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BEITRAG
1 Editorial (Melchert Sven)
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0 Inhaltsverzeichnis (Beitrag)
BEITRAG
4 Mitgliedsbeiträge und Bezugskosten von "Sterne und Weltraum" (Guthier Otto)
4 Hinweise zur Beitragsrechnung für das Kalenderjahr 2015 (Kessler Thomas)
5 Gegenseitige Jupitermonderscheinungen 2014-2015 (Wünsche Nikolai)
6 Zum Schwerpunktthema Planetarische Nebel (Riepe Peter)
8 Herausforderungen bei der Fotografie Planetarischer Nebel (Mrotzek Manfred)
12 Juwelen rechts und links des Weges - Planetarische Nebel in Steckbriefen (Dosche Carsten)
15 Emissionslinien der Planetarischen Nebel im sichtbaren Spektralbereich (Riepe Peter)
18 Für Nachteulen: M 97 visuell und fotografisch (Lammersen Hans)
23 Die Planetarischen Nebel des Herschel-Katalogs (Harder Christian)
28 "Lilge1" (Li1) - ein neuer Großstadt-Nebel im Sternbild Pfeil (Lilge Stefan)
30 Planetarische Nebel und ihre Zentralsterne (Riepe Peter)
36 Planetarische Nebel in kosmischer Nachbarschaft (Leiter Frank, Weis Christian)
39 Der Planetarische Nebel KjPn 8 (Bornemann, Hartmut)
43 Abells Planetarische Nebel (Binnewies Stefan)
48 Fotografie Planetarischer Nebel (Deger Michael)
53 WeBo 1 - ein außergewöhnlicher Planetarischer Nebel (Sackenheim Frank, Riepe Peter)
56 NGC 6826 - eine Gemeinschaftsarbeit (Burkart/Kreuels Ralf, Küppers Stephan, Kunze Michael)
58 Planetarische Nebel: Sein oder Schein? (Mrotzek Manfred)
62 Made in Austria - Planetarische Nebel entdeckt von österreichischen Astronomen (Glahn Uwe)
70 Selbstbau eines 16-Zoll-Universal-Newton-Teleskops (Kowatsch Burkhard)
73 Der Astrofotograf von morgen??? (Kowollik Silvia)
74 Die Morphologie des Systems NGC 5194/95 (Riepe Peter, Binnewies Stefan, Kerschhuber Günter)
78 Antarktische Eisnebel- und Polarschneehalos - Januar/Februar 2014 am Erzgebirgskamm (Hinz Wolfgang, Hinz Claudia)
82 Selbermachen? Selbermachen! (Jahns Helmut, Rohe Klaus, Theede Frank)
85 Mondanalemma - die monatliche und jährliche Bewegung des Mondes am Himmel (Hebbeker Thomas)
88 Die Io-Verfinsterung vom 25. September 1671 (Parl Michael)
89 Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie (Steinicke Wolfgang)
92 Der Goldbach-Himmels-Atlas von 1799 (Bartsch Karl)
96 Franz Ulrich Theodor Aepinus - ein exzellenter Beobachter (Pfizner Elvira)
98 Physik ist spannend, Physik ist überall! (Arend Elisabeth)
99 Alles ist relativ - Die AG Relativitätstheorie im ASL 2013 (Cismak Konstantin, Schlosser Johannes, Schiffer Patrik, Hart Florian)
100 Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten (Lehmann Gerhard)
100 Astronomie … am Schreibtisch! - Gedanken zum Beruf des Astronomen (Reinert Caroline)
102 Kleinplanetler im Zentrum der Galaxis (Griesser Markus)
105 Kosmische Begegnungen (Hohmann Klaus, Ries Wolfgang)
106 Fotografie schwacher Kometen nahe der Grenzhelligkeit (Hauss Michael)
108 Die Wiederentdeckung des Kometen P/2001 BB50 (Wulff Andre)
109 Die Sonnetagung 2014 in der Sternwarte Kirchheim - ein Bericht (Delfs Michael)
110 Mein Vorgehen bei der H-Alpha-Beobachtung der Sonne (Geiss Alexander)
112 Die provisorischen Relativzahlen des SONNE-Netzes, 1. Halbjahr 2014 (Bulling Andreas)
113 Die Auswertung spektroskopischer CCD-Aufnahmen (Schanne Lothar)
117 (216) Kleopatra - Sternbedeckung durch einen ungewöhnlichen Asteroiden (Klös Oliver)
119 Zwei auf einen Streich - Sternbedeckungen durch (58) Concordia und (656) Beagle (Klös Oliver)
120 Neues aus der Fachgruppe Veränderliche (Bannuscher Dietmar)
120 Veränderlichenbeobachter-Treffen 2014 in Hartha (Bannuscher Dietmar)
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0 Wir begrüßen neue Mitglieder (Beitrag)
BEITRAG
123 Das war’n noch Zeiten (Völker Peter)
125 Dem Himmel so nah - die Sternwarte St. Andreasberg (Walitzek Eva)
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0 Regionale Volks- und Schulsternwarte Tornesch e. V. (Beitrag)
0 Volkssternwarte Ennepetal e. V. (Beitrag)
0 Himmelsvorschau Januar - März 2015 (Beitrag)
BEITRAG
134 Meller Nächte sind lang - auch im Juni (Leich Jens)
136 Venus über dem Genfer See (Siragusa Christine)
137 Mein erstes astronomisches Foto-Abenteuer (Braune Werner)
138 Morgendämmerung über der Flensburger Förde (Stuhm Gotthard)
140 Horst Schoch: Das Geheimnis des Himmels (Gallus Astrid)
142 Vorschau auf astronomische Veranstaltungen (Celnik Werner E.)
142 Zum Gedenken an Udo Bojarra (Riepe Peter, Celnik Werner E.)
Textinhalt des Journals 52
Der Textinhalt dient zum Durchsuchen, zum Ausschneiden vorn Text und für internetgestützte Übersetzungs-Software.
Der Text ist nicht formatiert, Bildunterschriften sind irgendwo im Text eingefügt.
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Zum Lesen ist das Journal als pdf vorgesehen.
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Nach Redaktionsschluss
Hinweise zur Beitragsrechnung für das Kalenderjahr 2015
von Thomas Kessler, VdS-Vorstand
Dieser Ausgabe des Journals ist wieder eine Beitragsrechnung beigefügt. Da der Versand des Journals Nr. 52 in einer Fensterversandtasche erfolgt, dient das Adressfeld auf der Beitragsrechnung gleichzeitig dem Versand. Wer also dieses Journal in den Händen hält, hat auch eine Beitragsrechnung bekommen. Sollte die Beitragsrechnung nicht mehr vorliegen, wurde sie vermutlich mit dem Umschlag ,,entsorgt". Bitte setzen Sie sich in diesem Fall möglichst bald mit mir in Verbindung.
Gegen das Vergessen hilft im Fall der Beitragsrechnung ein möglichst umgehender Zahlungsausgleich, denn eine beiseite gelegte Beitragsrechnung ist schnell vergessen!
Um die Beiträge in der Steuererklärung geltend zu machen, bedarf es keiner gesonderten Zuwendungsbestätigung. Bis zu einem Betrag (Beitrag/Spende) von nicht mehr als 200,00 EUR reicht der Zahlungsnachweis in Verbindung mit der auf der Beitragsrechnung abgedruckten Bestätigung.
Sofern Sie für Ihre Zahlung nicht den vorbereiteten Überweisungsbeleg benutzen, achten Sie bitte unbedingt darauf, die Mitgliedsnummer anzugeben. Der Beleg enthält noch die ,,alten" Kontodaten, da Privatpersonen noch bis zum 1. Februar 2016 die alten Kontodaten benutzen können.
Bei SEPA-Überweisungen sind folgende Angaben notwendig: Sparkasse Starkenburg BIC/SWIFT-Code = HELADEF1HEP IBAN = DE79 5095 1469 0000 0117 45
Hinweise auf dem Überweisungsbeleg auf den Bezug einer Zeitschrift o. ä. sind nicht notwendig, da die Zahlungszuordnung ausschließlich über die Mitgliedsnummer erfolgt.
Die Beiträge können auch mit Banklastschrift eingezogen werden. Soweit Sie am Banklastschriftverfahren teilnehmen wollen und bisher noch keine Bankeinzugsermächtigung erteilt haben, setzen Sie sich bitte mit der Geschäftsstelle in Verbindung. Bitte beachten Sie, dass Bankspesen, die der VdS durch eine eventuelle Rückgabe der Lastschrift in Rechnung gestellt werden, weiterberechnet werden müssen.
Wegen des hohen Verwaltungsaufwands bei Schecks und wegen der hohen Kosten bei Auslandsschecks werden Schecks, wie in der Beitragsordnung bestimmt, grundsätzlich nicht angenommen. Mitglieder in der Schweiz überweisen bitte den Betrag mit SEPA-Überweisung direkt an die VdS. Zahlungen über die SAG sind ab 2015 nicht mehr möglich. Das Verfahren ist nach der SEPA-Umstellung nicht mehr notwendig und Direktzahlungen vereinfachen den Verwaltungsaufwand erheblich.
Helfen Sie bitte der Geschäftsstelle und Ihrem Schatzmeister durch eine rechtzeitige Zahlung des Beitrages bei der
Bewältigung der nicht unerheblichen Arbeiten im Zusammenhang mit dem Jahreswechsel!
Da die Zahlungsmoral in letzter Zeit erheblich nachgelassen hat, wird im Vorstand zurzeit überlegt, in 2015 bei säumigen Zahlern ein Inkassounternehmen mit dem Einzug der Forderungen zu beauftragen.
Denken Sie bitte daran, dass meine Tätigkeit als Schatzmeister - wie auch die Tätigkeit aller Vorstandsmitglieder - ausschließlich ehrenamtlich und damit unentgeltlich erfolgt. Für den Einsatz meiner Freizeit hoffe ich daher als ,,Gegenleistung" auf Ihre Zahlungsdisziplin!
Bei Fragen im Zusammenhang mit der Beitragszahlung können Sie sich direkt an mich wenden, entweder per E-Mail unter thomas.kessler@vds-astro.de oder schriftlich an Thomas Kessler, Postfach 1930, 21309 Lüneburg. Bitte geben Sie dabei möglichst eine Telefonnummer an, da sich viele Fragen telefonisch schneller klären lassen.
Mitgliedsbeiträge und Bezugskosten von ,,Sterne und Weltraum"
von Otto Guthier, VdS-Vorstand
Der Vorstand hat in seiner Sitzung am 9. August in Heppenheim über die Beiträge beraten und beschlossen, dass die Mitgliedsbeiträge für 2015 unverändert bleiben. Im Mitgliedsbeitrag ist auch der Bezug der Vereinszeitschrift ,,VdSJournal für Astronomie" enthalten.
Die Mitgliedsbeiträge für 2015 betragen:
Normalbeitrag Inland und EU:
EUR
für Schüler, Studenten und Auszubildende: EUR
für Sternfreunde außerhalb der EU:
EUR
einmalige Aufnahmegebühr:
EUR
35,00 25,00 40,00
7,00
Allgemeine Hinweise wie eine Änderung der Adresse o. ä. gehören nicht auf die Überweisung. Durch die Vielzahl der zu verbuchenden Zahlungen können solche Hinweise von mir nicht ausgewertet werden. Bitte wenden Sie sich mit allgemeinen Hinweisen direkt an die Geschäftsstelle oder nutzen Sie den Servicebereich auf der VdS-Homepage.
VdS-Mitglieder können die monatlich erscheinende Zeitschrift ,,Sterne und Weltraum" zu deutlich ermäßigten Bezugskosten über die VdS abonnieren. Auch diese bleiben für 2015 unverändert, wie der Spektrum-Verlag mitteilt.
Die Bezugskosten für ,,Sterne und Weltraum" betragen 2015:
Abo Inland:
EUR 89,00;
Abo Inland ermäßigt: EUR 67,80;
Abo Ausland:
EUR 97,40;
Abo Ausland ermäßigt: EUR 76,20;
für VdS-Mitglieder EUR für VdS-Mitglieder EUR für VdS-Mitglieder EUR für VdS-Mitglieder EUR
69,40 57,00 77,80 65,40
VdS-Journal Nr. 52
Nach Redaktionsschluss
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Gegenseitige Jupitermonderscheinungen 2014 - 2015
von Nikolai Wünsche
Jeder Jupiterbeobachter kennt die ,,Jupitermonderscheinungen", bei denen die vier Galileischen Monde zum Beispiel ihren Schatten auf die Jupiterwolken werfen oder selbst im Schatten von Jupiter verschwinden. Doch alle sechs Jahre bekommen wir mehr geboten. Da die Bahnen dieser Monde höchstens 0,5 Grad gegen den Jupiter-Äquator geneigt sind, kommt es um die Äquinoktien von Jupiter alle knapp sechs Jahre (das nächste ereignet sich am 5. Feb. 2015) auch zu gegenseitigen Verfinsterungen und Bedeckungen der Monde untereinander. Seit Oktober 2014 und bis Juni 2015 sind solche Ereignisse beobachtbar. Die JupiterDeklination von rund +20 Grad sorgt für gute astronomische Beobachtungsbedingungen. Die Bahnen der Jupitermonde sind ständigen Störungen unterworfen, die hauptsächlich durch Gravitationseffekte der Monde untereinander und mit Jupiter sowie durch Gezeitenreibung hervorgerufen werden. Die Beobachtung gegenseitiger Jupitermonderscheinungen ist die genaueste Möglichkeit, die Positionen der Monde von der Erde aus zu messen. Bei einer Zeitgenauigkeit von 0,1 Sekunde erreicht man einen Winkelfehler von
,, nur 0,015 , in Jupiterentfernung etwa 1 km. Daher besteht ein großes Interesse der Fachastronomie an möglichst vielen und genauen Messungen solcher Ereignisse. Das ,,Institut de mecanique celeste et de calcul des Éphemerides" (IMCCE) in Paris bietet alle Informationen an, die potenzielle Beobachter zur Vorbereitung benötigen, und sammelt die Beobachtungen weltweit. Das Portal für die Kampagne ,,PHEMU15" findet man unter www. imcce.fr/phemu/. Ein Ephemeridenrechner zeigt die an einem wählbaren Standort beobachtbaren Ereignisse, es gibt umfangreiche Informationen sowie eine Eingabemaske, um Daten erfolgreicher Beobachtungen hochzuladen.
Diese gegenseitigen Erscheinungen sind entweder Verfinsterungen eines Mondes durch einen anderen (d. h., eine Sonnenfinsternis auf dem verfinsterten Mond) oder Bedeckungen, bei der sich für den irdischen Beobachter ein Mond vor einen anderen bewegt. Der Helligkeitsabfall erreicht meist nicht mehr als einige Zehntel Größenklassen über mehrere Minuten. Wissenschaftlich verwertbare Beobachtungen sind daher nur durch pho-
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Europas Schatten auf Io: Am 15. Feb. 2015 erzeugt Jupitermond Europa eine Sonnenfinsternis auf Io. Die Finsternis dauert von 1:20 bis 1:28 Uhr MEZ.
tometrische Messungen zu erhalten; am Zweckmäßigsten durch eine Bild- oder Videoaufzeichnung und anschließende Auswertung. Die Beobachtungen erfolgen als relative Photometrie der Helligkeit der Monde. Als Referenz dient ein dritter Mond im Bildfeld.
Beobachtung und Auswertung Voraussetzung für erfolgreiche Beobachtungen ist eine stabile Montierung und eine zuverlässige Nachführung. Die Beobachtung kann mit jeder Teleskop-Kamera-Kombination erfolgen, wenn man folgende Anforderungen damit erreicht: - ausreichende Brennweite für eine gute Trennung von Monden und Jupiter - sicherstellen, dass das Licht jedes Mondes auf mehrere Pixel verteilt wird, ggf. durch leichtes Defokussieren - 2 bis 3 Bilder pro Sekunde aufzeichnen. Ein gutes Signal-zu-Rausch-Verhältnis ist wichtig. Noch wichtiger ist, die Monde keinesfalls überzubelichten, sonst wird jede Photometrie unmöglich. Probeaufnahmen rechtzeitig vorher sind eine gute Übung. - Timing: Jedes Bild muss auf +/- 0,1s UTC genau zuzuordnen sein. Bei analogen Videos (Watec, Mintron ...) empfiehlt sich ein Video Time Inserter (VTI). Bei digitalem Kamerasignal muss die Rechner-Uhr vor und nach der Beobachtung
mit einer genauen Zeitbasis kontrolliert oder gestellt werden. Das kann via Internet (siehe ntp.org) oder einem geeigneten GPS-Empfänger erfolgen.
Bei der unmittelbaren Vorbereitung am Fernrohr ist es wichtig, sich gut zu orientieren und zu wissen, welcher Mond wo zu sehen ist. Bei Bedeckungsereignissen kann der bedeckende Mond recht weit vom bedeckten Mond entfernt sein!
Die Vorhersagen sind nicht sehr genau. Deshalb wenigstens fünf Minuten vor bis fünf Minuten nach der vorhergesagten Anfangs- und Endzeit aufzeichnen.
Die Auswertung der Bilder bzw. des Videos kann man mit unterschiedlicher Software erledigen. Welche geeignet ist, hängt vom Bildformat ab und ist nicht zuletzt Geschmackssache. Wichtig ist, dass alle drei Monde separat gemessen werden und dass die Software die Daten im Format CSV ausgeben kann.
Gegenseitige Jupitermondverfinsterungen sind eines der wenigen Felder, in denen wir Amateurastronomen auch mit kleinen Teleskopen und preiswerten Kameras wissenschaftlich wertvolle Beobachtungen machen können. Nun brauchen wir nur noch klaren Himmel ...!
Beobachtungsvorschläge für gegenseitige Jupitermondereignisse
Datum 24.1.2015 15.2.2015 22.2.2015
4.3.2015 16.3.2015
Anfang MEZ 19:47 01:20 03:04 19:11 02:33
Ende MEZ 20:02 01:28 03:11 19:18 02:44
Ereignis Kallisto verfinstert Io Europa verfinstert Io Europa bedeckt Io Europa verfinstert Io Kallisto bedeckt Europa
VdS-Journal Nr. 52
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Planetarische Nebel
Zum Schwerpunktthema Planetarische Nebel
von Peter Riepe
Man kennt sie, die skurrilen Gashüllen um manchmal kaum sichtbare Zentralsterne. Sicherlich haben Sie die ,,Musterexemplare" wie den Hantelnebel M 27 oder den Ringnebel M 57 schon beobachtet, vielleicht sogar mit einem größeren Teleskop? Dann werden Sie den Anblick eines hellen Planetarischen Nebels (PN) niemals vergessen. Aber es gibt viel mehr von diesen Objekten, die einen bevorstehenden Sternentod ankündigen. Insgesamt ca. 20.000 Planetarische Nebel existieren nach Schätzungen der Astronomen in unserer Milchstraße, etwa 3.200 sind bis heute bekannt. Planetarische Nebel sind zwar nur eine Objektklasse, aber eine mit vielfältigen Erscheinungsformen (Abb. 1, 2). Helle PN zeigen bei genügender Teleskopöffnung visuell sogar Farben. Blau und Grün treten deutlich in Erscheinung. Daneben haben viele PN eine auffällige Außenhülle, die der Astronom ,,Halo" nennt (Abb. 3). Wer die folgenden Berichte studiert, wird auch viele neue, dem Amateur bisher kaum bekannte PN entdecken.
Und doch sollte man es nicht beim ,,Gucken" oder beim ,,Knipsen" belassen. Unser Hobby bietet nämlich viel mehr - auch die Beschäftigung mit dem, was wir da beobachten oder aufnehmen! Gerade über Planetarische Nebel (PN) gibt es eine Menge an höchst interessantem, fachlichem Hintergrund. Insofern ist das Titelbild ein besonderer Leckerbissen. Es stellt einen bekannten PN in einem ganz neuen Licht dar - gibt es doch offenbar großräumige strukturelle Bewegungen
1 Warum wird M 76 eigentlich ,,Kleiner Hantelnebel" genannt? Lange belichtet zeigt
der PN eine Schmetterlingsform. Teleskop: 12 Zoll Meade ACF, f = 2100 mm, Kamera: SBIG ST-2000XM, Ort: Erdweg/Bayern, belichtet wurde L: 40 x 5 min, R: 12 x 5 min, G: 10 x 5 min, B: 8 x 5 min. Bildautor: Michael Deger
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NGC 1360, ein diffuser PN am Südhimmel, aufgenommen im Oktober/November 2013 auf der Farm Hakos/Namibia; Teleskop: 20-Zoll-Hypergraf der Internationalen Amateursternwarte (IAS) bei f = 4500 mm, Kamera: SBIG STL11000, 3 x 20 min je Kanal LRGB belichtet, Bildautor: Robert Schulz
VdS-Journal Nr. 52
Planetarische Nebel
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3 M 27 mit Halo, das Bild entstand
im Mai 2014 in Nerpio, Spanien. Teleskop: Newton 368 mm/1402 mm mit Wynne-Korrektor, Kamera: FLI 8300 bei -30 Grad C, [S II] für Rot: 3 x 15 min, H für Grün: 4 x 15 min, [O III] für Blau 3 x 15 min, RGB für Sterne 8 x 5 min, Bildautor: Robert Pölzl
im Laufe der PN-Entwicklung. Nicht nur dass die PN expandieren, auch Rotationen treten auf.
Von all dem sollen nun auch unsere Leser profitieren: Wie kommen die unterschiedlichen Formen und Farben zustande? Was hat es mit den Zentralsternen der PN auf sich? Wie werden neue PN gefunden? Spielen hier auch Amateure eine Rolle? Was kann ich beim Beobachten in einem Amateurteleskop überhaupt von einem PN wahrnehmen? Was bringt der Einsatz von Schmalbandfiltern? Welche Details offenbaren sich fotografisch? Was ist bei den Aufnahmetechniken zu beachten?
Ein großer Dank gebührt den Autoren! Wieder einmal wurden zahlreiche informative Beiträge eingereicht. Das Schöne daran: Auch die visuelle Beobachtung lebt! Ich möchte mir nun die Zeit ersparen, auf jeden einzelnen Beitrag einzugehen und hier den Inhalt in Kurzform bereits darzustellen - das gelingt dem mündigen Leser selbst viel besser.
Allgemein darf ich aber feststellen, dass jeder Autor seinen Beitrag mit Begeisterung verfasst hat, egal ob es sich um einen Bericht aus der reinen Astro-Praxis oder um die zusätzliche Einbindung wissenschaftlicher oder historischer Zusammenhänge handelt. Und noch etwas muss unbedingt auch einmal gesagt werden: Es hat mir als verantwortlichem Redakteur großen Spaß gemacht, verschiedene dieser Berichte mit den Autoren im Vorfeld durchzugehen - manchmal dabei auch etwas intensiver zu diskutieren, nicht nur formal, sondern auch inhaltlich. So wurde das Ziel gemeinsam erreicht: Den Inhalt so aufzubereiten, dass dem Leser jetzt eine informative Lektüre bevorsteht. Aber bitte - überzeugen Sie sich selbst.
Hinweis
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 53 ,,Spektroskopie" abgeschlossen haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen hinweisen:
,,Dark Sky" in Journal Nr. 54 Redaktionsschluss: 01.02.2015 Redakteure: Torsten Güths, torsten.gueths@freenet.de Dr. Andreas Hänel, redaktion-darksky@vds-astro.de
,,Sternwarten-Bau und automatische Teleskopsteuerung" in Journal Nr. 55 Redaktionsschluss: 01.05.2015 Redakteur: Herbert Zellhuber, redaktion-selbstbau@vds-astro.de
,,Der Südsternhimmel" in Journal Nr. 56 Redaktionsschluss: 01.08.2015 Redakteur: Peter Riepe, redaktion-astrofotografie@vds-astro.de
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein. Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-Fachgruppen-Redakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden.
Mit dem Einsenden gibt jeder Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im ,,VdS-Journal für Astronomie". Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion
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Planetarische Nebel
Herausforderungen bei der Fotografie Planetarischer Nebel
von Manfred Mrotzek
Kaum ein astronomisches Objekt kommt in solch einer Vielfalt daher wie Planetarische Nebel (PN). Zum einen bilden PN unterschiedliche dreidimensionale Strukturen aus, zum anderen sehen wir diese Strukturen dann unter den unterschiedlichsten Blickwinkeln, wodurch sie uns immer wieder anders erscheinen. Auch farblich gibt es ein weites Spektrum. Alle PN sind zwar Linienstrahler und leuchten deshalb nur in den diskreten Wellenlängen der jeweils ionisierten Elemente, aber deren Verteilung und ihre relativen Häufigkeitsverhältnisse können sehr unterschiedlich sein, woraus dann eben die unterschiedlichen Farben und Farbverteilungen resultieren. Das Stadium eines PNs ist im Leben eines Sterns nur eine äußerst kurze, wenige tausend Jahre dauernde Phase. In dieser Zeit wächst er von einem kleinen, nur wenige Bogensekunden messenden und extrem hellen Objekt zu einem viele Bogenminuten großen und leuchtschwachen Gebilde, bis das Gas so dünn verteilt ist, dass die Intensität seines Leuchtens kaum noch über die Helligkeit des Himmelshintergrunds reicht oder es sich so
weit vom Zentralstern entfernt hat, dass dessen Strahlung keine Ionisierung mehr zu bewirken vermag. Größe, Helligkeitsverteilung und Spektren der PN können den Astrofotografen vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Schwache Nebel in sternreichen Gebieten Da sich die meisten PN in der Scheibe der Milchstraße befinden, ist dieser Fall sehr häufig anzutreffen. Bei Luminanz- oder RGB-gefilterten Aufnahmen sind die schwachen Scheiben vieler PN im Sterngewimmel der Milchstraße kaum auszumachen. Ein Schmalbandfilter dämpft die Helligkeit der Feldsterne wirksam und lässt trotzdem das Licht des Nebels fast ungehindert passieren. Auf diese Art und Weise ist es dann auch möglich, Strukturen in solchen lichtschwachen Objekten sichtbar zu machen. Beispiele sind PN G075.5+1.7 (Abb. 1), Abell 61 (Abb. 2) im Schwan oder Abell 74 (Abb. 3) im Füchschen. In der Regel werden solche Aufnahmen monochrome oder - bei Verwendung von Schmalbandfiltern - Falschfarbenaufnahmen sein. Das
Mischen der Schmalbandaufnahmen mit RGB-Aufnahmen ist meistens nicht ganz trivial und führt auch nicht immer zum gewünschten ästhetischen Eindruck.
Schwache Halos, helle Zentren Die Fotografie heller PN erscheint erst einmal sehr einfach. Im Falle des berühmten Ringnebels M 57 ist bekannt, dass der Ring außen in Rot und innen in Türkisblau leuchtet. Wenn man dann alle technischen Klippen der Astrofotografie meistert, hat man in der Regel ein hübsches, buntes Bild dieses Nebels im Fundus. Aber ist das alles? Ist das schon der ganze Nebel, oder ist der in Wirklichkeit viel größer, und seine Außenbereiche so viel lichtschwächer als der Ring, dass sie bei einem ,,normalen" Foto gar nicht erfasst werden können?
In der Tat zählt M 57 zu den PN, die auf tiefbelichteten Aufnahmen erkennen lassen, dass sie in Wirklichkeit viel größer sind, als sie zunächst erscheinen. Sie haben einen lichtschwachen Halo, der durchaus den mehrfachen Durchmesser des hellen Teils des Nebels haben kann.
1 PN G075.5+1.7, bicolor (H[O III][O III]). Teleskop: Refraktor
140 mm bei f/5,4; Kamera: Atik 460EX, H (HWB = 6 nm): 14 x 600 s, [O III] (HWB = 13 nm): 14 x 600 s
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2 Abell 61, Aufnahmedaten wie Bild 1, H: 9 x 600 s,
[O III]: 9 x 600 s
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Die Halos sind oft strukturiert und lassen Rückschlüsse auf ihre Entstehungsgeschichte zu. Gemeinsam ist ihnen ihre Lichtschwäche und damit der extreme Helligkeitsunterschied zwischen Zentralteil des PNs und seinem Halo. Für den Astrofotografen stellt dies eine besondere Herausforderung dar, wenn er beide Komponenten gleichzeitig in einem Bild darstellen will.
Natürlich kann man sich dafür entscheiden, eine kurzbelichtete Aufnahme des hellen Rings auszuschneiden und passgenau in eine tiefbelichtete Aufnahme einzukopieren, die den Halo zeigt. Mir persönlich sagt diese Lösung überhaupt nicht zu. Ich versuche deshalb, durch geschicktes, nichtlineares Anheben der lichtschwachen Bereiche diese soweit zu verstärken, dass sie gut sichtbar sind, ohne dass die hellen Bereiche ausge-
4 M 27, Aufnahmedaten wie Bild 1,
H: 22 x 600 s, [O III]: 14 x 600 s
3 Abell 74, Aufnahmedaten wie Bild 1, nur H: 17 x 600 s
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Planetarische Nebel
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Linkes Bild: NGC 6543, Aufnahmedaten wie Bild 1, H: 9 x 600 s + 22 x 60 s + 45 x 20 s, [O III]: 10 x 600 s + 22 x 60 s + 48 x 20 s
6 Rechtes Bild: NGC 6826,
Teleskop: Reflektor 235 mm bei f/5; Kamera: Atik 314L, H: 7 x 600 s
brannt sind. Beispiele sind Aufnahmen des Hantelnebels M 27 (Abb. 4) und des Katzenaugennebels NGC 6543 (Abb. 5), die beide einen riesigen lichtschwachen Halo besitzen. Werden bei den notwendigen Belichtungszeiten für die Halos die Kernbereiche überbelichtet, mache ich auch noch Belichtungsserien mit kürzeren Belichtungszeiten pro Einzelbild, um auch die Zentralbereiche noch mit Details darstellen zu können. Problematisch ist bei diesen extremen Helligkeitsunterschieden die Darstellung der Sterne. Das sieht man recht deutlich am Beispiel von NGC 6826 (Abb. 6). Ein kontinuierlicher Helligkeitsanstieg von außen nach innen, der die Sterne wie gewohnt ,,hübsch" aussehen lässt, ist kaum möglich.
Strukturen in winzigen PN NGC 6543 stellt an den Astrofotografen noch eine zweite Herausforderung, weil sein Zentralteil sehr klein und hell ist. Um ihn gut auflösen zu können, bedarf es einer größeren Brennweite von mindestens zwei Metern. Und selbst dann
sind kurze Belichtungszeiten im Sekundenbereich vonnöten, um die Strukturen nicht in die Sättigung laufen zu lassen. Meine besten Resultate habe ich mit einer Watec-Kamera 120N CCTV an einem Schmidt-Cassegrain-Teleskop bei 5.640 mm Brennweite und f/24 erzielt. Die Belichtungszeit betrug nur fünf Sekunden pro Einzelbild. Die Brennweite war zuvor mit einem Zweifach-Telekonverter erhöht worden (ich hatte nichts anderes zur Hand). Die schärfsten Aufnahmen, bei denen die Luftunruhe am geringsten war, wurden aussortiert und gestackt. Das Ergebnis wurde im Kontrast angehoben und geschärft. Deutlich sind die bekannten, im Licht des ionisierten Sauerstoffs strahlenden Bögen zu erkennen (Abb. 7).
Auch der Blaue Schneeball NGC 7662 ist solch ein Leuchtfeuer unter den PN. Erst durch die oben beschriebene Verlängerung der Brennweite auf über fünf Meter und (d.h. f/23) war seine Helligkeit so weit gedämpft, dass er gut aufgelöst und nicht ausgebrannt bei zehn Sekunden
Belichtungszeit pro Einzelbild erschien. Das Ergebnis zeigt Abbildung 8. Ein weiteres Beispiel ist der Schildkrötennebel NGC 6210 (Abb. 9), dessen innere Strukturen ich ebenfalls nur auf diesem Wege darstellen konnte.
Schmalbandaufnahmen zum Studium der Gasverteilungen Bei PN dominieren rote und türkise Farben. Die roten Farben rühren von der HLinie des angeregten Wasserstoffs und von der ,,verbotenen" roten Doppellinie [N II] des zunächst einfach ionisierten Stickstoffs her, die türkise Farbe stammt von ,,verbotenen" [O III]-Linien des zunächst zweifach ionisierten Sauerstoffs. Weitere Linien von [O III] im Blauen, H im Blauen, Helium (He II) im Blauen und im Gelben sowie Schwefel ([S II]) im Tiefroten sind weitaus schwächer, können aber leichte Farbverschiebungen bewirken. Die Linien von Wasserstoff und Stickstoff sind nur 1,5 bzw. 2,1 Nanometer voneinander entfernt, was handelsübliche H-Filter mit sechs Nanometer
7 NGC 6543, Teleskop: Reflektor
235 mm bei f/24; Kamera: Watec 120N, 120 x 5 s
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8 NGC 7662, Teleskop: Reflektor
235 mm bei f/23; Kamera: Watec 120N, 138 x 10 s
9 NGC 6210, Teleskop: Reflektor
235 mm bei f/24; Kamera: Watec 120N, 138 x 10 s
Planetarische Nebel
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10 NGC 2392, Teleskop: Reflektor
235 mm bei f/10; Kamera: Watec 120N, [O III] (HWB = 6 nm): 96 x 10 s
und mehr Halbwertsbreite (HWB) nicht trennen können. Bei der Schmalbandfotografie mit solchen Filtern erwischt man immer beide Linien zugleich und sollte deshalb H+[N II] angeben. In der Regel strahlen PN in H deutlich heller als in [S II], aber es gibt auch die umgekehrten Fälle und alles dazwischen. Ebenso kann H stärker oder auch schwächer als [O III] sein.
Auskunft, was da rot und was in welchen anderen Farben leuchtet, gibt z.B. die PN-Liste der FG Astrofotografie der VdS [1]. Anhand der gelisteten Intensitäten lässt sich leicht erkennen, welches der oder die Schmalbandfilter sind, die den größten Erfolg versprechen. Wenn man jedoch mit Hilfe von Schmalbandfiltern die Verteilung von Wasserstoff und Stickstoff sauber darstellen will, kommt man nicht umhin, extrem schmalbandige Filter mit Halbwertsbreiten von zwei Nanometern und weniger einzusetzen. Solche Filter werden für Amateure meines Wissens nicht angeboten. Immerhin lässt der Blick auf die Aufnahmen des Deep Sky Surveys (DSS) [2] meistens recht gut erahnen, mit welchen Ergebnissen man bei seinen eigenen fotografischen Bemühungen rechnen darf. Das gilt natürlich nur dann, wenn der Nebel eine wesentlich größere Fläche als das Beugungsscheibchen des Zentralsterns hat.
Extrem helle Zentralsterne Was macht man aber, wenn der PN recht klein und der Zentralstern extrem hell ist, so hell, dass er den PN ganz oder teilweise überstrahlt? Der Eskimonebel NGC 2392 ist solch ein Fall. Die Lösung ist re-
11 NGC 6572, Teleskop: Reflektor
235 mm bei f/24; Kamera: Watec 120N, [O III] (HWB = 6 nm): 384 x 5 s + 384 x 1,25 s
lativ trivial. Der Zentralstern ist ein Kontinuumsstrahler, der PN aber leuchtet nur in diskreten Emissionslinien. Also lassen Schmalbandfilter das Licht des Nebels fast ungehindert durch, während die Helligkeit des Zentralsterns stark gedämpft wird. Beim Einsatz eines Schmalbandfilters und einer langen Brennweite werden plötzlich auch Details in der Nähe des Zentralsterns sichtbar (Abb. 10). Der winzige PN NGC 6572 im Schlangenträger zeigt ebenfalls erst Strukturen, wenn man den Zentralstern mit einem Schmalbandfilter wirksam unterdrückt (Abb. 11).
Überraschungen PN sind immer wieder für Überraschungen gut. Sei es, dass Amateure auf ihren Aufnahmen bisher übersehene Nebel entdecken (z.B. PN G075.5+1.7), sei es, dass man selbst auf irgendeiner Aufnahme plötzlich etwas entdeckt, das ein PN sein könnte, und dann auch tatsächlich einer ist. Das ging mir so bei der Aufnahme von Sh2-232, einem Emissionsnebel im Fuhrmann, in dem ich einen kleinen runden Fleck entdeckte, der unter der Bezeichnung Pu2 schon bekannt war. Die astronomische Datenbank Simbad [3] leistet bei der Identifikation solcher Objekte wertvolle Dienste. Manchmal sind PN auch mit Größenangaben gelistet, die nur ihre hellsten Teile umfassen, und man stellt bei der Aufnahme fest, dass da noch viel mehr als erwartet ist, dass das Objekt noch viel weiter reichende schwache Ausläufer hat. Das erlebte ich bei der Aufnahme von Abell 22 im Sternbild Kleiner Hund. Auch der Kleine Hantelnebel M 76 wird im Allgemeinen mit viel zu kleinen Maßen angegeben.
12 M 76, Aufnahmedaten wie Bild 1,
H: 9 x 600 s, [O III]: 9 x 600 s
Tiefer belichtete Aufnahmen zeigen noch blasenartige Ausläufer mit ,,Haken" an ihren Enden (Abb. 12).
Es gibt für fast jedes Problem eine Lösung Je nach Problemstellung muss der Astrofotograf verschiede Optionen wählen oder kombinieren, um bei der fotografischen Darstellung der PN die vielfältigen Herausforderungen zu meistern. Bei winzigen Nebeln helfen lange Brennweiten und sehr kurze Belichtungszeiten. Dann erzielt man auch mit ungekühlten Videokameras schöne Ergebnisse. Bei der Unterdrückung des kontinuierlichen Lichts der Sterne haben sich Schmalbandfilter sowohl bei langen als auch bei kurzen Brennweiten bewährt. Bicolor-Aufnahmen durch H- und [O III]-Filter können bei der Kombination H[O III][O III] sogar einen recht natürlichen Anblick der PN wiedergeben. Besonderes Geschick wird dem Astrofotografen abverlangt, wenn er Objekte mit riesigen Helligkeitsunterschieden gefällig in einem Bild darstellen möchte, ohne lichtschwache Komponenten wegfallen oder helle Bereiche ausbrennen zu lassen. Manchmal sind hier aber Kompromisse erforderlich. Welche man dabei eingeht, ist eine Frage des persönlichen Geschmacks.
Internethinweise (Stand 2014): [1] http://astrofotografie.fg-vds.de/
downloads/pn_acker.xls [2] http://stdatu.stsci.edu/cgi-bin/
dss_form [3] http://simbad.cfa.harvard.edu/
simbad/sim-fcoo
VdS-Journal Nr. 52
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Planetarische Nebel
Juwelen rechts und links des Weges - Planetarische Nebel in Steckbriefen
von Carsten Dosche
Die vier Planetarischen Nebel (PN) des Messier-Katalogs haben die meisten Hobby-Astronomen höchstwahrscheinlich schon einmal beobachtet. Viele haben zumindest auch versucht, diese einmal zu fotografieren. Daneben gibt es allerdings noch eine riesige Zahl weiterer PN, bei denen sich die Beobachtungs- und Fotografiertätigkeit jedoch auf wenige prominente Vertreter wie den Eskimonebel oder den Saturnnebel zu beschränken scheint. Die vielen anderen Nebel sind oft sehr klein oder nicht besonders hell oder aus anderen Gründen irgendwie durchs Raster gefallen. Daher soll jetzt anhand einer kleinen Auswahl gezeigt werden, welche Kleinode an interessanten PN man abseits ausgetretener Pfade für visuelle Beobachtung und Fotografie entdecken kann. Die Objektdaten sind den ,,Cartes du Ciel" und SIMBAD entnommen.
Die nun folgenden PN wurden nach Rektaszension geordnet. Für jeden PN wird angegeben: Sternbild, Koordinaten (J2000), scheinbare visuelle Nebelhelligkeit und Abmessung in Bogensekunden. Alle diese PN sind in der gegenüberliegenden ganzseitigen Abbildung in sechs Reihen zu je vier Bildern von oben links nach unten rechts dargestellt (Norden oben, Osten links). Für fast alle Bilder wurde ein Celestron 9.25 eingesetzt (f = 2350 mm, im Text abgekürzt C 9.25), dazu eine gekühlte EMCCD-Kamera Andor LucaS (DL658M), für NGC 6765, Abell 72 und PK 80-6.1 eine Andor LucaR (DL604M). Der Leser kann den Aufnahmedaten entnehmen, ob die Serien als LRGB- oder RGB-Bilder erstellt wurden und mit welchen Filtern. Meine Aufnahmetechnik zum ,,Lucky Imaging" im Bereich Deep Sky habe ich im VdS-Journal Nr. 49 ab Seite 33 vorgestellt.
24 Planetarische Nebel auf einem Bild (s. Abb. rechte Seite)!
In sechs Reihen zu je vier Bildern von oben links nach unten rechts sind dies:
1 IC 289
Cassiopeia, 03 h 10 min 19 s, +61 Grad 19' 01'', 12,0 mag, 37'' IC 289 im sternreichen Grenzgebiet zwischen Cassiopeia und Perseus ist mittels Starhopping nur schwer zu finden. Eine Goto-Montierung und ein UHC-Filter sind hier zum Auffinden enorm hilfreich.
Aufnahmedaten: C 9.25, L: 1000 x 5 s (UHC), RGB: je 500 x 5 s
5 NGC 2022
Orion, 05 h 42 min 06 s, +09 Grad 05' 10'', 11,7 mag, 19'' Auch im Orion gibt es eine Reihe von PN, einer von ihnen ist NGC 2022.
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, L: 2500 x 2 s (UHC), RGB: je 500 x 2 s
2 NGC 1501
Camelopardalis, 04 h 06 min 59 s, +60 Grad 55' 14'', 12,0 mag, 52''
Der Austernnebel ist per Starhopping nur mit etwas Geduld zu finden, weil das Sternbild Giraffe wenig prägnant ist.
