 1922 lag die Helligkeit noch über der zehnten Größe. Die Helligkeit ging dann langsam immer weiter zurück und liegt heute, wie bereits erwähnt, bei etwa 11,5-12 mag (Abb. 2).
Bei der Nova Aql 1918 (V603 Aql) handelte es sich um eine so genannte ,,schnelle Nova vom Typ Na". Bei diesem Typ fällt nach einem schnellen Helligkeitsanstieg die Helligkeit innerhalb von 100 Tagen um mindestens 3 mag ab.
Helligkeitseinbruch 2019 Seit 2010 beobachte ich V603 Aql regelmäßig, meist visuell mit dem 12,5-ZollNewton meiner Dachsternwarte. Seit 2016 wird die alte Nova auch gelegentlich mit der CCD-Kamera am 6- oder 8,3-Zoll-Newton beobachtet (Abb. 1). Die bei diesen Beobachtungen registrierten Helligkeits-
134 | Journal für Astronomie Nr. 73
Veränderliche
2 Historische Lichtkurve der Nova 1918 Aql (V603 Aql) von 1900-2019, basierend auf verschiedenen historischen Quellen (u.a. LSW
Heidelberg) und ab 2010 auf eigenen Beobachtungen. Mit einer Maximalhelligkeit von über -1 mag dürfte sie die bisher hellste, jemals beobachtete Nova gewesen sein.
3 Gesamtlichtkurve (visuell, CV, V) seit meiner regelmäßigen Überwachung von V603 Aql, deutlich ist der Helligkeitseinbruch mit
langsamer Rückkehr zur Normalhelligkeit in der Saison 2019.
schwankungen bewegten sich in der Regel, wie aus der Lichtkurve (Abb. 3) ersichtlich, zwischen 11,5 und 12 mag. Im Februar 2019 konnte ich dann die Nova völlig überraschend deutlich lichtschwächer beobachten. Dieser Helligkeitseinbruch muss wohl während der Unbeobachtbarkeit der Nova am Taghimmel stattgefunden haben. Während der kommenden Monate erholte sich die Helligkeit dann langsam wieder, wobei hier auch ständig kurzzeitige Schwankungen beobachtet werden konnten. Zum Schluss der Beobachtungssaison Ende September überschritt V603 Aql wieder die 12. Größe. Ob es sich hierbei um ein kurzfristiges Ereignis handelte oder ob die Helligkeit erneut einbricht, müssen weitere Beobachtungen in den nächsten Jahren zeigen. Trotz einer Alert-Meldung von Taichi Kato im VSNET wurde dieser Helligkeitseinbruch relativ wenig beachtet.
Zwergnovaausbruch in Cygnus - TCP J21040470+4631129 Am 12. Juli 2019 entdeckte der Japaner Hideo Nishimura ein etwa 9 mag helles Objekt im Schwan, das zunächst die falsche Bezeichnung PSN J21040470+4631129 erhielt. PSN steht für Possible Supernova. Tatsächlich handelt es sich jedoch hierbei um eine Zwergnova. Das PSN in der Koordinatenbezeichnung wurde demnach durch ein TCP (Transient Confirmation Page) ersetzt. Mit einer Maximalhelligkeit von über 9 mag liegt diese neue Zwergnova im Bereich von U Gem, SS Cyg oder V455 And.
Als Ursprung von TCP J21040470+4631129 wurde der nur etwa 18 mag helle Stern USNO-A2.01350-13375367 identifiziert. Die Helligkeitsamplitude dieser Zwergnova vom Typ UGWZ betrug demnach etwas mehr als 9 Größenklassen. Aufgrund der Parallaxe wurde eine Entfernung von etwa
109 pc ermittelt. Bisher wurde noch kein früherer Ausbruch dieser Zwergnova registriert. Auch im Heidelberger Plattenarchiv, das viele Aufnahmen über den Zeitraum von 1890-1907 und von 1957-1958 abdeckt, findet sich kein historischer Ausbruch dieser Zwergnova. Aufgrund der großen Maximalhelligkeit könnte man hier vielleicht im Sonneberger- oder Harvard-Archiv fündig werden. Ausbrüche von WZ-Sge-Sternen sind relativ selten. Die Ausbruchsintervalle können bei diesen Sternen teilweise mehrere Jahrzehnte betragen.
Der Ausbruch 2019 Bereits am 13. Juli, also einen Tag nach der Entdeckung durch Nishimura, gelang mir die erste Beobachtung sowohl visuell (8,8 mag) als auch mit der CCD-Kamera (8,75 mag, Abb. 4). TCP J21040470+4631129 dürfte sich zu diesem Zeitpunkt wohl im Maximum befunden haben. Die Helligkeit
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Veränderliche
4 CCD-Aufnahme von TCP J21040470+
4631129 vom 13.07.2019 um 21:58 Uhr UT, also etwa 24 Std. nach der Entdeckung von Nishimura. Die Nova befindet sich mit 8,75 mag in der Maximalhelligkeit. CCD-Aufnahme am 5-Zoll-Maksutov (f/12), 8 x 45 s, Canon EOS 1300
5 CCD-Aufnahme von TCP J21040470+
4631129 vom 21.09.2019 um 18:54 Uhr UT. Die Helligkeit liegt nun zum Ende des Ausbruchs bei 14,5 mag. Man beachte die deutlich tiefere Grenzgröße des Newtons. CCD-Aufnahme am 8,3-Zoll-Newton (f/3,9), 6 x 45 s, Canon EOS 1300
dann einen weiteren größeren Ausbruch (3. Echoausbruch) mit einer Maximalhelligkeit von 11,3 mag. Dieser größte Echoausbruch dauerte bis zum 4. September, da lag die Helligkeit wieder bei 14,4 mag. Einen 4. kurzen Ausbruch konnte ich dann am 15. September mit 12 mag beobachten. Dann setzte ein langsamer kontinuierlicher Rückgang der Helligkeit ein (Abb. 5 und 6). Am 18. Oktober 2019 lag die Helligkeit nur noch bei 15,1 mag. Der Ausbruch ist vermutlich beendet. Doch vor Überraschungen ist man bei WZ-Sge-Sternen nie sicher, deshalb werde ich meine Beobachtungen in dieser Saison zunächst noch weiterführen, solange das Sternbild Cygnus für mich noch von meiner Sternwarte erreichbar ist.
fiel dann bis zum 3. August auf 11,9 mag ab. Bis zum 7. August ging die Helligkeit abrupt auf 13,8 mag (rapid fading phase) zurück. Am Folgetag beobachtete ich die Zwergnova schon wieder mit 11,3 mag (1. Echoausbruch). Echoausbrüche sind weitere kleinere Ausbrüche nach dem Hauptausbruch. Solche Rebrightenings, wie sie auch
oft genannt werden, können vor allem bei WZ-Sge-Sternen häufig beobachtet werden. Bis zum 10. August fiel die Helligkeit schon wieder auf 13,8 mag. Am 14. August erfolgte dann ein weiterer kurzer Anstieg (2. Echoausbruch), der allerdings von mir nur in der Endphase erfasst werden konnte. Um den 27. August herum beobachtete ich
Literaturhinweise: [1] K. Wenzel, K. Birkle, 2010: ,,Astrono-
mische Schätze heben", Sterne und Weltraum 3/2010, S. 68 [2] K. Wenzel, 2014: ,,Drei ,Neue Sterne' am Abendhimmel", Sterne und Weltraum 10/2014, S. 72
6 Die Gesamtlichtkurve (Vis, CV, V) meiner Beobachtungen der Zwergnova TCP J21040470+4631129 vom 13.07.-18.10.2019 mit
verschiedenen Instrumenten meiner Dachsternwarte. Die Echoausbrüche 1, 3 und 4 sind deutlich erkennbar. Der 2. Echoausbruch konnte nur in der Schlussphase mit 13,1 mag beobachtet werden.
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Veränderliche
Beobachtungskampagne VV Cep ist beendet
von Frank Walter
In mehreren Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie wurde über den Bedeckungsveränderlichen VV Cep mit der zweitlängsten bekannten Periode berichtet [1, 2]. Die bekannten Daten des Sternsystems werden deshalb hier nicht wiederholt. Wir berichten zusammenfassend über die Auswertungen der fotometrischen Ergebnisse, die viele Beobachter der BAV in den Jahren 2017-2019 zusammengetragen haben.