6 Abell 12
Orion, 06 h 02 min 20 s, +09 Grad 39' 14'', 13,9 mag, 37'' Abell 12 ist sowohl visuell als auch fotografisch eine Herausforderung, der Helligkeitsunterschied zum gerade einmal 30" entfernten Stern Orionis beträgt immerhin über acht Größenklassen. Ein [O III]-Filter ist Pflicht.
Aufnahmedaten: C 9.25, L: 1500 x 2 s (UHC), RGB: je 500 x 2 s Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, H/[O III]/H je 500 x 2 s
3 NGC 1514
Taurus, 04 h 09 min 17 s, +30 Grad 46' 33'', 10,8 mag, 100'' Dieser Nebel, obwohl einigermaßen hell und groß (Kristallkugelnebel), ist aus irgendwelchen Gründen nicht in bekannten Beobachtungsführern aufgelistet.
Aufnahmedaten: C 9.25, L: 1000 x 5 s (UHC), RGB: je 500 x 5 s
4 NGC 1535
Eridanus, 04 h 14 min 16 s, -12 Grad 44' 22'', 9,4 mag, 56'' ,,Cleopatras Auge" ist sehr hell und besonders die innere Struktur ist auch visuell leicht zu sehen - wenn man denn bei diesem sehr tief stehenden Objekt gutes Horizontseeing hat.
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, RGB je 500 x 2 s
VdS-Journal Nr. 52
7 NGC 2346
Monoceros, 07 h 09 min 23 s, -00 Grad 48' 24'', 12,5 mag, 55'' NGC 2346 ist ein für visuelle und fotografische Beobachtung sehr attraktiver bipolarer PN im Einhorn.
Aufnahmedaten: C 9.25, L: 1000 x 5 s (UHC), RGB: je 500 x 5 s
8 NGC 2371/2
Gemini, 07 h 25 min 35 s, +29 Grad 29' 26'', 11,2 mag, 44'' Neben dem bekannten Eskimonebel NGC 2392 gibt es auch in den Zwillingen weitere PN, einer der größeren ist NGC 2371/2, dem seine bipolare Form den Namen ,,peanut nebula" eingebracht hat.
Aufnahmedaten: C 9.25, RGB je 250 x 5 s
Planetarische Nebel
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Planetarische Nebel
9 NGC 6058
Hercules, 16 h 04 min 27 s, +40 Grad 40' 56'', 13,0 mag, 26'' NGC 6058 ist ein kleiner PN, der nicht sehr hell ist. Daher ist bei der Beobachtung ein UHC-Filter notwendig.
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, RGB je 500 x 5 s
16 NGC 6842
Vulpecula, 19 h 55 min 02 s, +29 Grad 17' 19'', 13,1 mag, 47'' Dieser PN ist nahezu unbekannt, was auch daran liegen kann, dass er kaum mit spektakulären Details aufwarten kann.
Aufnahmedaten: C 9.25, L: 500 x 5 s (UHC), RGB: je 250 x 5 s
10 NGC 6210
Hercules, 16 h 44 min 29 s, +23 Grad 48' 00'', 9,7 mag, 26'' Der Schildkrötennebel ist zwar klein, aber sehr hell. Um etwas von der komplexen Struktur des Nebels zu sehen, ist sehr gutes Seeing erforderlich.
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, RGB je 100 x 1 s
11 NGC 6765
Lyra, 19 h 11 min 06 s, +30 Grad 32' 43'', 12,9 mag, 38'' Neben dem Ringnebel M 57 gibt es in der Leier noch den fast unbekannten PN NGC 6765, der durch seine ungewöhnliche Form auffällt.
Aufnahmedaten: Cassegrain 300 mm/3000 mm (StW Nürnberg) RGB je 1000 x 2 s
12 NGC 6772
Aquila, 19 h 14 min 36 s, -02 Grad 42' 25'', 14,0 mag, 65'' Das Sternbild Adler beherbergt eine ganze Reihe PN, einer von ihnen ist NGC 6772.
Aufnahmedaten: C 9.25, RGB je 250 x 5 s
13 NGC 6778
Aquila, 19 h 18 min 25 s, -01 Grad 35' 47'', 13,3 mag, 16'' Der kleine Nebel NGC 6778 erscheint wie eine kleine Ausführung des Hantelnebels. Im Gegensatz zu vielen anderen Planetarischen Nebeln emittiert dieser Nebel auch stark im ionisierten Stickstoff [N II].
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, RGB je 500 x 2 s
14 NGC 6804
Aquila, 19 h 31 min 35 s, +09 Grad 13' 31'', 12,4 mag, 31'' NGC 6804 weist wie viele andere PN eine innere Ringstruktur auf.
Aufnahmedaten: C 9.25, RGB je 500 x 5 s
15 NGC 6818
Sagittarius, 19 h 43 min 58 s, -14 Grad 09' 13'', 10,0 mag, 44'' NGC 6818 ist ein kleiner kompakter PN mit hoher Flächenhelligkeit. Der Nebel steht allerdings sehr tief, so dass man auf gutes Horizontseeing angewiesen ist.
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, L: 1000 x 1 s, RGB: je 500 x 1 s
17 NGC 6894
Cygnus, 20 h 16 min 24 s, +30 Grad 33' 53'', 14,4 mag, 44'' Der ,,kleine Ringnebel" ist ein sehr schwacher ringförmiger Nebel mit für einen Planetarischen Nebel starken Rotanteilen. Da er inmitten der Milchstraße steht, ist für die Beobachtung ein UHC-Filter notwendig.
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, L: 1000 x 5 s (UHC), RGB: je 500 x 5 s
18 NGC 6905
Delphinus, 20 h 22 min 23 s, +20 Grad 06' 16'', 12,0 mag, 95'' Der ,,Blaue Blitz" ist ein relativ heller PN mit komplexer Struktur ohne nennenswerte Rotanteile, für [O III] allerdings ein sehr dankbares Objekt.
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, L: 1000 x 2 s (UHC), RGB: je 500 x 2 s
19 Abell 72
Delphinus, 20 h 50 min 02 s, +13 Grad 33' 30'', 14,6 mag, 127'' Abell 72 gehört noch zu den ,,helleren" Vertretern des AbellKatalogs, trotzdem ist sowohl visuell als auch fotografisch ein [O III]-Filter sinnvoll, da sonst der helle Nachbarstern BD+13 4532 (8,2 mag, Spektraltyp K0) stark stört.
Aufnahmedaten: C 9.25, H/[O III] je 750 x 10 s
20 NGC 7008
Cygnus, 21 h 00 min 33 s, +54 Grad 32' 36'', 12,0 mag, 86'' Auch der Schwan beherbergt eine Fülle von PN. Neben dem ,,Blinkenden PN" (NGC 6826) gehört NGC 7008 (der Fötusnebel) noch zu den bekannteren.
Aufnahmedaten: C 9.25, L: 500 x 2 s (UHC), RGB: je 500 x 2 s
21 PK 80-6.1
Cygnus, 21 h 02 min 18 s, +36 Grad 41' 37'', 13,5 mag, 34'' Der winzige ,,egg nebula" ist ein Protoplanetarischer Nebel, stellt also die erste Entwicklungsstufe eines PNs dar.
Aufnahmedaten: C 9.25, f = 4700 mm, RGB je 1000 x 2 s
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Planetarische Nebel
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22 NGC 7048
Cygnus, 21 h 14 min 15 s, +46 Grad 17' 18'', 11,0 mag, 55'' NGC 7048 steht zwischen Schwan und Cepheus. Visuell ist leider nur eine gleichmäßig blaue Scheibe sichtbar, der rote Rand entzieht sich der visuellen Beobachtung.
Aufnahmedaten: Celestron 9.25, L: 500 x 5 s (UHC), RGB: je 250 x 5 s
23 NGC 7094
Pegasus, 21 h 36 min 53 s, +12 Grad 47' 19'', 13,4 mag, 95'' NGC 7094 steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kugelsternhaufen M 15. Besitzer von Teleskopen größerer Öffnungen sollten hier unbedingt einen Abstecher wagen.
24 NGC 7354
Cepheus, 22 h 40 min 20 s, +61 Grad 17' 09'', 12,9 mag, 20'' NGC 7354 ist ein bipolarer Nebel, der in sehr lange belichteten Aufnahmen axiale Jets ähnlich dem Saturnnebel (NGC 7009) zeigt. Für Planetarische Nebel unüblich ist hier ein Nebelfilter nur eingeschränkt hilfreich.
Aufnahmedaten: Celestron 9.25, f = 4700 mm, L: 1000 x 2 s (UHC), RGB: je 750 x 2 s
Aufnahmedaten: Celestron 9.25, L: 1500 x 5 s (UHC), RGB: je 500 x 5 s
Emissionslinien der Planetarischen Nebel im sichtbaren Spektralbereich
von Peter Riepe
Sterne leuchten selbstständig, d.h., sie erzeugen Licht und senden es aus. Auch der Mond sendet Licht aus. Er erzeugt es aber nicht und leuchtet nicht selbst, sondern reflektiert lediglich das Licht der Sonne. Aussendung von Licht (Emission) und Lichtreflexion beobachten wir auch bei Gasnebeln. Selbstleuchtende Gasnebel wie H-II-Regionen, Planetarische Nebel (PN), Wolf-Rayet-Nebel und Supernovaüberreste erzeugen ihr Licht selbst. Sie werden daher Emissionsnebel genannt. Nebel, die nur das Licht der benachbarten Sterne reflektieren, heißen Reflexionsnebel.
Als massive Leuchtkörper strahlen die Sterne im sichtbaren Spektralbereich kontinuierliches Licht ab - Licht aller Wellenlängen zwischen etwa 400 und 700 Nanometern. Je nach Oberflächentemperatur erscheinen uns heiße Sterne etwas blauer, kühle Sterne etwas röter. Ihr kontinuierliches Licht empfinden wir als gleichmäßig ineinander übergehende Farben von Violett über Blau, Grün, Gelb und Orange bis hin zu Rot (Abb. 1, oben). Ganz anders ein Planetarischer Nebel. Er umgibt als Gashülle einen Zentralstern, der das Gas mit seiner starken ultravioletten Strahlungsenergie zur Emission bringt. Aber ein PN emittiert als selbstleuchtendes Gas geringer Dichte kein
1 Ein kontinuierliches Spektrum eines selbstleuchtenden Körpers (oben). Darunter
Spektren der drei chemischen Elemente Wasserstoff H, Helium He, Quecksilber Hg.
kontinuierliches Licht, sondern sendet nur Licht ganz bestimmter Wellenlängen aus, die man ,,Emissionslinien" nennt. William Huggins stellte dies bei seiner ersten PN-Spektroskopie im Jahr 1864 mit Erstaunen fest. Jedes chemische Element hat seine ihm eigenen, typischen Wellenlängen (Abb. 1, unten). Kriminalisten können anhand von Fingerabdrücken Verbrecher identifizieren, Astrophysiker identifizieren mit Hilfe der Emissionslinien die chemischen Elemen-
te eines PNs. Auch im infraroten und ultravioletten Spektralbereich besitzen die PN Emissionslinien. Im IR-Bereich gibt es z. B. gut zugänglich die Doppellinie des [S III] bei 906,9 und 953,2 Nanometern sowie die starke Linie des He I bei 1.083 Nanometern.
Was steckt hinter der Emission? Heiße Sterne, welche eine genügend starke UV-Strahlung aussenden, können ein umgebendes Gas mit dieser Strahlungs-
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Planetarische Nebel
2 Bei der Anregung (a) nimmt ein Elektron die Energie eines UV-Lichtquants (blau) auf
und wird dadurch von seinem Grundzustand (Position 1) in einen energetisch höheren Zustand gehoben (Position 2). Bildlich wird eine ,,höhere Bahn" um den positiv geladenen Atomkern eingenommen. Springt das Elektron nach der Rekombination vom Anregungszustand 2 nach 1 zurück (b), so gibt es seine Überschussenergie spontan in Form eines Lichtquants (rot) ab. Dies ist die Lichtemission.
energie ,,anregen". Die Gasatome (z. B. Wasserstoff oder Sauerstoff) nehmen diese Anregungsenergie als zusätzliche Energie auf. Physikalisch ausgedrückt werden die Atome in einen energetisch höheren, angeregten Zustand versetzt. Dies kann man sich bildlich so vorstellen, dass die Elektronen der Atome auf ,,energetisch höhere Bahnen" angehoben werden (Abb. 2a). Sie können sogar aus dem Atom herauskatapultiert werden, dann ist das Atom ionisiert. Aber irgendwann springen die Elektronen wieder ins Atom zurück (Rekombination), zunächst auf ein energetisch höheres Niveau, und von da aus auf eines der energetisch tieferen Niveaus (Abb. 2b). Bei allen Sprüngen zurück wird die überschüssige Energie in Form eines spontan emittierten Lichtquants wieder nach außen abgegeben. Das ist Lichtemission! Die Summe aller abgestrahlten Lichtquanten pro Sekunde ist der Lichtstrom. Und die Lichtfarben? Die lichtempfindlichen Zellen unseres Auges empfinden höherenergetische Lichtquanten als blaues oder gar violettes Licht, Lichtquanten geringer Energie erscheinen uns rot. Farbe und Wellenlänge des emittierten Lichts sind jedoch eindeutig definiert: Rotes Licht ist langwellig, violettes Licht ist kurzwellig. Die bei den Rekombinationen erzeugten Emissionslinien stellen also Licht verschiedener, aber ganz bestimmter Wellenlängen dar (Sprünge von außen ins Atom zurück, lassen wir hier einmal weg). Das bedeutet: Jeder Sprung zurück von einem höheren auf ein niedrigeres
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Energieniveau entspricht einer exakt definierten (,,diskreten") Wellenlänge. Ein Beispiel: Jeder kennt das Licht der typischen Natriumdampflampen an Fußgängerkreuzungen. Die gelbe NatriumEmissionslinie hat eine Wellenlänge von 589,3 Nanometern.
Die ,,verbotenen Linien" im Nebelspektrum Nun gibt es aber höhere Energiezustände, in denen angeregte Elektronen längere Zeit verharren können. Physiker sprechen von ,,metastabilen" Zuständen. So ein metastabiler Anregungszustand kann lange anhalten, ehe die angeregten Elektronen in den Grundzustand zurückspringen. Während dieser langen Zeit stoßen die Gasatome in dichten Gasen aber bereits sehr häufig zusammen. Durch diese Stöße wird der metastabile Zustand in geringere Energiezustände zurückversetzt, ohne dass dabei spontan ein Lichtquant emittiert wird. In dichtem Gas werden also mit Lichtemission verbundene reguläre Übergänge aus metastabilen Zuständen in tiefere Energieniveaus durch Stöße verhindert. Ein solcher Übergang kann sich quasi nicht ereignen und wird deshalb als ,,verbotener Übergang" bezeichnet.
Bei den galaktischen Gasnebeln oder bei den Planetarischen Nebeln ist die Gasdichte aber so gering, dass Stöße zwischen den Gasatomen nur ganz selten passieren. Von daher bleibt genügend Zeit, dass metastabile Zustände zwischen
den Stößen durch die üblichen Übergänge auf niedrigere Energieniveaus beendet werden können. In diesem Fall wird dann doch eine Emission beobachtet! Die so erzeugten Emissionslinien werden ,,verbotene Linien" genannt. Und jetzt etwas, was viele Amateure und Astro-Händler einfach nicht wissen und dann auf ihren Webseiten und in ihren Werbeanzeigen unterlassen: Alle verbotenen Linien werden durch eckige Klammern um das ionisierte Element gekennzeichnet, z.B. [S II] oder [O III]. Allerdings bleibe ich skeptisch, ob dieser Hinweis etwas nützt ...
Eine der bekanntesten verbotenen Linien ist die doppelte türkise Emissionslinie des zweifach ionisierten Sauerstoffs [O III] bei 500,7 und 495,9 Nanometer Wellenlänge. Sie wurde noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Unkenntnis der Physik dem chemischen Element ,,Nebulium" zugeordnet. Ira Sprague Bowen konnte diesen Unsinn beenden und 1927 den wirklichen Emissionsablauf erklären. Er führte diese verbotene Doppellinie auf den zweifach ionisierten Sauerstoff zurück.
Welche Emissionslinien sendet ein PN aus? Zunächst einmal ist Wasserstoff das häufigste Element im Weltall. Daher senden PN und andere Emissionsnebel primär die Emissionslinien des ionisierten Wasser-
Die wichtigsten PN-Emissionslinien im sichtbaren Spektralbereich
Linie
H [O III] He II H [O III] [O III] He I [O I] [N II] H [N II] [S II] [S II]
Wellenlänge (nm)
434,0 436,3 468,6 486,1 495,9 500,7 587,6 630,0 654,8 656,3 658,4 671,6 673,1
Farbe
violett violett blau blau türkis türkis gelb
rot rot rot rot dunkelrot dunkelrot
Tabelle 1: Die ,,verbotenen" Linien (siehe Text) stehen grundsätzlich in eckigen Klammern!
Planetarische Nebel
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stoffs aus. Deren hellste ist die bekannte rote H-Linie. Aber Wasserstoff emittiert auch die blaue H-Linie, sie trägt zur visuellen Sichtbarkeit der Emissionsnebel bei. Ferner gibt es die violette H-Linie und weitere, die in ihrer Intensität immer schwächer werden. H, H, H ... zusammen heißen Balmer-Linien (Abb. 1).
Planetarische Nebel emittieren auch Emissionslinien der Edelgase (z. B. Helium oder Neon). Sie sind jedoch aufgrund ihrer geringeren Häufigkeit durchweg schwächer als die Wasserstofflinien. Wichtig ist folgende Tatsache: Da der Zentralstern seine Außenschichten als umgebende, expandierende Gaswolke abgestoßen hat, sind im PN auch schwerere freigesetzte Elemente vorhanden. Neben den bereits genannten hellen verbotenen Emissionslinien des Sauerstoffs [O III] findet man auch die verbotenen Linien des Stickstoffs [N II] und des Schwefels [S II]. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten und hellsten Emissionslinien in Planetarischen Nebeln. Und noch einmal: Alle verbotenen Linien stehen in eckigen Klammern. Abb. 3 zeigt ein typisches PN-Linienspektrum.
Welche Farbe hat ein PN? Für Astrofotografen von Bedeutung: Die PN-Farbe wird dadurch bestimmt, welche Linien emittiert werden und wie die relative Stärke dieser Linien zueinander aussieht. Blaugrüne oder grünliche PN leuchten überwiegend in [O III]. Ein Paradebeispiel ist NGC 7662, der ,,blaue Schneeball". Er leuchtet in [O III] sechsbis siebenmal stärker als in H. Rote PN zeigen weniger oder sogar kaum [O III], dafür emittieren sie aber stark in H, [N II] oder [S II]. Ist ein PN rot, so heißt das aber nicht, dass grundsätzlich H dominiert! Der lichtschwache Sh2-78 z. B. ist knallrot, aber seine verbotenen [N II]Linien sind insgesamt etwa 3,2-mal so stark wie die H-Linie. Ähnliches gilt für KjPn 8 (siehe den Artikel von Hartmut Bornemann, S. 39). Abgesehen davon ist die Farbe der PN auch immer ein Bild der Elementverteilung über die sichtbare Fläche des Nebels. Bestimmte Strukturen treten im Licht verschiedener Emissionslinien auch unterschiedlich in Erscheinung. Nahe am Zentralstern ist - wie bei M 57 als Musterbeispiel - die blaue Farbe am intensivsten, weiter außen macht sich dann das H-Leuchten stärker be-
3 Spektren der PN Pa 9 und Te 11 (hier als Profildarstellung aus Jacoby, Kronberger
et al. 2009). Bei Pa 9 dominiert die [O III]-Linie, bei Te 11 dagegen kommen H, [N II] und [S II] viel stärker heraus.
merkbar. Hier wird der Anregungsgrad erkennbar: Hoch angeregte PN sind blau, gering angeregte Nebel rot.
Internet- und Literaturhinweise: [1] M. Scholz (2009): Kleines Lehrbuch
der Astronomie und Astrophysik, Band 15, Grundlagen der Sternspektroskopie; siehe auch: www.astronomie.de/uploads/media/ Kleines_Lehrbuch_der_Astronomie_ und_Astrophysik_Band_15.pdf [2] http://universal_lexikon.deacademic. com/314851/verbotene_Linien [3] http://de.academic.ru/dic.nsf/ dewiki/1454009 [4] G. H. Jacoby, M. Kronberger et al. (2009): Searching for Faint Planetary Nebulae Using the Digital Sky Survey; arXiv:0910.0465v1 [astro-ph.SR]
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Planetarische Nebel
Für Nachteulen: M 97 visuell und fotografisch
von Hans Lammersen
Dass der etwa 6000 Jahre junge Planetarische Nebel M 97 auch als Eulennebel bezeichnet wird, ist auf eine bipolare Aushöhlung im Zentrum zurückzuführen, die auf visuelle Beobachter den Eindruck der Augen des nachtaktiven Vogels macht. Auch ältere Zeichnungen (z. B. von Lord Rosse, 1848) zeigen dies. Übrigens stammt auch der Zweitname von eben jenem Lord Rosse. Mit den oben angesprochenen 6000 Jahren ist der im Sternbild Großer Bär liegende M 97 der jüngste Nebel des Messier-Katalogs. Entdeckt wurde er aber nicht von Messier, sondern von Pierre Mechain im Jahr 1781, Messier beobachtete ihn erst einen Monat später. In den Jahren darauf folgten weitere Beobachtungen anderer Astronomen, die teilweise differierten. So sah Lord Rosse mit seinem 72-ZollSpiegel in den augenförmigen Aushöhlungen der Zentralregion zwei Sterne
2 M 97, Zeichnung von Uwe Glahn,
27-Zoll-Newton, Vergrößerung 419fach, visuelle Grenzgröße 6,5 mag, Seeing III
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und hielt sie auch zeichnerisch fest, eine Beobachtung, die - was den Stern in der westlichen Höhle betrifft - nie wieder nachvollzogen werden konnte. Dafür übersah der Lord den wesentlich helleren Stern im Zentrum des Nebels. Dieser blaue Zentralstern ist mit ca. 85.000 Kelvin sehr heiß und mit 0,7 Sonnenmassen wesentlich massereicher als der Nebel mit seinen 0,15 Sonnenmassen. Cahn et al. (1992, [1]) haben eine Entfernung von 0,615 Kiloparsec ermittelt (ca. 2000 Lichtjahre).
Das Erscheinungsbild des 170 Bogensekunden ausgedehnten Nebels ist recht komplex. Nach Guerrero et al. (2003, [2]) besitzt er drei Schalen: eine wenig elongierte, innere Schale, eine runde Außenschale und einen bogenförmigen Halo. Dieser mehrschalige Aufbau ist in Abb. 1 gut zu erkennen. Der Nebel zeigt insgesamt eine nur mäßige Expansionsbewegung. Die Expansionsgeschwindigkeit liegt laut Cuesta & Philipps (2000, [3]) bei 27 Kilometern pro Sekunde für H, 37 Kilometern pro Sekunde für [S II] und 39 Kilometern pro Sekunde für [N II]. Die Expansion verläuft also für die verschiedenen chemischen Elemente nicht gleich.
3 M 97, Zeichnung von Daniel Res-
temeier, 16-Zoll-Newton mit f/5 bei 200-facher Vergrößerung, UHC-Filter. Das Gesichtsfeld betrug 20, visuelle Grenzgröße 6,8 mag, Seeing II
1 M 97, aufgenommen im Wesent-
lichen mit dem 1,23-m-Teleskop des Calar-Alto-Observatoriums [5], verschiedene Filter, Gesamtbelichtungszeit: fünf Stunden. Bildautoren: Vicent Peris, Jose Luis Lamadrid, Jack Harvey und Steve Mazlin
Das liegt daran, dass die rot leuchtenden, gering ionisierten Zonen wie [N II]-Knoten weiter außen liegen, wo nach Weinberger (1989, [4]) bei allen PN mit zunehmendem Abstand zum Zentralstern eine beschleunigte Expansion registriert wird.
Der Halo des Nebels entstand in der frühen AGB-Phase des Zentralsterns durch Sternwinde, die mit einem nur geringen Masseverlust des Zentralsterns einhergehen (höchstens eine Sonnenmasse in mehreren Millionen bis einer Milliarde Jahren). Möglicherweise reichte die Entstehung des Halos auch noch in die Phase der thermischen Pulse hinein. Der Hauptbereich des Nebels ist hingegen das Ergebnis der späten AGB-Phase, als der Zentralstern durch den sogenannten ,,Superwind" viel Masse verlor. Die Augenhöhlen sind eine Folge eines schnellen stellaren Windes, der vom Zentralstern ausging, heute aber nicht mehr existiert. Durch den ausbleibenden Gasdruck fällt Material in die Augenhöhlen zurück.
Visuell ist der Nebel eines der schwächsten Objekte im Messier-Katalog, allerdings ist er hier durch seine hauptsächlich im grünen Spektralbereich emittierte
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[O III]-Strahlung mit 9,9 mag heller als fotografisch. Der Zentralstern kommt auf einen Wert von 16 mag. Visuell bleibt der Nebel auch bei größeren Instrumenten konturlos. Für die Eulenaugen sollte man es mit mindestens 200 Millimetern Öffnung versuchen, wobei sich unterschiedliche Beobachter über den Sinn eines [O III]-Filters uneinig sind. Während er von einigen Beobachtern empfohlen wird, raten andere eher davon ab: Dabei würden die Kontraste zwischen den dunklen Augenbereichen und dem Rest des Nebels eher undeutlicher. Uwe Glahns Zeichnung (Abb. 2) gibt den Eindruck in einem großen Instrument bei guten bis sehr guten Sichtbedingungen ohne Filter wieder. Deutlich sichtbar sind die Augen und die drei Sterne sowie einige Strukturen innerhalb des Nebels. Unsichtbar bleiben die diffusen Randstrukturen sowie der Halo. Diese tauchen nur auf langbelichteten Fotografien auf. Demgegenüber zeigt die Zeichnung von Daniel Restemeier (Abb. 3) den Anblick mit Filter.
Planetarische Nebel emittieren keine Kontinuumsstrahlung, sondern haben wenige, dafür aber intensiv leuchtende Emissionslinien. Das Spektrum von M 97 (Abb. 4) zeigt, wo diese liegen: Am stärksten ist die Doppellinie des zweifach ionisierten Sauerstoffs [O III] bei 495,9 und 500,7 Nanometern. Im Blaubereich ist auch die H-Linie bei 486,1 Nanometern auffällig, unscheinbar die blaue He-II-Linie bei 468,6 Nanometern. Im roten Bereich liegt die H-Linie des Wasserstoffs bei 656,3 Nanometern, flankiert unmittelbar links und rechts durch die doppelte
4 Spektrum von M 97 in Profilansicht (oben), aufgenommen 2013 mit einem Celestron 11
und dem Spektrograf Alpy 600 von Christian Buil [6]. Belichtung 9 x 10 min. Auf der Rechtsachse sind die Wellenlängen in Ångström aufgetragen (10 Å = 1 nm), auf der Hochachse die Linienintensität. Das untere Spektrum wurde aus diesen Linien unter Beachtung der Intensitäten als Farbbild rekonstruiert (P. Riepe).
Linie des ionisierten Stickstoffs [N II] bei 654,8 und 658,4 Nanometern. Bemerkenswert ist, dass beide [N II]-Emissionen zusammen ähnlich stark wie H sind.
Verwendet man bei der CCD-Fotografie entsprechende Schmalbandfilter, die im Wesentlichen nur das Licht der genannten Spektralbereiche durchlassen, dann kann man auch bei schlechteren äußeren Bedingungen wie zum Beispiel Lichtverschmutzung oder Aufhellung des Himmels durch Mondlicht dennoch gute Aufnahmen gewinnen. Abb. 5 zeigt eine LRGB-Aufnahme, Abb. 6 eine Aufnahme, die mit Hilfe von [O III]- und H-
Filtern gewonnen wurde. Abb. 5 ist fast bei Vollmond entstanden, Schmalbandfilter erhöhen also die Anzahl der nutzbaren Nächte. Man sieht jedoch deutlich den Unterschied: Die engbandigen Filter lassen nur das Licht eines schmalen Wellenlängenbereichs um die leuchtintensiven Emissionslinien durch. Sie reduzieren das kontinuierliche Sternlicht drastisch, was man im Nebel besonders deutlich an den schwachen Sternen sieht. In der LRGB-Aufnahme sind die Sterne hingegen schön zu sehen. Wer sich intensiver mit der Fotografie Planetarischer Nebel beschäftigen möchte, dem seien die weiteren Artikel von Michael Deger (S.
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Planetarische Nebel
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Harald Strauß nahm M 97 am 9.3. und 20.3.2014 an der Sternwarte Gahberg auf; Teleskop: 14-ZollHypergraf bei f = 3,1 m und SBIG STL-11000M, insgesamt sieben Stunden belichtet (L ohne Binning, RGB mit 2x2-Binning).
48) und Manfred Mrotzek (S. 8) in dieser Ausgabe ans Herz gelegt.
Sowohl für den Fotografen als auch für den visuellen Beobachter bietet das Feld um M 97 herum noch einige Besonderheiten. Auf vielen Bildern von M 97 ist auch nordwestlich die etwa 30 Millionen Lichtjahre entfernte helle Spiralgalaxie M 108 zu sehen (Abb. 7). Schwieriger ist da schon die Hintergrundgalaxie
MCG+9-19-14, die auch auf der Zeichnung von Uwe Glahn (Abb. 2) als kleines Anhängsel des Sterns links unten zu sehen ist. 350 Millimeter Öffnung braucht man hierfür schon. Ein richtig schwerer Brocken ist die Hickson Compact Group 50 mit fünf Galaxien zwischen 19 und 21 mag etwas östlich von M 97 (Abb. 8). Sie gilt als die schwierigste, weil am weitesten entfernte Gruppe (ca. 2 Milliarden Lichtjahre) aus dem Katalog des
kanadischen Astronomen Paul Hickson, der hundert Galaxiengruppen enthält. Visuell schafft man HCG 50 wohl nur bei allerbesten Sichtbedingungen und großer Öffnung. Fotografisch ist es Josef Müller gelungen, mit einer CCD-Kamera und 15 Minuten Belichtungszeit die kleinen Nebelchen aufs Bild zu bannen.
6 Mark Elvov belichtete M 97 am 22.05.2013 bei 86 % Mond remote in Arizona; 250-mm-Reflektor GSO RC10, CCD-Kamera QSI
683 ws. Belichtungen: R, G und B jeweils zwei Stunden, acht Stunden mit [O III]-Filterung.
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7 Linke Seite: Mosaik von M 97 mit
M 108, Norden oben, 300-mm-ACF mit f = 2000 mm und Canon 20Da, dazu Epsilon 200 (Takahashi, Apertur f/4) mit Canon 60Da, Gesamtbelichtung 9 h 53 min für M 97 (März 2013) und 6 h für M 108 (Frühjahr 2013 und 2014). Bildautor: Bruno Mattern
Objekt M 108 M 97 HCG 50
Deep-Sky-Objekte bei M 97
Objekttyp Galaxie PN Gx-Gruppe
Rektasz./Dekl. (J2000) 11 h 11 min 31 s, +55 Grad 40`27`` 11 h 14 min 48 s, +55 Grad 01` 09`` 11 h 17 min 06 s, +54 Grad 55` 06``
Internet- und Literaturhinweise: [1] J. H. Cahn, J. B. Kaler, L. Stanghellini (1992):
A catalogue of absolute fluxes and distances of planetary nebulae; Astron. & Astrophys. Suppl. Ser. 94, 399 [2] M. A. Guerrero et al. (2003): Physical structure of planetary nebula. I. The owl nebula. Astron. Journal 125, 3213 - 3221 [3] L. Cuesta, J. P. Philipps (2000): Excitation and density mapping of NGC 3587. Astron. Journal. 120, 2661 - 2669 [4] R. Weinberger (1989): A catalogue of expansion velocities of galactic planetary nebulae; Astronom. & Astrophys. Suppl. Ser. 78, 301-324 [5] Calar-Alto-Observatorium und M 97: www.caha.es/the-owlnebula_de.html [6] Christian Buil, Spektroskopie mit Alpy 600: www.astrosurf. com/buil/alpy600/first_light.htm
8 Die Galaxiengruppe Hickson 50 (Bildausschnitt), aufgenom-
men von Josef Müller mit einem 300-mm-Newton (LOMO, Apertur f/5) und CCD-Kamera SBIG ST-7, Belichtung 3 x 5 min. Fünf Galaxien zwischen 19 und 21 mag ordnen sich - aus unserer Sicht - zu einem Ring von 45 x 25 an.
Die Planetarischen Nebel des Herschel-Katalogs
von Christian Harder
Friedrich Wilhelm Herschel (1738-1822) entdeckte im Laufe seiner Beobachtungstätigkeit in unserem Sonnensystem den Planeten Uranus, später seine beiden Monde Titania und Oberon sowie die beiden inneren Saturnmonde Mimas und Enceladus. Beim systematischen Durchmustern des Nachthimmels entdeckte er darüber hinaus mehrere hundert Doppelsterne und allerlei ,,Nebel". Heute wissen wir, dass es sich bei den meisten um ferne Galaxien handelt. Diese wurden später im sog. Herschel-2500-Katalog (kurz: H 2500) zusammengefasst. Dieser wiederum bildete die Grundlage für den später von J. Dreyer (1852-1926) zusammengestellten ,,New General Catalogue" (NGC, [1]). Herschel benutzte für seine Beobachtungen vornehmlich einen sehr
gelungenen 18,7-zölligen Metallspiegel (47,5 cm) mit 20 Fuß Brennweite (600 cm). Das Teleskop wurde zuerst als Newton, später - um die Bildhelligkeit durch Wegfall des Fangspiegels zu erhöhen - als ,,Frontview"-Variante erfolgreich benutzt. Die Leistungsfähigkeit der damaligen ,,Frontview"-Variante ist in etwa mit der eines modernen, unter gutem Landhimmel stehenden 12-zölligen NewtonTeleskops vergleichbar.
F. W. Herschel unterteilte seine beobachteten Objekte zur besseren Unterscheidung in verschiedene Objektklassen IVIII: I: helle Nebel II: schwache Nebel III: sehr schwache Nebel
IV: Planetarische Nebel V: sehr große Nebel VI: kompakte Sternhaufen VII: kompakte Sterngruppen VIII: lockere Sterngruppen
Die Klasse IV bildet einen Schmelztiegel aus insgesamt 78 Objekten. Sie bestand keineswegs nur aus Planetarischen Nebeln (PN). Herschel ordnete ihr vielmehr diverse Objekte zu, die er nicht anderweitig einordnen konnte.
Bei seinen Beobachtungen am 13. März 1781 stieß Herschel eher zufällig mit seinem 7-Fuß-Teleskop auf einen vermeintlichen neuen Kometen. Dieser entpuppte sich dann aber schnell wegen seiner für Kometen untypischen sowie seiner recht
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Planetarische Nebel
Die von F. W. Herschel entdeckten Planetarischen Nebel
NGCNr.
40* 246* 651* 1501* 1514 1535* 2022* 2346 2371* 2372* 2392* 2438* 2440* 2610 3242* 4361* 6058 6369* 6445* 6543* 6629* 6742 6772 6781* 6804 6818* 6826* 6894 6905* 7008* 7009* 7076 7139 7354 7662*
Name
Sternbild
Scarabaeusnebel
Cep
Totenkopfnebel
Cet
Kleiner Hantelnebel Per
Kamelauge
Cam
Kristallkugel
Tau
Cleopatras Auge
Eri
-
Ori
-
Mon
Erdnussnebel
Gem
Erdnussnebel
Gem
Eskimonebel
Gem
-
Pup
Insektennebel
Pup
-
Hya
Jupiters Geist
Hya
-
Cor
-
Her
Kleiner Geist
Oph
Kleiner Edelstein
Sgr
Katzenaugennebel Dra
-
Sgr
-
Dra
Smaragd
Aql
Schneeball
Aql
-
Aql
Kleiner Edelstein
Sgr
Blinkender Nebel
Cyg
Kleiner Ringnebel Cyg
Blauer Blitz
Del
Fötusnebel
Cyg
Saturnnebel
Aqr
-
Cep
-
Cep
-
Cep
Blauer Schneeball And
Rektasz. (h min)
00 13 00 47 01 42 04 07 04 09 04 14 05 42 07 09 07 26 07 26 07 29 07 42 07 42 08 33 10 25 12 24 16 04 17 29 17 49 17 59 18 26 18 59 19 15 19 18 19 32 19 44 19 45 20 16 20 22 21 01 21 04 21 26 21 46 22 40 23 26
Dek ( Grad ,l.)
+72 31 -11 52 +51 34 +60 55 +30 47 -12 44 +09 05 -00 48 +29 29 +29 29 +20 55 -14 44 -18 13 -16 09 -18 39 -18 47 +40 41 -23 46 -20 00 +66 38 -23 12 +48 28 -02 42 +06 32 +09 14 +14 09 +50 31 +30 34 +20 06 +54 33 -11 22 +62 53 +63 47 +61 17 +42 32
V (mag)
10,6 11,8 10,1 11,4 9,4 10,6 10,1 11,3 11,2 11,2 9,1 10,8 9,4 12,7 7 10,9 12,9 11,4 11,2 8,1 9,9 13,4 12,7 11,8 12 9,3 10,1 12,3 11,1 10,7 8 13,5 13,3 12,2 8,3
Durchm (, esser )
1,2 x 0,8 2,75 x 2,75
4,0 x 2,2 0,9 x 0,9 3,0 x 2,9 0,75 x 0,7 0,4 x 0,4 2,5 x 1,3 2,2 x 1,0 2,2 x 1,0 0,75 x 0,75 1,1 x 1,1 1,2 x 1,0 1,0 x 0,9 1,0 x 0,75 2 3 x 2,1 0,4 x 0,4 1,1 x 1,1 2,8 x 2,8 6,75 x 5,25 0,3 x 0,3 0,5 x 0,45 1 4 x 1,2 2,5 x 2,1 1,0 x 0,9 0,5 x 0,5 2,25 x 2,25 0,9 x 0,9 1,4 x 0,6 1,8 x 1,6 1,0 x 0,6 0,95 x 0,95 1,3 x 1,3 0,4 x 0,4 0,6 x 0,5
Zentralstern (mag)
11,6 11,9 15,9 14,4 10,1 11,6 14,9 11 15,5 15,5 10,5 17,5 18,9 15,9 12,1 13,2 13,6 15,5 19 10,9 12,8 19,4 18,2 16,2 14,4 15 10,6 17,6 13,5 13,2 11,5 17,4 18,1 16,1 12,5
entdeckt H-Bez.
25.11.1788 27.11.1785 12.11.1780 03.11.1787 13.11.1790 01.02.1785 28.12.1785 05.03.1790 12.03.1785 12.03.1785 17.01.1787 19.03.1786 04.03.1790 31.12.1785 07.02.1785 07.02.1785 18.03.1787 21.05.1784 27.06.1785 15.02.1786 24.08.1784 08.07.1788 21.07.1784 20.07.1788 25.08.1791 08.08.1787 06.09.1793 17.07.1784 16.09.1784 14.10.1787 07.09.1782 15.10.1794 05.11.1787 03.11.1787 06.10.1784
IV 58 V 25 I 193 IV 53 IV 69 IV 26 IV 34 IV 65 II 316 II 317 IV 45 IV 39 IV 64 IV 35 IV 27
I 65 III 637 IV 11 II 586 IV 37 II 204 III 742 IV 14 III 743 VI 38 IV 51 IV 73 IV 13 IV 16 I 192 IV 1 III 936 III 696 II 705 IV 18
langsamen Bewegung als neuer Planet. Warum aber benannte Herschel eine seiner Objektklassen von feststehenden Objekten nun als Planetarische Nebel? Auszüge aus Herschels Zusammenfassung vom 1. Januar 1785 einiger seiner Beobachtungen [2] beantworten diese Frage:
Den ersten (NGC 7009) im Wassermann: ,,Klein, oval und schön definiert in dem 7-füßigen Newtonsystem (15,8 cm/210 cm, mit Fangspiegel ca. f/13), aber nicht scharf an den Enden. Im 20-Fuß-Instrument ist er sehr viel besser definiert, mit einer einheitlichen Helligkeit ist die Erscheinung planetarisch."
Den zweiten (NGC 7662) in der Androm eda: ,,Rundlich, hell, recht schön definiertes planetarisches Scheibchen mit 12 Durchmesser und etwas elliptisch geformt. Wenn
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1-6 Abbildungen von links oben nach rechts unten:
NGC 4361, 24.04.2014, 16-Zoll-Dobson, V = 192-fach, N unten, GF 30 NGC 6058, 19.07.2014, 12-Zoll-Dobson, V = 192-fach, N links, GF 15 NGC 6543, 16.07.2014 bei Mondschein, 12-Zoll-Dobson, V = 300-fach, N oben, GF 5 NGC 6772, 23.07.2014, 12-Zoll-Dobson, V = 125-fach, N unten, GF 15 NGC 6804, 23.07.2014, 12-Zoll-Dobson, V = 300-fach, N unten, GF 8 NGC 6826, 16.07.2014 (Mondschein), 12-Zoll-Dobson, V = 160-fach, N rechts, GF 10
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7-11 Abbildungen von links oben nach
rechts unten:
NGC 6894, 19.07.2014, 12-Zoll-Dobson, V = 192-fach, N unten, GF 8
NGC 6905, 19.07.2014, 12-Zoll-Dobson, V = 300-fach, N unten, GF 8
NGC 7008, 09.08.2013, 16-Zoll-Dobson, V = 192-fach, N unten, GF 6
NGC 7076, 09.08.2013, 16-Zoll-Dobson, V = 192-fach, N rechts, GF 6
NGC 7662, 16.07.2014 bei Mondschein, 12-Zoll-Dobson, V = 160-fach, N unten, GF 8
man ihn mit 7-füßigen oder kleineren Optiken betrachtet, erscheint er nicht annähernd so definiert wie mit der größeren 20-Fuß-Optik."