Dem bereits 2015 erfolgten Aufruf [3] zur Verfolgung der Helligkeit in mehreren Farbbereichen sind in Deutschland und Österreich 22 Beobachter gefolgt. Sie haben allein in der Zeit der Bedeckung vom Januar 2017 bis zum Oktober 2019 mit Hilfe von CCD- bzw. DSLR-Kameras sowie durch visuelle Beobachtungen mehr als 5.000 Messungen/Schätzungen erfasst, so dass über diesen Zeitraum sehr dichte und lückenlose Lichtkurven für die Farbbereiche R, G, B, U
vorliegen (Abb. 1). Die Abbildung 2 zeigt vergrößert die geglätteten Verläufe der Messpunkte in den einzelnen Farbbereichen. Besonders an der unteren Kurve für den Bereich U lässt sich der Beginn und das Ende der Bedeckung (1. und 4. Kontakt) gut ablesen. Es ergeben sich im Vergleich mit den Daten der Vorhersage die Werte in der Tabelle 1.
Berücksichtigt man die lange Periode (20,4 Jahre), so zeigt der Vergleich dieser Daten, dass die Vorhersagen aufgrund der Elemente sehr gut mit den Ergebnissen der aktuellen Bedeckung übereinstimmen.
Auffallend sind in den Farbbereichen R, G, B die Helligkeitsschwankungen während der Bedeckung. Sie lassen darauf schließen, dass der bedeckende Stern (ein roter Überriese) selbst veränderlich ist. Er scheint mit einer Periode von ca. 146 Tagen zu pulsieren.
Es ist wohl zu früh, anhand solcher Überlegungen Genaues zur Modellierung des Bedeckungssystems zu sagen. Insbesondere die Struktur und die Lage der Akkretionsscheibe sind damit allein nicht zu klären. Dazu müssen spektroskopische Untersuchungen vom Verlauf der Bedeckung berücksichtigt werden. Unsere Mitglieder Ernst Pollmann und Wolfgang Vollmann, die an der spektroskopischen Verfolgung maßgeblich beteiligt waren, haben in ihren Arbeiten darauf hingewiesen [4, 5].
Die Fülle und Genauigkeit der bei der BAV eingegangenen Ergebnisse waren möglich durch die verbesserten Techniken, die in den letzten Jahrzehnten den Amateuren zur Verfügung stehen (CCD-Kameras, DSLRKameras, Software zur Fotometrie usw.). Trotzdem sind auch die Untersuchungen mit einfachen Mitteln sehr willkommen. Gerade Anfänger, die ihr Betätigungsfeld
1 BAV-Gemeinschaftslichtkurve von VV Cep vom 01.01.2017 bis 07.10.2019
Journal für Astronomie Nr. 73 | 137
Veränderliche
noch suchen, können durch visuelle Beobachtungen (meist genügt ein Feldstecher) einen wichtigen Beitrag in der Arbeitsgemeinschaft leisten. Deshalb hatte die BAV auch visuelle Beobachter zur Teilnahme an der VV-Cep-Kampagne aufgerufen. Ihre Ergebnisse müssen den Vergleich mit den fotometrisch gewonnenen nicht scheuen (Abb. 3).
2 Geglättete Gemeinschaftslichtkurven in Form von je 5 gemit-
telten Messpunkten v.o.n.u. in den Farbbereichen: R, G, B sowie U (unbearbeitet)
Literaturhinweise: [1] D. Bannuscher, 2017: ,,Spektakulär: Die Beobachtung von VV
Cephei 2017-2019", VdS-Journal für Astronomie 62, S. 87 [2] F. Walter, 2018: ,,VV Cephei - Beobachtungskampagne einer
seltenen Bedeckung", VdS-Journal für Astronomie 65, S. 118 [3] F. Walter, 2015: ,,Ein Projekt für mehrere Jahre: Beobachtungskampagne VV Cep", BAV Rundbrief 4/2015, S. 233 [4] E. Pollmann, W. Vollmann, P. D. Bennett, 2017: ,,A Time Series of BV photometry and H{alpha} Emission Fluxes of the Eclipsing Binary VV Cep", IBVS 6198 [5] E. Pollmann, P. Bennett, W. Vollmann, P. Somogyi, 2018: ,,Stand der ARAS-BAV Beobachtungskampagne am Bedeckungs-Doppelsternsystem VV Cephei, 1. Periodische Variation der H-Emission", BAV-Rundbrief 2/2018
Tabelle 1
Vergleich zwischen gemessenen und vorhergesagten Kontaktdaten des Systems VV Cep
gemessen
vorhergesagt
1. Kontakt JD = 2457955; 20.07.2017
4. Kontakt JD = 2458602; 28.04.2019
D
D = 647 Tage
Mitte
JD = 2458278; 08.06.2018
JD = 2457970; 04.08.2017 JD = 2458620; 16.05.2019
D = 650 Tage JD = 2458288; 18.06.2018
3 Vergleich der Lichtkurven visuell geschätzter Helligkeiten (oben)
mit den mit CCD- und DSLR-Kameras gewonnenen Werten für den G-Bereich (jeweils Binning = 5)
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HERKULES NÖRDL. KRONE Gemma
SCHLANGE (KOPF)
BOOTES
JAGDHUNDE
Arktur
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
GROSSER BÄR
KLEINER LÖWE
LÖWE
Regulus
Capella
VdS vor Ort / TaguFnUgHsRbMeArNicNhte
LUCHS
Castor Pollux
ZWILLINGE
STIER
KREBS
ORION Beteigeuze
Procyon
KLEINER HUND
WAAGE SÜDOST
Spica RABE
BECHER
SEXTANT
Alphard
RSCHLANGE WASSE
Sternkarte exakt
gültig für 15. April
23 Uhr MESZ
SÜD
Mondphasen im April 2020
EINHORN
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Quellen: US Naval Observatory, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto), Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA (Steve Preston), Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]), Homepage der International Meteor Organization (IMO).
Erstes Viertel 1.4.
Vollmond 8.4.
Ereignisse im April
01.
max. Libration Ost
01. 04:30 Mars (0,8 mag, 6,4'') 57' SO Saturn (0,7 mag, 16,1''),
SO-Hor.
01. 11:21 Erstes Viertel
02.
(3) Juno (9,5 mag) in Opposition zur Sonne
03. 21h
Venus (-4,4 mag, 26,4'') in den Plejaden (M 45)
04. 22:57 Mond 3,2 Grad NO Regulus ( Leo, 1,4 mag)
06. 4h
Jupiter (-2,2 mag, 37,7'') 46' N Pluto (14,5 mag), SO-Hor.
07. 19h
Mond erdnah, 33,5'
08. 03:35 Vollmond
08. 4h
Mond 7,9 Grad N Spica ( Vir, 1,1 mag)
10. 22h
(3) Juno (9,6 mag) 29' S Stern Vir (3,4 mag),
Sternbild Jungfrau
11. 03:30 Mond 8,8 Grad NW Antares ( Sco, 1,1 mag)
12. 21h
(4) Vesta (8,5 mag) 40' N Stern Tau (3,5 mag),
Sternbild Stier (Hyaden)
13.
max. Libration West
14. 23:56 Letztes Viertel
15. 4h
Mond 3,6 Grad SO Jupiter (-2,2 mag, 38,7'') u. 4,7 Grad SW
Saturn (0,6 mag, 16,5'')
16. 03:45 Mond 3,0 Grad S Mars (0,6 mag, 7,0'')
Letztes Viertel 14.4.
Neumond 23.4.