Den dritten (NGC 6369) im Schlangenträger: ,,Rund, recht hell und deutlich definiert mit einem Durchmesser von 30 Bogensekunden"
Den vierten (NGC 6905) im Delphin: ,,Perfekt rund, recht hell und schön definiert, ¾ Bogenminute im Durchmesser"
Den fünften (NGC 6894) im Schwan: ,,Exakt rund, gleichmäßige Helligkeit, recht schwach, mit einem Durchmesser von einer Bogenminute"
Auffällig ist, dass der zu dieser Zeit 47-jährige Herschel (sicherlich mit noch gesunden Augen ausgestattet) bei keiner seiner Beschreibungen eine Farbigkeit der Objekte wahrnahm, obwohl ihm doch das eine oder andere Objekt deutlich grünlich bis bläulich erschienen sein muss. Er fand aufgrund der nicht wahrgenommen Farbgebung der Objekte keine Parallele zu seinem 1781 entdeckten, grünlich schimmernden Planeten Uranus. Weiterhin stellte er bei Kontrollbeobachtungen keine Positionsveränderung und somit keine für Planeten typische Eigenbewegung fest. Lediglich die rundliche Form der meisten dieser Objekte erinnerte ihn wohl an die bekannten Planeten. Die wahre Natur der PN erkannte Herschel nach Verwerfung seiner vorher aufgestellten, hier nicht weiter beschrie-
benen Theorien erst im Jahr 1791. Denn am 13. November 1790 entdeckte er am später als NGC 1514 benannten Objekt, dass ,,ein Stern 8-ter Größe von einer schwachen beleuchteten Atmosphäre mit einer beträchtlich Ausdehnung umhüllt wurde" [2]. Weiter folgerte er aus seiner Beobachtung: ,,Der Stern ist vollkommen im Mittelpunkte, und die Atmosphäre um ihn ist fein und zart, dass der Gedanke, sie bestehe aus Sternen, ganz unzulässig ist, auch kann kein Zweifel über die augenscheinliche Verbindung zwischen dem Sterne und seiner Atmosphäre sein" [3]. Herschel schloss weiter richtig, dass auch von ihm beobachtete PN ohne Zentralstern, welche verborgen außerhalb der Reichweite seiner Optik leuchten, aus demselben ,,Atmosphärenstoff" bestehen müssten.
Ich möchte nun dazu anregen, die überschaubare Menge der von W. Herschel entdeckten 35 PN einmal selber zu beobachten. Legt man die H-400-Liste zugrunde, reduziert sich die Zahl auf 24 Objekte (in der Tabelle hinter der NGCNr. mit * gekennzeichnet). Der Tabelle ist in der letzten Spalte zu entnehmen, welcher Klasse Herschel das jeweilige Objekt zugeordnet hat. Mit Hilfe der Helligkeitsangabe der Zentralsterne [4] lässt sich abwägen, welche mit der eigenen Optik erreichbar sein sollten. Zu bedenken ist, dass die Zentralsterne vor hellen Hintergründen liegen und so der Kontrast geringer ist als bei freistehenden Sternen mit vergleichbarer Magnitude. Die erreichbare Größenklasse ist so praktisch niedriger anzusetzen.
Ich habe in den vergangen Jahren die komplette H-400-Liste, sozusagen ein ,,Best of" des H-2500-Kataloges, vollständig mit meinen 10- und 16-zölligen Newtonteleskopen beobachtet. Mitte des letzten Jahres, nach Erwerb des Buches von Mark Bratton [5], entschloss ich mich nach einigem Zögern, den H-2500-Katalog anzugehen. Sämtliche aufgeführten PN waren generell leicht zugänglich, wenn ich auch einige horizontnah gelegene in den südlicheren Ländern Frankreich und Kroatien aufgesucht habe.
Hinweis der Redaktion: Zur besseren Orientierung des Lesers hat der Autor in den Bildlegenden noch die Lage der Himmelsrichtungen angege-
ben, außerdem den Durchmesser des Gesichtsfeldes (GF) in Bogenminuten.
Literatur- und Softwarehinweise: [1] Wolfgang Steinicke: Nebel und
Sternhaufen, Books on Demand (2009) [2] Michael A. Hoskin: William Herschel and the construction of the heavens (1963) [3] Hermann J. Klein: Astronomische Abende, 4. Auflage 1897 [4] Projekt Pluto, Astronomieprogramm Guide 9 [5] Mark Bratton: The complete guide to the Herschel objects; Cambridge University Press (2011)
Inserentenverzeichnis
astronomie.de, Neunkirchen
49
Astro-Shop, Hamburg
U2
Astroshop.de nimax GmbH,
21
Landsberg
Baader Planetarium,
U4
Mammendorf
Bresser GmbH, Rhede
59
e-enterprise, Verlag für Wissen- 127 schaft, Kultur und Fotografie, Lemgo
Gerd Neumann jr., Hamburg
19
Koring, Marocco
42
Kosmos Verlag, Stuttgart
37
Optical Vision Ltd., UK
U3
Optische Geräte Wolfgang Lille, 53 Heinbockel
Spektrum der Wissenschaft Ver- 35 lagsgesellschaft mbH, Heidelberg 141
Verein zur Förderung der
41
Raumfahrt VfR e.V., München
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Planetarische Nebel
,,Lilge1" (Li1) - ein neuer GroßstadtNebel im Sternbild Pfeil
von Stefan Lilge
Planetarische Nebel werden heutzutage in größerer Zahl auch durch Amateure entdeckt, die den Palomar Sky Survey und andere online verfügbaren Himmelsdurchmusterungen nach bisher übersehenen Objekten durchsuchen. Seltener geschieht es hingegen, dass Amateure neue Planetarische Nebel in eigenen Aufnahmen bemerken. Dieses Glück hatte ich im Juli 2013, als ich zum wiederholten Mal den Wolf-Rayet-Nebel Sh2-80 im Sternbild Pfeil fotografierte.
Wie üblich, hatte ich mein Teleskop auf meiner Dachterrasse in der Berliner Innenstadt (Nähe Rathaus Neukölln) aufgebaut. Sicherlich kein guter Standort, aber wenn man im 5. Stock eines Hauses ohne Fahrstuhl in einer Straße wohnt, in der meist keine freien Parkplätze verfügbar sind, sind Beobachtungsfahrten in das Umland mit einem hohen Aufwand verbunden. Als Aufnahmeoptik diente ein 10-zölliges Teleskop in einem modifizierten Schmidt-Cassegrain-Design, das ich mit ca. zwei Metern Brennweite benutze. Dies ergibt mit meiner CCD-Kamera einen Abbildungsmaßstab von 0,57 Bogensekunden pro Pixel, also eine recht hohe Auflösung, die allerdings auch ein gutes Seeing voraussetzt.
Ich habe zwei Nächte lang vorwiegend H-gefilterte Aufnahmen gemacht, aber auch einige [O III]- und kurzbelichtete RGB-Bilder. Die Daten verarbeitete ich zu einem H:[O III]:[O III]-Farbbild und kombinierte dies mit einem RGB-Bild, um halbwegs realistische Sternfarben zu erhalten. Das fertig bearbeitete Bild habe ich dann wie immer auf Artefakte (hot pixels, cosmics) untersucht. Dabei fiel mir nahe der linken unteren Bildecke ein kleiner runder Nebel auf, den ich bei meinen früheren Aufnahmen von Sh2-80 nicht bemerkt hatte (Abb. 1). Er befand sich bei den Koordinaten Rektasz. = 19 h 12 min 10,365 s und Dekl. = +16 Grad 46' 36,47''. Erfreut über diesen unerwarteten ,,Beifang" wollte ich in der Planetariumssoftware ,,Guide" den Nebel identifizieren, diese kannte dort aber keinen Nebel. Auch
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die sehr umfassende Internet-Datenbank ,,SIMBAD", die vom ,,Strasbourg Astronomical Data Centre" betrieben wird, fand im Umkreis von fünf Bogenminuten um den Ort des kleinen Nebels kein passendes Objekt.
So langsam wurde ich unruhig, da es mir mittlerweile als wahrscheinlich erschien, dass ,,mein" kleiner Nebel bisher unbekannt, jedenfalls nicht katalogisiert war. Auch wenn ich nicht damit rechnete, dass es sich bei dem Objekt um einen Bildfehler handeln könnte, musste diese Erklärung dennoch ausgeschlossen werden. Ich begann daher mit der Suche nach Vergleichsaufnahmen. Zuerst schaute ich in den ,,Digitized Sky Survey" im Internet. Dort war an der fraglichen Stelle ein sternartiges Objekt zu sehen, das aber wegen seiner zu geringen Auflösung nicht von einem Stern zu unterscheiden war. Dies dürfte auch die Erklärung sein, warum der Nebel nicht bei der Durchmusterung der Platten des Palomar Sky Survey aufgefallen ist. Die Suche nach weiteren Aufnahmen, die diesen Nebel zeigten, verlief erfolglos. Die meisten hochauflösenden Aufnahmen von Sh280 hatten ein zu kleines Gesichtsfeld und die Aufnahmen mit großem Gesichtsfeld nicht die erforderliche Auflösung, um den Nebel flächig zu zeigen. Ich erinnerte mich schließlich an ein Bild des amerikanischen Astrofotografen Rick Johnson, mit dem ich seit Langem über das Internet freundschaftlich verbunden bin. Dieser hatte Sh2-80 mit dem erforderlichen Bildfeld aufgenommen, allerdings seine CCD-Kamera 2x2 gebinnt, so dass seine Aufnahme den Nebel nur ungefähr halb so groß zeigte wie meine. Trotzdem war er, wenn man seinen Ort kannte, eindeutig als kleiner Ring erkennbar. Ich hatte nun also den Nachweis, dass die Ringstruktur kein Bildfehler war. Dass ausgerechnet die Aufnahme eines Freundes zur Bestätigung diente, war ein besonders schöner Zufall, auch wenn sich Rick möglicherweise etwas geärgert haben könnte, dass er den Nebel nicht selber bemerkt hatte.
Ich suchte nun auf dem Internet-Server arXiv.org nach Veröffentlichungen zu Planetarischen Nebeln im Sternbild Pfeil. Natürlich gibt es in diesem in der Milchstraße gelegenen Sternbild einige Planetarische Nebel, jedoch fand ich keine Veröffentlichung, die ,,meinen" Nebel beinhaltete. Ich war mir nun recht sicher, dass ich ein bisher nicht veröffentlichtes Objekt gefunden hatte. Meine Recherche ergab, dass ich mir die EntdeckerPriorität für ein Deep-Sky-Objekt sichern konnte, indem ich die Entdeckung in einem Fachmagazin veröffentlichte. Da ich als ,,fachfremder" Hobby-Astronom aber keinen Zugang zu Fachzeitschriften oder Fachtagungen hatte, schien eine Veröffentlichung nicht realistisch zu sein. Ich beschloss also, den Fund zumindest per E-Mail an die Internationale Astronomische Union (IAU) zu melden. Da deren Internetseite nur E-Mail-Adressen für die Meldung von Körpern unseres Sonnensystems aufführt, habe ich an die Adresse des Sekretariats der IAU geschrieben, aber keine Antwort bekommen.
Ich benachrichtigte nun zumindest Rick Johnson von der Entdeckung, schließlich würde es ihn interessieren, dass er den Nebel auch schon abgebildet hatte. Rick erstellte nun noch ein weiteres Foto dieses Gebietes (diesmal ohne Binning) und setzte sich mit seinem britischen Bekannten Sakib Rasool in Verbindung, der wiederum Kontakt zu der bekannten professionellen französischen Astronomin Agnès Acker und zu dem ebenfalls bekannten Österreicher Matthias Kronberger hatte. Herr Kronberger ist zwar auf astronomischem Gebiet Amateur, hat aber in Himmelsdurchmusterungen schon zahlreiche Planetarische Nebel entdeckt und sich damit auch in Fachkreisen einen Namen gemacht.
Frau Acker wies auf die Bedeutung von [O III]-Bildern hin, da Planetarische Nebel meist auch in dieser Emissionslinie strahlen. [O III] war auch deshalb wichtig, weil die gleiche Himmelsregion bereits von dem IPHAS-H-Survey fo-
1
Der neue PN Lilge1 (rote Pfeile) südöstlich des Emissionsnebels Sh2-80, aufgenommen in der Berliner Innenstadt mit einem 10-zölligen Meade ACF bei zwei Metern Brennweite auf einer G11-Montierung. Kamera war eine Atik 383L+, dazu Filter von Baader. Belichtet wurde: H 20 x 10 min, [O III] 4 x 10 min und RGB je 3 x 5 min.
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Ausschnittsvergrößerung aus Abbildung 1. Die Ringform des PNs wird deutlich.
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tografiert (aber noch nicht veröffentlicht) worden war. Aufnahmen einer anderen Emissionslinie würden also eine zusätzliche Information beinhalten, die über die H-Durchmusterung hinausging. Leider hatte ich nur wenige [O III]-Aufnahmen gemacht, da mein eigentliches Ziel Sh2-80 in [O III] fast gar nicht sichtbar war. Aber auch die wenigen Aufnahmen in der Sauerstofflinie zeigten den Nebel eindeutig.
Matthias Kronberger nahm sich nun der Sache an und teilte mir mit, dass er im September eine Aufnahme ,,meines" Nebels am 2,1-m-Teleskop auf dem Kitt Peak in Arizona veranlassen könne. Ich hoffte nun sehr auf gutes Wetter am Kitt Peak, denn dies war natürlich Voraussetzung dafür, dass ausreichend Teleskopzeit zur Verfügung stand, um auch ,,meinen" Nebel aufzunehmen. Daher war ich sehr erfreut, als Herr Kronberger mir im September das Profi-Foto ,,meines" Nebels schickte. Dieses zeigte einen typischen Planetarischen Nebel. Wie der bekannte Ringnebel in der Leier (M 57) hatte er im Innern [O III]-Emission, während weiter außen H dominierte.
Im November 2013 konnte Herr Kronberger den Nebel zusammen mit einigen weiteren Neuentdeckungen auf der Asymmetrical-Planetary-Nebulae-VITagung in Mexiko präsentieren. Damit ist ,,Lilge1" nun offiziell veröffentlicht. Der schnelle Ablauf von der Entdeckung bis zur Veröffentlichung war ein großes
Glück, denn ich weiß von Herrn Kronberger, dass der IPHAS-H-Survey, ein professionelles Suchprogramm, an dieser Stelle auch etwas gefunden hat. Da wir die Entdeckung aber zuerst veröffentlicht haben, ist der PN ,,meiner".
Genau genommen ist nicht sicher, dass es sich um einen Planetarischen Nebel handelt, solange dies nicht durch ein Spektrum nachgewiesen ist. Angesichts der typischen Form und Verteilung von H und [O III] deutet aber alles darauf hin, dass es ein Planetarischer Nebel sein muss. Laut Matthias Kronberger spricht dafür auch die Helligkeit im Digitized Sky Survey (sichtbar in Blau und Rot, unsichtbar auf der Infrarot-Aufnahme).
Ich bin mir übrigens nicht ganz sicher, wie der Nebel offiziell heißt. Er wurde als ,,Li1" publiziert, was aus meiner Sicht aber nur die Abkürzung für ,,Lilge1" ist. Eigentlich wollte ich ihn ja ,,Lilge001" nennen, aber das wäre dann doch sehr optimistisch gewesen ...
Nun ist Lilge1 sicher kein Prachtobjekt, aber es gibt wenige Planetarische Nebel, die in Amateuraufnahmen entdeckt wurden. Fast alle Neuentdeckungen erfolgen beim Durchsuchen professioneller Durchmusterungen. Es dürfte auch der einzige Planetarische Nebel sein, der in moderner Zeit auf einer Aufnahme gefunden wurde, die mitten in einer Großstadt entstanden ist.
Ich würde mich sehr freuen, wenn auch andere Astrofotografen Bilder von Lilge1 schießen würden. Immerhin kann mit Sh2-80 ja noch ein prächtiger Emissionsnebel mit in das Gesichtsfeld aufgenommen werden. Insbesondere hochauflösende und tiefe Breitbandaufnahmen wären interessant, um eventuell einen Zentralstern sichtbar zu machen.
Der Nebel ist recht hell, liegt also in der Reichweite fast jedes Amateur-Astrofotografen. Allerdings sollte ein Abbildungsmaßstab von mindestens 1''/ Pixel (also bei einer typischen modernen CCD-Kamera mit kleinen Pixeln eine Brennweite von mindestens einem Meter) verwendet werden, um auch die Ringstruktur sichtbar zu machen. Auch bei kleinerer Brennweite kann aber bei ausreichend belichteten Farbkanälen ein sternförmiges Objekt abgebildet werden, das sich durch seine auffällige rötliche Farbe von seinem Umfeld abhebt.
Wie sicherlich auch viele andere HobbyAstronomen werde ich oft von Bekannten gefragt, ob ich schon einmal einen neuen Stern entdeckt hätte. Meist spare ich mir die Erklärung, dass aufgrund ihrer fast unendlichen Anzahl die Entdeckung eines Sternes nicht sehr spektakulär sei und antworte einfach ,,nein". Künftig muss ich bei dieser Frage wohl weiter ausholen.
Planetarische Nebel und ihre Zentralsterne
von Peter Riepe
Planetarische Nebel (PN) sind sichtbare Dokumente später Entwicklungsphasen von Sternen mittlerer Masse. Im Klartext: Die Zentralsterne der PN sind alt und weiter entwickelte ,,Nachfahren" ehemaliger Roter Riesen. Die moderne Astrophysik hat unser Wissen gerade in diesem Punkt erheblich erweitert. Wurde in der Fachwelt von 1892 noch über die Existenz der ,,Centralsterne" diskutiert (Abb. 1), so wissen wir heute: Es gibt keinen PN ohne Zentralstern! Jeder PN ist eine Konsequenz der Sternentwicklung.
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Daher erst ein kurzer Abstecher zu diesem Thema.
Nach seiner Geburt ist ein Stern noch nicht sofort im Gleichgewicht zwischen Kontraktion und Energieabstrahlung nach außen. Er ist zunächst veränderlich (z. B. ein T-Tauri-Stern), stabilisiert sich dann allmählich und beginnt, Wasserstoff in Helium zu fusionieren. Im Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) sitzt der Stern dann auf der Hauptreihe (Abb. 2). Massereiche Sterne erleben das Haupt-
reihenstadium nur kurze Zeit. Sie gehen sehr verschwenderisch mit ihrem Treibstoff um, entwickeln sich bereits wenige Millionen Jahre später zu Überriesen und explodieren letztlich als Supernovae. Sterne kleiner Masse gehen dagegen eher sparsam mit ihrem Wasserstoffvorrat um und bleiben daher (je nach Masse) einige bis viele Milliarden Jahre stabile Hauptreihensterne. Sterne zwischen 0,8 und acht Sonnenmassen schließlich entwickeln sich nach ihrem Hauptreihenstadium zu sogenannten Roten Riesen.
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1 Oben: Der Artikel von Julius Schei-
ner aus dem Jahr 1892 liest sich heute recht amüsant, nicht nur von der damaligen Rechtschreibung her, sondern auch was den Inhalt betrifft. Scheiner stellt die Zentralsterne als ,,nebelige Verdichtungen" dar. Die PN mit den Herschel-Nummern h 2098 bzw. h 2241 sind NGC 7009 bzw. NGC 7662.
2 Rechts: Das Farbenhelligkeitsdia-
gramm des Kugelsternhaufens M 3 zeigt die Sternpopulationen als Stadien der Sternentwicklung (oben). Aufgetragen sind die Sternhelligkeiten über den Farben. Sehr ähnlich ist das HertzsprungRussell-Diagramm aufgebaut, das die Leuchtkräfte der Sterne über der Temperatur zeigt (Farbe und Temperatur hängen direkt miteinander zusammen). Der Weg eines Sterns von einer Sonnenmasse vom Hauptreihenstadium über das PNStadium bis hin zum Weißen Zwerg ist eingetragen (unten).
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Und das geschieht so: Hat der Hauptreihenstern seinen Wasserstoff im Kern verbraucht, so nimmt der innere Strahlungsdruck ab. Er hat der Gravitation bisher entgegengewirkt und den Stern im stabilen thermischen Gleichgewicht gehalten. Nun zieht sich der Kern aufgrund der überwiegenden Gravitation zusammen, er ,,kontrahiert" und erhitzt sich dabei stark. Die höhere Innentemperatur zündet den Wasserstoff in den Bereichen außerhalb des Kerns. Dieses Schalenbrennen erzeugt Helium. Der Stern wird heller und heißer. Er dehnt sich enorm aus, kühlt aber wegen seiner viel größeren Oberfläche außen deutlich ab, d. h., er wird röter. Bei dieser Entwicklung zum Roten Riesen wandert er im HRD auf den Roten Riesenast (Abb. 2). Ein Roter Riese stößt nachweislich Materie aus - die sogenannten Sternwinde. So hüllt er sich zunehmend in eine Gaswolke ein. Diese Gashülle leuchtet aber nicht, weil ein Roter Riese wegen seiner niedrigen Effektivtemperatur nicht genug Anregungsenergie produziert.
Wird im Kernbereich eines Roten Riesen eine genügend hohe Temperatur er-
reicht, so kann dort erneut eine Fusion zünden: Helium wandelt sich in noch schwerere Elemente um. Ist die Masse des Sterns groß genug, so beginnt diese Heliumfusion mit einer spontanen Zündung - dem Heliumflash. Dabei stößt der Stern erstmals explosionsartig Teile seines Außenbereichs ab. Er verbringt nun eine längere Zeit auf dem Horizontalast (Abb. 2). In dieser Phase wird im Kern Helium in schwerere Elemente wie Stickstoff oder Kohlenstoff verwandelt. Ein Horizontalaststern wandert später bei erhöhter Leuchtkraft und größerem Radius entlang des Asymptotischen Riesenastes (Abb. 2). An dessen Spitze wirft er seine äußere Hülle, den Nebel, ab. Diesen Materieauswurf nennt man auch Superwind [1]. Der Reststern ist nichts anderes als der mit Metallen angereicherte Kern des ehemaligen Roten Riesen. Er entwickelt sich weiter, indem er bei konstanter Leuchtkraft kontrahiert und dabei seine Effektivtemperatur erhöht. Während und nach der AGB-Phase folgt eine Serie thermischer Pulsationen mit weiteren Materieabstoßungen. Diese Pulse von jeweils einigen hundert Jahren Dauer liegen zeitlich wenige 100.000 Jahre
3 Mit dem Hubble Space Telescope aufgenommen: M 57 in der Leier, das Musterbeispiel
für einen PN mit mehrfachen Schalen. Bildrechte: NASA, ESA, C. Robert O'Dell (Vanderbilt University) und David Thompson (LBTO).
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hintereinander [2]. Sie sorgen einerseits dafür, dass schwerere Elemente wie Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff nach außen abgegeben werden. Auch Staub wird ausgestoßen. Planetarische Nebel reichern also - ebenso wie Supernovae - das Universum mit schweren Elementen an. Die thermischen Pulse erzeugen bei den Auswürfen auch mehrfache Schalen um den Zentralstern. Folglich sind bei einem ,,multiple shell PN" die am weitesten außen liegenden Schalen die ältesten (Abb. 3).
Bei den Hüllenabstoßungen geht viel stellare Masse verloren. Ein Stern von 1,5 Sonnenmassen z. B. steckt etwa 0,7 Sonnenmassen in die umgebende Hülle. Die explosiv abgestoßene Hülle stößt in die Gaswolke, die den ehemaligen Roten Riesen umgibt. Dieser Stoßprozess (die Amerikaner reden hier gern blumig von ,,Schock") erzeugt eine scharfe Stoßfront (nicht Schockfront), ähnlich wie bei den leuchtenden Supernovaüberresten. Diese Stoßprozesse geben dem PN die äußere Form und liefern einen Teil der Energie, die den PN an den Stoßfronten leuchten und sichtbar werden lässt. Einen weiteren Energieanteil liefert der Zentralstern selbst. Als übrig gebliebener Kern des ehemaligen Roten Riesen strahlt er bei effektiven Temperaturen zwischen 30.000 bis 120.000 Kelvin gewaltige Mengen an UV-Energie aus. Der Zentralstern kann damit seine ausgestoßene und ihn umgebende Materie selbst ionisieren und zum Leuchten anregen. Auch das macht den PN sichtbar, aber nicht nur an den Stoßfronten, sondern in seiner gesamten Substanz. Sternwinde, die mit hoher Geschwindigkeit vom Zentralstern abströmen, geben dem PN schließlich die beobachtete Form. Sie kann vielfältig variieren. Im Nebel selbst stoßen diese Sternwinde auf die langsamer expandierende Nebelmaterie und bilden neue Stoßfronten. Die dabei freigesetzte Energie schafft zusätzliche Emissionen. Sternwinde formen auch dynamisch die kleinen klumpigen Objekte in den Hüllen vieler PN, die im roten [N II]-Licht leuchten und sich meist paarweise gegenüber liegen. Hochaufgelöste Aufnahmen mit dem Weltraumteleskop Hubble (Abb. 4) zeigen diese sogenannten ,,Ansae" (ansae, lat. = die Henkel) oder auch FLIERs [3]. Nach durchschnittlich 25.000 Jahren und unter Umständen beträchtlicher
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4 HST-Aufnahmen von NGC 6543 (links oben), NGC 6826 (rechts oben), NGC 7009 (links unten)
und NGC 7662 (rechts unten) zeigen ,,Ansae", Paare rot leuchtender Henkel (auch FLIERs genannt, siehe Text).
Bildrechte: NGC 6826/7009: Bruce Balick (Univ. of Washington), Jason Alexander (Univ. of Washington), Arsen Hajian (U.S. Naval Observatory), Yervant Terzian (Cornell University), Mario Perinotto (Univ. of Florence, Italy), Patrizio Patriarchi (Arcetri Observatory, Italy) and NASA/ESA; NGC 6543: J.P. Harrington and K.J. Borkowski (Univ. of Maryland), and NASA/ESA; NGC 7662: B. Balick (U. Washington) et al., WFPC2, HST, NASA.
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Wechselwirkung mit dem interstellaren Material seiner Umgebung löst sich der PN auf, während der Zentralstern seinem Endstadium als Weißer Zwerg entgegenläuft.
Nur ein kleiner Teil der PN hat sphärische Gestalt. Elliptische Formen wie beim Ringnebel M 57 sind viel häufiger. Viele PN zeigen jetähnlich ausgedehnte, bipolare Auswürfe. Beispiele sind NGC 2371-2, M 2-9 oder Outters 4 (Abb. 5). Manche bipolaren PN wie der Kleine Hantelnebel NGC 650-51 entwickeln sogar Schmetterlingsformen. Objekte wie KjPn 8 (siehe Bericht von Hartmut Bornemann, s. 39) zeigen Strukturen, bei denen sich im Laufe der Jahre ein solcher bipolarer Auswurf wiederholt hat mit klar gedrehter Auswurfachse. Andere PN haben spiralförmige Strukturen mit Punktsymmetrie. Solche Phänomene legen die Vermutung nahe, dass in den PN-Zentren eine rotierende Quelle sitzt, die den nötigen Drehimpuls für derartige Strukturen liefert. Nicht ganz neuen Theorien zufolge bilden Doppelsterne einen beträchtlichen Anteil der PN-Zentralsterne [4]. Mehr und mehr Astronomen vertreten sogar den Standpunkt, PN seien grundsätzlich nur denkbar, wenn ein Zentralstern mit umlaufender Komponente vorhanden ist. Für PN mit klarer sphärischer Form werden Doppelsterne in Abrede gestellt [5]. Andere Astronomen erklären den Drehimpulsübertrag durch Rotation des Zentralsterns [6]. All das führte zu einer verstärkten Suche nach doppelten Zentralsternen in PN,
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Der erst im Jahr 2011 entdeckte, mögliche bipolare PN Outters 4 liegt innerhalb der H-II-Region Sh2129. Schwarzweiße Inversdarstellung; Kamera: SBIG STL-11000M und 200-mm-Objektiv (Canon), belichtet über vier Nächte Ende September 2013, LGB je 5 x 600 s, [O III] und [S II] je 15 x 600 s, H 22 x 600 s, H = R, [S II] = G, [O III] = B, kein Binning. Aufnahmeorte: Ebbegebirge und Much/Bergisches Land, Bildautoren: Stefan Binnewies, Rainer Sparenberg.
um deren Rolle bei der Nebelformung zu erkunden. Aus irdischen Beobachtungen kennt man bei vielen PN (z. B. NGC 246, NGC 3132 oder NGC 6826) schon doppelte Zentralsterne [7]. Das Hubble Space Telescope nahm 113 ,,Schnappschüsse" von Zentralsternen verschiedener PN auf, von denen zehn recht sichere und weitere sechs mögliche Doppelsterne sind [8]. Versagen direkte optische Nachweise, so verraten sich Doppelsterne spektroskopisch durch ihre periodische Linienverdoppelung. Auch fotometrisch werden doppelte Zentralsterne entdeckt, über periodische Helligkeitsschwankungen [9]. Mit der Spektralanalyse sind Doppelsterne indirekt nachweisbar. So sind die ,,Bariumsterne" ein klares Indiz dafür, dass sich eine der Doppelsternkomponenten zu einem AGB-Stern entwickelt haben muss (Artikel von F. Sackenheim und P. Riepe über den PN WeBo 1, S. 53). Ein informativer Bericht über doppelte Zentralsterne stammt von [10].
Zum Schluss noch eine astrofotografisch wichtige Anmerkung: Die anregenden Zentralsterne der PN sind grundsätzlich blau, weil ihre Temperaturen überaus hoch sind. Sollte ein Zentralstern gelb oder sogar orange sein, so kann sein Licht unter Umständen stark gerötet sein durch die Materie im PN selbst. Der gerötete ,,Zentralstern" könnte auch ein Vordergrundstern sein, der den eigentlichen Zentralstern überstrahlt. Inzwischen wurde durch Messungen im UV-Bereich nachgewiesen, dass kühle, rötliche Zentralsterne oft eine heiße blaue Doppelsternkomponente besitzen, die den PN anregt.
Literaturhinweise: [1] A. Renzini (1989): Thermal pulses
and the formation of planetary nebula shells; 131st IAU Symposium Mexico City, 1987; in: Planetary Nebulae, 131, 391-400 (S. TorresPeimbert, ed.) [2] H. J. M. Boffin et al. (2013). AGB and planetary nebulae, in: Report on the ESO Workshop ,,The Deaths of Stars and the Lives of Galaxies"; ESO, The Messenger 152, June 2013 (S. 38) [3] B. Balick et al. (1998). FLIERs and other microstructures in planetary nebulae. IV. Images of elliptical PNs from the Hubble space telescope; Astron. Journal 116, 360-371 [4] O. De Marco et al. (2013). The binary fraction of planetary nebula central stars - I. A high-precision, I-band excess search; Mon. Not. Roy. Astr. Soc. 428, 2118-2140 [5] Soker N. (2002). Spherical planetary nebulae; Astron. & Astrophys. 386, 885-890 [6] G. García-Segura et al. (1999). Shaping bipolar and elliptical planetary nebulae: effects of stellar rotation, photoionization heating, and magnetic fields; Astroph. Journal 517, 767-781 [7] Gieseking, F. (1984). Über die Nachweisbarkeit von Doppelsternen unter den Zentralsternen Planetarischer Nebel; Mitt. der Astron. Ges. 62, 258 [8] R. Ciardullo et al. (1999). A Hubble Space Telescope survey for resolved companions of planetary nebula nuclei; Astron. Journal 118, 488-508 [9] Z. Mikulasek et al. (2004). Preliminary analysis of photometric variations of central star of planetary nebula Sh 2-71; arXiv:astroph/0408353v2 [10] A. A. Zijlstra (2007). Binary central stars of planetary nebulae; Baltic Astronomy 16, 79-86
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Planetarische Nebel
Planetarische Nebel in kosmischer Nachbarschaft
von Frank Leiter und Christian Weis
- Teil 1 -
Einleitung Die meisten Leser verbinden den Begriff Planetarischer Nebel (PN) sicherlich mit den vier großen Messiers M 27, M 57, M 76 und M 97. Wer regelmäßig beobachtet und Objekte jenseits des Messierkatalogs aufsucht, wird sich vielleicht auch an weitere schöne Objekte erinnern, beispielsweise den Saturnnebel NGC 7009 oder den Helixnebel NGC 7293. Beide Autoren befassen sich seit vielen Jahren mit der Beobachtung von DeepSky-Objekten und insbesondere auch mit PN und haben über 200 (F. L.) bzw. über 170 (C. W.) erfolgreich beobachtet.
Im VdS-Journal gibt es schon lange die Rubrik ,,Kosmische Begegnungen", die uns Anregung für diesen Artikel war. Im Gegensatz zum Besuch von Objekten des Sonnensystems bei Deep-Sky-Objekten fokussieren wir uns an dieser Stelle rein auf Deep-Sky-Objekte, die sich nahe
(im Sinne von scheinbarem Abstand am Firmament) eines PNs befinden. Hierbei ergeben sich sehr hübsche Konstellationen, die sich bei guten Bedingungen mit der nötigen Ausrüstung visuell wie fotografisch schön erfassen lassen. In diesem ersten Teil stellen wir die Auswahlkriterien vor und besprechen die ersten ausgewählten Objekte, in einem zweiten Teil folgen dann die restlichen Beschreibungen.
Auswahlkriterien Beide Autoren beobachten mit einem Selbstbau-Dobson (F. L.: 16 Zoll, C. W.: 18 Zoll). Zwar lassen sich bei guten Bedingungen damit und mit der richtigen Beobachtungstechnik noch Objekte bis zu einer scheinbaren Helligkeit von ca. 17 mag erkennen. Die Grenze wurde aber aufgrund der Tatsache, dass solche schwachen Objekte hohe Vergrößerungen benötigen, bei 15 mag gesetzt, denn hohe Vergrößerungen stehen dem scheinbaren Winkelabstand am Firma-
ment diametral gegenüber. Dieser wurde auf 0,5 Grad fixiert. Als Letztes wurde den Wohnorten der beiden Autoren auf 53 Grad Nord bzw. 47 Grad Nord Rechnung getragen. Als Begrenzung für die Deklination der Objekte wurde daher -15 Grad gewählt.
Die erste Hürde war das Herausfiltern der Objekte. Einer der Autoren (C. W.) versuchte hier mit Hilfe der Datenbank SIMBAD zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Bei entsprechenden Sucheingaben waren weit über eine Million Treffer das Resultat. Diese Datenmenge lässt sich praktisch nicht handhaben. Daher wurde eine andere Datenquelle verwendet, nämlich die SAC Database. Hierbei handelt es sich um eine Datenbank mit über 10.000 ausgewählten Deep-SkyObjekten, die von der Internetpräsenz des Saguaro Astronomy Club heruntergeladen werden kann [1]. Dies machte die Berechnung einfacher, jedoch dauerte es dann trotzdem einige Stunden, bis
1 NGC 2438, M 46 und PK 231+4.1, Teleskop: 18-Zöller mit
94-fach, Gesichtsfeld ca. 48
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2 PK 38-3.2, Teleskop: 18-Zöller mit 226-fach, Gesichtsfeld ca.
16; im gestrichelten Bereich sollte sich PK 38-3.3 befinden, dieser existiert aber nicht.
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die Daten wie gewünscht vorlagen. Das Ergebnis ist in der Tabelle auf S. 38 zu finden. Nach einer manuellen Datenreduktion von Fehltreffern (z. B. im Falle von NGC 2371/NGC 2372 und bei Doppeleinträgen von PN, die sich nahe eines weiteren PNs befinden), ließen sich 14 PN herausfiltern, die sämtliche oben aufgeführten Bedingungen erfüllen.
Dem erfahrenen Beobachter wird auffallen, dass zwei recht bekannte Objekte nicht in der Liste geführt sind, nämlich Pease 1 (der PN in M 15) und PK 49+88.1 (Haro 4-1 im Coma-Cluster). Beide sind nicht in der SAC Database enthalten. Zudem wird die Helligkeit von Pease 1 in der Literatur nur mit 15,5 mag angegeben, damit würde er nicht alle Bedingungen erfüllen. Gleiches gilt für PK 49+88.1, der gar nur 16 mag hell ist. Beobachter und Astrofotografen mit Teleskopen entsprechender Öffnung und Erfahrung sollten diese Objekte jedoch trotzdem versuchen - beide Autoren haben Pease 1 und C. W. hat PK 49+88.1 erfolgreich beobachtet.
Herangehensweise Es empfiehlt sich, zunächst eine Beobachtung durchzuführen und erst im Nachhinein die eigenen Resultate mit anderen Beobachtungen oder fotografischen Aufnahmen zu vergleichen. Auf diese Weise kann man möglichst unvoreingenommen an die Beobachtung herangehen. Wenn überhaupt, dann sollten höchstens die scheinbaren Helligkeiten und manchmal noch die Winkelausdehnungen am Himmel bekannt sein. Erst wenn ein Objekt absolut nicht gesehen wird oder ein deutlicher Zweifel hinsichtlich der Beobachtung besteht, kann weitere Hilfe zu Rate gezogen werden, meist dann die Datenbankprogramme ALADIN und SIMBAD.
Resultate Im Folgenden beschreiben wir den visuellen Eindruck der Objekte detallierter. Die Beobachtungen von F. L. fanden vor der Entstehung dieser Liste statt, weshalb er seine Beobachtungen in der Regel auf den PN konzentrierte. C. W. hat alle Beobachtungen nach dem Erstellen der Liste durchgeführt, der Fokus lag hier
auf einer simultanen Beobachtung von PN und dem benachbarten Objekt.
Objekte 1 & 8: NGC 2438 / M 46 / PK 231+4.1 Das persönliche Highlight der Liste von einem der Beobachter (C. W.) - NGC 2438 - dürfte allen Beobachtern, die den Messierkatalog mit einem zumindest kleinen Teleskop schon einmal durchbeobachtet haben, bekannt sein. Es handelt sich hierbei um den PN im prächtigen Offenen Sternhaufen M 46. Der Offene Sternhaufen kann bei guten Bedingungen schon mit bloßem Auge gesehen werden und wird bereits in mittelgroßen Instrumenten durch NGC 2438 zu einem Augenschmaus. Allein dies würde schon für eine tolle Beobachtung ausreichen - es kommt aber noch besser. Wer die Liste genauer studiert, wird feststellen, dass NGC 2438 an achter Stelle noch einmal vorkommt. Es befindet sich nämlich noch ein weiterer PN ganz in der Nähe. Dies ist der recht schwache PK 231+4.1. Der Reiz dieser einmaligen Konstellation ist fotografisch wie visuell enorm. Es ist bereits schön, einen PN in einem Offe-
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Planetarische Nebel
Daten zu den 14 Objektpaarungen
Objekt
1 NGC 2438 2 PK 38-3.2 3 PK 107-2.1 4 PK 52-4.1 5 PK 43+11.1 6 PK 21-0.1 7 NGC 6543 8 PK 231+4.1 9 IC 1295 10 PK 210+1.1 11 NGC 246 12 PK 103+0.2 13 PK 89-0.1 14 NGC 1535
Alternativ- Typ name
PK 231+4.2 PN
M1-69
PN
M1-80
PN
M1-74
PN
M3-27
PN
M3-28
PN
PK 96+29.1 PN
M1-18
PN
PK 25-4.2 PN
M1- 8
PN
PK 118-74.1 PN
M2-52
PN
Sh1-89
PN
PK 206-40.1 PN
Stern- Rektasz. bild Pup 07 41.8 Aql 19 13.9 Cep 22 56.3 Aql 19 42.3 Her 18 27.8 Sct 18 32.7 Dra 17 58.6 Pup 07 42.1 Sct 18 54.6 Mon 06 53.5 Cet 00 47.1 Cep 22 20.5 Cyg 21 14.0 Eri 04 14.3
Dekl.
-14 44 +03 38 +57 09 +15 09 +14 29 -10 06 +66 38 -14 21 -08 50 +03 12 -11 52 +57 36 +47 45 -12 44
V (mag) 11 14 14,2 12,9 13,9 14,3
8,3 14,4 12,7 14,5 10,4 14 14,8
9,4
Abstand ( Grad ) 0,08 0,11 0,25 0,34 0,34 0,36 0,38 0,39 0,4 0,42 0,44 0,48 0,48 0,49
Nachbarobjekt Alternativname Typ
NGC 2437 PK 38-3.3 NGC 7423 PK 51-3.1 NGC 6635 NGC 6649 NGC 6552 NGC 2438 NGC 6712 Biur 10 NGC 255 NGC 7261 IC 1369 NGC 1538
M 46
OSt
K2-11
PN
Berk 57
OSt
M1-73
PN
UGC 11239 Glx
OCL 66
OSt
UGC 11096 Glx
PK 231+4.2 PN
GCL 103
KSt
Berk 28
OSt
MCG-2-3-17 Glx
OCL 237
OSt
Cr 432
OSt
NPM1G-13 171 Glx
Rektasz.
07 41.8 19 14.3 22 55.3 19 41.2 18 27.6 18 33.5 18 00.1 07 41.8 18 53.1 06 52.2 00 47.8 22 20.4 21 12.1 04 14.9
Dekl.
-14 49 +03 35 +57 08 +14 57 +14 49 -10 24 +66 37 -14 44 -08 42 +02 56 -11 28 +58 05 +47 44 -13 12
V (mag)
6,1 13,6 15 13,7 14,5
8,9 13,6 11
8,2 10,4 11,9 8,4 8,8 15
nen Sternhaufen zu betrachten, kommt jedoch noch ein Weiterer ins Spiel (bzw. ins Gesichtsfeld), dann ist das Glück quasi perfekt. Was man jedoch bei PK 231+4.1 nicht außer Acht lassen sollte, ist seine scheinbare Helligkeit von nur 14,4 mag. Um hier Erfolg zu haben, sind neben einer entsprechenden Teleskopöffnung auch ein Nebelfilter sowie etwas Erfahrung nötig.
F. L.: Der PN in M 46 ist bei 56-fach am ausnahmsweise verwendeten 200-Millimeter-Dobson-Teleskop und einem UHCFilter bereits leicht und sicher zu erkennen. Auch im 3,5-zölligen Refraktor sind M 46 und NGC 2438 leicht zugängliche Objekte. Innerhalb des Offenen Sternhaufens ist der PN bei 102-fach zu erkennen. Unter Einsatz eines UHC-Filters erscheint er als eine gleichmäßig helle, weitgehend runde Fläche. Am Südostrand ist ein Stern zu erkennen.
C. W.: M 46 und NGC 2438 sind wunderschön, NGC 2438 ist auffällig ringförmig und sehr hell. Filter verstärken den Kontrast. PK231+4.1 ist sehr schwach und erst mit Filter (UHC oder [O III]) sicher zu sehen, erst ab 226-fach konnte ich ihn sicher als PN identifizieren, der ein wenig flächig erscheint, später bei bekannter Lage ist er auch bei 94-fach sichtbar (Abb. 1).
Objekt 2: PK 38-3.2 / PK 38-3.3 Sehr interessant ist die Konstellation der
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beiden PN PK 38-3.2 und PK 38-3.3. Von den 14 gefundenen Paaren gibt es nur drei reine Paarungen von PN untereinander - zumindest auf den ersten Blick. Denn diese Konstellation existiert überhaupt nicht!
F. L.: nicht beobachtet
C. W.: Das scheinbar schwächere Objekt PK 38-3.2 konnte schnell mit dem 18-Zoll-Dobson und einem Filter identifiziert werden (Abb. 2). Doch wo befindet sich das Gegenstück dieses Objektes? Nach längerem Suchen mit unterschiedlichen Filtern glaubte ich, den Kandidaten gefunden zu haben - ein recht helles, stellares Objekt (deutlich heller als die angegebenen 13,6 mag für den PN), von dem ich meinte, es zeige eine leichte Aufhellung gegenüber den anderen Sternen im Bildfeld beim Filterblink. Der anschließende Test mit einem Blazegitter zeigte dann aber, dass es sich um einen Stern handeln musste. PK 38-3.3 wurde also nicht gefunden. Nun konnte nur noch das Internet helfen: Das Bild im Aladin ist wenig aussagekräftig, verzeichnet es doch an der Position, an welcher der PN stehen sollte, ein Kreuz im leeren Raum. Daraufhin brach ich die Beobachtung dieses Objektes ab.
Im Nachgang versuchte ich herauszufinden, woran ich geraten war. Nach einiger Zeit bin ich auf SIMBAD gegangen (wieso habe ich die Seite eigentlich nicht zu-
erst aufgerufen?) und konnte schnell sehen, was los ist: PK 38-3.3 wird dort als ,,not a PN" (,,kein PN") und ,,misclassified PN: several stars" (,,fehlklassifizierter PN: mehrere Sterne") beschrieben. Zusätzlich wird auf eine Veröffentlichung von Lubos Kohoutek aus dem Jahr 2001 hingewiesen, in welcher genau dies zu finden ist [2]. Der zunächst irrtümlich als PN gedeutete Stern ist übrigens BD+03 3946 mit einer scheinbaren Helligkeit von 10,3 mag bei Rektaszension = 19h14m24,1s und Deklination = +03 Grad 3355. Es befindet sich also ein Objekt in der Liste, das es gar nicht gibt. Allein dieses quasi mit den eigenen Augen nachzuvollziehen finde ich äußerst reizvoll - solche Dinge kommen immer wieder vor, besonders wenn man abseits ausgetretener Pfade beobachtet. Dazu benötigt man nicht einmal zwangsläufig ein besonders großes Teleskop, in diesem Fall hätte ein 6-Zöller ausgereicht. Man wird so auch immer wieder mit einer Realität konfrontiert: Astronomische Kataloge sind nicht fehlerfrei.
Internet- und Literaturhinweise: [1] www.saguaroastro.org/content/
downloads.htm (Stand 2014) [2] L. Kohoutek (2001): Catalogue of
Galactic Planetary Nebulae (Version 2000). Abhandlungen aus der Hamburger Sternwarte, Band XII
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Der Planetarische Nebel KjPn 8
Aufnahme eines wenig bekannten Objekts
von Hartmut Bornemann
Für Astrofotografen sind Planetarische Nebel (PN) eine echte Herausforderung. Gute Ergebnisse erzielt man deshalb nur mit einer sorgfältigen Planung, insbesondere der Auswahl spezieller Filter und der Belichtungszeiten. Andererseits kann es aber auch passieren, dass man einen kaum bekannten PN zufällig mit aufs Bild bekommt. So bestand auch bei der Vorbereitung für die Aufnahme des Bubble-Nebels NGC 7635 und seines populären Partners M 52 keine Absicht, mit KjPn 8 ein für mich unbekanntes Objekt einzufangen (Abb. 1) und darüber zu schreiben. Erst bei der Zusammensetzung der Farbebenen fiel diese ,,Störung" im H-Kanal auf. Angeregt durch nachfolgende Diskussionen mit befreundeten Fotografen wurde es Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Im VdS-Journal wurde über diesen PN bereits im Sommer 2000 berichtet [1].
Abb. 1 entstand nach über sechs Stunden Belichtung mit meiner mobilen Anlage (Tabelle 1). In dem durch Optik und Kamera ausgewählten Feld von 1 Grad 20, x 1 Grad erkennt man KjPn 8 am unteren Bildrand
als 14, x 4,, großen, bipolaren Nebel mit einem zentralen, hellen, aber nebligen Kernbereich. Diese zentrale Aufhellung erscheint als Objekt von Sterngröße. Bei näherem Betrachten ist dieser ,,Stern" aber nicht weiß, sondern zeigt sich in einem hellen Rot (Abb. 2). Dieses Rot ist die Farbsumme aller Emissionslinien, die in Tabelle 2 aufgelistet sind und
1 Gesamtaufnahme von NGC 7635,
NGC 7654 und KjPn 8. Der PN mit seinen roten ausgeworfenen Nebeln ist unten links zu erkennen. Norden ist oben im Bild. Aufnahmedaten siehe Tab. 1.
Datum Belichtung Refraktor Kamera Filterrad Fokussierer Filter Guiding
Montierung Software
Tabelle 1: Daten der Aufnahme
29. September 2013 HRGB (55 min, 180 min, 60 min, 90 min), ohne Binning TOA-150 mit Reducer 0,7-fach, Takahashi ML8300, Finger Lakes Instrumentation CFW-2-7, Finger Lakes Instrumentation PDF, Finger Lakes Instrumentation RGB und H (HWB = 6 nm), Astronomik Refraktor FS-60, Takahashi Kamera ST-402ME, SBIG Fokussierer Robofocus, Technical Innovations EM-400, Takahashi Aufnahme: Eigenbau, PinPoint, TheSky6 Bearbeitung: PixInsight
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2 Links Ausschnitt aus der Region um KjPn 8 von 26 x 21. Der invertierte H-Kanal (rechts) zeigt die Nebelstruktur kontrastreicher.
in ihren Intensitäten vermessen wurden [2]. Es fällt auf, dass die bei Amateuren meist wenig bekannten [N II]-Linien des ionisierten Stickstoffs in Summe 4,2-mal stärker als H sind, d. h., das Rot des Nebels - auch wenn ein H-Filter verwendet wird - stammt vorrangig vom [N II]. Mein verwendeter H-Filter (Halbwertsbreite 6 nm) lässt sowohl das H-Licht als auch das dominierende rote [N II]-
Licht durch. Die in vielen anderen PN extrem starke [O III]-Linie dagegen hat nur 16 % der Intensität aus H + [N II], d. h., der Rotanteil ist sechsmal stärker als der Blauanteil. Zum weiteren Vergleich empfiehlt es sich, auch die roten und blauen und POSS-Platten anzusehen [3].
Misha Kazaryan und Elma Parsamian haben das Objekt im Jahr 1971 entdeckt [4],
Tabelle 2: Beobachtete Intensitäten I() der Emissionslinien von KjPn 8 nach [2]
Linie H H [O III] [O III] He I [N II] H [N II] [S II] [S II]
/nm 434,0 486,1 495,9 500,7 587,6 654,8 656,3 658,4 671,7 673,1
I() 40,6 100 98,5 311 47,1 485 480 1519 125 127
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dies zur Erklärung der ungewöhnlichen PN-Bezeichnung. Zunächst wurde die Entfernung auf 1600 +- 230 parsec (1 pc = 3,262 Lichtjahre) geschätzt, abgeleitet aus Messungen der Eigenbewegung und der Kinematik des PNs [5]. Dazu wurde zunächst gemessen, um welchen Winkelbetrag sich ein bestimmter Nebelknoten innerhalb von 37 Jahren verschoben hatte. Dies erfolgte anhand von zwei spektroskopischen Rot-Platten (1954, POSS I und 1991, POSS II). Dann ließ sich aus der Expansionsgeschwindigkeit die Strecke bestimmen, um die sich der Knoten
3
Eine erdgebundene, tief belichtete HAufnahme (oben). Der Nebel dehnt sich über 14, x 4, aus. Die Ausschnittsvergrößerung des Zentralbereichs von 12,, x 12,, (unten) zeigt den Konturenverlauf angeregter Wasserstoffmoleküle (H2 bei 1,2 µm) und wurde einer [S II]-Aufnahme des HST überlagert [6]. Im Zentrum liegt ein ionisierter Ring von 5,4,, Durchmesser mit dem Zentralstern.
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4
KjPn 8, am 18.08.2011 aufgenommen mit dem 2,3-m-Ritchey-Chretien-Teleskop des griechischen Helmos-Observatoriums im f/8-Fokus. Oben und unten wurde jeweils ein anderer Bildkontrast dargestellt. Die Mosaike sind 5 x 5 groß und wurden in H + [N II] jeweils 30 Minuten belichtet [5].
verschoben hatte. Aus Winkel und Strecke konnte die Entfernung berechnet werden. Aus neuen Aufnahmen von 2011 konnte nochmals die Entfernung über die Eigenbewegung der sich ausdehnenden Knoten berechnet werden. Man erhielt nun 1800 +- 230 pc [5]. KjPn 8 hat Rektaszension = 23 h 24 min 10 s, Deklination = +60 Grad 57 29´´ (J2000).
Bei der Betrachtung der eigenen Aufnahmen sind die Objektdetails wegen der zu geringen Brennweite kaum auszumachen. Für eine genauere Sicht auf KjPn 8 wurde deshalb eine Aufnahme des Hubble Space Telescope (HST) herangezogen [6]. Abb. 3 zeigt oben in einer erdgebundenen Aufnahme zunächst einmal eine große, bipolare Struktur mit zwei entgegengesetzt ausströmenden, bikonischen Eruptionen. Sie definieren eine erste große Symmetrieachse C1-C2. Schaut man aber genauer hin, so bemerkt man mehrere eruptive Ereignisse, ähnlich wie bei anderen PN, jedoch mit zueinander gedrehten, kleineren Symmetrieachsen. So ist eine Achse A1-A2 zu sehen, ferner noch B1-B2 (hier nicht im Bild markiert). Der Formung von KjPn 8 liegen demnach bipolare Auswürfe mit wechselnden Richtungen zugrunde. Dieser Prozess verlief über Tausende von Jahren, in denen sich die bipolare Struktur allmählich in eine polypolare verändert hat. Kleinere Symmetrieachsen bedeuten, dass die dafür ursächlichen Eruptionen noch nicht so alt sind wie die primäre Eruption C1-C2. Mehrfache zeitversetzte Ausstöße über verschiedene Achsen lassen eine Interpretation zu, dass es sich hier um einen bipolar rotierenden, episodischen Jet (BRET) handelt [7], der nach heutiger Sichtweise durch ein enthaltenes Doppelsternsystem gebildet wurde (siehe dazu auch den Artikel von P. Riepe über die Zentralsterne der PN, S. 30). KjPn 8 ist also ein PN mit zentralem Doppelstern.
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Tabelle 3: Alle Namen aus dem SimbadKatalog des Centre de Donnees astronomiques de Strasbourg
PN KjPn 8 EQ J2324+6057 [MO2001] 104 GSC2 N01213014068 PK 112-00 1 PN G112.5-00.1 PN K 3-89
Die untere Abbildung in Abb. 3 zeigt die bereits erwähnte zentrale, sternförmige Nebelstruktur, jedoch in der hoch aufgelösten Wiedergabequalität des HST. Hier sitzt ein winziger junger elliptischer Ring aus ionisiertem Gas von nur 5,4 Bogensekunden Durchmesser, umgeben von der oben erwähnten älteren und wesentlich größeren polypolaren Hülle. Der Ring besteht aus angeregtem Wasserstoff und ist Teil einer größeren CO-Scheibe mit sieben Bogensekunden Durchmesser [6]. Auf dieser HST-Aufnahme konnte auch erstmals der Zentralstern abgebildet werden. Eine gewisse Ähnlichkeit zum Ringnebel M 57 liegt nahe.
Der größte und älteste Auswurf C1-C2 ist vor 1-2 x 104 Jahren entstanden, wogegen die Knoten entlang der kleineren Achse A1-A2 jünger als 3400 Jahre sind [8]. Die einzelnen Abschätzungen der Zeitskalen sind dabei unabhängig von der Entfernung zu KjPn 8. Der ionisierte Ring selber expandiert mit 16 km/s und hat folglich nur ca. 1250 Jahre gebraucht, um den gegenwärtigen Radius von 2,7 Bogensekunden (= 0,02 pc) zu erreichen. Er ist also von allen Nebelstrukturen die jüngste. Die aufgezeigten zeitlichen Differenzen beweisen, dass die Knoten A1-A2 bei 320 km/s und der damit verbundene bipolare Ausstoß bereits vor der Entstehung des zentralen ionisierten Ringes geformt wurden. Die Knoten B1-B2 (Abb. 4) sind nach Messungen von 2011 vor etwa 7200 Jahren ausgestoßen worden, für C1-C2 wird nun ein Alter von 50.000 Jahren veranschlagt [5]. Diese zeitlich nacheinander ablaufenden Ausbrüche passen ins Bild eines sich zum Weißen Zwerg entwickelnden AGB-Sterns. Auch die kleinen Abmessungen dieses Ringes - verbunden mit der Existenz von molekularem Material
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und einem schwach angeregten Nebelspektrum - belegen, dass die physikalischen Eigenschaften von KjPn 8 repräsentativ für einen jungen PN sind. Hinzu kommt, dass die Häufigkeit verstärkt auftretender Helium- und Stickstoffionen mit einem extremen PN vom Typ 1 im Einklang steht [2].
Bei KjPn 8 (weitere Bezeichnungen in Tabelle 3) handelt es sich um ein außergewöhnliches Objekt in unserer Galaxis. Vielleicht ist dieser Artikel eine kleine Anregung, sich näher mit ihm zu beschäftigen. Mit passender Brennweite und gutem Seeing wird dann aus der ,,Störung" sicherlich ein eigenständiges Motiv.
Abschließend möchte ich mich hier bei Herrn Dr. Franz Gruber aus Österreich für die wertvollen Hinweise bei der Bildbearbeitung bedanken.
Internet- und Literaturhinweise: [1] Stefan Binnewies, Peter Riepe,
Harald Tomsik: Planetarische Nebel - aufgenommen mit H-Filter und CCD-Kamera; VdS-Journal, Sommer 2000, Seite 29 [2] R. Vazquez et al. (1998): Spectrophotometry of the planetary nebula
KjPn 8. Monthly Not. Roy. Astron. Soc. 296, 564-568 [3] http://archive.stsci.edu/cgi-bin/ dss_form (Stand: 2014) [4] M. A. Kazaryan, E. S. Parsamian (1971): New Planetary Nebulae, Astron. Tsirk. 602, 6-8 [5] P. Boumis, J. Meaburn (2013): The expansion proper motions of the extraordinary giant lobes of the planetary nebula KjPn 8 revisited; arXiv:1301.5589v1 [astro-ph.GA] 23 Jan 2013. Siehe auch: http:// mnras.oxfordjournals.org/content/ 430/4/3397 (Stand: 2014) [6] J. A. Lopez et al. (2000): HST/ WFPC2 observations of the core of KjPn 8, ASP Conference Series 199, 1-4. Siehe auch: http://arxiv. org/pdf/astro-ph/0001020v1.pdf (Stand: 2014) [7] J. A. López, Jets and Brets in Planetary Nebulae. Proc. 180th Sympos. of the IAU, Groningen, Netherlands, 26.-30. August 1996, Issue 180, p. 198 [8] J. A. Lopez et al. (2002). PointSymmetry and the Double Planetary Nebula KjPn 8; RevMexAA (Ser. Conf.) 12, 123-126. Siehe auch: www.crya.unam.mx/rmaa/ RMxAC..12/PDF/RMxAC..12_lopez. pdf (Stand: 2014)
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Planetarische Nebel
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Abells Planetarische Nebel
von Stefan Binnewies
Im November 1949 begann auf dem südkalifornischen Mount Palomar ein ehrgeiziges Projekt - die fotografische Durchmusterung des gesamten von diesem Standort aus sichtbaren Himmels in einer bisher nicht da gewesenen Tiefe und Auflösung. Das California Institute of Technology (Caltech) war federführend, Aufnahmeinstrument das als ,,Big Schmidt" (heute Samuel Oschin Telescope) bekannte Schmidt-Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 180 cm, einer freien Apertur (Durchmesser der Schmidtplatte) von 120 cm und einer Brennweite von 300 cm (Öffnungsverhältnis 1:2,5). Belichtet wurde auf 14 Zoll x 14 Zoll große Fotoplatten, die jeweils 6 Grad x 6 Grad Himmel abbildeten. Um zu den Farben der Nebel, insbesondere aber zum Spektraltyp der aufgenommenen Sterne eine grobe Abschätzung treffen zu können, wurde die Durchmusterung in zwei unterschiedlichen Spektralbereichen durchgeführt: a) auf blauempfindlichen Fotoplatten des Typs Kodak 103a-O (Empfindlichkeit von 350 bis 500 nm), b) auf rotempfindlichen Fotoplatten des Typs Kodak 103a-E in Verbindung mit
einem Plexiglasfilter vor der Filmkassette (Transmission von 620 bis 670 nm). Bis Dezember 1958 entstanden so 936 Plattenpaare, die den Himmel bis zu -34 Grad Deklination vollständig abdeckten. Weitere 100 rotempfindliche Platten wurden bis 1962 eingesetzt, um die Durchmusterung noch näher an den Horizont heranzuführen (Whiteoak Extension). Damit reicht der Palomar Observatory Sky Survey (POSS I) nun bis zu einer Deklination von -42 Grad . Gerade mal 15 Grad über den Horizont steigen seine südlichsten Objekte am Palomar Mountain, ein sportliches Unterfangen und ein Hinweis auf die damalige Dunkelheit des Himmels, wo heute die Lichtglocke der Millionenstadt San Diego stört.
Später erfolgte auf verbesserten Filmemulsionen der POSS II sowie seine südliche Ergänzung durch den ESO/SERCSurvey. Dennoch ist der POSS I bis heute eine Quelle für Neuentdeckungen geblieben. Damals nach der Fertigstellung war er aber eine Schatztruhe, reich gefüllt mit in dieser Dichte nie gesehenen Objekten, die man nur abgreifen musste. Die Zeit
1 Abell 72 im Sternbild Delfin in
einer Aufnahme von Stefan Binnewies, Bernd Koch, Stefan Heutz und Josef Pöpsel. Belichtet im Sommer 2008, ferngesteuert am SkinakasObservatorium mit einem 60-cmHypergrafen (Ganymed) und CCDKamera SBIG STL-11000M. Gesamtbelichtungszeit 360 min.
der Sternkataloge war erst einmal vorbei, was jetzt kam, waren neue Listen all der anderen Objektklassen am Himmel. Sieben davon haben auch bei den Amateurastronomen gezündet, insbesondere nach der Einführung der CCD-Fotografie bei den Astrofotografen und dem gezielten Filtereinsatz bei den visuellen Beobachtern [1, 2]. Gemeint sind: Abells Planetarische Nebel und Galaxienhaufen, Lynds Emissions- und Dunkelnebel, Sharpless´ Emissionsnebel, van den Berghs Reflexionsnebel sowie der Katalog der PalomarKugelsternhaufen.
Georg Ogden Abell war mit seinem Katalog früh dran, bereits 1955 lag er in einer ersten Form gedruckt vor, da war der
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POSS noch gar nicht fertiggestellt [3]. Doch Abell saß an der Quelle. Geboren am 1. März 1927 in Los Angeles, verdiente er sich seine ersten astronomischen Sporen als Tour-Guide am Griffith Observatory, der Volkssternwarte vor Ort. Parallel schlug er eine akademische Laufbahn ein, die ihn am Caltech noch vor seiner Promotion zu einem der Hauptbeobachter am POSS I werden ließ.
Abells Veröffentlichung von 1955 dreht sich vor allem um einige neu entdeckte Sternhaufen, enthält aber auch eine Liste mit 73 bisher unbekannten Planetarischen Nebeln. Diese weisen, wie Abell schreibt, eine verhältnismäßig geringe Flächenhelligkeit auf, und er bemerkt weiter, dass der ,,Big Schmidt" sich gerade recht zur Entdeckung ausgedehnter und schwacher Objekte eignet.
1966 folgte dann Abells Liste Planetarischer Nebel (PN) in ihrer endgültigen
Fassung [4]. Sie enthält 86 provisorisch als PN bezeichnete Einträge, vor allem aber Ausführungen zu astrophysikalischen Aspekten wie Alter und Objektentfernung. Ausführlich geht Abell auch auf die Eigenschaften der Zentralsterne seiner Nebel ein. Er findet extrem heiße Sterne; Sterne, die ,,Weißen Zwergen" entsprechen, deren Vorgänger ,,Rote Riesen" sind, die nach der heute allgemein akzeptierten Lehrmeinung durch ihre abgeblasenen Sternhüllen die Quelle der Planetarischen Nebel darstellen.
Abells PN-Liste ist wie der New General Catalogue (NGC) nach der Rektaszension geordnet (Äquinoktium 1900 bzw. 1950). Entsprechend dem Ablauf der Jahreszeiten kann man bei Abell 1 im Herbst mit der Beobachtung beginnen und ein Jahr später mit Abell 86 enden. Abell 81 im Cepheus bei einer Deklination von +80 Grad ist das nördlichste Ziel, Abell 23 in Puppis mit einer Deklination von -35 Grad das
südlichste. Fünf Abell-PN weisen Durchmesser von mehr als 10 Bogenminuten auf, vier davon (Abell 21, Abell 31, Abell 35 und Abell 74) sind diesem Artikel als Bilder beigefügt.
Abell glich seine Objektentdeckungen auch mit älteren Nebellisten ab, zunächst mit den Einträgen in den Index Catalogues (IC), später auch mit den Entdeckungen von Lubos Kohoutek. Dabei ergaben sich mehrere Treffer: IC 972 beispielsweise ist identisch mit Abell 37 und IC 1454 mit Abell 81. Die Objekte des IC wurden überwiegend fotografisch entdeckt, die Objekte des umfangreicheren, aber auch etwas älteren NGC dagegen (bis auf ein Objekt [5]) alle visuell. Da Abell seine PN als alt beschreibt und das an deren geringer Flächenhelligkeit festmacht, hielt er es möglicherweise nicht für nötig, einen Abgleich seiner fotografischen Entdeckungen mit alten visuellen Beobachtungen durchzuführen. Jeden-
2 Linke Seite
Abell-Nr. 4
13 21 22 24 31
Instrument 106-cm-Cassegrain 30-cm-Newton 30-cm-Newton 30-cm-Newton 30-cm-Newton 30-cm-Newton
Kamera DSLR CCD CCD CCD CCD CCD
Belichtungszeit (min) 36
437,5 340 975 285 665
Bildautor Harald Simon Andreas Rörig Andreas Rörig Andreas Rörig Andreas Rörig Andreas Rörig
Ø () 20
153 615 84 355 970
3 Seite 46
Abell-Nr. 35 36 39 43 50 56
Instrument 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf
Kamera CCD CCD CCD CCD CCD CCD
Belichtungszeit (min) 145 250 200 330 240 255
Bildautor Stefan Binnewies Josef Pöpsel Stefan Binnewies Josef Pöpsel Stefan Binnewies Stefan Binnewies
Ø () 770 370 174 80 27 181
[OIII] 1054
147 215 105
-
[OIII] 209 117
611 981
-
H [NII]
448
42
-
-
250 425
100 135
239 1518
-
-
H [NII]
498 419
100
32
-
-
333
-
250
59
-
-
4 Seite 47
Abell-Nr. 61 71 74 75 78 84
Instrument 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf 60-cm-Hypergraf 30-cm-Newton
Kamera CCD CCD CCD CCD CCD CCD
Belichtungszeit (min) 315 280 480 270 540 365
Bildautor Stefan Binnewies Stefan Binnewies Stefan Binnewies Josef Pöpsel Josef Pöpsel Andreas Rörig
Ø () 200 157 830
56 107 120
[OIII] 950 68 408 -
H [NII]
560
-
100 242
-
-
230
22
-
-
-
-
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Planetarische Nebel
falls entging ihm die Vorentdeckung von Abell 50 als NGC 6742 und die von Abell 75 als NGC 7076 (beide wurden von William Herschel gefunden), obwohl beide Einträge im Original-NGC mit korrekter Position verzeichnet waren, wie eine von Wolfgang Steinicke erfolgte Recherche ergab. Außerdem enthält die Abell-Liste einige Fehlklassifikationen. Manche davon sind schon Abell selbst aufgefallen, z. B. Abell 85, in dem er zu Recht einen Supernovarest (CTB 1) vermutete. Abell 17 und Abell 32 sind Plattenfehler, Abell 64 eine Galaxie (PGC 63630), ebenso Abell 76 (Ringgalaxie PGC 85185). Solche Fehlklassifikationen sind nicht selten, manchmal halten sie 100 Jahre und mehr, so ist erst kürzlich die Galaxie NGC 2242 als Planetarischer Nebel umetikettiert worden.
George Ogden Abell hat weiter Karriere gemacht. Nach seiner ebenso auf der Durchmusterung der POSS-Platten basierenden Liste von Galaxienhaufen und deren Einbindung in kosmologische Fragestellungen erhielt er eine Professur an der renommierten University of California in Los Angeles (UCLA), bevor er - recht jung - am 7. Oktober 1983 verstarb.
Abells PN halten sich noch sehr an die PN-typische Ring-, Scheiben- oder Hantelform. Jüngere Entdeckungen noch schwächerer und älterer PN weichen davon deutlich ab. Dennoch, gerade Abell 21 und Abell 31 sind archetypische Beispiele alter PN. Diese beiden gehören zu den schwächsten der Abell-Liste. Sie sind ausgedehnt, erscheinen ,,verdünnt", da sich ihre Gasdichte fast schon der Dichte des interstellaren Mediums angenähert hat. Und ganz wichtig, ihre Form ist nicht mehr symmetrisch, sie wird nicht mehr durch die physikalischen Vorgänge zu Beginn der PN-Entstehung bestimmt, sondern zunehmend durch die Wechselwirkung mit dem interstellaren Medium.
Die Seiten 44, 46, 47 zeigen 18 Abell-PN in fotografischen Beispielen. Neben der Abell-Nr. sind tabellarisch die Belichtungsdaten und Instrumente, die Fotografen, die Nebeldurchmesser und dann die Linienintensitäten (soweit bekannt) verschiedener PN-typischer Emissionslinien aufgeführt [6]. Dabei wird die Intensität der H-Linie zu 100 gesetzt. Rot leuchtende PN haben außer der H-Linie (656,3 nm) oft auch eine hohe Intensität der [N II]-Linien (654,8/658,4 nm), manchmal sind auch die [S II]-Linien (671,6/673,1
nm) überdurchschnittlich stark. Liegt bei diesen roten Emissionslinien das Intensitätsmaximum, so erscheint das Objekt rötlich, liegt das Maximum dagegen bei der [O III]-Linie (500,7 nm) erscheint der PN grünlich-blau.
Literaturhinweise: [1] M. Eric Honeycutt: The Best Plane-
tary Nebulae; Sky & Telescope May 2002, 98-102 [2] Reiner Vogel: The Abell Planetaries Observing Guide; PDF-file, Mai 2008 [3] George O. Abell (1955): Globular Clusters And Planetary Nebulae Discovered On The National Geographic Society-Palomar Observatory Sky Survey; Publ. Astron. Soc. Pacific 67, 258-261 [4] George O. Abell (1966): Properties of Some Old Planetary Nebulae; Astrophys. Journal 144, 259-279 [5] Wolfgang Steinicke: Nebel und Sternhaufen - Geschichte ihrer Entdeckung, Beobachtung und Katalogisierung; Books on Demand, Norderstedt 2009 [6] Agnès Acker et al. (1992): Strasbourg-ESO Catalogue of Galactic Planetary Nebulae, Part II; ISBN 3-923524-41-2
Fotografie Planetarischer Nebel
von Michael Deger
Planetarische Nebel (PN) sind für den engagierten Astrofotografen oft sehr lohnende Objekte. Dabei ist deren Formenund Farbenvielfalt fast unerschöpflich. Es gibt so ziemlich alles - von kleinen, nur wenigen Bogensekunden großen Nebelfleckchen bis zu einigen Bogenminuten ausgedehnten Objekten, die viele Strukturen und Filamente aufweisen. Etwa 5000 PN sind in unserer Milchstraße bekannt, einige Hundert davon sind mit einer guten Ausrüstung für die Astrofotografie geeignet. Viele PN sind sehr hell und können mit relativ geringer Belichtungszeit bereits gut abgelichtet werden, andere Nebel wiederum sind sehr lichtschwach und brauchen viele Stunden Belichtungszeit.
Vorüberlegungen Vor der eigentlichen Aufnahme ist eine
Objektrecherche unbedingt zu empfehlen. Dabei sollten folgende Informationen über das aufzunehmende Objekt gesammelt werden:
- Winkelausdehnung - Helligkeit bzw. Flächenhelligkeit - Linienintensität - Vergleichsaufnahmen
Für PN mit relativ großer Helligkeit und Winkelausdehnung (z. B. Helixnebel NGC 7293) kann auch ein Teleskop mit geringer Brennweite bereits schöne Ergebnisse liefern. Bei den meisten PN mit wenigen Bogensekunden Ausdehnung kann man aber gar nicht genug Brennweite haben. Für Objekte im Bogenminutenbereich sollte mindestens ein Meter Brennweite zum Einsatz kommen. Bei noch kleineren PN wird eine Brennweite von zwei
Metern und mehr benötigt. Damit wird schnell klar, dass die meisten PN hohe Anforderungen an den Astrofotografen stellen. Je höher die Aufnahmebrennweite ist, desto exakter muss die Teleskopnachführung funktionieren. Sind hier nur kleine Abweichungen des Leitsterns zu erkennen, wird die Aufnahme meistens schon unbrauchbar. Längliche Sterne und der Verlust von Details im Nebel sind dann leider die Folge.
Ein weiterer Aspekt ist das Seeing, das an meinem Standort nur selten unter 3,, liegt. Vor allem bei langen Brennweiten ist es ein ganz entscheidender Faktor. Von den zur Auswahl stehenden Objekten lassen sich nur bei wenigen PN die beiden Hauptkomponenten, die Nebelhülle und der Zentralstern, getrennt voneinander auflösen. Mit einer guten
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Bildbearbeitungssoftware ist es über die Anwendung verschiedener Schärfungsalgorithmen möglich, viele Bilddetails wieder herauszuarbeiten. Allerdings setzt dies auch möglichst gute Rohdaten voraus.
Objektauswahl Die PN sind überwiegend entlang der Milchstraßenebene konzentriert. Somit ist in unseren Breitengraden bei hochstehender Milchstraße der Sommer eine geeignete Jahreszeit für die PN-Fotografie. Sehr wichtig ist eine möglichst gute Vorbereitung. Um zu vermeiden, dass man doch wieder ein Standardobjekt aufnimmt, ist das Anlegen einer To-do-Liste dringend zu empfehlen. Folgende Überlegungen sollten dabei gelten:
- Objekt-Planungsliste - Wahl des Bildausschnitts - mögliche Leitsterne für die Nach-
führung aussuchen - bei Einsatz von Linienfiltern die
Intensitäten der Emissionslinien berücksichtigen - Planung der Belichtungszeiten
Für die eigentliche Objektauswahl bietet sich im Internet eine Fülle von Informationen. Hilfreich bei der Objektsuche ist beispielsweise der ,,Strasbourg-ESO Catalogue of Galactic Planetary Nebulae" [1]. Er beinhaltet neben Aufnahmen auch eine Vielzahl an Informationen zu fast allen PN. Für die anschließende Aufnahmeplanung verwende ich meistens das Computerprogramm ,,Cartes du Ciel" [2]. Es handelt sich hierbei um eine kostenfreie Planetariumssoftware. Für viele Objekte stehen Fits-Bilder zur Verfügung, damit lässt sich der Bildausschnitt optimal auswählen, auch mögliche Leitsterne für die Nachführung können bestimmt werden. Cartes du Ciel benötigt nicht zwingend einen Internetzugang und ist somit auch auf dem Notebook im Feld zu nutzen.
Fotografie mit Linienfiltern Planetarische Nebel haben ein charakteristisches Emissionsspektrum. Sie bestehen vor allem aus leuchtendem Wasserstoffgas und aus anderen Elementen. Je nach den physikalischen Gegebenheiten senden PN unterschiedlich starke Emissionslinien dieser Elemente aus (siehe Artikel von P. Riepe über die Emissionslinien im Spektrum der PN, S. 15). Abhängig von Intensität und Vorkommen dieser Linien variiert die Grundfarbe des PN.
Für die PN-Fotografie sind geeignete Filter von entscheidender Bedeutung. Ein H-Filter und ein [O III]-Filter lassen das emittierte Licht der Nebel fast ungehindert passieren. Das übrige Spektrum wird blockiert. Dadurch gelingen gute Aufnahmen auch an Beobachtungsorten mit großer Lichtverschmutzung, lange Belichtungszeiten vorausgesetzt. Der Einsatz verschiedener Linienfilter ermöglicht mit einer S/W-CCD-Kamera die Erstellung von Dreifarbenkomposits. Geeignet sind zunächst einmal H-Filter. Korrekter sollte man sagen: Filter für H+[N II], denn diese Filter mit Halbwertsbreiten von etwa sechs bis 20 Nanometer lassen nicht nur das Licht des ionisierten Wasserstoffs bei 656,3 Nanometer Wellenlänge passieren, sondern auch - was kaum bedacht wird - das Licht der Doppellinie des ionisierten Stickstoffs [N II] bei 654,8 und 658,4 Nanometern. Für das Herausfiltern der Doppellinie des ionisierten Schwefels bei 671,6 und 673,1 Nanometer kommt ein [S II]-Filter in Frage, für die bekannte doppelte Sauerstoff-Emission des zweifach ionisierten Sauerstoffs bei 495,9 und 500,7 Nanometern ein [O III]Filter. H, [O III] und [S II] werden bei der Bildbearbeitung - ähnlich wie beim klassischen RGB-Verfahren - den Farben Rot, Grün und Blau zugeordnet. Diese Zuordnung kann man aber beliebig kombinieren, um unterschiedliche Bildwirkungen zu erzielen.
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Planetarische Nebel
1 NGC 40 im Kepheus (0,6, x 0,4,). HLRGB-Bild, gewonnen
mit einer gekühlten CCD-Kamera vom Typ SBIG ST-2000XM an einem 12-zölligen Meade ACF (3048 mm Brennweite) von meinem Balkon in Erdweg (Bayern). Belichtet wurde: H 10 x 4 min (2x2), L 36 x 4 min, RGB je 10 x 4 min (2x2). Filter: SBIG LRGB, Astronomik H 13 nm.
2 NGC 6826, der ,,blinkende PN" im Schwan (0,8,, elliptischer
PN mit Doppelschalenstruktur und zwei gegenüberliegenden Knoten). Kamera, Teleskop und LRGB-Filter wie in Abb. 1. L 20 x 2 min, RGB je 5 x 2 min (2x2).
3 Abell 12 im Orion (0,6,, elliptischer PN). Kamera, Teleskop
und LRGB-Filter wie in Abb. 1. Belichtungszeiten: L 20 x 2 min, RGB je 5 x 2 min (2x2).
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4 NGC 7293 (Helixnebel) im Wassermann (28,0, x 16,0,,
elliptischer PN). Hierfür kamen zwei Teleskope zum Einsatz.
Mit der SBIG ST-2000XM wurde a) mit einem Vixen R200SS (8,,-Newton, f = 800 mm) und b) mit einem 4,5,,-Newton (f = 440 mm) wie folgt belichtet. H 8 x 8 min, L 12 x 8 min, RGB je 6 x 8 min. Filter: SBIG LRGB, Astronomik H 13 nm.
5 NGC 7009, Saturnnebel (0,5,, elliptischer PN im Wassermann,
dessen Form mit den beidseitigen Auswürfen an Saturn erinnert). Teleskop, Kamera und LRGB-Filter wie in Abb. 1. Belichtung: L 40 x 1 min, RGB je 10 x 1 min (2x2).
6 NGC 6781 im Adler (1,8,, elliptischer PN). Teleskop, Kamera
und LRGB-Filter wie in Abb. 1. Belichtung: L 45 x 2 min, RGB je 10 x 2 min (2x2).
7 NGC 7026 im Schwan (27,, x 11,,, junger bipolarer PN mit zwei noch
geschlossenen Blasen). Teleskop, Kamera und LRGB-Filter wie in Abb. 1. Belichtung: L 4 x 5 min, RGB je 2 x 5 min (2x2).
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Kameraauswahl Für hochauflösende PN-Aufnahmen mit Schmalbandfiltern ist eine S/W-CCDKamera die beste Wahl. Bei einer monochromen SW-Kamera enthält jedes Pixel die volle Bildinformation für jede Farbe, dies sorgt für maximale Auflösung und Datentiefe. Die leistungsfähige Kühlung der S/W-CCD wirkt sich positiv auf das Rauschverhalten und damit auf die Bildqualität aus. Mittlerweile gibt es einige Hersteller von S/W-CCD-Kameras, die auch größere Filterräder anbieten. Das eröffnet für die Astrofotografie die Möglichkeit, das Filterrad neben den üblichen LRGB-Filtern zusätzlich noch mit Schmalbandfiltern zu bestücken. Die Vorteile der S/W-CCD-Technik sind schnell genannt:
- volle 16 Bit Dynamikumfang - maximale Auflösung, d. h., für jedes
Pixel steht die volle Information zur Verfügung - jedes Pixel bekommt die volle FarbInformation - optimal für den Einsatz von Schmalbandfiltern geeignet - Kühlung des Sensors (sehr gutes Signal-Rausch-Verhältnis)
Mit einer Spiegelreflexkamera (DSLR) ist die PN-Fotografie nicht oder nur eingeschränkt sinnvoll. Durch die Bayer-Matrix des Sensors sieht jedes Pixel nur jeweils eine Farbe. Daher muss ein großer Auflösungsverlust hingenommen werden. Das Signal-Rausch-Verhältnis ist wesentlich schlechter als bei einer S/W-CCD-Kamera, da die Kühlung fehlt. Außerdem stehen bei einer DSLR meist nur 12 Bit Dynamikumfang zur Verfügung. Der auf dem Detektor aufgebrachte Infrarotschutzfilter begrenzt die Rotempfindlichkeit des Chips zusätzlich. Dadurch wird die Wiedergabe vieler nebulöser Deep-Sky-Objekte reduziert, die ihr Licht zum Großteil in der H-Linie des Wasserstoffs aussenden. Um die H-Empfindlichkeit einer DSLR zu erhöhen, ist deshalb ein Umbau nötig und möglich. Dabei wird der ursprünglich vorhandene IR-Sperrfilter, der das langwellige rote Licht blockiert, durch einen speziellen Filter ersetzt.
Im Vergleich zu DSLR-Kameras bieten Farb-CCD-Kameras zumindest einige Vorteile. Die Kühlung des Sensors einer
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Farb-CCD bringt ein sehr gutes SignalRausch-Verhältnis in den Einzelbildern. Mit einer DSLR müssen wesentlich mehr Bilder aufgenommen werden, um auf ein gleich gutes Signal-Rausch-Verhältnis wie mit einer Farb-CCD zu kommen.
Nächtliche Praxis an NGC 40 NGC 40 ist ein relativ kleiner, heller PN im Sternbild Kepheus. Im Vergleich zu den meisten PN leuchtet er kräftig rot in H, [N II] und [S II], aber kaum in [O III]. Mit einer Winkelausdehnung von 0,6, x 0,4, lechzt der Winzling förmlich nach langer Brennweite. Für die Fotografie kamen ein Meade 12,, ACF (f = 3048 mm) und die S/W-CCD-Kamera SBIG ST-2000XM mit einem Farbfilterrad vom Typ CFW8A zum Einsatz. Die Bestückung des Farbfilterrades setzte sich aus LRGB-Filtern (SBIG) und einem H-Filter mit 13 Nanometern Halbwertsbreite (Astronomik) zusammen. Standort war Erdweg/Bayern, ca. 30 Kilometer nordwestlich von München gelegen. Um die rot leuchtenden Strukturen des Nebels gut abzubilden, waren neben den LRGB-Aufnahmen auch zusätzliche Belichtungen in H+[N II] geplant. Mit dieser Filterkombination habe ich mir einen merklich höheren Bildkontrast versprochen als mit einem reinen LRGBKomposit. Für den Luminanzkanal und für jeden der Farbkanäle habe ich eine Einzelbelichtungszeit von vier Minuten gewählt, jedes Bild wurde im Fits-Format abgespeichert. Es sollten so viele Details wie möglich abgebildet werden. Ziel war auch, Teile der schwachen Außenhülle von NGC 40 mit abzulichten. Somit hatte ich mich kurzfristig entschlossen, die H-Belichtungen im 2x2-Binning-Modus vorzunehmen. Auf den Rohbildern waren ansatzweise zumindest Teile einer Außenhülle zu erahnen.