20. 20h 21. auf 22. 23. 03:26 25. 21h 26. 10h 26. 21h 27. 21:30 28. 22h
29. 30. 21:38
Mond erdfern, 29,4' Maximum Meteorschauer der Lyriden, 48 km/s, ca. 18/h Neumond Mond 5,2 Grad N Aldebaran ( Tau, 1,0 mag) Uranus in Konjunktion mit der Sonne Mond 6,5 Grad S Venus (-4,5 mag, 36,4'') Venus max. Helligkeit -4,8 mag, 37,0'', NW-Himmel (5) Astraea (11,1 mag) zieht durch den off. Hfn. Praesepe (M 44), Sternbild Krebs, bis 1.5. max. Libration Ost Erstes Viertel
Journal für Astronomie Nr. 73 | 139
SCHWAN LUCHS
LEIER Albireo
Wega HERKULES
GROSSER BÄR
Castor ZWILLINGE Pollux
NÖRDL. KRONE
Gemma
BOOTES
SCHLANGE (KOPF)
Arktur
JAGDHUNDE
HAAR DER BERENIKE
INER LÖWE KLE
KREBS
LÖWE
Regulus
KLEINER HUND
Procyon
SCHLANGENTRÄGER
SÜDOST
SKORPION
JUNGFRAU
WAAGE
Spica RABE
BECHER
Sternkarte exakt
gültig für 15. Mai
23 Uhr MESZ
SÜD
Mondphasen im Mai 2020
SEXTANT
Alphard
RSCHLANGE WASSE
SÜDWEST
Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Zeitangaben in MEZ für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br., falls nicht anders angegeben. Zum Umrechnen in MESZ im Zeitraum 29.03.2020, 2:00 Uhr MEZ, bis 25.10.2020, 2:00 MEZ, eine Stunde zu den Zeitangaben addieren. ,,Libration West" bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom westlichen Mondrand befindet.
Vollmond 7.5.
Letztes Viertel 14.5.
Ereignisse im Mai
01. 24h
Mond 5,2 Grad NW Regulus ( Leo, 1,4 mag)
04. 2h
(6) Hebe (10,3 mag) 24' S Galaxie NGC 4866 (11,1 mag),
Sternbild Jungfrau
04. 23h
Komet C/2017 T2 (Panstarrs, 8,2 mag?) 41' S Stern
SAO 6022 (4,5 mag), Sternbild Giraffe
04. 23h
Merkur in ob. Konjunktion mit der Sonne
06. auf 7. Maximum Meteorschauer der Eta-Aquariden, 67 km/s,
bis zu 40/h
06. 00:04 Mond 5,9 Grad NO Spica ( Vir, 1,1 mag)
06. 4h
Mond erdnah, 33,2'
07. 11:45 Vollmond
09. 02:04 Mond 5,3 Grad N Antares ( Sco, 1,1 mag)
11.
max. Libration West
12. 3h
Mond 5,3 Grad SW Jupiter (-2,4 mag, 42,2'')
13. 3h
Mond 5,3 Grad SO Saturn (0,5 mag, 17,3'')
14. 15:03 Letztes Viertel
15. 3h
Mond 3,5 Grad S Mars (0,2 mag, 8,3'')
18. 9h
Mond erdfern, 29,5'
20. 21:30 Beginn Merkur (-0,7 mag, 6,0'') Abendsichtbarkeit,
NW-Himmel
22. 18:39 Neumond
Neumond 22.5.
Erstes Viertel 30.5.
22. 21:30
23. 01:30
24. 0h
24. 21h
26. 27. 0h
27. 23:34 29. 22h 30. 04:30 31. 22:47
Merkur (-0,5 mag, 6,2'') 1,3 Grad SO Venus (-4,2 mag, 53,9''), NW-Hor. (7) Iris (9,8 mag) 20' S Stern 2 Sgr (3,5 mag), Sternbild Schütze Komet C/2017 T2 (Panstarrs, 8,2 mag?) ca. 1 Grad NO Galaxiengruppe M 81/82, Sternbild Großer Bär Mond 4,6 Grad SO Merkur (-0,4 mag, 6,5'') und 9,2 Grad O Venus (-4,1 mag, 55,0'') max. Libration Ost Komet C/2017 T2 (Panstarrs, 8,3 mag?) 20' SW Galaxie IC 2574 (10,2 mag), Sternbild Großer Bär RR Lyr, Max. 7,1 mag, schneller Anstieg von 8,1 mag Mond 6,2 Grad NO Regulus ( Leo, 1,4 mag) Erstes Viertel RR Lyr, Max. 7,1 mag, schneller Anstieg von 8,1 mag
140 | Journal für Astronomie Nr. 73
LUCHS
Deneb SCHWAN
DRACHE
FÜCHSC HEN
DELFIN
PFEIL
Albireo
Wega LEIER
HERKULES
NÖRDL. KRONE
Gemma
Atair
ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)
SCHLANGE (KOPF)
SCHLANGENTRÄGER
GROSSER BÄR
JAGDHUNDE
BOOTES Arktur
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
LÖWE EINER KL
LÖWE
Regulus
SCHILD
SÜDOST
Sternkarte exakt gültig für 15. Juni 23 Uhr MESZ
Mondphasen im Juni 2020
SKORPION Antares
WAAGE
Spica RABE
WOLF SÜD
WASSERSCHLANGE
BECHER
SÜDWEST Vereinigung der Sternfreunde e.V. www.sternfreunde.de
Vollmond 5.6.