Wie so oft war der Weg zum fertigen Bild spannend. Die Bildbearbeitung von PN unterscheidet sich kaum von der Bearbeitung von Galaxien- oder Nebelbildern. Bei schwachen PN-Strukturen müssen oft zwei Bilder miteinander kombiniert werden. Bei diesem Bild von NGC 40 habe ich die im 2x2-Binning-Modus aufgenommenen H-Daten mit dem LRGB-Bild kombiniert.
Bildbearbeitung von NGC 40 Insgesamt kamen in zwei Nächten fünf
Stunden Belichtungszeit zusammen. Sie setzten sich wie folgt zusammen: Luminanz: 36 x 4 min (1x1); R:10 x 4 min (2x2); G:10 x 4 min (2x2); B:10 x 4 min (2x2); H+[N II]:10 x 4 min (2x2). Neben den eigentlichen Objektaufnahmen ist die Anfertigung von Darks und Flats unbedingt erforderlich. Je mehr von ihnen bei der Bildbearbeitung zur Verfügung stehen, desto besser. Darks müssen unter gleichen Bedingungen (Chiptemperatur, Belichtungszeit, Binning) entstehen. Um nicht kostbare Aufnahmezeit zu verschwenden, können sie auch in astronomisch unbrauchbaren Nächten gewonnen werden. Ebenso wichtig wie die Darks sind möglichst gute Flats. Damit werden Bildfehler wie Vignettierung, inhomogene Empfindlichkeiten des Chips und Staub auf der Oberfläche des Sensors beseitigt. Grundsätzlich sollten für jeden Filter separate Flats angefertigt werden.
Zuerst erstelle ich mit ,,Astroart" [3] ein Master-Dark, bzw. Master-Flat. Dazu werden die Darks und Flats gemittelt. Danach habe ich für jedes einzelne Rohbild folgende Arbeitsschritte durchgeführt:
- Abzug des Master-Darks - Division durch das Master-Flat - Anwendung des Filters gegen Hot-
pixel - evtl. Anwendung eines Gradienten-
filters
Diese so korrigierten Rohbilder werden anschließend für jeden einzelnen Filter in einem Vorweg-Arbeitsgang (Pre-Processing) registriert und gemittelt. Wenn alle Aufnahmen zueinander ausgerichtet sind, werden die Farbkanäle zu einem Farbbild kombiniert. Dabei habe ich den H-Kanal im Verhältnis 70:30 dem Rotkanal zugeordnet und mit diesem neuen H/R-Kanal zusammen mit dem Grünund Blaukanal ein RGB-Bild erstellt. Anschließend werden alle bereits registrierten Luminanzbilder zu einem Master-L kombiniert und in Astroart einem moderaten Schärfungsalgorithmus (Deconvolution) unterzogen. In einem weiteren Menü ,,LRGB Synthese" wird das Luminanzbild über das RGB gelegt und man erhält das eigentliche LRGB-Bild, das im 16-Bit-Tiff-Format abgespeichert werden sollte, um keinen Datenverlust hinnehmen zu müssen. Dieses LRGB-Bild wird in ,,Photoshop" [4] weiter bearbeitet.
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Die Farbgewichtung erfolgt bereits in Astroart, in Photoshop werden mit der Tonwertkorrektur bzw. der Gradationskurve Helligkeit, Kontrast und Bildschärfe optimiert. Das Master-H habe ich im 16-Bit-Tiff-Format in Astroart gespeichert und in Photoshop dem LRGBBild angepasst. Abschließend erfolgte die Anfertigung einer Maske, um die schwache Außenhülle von NGC 40 etwas stärker hervorzuheben. Diese Maske wird in Photoshop mit der Ebenen-Funktion ,,Aufhellen" vorsichtig in mehreren kleinen Schritten eingeblendet.
Erscheinungsformen Planetarischer Nebel Die PN weisen nur zum Teil symmetrische oder gar sphärische Formen auf. Daneben gibt es sehr viele stark unterschiedliche, asymmetrische Formen. Die Gründe für diese Formenvielfalt sind in
der Physik der Zentralsterne zu finden (siehe Artikel von P. Riepe, S. 30). Die häufigsten Formen der PN sind:
- elliptische Nebel (typische PN) - bipolare Nebel - sphärische Nebel
Fazit Planetarische Nebel sind die wahren Schmuckstücke des Nachthimmels und gehören zu den gern fotografierten Objekten. Allerdings stellen die meisten PN eine große Herausforderung für den Astrofotografen dar. Der Schlüssel zum Erfolg ist neben einer guten Ausrüstung auch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Zielobjekt. Mit dem Einsatz von Linienfiltern lassen sich sogar aus der Großstadt gute Ergebnisse erzielen. Sehr wichtig ist die Bildbearbeitung. Sie bringt die in den Rohdaten schlummernden De-
tails zum Vorschein. Empfehlenswert ist ein Vergleich der eigenen PN-Bilder mit denen des Weltraumteleskops Hubble [5]. Und wer sich für mehr PN-Bilder interessiert, kann meine Homepage besuchen [6].
Internet- und Literaturhinweise: [1] Agnès Acker et al. (1992): Stras-
bourg-ESO Catalogue of Galactic Planetary Nebulae, I+II; siehe auch: www.vizier.u-strasbg.fr/cgi-bin/ VizieR?-source=V/84 [2] Cartes du Ciel: www.ap-i.net/ skychart/en/start [3] Astroart: www.msb-astroart.com [4] Adobe Photoshop: www.adobe.com/ de/products/photoshop.html [5] http://hubblesite.org/gallery/album/ nebula/planetary [6] www.galaxyphoto.de
WeBo 1 - ein außergewöhnlicher Planetarischer Nebel
von Frank Sackenheim (Teil 1) und Peter Riepe (Teil 2)
Teil 1: Astrofotografischer Hintergrund
Im Jahr 2013 ergab sich für mich die Gelegenheit, eine astronomische Ausrüstung auf die Kanareninsel Teneriffa zu schaffen und diese dort dauerhaft zu deponieren. Mein Plan ist, mindestens ein- bis zweimal im Jahr die Insel zu besuchen und dort mit der Ausrüstung Astrofotografie zu betreiben. Die Bedingungen auf Teneriffa sind zwar nicht so optimal wie auf der Nachbarinsel La Palma, jedoch deutlich besser als in heimischen Gefilden. Die Möglichkeit, meine Ausrüstung dort zu lassen und gleichzeitig ein Quartier zu haben, das ich über ein Familienmitglied günstig anmieten kann, erschien mir als sehr aussichtsreich, um meine Ausbeute an Bildern zu erhöhen. Eigens zu diesem Zweck habe ich eine neue Montierung samt Steuerung angeschafft, und zwar eine Losmandy G11 mitsamt einer FS2-Steuerung von Michael Koch. Aufnahmeinstrument ist ein Apochromat von TMB/LOMO mit 80 mm Öffnung und 600 mm Brennweite, an dem ich eine CCD-Kamera SBIG ST8300M betreibe.
Aus beruflichen Gründen fiel meine Wahl auf das letzte Augustwochenende. Das war nicht ganz optimal, da der Mond in der zweiten Nachthälfte stören würde. Daher hatte ich mir für die insgesamt fünf eingeplanten Beobachtungsnächte ein Objekt für die erste Nachthälfte, und ein weiteres für die zweite Nachthälfte gesucht. Die Wahl fiel auf den Reflexi-
onsnebel vdB 152 für die Abendstunden und den Gasnebel IC 1805 für die Morgenstunden.
Bei Mondschein arbeite ich generell nur mit schmalbandigen Rotfiltern, also [S II] oder H. Mein Plan war es, die HAufnahmen auf Teneriffa zu machen und die Aufnahmen mit [S II]- sowie [O III]-
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1 IC 1805, aufgenommen von Frank Sackenheim am 27.08.2013 auf Izaña/Teneriffa, Refraktor TMB 80/600 bei 520 mm, Losmandy G11
mit FS2, SBIG ST-8300M, 15 x 1200 s, Filter H + [N II] (Baader). Im gelb umrandeten Ausschnitt liegt der PN WeBo 1.
Filter in der heimischen Sternwarte in der Eifel zu belichten. Daraus sollte dann ein Bild gemäß der Hubble-Palette entstehen. Leider kam ich aus Wetter- und Berufsgründen nicht zu weiteren Belichtungen, und so hatte ich lediglich die H-Aufnahmen für eine Bearbeitung zur Verfügung.
Als Aufnahmestandort wählte ich ein Gelände gleich unterhalb des Observatoriums Izaña aus, nur wenige hundert Meter entfernt von den Sternwartengebäuden. Die Bedingungen waren durchweg sehr gut. Auf fast 2400 Metern Höhe befindet man sich dort über den Passat-
2
Ausschnitt aus Abb. 1. Der PN WeBo 1 zeigt sich als 65 x 33 großer, dünner elliptischer Ring.
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wolken und in allen Nächten hatte ich einen komplett klaren Himmel. Leider ist die Lichtverschmutzung auf Teneriffa weit fortgeschritten. Das macht sich insbesondere am West- und Südhorizont störend bemerkbar. Jedoch ist der Himmel ab einer Horizonthöhe von ca. 20 Grad sehr dunkel. M 13 war mit bloßem Auge zu beobachten, ebenso sehr viele, sehr lichtschwache Meteore.
Für die Datenreduktion habe ich mehrere Anläufe benötigt. Immer wieder waren Artefakte im Bild zu sehen, die ich schließlich auf unsauber erstellte Darkund Flatframes zurückführen konnte. Erst nach Beseitigung dieser Probleme konnte ich mich der Bildbearbeitung widmen. Auf den Einzelbildern von IC 1805 (Abb. 1) fiel mir ein ungewöhnliches Objekt auf, das ich aufgrund seiner sehr regelmäßigen Form zunächst wieder für ein Bildartefakt hielt (Abb. 2). Erst der Vergleich mit anderen Bildern offenbarte, dass es sich tatsächlich um eine reale Struktur handelte. Eine Recherche im Internet führte dann auf den Planetarischen Nebel WeBo1. Zwar hatten vor mir bereits Amateure diesen PN auf ihren Aufnahmen erkannt und auch benannt, aber erst Peter Riepe machte mich auf der Mailingliste der VdS-Fachgruppe Astrofotografie auf die außergewöhnliche Natur dieses PNs aufmerksam.
Teil 2: Der PN WeBo 1
Offensichtlich lässt sich der dünne PN überhaupt erst bei langen Belichtungszeiten im H-Licht fotografisch nachweisen. Visuell ist er eine harte Nuss, an der man sich die Zähne ausbeißt. So jedenfalls berichtet Jens Bohle: ,,WeBo 1 habe ich am 5. Februar 2005 unter heimischen Bedingungen visuell versucht, aber außer dem Zentralstern habe ich damals nichts gesehen. Der PN reagierte weder auf einen [O III]- noch auf einen UHC-Filter. Auf dem POSS ist er ja auch nicht gerade auffällig ..." (Abb. 3).
WeBo 1 wird nach der Strasbourg-ESOKlassifizierung auch als PN G135.6+01.0 geführt. Was gibt es nun Wissenswertes über diesen PN zu erzählen? Zunächst einmal: der PN-Name WeBo 1 setzt sich aus den Initialen der beiden Entdecker zusammen [1]. 1995 suchte Ronald F. Webbink im Digitized Sky Survey nach
einem Röntgenstern nahe IC 1805 in der Cassiopeia. Dabei bemerkte er einen schwachen elliptischen Nebelring, der sich um einen 14-mag-Stern erstreckte. Die Koordinaten (J2000) des Sterns sind: Rektaszension = 02 h 40 min 14 s, Deklination = 61 Grad 09 17. Ein Jahr später nahm Howard E. Bond diesen Ring mit dem 90-Zentimeter-Reflektor des Kitt Peak Observatory auf, gefiltert wurde mit H + [N II] sowie [O III]. Etwas später wurden die Aufnahmen am 4-MeterTeleskop wiederholt (Abb. 4). Offenbar war der Nebel in H + [N II] lichtschwächer als in [O III]. Sehr ungewöhnlich war, dass der Zentralstern offensichtlich orange war! Normalerweise sollte ein Stern, der einen Nebel zur Emission anregt, blau leuchten. Heute wird in der Datenbank SIMBAD die V-Helligkeit mit 14,45 mag angegeben, während die BHelligkeit nur 16,25 mag erreicht. Tatsächlich, mit B-V = 1,8 mag ist der Zentralstern kräftig orange!
Auch hier hilft SIMBAD weiter. Es handelt sich um einen Riesenstern vom Spektraltyp K0, der in seinem Spektrum zusätzliche Absorptionslinien des Metalls Barium und Emissionslinien des Metalls Kalzium aufweist. Dazu kommen noch Molekülbanden von C2, CN und CH. Ein ,,normaler" K0-Stern zeigt diese Linien nicht. Wie kommen also die verursachenden chemischen Elemente und Verbindungen auf den Zentralstern von WeBo 1? Die plausibelste Erklärung ist: Der Stern kann sie nur von außerhalb bekommen haben. Und so entwickelten
die Entdecker die Theorie: Bariumsterne sind höchstwahrscheinlich Doppelsterne [1]. Der Begleiter ist ein entwickelter AGB-Stern, der seinem Hauptstern die schweren Elemente zuführen konnte, bei all seinen thermischen Pulsationen und Ausstößen auf dem Weg zum Weißen Zwerg. Insgesamt sorgte der Massenausstoß für die Bildung des dünnen, ringförmigen PNs in der gemeinsamen Umlaufbahn.
Inzwischen hat man in den Jahren 2012 und 2013 weitere Barium-Zentralsterne von PN gefunden, so etwa bei Abell 70 [2], Hen 2-39 [3] oder LoTr 1 [4]. Diese Beobachtungsbefunde sind eine gewaltige Stütze der Theorie, dass Bariumsterne immer Weiße Zwerge als Begleiter haben [5]. Außerdem sind die ,,Barium-Doppelsterne" ein weiterer Beleg dafür, dass (zumindest) ein Großteil der PN durch Doppelsterne erzeugt wird. Im Fall von WeBo 1 wurde sogar eine Variabilität gefunden, die zwar die Doppelsterntheorie erhärtet, aber auch durch ,,Sternflecken" erklärt werden kann, die aufgrund der Sternrotation zu messbaren Helligkeitsänderungen führen. Interessante Schlussbemerkung: In den zu WeBo 1 ähnlichen PN LoTr 1, LoTr 5 und Abell 35 hat man im UV-Licht eindeutig heiße Begleiter eines kühlen Hauptsterns gefunden [1]. Das beruhigt den Astrofotografen, der ja genau weiß: Jeder anregende Zentralstern eines PNs muss heiß und blau sein - selbst wenn, wie bei den Bariumsternen, ein gelber Stern vorgetäuscht wird.
3 WeBo 1 erscheint im POSS sehr dürftig. Links: F-Platte (rot), rechts: J-Platte (blau).
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4 Aufnahmen von WeBo 1 mit dem 4-m-Spiegel des Kitt Peak Observatory, links 2 x 300 s belichtet mit [O III]-Filter,
rechts 3 x 300 s mit H + [N II]. Bildkante: 150. Bild aus [1].
Literaturhinweise: [1] H. E. Bond, D. L. Pollacco,
R. F. Webbink (2003): WeBo 1: a young barium star surrounded by a ringlike planetary nebula; Astron. Journal 125, 260-264 [2] B. Miszalski et al. (2012): A barium central star binary in the type
I diamond ring planetary nebula Abell 70; Mon. Not. Roy. Astr. Soc. 419, 39-49 [3] B. Miszalski et al. (2013): SALT reveals the barium central star of the planetary nebula Hen 2-39; Mon. Not. Roy. Astr. Soc. (2013) doi: 10.1093/mnras/stt1795 [4] A. A. Tyndall et al. (2013): Two
rings but no fellowship: LoTr 1 and its relation to planetary nebulae possessing barium central stars; arXiv:1309.4307v1 [astro-ph.SR] 17 Sep 2013 [5] R. O. Gray et al. (2011): First direct evidence that barium dwarfs have white dwarf companions; Astron. Journal 141, 16
NGC 6826 - eine Gemeinschaftsarbeit
von Ralf Burkart/Kreuels, Stephan Küppers, Michael Kunze
Die Idee Als Stephan Küppers darüber nachdachte, welche Objekte er diesen Sommer fotografieren wollte, stieß er auf den Planetarischen Nebel NGC 6826 (Blinking Planetary) im Sternbild Schwan. Der Nebel hat seinen Beinamen aufgrund der Tatsache bekommen, dass er bei der Beobachtung zu blinken scheint. Schaut man auf den Zentralstern, überstrahlt dieser den zentralen Teil des Nebels. Schaut man dagegen indirekt am Zentralstern vorbei, kann man den Nebel sehen. Der Zentralbereich des Nebels hat eine scheinbare visuelle Helligkeit von 8,8 mag, der Zentralstern eine scheinbare Helligkeit von 10,4 mag [1]. NGC 6826 ist einer der wenigen Planetarischen Nebel, die drei Hüllen besitzen. Der Zentralbereich besteht aus zwei Hüllen, deren Ausdehnung 12,7,, x 8,7,, und 27,, x 24,, betragen. Die äußere Hülle (Halo) besitzt einen Durchmesser von ca. 130,,-140,, [2]. Unsere Idee bestand nun darin, NGC 6826 in einem gemeinsamen Projekt aufzunehmen und diese Maße zu überprüfen.
Stephan Küppers Mein Beitrag zum gemeinsamen Bild bestand aus R-, G-, B-, H- und [O III]Aufnahmen, die ich zuhause mit der Kamera Moravian G2 8300FW an meinem 8-Zoll-Newton-Teleskop (920 mm Brennweite) auf einer Losmandy G11 aufgenommen habe. Im Einzelnen habe ich Belichtungen von je 180 min H und [O III] (600 s Belichtung pro Einzelbild) sowie 75 min R, 70 min G und 55 min B (300 s Belichtung pro Einzelbild) beigesteuert. Fotografisch war dieser Nebel für mich deswegen interessant, weil man zwar viele langbrennweitige Aufnahmen des Zentralbereichs im Netz findet, aber nur wenige, die auch den Halo zeigen. Ich wollte testen, ob ich den Halo an meinem Standort (Stadtrandlage Krefeld, Sterngrenzgröße 5,2 mag) vernünftig wiedergeben kann. Ich erzählte dieses Vorhaben meinen Kollegen vom Astrofototeam Niederrhein [3] und schnell war der Gedanke geboren, dies könnte unser nächstes Gemeinschaftsprojekt werden.
Ralf Burkart/Kreuels Bei diesem Gemeinschaftsprojekt verwirklichten wir zum ersten Mal das Prinzip der Arbeitsteilung. Während die beiden anderen für die Tiefe des Bildes zuständig waren, fiel mir die Aufgabe zu, ein möglichst detailreiches und scharfes Bild des hellen Zentrums zu belichten. Hierzu nutzte ich meine Planetenkamera DMK 21AU618.AS und erstellte mehrere Videosequenzen mit sehr kurz belichteten Einzelaufnahmen. Bei meinem Celestron C11, dessen Brennweite ich auf 1400 Millimeter reduzierte (f/5), reichten schon 0,25 Sekunden Belichtungszeit aus, um ganz schwach den Nebel in seinen groben Strukturen erkennen zu können. Insgesamt belichtete ich fast 20.000 Einzelbilder, verwendete aber nur die schärfsten 4.000 davon, die ich dann in AutoStackert [4] verarbeitet habe.
Michael Kunze Ich habe mich auch schon einmal mit dem Objekt beschäftigt und es auf mei-
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1 NGC 6826 in seinem Umfeld,
Daten siehe Text
2 Zentraler Bereich von NGC 6826,
Daten siehe Text
ne Liste gesetzt. So kam mir die Planung des Objektes durch Stephan sehr gelegen. Generell setze ich für meine Deep-SkyAufnahmen einen Newton-Teleskop 254/ 1250 mm ein, mit dem ich die Aufnahmen für NGC 6826 in R, G und B und [O III] aufgenommen habe. Insgesamt wurden 240 Minuten je Kanal belichtet. Für mich war NGC 6826 das erste Objekt, welches ich mit meiner neuen Kamera Moravian G2 8300FW aufgenommen habe.
Die Bildbearbeitung Michael und Stephan haben sich aufgrund ihrer geringen Aufnahmebrennweiten auf den Halo konzentriert, Ralf hat mit seiner bewährten Kurzbelichtungstechnik und längerer Brennweite den Zentralbereich beigesteuert. Abb. 1 zeigt den Nebel in geringerer Auflösung mit seiner Umgebung und legt den Schwerpunkt auf die Darstellung des Halos. Hierzu wurden überwiegend die Daten von Michael und Stephan benutzt, aus Ralfs Daten wurde der Zentralbereich eingebaut. Abb. 2 zeigt in höherer Auflösung nur den Nebel ohne Umgebung und legt den Schwerpunkt auf die Auflösung des Zentralbereichs. Es fällt auf, dass der Außenhalo rund ist und einige Aufhellungen am Halo-Rand besitzt. Der innere PN mit seiner deutlichen Schalenstruktur hingegen ist eher elliptisch, aber mit bipola-
ren Ansätzen. Ins Auge fallen zwei helle Gebilde, die man auch ,,ansae" nennt [5]. Ansae sind kleine Knoten, die sich bei gleichem Abstand vom Zentralstern punktsymmetrisch 180 Grad gegenüber liegen. In dieses Bild sind im Wesentlichen die Belichtungen von Ralf eingeflossen, Michael und Stephan haben den Halo beigesteuert. Um Diskussionen vorzubeugen: Die im Halo sichtbare Kreuzform ist nicht echt, sondern ein Beugungseffekt der Fangspiegelstreben.
Eine kleine Auswertung Die aus [2] zitierten Ausdehnungen der Hüllen wurden in (Abb. 2) nachgemessen. Dabei haben wir folgende Werte ermittelt: Die Ausdehnungen der inneren Hüllen haben wir zu 13,2,, x 9,2,, und 29,7,, x 24,1,, gemessen, der Halo besitzt in unserem Bild einen Durchmesser von ca. 130,,.
Internet- und Literaturhinweise: [1] Wolfgang Steinicke, FRAS (2013):
Revised New General Catalogue and Index Catalogue. [2] W. A. Feibelman (1981): The Planetary Nebula NGC 6826; Publ. Astron. Soc. Pacific 93, 719-720 [3] www.astrofototeam-niederrhein.de [4] www.autostakkert.com (Stand: 2014) [5] B. Balick (1987): The Evolution of Planetary Nebulae. I. Structures, Ionizations, and morphological Sequences; Astronom. Journal 94, 671-827
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Planetarische Nebel: Sein oder Schein?
von Manfred Mrotzek
Bei einem Planetarischen Nebel (ab hier PN) muss sich ein Weißer Zwerg in einem selbst erzeugten Emissionsnebel befinden und zugleich wegen seiner heißen Oberflächentemperatur dessen Anregungsquelle sein. Nun ist das PNStadium sehr kurzlebig, quasi das früheste Säuglingsstadium im Leben des über Milliarden von Jahren abkühlenden Weißen Zwergs. Was passiert, wenn ein Weißer Zwerg, der seine Phase als PN schon lange hinter sich hat, auf seinem Weg durch die Galaxis in eine Gaswolke gerät? Seine Oberflächentemperatur reicht immer noch aus, um die Gaswolke um ihn herum zu ionisieren, so dass je nach Zusammensetzung des Gases Wasserstoff- und Sauerstoffionen bei der Rekombination ihr charakteristisches Licht aussenden. Das optische Erscheinungsbild gleicht einem PN auf verblüffende Weise. Wie kann man nun einen wahren PN von einer so genannten ,,Strömgrensphäre", wie man das ionisierte Gas um eine heiße Anregungsquelle nennt, unterscheiden?
Der ruhende PN Dass diese Unterscheidung selbst für Fachastronomen nicht leicht ist, beweisen etliche Fehlklassifikationen von Objekten als PN und die z. T. erbitterten Debatten um die richtige bzw. falsche Klassifikation. Es ist klar, dass die eingangs genannten Merkmale erfüllt sein müssen, aber nicht ausreichen. Bei einem PN muss das ionisierte Gas vom Vorläuferstern des Weißen Zwergs selbst stammen, als dieser seine Atmosphäre in seiner Phase als Roter Riese durch heftige Sternwinde in seine Umgebung blies. Dadurch wurde das Gas radial beschleunigt und wird sich solange vom Weißen Zwerg fortbewegen, bis es durch das interstellare Medium zum Stillstand gebracht wird. Die spektroskopische Untersuchung des ionisierten Gases sollte als Ergebnis dessen Ausbreitung zeigen. Gleichzeitig sollte man dort, wo es beim Anlaufen gegen das interstellare Medium gestaut wird, eine heller leuchtende Stoßfront erwarten. Dies äußert sich z. B. in den hellen Rändern einiger PN.
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Der sich bewegende PN Wenn jedoch der langsamere Sternwind und der viel später emittierte schnellere Sternwind vom interstellaren Medium bis zum Stillstand abgebremst wurden, wird man kaum noch Stoßfronten finden. Dann wird die Unterscheidung schwierig. Zum Glück sind die Fixsterne ja gar nicht fix am Himmel positioniert, sondern bewegen sich mit einer bestimmten Eigenbewegung relativ zu uns und weiter entfernten Marken (z. B. entfernten Galaxien) über den Himmel. Der PN würde in der Abbremsphase an der Vorderfront, d. h., in der Bewegungsrichtung des Weißen Zwergs und damit auch des PNs, eine hellere Stoßfront ausbilden. Der Weiße Zwerg selbst wird durch das interstellare Medium nicht abgebremst, sondern bewegt sich unbeirrt durch selbiges weiter fort. Der abgebremste Gasanteil des PNs bleibt also hinter dem Weißen Zwerg zurück, und der Weiße Zwerg kann nicht mehr mittig im abgebremsten PN stehen. Insbesondere, wenn das Gas bis zum Stillstand abgebremst wurde, muss der Weiße Zwerg merklich außerhalb der Mitte eines PNs stehen. Er kann daher nicht im Zentrum des ionisierten Sauerstoffs, der wesentlich schneller als z. B. ionisierter Wasserstoff rekombiniert, stehen.
Der sich bewegende alte Weiße Zwerg (Strömgrensphäre) Wenn sich ein PN in dichteres interstellares Medium oder sogar in eine Gaswolke hineinbewegt, ist der Verlust des äußeren Randes des PNs durch Reibung am dichteren Medium zu erwarten. Der äußere Rand würde abgestreift und als Schleppe zurückbleiben. Da Wasserstoff viel langsamer rekombiniert, würde eine Schleppe aus Wasserstoffgas viel länger leuchten und nachweisbar sein. Dummerweiser ionisiert ein alter Weiße Zwerg beim Eindringen in eine Gaswolke aus Wasserstoff und Sauerstoff das ihn umgebende Gas ebenfalls und bildet eine leuchtende Schleppe von Wasserstoff entlang seiner Flugbahn aus. Ein alter Weißer Zwerg würde sich jedoch im Zentrum des ionisierten Sauerstoffs befinden, da es sich um eine Strömgrensphäre handelt, d. h.,
er ionisiert beim Durchqueren der Wolke einen kugelförmigen Raum um ihn herum wie eine Glühbirne den Raum um sie herum erhellt und der erhellte Raum mit der sich bewegenden Glühbirne mitwandert. Bei einem abgebremsten PN würde der ionisierte Sauerstoff aber hinter dem Weißen Zwerg zurückbleiben.
Altersbestimmung Untersuchungen an PN haben gezeigt, dass die Anfangsgeschwindigkeit, mit der sich das Gas ausbreitet, in einem gewissen Schwankungsbereich für alle PN gleich ist. Wenn man die Dichte des interstellaren Mediums an der Position des PNs kennt oder plausible Annahmen dafür treffen kann, dann kann man aus der Größe des PNs auf sein Alter schließen. Gleichzeitig kann man aus der chemischen Zusammensetzung des Weißen Zwergs und der Zusammensetzung des Gases im PN auf die Anfangstemperatur des Weißen Zwergs schließen. Ein Weißer Zwerg ist der heiße Kern eines Sterns, der nicht genügend Masse hat, um weiter schwerere Elemente zu fusionieren. Der Weiße Zwerg kann nur eines, nämlich langsam abkühlen. Somit kann durch die Messung der aktuellen Temperatur und das Abschätzen der Anfangstemperatur eines Weißen Zwergs auf dessen Alter geschlossen werden. Das Alter des Weißen Zwergs und das Alter des PNs müssen übereinstimmen.
Entfernung Es ist ziemlich schwierig, die Entfernung von Gasnebeln genau zu bestimmen. Genauso schwierig ist es auch, die Entfernung weit entfernter Sterne so genau zu bestimmen, dass man sicher sein kann, dass der gefundene Weiße Zwerg auch tatsächlich im ionisierten Gasnebel steht und nicht nur zufällig in der Sichtlinie, aber in einer ganz anderen Entfernung. Wenn die Dopplerverschiebung der Spektrallinien des Weißen Zwergs und des Nebels übereinstimmende Geschwindigkeiten ergeben, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sich der Weiße Zwerg im Nebel befindet und es sich um einen echten PN handelt. Wie wir in den vorherigen Abschnitten gesehen haben, ist
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1 Sh2-174 im Sternbild Kepheus. 140-mm-Refraktor, f/5,4 und Kamera Atik 460EX; H: 16 x 600 s,
[OIII]: 13 x 600 s. Der Weiße Zwerg ist durch ein gelbes Kreuz markiert (Bildautor: Manfred Mrotzek).
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2 Sh2-68 im Sternbild Schlange. 200-mm-Newton-Teleskop, f/4 und Kamera SBIG ST-10XME (H und [OIII]), ALCCD10 (RGB);
H: 20 x 900 s, [OIII]: 18 x 900 s, RGB: je 9 x 450 s (Bildautor: Andreas Rörig).
der Fall aber nur dann so einfach, wenn sich der PN nicht gerade durch dichteres interstellares Medium bewegt.
Der Australier David J. Frew hat in seiner Dissertation [1] Objekte untersucht, die als nahe PN klassifiziert worden waren. Er sammelte alle über sie verfügbaren Fakten, ermittelte selbst weitere Daten und wertete alle Messwerte dahingehend aus, ob sie mit einem PN verträglich sind. Dabei fielen ihm bei etlichen Objekten Ungereimtheiten auf, u. a. bei Sh2-174 und Sh2-68. Die Tatsache, dass beide Objekte nicht nur Bezeichnungen aus Katalogen von PN tragen, sondern auch Bezeichnungen aus dem Sharpless-Katalog, der eigentlich Wasserstoffemissionsnebel listet, zeigt bereits, wie schwierig es manchmal für die Astronomen ist, die wahre Natur von Objekten zu erkennen.
Sh2-174 (= PN G120.3+18.3) im Sternbild Kepheus In Sh2-174 (Abb. 1) beobachtet man einen Weißen Zwerg, der sich mit hoher Eigengeschwindigkeit über den Himmel bewegt. Um ihn herum leuchtet ionisierter Sauerstoff, etwas weiter zurück auf seiner Bahn leuchtet ionisierter Wasserstoff, der als Fahne zurückbleibt, während der Weiße Zwerg offenbar schon weitergeeilt ist. Der Nebel erscheint dadurch asymmetrisch. Wasserstoff- und
Sauerstoffemissionsnebel ruhen und zeigen weder eine Ausbreitung noch eine Bewegung in Richtung des Weißen Zwergs. Stoßfronten sind keine zu sehen, insbesondere nicht in Bewegungsrichtung des Weißen Zwergs. Dieser befindet sich ziemlich mittig im ionisierten Sauerstoff. Die Entfernungen von ionisiertem Gas und dem Weißen Zwerg stimmen gut überein, das Alter hingegen nicht. Der Weiße Zwerg ist etwa hundertmal älter als er sein dürfte, wenn er den PN selbst gebildet hätte.
Daraus folgert Frew als plausibelste Erklärung, dass ein alter Weißer Zwerg mit hoher Geschwindigkeit durch eine Gaswolke pflügt und dabei seine Umgebung ionisiert. Sh2-174 ist somit eine Strömgrensphäre, und das ionisierte Gas stammt nicht vom Weißen Zwerg.
Sh2-68 (= PN G030.6+06.2) im Sternbild Schlange Auch an Sh2-68 (Abb. 2) scheiden sich die Geister. Kerber et al. [2] haben nicht nur die hohe Eigenbewegung des Weißen Zwergs in Sh2-68 entdeckt, sondern auch eine etwa 45 Bogenminute lange Schleppe aus schwach ionisiertem Wasserstoffgas, die der Nebel hinter sich herzuziehen scheint. Sie interpretieren beides dahingehend, dass sich hier ein PN durch dichteres interstellares Medium
bewegt und dabei eines Teils seines Gases beraubt wird. Der Weiße Zwerg, der als Zentralstern von Sh2-68 angesehen wird, weist zwar eine hohe Eigenbewegung auf, es fehlt dem Nebel aber eine Stoßfront in der Bewegungsrichtung des Weißen Zwergs, wie sie zu erwarten wäre, wenn das von Kerber et al. dargelegte Szenario zuträfe. Die hellsten Bereiche von Sh2-68 befinden sich an seinem östlichen Rand, während der Weiße Zwerg sich in südwestliche Richtung bewegt. Weiterhin ist die Linienbreite der Spektrallinien des Nebels zu klein, als dass sie mit der Geschwindigkeit des Weißen Zwergs harmonieren würde. Die Geschwindigkeit des Gases ist gemäß Frew eher typisch für eine lokale, ruhende Gaswolke.
Frew interpretiert seine Befunde so, dass auch bei Sh2-68 ein heißer Weißer Zwerg seine Umgebung ionisiert, während er durch eine dichte Gaswolke zieht, die zum Serpens-Molekülwolkenkomplex gehört. Die Rekombinationszeit für Wasserstoff sei mit der Zeit, die der Stern für die Strecke der ionisierten Schleppe brauchte, verträglich.
Zur selben Zeit, als Frew die nahen PN untersuchte, entwickelte C. J. Wareing [3] ein Modell, bei dem drei Phasen im Leben eines PNs berücksichtigt werden:
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Planetarische Nebel
1.) Ein symmetrischer, langsamer Sternwind während der Phase als Roter Riese, 2.) ein ebenfalls symmetrischer, schneller Sternwind in der Anfangsphase des PNs und 3.) ein eindimensionaler Druck (sozusagen der Fahrtwind) auf die zuvor durch die Sternwinde emittierten Gasmassen bei der Bewegung des PNs durch dichteres interstellares Medium.
Dieses Modell kann in Abhängigkeit der eingestellten Randbedingungen das Fehlen einer Stoßfront in Bewegungsrichtung, die Aufhellung der Nebelmassen senkrecht zur Bewegungsrichtung und die Schleppe von ionisiertem Gas erklären. Durch die Bremswirkung des interstellaren Mediums verliert der Weiße Zwerg sein Gas (den PN) und bewegt sich am Ende allein weiter, wobei der Nebel bis zum Stillstand abgebremst werden kann. In der Tat führt der Autor Sh2-68 als Beleg für sein Modell an.
Fazit Es ist hinlänglich bekannt, dass viele zunächst als PN klassifizierte Objekte gar nicht zu dieser Objektgruppe gehören. Das bloße Erscheinungsbild oder das Vorhandensein einzelner Merkmale ist für die Klassifizierung von Objekten als PN unzureichend. Von daher ist es wichtig und notwendig, diese Objekte kritisch zu untersuchen und ihre Klassifizierung zu hinterfragen. So haben die Arbeiten von Frew viel Bewegung in die Klassifikation einiger PN gebracht. Im Fall von Sh2-174 folgen viele Astronomen anscheinend Frew und sehen das Objekt nicht mehr als PN an. Allerdings hat die Datenbank Simbad [4] Sh2-174 immer noch als PN gelistet (Stand: Juli 2014). Bei Sh2-68 hingegen folgt man Frew nicht, da bei diesem Objekt die beobachteten Erscheinungen durchaus mit einem PN vereinbar sind, wie z. B. Wareing gezeigt hat.
Internet- und Literaturhinweise: [1] David J. Frew (2008): Planetary
Nebulae in the Solar Neighbourhood: Statistics, Distance Scale and Luminosity Function, Dissertation, Macquarie University/Australien, siehe: http://physics.mq.edu. au/~qap/papers/Frew_thesis_2008_ final.pdf (Stand: Juli 2014) [2] F. Kerber et al. (2003): Sh2-68 A Planetary Nebula Leaving it's (sic) Mark on the Interstellar Medium, in Planetary Nebulae: Their Evolution and Role in the Universe, IAU Symposium Vol. 209 [3] C. J. Wareing (2010): The Rebrightening of Planetary Nebulae through ISM Interaction, Publ. Astr. Soc. Australia 27, 220 [4] http://simbad.cfa.harvard.edu/ simbad/simid?Ident=sh2174& NbIdent=1&Radius=2&Radius. unit=arcmin&submit=submit+id (Stand: Juli 2014)
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Planetarische Nebel entdeckt von österreichischen Astronomen
von Uwe Glahn
Denken wir an Planetarische Nebel (PN), die nach der visuellen Entdeckungsära F. W. Herschels einen Platz in moderne Kataloge fanden, fallen häufig Namen wie Abell, Henize oder Minkowski. Ein Großteil dieser Namen verweist auf einen amerikanischen Ursprung rund um die damals größten Sternwarten und aktivsten Institute. Dagegen kaum bekannt ist, dass unserem Nachbarland Österreich ebenfalls eine Vielzahl Neuentdeckungen und wichtiger Arbeiten um das Thema Planetarische Nebel zuzuschreiben ist.
fotografischen Neuentdeckungen nach Rektaszension geordnet und erhielten wieder eine Nummer, die keinen direkten
Aufschluss über den Entdecker selbst ermöglichte. Bis 1908 wurden im NGC und IC lediglich 129 PN gelistet.
Bis zum Abschluss des New General Catalogue (NGC) 1888 wurden alle, meist visuellen Entdeckungen des 18. und 19. Jahrhunderts von unterschiedlichsten Astronomen fortlaufend nach Rektaszension sortiert und einer ,,unpersönlichen" Nummer zugeordnet. Die Ergänzungskataloge IC I und II (Index Catalogue) erschienen 1895 und 1908. Wie beim NGC wurden die bereits vornehmlich
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1 Anzahl der PN-Entdeckungen bis zum Jahr 2000 (Quelle: CGPN 2000,
L. Kohoutek, Hamburger Sternwarte)
Planetarische Nebel
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Doch die Neuentdeckungen endeten nicht 1908 - ganz im Gegenteil! Neue Verfahren wie die Spektroskopie oder fotografische Aufnahmen durch Objektivprismen, die auch kleine, vorher oft übersehene PN aufspürten, ließen die Anzahl der bekannten Objekte rasch in die Höhe steigen (Abb. 1). Neu war, dass die entdeckten PN den Namen ihrer Entdecker zugeordnet bekamen, eine kumulierende Liste wie den NGC oder IC gab es ja nicht mehr. So betraten nunmehr Astronomen wie Minkowski die Bühne, die eine Vielzahl von PN fanden und deren Namen bzw. Namenskürzel plus eine nach dem Entdeckungszeitraum aufsteigende Nummer erhielten. Folge dieser Nomenklatur nach einzelnen, personifizierten Entdeckungen war, dass die Anzahl an Namen ähnlich unübersichtlich stieg, wie die Anzahl der Objekte selbst. Eine weitere Problematik bestand darin, dass es zu Doppelentdeckungen kam, die in keinem zusammenfassenden Katalog überprüft werden konnten. Auf eine Lösung dieses Wirrwarrs musste bis zum Jahr 1967 gewartet werden. Die beiden Tschechoslowaken Perek und Kohoutek entwickelten einen Katalog, der alle bis dato bekannten PN nach galaktischen Koordinaten ordnete [1]. Die Doppelbezeichnung nach Namen blieb jedoch bis heute bestehen.
Einen Meilenstein in der Entdeckung, insbesondere der Anzahl von neu entdeckten PN, gab es mit der Veröffentlichung des Palomar Observatoy Sky Survey (POSS). In den Jahren 1949 bis 1958 wurden insgesamt 936 Plattenpaare mit dem ,,Big Schmidt" auf dem Mount Palomar aufgenommen, die den kompletten Nordhimmel bis -33 Grad Deklination in zwei Farbempfindlichkeiten darstellten. Nach Fertigstellung wurden Kopien der Aufnahmen an Observatorien und Institute auf der ganzen Welt verteilt. Ohne maschinelle Hilfe wurde nun intensiv Platte für Platte visuell nach neuen Objekten durchsucht. Georg Odgen Abell nutzte dabei seinen Standortvorteil aus und veröffentlichte bereits 1955 eine Liste von 73 neu entdeckten PN [2], die er mit insgesamt 86 Objekten im Jahr 1966 ergänzte [3]. Seine intensive Suche war vorrangig durch den Abbildungsmaßstab begrenzt. Auf den Fotoplatten ergab ein Millimeter Länge eine Himmelsausdehnung von 67,1 Bogensekunden. Prak-
2 Fotos der neu entdeckten PN aus [5]
Tabelle 1: 12 neu entdeckte Objekte aus [5]
Name
PNG
We 1-1 121.6 + 03.5
We 1-2 160.5 - 00.5
We 1-3 163.1 - 00.8
We 1-4 201.9 - 04.6
We 1-5 216.3 - 04.4
We 1-6 224.9 + 01.0
We 1-7 021.2 - 03.9
We 1-8
059 - 01.2 (PK)
We 1-9 065.1 - 03.5
We 1-10 086.1 + 05.4
We 1-11 091.6 + 01.8
We 1-12
(V807 Cas) 110 - 00.1 (PK)
RA 00 38 54 04 46 43 04 54 31 06 14 34 06 41 35 07 17 26 18 44 06 19 48 53 20 09 05 20 31 52 21 10 52
23 12 13
DEC Typ +66 23 49 PN +44 28 00 PN +42 16 41 PN +07 34 30 PN -05 02 35 PN -10 10 38 PN -12 12 57 PN +22 25 14 PN +26 26 54 PN +48 52 50 PN +50 47 14 PN
+59 35 59 HII
Durchmesser 22,, x 16,, 92,, x 92,,
123,, x108,, 40,, x 40,, 16,, x 14,, 62,, x 62,, 17,, x 17,, 25,, x 18,, 26,, x 23,,
194,, x187,, 28,, x 22,,
162,, x 78,,
tisch bedeutete dies, dass er Objekte bis etwa zehn Bogensekunden Durchmesser als flächig erkennen und so von einem gewöhnlichen Stern unterscheiden konnte. Die für damalige Verhältnisse außerordentlich hohe Qualität und Konsistenz der Platten ermöglichte es, sehr schwa-
che Objekte aufzuspüren. So reicht die stellare Grenzgröße bis 21,1 mag bzw. erfassbare Flächhelligkeit bis 26,5 mag/ arcsec2 auf den blauempfindlichen Platten. Interessanterweise ließ sich Abell zu der Aussage hinreißen, dass mit der Veröffentlichung seiner Arbeit das Auf-
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Planetarische Nebel
3 PuWe 1, Frank Richardsen; 20-Zöller, V = 85-fach, [O III],
visuelle Grenzgröße > 7 mag
finden neuer Objekte mit den auf den verfügbaren Fotoplatten auffindbaren Abmessungen praktisch abgeschlossen sei. Obwohl Abzüge der Platten nun weltweit an vielen Instituten verfügbar waren, verließen sich die meisten Astronomen auf die Vollständigkeit von Abells Suche und Richtigkeit seiner Aussage. Von 1966 bis 1979 wurden lediglich 32 Kandidaten von verschiedenen Astronomen auf den POSS-Platten, meist als ,,Beifang" anderer Arbeiten, aufgefunden [4]. Trotz dieser wenigen Neuentdeckungen zeigte die Anzahl bereits, dass Abells Schlussfolgerung nicht korrekt und die Vollständigkeit seiner Suche scheinbar nicht erschöpfend genug war.
Interesse an der Thematik an, sondern auch das Interesse seines zukünftigen Mitarbeiterstabes am Institut [5].
Doch diese österreichischen Zufallsfunde sollten nicht die einzigen bleiben. 1978 und 1980 fand Dr. Alois Purgathofer insgesamt zwei neue PN in der Nähe des galaktischen Antizentrums [6/7]. Dem Institut für Astronomie der Universität Wien sind also unabhängig von der Innsbrucker Gruppe eigenständige Objekte zuzuschreiben. Eine Zusammenarbeit zwischen Wien und Innsbruck brachte ein weiteres Objekt ans Tageslicht - der mittlerweile selbst in Amateurkreisen bekannte ,,PuWe 1" [8] (Abb. 3).
Motiviert durch die unerwartet große Anzahl von Funden organisierte Weinberger ab 1978 eine strukturierte Suche auf den POSS-Platten. Zusammen mit seinen zwei Kollegen Dengel und Hartl wurden nun systematisch, von allen drei Astronomen unabhängig, die 936 rotempfindlichen Platten visuell nach nicht katalogisierten Objekten abgesucht [9/10]. Ohne optische Hilfsmittel wie vergrößernde Mikroskope war es so möglich, Objekte größer als 20 Bogensekunden Durchmesser zu erfassen. Als Kontrollmöglichkeit und Zuverlässigkeitsprüfung der eigenen Suche wurden die bereits bekannten 86 Abell PN genutzt. Um ein neues Objekt als PN vorzumerken, entschieden sie sich für folgende Schnellklassifikation:
1. Vorhandensein eines symmetrischen Nebels auf den rotempfindlichen POSSPlatten 2. Vorhandensein eines schwachen blauen Sterns (angenommener Zentralstern) im Symmetriezentrum des Nebels.
So einfach diese Schnellprüfung auch klingt, so treffsicher stellte sich diese bei späteren spektroskopischen Messungen oder auch Aufnahmen durch Linienfilter heraus. Interessanterweise blieb die Überprüfung vieler PN auch in europäischer Hand - allen voran durch enge Zusammenarbeit mit der Universität Padua und deren leistungsfähiger Sternwarte in Asiago/Norditalien [11].
Freilich war das reine Auffinden und die Katalogisierung neuer Objekte nicht
Ab Mitte der 1970er-Jahre suchte der gebürtige Österreicher Dr. Ronald Weinberger, damals noch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, auf den dort zugänglichen POSS-Abzügen nach stark geröteten Galaxien entlang des galaktischen Äquators. Die jeweils 6 Grad x6 Grad großen Platten begutachtete er mittels eines Spezialmikroskops zwischen 16 Grad und 230 Grad galaktischer Länge. Und das Ergebnis barg eine Überraschung. Neben den eigentlichen Objekten der Begierde fand er auf den untersuchten 3400 Quadratgrad ganze 12 neue PN (Abb. 2, Tab. 1). Diese Arbeit publizierte Weinberger, der 1977 an die Universität Innsbruck gewechselt war, und regte damit nicht nur eigenes
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Tabelle 2: 13 neu entdeckte Objekte aus [12]
Name HDW 1 HDW 2 HDW 3 HDW 4 HDW 5 HDW 6 HDW 7 HDW 8 HDW 9 HDW 10 HDW 11 HDW 12 HDW 13
Alternativnamen HaWe 1, EGB 1 HaWe 2, Sh 2-200 HaWe 4 HaWe 6 HaWe 7 HaWe 8 HaWe 10 HaWe 11, K 6-1 Sh 2-68, YW 15 HaWe 12 HaWe 13 HaWe 14 HaWe 15
PNG 124.0 + 10.7 138.1 + 04.1 149.4 - 09.2 156.3 + 12.5 218.9 - 10.7 192.5 + 07.2 211.4 + 18.4 358.5 + 02.6 030.6 + 06.2
011 - 14.1 (PK) 034.1 - 10.5 014.8 - 25.6
099 - 08.1 (PK)
RA 01 07 08 03 11 01 03 27 15 05 37 56 06 23 37 06 40 09 07 55 11 17 31 47 18 24 58 19 05 42 19 31 07 19 58 14 22 30 34
DEC +73 33 23 +62 47 45 +45 24 20 +55 32 16 -10 13 24 +21 24 49 +09 33 09 -28 42 03 +00 51 36 -25 23 45 -03 42 32 -26 28 24 +47 31 26
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4 HDW 2, Don Goldman; RCOS 16 Zoll f/8,9 RC, Apogee U16M, Astrodon Gen 2 RGB, 3 nm H, [O III], 11,5 h H, 11 h [O III], 1,25 h RGB
das Hauptziel der Suche. Astrophysikalisch interessanter waren Aspekte wie a) die lokale Raumdichte der PN, die als aufschlussreiche Größe für die Sternentwicklung angesehen wird, b) eine eingehende Untersuchungen der meist alten, weit entwickelten und nahen PN, zu denen die meisten, auf den Platten gefundenen Exemplare zu zählen sind, und c) Erkenntnisse über die Entwicklung eines Weißen Zwerges als Produkt sehr alter PN.
Neben der Liste der ersten zwölf Zufallsfunde von Weinberger im Jahr 1977 (Tabelle 1), von denen sich nach heutigem wissenschaftlichem Stand ganze elf Exemplare als reale PN bestätigt haben, kann man die Liste von 1983 als Höhepunkte der Arbeit und Suche ansehen (Tabelle 2). Hartl, Dengel und Weinberger (HDW) listeten dort 13 neu entdeckte Exemplare auf, von denen heute alle als reale oder mögliche PN eingestuft werden [12], (Abb. 4). Mit dem in der Liste
enthaltenen PN Sharpless 2-68 kommen jedoch die Astronomen Fesen, Gull und Heckathorn [13] dem österreichischen Team bei der Identifikation um wenige Monate zuvor. Zwar war das Objekt bereits seit 1954 bekannt, jedoch nicht als PN klassifiziert.
Ausgehend vom Innsbrucker Institut und meist mit dem Namen Weinberger verbunden, lassen sich die Neuendeckungen bis in die Gegenwart weiterverfolgen. Seit
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5 DeHt 5, Don Goldman; RCOS 16 Zoll f/8,9 RC, Apogee U16M, Astrodon 3 nm [O III], H, Gen 2 RGB, 8,5 h H, 7,5 h [O III], 1 h RGB
der Ausweitung der fotografischen Himmelsdurchmusterung auf den Südhimmel Ende der 1970er-Jahre stand neben den bereits intensiv durchsuchten nördlichen Breiten ein neuer Himmelsausschnitt zur Verfügung. Empfindlichere Fotoemulsionen und eingehende Erfahrungen in der Durchführung von Himmelsdurchmusterungen ließen die Qualität zum hoch angesehenen POSS 1 nochmals steigern. So konnte auf neu präsentierten Listen eine große Anzahl neuer Objekte gelistet werden. Als Beispiel sei eine weitere Ar-
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beit der Innsbrucker Gruppe genannt, die ganze 23 Objekte umfasst [14]. Erstaunlich ist nicht nur der späte Entdeckungszeitraum (die Arbeit wurde erst 1994 publiziert), sondern die in Bezug zur Jahreszahl hohe Anzahl von neu entdeckten Objekten und die historisch anmutende Suchmethodik. So wurde ein Großteil der neuen PN immer noch mittels visueller Inspektion der Filmkopien aufgefunden. Es kamen also weder hochauflösende Spektroskopie, noch automatische Suchsysteme zum Einsatz.
Neben der kaum erschöpfend aufzulistenden Entdeckungsgeschichte spielen die Objekte astrophysikalisch eine nicht unbedeutende Rolle. Doch was für Objekte sind das überhaupt und was weiß man heute über sie? Zwei Gemeinsamkeiten besitzen annähernd alle - ihre geringe Flächenhelligkeit (~ >20mag/ arcsec2) kombiniert mit einem großen beobachteten linearen Durchmesser (~ >15,,). Beides deutet auf ein hohes Alter (~ 6000 Jahre) der PN hin. Aufgrund der interstellaren Extinktion ließen sich
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jedoch auf den Platten nur verhältnismäßig nahe PN (~ <10 kpc) identifizieren. Weiter entfernte, alte PN waren fotografisch schlichtweg nicht nachweisbar, zumindest entlang der von starker Extinktion betroffenen niedrigen galaktischen Breiten. Zusammenfassend handelt es sich also um größtenteils alte und nahe PN, die wie ihre Zentralsterne im Entwicklungszustand weit fortgeschritten sind und sich mitten in der Transformation hin zum Weißen Zwerg befinden.
Außer in den Entdeckungsarbeiten selbst fanden bisher nur wenige PN weitere wissenschaftliche Beachtung. Eines dieser Objekte ist DeHt 5 (Abb. 5), letztes gelistetes Objekt der 1980 publizierten Liste [10] und einer der nächsten bekannten PN überhaupt. Benedict et al. beschäftigte sich 2009 mit dem großen Problem der sicheren Entfernungsbestimmung von PN [15]. Mittels genauesten Parallaxenmessungen des HST wurde eine Entfernung von 345 parsec bestimmt, also noch näher als die ursprünglich bestimmten 400 parsec. Mit der ungewöhnlichen Morphologie dieses PNs beschäftigten sich Ransom et al. 2010 [16].
6 WeDe 1 (NGC 2141, A 12), Stephane Zoll; Tak FSQ106 f/5, Atik 4000,
Astrodon H 5 nm und RGB, 4 h H, 2,25 h RGB
Mittels tief belichteter, polarisierter Aufnahmen im Radiowellenlängenbereich wurde ein dreidimensionales Modell des PNs erstellt. Desweiteren wurden lange Schweife entdeckt, welche die bereits vermutete Interaktion mit der interstellaren Materie (ISM) aufzeigen. Beispielhaft lässt sich mit HaTr 4 ein weiterer PN nennen, der Beachtung in weiteren wissen-
schaftlichen Arbeiten fand. Gleich zwei Gruppen beschäftigten sich erst 2012 mit der Modellierung dieses PNs [17,18]. Anstoß der Untersuchungen bildete der Doppelstern als Zentralstern. Diese wurden schon länger für die sichtbare Ausbildung und Morphologie der Nebelhülle eines PN verantwortlich gemacht. Ergebnisse der Arbeiten waren unter anderem
7 HDW 2, Frank Richardsen; 20-Zöller, V = 85-
fach, [O III], visuelle Grenzgröße > 7 mag
8 HDW 1, Uwe Glahn; 16-Zöller, V = 100-fach,
[O III], visuelle Grenzgröße > 7 mag
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Tabelle 3: Kataloge und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Planetarische Nebel
Jahr 1977/10 1977/12 1978/6 1978/11 1979/0 1980/5 1980/7 1980/8 1981/7 1983/0 1983/2 1985/4 1987/5 1987/6 1990/3 1993/0 1994/0 1994/2 1996/11 1997/7
Autoren Weinberger
Weinberger
Weinberger
Purgathofer
Dengel, Hartl, Weinberger
Degel, Hartl, Weinberger
Purgathofer, Weinberger
Purgathofer
Weinberger, Sabbadin
Hartl, Dengel, Weinberger
Weinberger, Dengel, Hartl, Sabbadin Hartl, Tritton
Ishida, Weinberger
Hartl, Weinberger
Melmer, Weinberger Tamura, Weinberger Kerber, Lercher, Sauer, Seeberger, Weinberger Weinberger, Saurer, Lercher, Seeberger Kerber, Lercher, Weinberger
Weinberger, Kerber, Gröbner
Abk. We
Anzahl 12
We
6
We
1
Pu
1
DHW
2
DeHt
5
PuWe
1
Pu
1
WeSb
6
HDW
13
WeDe = WDHS 1
HaTr
14
IsWe
2
HaWe
3
MeWe
16
TaWe
4
KLSS
23
WSLS
1
KLW
12
WeKG
3
Publikation [5] New planetary nebulae of low surface brightness, 1977A&AS...30..343W [4] A list of possible, probable, and true planetary nebulae detected since 1966, 1977A&AS...30..335W
A possible new planetary nebula in Hercules, 1978Obs.... 98..137W
[6] A new planetary nebula of very low surface brightness near the galactic anticenter, 1978A&A....70..589P
[9] The Innsbruck POSS surveying program, 1979MitAG.. 45..182D
[10] A search for planetary nebulae on the ,POSS`, 1980A&A....85..356D
[8] A huge new nearby planetary nebula, 1980A&A.... 87L...5P
[7] A new faint planetary nebula behind the H II region S 232 and close to the galactic anticenter, 1980A&A....88..275P
Detection of six new extended planetary nebulae by means of interference filter photography, 1981A&A...100...66W
[12] Alte Planetarische Nebel: Neue Kandidaten, 1983MitAG..60..325H
[21] A newly discovered nearby planetary nebula of old age, 1983ApJ...265..249W
New planetary nebulae of low surface brightness detected on UK-Schmidt plates, 1985A&A...145...41H
Two senile nearby planetary nebulae and the local PN population, 1987A&A...178..227I
Planetary nebulae of low surface brightness - Gleanings from the ,POSS`, 1987A&AS...69..519H
New old PN in the southern sky, 1990MNRAS.243..236M Four New Evolved Planetary Nebulae, 1993IAUS..155...34T [14] Newly detected nonstellar galactic planetary nebulae (PNe), 1994AGAb...10..172K
PN G160.7-2.9: A new planetary nebula, 1994A&A... 282..197W
Spectroscopy and imaging of newly discovered planetary nebulae, 1996A&AS..119..423K
New faint planetary nebulae in Centaurus/Musca, 1997 A&A...323..963W
ein genaues Bild des Doppelsternsystems selbst und ein dreidimensionales Modell der umgebenden Hülle.
Die bereits angesprochene Eigenschaft, dass es sich bei den behandelten Objekten um alte, große und nahe PN handelt, bestätigt ein Blick in die ,,Bestenliste" der Größe von PN [19, 20]. So schaffen es ganze sechs bzw. acht Exemplare mit österreichischer Entdeckungsbeteiligung in die Listen. Das Siegerpodest wird dabei nur knapp verfehlt. Die PN WeDe 1 [21] und PuWe 1 [8] (Abb. 6+2) nehmen
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aktuell die Plätze 5 und 6 ein. Trotz des verpassten Sieges eine Motivation für Amateure, diese Objekte fotografisch oder visuell nachzubeobachten.
Für die erfolgreiche visuelle Beobachtung benötigt man vor allen Dingen einen möglichst dunklen Himmel. Hat man diesen zur Verfügung, ist eine positivere Ausbeute möglich, als man aufgrund der schwachen Flächenhelligkeiten zunächst annehmen könnte. Beobachtungen, die mit Teleskopen der 4-Zoll-Klasse gewonnen wurden, zeigen, dass Öffnung
hier eine untergeordnete Rolle spielt. Fast zwingend erforderlich ist jedoch der Einsatz von Linienfiltern. Je nach Anregungszustand des PNs ist der [O III]-Filter die erste Wahl. Bei niedrig angeregten PN, Objekten also, die im roten Bereich, d. h., im H und der einhergehenden H-Linie dominant sind, kann auch ein breitbandiger Filter wie UHC oder NPB die erste Wahl sein. In Sonderfällen ist sogar eine Beobachtung gänzlich ohne Filter möglich. Hier lassen sich nur bedingt generelle Regeln und Aussagen treffen. Als Anhaltspunkt bietet sich die
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Begutachtung der rot- und blauempfindlichen POSS Platten an [20]. Erscheint ein PN auf den rotempfindlichen Platten deutlich heller, so ist die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes breitbandiger Filter gegeben, während der [O III]-Filtereinsatz bei auf den blauen Platten heller erscheinenden Objekten erfolgversprechender ist. Neben der Filterwahl ist der Einsatz der richtigen Austrittspupille (AP = Okularbrennweite/Öffnungsverhältnis oder Öffnung/Vergrößerung) ein wichtiges Kriterium. Hier fällt allein aufgrund der Größe der Objekte die Wahl zwischen vier Millimetern und der maxim al sinnvoll zur Verfügung stehenden AP (ca. 7 Millimeter). Versuche mit leicht übergroßen AP können bei entsprechend dunklen Himmel ebenfalls zum Erfolg führen, da die maximal zur Verfügung gestellte Lichtmenge wichtiger ist, als ein geringfügiger Verlust an Öffnung. Beherzigt man diese technischen Anforderungen, sind ein gutes Dutzend Objekte in visueller Reichweite der Amateure. Deutschsprachige Beobachter wie Frank Richardsen, Reiner Vogel und der Autor selbst bestätigen dies mit etlichen positiven Beobachtungsergebnissen (Abb. 7-9).
Fotografisch gilt es, ähnliche Hürden zu meistern. Entscheidend ist hier neben Himmelsgüte, Belichtungszeit und der Wahl entsprechender Abbildungsmaßstäbe ebenfalls der Einsatz von Linienfiltern. Ein großer Vorteil liegt in der Nutzung der fotografisch zugänglichen [N II]-, [S II]- und H-Linien. Pioniere dieser Technik konnten bereits etliche angesprochene PN nachweisen, ja sogar wunderbare ,,pretty pictures" herausarbeiten. Auch wenn diese über die ,,Schwierigkeit" der Objekte hinwegtäuschen, sind sie ein sicheres Zeichen der fotografischen Erreichbarkeit auch im Amateurbereich.
Zusammenfassend handelt es sich also um interessante Objektlisten mit junger, lokaler Entdeckungsgeschichte, die eine Menge von visuellen, aber auch fotografisch anspruchsvollen, jedoch lohnenden Objekten beinhalten. Dass man sich abseits ausgetretener Pfade befindet, muss nicht nur abschrecken, sondern kann sogar motivierend für eigene ,,Wiederentdeckungen" und für private Projekte sein.
9 DeHt 2, Uwe Glahn; 27-Zöller, V = 172-fach, [O III], visuelle Grenzgröße > 6,5 mag
Internet- und Literaturhinweise: [1] L. Perek, L. Kohoutek (1967): Cata-
logue of galactic planetary nebulae; Prague: Publication House Czechoslovak Academy of Sciences [2] G. O. Abell (1955): Globular Clusters and Planetary Nebulae Discovered on the National Geographic Society-Palomar Observatory Sky Survey; Proc. Astr. Soc. Pacific 67, 258a [3] G. O. Abell (1966): Properties of Some Old Planetary Nebulae; Astrophys. Journal 144, 259a [4-10] siehe Tabelle 3 [11] http://archive.oapd.inaf.it/asiago/ (Stand 2014) [12] siehe Tabelle 2+3 [13] R. A. Fesen, T. R. Gull, J. N. Heckathorn (1983): Two new possible planetary nebulae; Proc. Astr. Soc. Pacific 95, 614-618 [14] siehe Tabelle 3 [15] G. F. Benedict et al. (2009): Astrometry with the Hubble Space Telescope: Trigonometric Parallaxes of Planetary Nebula Nuclei NGC 6853, NGC 7293, Abell 31, and DeHt 5; Astron. Journal 138, 1969b
[16] R. R. Ransom et al. (2010): Faraday Rotation in the Tail of the Planetary Nebula DeHt 5; Astrophys. Journal 724, 946R
[17] E. H. L. Bodman et al. (2012): Modeling Binary Central Stars of Planetary Nebulae II: a Study of HaTr 4 and SP 1; JSARA 5, 19B (2012)
[18] A. A. Tyndall (2012): A study of the kinematics and binary-induced shaping of the planetary nebula HaTr 4; Mon. Not. Roy. Astr. Soc. 422, 1804T
[19] J. Bohle: Die großen PN - eine Herausforderung für visuelle Beobachter und Astrofotografen, siehe: www.jens-bohle.de/die_grossen_ pn.htm (Stand 2014)
[20] R. Vogel: Große Planetarische Nebel beobachten, siehe: www.reinervogel. net/LargePN/LargePN.html (Stand 2014)
[21] siehe Tabelle 3
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Amateurteleskope / Selbstbau
Selbstbau eines 16-ZollUniversal-Newton-Teleskops
von Burkhard Kowatsch
Ins Leben getreten ist der Newton vor vielen Jahren in einem Anfall von Öffnungsfieber als Starfinder-Dobson. Der schwere Sono-Tube wich nach wenigen Jahren einer einfachen Stangenkonstruktion, der Okularauszug wurde ersetzt, der Spiegel (nach Fertigstellung eines 10-Zoll-Erstlingswerkes zur Erkundung der Geheimnisse des Spiegelschleifens) nachgeschliffen und eine nach Mel Bartels motorisch betriebene Dobson-Montierung gebaut. Damit hatte ich viele Jahre Spaß bei der visuellen Beobachtung. Da ich in der Ausübung meines Hobbys jedoch keinen Schwerpunkt setze und damals mit kleinerer Öffnung gerne auch die Wunder des Weltalls ,,CCD-grafierte" oder Planeten aufs Korn des digitalen Bildsensors nahm, wuchs der Wunsch, mit der vorhandenen großen Optik parallaktisch montiert in die Weiten des Alls einzutauchen. Mit der bisherigen Konstruktion war das nicht machbar. Also wieder auf ans (zwischenzeitlich digitale) Zeichenbrett und ab in die Werkstatt!
Zu Beginn der Planung war eines klar: Fasziniert vom Anblick eines Hypergrafen oder den Astrograf-Newtons, sollte das Aussehen wenigstens ungefähr in die Richtung von Herrn Kellers Konstruktionen gehen. Also achteckiger Tubus in Gitterrohr-Konstruktion mit rundem Streulichtschutz für Haupt- und Fangspiegel. Wegen der begrenzten technischen Möglichkeiten waren die hauptsächlichen Werkstoffe klar definiert. Es musste ein Tubus aus Aluminium und Holz werden! Wegen dem breit gefächerten Interesse an allen möglichen Themengebieten der Astronomie sollte das Teleskop außerdem in allen Disziplinen einsetzbar sein: visuelle Beobachtung mit ausreichender Kontrastschärfe, Einsatz eines Binokulars für die Planetenbeobachtung und ein ausgeleuchtetes Feld, welches es erlaubt, Sensoren im APS-CFormat auszuleuchten. Die Kunst und der Kompromiss bestanden also darin, das Teleskop so universell wie möglich zu gestalten. Ich kann in diesem Artikel
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1 Maßstabsgetreue Detailskizze und Stückliste mit Abmessungen und
Winkel der einzelnen Bauelemente
keine Anleitung zur Erfüllung der oben genannten Anforderungen geben. An dieser Stelle sei aber auf das Programm ,,myNewton" unter [1] verwiesen. Mit Hilfe dieser Software und des Zeichenprogramms ,,draw" von OpenOffice [2] ging es an die Konstruktion des Tubus.
Um mir einen Überblick zu verschaffen, welche Einzelteile zum Bau des Tubus notwendig sind, habe ich zuerst eine Detailskizze gezeichnet. Dazu mussten die Materialien in ihrer Beschaffenheit festgelegt werden. Bei allen Holzbauteilen entschied ich mich für 18 mm starke Multiplexplatten, die Stangenkonstruk-
tion sollte aus 30-mm-Rechteckprofilen mit 2 mm Wandstärke bestehen. Dann wurden die Abmessungen und die Schnitte bzw. Winkel der Einzelteile festgelegt. Außerdem konnte damit eine Stückliste für die Materialbeschaffung erstellt werden (Abb. 1). Ein 16-Zöller ist in Größe und Gewicht ein recht beachtliches Instrument. Um später den Tubus auch in einer (noch nicht ausgeführten) Dobson-Variante transportieren zu können, wurde der Tubus so entwickelt, dass er in zwei Teile zerlegt werden kann. Hierzu wurde der untere Tubus als eigenständiges Bauteil konstruiert, welches durch vier Schrauben mit dem oberen
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2 Aus Kunststoffplatte gebogene Tauschutzkappe mit L-Profilen
zur Verbindung der beiden Plattenenden
3 Abschlussplatte der Hauptspiegelfassung mit saugendem
Hauptspiegellüfter
4 Staubschutzdeckel des Hauptspiegels mit zusätzlichem
Lüfter zur weiteren Reduzierung der Auskühlzeit. Der Lüfter kann mit einer Verschlussklappe verschlossen werden (nicht abgebildet).
5 Detailansicht der Fangspiegelfassung mit eingepasster
Stützmanschette um die zentrale Gewindestange
6 Oberes Tubusteil mit montiertem Okularauszug
und 50-mm-Sucher VdS-Journal Nr. 52
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Amateurteleskope / Selbstbau
7 Gesamtansicht des 16-Zoll-Universal-Newtons auf einer Alt-6AD-Montierung.
Die ebenfalls sichtbare ,,stützbalkenfreie" Schiebedachhütte wird Inhalt eines weiteren Berichts in einer späteren Ausgabe sein.
Tubus verbunden werden kann. Damit war die Grundkonstruktion abgeschlossen, und es konnte an die Beschaffung der notwendigen Materialien gehen.
Zuerst wurden die vier Multiplex-Abschlussringe der beiden Tuben mit der Stichsäge ausgesägt. Um die Stabilität weiter zu erhöhen, wurde der obere Abschlussring zur Aufnahme der Fangspiegelspinne in doppelter Stärke ausgeführt. Danach ging es an die Herstellung der Alurohre. Das Ablängen sowie die Schnitte in den zuvor festgelegten Winkeln wurden mit einer hochwertigen Gehrungssäge von Hand vorgenommen. Nach der Herstellung aller Einzelkomponenten stellte sich die Frage, wie die Multiplexplatten mit den Rechteckprofilen verbunden werden sollten. Nach dem Abwägen der Vor- und Nachteile mehrerer Möglichkeiten habe ich mich dafür entschieden, in die Rechteckprofile kurze Hartholzkerne einzulassen und mit dem Profil zu verkleben. Dafür wurden passgenaue Holzstücke ausgesägt, die mit Epoxidharz eingestrichen und so in die Aluprofile eingeschlagen wurden. Damit konnten die Multiplexplatten mit den Aluprofilen verschraubt werden. Sicherheitshalber kam zusätzlich auch hier noch Epoxidharz zum Einsatz. Oberer und unterer Tubus wurden mit vier Schrauben durch die mittleren Abschlussringe miteinander verbunden. Im nächsten Schritt stand die Herstellung der Anbauteile an.
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Für die runden Tau- und Streulichtschutzkappen kamen als Werkstoff Kunststoffplatten aus dem örtlichen Baumarkt zum Einsatz. Damit die unter erheblichem Kraftaufwand zurechtgebogenen Platten ihre runde Form behalten, wurden an beiden Enden der jeweiligen Platte L-Profile aus Aluminium verklebt und verschraubt. Damit konnten die beiden Enden verbunden und fixiert werden (Abb. 2). Das Ergebnis ist eine sehr formstabile und belastbare Rohrkonstruktion. Da der Kunststoff bei streifendem Lichteinfall hoch reflektiv ist, wurde die Innenwand mit DC-fix ausgekleidet. Das obere Tubusteil bekam noch eine passende Aussparung für den Einbau des Okularauszugs. Die runden Tuben wurden an den Multiplex-Abschlussplatten der Gitterrohrkonstruktion verschraubt.
Die Hauptspiegelzelle ist eine einfache 9-Punkt-Zelle. Da es sich beim Hauptspiegel um einen Spiegel mit 42 mm Randstärke handelt, war hier kein weiterer Aufwand notwendig. Der Spiegel lässt sich mit drei durch Federn vorgespannte Justierschrauben präzise justieren. Außerdem wurde ein Lüfter in die Grundplatte der Hauptspiegelfassung eingebaut, der im Betrieb die Luft vom Hauptspiegel nach hinten absaugt (Abb. 3). Der Staubschutzdeckel enthält einen weiteren Lüfter, der kühle Umgebungsluft in den unteren Tubus bläst. Dadurch lässt sich die Auskühlzeit bei spontanen Beobachtungen weiter reduzieren (Abb. 4).
Als Fangspiegelfassung kam eine herkömmliche Fassung von Spheretec [3] zum Einsatz. Um später bei der Arbeit mit der CCD-Kamera nicht mit taubeschlagenem Fangspiegel kämpfen zu müssen, wurde außerdem eine Fangspiegelheizung mitbestellt. Wie spätere Tests mit der CCD-Kamera zeigten, war die Verwindungssteifigkeit im Originalzustand noch nicht ganz ausreichend. Der schwere 102-mm-Fangspiegel hatte sich im Laufe der Nacht durch den konstruktiv bedingten großen Abstand zwischen Spinne und Fangspiegelhalter etwas verkippt, was sich an einer Drift des Bildfeldes im Laufe einer Aufnahmeserie bemerkbar machte. Diesem Problem wurde dadurch begegnet, dass die zentrale Gewindestange eine Stützmanschette in Form eines exakt abgelängten Alu-Rundrohres bekommen hat. Das Rundrohr wurde dazu mit vier Schlitzen versehen, um auf die Fangspiegelspinne aufgeschoben werden zu können. Durch die Klemmung zwischen der Unterlagsscheibe der zentralen Mutter und der Grundplatte der Fangspiegelhalterung lässt sich die gesamte Fangspiegelhalterung an dieses Rundrohr pressen. Das Ergebnis ist eine extrem stabile und verwindungssteife Fixierung der Fangspiegelfassung (Abb. 5).
Als Grundträger für die Montage des Okularauszugs wurde eine Multiplexplatte zwischen zwei Aluprofilen des oberen Tubusteils eingepasst und seitlich mittels eingelassener Gewinde verschraubt. Das Rundloch für den Okularauszug wurde mit Hilfe einer Oberfräse in die Platte geschnitten. Als Okularauszug wurde ein Steeltrack von Baader [4] inklusive dem zugehörigen Motorfokus verbaut (Abb. 6).
Vervollständigt wird das Instrument durch einen 50-mm-Sucher sowie einem 110er-ED-Refraktor als Leitrohr. Eine massive Aluplatte sorgt für eine sichere Montage auf einer ALT-6AD-Montierung. Die Abbildung 7 zeigt das fertig aufgebaute Instrument in seinem aktuellen Zustand. Seit dem Bau des Instruments sind zwischenzeitlich sieben Jahre vergangen - genug Zeit, um sagen zu können, dass die anfangs gesteckten Ziele erreicht wurden. Visuell sind kontrastreiche Beobachtungen auch im hohen Vergrößerungsbereich möglich. Mond- und Planetenbeobachtungen mit dem Bino-
Astrofotografie
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kular sind ein Genuss. Die fotografischen Ergebnisse haben meine Erwartungen ebenfalls erfüllt. Es gibt kein Durchbiegen des Tubus, die Justierung bleibt auch nach größeren Schwenks erhalten. Was mit Hilfe einer CCD-Kamera bei moderater Belichtungszeit möglich ist, soll stellvertretend eine Aufnahme von M 31 zeigen (Abb. 8).
Vielleicht kann mein Artikel den einen oder anderen Sternfreund dazu bewegen, selbst Hand anzulegen und macht Mut, auch vor einem etwas größeren Gerät nicht zurückzuschrecken. Neben dem Spaß beim Selbstbau und der Schonung des Portemonnaies ist es immer wieder faszinierend, mit dem selbst entwickelten und gebauten Instrument in die Geheimnisse des Weltalls einzutauchen.
Weblinks: [1] www.otterstedt.de/wiki/index.php/
Benutzer:Heiner/myTelescope/de/ Einführung [2] www.openoffice.org/product/draw. html [3] www.spheretec.de/index.php [4] www.baader-planetarium.de [5] www.intercon-spacetec.de
8 Fokalaufnahme von M 31 mit dem 16-Zoll-Universal-Newton: LRGB-Komposit mit
CCD-Kamera des Typs Artemis 4021, L: 30 x 300 s, RGB je 5 x 300 s, kein Binning, Astronomik-Filtersatz
Der Astrofotograf von morgen???
von Silvia Kowollik
Hier ein Live-Erlebnis aus meinem letzten USA-Urlaub. Danach war ich platt. Ein astronomisch völlig unbeleckter Mittdreißiger hat sich eine von den ganz neuen Montierungen geholt (GPS, Kamera in der Montierung integriert fürs Alignment, Datenbank mit Millionen von Sternen in der Steuerung abgelegt), einen fetten Akkupack, eine Farb-CMOS-Kamera mit integrierter Guidingcam. Damit hat er wirklich tolle Bilder gemacht. Alles zum ersten Mal im großzügigen Garten ausgepackt, auf dem Handy ein Video angeguckt und parallel dazu aufgebaut, kurz gewartet, dann die Polausrichtungsroutine auch per Handyvideo abgespult und dann zum allerersten Mal Deep Sky fotografiert. Es gab wirklich runde Sterne bei 10 Minuten Belichtungszeit und einem Meter Brennweite. Zwei Stunden Belichtungszeit wurden auf ein Motiv
investiert, die Kamera hat automatisch gedithert, Darks, Bias und Flats gemacht, das Kalibrieren hat die Software automatisch erledigt, aus dem Rechner fiel ein nahezu perfektes Bild. Während die Montierung beschäftigt war, hat der Spezi am anderen Ende des Gartens eine Grillparty veranstaltet - Barbecue mit Freunden ...
Er hatte keine Ahnung, was Kamera und Software gemacht haben, kannte keinen einzigen Fachbegriff, hat bei den notwendigen Einstellungen dauernd auf Handyvideos geguckt (Bedienungsanleitung für Dummies) und war einfach nur begeistert. Die Aussagen aus der Werbung haben gestimmt. Man muss nichts wissen, können oder lernen. ,,Images like professionell astronomers in 5 minutes". Genau so will die betuchte Klientel das
heute haben. Von nix `ne Ahnung, keine Zeit ins Lernen investieren, nur aufbauen und loslegen ...
Selbst das Motiv wurde ihm von der Steuerung vorgeschlagen. Er kannte weder Sternbilder, noch hatte er eine Ahnung, welche Objekte in welchen Farben leuchten, oder wann sie sichtbar sind. Ungelogen - der hat im Juli ernsthaft nach dem Orionnebel gesucht ...
Die zwei Bilder aus der Nacht hat er dann voller Stolz ins Internet gestellt. Da gab es dann aus seinem Bekanntenkreis auch Kommentare auf gleicher Wellenlänge. Investiert hat er übrigens rund 30.000 Dollar. Statt eines neuen Wagens eben Astroausrüstung. Es war by the way seine Erfolgsprämie aus der Firma ...
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Astrofotografie
Ich hab ihm dann meine Bilder gezeigt und gesagt, dass ich das alles ohne GPS, Internet und teuren Schnickschnack mit einer 20 Jahre alten Montierung (New Polaris) und einer sechs Jahre alten DSLR für 250 Euro und Freewareproggys gezaubert habe, dass ich alle Objekte händisch aufsuche und den Sucher zum Guiden verwende. Mit dem Begriff ,,Guiden" konnte er nichts anfangen, meine Bilder fand er aber gut und war völlig erstaunt, dass meine Ausrüstung nicht
mal 1/10 von seiner gekostet hat. Dass ich die Sternbilder kannte und von vielen Sternen sogar die einzelnen Namen, das fand er extrem beeindruckend. Er kannte keinen einzigen. Er hat mich bestaunt wie einen bunten Hund. Wie ich mir das alles merken könne, das würde er nicht hinbekommen ...
Und als er dann ein paar Tage später voller Vorfreude wegen der Lichtverschmutzung in die Pampa fuhr, kam er total
frustriert ohne ein einziges Bild zurück. Sein Handy hatte in der Pampa kein Netz. Also keine Bedienungsanleitung, folglich keine Ergebnisse. Daraufhin kaufte er sich ein Satellitentelefon, damit ihm das nicht noch einmal passiert.
Hammer, was? Wo geht das nur hin???
Die Morphologie des Systems NGC 5194/95
von Peter Riepe, Stefan Binnewies und Günter Kerschhuber
- Teil 2 -
In Teil 1 (Heft 51) berichteten wir über Struktur und Gezeitenschweife im System M 51, die 1978 von M. S. Burkhead
[1] entdeckt wurden. Im selben Jahr folgten radioastronomische Untersuchungen mit dem 92,6-m-Teleskop des amerikanischen National Radio Astronomy Observatory und dem 100-m-Teleskop
des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Effelsberg. Bei 21 cm Wellenlänge wurde nachgewiesen, dass das M 51System in eine oder mehrere klumpige Wolken aus neutralem Wasserstoff (H I)
1 Hier ist das M 51-System (Abb. 4, Artikelteil 1) in Pseudofarben dargestellt, um die Gezeitenschweife zu betonen. Gleichzeitig haben
wir eine Radiokarte überlagert, sie zeigt die Verteilung des neutralen Wasserstoffs nach [2]. Die Messung erfasst die Säulendichte im Geschwindigkeitsbereich 600-650 km/s. Die Zahlen an den Konturlinien stellen Einheiten von 1018/cm2 dar. Die beiden Kreuze markieren die Radio-Galaxienpositionen (1950.0).
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gehüllt ist [2]. Dieses umgebende Gas rotiert nicht mit NGC 5194, sondern bewegt sich kompliziert. Ein Ausläufer erstreckt sich, wie die schwachen von Burkhead 1978 festgestellten optischen Gezeitenarme, in nordwestliche Richtung. Um dies zu verdeutlichen, haben wir die spektakulärere Radiokarte einer unserer CCD-Aufnahmen überlagert (Abb. 1). Die H I-Wolke, deren Gesamtmasse zu etwa 1 Milliarde Sonnenmassen abgeschätzt wurde, dehnt sich 125 kpc weit aus. Offenbar hängt ihre asymmetrische Ausdehnung mit den sichtbaren Wechselwirkungen zwischen beiden Galaxien zusammen.
Nach sehr empfindlichen, hoch aufgelösten Untersuchungen am Very Large Array (VLA) folgt der neutrale Wasserstoff in NGC 5194 sehr eng den Spiralarmen, wo er sich in kleinen Knoten und Wölkchen anordnet [3]. Im Kerngebiet liegt ein klares H-I-Defizit vor. Das gesamte System NGC 5194/95 wird jedoch von einer ausgedehnten Wasserstoffhülle umgeben. Spektakulär war die Entdeckung, dass südlich von NGC 5194 ein riesiger, sehr schwacher Gasarm von der Wasserstoffhülle abzweigt. Er erstreckt sich als Fortsetzung eines optischen Spiralarms erst nach Osten und biegt dann nach Norden ab, in einer ,,gewickelten Gesamtlänge" von ca. 300.000 Lj. Ist dieser Wasserstoffarm fotografisch nachweisbar? Wir haben ihn sofort mit unseren Bildern überlagert, aber der Arm findet kein entsprechendes optisches Gegenstück (Abb. 2).
2 Der neutrale Wasserstoff bildet nach [3] einen riesigen spiralförmigen Arm, der
südlich von NGC 5194 nach Osten abzweigt und sich in nördliche Richtung krümmt (Radioauflösung: 34'', Koordinaten 1950.0). Die Überlagerung zeigt jedoch zu diesem Gasarm kein optisches Gegenstück.