Letztes Viertel 13.6.
Ereignisse im Juni
01. 24h
Mond 7,7 Grad NW Spica ( Vir, 1,1 mag)
03. 5h
Mond erdnah, 32,8'
03. 19h
Venus in unterer Konjunktion mit der Sonne, anschl.
Morgenstern
04. 22h
Merkur (0,6 mag, 8,2'') in größter östl. Elong., 24 Grad
05. 0h
Komet C/2017 T2 (Panstarrs, 8,3 mag?) 1 Grad NO Stern
UMa (2,0 mag), Sternbild Großer Bär
05. 2h
Mond 8,1 Grad NW Antares ( Sco, 1,1 mag)
05. 20:12 Vollmond, Halbschattenfinsternis Mitte 20:25,
Größe 0,593, Mond-S!
08.
max. Libration West
09. 2h
Mond 5,1 Grad SO Jupiter (-2,6 mag, 45,6'') u. 3,7 Grad S Saturn
(0,4 mag, 18,0'')
11. 00:25 RR Lyr, Max. 7,1 mag, schneller Anstieg von 8,1 mag
13. 2h
Mars (-0,2 mag, 10,1'') 1,7 Grad S Neptun (7,9 mag, 2,3'')
13. 2h
Mond 3,4 Grad S Mars
13. 07:24 Letztes Viertel
13. 23:38 RR Lyr, Max. 7,1 mag, schneller Anstieg von 8,1 mag
15. 2h
Mond erdfern, 29,5'
16. 0h
Komet C/2017 T2 (Panstarrs, 8,5 mag?) 16' W Stern
UMa (2,4 mag), Sternbild Großer Bär
17. 0h
Komet C/2017 T2 (Panstarrs, 8,5 mag?) zwischen
Galaxien M 109 und NGC 3953, Sternbild Großer Bär
Neumond 21.6.
Erstes Viertel 28.6.
19. 08:48 Mond bedeckt Venus (-4,3 mag, 51,4''), bis ca. 09:35,
genaue Zeit abh. v. Standort
20. 22:44 Sommeranfang
21. 07:41 Neumond, ringf. Sonnenfinsternis in NO-Afrika, N-Indien,
S-China
21. ca. 22:39 (699) Hela (13,2 mag) bedeckt UCAC4 434-81245
(9,7 mag) für 1,9 s, Hell.-Abnahme 3,6 mag, Pfad
S-Deutschld., Österr.
22.
max. Libration Ost
24. 0h
Komet C/2017 T2 (Panstarrs, 8,6 mag?) 48' W Galaxie
M 106 (8,3 mag), Sternbild Jagdhunde
24. 23:50 RZ Cas, Min. 7,7 mag, Abstieg von 6,1 mag in 2,5 Std.
25. 22h
Mond 3,8 Grad NO Regulus ( Leo, 1,4 mag)
27. 22:00 Aql, Max. 3,48 mag, An- und Abstieg in 7,17 Tagen
27. ca. 22:16 (336) Lacadiera (12,3 mag) bedeckt TYC 5745-1897-1
(9,7 mag) für 12,6 s, Hell.-Abnahme 2,7 mag,
Pfad Schweiz
28. 09:16 Erstes Viertel
28. 22:50 U Oph, Min. 6,6 mag, Abstieg von 5,9 mag in 2,5 Std.