Das Szenario der Bildung von Gezeitenschweifen inspirierte 1972 Alar und Juri Toomre zu damals sensationellen Computerrechnungen. Sie zeigten, wie sich zwei Galaxien bei einer nahen Begegnung (,,Encounter") verhalten [4]. Dazu wurden die Galaxien als Ensemble sehr vieler gravitativ gebundener ,,Teilchen" behandelt. Das Resultat war verblüffend: Eine Galaxie löst aus der anderen Sterne heraus. Das geschieht in Form von Brücken und langen Tentakeln, die das Paar ziemlich kompliziert umschlingen können - je nach Anfangsparametern wie
z. B. Abstand, Relativgeschwindigkeit, Winkellage der beteiligten Galaxien sowie Rotationsgeschwindigkeit und Drehrichtung. Die Toomres haben auch NGC 5194/95 in ihre Rechnungen einbezogen. Eine elliptische Bahn für NGC 5195 vorausgesetzt zeigte das Resultat eine erstaunliche Ähnlichkeit zur Realität (Abb. 3), und zwar genau für den Fall, dass NGC 5195 derzeit tatsächlich hinter NGC 5194 liegt, sich weiter von ihr entfernt und das Perigalaktikon schon durchlaufen hat.
3 Die Modellrechnung von [4] ergab für die Gezeitenschweife im M-51-System eine erstaunliche Übereinstimmung mit der Realität. Die
linke Ansicht zeigt das Galaxienpaar aus Blickrichtung unserer Milchstraße, das rechte ist zur besseren Vorstellung der räumlichen Situation um 90 Grad dazu gedreht.
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Astrofotografie
4 Der Ausschnitt aus Abb. 1, Artikelteil 1 zeigt das chaotische Gebiet um NGC 5195.
Untersuchungen der Radialgeschwindigkeiten Planetarischer Nebel (PN) im Gebiet der Gezeitenschweife ergaben, dass der Nordwestschweif aus zwei verschiedenen Strukturen besteht, die sich in der Projektion überlappen [5]. Das ist einmal der Gezeitenschweif von NGC 5195, dazu kommt diffuses, von NGC 5194 abgestreiftes Material. Eine numerische Simulation belegte, dass die beobachteten Strukturen mit einer ,,Einmal-Passage" beider Galaxien in parabolischem Vorbeiflug konform sind. Leider wird in dieser interessanten Arbeit nicht der Bereich des markanten NordwestGezeitenschweifs abgedeckt. Das untersuchte Gebiet reicht nicht so weit nach außen. Vermutlich gab es dafür keine PN im Nordwestschweif, denn die tatsächlich verwendeten PN stammen aus einer anderen Arbeit und liegen noch relativ dicht an NGC 5194 oder NGC 5195. Äußerst interessant zu lesen ist, welche Technik für diese aufwändige Untersuchung zum Einsatz kam.
Fotografische Aussagen Was können wir als Astrofotografen zu den äußeren Gezeitenschweifen feststellen? Zunächst gibt die Abbildung 4 einen Ausschnitt des Gebietes nördlich von NGC 5195 wieder (vgl. Abb. 1, Teil 1). Um farbliche Strukturen besser nachvoll-
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ziehen zu können, wurden Kontrast und Farbsättigung etwas angehoben. Man erkennt deutlich die blaue Farbe des über NGC 5195 hinweg laufenden Spiralarms von NGC 5194. Auch nach der Passage bleibt diese blaue Farbe, jedoch wird die Fortsetzung diffuser. Direkt westlich davon schimmert ein weit entferntes Galaxienpaar durch die Gezeitenschweife nördlich von NGC 5195. Mit etwas Fantasie könnte man sich folgende Situation vorstellen: Nachdem der gerade Spiralarm NGC 5195 passiert hat, verlässt er an seiner Spitze die Ebene von NGC 5194, knickt bogenförmig nach hinten in den Raum ab und läuft auf NGC 5195 zu. Das System der Gezeitenschweife liegt ja nicht nur in der Ebene der Fotografie, sondern auch zwischen beiden Galaxien und ragt sogar weit über sie hinaus. NGC 5195 wird von längst bekannten bräunlich erscheinenden Dunkelwolken verdeckt. Wer aber kennt eigentlich die schwachen Dunkelwolken, die knapp oberhalb des beginnenden NordwestGezeitenschweifs liegen? Aus welcher der beiden Galaxien stammen sie wohl? Die Abbildung 5 zeigt den M-51-Komplex im Vergleich. Trotz unterschiedlicher Aufnahmen sind die äußeren Gezeitenschweife deckungsgleich. Die wichtigsten Schweife haben wir rot gepunktet markiert. Der Nordwestschweif besteht
klar aus zwei Teilschweifen. Dies geht deutlich über die Arbeit von Burkhead hinaus - dank moderner CCD-Technik. Und auf zwei Besonderheiten können wir mit unseren Aufnahmen auch noch hinweisen. Erstens besitzt der Nordwestschweif auf der Hälfte einen schwachen Knick nach Norden. Und zweitens zeigt sich das westliche Ende des Nordwestschweifs als separate Wolke.
Zu unseren Aufnahmen Eine Aufnahme von M 51 ist ein ,,Muss" im Portfolio eines Astrofotografen, zu attraktiv ist dieses Galaxienpaar, als dass es ausgelassen werden könnte. Ein weiterer Grund für die persönliche Wiederholung eines häufig abgelichteten Motivs dürfte aber auch sein, damit die eigenen fotografischen Fähigkeiten anhand zahlreicher Vergleichsaufnahmen ,,kalibrieren" zu können. So ging es auch mir (S. B.), als ich im April 2005 wissen wollte, was unter heimischem Himmel mit einem 4-zölligen Refraktor bei M 51 zu holen sei. Nach fünf Stunden Belichtung war klar: Erstaunlich viele Details im Zentrum ließen sich auflösen, aber die Tiefe, das heißt, das Erkennen schwacher Strukturen in den äußeren Bereichen der Galaxie, blieb hinter meinen Erwartungen zurück. Erst weitere, geschätzte zehn in die Bildbearbeitung investierte Stun-
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5 Gezeitenschweife in der Nähe von NGC 5194/95. Links: Aufnahme von Günter Kerschhuber (siehe Abb. 4, Teil 1), Mitte: Aufnahme von
Josef Pöpsel und Stefan Binnewies (siehe Abb. 1, Teil 1). Beide unabhängigen Aufnahmen zeigen die gleichen Wechselwirkungsdetails. Rechts: die wichtigsten der extrem schwachen Gezeitenschweife sind rot punktiert.
den offenbarten die schwachen Schweife nach Westen und Norden in einer mich auch ästhetisch ansprechenden Darstellungsweise. So blieb das Bild lange Jahre liegen und M 51, aufgenommen an einem ganz anderen Ort mit einem ganz anderen Teleskop, gewann mein Interesse. Inzwischen war nämlich ,,Ganymed", ein 24-zölliger Hypergraf, von Namibia auf die Insel Kreta in 1.740 m Höhe umgezogen und auf Remote-Betrieb umgerüstet worden. Nun galt es, das oftmals sehr gute Seeing am Standort dieser Bergsternwarte in eine Astroaufnahme zu überführen. Und was eignet sich im Frühjahr besser dazu als ein scharfer Blick auf die schon tausendmal abgelichteten Arme der ,,Whirlpool Galaxy"? Doch erst beim zweiten Versuch war die Luft so ruhig, dass während der 2,5-stündigen Luminanz-Belichtung die Sternscheibchen im Durchmesser knapp unter 1 Bogensekunde blieben (FWHM: 0,83'' bis 1,0''). Die Bildbearbeitung übernahm Stefan Heutz, der nicht nur die Schärfe der Originalaufnahmen, sondern auch ihre feine farbliche Differenzierung bis in sehr schwache Strukturen hinein übertragen konnte (Abb. 1, Teil 1). Mich interessierte parallel noch einmal die alte M-51-Aufnahme von 2005 (siehe Abb. 3, Teil 1). Spielereien mit der Gradationskurve offenbarten dann einen
weiteren mir unbekannten Ausläufer dieser Galaxie in nordwestliche Richtung - der Beginn einer intensiven LiteraturRecherche (P. R.) und die Geburtsstunde dieses Artikels.
Die Luminanzaufnahmen von G. K. wurden bei 950 mm Brennweite und 250 mm Öffnung mit einer SBIG ST-10 und Baader-Filtern gewonnen, simultan dazu die RGB-Aufnahmen bei 540 mm Brennweite und 100 mm Öffnung mit einer Starlight SXVH-9 und Astrodon-Filtern. Als Montierung diente eine Gemini G42. Die Nachführung erfolgte über den internen Nachführchip der ST-10 mit ,,Dithering" per MaxIm DL. Durch das Dithering wird nach jeder Aufnahme das Feld geringfügig (z. B. um 1 Pixel) versetzt. Dadurch mitteln sich nach dem Ausrichten der Einzelbilder die unterschiedlichen Dunkelströme der Einzelpixel. Die ersten Rohdaten nach dem Umstieg von 150 auf 250 mm Öffnung ließen schon erkennen, wie vereinfacht die Nachbearbeitung durch den Öffnungsgewinn wird.
Als Standard für tiefe Aufnahmen gilt es, in allen Kanälen Dark- und Flatfieldaufnahmen mit einzubeziehen. Per SigmaFunktion wurden die Bilder gemittelt. Einzelbilder mit Satelliten- oder Flugzeugspuren können dadurch problemlos
mitverarbeitet werden, denn die Spuren fallen danach heraus. Das RGB wurde mit Regim nach B-V farbgewichtet. Das Master-RGB wurde per Fitsliberator in Photoshop importiert und die Farbsättigung erhöht.
Das Master-Luminanzbild wurde ohne ,,Deblooming" gemittelt, d. h., der Bereich der Bloomingüberläufe wurde in Photoshop transparent gestellt und durch die RGB-Information ersetzt. So ist es möglich, auch Sterne, die im Bloomingüberlauf untergehen, in das Endbild zu retten. Der Zielkonflikt ist, wie immer bei isolierten Objekten, die schwächsten Bereiche kontrastreich darzustellen. Eine extreme Gradiationskurve ist hier nötig (Abb. 6). Deutlich erkennt man den steilen Anstieg in den tiefen Tonwerten und die Gerade im oberen Tonwertebereich, um den Galaxienkern und die hellen Sterne nicht in die Sättigung zu bringen und dadurch Information zu verlieren.
Beim Abbildungsmaßstab von 1,5''/Pixel sind Dekonvolutionsfilter nicht von Vorteil. Geschärft wurde ausschließlich mit dem Filter ,,unscharf Maskieren" bei einem Radius von 1 Pixel. Mit der Ebenentechnik wurde das geschärfte Bild ab einer Helligkeit von ca. 20 ADU mit dem ungeschärften Bild bis zur Hellig-
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Atmosphärische Erscheinungen
keit 20 mag überblendet. So ist in den Tiefen der Aufnahme das verbleibende Rauschen der ST-10 zu sehen, in den hellen Bereichen sind die Strukturen kontrastreich dargestellt.
Literaturhinweise: [1] M. S. Burkhead (1978): "A photometric study of M 51 sys-
tem", Astrophys. J. Suppl. Ser. 38, 147 [2] M. P. Haynes, R. Giovanelli, M. S. Burkhead (1978): "Exten-
ded neutral hydrogen in the M 51 system", Astron. J. 83, 938 [3] A. H. Rots et al. (1990): "High-Resolution H I Observations
of the Whirlpool Galaxy M51", Astron. J. 100, 387 [4] A. Toomre, J. Toomre (1972): "Galactic Bridges and Tails",
Astrophys. J. 178, 623 [5] P. R. Durrell et al. (2003): "Kinematics of planetary nebulae
in M51´s tidal debris", Astrophys. J. 582, 170
6 Angewendete Gradationskurve über Adobe Photoshop für die
Abb. 4 (Teil 1).
Antarktische Eisnebel- und Polarschneehalos
- Januar/Februar 2014 am Erzgebirgskamm
von Wolfgang Hinz, Fotos von Claudia und Wolfgang Hinz
Nach dem großen Display vom 27.11.2010 am Sudelfeld im Wendelsteingebiet mit 22 Haloarten und 28 Erscheinungen (s. [1]) glaubten wir, dass keine Steigerung außerhalb der Antarktis möglich sei. Nachdem wir nun in Schwarzenberg/ Erzgebirge wohnen, hatten wir uns damit abgefunden, so etwas außerhalb der Alpen nun nicht mehr sehen zu können. Auch der milde Winter 2013/14 trug dazu bei, dass wir uns keine Hoffnungen auf Eisnebelhalos machten. Allerdings konnten wir, dank der technischen Aufrüstung der Skigebiete und Ortschaften im böhmischen Teil des Erzgebirges mit Webkameras, das Wettergeschehen in den oberen Kammlagen des Erzgebirges im Auge behalten.
Nachdem wir mehrfach umsonst auf dem Erzgebirgskamm nach Eisnebelhalos Ausschau gehalten hatten, war uns das Glück an drei Tagen Ende Januar/Anfang Februar dann doch noch hold. Gleich hinter der Grenze im kleinen Skigebiet Neklid (Unruh) nahe Bozi Dar (Gottes-
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1 25.01.2014, Neklid, 13:09 MEZ: Blick ins Böhmische Becken mit sich auflösenden
Wolken. Zu sehen sind der 22 Grad -Ring mit beiden Nebensonnen und Horizontalkreis, der Zirkumzenitalbogen und schwach der 46 Grad -Ring und die seitlichen Lowitzbögen
gab), direkt an der Straße zum Keilberg (1.244m) in Tschechien fanden wir Eisnebel, in dem sich wunderschöne Halos
zeigten. Es lässt sich dort unkompliziert und kostenfrei parken und als Fußgänger hat man einen Blick aus 1.100 Metern
Atmosphärische Erscheinungen
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Höhe in das böhmische Becken, in dem sich häufig Wolken stauen. Zudem gibt es dort einen kleinen Imbiss, so dass wir gleich vor Ort auf die erfolgreiche Suche anstoßen konnten.
Am 30.01.2014 beobachteten wir zusätzlich Eisnebelhalos am und auf dem Fichtelberg (1.215m) in Sachsen, der nur 3 km Luftlinie von Neklid entfernt liegt. An den beiden anderen Tagen kamen die Wolken aus dem Böhmischen Becken nicht bis zum Gipfel und es zeigte sich dort die Sonne pur.
Die gezeigten Bilder sind nur im Kontrast etwas angehoben und in der Helligkeit etwas angepasst worden. Es ist nur eine sehr kleine Auswahl! Insgesamt wurde der Auslöser von uns beiden 1.608-mal betätigt!
25.01.2014 - Neklid Die Wolkenobergrenze im Böhmischen Becken lag bei ca. 1.000 m. Es wehte ein leichter Ostwind. Immer wieder zogen Wolkenfetzen aus dem Böhmischen Becken herauf und lösten sich auf. Nur eine fahrbare Schneekanone war im Einsatz, aber wegen der Windrichtung ohne Bedeutung. Die Temperatur lag bei ca. -7/-8 Grad C. Halos sahen wir von 12:30-14 Uhr. Es gab immer wieder Un-
2 25.01.2014, 13:15 MEZ: Horizontalkreis mit linker 120 Grad -Nebensonne
terbrechungen im Erscheinungsbild der Halos. Insgesamt wurden 10 Haloarten mit 13 Erscheinungen registriert (Abb. 1 und 2): 22 Grad -Ring, linke und rechte Nebensonne, Unterer Berührungsbogen am 22 Grad -Ring, Zirkumzenitalbogen, 46 Grad -Ring, Teile des Horizontalkreises, beide seitlichen Lowitzbögen, Gegensonne, beide 120 Grad -Nebensonnen, Untersonne in einzelnen Kristallen
30.01.2014 - Neklid (Säulchenkristalle mit Parry-Orientierung) Aus dem Böhmischen Becken wurden durch leichten Südostwind die Wolken am Keilberg zum Aufsteigen gezwungen. Zwischendrin gab es kurze Zeiten ohne Halos. Es war vor Ort fast windstill. Temperatur: -8 Grad C. Die Schneekanone war nicht mehr vorhanden. Die Eisnebelhalos
waren von 10:15 bis 10:50 Uhr zu sehen. Der Höhepunkt war von 10:43 bis 10:48 Uhr. In dieser kurzen Zeit bildete sich das Halophänomen unseres Lebens und das bisher umfangreichste Halodisplay in Mitteleuropa! Bis auf die Untersonne waren alle Erscheinungen auf einmal sichtbar! Um und über dem Beobachter waren die Halos dreidimensional, wir standen mittendrin, überall glitzerte es! Viele Halos bildeten sich nur in wenigen Kristallen. Das müssen Superhalowolken mit idealen Kristallen gewesen sein. Bemerkenswert war auch die 30-minütige Sichtbarkeitsdauer des Sonnenbogens und der Tapes-Bögen. Insgesamt 21 Haloarten mit 24 Erscheinungen konnten registriert werden (Abb. 3 bis 10): 22 Grad Ring, linke und rechte Nebensonne, Oberer und Unterer Berührungsbogen am
3 Links: 30.01.2014, Neklid, 10:43 MEZ:
Blick ins Böhmische Becken mit sich auflösenden Wolken. Der Höhepunkt des Halophänomens in Blickrichtung Sonne.
4 Oben: Vgl. Abb. 3 VdS-Journal Nr. 52
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Atmosphärische Erscheinungen
5 Links: 30.01.2014, Neklid, 10:44
MEZ: Blick in den Zenit zum Maximum der seltenen Haloarten
6 Vgl. Abb. 5
7 30.01.2014, Neklid, 10:47 MEZ: Blick zum Sonnengegenpunkt mit Hori-
zontalkreis und beiden 120 Grad -Nebensonnen, um den Zenit der Sonnenbogen, darunter Untergegensonnenbogen, Wegeners Gegensonnenbogen, Trickers Gegensonnenbogen und diffuse Gegensonnenbögen, Untersonnenbogen
VdS-Journal Nr. 52
8 30.01.2014, Neklid, 10:47 MEZ: 22 Grad -Ring mit
Horizontalkreis und rechter Nebensonne, Umschriebener Halo, 46 Grad -Ring mit Tapes-Bögen, unterhalb des unteren Tapes-Bogens ein Teil der Sonnenbogens
9 30.01.2014, Neklid, 10:47 MEZ: Unterer
Berührungsbogen und unterer Teil des 22 Grad -Ringes
Atmosphärische Erscheinungen
81
10 30.01.2014, Neklid, 10:46 MEZ: Zirkumzenitalbogen und 46 Grad -
Ring. Darunter das so genannte Chinesenauge, gebildet aus Oberem Berührungsbogen und Paarybogen
11 30.01.2014, Fichtelberg, 11:51 MEZ: 22 Grad -Ring mit beiden
Nebensonnen auf dem Horizontalkreis sowie 46 Grad -Ring und der Zirkumzenitalbogen
13 04.02.2014, Neklid, 10:40 MEZ: Größte Vielfalt der Halo-
erscheinungen. 22 Grad -Ring, Oberer und Unterer Berührungsbogen, 46 Grad -Ring, Supra- und Infralateralbogen, Horizontalkreis
12 30.01.2014, Fichtelberg, 11:33 MEZ: Über der Wetterwarte der
22 Grad -Ring, ein schwacher Parrybogen, der 46 Grad -Ring und der Zirkumzenitalbogen. Dazu ein sehr ausgeprägter Schattenstrahl des Instrumententrägers!
VdS-Journal Nr. 52
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Computerastronomie
14 04.02.2014, Neklid, 10:26 MEZ: Die Fotografin im Unteren Berührungsbogen!
22 Grad -Ring, Zirkumzenitalbogen, 46 Grad -Ring, Horizontalkreis, rechter seitlicher Lowitzbogen, beide 120 Grad -Nebensonnen, Supralateralbogen, Infralateralbogen, Parrybogen, Wegeners Gegensonnenbogen, Trickers Gegensonnenbogen, Hastings Gegensonnenbogen, Diffuse Gegensonnenbögen, Tapes-Bögen, Sonnenbogen, Untersonnenbogen, Untergegensonnenbogen, Moilanenbogen, Untersonne.
30.01.2014 - Fichtelberg (meist Plättchenhalos) Nachdem sich die Wolken in Neklid auflösten, fuhren wir auf den Fichtelberg, der noch eine Wolkenkappe zeigte. Das waren nur 3,4 km und ca. 10 Minuten Fahrzeit. Schon auf der Fahrt nach oben zeigten sich der 22 Grad - und der 46 Grad -Ring vollständig. Der Gipfel befand sich zeitweise in dünnen Wolken, dazu wehte
ein starker Südostwind (5-6 Bft), der die Kristalle mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft wirbelte. Die nächsten Schneekanonen in Oberwiesenthal standen in südlicher Richtung und könnten somit Einfluss auf die Kristallbildung gehabt haben. Die Temperatur betrug -7 Grad C. Halos wurden von 11:10-11:50 Uhr, kein Anfang und kein Ende, beobachtet. Registrierte Haloerscheinungen (Abb. 11, 12): 22 Grad -Ring, linke und rechte Nebensonne, Oberer und Unterer Berührungsbogen am 22 Grad -Ring, Zirkumzenitalbogen, 46 Grad -Ring, Horizontalkreis, Parrybogen.
Die Erscheinungen zeigten sich gleichmäßig in der Vollständigkeit und fast ohne Unterbrechungen. Zudem erzeugte der Gerätemast der Wetterwarte einen sehr langen Schattenstrahl im Eisnebel.
04.02.2014 - Neklid Anfangs war die Luft sehr klar und es waren keine Halos zu sehen. Aber unter uns im Böhmischen Becken stauten sich erneut Wolken, denen wir am Rande der Skipiste bergab entgegenliefen. Kaum hatten wir die Obergrenze der Wolken erreicht, zeigten sich die ersten Haloerscheinungen. Durch den starken Südostwind (5-6 Bft) kamen die Kristalle mit hoher Geschwindigkeit stark glitzernd auf uns zu, wodurch die Erscheinungen sehr plastisch wirkten. Die Temperatur betrug ca. -4 Grad C, gegen Ende -1 Grad C. Eine Schneekanone in den Wolken war hörbar. Halos wurden von 10:30-11 Uhr beobachtet, jedoch nur dann, wenn wir im Eisnebel standen.
Insgesamt waren folgende Haloerscheinungen zu sehen (Abb. 13 und 14): 22 Grad -Ring, Oberer und sehr heller Unterer Berührungsbogen am 22 Grad -Ring, 46 Grad Ring, Horizontalkreis, Parrybogen, Moilanenbogen, Sonnenbogen, in einzelnen Kristallen aufglitzernd.
Literaturhinweis: [1] W. Hinz, 2011: ,,Antarktische
Eisnebel- und Polarschneehalos ...", VdS-Journal für Astronomie 38 (III/2011)
+ + + + + + + + + + Computer-Ecke + + + + + + + + + +
Selbermachen? Selbermachen!
von Helmut Jahns, Klaus Rohe und Frank Theede
Hobbyastronomen stehen wie alle Menschen, die eine Sache aus Freude in ihrer Freizeit betreiben, oft vor der Frage: Selbermachen oder etwas Vorgefertigtes verwenden?
Im professionellen Umfeld wird diese Frage meist dadurch beantwortet, dass man ein bestimmtes Ziel mit möglichst wenig Ressourcen - Material- und Zeitaufwand - erreichen muss; ansonsten wird man im Wirtschaftsleben keine konkurrenzfähigen Produkte anbieten und in der Wissenschaft nichts Neues entdecken können. Gerade in
VdS-Journal Nr. 52
der Wissenschaft baut Vieles auf bereits Vorhandenem auf; es gilt gewissermaßen, ,,auf den Schultern der Riesen zu stehen".
Amateure hingegen sind nicht nur von der Effizienz getrieben, sondern hauptsächlich vom Spaß an der Freude. Daher gibt es dann doch eine Motivation, einen Teleskopspiegel mit eigenen Händen zu schleifen, das mindestens 5342157653ste Bild von M 42 in kalten Winternächten aufzunehmen, Sonnenflecken mit eigenen Augen zu sehen - oder auch eine Software selbst zu entwickeln.
Einige Gründe für eine eigene Softwareentwicklung können sein: - Es ist für die Fragestellung oder das
Problem keine adäquate Software verfügbar, weil diese einfach gar nicht existiert. - Die vorhandene Software erfüllt nicht den geforderten Qualitätsanspruch oder trifft den vorgesehenen Zweck nur ungenau. - Es gibt zwar passende Software, aber aus Freude am Programmieren oder zum besseren Verständnis möchte man diese selber entwickeln.
Computerastronomie
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Wenn man sich dazu entschlossen hat, eine Software selbst zu schreiben, so kann man sich immer noch überlegen, ob man zumindest für Teile dieser Software auf bereits vorhandene Lösungen zugreift. Für viele gängige Aufgaben und Algorithmen sind im Internet bereits ausgereifte und gut getestete Lösungen vorhanden, sei es in Form von Codeabschnitten oder -bibliotheken oder als Library (.dll, .so). Hier hat man die wunderbare Möglichkeit, sich die Arbeit um einigen Programmier- und Testaufwand zu erleichtern bzw. sein eigenes Programm um ungeahnte Fähigkeiten zu erweitern.
Im Vorfeld bedarf es jedenfalls einer gründlichen Analyse des Vorhandenen und man sollte sich diese Zeit unbedingt nehmen. Denn: ,,Um das Rad nicht neu zu erfinden, muss man erst einmal wissen, dass es das Rad gibt" (Jan Bölsche, nach [1]).
Dabei ist zu beachten, dass die Entwicklung eigener Software auf verschiedensten Ebenen stattfinden kann: - Eine Funktion, die einen bestimm-
ten Algorithmus implementiert (z. B. Runge-Kutta-Verfahren). - Eine Bibliothek (z. B. zum Rechnen mit Matrizen) - Eine Erweiterung bestehender Software (z. B. Erstellung eines neuen Plugins) - Eine Portierung oder Anpassung bestehender Software (z. B. die Übertragung aus Fortran nach Python) - Eine eigene Software auf Basis bestehender Funktionalitäten (z. B. eine neue Oberfläche um bestehende Algorithmen)
Je bekannter, üblicher und häufiger eine Aufgabe ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es gute und (fast) fehlerfreie Software gibt. Dieses gilt z. B. für die Matrixmultiplikation und Nullstellensuche. Noch deutlicher wird es bei Algorithmen zum Suchen und Sortieren. Je nach verwendeter Programmiersprache gibt es entweder im Sprachkern oder in Libraries hierfür gute und effiziente Implementierungen. Manchmal ist schon die Wahl der geeigneten Programmiersprache eine große Erleichterung. So könnte man sich für die Auswertung von Messergebnissen mit der Sprache R und
Das Halley-Verfahren
Für die Berechnung der Positionen der Himmelskörper in unserem Planetensystem gibt es Rechenwege, die in vielen himmelsmechanischen Büchern vorgestellt werden. Auf diesen Rechenwegen gelangt man an eine Stelle, an der die Keplergleichung
E - e sin(E) - M = 0
nach E aufgelöst werden muss. Hierbei handelt es sich um eine transzendente Gleichung, deren Lösung für E nicht algebraisch bestimmt werden kann. Man bedient sich an dieser Stelle mathematischer Verfahren wie z. B. des Newton-Verfahrens, mit dem man auf numerischem Wege Lösungen für Gleichungen der Art
f(x) = 0 berechnen kann. Die allgemeine Rechenvorschrift lautet xn+1 = xn - f(xn)/f,(xn) Es gibt aber noch weitere Varianten des Newton-Verfahrens. Eine von ihnen geht sogar auf Edmond Halley zurück. Dieser doppelte astronomische Bezug soll Grund genug sein, das Halley-Verfahren hier kurz vorzustellen. Das Halley-Verfahren benutzt in der Rechenvorschrift f (x), f,(x) und f,,(x), während das Newton-Verfahren auf die zweite Ableitung f,,(x) verzichtet. Damit erreicht das Halley-Verfahren eine bessere Approximation der Kurvenkrümmung und somit eine schnellere Konvergenz. Die Zahl der gültigen Stellen verdreifacht sich mit jedem Iterationsschritt (bei Newton verdoppelt sie sich). Dies wird jedoch mit zusätzlichen Rechenoperationen erkauft. Die Rechenvorschrift lautet nach Halley xn+1 = xn - 2 f(xn)f,(xn) / (2 f,(xn)2 - f(xn) f,,(xn) ) Grundsätzlich gelten ebenso wie bei Newton Abhängigkeiten von den Startwerten. Das Halley-Verfahren kann auf mehrere Dimensionen erweitert werden.
Software
TeamViewer 9 verfügbar
Die Software zur Fernsteuerung von PCs, TeamViewer, ist in der Version 9 verfügbar. Neu ist die Verwaltung mehrerer Verbindungen in separaten Tabs und das ,,Aufwecken" eines Zielcomputers über LAN.
TeamViewer ist ein Produkt der gleichnamigen Firma aus Göppingen in BadenWürttemberg und findet seit Jahren eine wachsende Schar von Nutzern; so auch unter Astros. Das Programm ermöglicht die sehr einfach zu handhabende Fernsteuerung eines anderen PCs (Windows, Mac oder Linux) über Internet oder LAN. Fernsteuerung bedeutet, dass nicht nur der Bildschirminhalt des fernen PCs angezeigt wird, sondern dass auch Mausaktionen und Tastatureingaben vorgenommen werden können. Anwendungsbeispiele sind:
Die Ansteuerung eines PCs einer Gartensternwarte zur Positionierung des Fernrohrs oder zur Entgegennahme der Astroaufnahmen, ohne in die Kälte hinaus zu müssen.
Die Hilfestellung aus der Ferne für Freunde und Bekannte bei PC-Problemen (ideal in Kombination mit einer Telefonverbindung oder Skype)
Das gemeinsame Besprechen und Bearbeiten von Dokumenten, Grafiken oder Programmen ohne Reiseaufwände.
TeamViewer kann entweder installiert oder auch direkt ausgeführt werden. Für Privatanwender ist die Benutzung des TeamViewers kostenlos.
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Computerastronomie
1 Screenshot von JTrack 3D
Im Netz
JTrack 3D
JTrack 3D ist eine javabasierende Webanwendung, welche die augenblickliche Position von bis zu einigen hundert Satelliten darstellt (s. Abb. 1). URL: http://science.nasa.gov/ realtime/jtrack/3d/JTrack3D.html/
Under the Milky Way tonight ...
Im Internet existieren einige Webseiten mit Milchstraßenpanoramen. Eine der wirklich gelungensten befindet sich auf der Seite von Axel Mellinger. Das Panorama ist hoch aufgelöst; das Zoomen erfolgt per Mausrad. URL: http://galaxy.phy.cmich. edu/~axel/mwpan2/krpano/
Bücherkiste
,,Computational Physics", Mark Newman
Dieses Buch des Professors für Physik an der University of Michigan, USA, wendet sich an Leser, insbesondere Physikstudenten, die sich in die Programmierung physikalischer Fragestellungen einarbeiten möchten. Dazu wird eine fundierte und detaillierte Einführung in die notwendigen Elemente der Programmiersprache Python gegeben. Alle Schritte bis hin zur Visualisierung der Ergebnisse werden an klassischen Beispielen (z. B. Berechnungen zu Planetenbahnen) und interes-
santen Übungsaufgaben erläutert. Zu den vorgestellten Themen gehören: Integrale und Ableitungen, Lineare und Nicht-Lineare-Gleichungssysteme, Fourier-Transformationen, Gewöhnliche und Partielle Differentialgleichungen sowie Zufallszahlen und Monte-CarloSimulationen. Das amerikanische Englisch ist gut und unterhaltsam zu lesen, Programmierkenntnisse sind nicht notwendig. Für einen guten Lesefluss und die Bearbeitung der Aufgaben sollte der Leser aber einige physikalische Kenntnisse mitbringen - oder bereit sein, sich diese parallel zu erarbeiten.
,,A Concise History of Solar and Stellar Physics", Jean-Louis und Monique Tassoul
Wer sich für die geschichtliche Entwicklung der Physik der Sonne und der Sterne interessiert und englischsprachige Bücher nicht scheut, für den ist das Buch ,,A Concise History of Solar and Stellar Physics" von Jean-Louis und Monique Tassoul eine sehr interessante Lektüre. Erschienen ist das Buch 2004 bei Princeton University Press, es hat die ISBN 9780691117119. Das Werk behandelt den Zeitraum von 3000 v. Chr. bis 1990. Ausführlich dargestellt werden die ersten physikalischen Modelle der Sonne und der Sterne, wie sie in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem frühen 20. Jahrhundert entwickelt wurden. Danach wird der Fortschritt der stellaren Astrophysik bis 1990 aufgezeigt. Das Buch beschreibt sowohl die physikalischen Grundlagen als auch die Biografien der beteiligten Personen. Viele Fotos (schwarzweiß) und Diagramme lockern den Text auf. In einem Anhang werden einige grundlegende Gleichungen der stellaren Astrophysik, wie die von Lane-Emden, hergeleitet. Auch ohne Beachtung der mathematischen Formeln ist das Buch eine interessante und spannende Lektüre. Es ist auch als Einführung in die Physik der Sonne und der Sterne sehr gut geeignet.
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Computerastronomie
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ihren leistungsfähigen Statistikmöglichkeiten beschäftigen [2]. Foster Grant gibt in [3] ein schönes Beispiel für deren Anwendung bei der Auswertung von Lichtkurven bei der Veränderlichen-Beobachtung.
Generell gilt, dass beim Wiederverwenden von Code einige Fallstricke lauern. Verwendet man Libraries oder ,,Codeschnipsel" anderer Entwickler, sollte man sie verstehen und die Grenzen ihrer Anwendbarkeit (besonders bei mathematischen Algorithmen) unbedingt kennen!
Ferner sind die Lizenzmodelle zur Verwendung zu beachten - und ein korrekter Hinweis auf die verwendete Leistung Anderer versteht sich von selbst.
Egal, aus welchen Gründen man sich für das Selbermachen entscheidet, für die Hobbyentwickler gilt wie für die Profis: Meistens überschätzt man seine eigenen Fähigkeiten und unterschätzt die Komplexität des Problems. Und dann scheitern die privaten Projekte ebenso wie viele professionelle, große Softwareprojekte.
Literaturhinweise: [1] Passig, Jander, 2013: ,,Weniger
schlecht programmieren", Kapitel 19 ,,Mach es nicht selbst", O`Reilly, 1. Aufl. [2] http://de.wikipedia.org/wiki/R_ (Programmiersprache) [3] Grant: "Analyzing Light Curves", lulu.com
Mondanalemma
- die monatliche und jährliche Bewegung des Mondes am Himmel
von Thomas Hebbeker
Ein Analemma? Das griechische Wort Analemma bezeichnet den Sockel einer Sonnenuhr, wo man auf einer Skala aus dem Schattenwurf eines Stabes die Uhrzeit ablesen kann. Als (Sonnen-)Analemma bezeichnet man auch die Kurve, die man erhält, wenn man ein Jahr lang zur selben Uhrzeit die Sonne am Himmel fotografiert und die Bilder überlagert. Das Sonnenanalemma hat ungefähr die Form der Ziffer Acht, siehe die Abbildung 1, rechtes Bild [1].
Man kann nun den Begriff des Analemmas verallgemeinern; ich definiere es als die Summe der Fotos eines periodisch beobachtbaren astronomischen Objektes, dessen Position am Himmel über einen langen Zeitraum mit fester Kameraausrichtung bei konstantem Zeitabstand T aufgenommen wird. Die Zeit T zwischen zwei aufeinanderfolgenden Aufnahmen wird so gewählt, dass die Position des Himmelskörpers auch langfristig nicht aus dem durch den Fotoapparat vorgegebenen Himmelsausschnitt hinausdriftet. Beim Sonnenanalemma ist T ein Tag.
Interessant sind insbesondere Analemmafiguren von Mond und Planeten: Diese erlauben bei quantitativer Auswertung die Bestimmung der Bahnparameter dieser Himmelskörper.
Die Aufnahmetechnik Vor ein paar Jahren hatte ich mit einer im Haus innen vor der Fensterscheibe installierten, automatisch betriebenen Spiegelreflexkamera ein Sonnenanalemma aufgenommen und aus den Positionen die Exzentrizität und Neigung der Erdbahn bestimmt [1]. Was sollte ich danach mit der arbeitslos gewordenen Kamera machen? Ich entschied mich für ein Mondanalemma. Allerdings war ich nicht der Erste, der diese Idee hatte. Schon im Jahr 2005 hat Rich Richins ein Mondanalemma erstellt [2]. Die Kameraausrichtung (Südosten) und Brennweite (18 mm) habe ich unverändert von meinen Sonnenaufnahmen übernommen. Mit einer Belichtungszeit von 1/30 s bei Blende 8 und ISO 100 kann man den Mond in den Nacht- und Dämmerungsstunden gut fotografieren, bei Tageslicht hat man allerdings keine Chance unseren Erdtrabanten zu erkennen. Wichtig ist ein externer Taktgeber, der jeweils nach Ablauf der Analemmaperiode T die Kamera über den Fernauslöseranschluss auslöst. T berechnet man aus der Länge des Sterntages S = 23,93447192 Stunden und der siderischen Umlaufperiode des Mondes von P = 27,32166 Tagen mit der Gleichung
1 = 1 - 1 T S P
zu
T= 24 h 50 min 28,33 s
Den Taktgeber habe ich mit einem Mi-
krocontroller realisiert, den ich auf den
Zeitabstand T programmiert habe. Die
Abbildung 2 zeigt die Kamera (mit Alu-
folie vor Sonneneinstrahlung geschützt)
und den elektronischen Taktgeber. Ich
habe die Mondanalemmafotos im Zeit-
raum 31. Juli 2012 bis 30. Okt. 2013 ge-
macht; das ergab insgesamt 98 brauch-
bare Bilder.
Das Mondanalemma Die Abbildung 1 zeigt links das fertige Mondanalemma, es entstand durch Überlagerung aller 98 Fotos, und durch Einblenden des Vordergrundes (Bäume). Man kann es direkt mit dem Sonnenanalemma rechts vergleichen, das im gleichen Maßstab abgebildet ist. Das linke Analemma zeigt auch die Mondphasen. Im Prinzip reicht ein Monat für die Erstellung eines Mondanalemmas aus - aber sowohl die Mondphasen als auch die Positionen ändern sich von Monat zu Monat. Deshalb gibt es kein einheitliches Bild, sondern man erhält das ,,Gewackel" der Abbildung 1 links. Grund ist die weiter unten diskutierte Komplexität der Mondbahn.
Quantitative Auswertung Meine numerische Auswertung beschränkt
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Computerastronomie
sich auf die Positionen des Mondes, die Mondphase habe ich nicht berücksichtigt. Zuerst habe ich die Pixelkoordinaten x und y des Mondmittelpunktes auf dem Kamerasensor mit Hilfe des Astronomieprogramms Iris bestimmt [3]. Daraus habe ich die astronomischen Koordinaten Azimut a und Höhe h für alle 98 Mondbilder bestimmt [4]. Dazu benötigt man den Umrechnungsfaktor zwischen dem Abstand zweier benachbarter Pixel und dem zugehörigen Winkelabstand am Himmel - diesen hatte ich schon früher zu 72,5 Bogensekunden bestimmt. Ferner muss man noch ein paar ,,Kleinigkeiten" berücksichtigen wie Objektivverzeichnung, Kameraausrichtung und Refraktion in der Atmosphäre. Insgesamt konnte ich so die Mondpositionen mit einer Genauigkeit von etwa 0,1 Grad messen.
Die Mondbahn Im Prinzip beschreibt der Mond eine Keplerellipse mit dem Schwerpunkt des Erde-Mond-Systems in einem Brennpunkt, ähnlich wie die Planeten, die sich auf Ellipsenbahnen um die Sonne bewegen. Bei Letzteren trifft diese Beschreibung auch in sehr guter Näherung zu. Nicht jedoch beim Mond, weil durch unser Zentralgestirn das Erde-Mond-System erheblich beeinflusst wird, die Sonne also die Mondbewegung um die Erde stark ,,stört"
VdS-Journal Nr. 52
1 Mondanalemma (links) und Sonnenanalemma (rechts) [1]
[4, 5]. Bei unterschiedlichen Abständen Sonne-Erde und Sonne-Mond beschleunigt unser Stern Erde und Mond unterschiedlich stark, und diese zeitabhängige differenzielle Beschleunigung bewirkt die Bahnstörungen. Aus diesen resultiert die hohe Komplexität der Mondbahn: So variiert die Exzentrizität zwischen 0,026 und 0,077 [5], und auch die Neigung der
Mondbahn zur Ekliptik ist zeitabhängig. Die Bahnstörungen spiegeln sich natürlich auch in der Mondanalemmakurve wider, deshalb fällt sie - im Gegensatz zum Sonnenanalemma, das jedes Jahr gleich aussieht (von langfristigen Effekten wie der Erdpräzession abgesehen) - in jedem Monat etwas unterschiedlich aus.