29. 23h
Mond 7,7 Grad NO Spica ( Vir, 1,1 mag)
30. 3h
Mond erdnah, 32,4'
Journal für Astronomie Nr. 73 | 141
VdS-Nachrichten
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
21016 Zeising
Artur
21133 Astronomische Ges.URANIA e.V.
21153 Adolf Schuch GmbH
21155 Jelen
Matthias
21156 Mittag
Manfred Dieter
21159 Bauernschmitt Anna
21161 Dörpmund Lutz J.
21162 Baranowski Thomas
21163 Born
Olaf
21164 Steppat
Christoph
21165 Schneider
Ingrid
21166 Popelka
Grit
21167 Froschauer Christian
21169 Fecht
Lara
21170 Decher
Dieter
21171 Herter
Martin
21172 Dahm
Gerhard
21174 Schulze
Hans
21175 Haake
Karl-Michael
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
21176 Hasel
Patrick
21177 Frischhut Helmut
21178 Pauthner Heiko
21179 Bönning
Dietmar
21181 Schwab
Karl-Heinz
21182 Grote
Alexander
21184 Wischumerski Marco
21185 Volkssternwarte Doberlug-Kirchhain
21186 21187 21188 21189 21190 21191 21192 21193 21194 21196
Benzenberg-Sternwarte
Herplich
Ralf
Fischer
Friedrich Wolfram
Lang
Julian
Frintrop
Gina
Gehrmann Bodo
Hahn
Matthias
Lamecker Markus
Schänzer Wilhelm
Steinmüller Harald
Mitgl.-Nr. Name
21197 Keppler 21198 Fritzek 21199 Lensch 21201 Ahrens 21202 Wilsdorf 21203 Kovacs 21205 Becker 21206 Tesar 21207 Heinen 21208 Wengel 21209 Wenck 21210 Blank 21211 Rothenpieler 21213 Van Duin 21214 Bernatek 21215 Zodtner 21217 Frey
Vorname
Bernd Volker Fritz Daniel Oliver Daniel Wolfgang Marikka Harro Carla Sofie Jürgen Bernd Frank Albert Siegmund Dorian Albrecht
Spenden
an die Vereinigung der Sternfreunde e. V.
von Dr. Andreas Klug, VdS-Schatzmeister
Im Jahr 2019 erhielt unsere Vereinigung wieder zahlreiche Spenden von Mitgliedern. Der Vorstand bedankt sich bei allen Spendern ganz herzlich, auch bei den vielen ungenannten Mitgliedern, die bei der Überweisung der Jahresrechnung den Betrag aufrundeten. Insgesamt erhielt die VdS Spenden in Höhe von 2.783,40 EUR, die teilweise zweckgebunden für bestimmte Projekte verwendet werden. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Mitgl.-Nr.
11998 12451 12980 13211 13448 13692 13861 13921 14437
Name
Glitscher Quester Hambsch Hosters Stück Lange Brüchmann Küppers Kirch
Vorname
Gunnar Wolfgang Franz-Josef Peter Günter Hans-Peter Wolfgang Stephan Monika
Mitgl.-Nr.
14604 14617 15786 15943 17168 17898 17994 17998 18175
Name
Jonscher Grimm Stinner Kower Kuhn Spindler Henze Böttcher Reim
Vorname
Peter Wolfgang Peter Karl-Hein Klaus Rolf Werner Peter Thomas
Mitgl.-Nr.
18285 18368 18860 20109 20243 20288 20468
Name
Vorname
Klug
Andreas
Limbach
Martin
Bork
Jens Peter
Wenzel
Martin
Sternfreunde Dieterskirchen e.V.
Leitz
Bruno
Ritter
Rainer
Hörakustik Brenner
In Memoriam 2019
Mitgl.-Nr. Name
10058 Kunert 10548 Lammerer 10739 Grunau 12931 Conrad 13000 Ophey 13854 Rulff 13899 Brichta 14437 Kirch 15113 Schwarze 15588 Hofmann
Vorname
Adolph Max Siegfried Walter Hans Michael Hans-Georg Hans Wilfried Wilfried
Mitgl.-Nr.
15782 16189 16365 17134 17830 18356 18385 18805 18807 18884
Name
Petter Bräuer Kupsch Körber Klawa Linnemann Kimmich Berger Schober Weyer
Vorname
Günter Jürgen Gerhard Erich Bernhard Günter Ernst Ralf Florian Klaus
142 | Journal für Astronomie Nr. 73
Mitgl.-Nr.
18906 19018 19247 19603 19963 19977 20181 20198
Name
Busse Schulte-Vieting Zimmermann Schneider Geldmann Toll Woede Tesar
Vorname
Michael Heinrich-Jürgen Christiane Kurt Ludger Ulrike Georg Harald
Vorschau