2 Spiegelreflexkamera für Mondaufnahmen und elektronischer Taktgeber
Computerastronomie
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Bestimmung der Bahnparameter Auf einer Webseite des schwedischen Astronomen Paul Schlyter [6] findet man eine Anleitung, wie man die Position des Mondes als Funktion der Bahnparameter wie Umlaufperiode und numerische Exzentrizität auf recht einfache Weise berechnen kann. Auch die näherungsweise Berechnung von Bahnkorrekturen aufgrund der Störungen durch die Sonne ist aufgeführt. Ich habe diese Formeln in C++-Programmiercode übersetzt, so dass ich zu jedem Zeitpunkt die Horizontkoordinaten a und h des Erdtrabanten ausrechnen kann. Mit Hilfe dieses Programms kann ich aus den gemessenen Analemmapositionsdaten die Mondbahnparameter bestimmen. Dazu habe ich eine Anpassungsrechnung (,,Fit") durchgeführt, die die 98 Messungen der Mondkoordinaten und die zugehörigen Aufnahmezeiten berücksichtigt. Freie Parameter im Fit sind sieben Bahnparameter, durch die die Mondbewegung festgelegt wird. Gleichzeitig wurde auch die genaue Ausrichtung der Kamera mit angepasst. Allerdings habe ich die Bahnkorrekturen, die ebenfalls von den Bahnelementen abhängen, unverändert gelassen, sonst wäre die Rechnung viel zu kompliziert geworden. Die Fitkurve wird in der Abbildung 3 mit den Messdaten verglichen. Die Übereinstimmung ist gut. Die interessantesten der angepassten mittleren Mondbahnparameter sind
siderische Umlaufzeit: P=(23,3216+-0,0002) Tage [27,3217 Tage] numerische Exzentrizität: = 0,056+-0,005 [0,055] Bahnneigung gegen Ekliptik: i = 4,98 Grad +-0,06 Grad [5,15 Grad ]
3 Gemessene Mondpositionen in Horizontkoordinaten (rote Punkte) und
Ergebnis der Anpassungsrechnung (schwarze Punkte)
In eckigen Klammern sind die Literaturwerte aufgeführt [5]. Die angegebenen Messfehler werden dominiert durch systematische Unsicherheiten. Sie wurden abgeschätzt durch Variation des Umrechnungsfaktors zwischen Pixel- und Winkelabständen und durch Verändern der Verzeichnungskorrektur des Objektivs. Bei der Exzentrizität und insbesondere beim Neigungswinkel muss auch noch berücksichtigt werden, dass diese Bahnparameter zeitlich variieren [5], und der mittlere Wert bei einer Messperiode von (nur) etwa einem Jahr prinzipiell nicht exakt bestimmt werden kann.
Die erreichten Genauigkeiten sind gut - die Umlaufperiode konnte ich mit einer Präzision von 0,0002 Tagen = 17 Sekunden messen. Die gemessenen Bahnparameter stimmen mit den Literaturwerten überein, nur bei der Inklination gibt es einen kleinen Unterschied von knapp drei Fehlerbreiten.
Die Mondphase Offenbar funktioniert mein auf [6] basierendes Programm zur Berechnung der Mondposition gut. Es kann auch die Mondphasen [7] berechnen, die wir jetzt analysieren und verstehen wollen. Die Abbildung 4 zeigt die berechneten Positionen und Phasen für eine Dauer von
4 Berechnete Mondpositionen und -phasen für drei Monate
VdS-Journal Nr. 52
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Geschichte
jeweils einem Monat. Links ist ein ,,Umlauf" im Winter gezeigt. Steht der Mond hoch über dem Horizont, haben wir Vollmond, in der Neumondphase steht der Mond dagegen sehr tief. Im Sommer ist es genau umgekehrt, wie die mittlere Grafik der Abbildung 4 zeigt. Man beachte, dass die Kamera in südöstliche Richtung blickt, wo die Sonne am späten Vormittag sichtbar ist. Im Sommer steht die Sonne tagsüber hoch über dem Horizont - und damit auch der Neumond, den wir ja in ungefähr der gleichen Richtung beobachten. Und der Vollmond steht der Sonne gegenüber - im Sommer ist entsprechend der Abstand zum Horizont klein, da die Sonne nachts nicht sehr weit unter den Horizont taucht. In den Wintermonaten kehren sich diese Argumente natürlich um.
Die Form des Mondanalemmas Die ,,Acht" des Sonnenanalemmas kommt so zustande: Naiv würde man erwarten, dass zum Sommeranfang der höchste und zur Wintersonnenwende der tiefste Stand erreicht wird, und alle Zwischenpositionen ungefähr eine gerade Linie bilden. Abweichungen von der ,,mittleren Sonnenzeit" und der entsprechenden Position unseres Sterns über
dem Horizont ergeben sich wegen der Exzentrizität der Erdbahn von 0,017 und des Neigungswinkels der Erdachse von etwa 23 Grad gegenüber der Ekliptik. Je nach Jahreszeit tragen die beiden Effekte mit unterschiedlichen Vorzeichen bei, so dass die Analemmakurve mal nach links und mal nach rechts von einer geraden Linie abweicht. Dass die Sonnenacht in der Abbildung 1 nicht senkrecht steht, liegt an der von der Südausrichtung abweichenden Kameraorientierung. Das trifft auch für das Mondanalemma zu. Bei der Form des Mondanalemmas spielen die analogen Größen, nämlich die Exzentrizität der Mondbahn und die Neigung der Erdrotationsachse gegen die Mondbahn die Hauptrolle. Allerdings ändern sich Größe und Vorzeichen beider Phänomene im Lauf der Zeit, so dass sie sich manchmal gegenseitig zu einer Birnenform verstärken, wie zum Beispiel im Sommer 2013 (Abb. 4 Mitte), aber im Jahr 2015 werden sie sich teilweise kompensieren, dann wird auch das Mondanalemma eine achtförmige Kurve beschreiben (Abb. 4 rechts).
Fazit Was macht man mit einer alten Kamera, die man nicht einfach in einer Schublade
verstauben lassen will? Man nimmt ein Analemma auf, lernt einiges über Bewegungen von Planeten und Monden, und ist am Ende stolz, wenn man Bahnparameter wie die siderische Umlaufzeit des Mondes auf einige Sekunden genau bestimmt hat ...
Literaturhinweise und Weblinks: [1] T. Hebbeker, 2013: Sterne und
Weltraum, März 2013 [2] R. Richins, 2005: "Astronomy
Picture of the Day 13.7.2005", http://apod.nasa.gov/apod/ ap050713.html (geprüft Juli 2014) [3] C. Buil, http://astrosurf.com/buil/ us/iris/iris.htm (geprüft Juli 2014) [4] O. Montenbruck, T. Pfleger, 2009: "Astronomy on the Personal Computer", 4th edition, Springer [5] E. Kuphal, 2013: ,,Den Mond neu entdecken", Springer Spektrum [6] P. Schlyter, http://stjarnhimlen.se/ comp/ppcomp.html (geprüft Juli 2014) [7] B. E. Schaefer, http:// d366w3m5tf0813.cloudfront.net/ wp-content/uploads/moonfx.bas (geprüft Juli 2014)
Die Io-Verfinsterung vom 25. September 1671
von Michael Parl
Bei der Materialsuche zu Jupitermondverfinsterungen fand ich eine interessante Mitteilung in den Philosophical Transactions [1]. Aus Danzig berichtet Hevelius von seiner Beobachtung eines Io-Schatteneintritts am 25.09.1671, veranlasst durch das ,,französische" Unternehmen zur Bestimmung der geografischen Koordinaten der Sternwarte von Tycho Brahe (Kasten S. 91). Zur Längenmessung sollte hierbei erstmals die Methode der korrespondierenden Jupitermondverfinsterungen eingesetzt werden.
Das Protokoll (Abb. 2) nebst ausführlichem Bericht (Kasten) zeigt uns Hevelius als umsichtigen Beobachter. Interessant sind hier nun speziell die Höhenmessungen von Prokyon. Mit ihrer Hilfe ist es
VdS-Journal Nr. 52
1 Beobachtungsaufruf in Phil. Trans. Bd. 6 (1671), S. 2238 [1a]
Geschichte
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möglich, den genauen Zeitpunkt dieser Verfinsterung unabhängig zu berechnen und damit die Genauigkeit der damaligen Zeitbestimmung zu überprüfen.
Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie
von Wolfgang Steinicke
Zwischen der auf der geografischen Breite j beobachteten Höhe h eines Sterns der Deklination d besteht die Beziehung
sin (h - r) = sin j · sin d + cos j · cos d · cos t
Hieraus kann der Stundenwinkel t berechnet werden, da die Refraktion r bekannt ist [2].
Die lokale Sternzeit Q zur Weltzeit UT eines Beobachtungsortes auf der geografischen Länge l ist gegeben durch
Unsere 11. Tagung in Dresden ist bereits vorüber. Meinen Bericht dazu lesen Sie im nächsten Heft (Nr. 53). Hier finden Sie die folgenden Beiträge: Michael Parl hat die Beobachtung der ,,Io-Verfinsterung vom 25. September 1671" durch Hevelius analysiert. Karl Bartsch berichtet über den ,,Goldbach Himmels-Atlas von 1799" (siehe dazu auch meine Rezension in Heft 50). Hier geht es insbesondere um die im Atlas dargestellten Deep-Sky-Objekte - eine interessante Untersuchung. Und Elvira Pfitzner setzt ihre Reihe über ostdeutsche Astronomen fort (siehe Heft 48 und 49). Im dritten Teil geht es um ,,Franz Ulrich Theodor Aepinus - Astronom und Physiker in Rostock, Berlin und St. Petersburg". Wie immer wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen und versorgen Sie mich auch weiterhin mit interessanten Artikeln. Informationen zur Fachgruppe ,,Geschichte der Astronomie" finden Sie wie immer auf unserer Webseite http://geschichte.fg-vds.de
Q = a + t = Q0 + l · 4 min / 1 Grad + 1,0027379 · UT
mit Q0 = 24110,5 s + 8640184,8 s ·
T + 0,1 s · T2 T = d / 36525 d = JD(Datum, 0h) - 2451545,0
Q0 ist die Sternzeit in Greenwich um 0 h UT und a ist die Rektaszension des Sterns [3]. Für den 25.09.1671 (JD = 2331647,5) wird Q0 = 00 h 15 min 14 s.
Die Koordinaten von Prokyon erhält man z. B. mit den Angaben aus dem Flamsteedschen Katalog nach einfacher Rechnung (s. Tab. 1).
Desweiteren muss man die geografischen Koordinaten der Sternwarte kennen. Wert
volle Hinweise zur Lage im mittelalterlichen Stadtbild gibt Felix Lühning in [7]. Da ihr Standort im heutigen Danzig nicht mehr auffindbar war, wurde die Position aus einem alten Plan (Abb. 3) in die topografische Karte des Reichsamtes für Landesaufnahme (Blatt-Nr. 1677) übertragen. Die Hevelsche Sternwarte befand sich danach auf
18 Grad 39' 03'' östl. Länge und 54 Grad 21' 23'' nördl. Breite. Hevelius gibt für die Polhöhe seiner Sternwarte 54 Grad 22' 52'' an [6]. Inwieweit die Refraktion (die etwa 40'' ausmacht) berücksichtigt ist, konnte ich nicht ermitteln.
Über die Zeitgleichung ZGL erhält man aus der Weltzeit UT die wahre Ortszeit WOZ gemäß
Tabelle 1: Koordinaten von Prokyon
Quelle
[4] Sky Catalogue [5] Flamsteed Änderung in 311,00 Jahren: Änderung in 17,25 Jahren: Ort von Prokyon
Epoche 2000.0 1689.0
1671.75
Rektasz. h m s
7 39 18,1 7 23 01,3
16 16,8 54,2
7 22 07,1
Dekl. Grad ' ''
+05 13 30 +05 58 45
- 45 15 - 02 30 +06 01 15
WOZ = UT + l · 4 min / 1 Grad + ZGL
Für den Beobachtungszeitraum auf der Hevelschen Sternwarte finde ich
WOZ = UT + 1 h 14 min 36 s + 08 min 24 s
Damit ergibt sich nun die Tabelle 2.
TC (,,tempus correctum") ist die wahre Ortszeit von Danzig nach Hevelius (Abb. 2). Der Unterschied in den Zeitdifferenzen (TC2 - TC1) und (UT2 - UT1) beträgt 8 s und passt ganz gut zu den Fehlern, die man aufgrund der Messungenauigkeit bei der Höhenmessung erwarten muss (etwa 10 s pro Bogenminute). Die Differenz zwischen berechneter WOZ und Hevelius-Uhrzeit TC beträgt rund eine Minute. Ursache hierfür dürften vor allem die Schwankungen in der Erdrotation sein. Zwischen 1671 und 2000 beträgt der Unterschied zu einer gleichförmig angenommenen Drehung, wie sie bei der Berechnung von Q0 vorausgesetzt ist, rund 40 s.
Den Zeitpunkt UTVA des Schatteneintritts von Io (nach Hevelius TCVA = 05 h 12 min 00 s) habe ich schließlich entspre-
Zeitpunkt 1 2 2-1
Tabelle 2: Überprüfung der Hevelschen Zeitbestimmung
h
r
34 Grad 43,0, 1,5,
36 Grad 39,0, 1,4,
h-r 34,692 Grad 36,627 Grad
t -33,382 Grad -28,071 Grad
Q 05:08:35 05:29:50
UT 03:38:09 03:59:21
21:12
WOZ 05:01:09 05:22:21
TC 05:02:07 05:23:27
21:20
VdS-Journal Nr. 52
90
Geschichte
chend der folgenden Beziehung bestimmt
UTVA = UT1 + (TCVA - TC1) / (TC2 - TC1) · (UT2 - UT1) UTVA = 03 h 38 min 09 s + 593 s / 1280 s · 1272 s = 03 h 47 min 58 s
Das stimmt sehr gut mit den Berechnungen der Jupitermondereignisse für 1671 überein, die das Institut de Mecanique Celeste et de Calcul des Ephemerides (IMCCE) veröffentlicht hat [9]. Danach erfolgte der Schatteneintritt um 03 h 47 min 20 s. Die angegebene Zeit gilt für die Mitte des Eintritts, wenn der Mond zur Hälfte verdunkelt ist und seine Helligkeit um 0,75 Größenklassen abgenommen hat. Da Io ihren Durchmesser in rund 3 1/2 Minuten zurücklegt, kann sie dann noch maximal 106 Sekunden lang gesehen werden. Dies hängt naturgemäß vom verwendeten Fernrohr ab. Nach meiner Erfahrung verliert man Io mit 60 mm Öffnung nach etwa 60 Sekunden und mit 100 mm nach etwa 85 Sekunden. Über den Nachbau eines frühen Hevelschen Fernrohrs von F. Lühning siehe [10].
Die gute zeitliche Übereinstimmung erklärt sich auch dadurch, dass vom IMCCE für die Berechnung der Ephemeriden ein gleichförmiges Zeitmaß zugrundegelegt wird (Terrestrial Time TT). Dagegen benutzt Lieske in seinem Katalog der Jupitermondverfinsterungen [11] die von Hevelius angegebene Zeit (umgerechnet auf UT und Mitte des Ereignisses) und berechnet den Unterschied zur Jupitermondephemeride unter Berücksichtigung der tatsächlichen Erdrotation. Danach ergibt sich ein Fehler von lediglich 12 s.
Die von Hevelius in Danzig beobachtete Io-Verfinsterung zeigt, dass es damals für einen gut ausgestatteten Amateur möglich war, Zeitbestimmungen mit Sekundengenauigkeit durchzuführen. Unter diesem Gesichtspunkt müssen auch die Beobachtungen von Picard, Cassini und Römer, die wenige Jahre später zur Entdeckung der Lichtgeschwindigkeit führen sollten, betrachtet werden.
Hevelius hat im Verlauf des Jahres 1671 versucht, weitere Verfinsterungen zu beobachten, doch wurde dies durch schlechtes Wetter vereitelt. Außer dem Beitrag von Hevelius finden sich weder in den Philosophical Transactions noch im Journal des Scavans Beobachtungs-
VdS-Journal Nr. 52
2 Beobachtungsprotokoll von Hevelius in Phil. Trans. Bd. 6 (1671), S. 3030. Die Monde
sind von links nach rechts: Kallisto, Ganymed, Io und Europa. Io trat um 05:11 und Ganymed um 05:44 in den Jupiterschatten. Ab 05:18 zeigte sich der Schatten von Europa auf Jupiter, Europa trat um 06:24 vor die Planetenscheibe (Wahre Ortszeit Danzig).
ergebnisse anderer Astronomen. Dies ist enttäuschend und steht im Gegensatz zur Bedeutung der neuen Methode der Längenbestimmung - aber vermutlich wurden Beobachtungsdaten damals vorzugsweise in persönlicher Korrespondenz ausgetauscht.
Für die Übersetzung des lateinischen Beobachtungstextes von Hevelius (s. Kasten) möchte ich mich ganz herzlich bei Dr. Klaus Nagel und Prof. Andreas Mehl bedanken!
Literaturhinweise und Bemerkungen: [1] Philosophical Transactions, Band 6,
1671: (www.royalsociety.org), S. 3027 ff, "An Extract of two Letters of M. Hevelius, of June 19. and of Octob. 7. 1671 containing some of his late Celestial Observations ...". Die Beobachtung, die in lateinischer Sprache geschrieben ist, findet sich auch in J. Hevelius, Machinae Coelestis Pars Posterior, Danzig, 1679 [1a] S. 2231 ff, "An Accompt of some Books" Die Verfinsterungstabelle
3 Die Sternwarte von Hevelius lag im Areal Pfefferstadt und Böttcher-Gasse
(Planquadrat B3). Ausschnitt aus einem alten Stadtplan um 1900 aus [8].
Geschichte
91
von Cassini folgt ganz zum Schluss auf Seite 2238. Zur Genauigkeit der Vorausberechnung siehe: L. K. Kristensen u. K. M. Pedersen, Roemer, Jupiter`s Satellites and the Velocity of Light, John Wiley & Sons A/S, 2012 [2] P. Ahnert, 1986: ,,Kleine praktische Astronomie: Hilfstabellen und Beobachtungsobjekte", Leipzig, J. A. Barth [3] Zur Erklärung der Zusammenhänge siehe die einschlägigen Werke der sphärischen Astronomie. Aufgrund der relativ großen Messungenauigkeit mit dem Quadranten sind Aberration und Nutation hier vernachlässigt. [4] A. Hirshfeld, R. W. Sinnott, 1982: Sky Catalogue 2000.0, Volume 1: Stars to Magnitude 8.0, Cambridge, Sky Publishing Corporation [5] Historiae Coelestis Britannicae, Volumen Tertium, London 1725. Digitalisiert von Google (http:// books.google.com). Der Band enthält auch den Sternkatalog von Hevelius (in gekürzter Fassung) [6] J. Hevelii, 1690: ,,Prodromus Astrononmiae cum Catalogo Fixarum & Firmamentum Sobiescianum", Danzig. Enthält einen schönen Sternatlas Quelle: ETH-Bibliothek Zürich (http://astronomie-rara.ethbib.ethz. ch) [7] F. Lühning, 2008: ,,Die Rekonstruktion der Hevelschen Sternwarte. Ein Indizienprozeß." Beiträge zur Astronomiegeschichte, Band 9, S. 57-88 (Acta Historica Astronomiae, Vol. 36), W. R. Dick, H. W. Duerbeck, J. Hamel (Hrsg.), Frankfurt/Main, Harri Deutsch [8] K. Baedeker, 1902: ,,NordostDeutschland nebst Dänemark, Handbuch für Reisende", Leipzig (27. Auflage). Historische Topografische Karten siehe beim Bundesamt für Kartografie und Geodäsie (www.bkg.bund.de) [9] Vom IMCCE wurden für die Jahre 1668-1678 alle Jupitermondereignisse berechnet, außerdem werden Files für die kommenden Jahre veröffentlicht (bisher 1996-2016). Da hier die Verfinsterungszeiten auf Zehntelminuten angegeben werden, eignen sich diese Daten auch sehr gut für Beobachtungsauswertung
Beobachtungsbericht von Hevelius
Johannes Hevelius: Verfinsterung des ersten Jupiter-
mondes durch den Jupiterschatten
Als im Jahre 1671 am 25. September morgens die berühmten Herren Casinus in Paris und Picard in Uranienburg auf Verabredung daran gingen, die Verfinsterung des ersten Jupitermondes zu beobachten, wollte auch ich diese Erscheinung nicht weniger sorgfältig beobachten; aber von 02:00 bis 04:27 verhinderten dies sehr viele Wolken, so dass ich nicht ein einziges Mal Jupiter gesehen habe. Als er aber erschien, fand ich alle vier Jupitermonde sichtbar: Wie man aus der ersten Zeichnung erkennt (Abb. 2), nämlich drei links und einer rechts. Die beiden inneren zur Linken waren nicht weit entfernt vom Jupiterrand zu sehen, genauso jener rechts, der unter den anderen Begleitern am kleinsten erschien. Ich zweifelte aber anfangs, welcher der beiden benachbarten der zu verfinsternde sei: Weil sie sich in einem fast gleichbleibenden Abstand zum Jupiter zurückbewegten und die Bewegung sehr langsam war. So erschien es mir fraglich, ob zu der fortgeschrittenen Morgenstunde der Schatteneintritt in der zunehmenden Dämmerung noch sichtbar wäre. Freilich erschienen bis 05:07 alle vier getrennt (obwohl der Himmel schon blau wurde und die Monde wegen leichter Wolken nur gelegentlich mit Mühe zu erkennen waren). Nachdem ich schon alles Hoffen aufgegeben hatte, sah ich jedoch um 05:12 jenen innersten Mond an der linken Seite verschwinden (gesehen in meinem Tubus, der die Objekte in umgekehrter Reihenfolge zeigt) und jene drei übrig lassend, wobei sich der rechte mehr und mehr dem Jupiter näherte. Von da an, solange ich trotz des bewölkten Himmels Sicht auf Jupiter hatte, bis 05:23, habe ich nie mehr als drei gesehen; in ähnlicher Anordnung, wie sie in Zeichnung 3 zu sehen ist. Jene Monde zur Linken strahlten hell, besonders der nächste, dessen Nachbar sich von ihm getrennt hatte. Der andere rechts aber war wegen der schon weit vorgeschrittenen Dämmerung kaum noch zu sehen. Ob er zu dieser Zeit völlig mit Jupiter verschmolzen war, kann ich kaum zuverlässig bestätigen. Dass jedoch die Verfinsterung selbst nicht langsam erfolgte, sondern sich innerhalb einer einzigen Minute vollzog, konnte ich leicht feststellen. Im Oktober und November, wenn Jupiter weiter von der Sonne entfernt sein wird, denke ich diese Erscheinungen genauer untersuchen zu können. Ob aber diese Ereignisse gleich gut wie Bedeckungen durch den Mond zur Berechnung der Längenunterschiede führen, das bezweifle ich: Besonders wegen der sehr langsamen Bewegung der Jupitermonde und weil sie in diesen Monaten fast immer in der Morgendämmerung beobachtet werden müssen, was genaue Beobachtungen am stärksten behindert, wie gut auch immer das Fernrohr ist (so wie ich ein 20-füßiges Teleskop benutze).
(alle gängigen Jahrbücher geben die Zeiten nur auf Minuten). Zu finden sind die Datenfiles im FTP-Bereich von www.imcce.fr unter pub/ephem/ satel/phenjupiter. [10] F. Lühning, 2001: ,,Saturn mit Ohren. Nachbau und Erprobung eines Fernrohres des Johannes Hevelius",
Sterne und Weltraum 6/2001, 444 [11] J. H. Lieske, 1986: "A collection of
Galilean satellite eclipse observations, 1652-1983: II", Astron. Astrophys. Suppl. Ser. 63, 143. Die Beobachtung von Hevelius wird unter Nr. 73 aufgeführt. Man erhält die dort angegebene Zeit wie folgt:
WOZ nach Hevelius Zeitgleichung für 25.09.1671 (4:00 UT) Längenkorrektur (Lieske setzt 18,67 Grad ) Korrektur auf Mitte des Ereignisses UT
05:12:00 - 8:24 - 1:14:41 - 1:46
3:47:09
(= 0,15774)
VdS-Journal Nr. 52
92
Geschichte
Der Goldbach-Himmels-Atlas von 1799
Ein Meilenstein der populären Himmelskartografie
von Karl Bartsch
Der ,,Neuester Himmels-Atlas" [1], herausgegeben vom Weimarer Verleger Friedrich Justin Bertuch, erschien 1799 unter wissenschaftlicher Leitung des bekannten Naturwissenschaftlers und Astronomen Franz Xaver von Zach, Direktor der Seeberger Sternwarte in Gotha. Die Ausarbeitung der Karten in Kupferstichtechnik wurde dem Leipziger Kartografen Christian Friedrich Goldbach übertragen. Das so entstandene Werk richtete sich nicht in erster Linie an Fachastronomen der damaligen Zeit, sondern an interessierte Laien (sog. ,,Dilettanten") und auch an Schüler. Von Zach und Goldbach gingen dabei von den Datensammlungen und Atlanten von Flamsteed, Lalande, Messier, Bode und Fortin aus, die im 18. Jahrhundert die wissenschaftlichen Standards darstellten. Ein Vorbild war sicherlich auch der auf die gleichen Zielgruppen ausgerichtete und ähnlich strukturierte Atlas von Johann Elert Bode (1782) mit dem Titel ,,Vorstellung der Gestirne auf XXXIV Tafeln" [2]. Der Goldbach-Himmels-Atlas stellt den nördlichen Sternhimmel bis 40 Grad südlicher Breite auf 27 Doppelkarten mit und ohne Text sowie figürliche Darstellungen der Konstellationen dar. Die Art der Präsentation (helle Sterne vor dunklem Hintergrund) hat auch den didaktischen Zweck, einen gerade für den wenig vorgebildeten Laien natürlichen Karteneindruck zu vermitteln. Was die Detailfülle betrifft, geht der Goldbach-Atlas mit über 10.000 eingetragenen Sternen (bis Grenzgröße 8 mag) und 300 markierten Doppelsternen aus dem Herschel-Katalog deutlich über die älteren Atlanten hinaus. Die Karten zeigen also erheblich mehr Sterne als mit freiem Auge sichtbar sind. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass damals für die Kartografie keine fotografischen oder digitalen Hilfsmittel zur Verfügung standen. Die im Atlas verzeichneten, aber unbenannten über 100 Nebel und Nebelsterne waren erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als ,,Spin-off" der intensiven Kometenforschung entdeckt worden und verkörperten ein sehr aktuelles Forschungsfeld der damaligen Astronomie. Sie sollten der Wissenschaft eine ganz neue Richtung
VdS-Journal Nr. 52
weisen. Die dargestellten Nebel basieren mit Abweichungen und Ergänzungen im Wesentlichen auf den schon im BodeAtlas enthaltenen Objekten. Die überwiegende Zahl dieser Objekte sind die im Messier-Katalog von 1781 gelisteten Nebel und Sternhaufen [3]. Bei der Gestaltung des Atlas spürt man das Bemühen der Autoren, den aktuellen Stand der damaligen astronomischen Forschung wiederzugeben und dies in einem Format, welches auch für eine breitere Öffentlichkeit geeignet ist. Die Übersichtlichkeit leidet dabei etwas unter der großen Menge an Einzelinformationen, was die Herausgeber durchaus erfolgreich durch die zweifache Darstellung der Karten mit einer Variante ohne Text und Sternbildfiguren ausgleichen wollten (vgl. Abb. 1). Um den Atlas nicht weiter zu überfrach-
ten, wurde auf die Darstellung der von Herschel in den 1780er-Jahren neu entdeckten und bis 1799 bereits veröffentlichten Nebel verzichtet. Sicherlich eine kluge Entscheidung, zumal die Mehrzahl der Herschel-Objekte für die Ausrüstung der damaligen Amateure nicht erreichbar war.
Etwas genauer habe ich mich mit den in den Karten verzeichneten Nebeln und Sternhaufen beschäftigt. Die mit bloßem Auge in Einzelsterne auflösbaren Sternhaufen der Hyaden und Plejaden sind namentlich in den Karten gekennzeichnet und durch Einzelsterne der Größen 4 mag bis 8 mag kenntlich gemacht. Hier ist die Identifizierung der beobachteten Himmelsobjekte aus den Karten heraus noch möglich. Diese Art der Darstellung
Objekt
M 22 M 29 M 35 M 40 M 52 M 56 M 73 M 75 M 76 M 84 M 85 M 86 M 87 M 88 M 89 M 90 M 91 M 93 M 95 M 98 M 99 M 100 M 102 M 103 M 106 M 107 M 110
Tabelle 1: Fehlende Messier-Objekte im Goldbach-Himmels-Atlas
Objektklasse
Visuelle Sternbild Helligkeit
Kugelsternhaufen
5,5
Offener Sternhaufen 7
Offener Sternhaufen 5
Doppelstern
8,5
Offener Sternhaufen 7
Kugelsternhaufen
8,5
Asterismus
8,5
Kugelsternhaufen
9
Planetarischer Nebel 10
Galaxie
9,5
Galaxie
9,5
Galaxie
9,5
Galaxie
9
Galaxie
10
Galaxie
10
Galaxie
10
Galaxie
10,5
Offener Sternhaufen 6,5
Galaxie
10
Galaxie
10,5
Galaxie
10
Galaxie
9,5
Galaxie
10,5
Offener Sternhaufen 7,5
Galaxie
8,5
Kugelsternhaufen
8,5
Galaxie
8,5
Schütze (Sagittarius) Schwan (Cygnus) Zwillinge (Gemini) Großer Bär (Ursa Major) Cassiopeia Leier (Lyra) Wassermann (Aquarius) Schütze (Sagittarius) Perseus Jungfrau (Virgo) Haar der Berenike (Coma Berenices) Jungfrau (Virgo) Jungfrau (Virgo) Haar der Berenike (Coma Berenices) Jungfrau (Virgo) Jungfrau (Virgo) Haar der Berenike (Coma Berenices) Achterschiff (Puppis) Löwe (Leo) Haar der Berenike (Coma Berenices) Haar der Berenike (Coma Berenices) Haar der Berenike (Coma Berenices) Drache (Draco) Cassiopeia Jagdhunde (Canes Venatici) Schlangenträger (Ophiuchus) Andromeda
1 a+b
Zwei Ausschnitte aus dem ,,Neuester Himmels-Atlas": links die Darstellung mit Sternbildfiguren und Legende, rechts der auf die Sterne reduzierte Himmelsanblick.
stößt jedoch schon bei Praesepe im Krebs an ihre Grenzen. Der Sternhaufen wird auf der Karte durch Einzelsterne von 6 bis 8 mag dargestellt, was korrekt ist, aber nicht der Wahrnehmung mit bloßem Auge entspricht, die keine Auflösung in Einzelsterne erlaubt. Erst die Beobachtung im Teleskop macht die vollständige Auflösung des Haufens möglich. Hier wäre sicherlich die Darstellung des Objekts mit dem Nebelsymbol vorteilhafter gewesen. Noch weniger anschaulich wird diese Wiedergabeform beim Doppelsternhaufen h und im Perseus (NGC 869/ NGC 884). Das Objekt wird auf Karte 3 wahrscheinlich durch einige 6-magEinzelsterne repräsentiert, die allerdings in ihrer Umgebung kaum besonders auffallen. Eine Identifizierung dieser auffälligen Sternhaufen aus den Karten ist so aber kaum möglich. Hier ist im BodeAtlas eine günstigere Darstellungsform durch Verwendung flexibler Nebelsymbole gewählt worden.
Wie schon oben erwähnt, handelt es sich bei den im Goldbach-Atlas verzeichneten Nebeln in den allermeisten Fällen um Objekte aus dem Messier-Katalog. 83 der 110 Messier-Objekte ließen sich eindeutig identifizieren. Die 27 nicht in den Atlas aufgenommenen Messier-Nebel (Tab. 1)
sind ungleichmäßig über den MessierKatalog verteilt (Abb. 2). Man muss dabei berücksichtigen, dass die helleren und näheren Messier-Objekte - mit Ausnahmen - zuerst entdeckt wurden und die M 1 bis M 45 umfassende Liste bereits 1771 veröffentlicht wurde. Der zweite Teil der Liste, M 46 bis M 103, enthält - wiederum mit Ausnahmen - lichtschwächere und weiter entfernte Objekte (vor allem Galaxien aus dem Coma-Virgo-Haufen) und wurde erst zehn Jahre später 1781 publiziert. Die Objekte M 104 bis M 110 wurden erst in den 1780er-Jahren von Mechain entdeckt und nachträglich in den Messier-Katalog aufgenommen. Im Bode-Atlas sind die Messier-Objekte von M 1 bis M 71 vollständig verzeichnet. Von den höheren Nummern sind nur noch fünf weitere Objekte enthalten, darunter die Galaxien M 81 und M 82 sowie der Kugelsternhaufen M 92, Eigenentdeckungen von Bode selbst. Im Goldbach-Atlas fehlen aus unbekannten Gründen die markanten Sternhaufen M 22 im Schützen, M 29 im Schwan, M 35 in den Zwillingen, M 52 in der Cassiopeia und M 56 in der Leier. Im zweiten Teil der Messier-Liste fällt auf, dass sowohl bei Bode als auch bei Goldbach die Galaxien M 84 bis M 91, die das Zentrum des Virgo-Haufens bilden, nicht
verzeichnet sind (Abb. 2, Markierung). Die Karten enthalten lediglich die Positionen der zeitlich früher liegenden Entdeckungen von Messier, Oriani, Koehler und Bode: M 49, M 58, M 59, M 60, M 61 und M 64. Die genannten Galaxien sind markante und etwas separiert liegende Objekte des Galaxienhaufens und waren auch damals schon von mehreren Beobachtern bestätigt worden. Hier folgt von Zach genau den Eintragungen von Bode aus dem 1782er-Atlas. Die Gründe dafür sind ebenfalls unbekannt. Wahrscheinlich waren einfach praktische Erwägungen von Herausgeber und Kartograf zur Erhaltung der Übersichtlichkeit für diese selektive Auswahl der Objekte verantwortlich. Allerdings entgeht den Autoren damit auch die Möglichkeit, die sehr ungleichmäßige Verteilung der Nebel am Himmel, die schon bei den Messier-Objekten auffällig ist, darzustellen. Bei den späten Messier-Objekten ist der Goldbach-Atlas gegenüber Bode jedoch eindeutig im Vorteil. Hier versucht von Zach offenbar den neuesten Stand der damaligen Forschung wiederzugeben und den Fortschritt seit 1782 zu dokumentieren. So enthält der Goldbach-Atlas auch die meisten der von Mechain erst nach 1781 entdeckten Nebel, die erst später in die Messier-Liste nachgetragen wurden, so
Tabelle 2: Im Goldbach-Himmels-Atlas enthaltene Nicht-Messier-Objekte. Die im Rahmen dieser Arbeit identifizierten Objekte sind orange markiert.
Karten-Nr. 11 25 9, 10 2 10, 11 11 20
Objekt NGC 7243 NGC 2244 IC 4665 NGC 7008 Sh2-90 IC 4996 NGC 6652
Objektklasse Offener Sternhaufen Offener Sternhaufen Offener Sternhaufen Planetarischer Nebel Emissionsnebel Offener Sternhaufen Kugelsternhaufen
Visuelle Helligkeit 6,5 5 4,5 10,7
7,5 9,0
Sternbild Eidechse (Lacerta) Einhorn (Monoceros) Schlangenträger (Ophiuchus) Schwan (Cygnus) Fuchs (Vulpecula) Schwan (Cygnus) Schütze (Sagittarius)
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94
Geschichte
2 Wiedergabe der Messier-Objekte im Goldbach-Himmels-Atlas von 1799 (oben) und im
Bode-Atlas von 1782 (unten). Die Objekte sind gegen ihre Entfernung in Lichtjahren aufgetragen. Die gestrichelten Linien markieren die verschiedenen Teile des MessierKatalogs, links M 1 bis M 45 (publiziert 1771), Mitte M 46 bis M 103 (publiziert 1781), rechts M 104 bis M 110 (publiziert nach 1781 und erst später in den Katalog aufgenommen). Die Galaxien im Zentrum des Virgo-Haufens sind eingekreist.
z. B. die Galaxien M 104 (Sombrerogalaxie in der Jungfrau), M 105 (Löwe), eventuell auch M 106 (Jagdhunde), siehe unten, M 108 (Großer Bär) und M 109 (Großer Bär). Ebenfalls verzeichnet sind die bei Bode fehlenden Galaxien M 94 (Jagdhunde), M 96 (Löwe) und M 101 (Großer Bär) sowie der Planetarische Nebel M 97 (Eulennebel, Großer Bär). Sieben Nebelobjekte im Goldbach-Atlas stammen nicht aus der Messier-Liste (Tab. 2). Dies sind die Offenen Sternhaufen NGC 7243 (Eidechse), NGC 2244 im Rosettennebel (Einhorn) und IC 4665 (Schlangenträger). Die übrigen vier Objekte der Gruppe konnten im Rahmen dieser Arbeit identifiziert werden (siehe unten).
Bei insgesamt 15 der im Goldbach-Atlas verzeichneten Nebel und Nebelsterne war die Zuordnung zu einem realen Deep-Sky-Objekt problematisch (Tab. 3). Um eine Identifizierung dieser Objekte zu ermöglichen, habe ich ihre Koordinaten von der Epoche 1790 auf die Epoche 2000 umgerechnet und dann die Positionen mit dem SkyAtlas 2000.0 von W. Tirion [4] abgeglichen. Bei elf der 15 Nebel war keine Zuordnung zu einem passenden Himmelsobjekt möglich. Hier handelt es sich wahrscheinlich um Asterismen, Beobachtungsfehler oder falsche Kartierungen tatsächlicher Objekte,
VdS-Journal Nr. 52
die von Zach und Goldbach aus älteren Karten ohne weitere Überprüfung übernommen haben. In vier Fällen ließen sich jedoch passende Objekt-Kandidaten identifizieren.
So findet man ganz nahe bei der Position Rekt. 21h03m/Dekl. +53,9 Grad im Schwan den Planetarischen Nebel NGC 7008 (Rekt. 21h01m/Dekl. +54,6 Grad ). Der Nebel wurde zuerst von Herschel unter der Katalognummer H 192 beschrieben. Mit einer visuellen Helligkeit von 10,7 mag und einem Durchmesser von 1,8, x 1,6, liegt er im Bereich der schwächeren MessierObjekte und war somit durchaus für kleinere und mittlere Teleskope des 18. Jahrhunderts erreichbar. Dieser Planetarische Nebel wurde also wahrscheinlich schon von früheren Beobachtern vor Herschel entdeckt und in Karten verzeichnet, allerdings noch nicht katalogisiert und näher beschrieben.
Der zweite Fall betrifft den Nebel bei Rekt. 20h19m/Dekl. +37,6 Grad , ebenfalls im Schwan. Das Objekt ist im GoldbachAtlas als Nebelstern gekennzeichnet und liegt fast exakt auf der Position des Offenen Sternhaufens IC 4996 (Rekt. 20h17m/ Dekl. 37,6 Grad ) aus dem Index-Katalog. Hier handelt es sich um einen hellen, aber kompakten Sternhaufen (visuelle Helligkeit: 7,3 mag, Durchmesser: 5,, 15 Ster-
ne), der in kleinen Teleskopen durchaus das Aussehen eines Nebelsterns erzeugen kann. In einem so reichen Sternfeld wie im Schwan gehen die äußeren Haufenmitglieder einfach im Hintergrund der Milchstraße unter, während die nicht auflösbaren Sterne im Zentrum des Haufens einen nebelartigen Eindruck machen.
Beim dritten Nebelstern ist die Situation weniger eindeutig. Nahe der Position Rekt. 19h51m/Dekl. +27,0 Grad im Fuchs befindet sich der Emissionsnebel Sharpless 2-90 (Rekt. 19h49m/Dekl. +26,9 Grad ). Er ist bei einer Größe von 8, x 3, aber ein sehr lichtschwaches Objekt, das erst fotografisch sicher nachgewiesen werden kann. Unter optimalen Bedingungen sollte er aber auch visuell sichtbar sein. Ob die damaligen Beobachter diesen Nebel tatsächlich gesehen haben, muss also offen gelassen werden.
Das vierte Objekt ist als Nebel mit der Position Rekt. 18h29m/Dekl. -33,9 Grad südwestlich des Kugelsternhaufens M 69 im Schützen eingetragen. Das einzige DeepSky-Objekt in der Nähe dieser Position ist der Kugelsternhaufen NGC 6652 (Rekt. 18h36m/Dekl. -33,0 Grad ), allerdings mit einer Abweichung von sieben Minuten in Rektaszension und knapp einem Grad in Deklination. Mit einer visuellen Helligkeit von 9,0 mag und einem Durchmesser von 3,5, ist er zwar kleiner und lichtschwächer als M 69, aber das einzige Objekt, das in diesem Gebiet als Kandidat in Frage kommt. Wahrscheinlich liegt ein Kartierungsfehler vor. Der gleiche Positionsfehler tritt auch im Bode-Atlas auf.
Eine Fehlkartierung könnte auch beim Nebel mit der Position Rekt. 11h46m/Dekl. +47,8 Grad aufgetreten sein. Die Koordinaten sind identisch mit dem Stern Ursae Majoris, was natürlich keinen Sinn macht. Bei gleicher Deklination, allerdings um ca. 30 Minuten in Rektaszension verschoben, liegt die helle und markante Galaxie M 106. Da, wie oben erläutert, im Goldbach-Atlas die meisten der erst nachträglich in den Messier-Katalog eingefügten Objekte von M 104 bis M 110 verzeichnet sind, könnte mit diesem Nebel tatsächlich M 106 gemeint sein.
Insgesamt stellt der historische Goldbach-Himmels-Atlas ein für Ende des 18. Jahrhunderts neuartiges, modernes
Geschichte
95
didaktisches Konzept der astronomischen Wissensvermittlung dar, das den Schwerpunkt nicht auf die Mythologie, sondern die Verbreitung naturwissenschaftlicher Informationen und Erkenntnisse legt. Nicht zuletzt ist die kartografische Erarbeitung der Himmelskarten durch Goldbach bemerkenswert. Die Vielzahl der Informationen auf kleinem Raum setzen ein hohes handwerkliches Können und eine perfekte Beherrschung der Kupfer-
stichtechnik voraus. Für den Benutzer der Karten ist vielfach eine Lupe ein geeignetes Hilfsmittel.
Literaturhinweise: [1] C. F. Goldbach und F. X. von Zach
(1799): Neuester Himmels-Atlas, Faksimile-Ausgabe 2013, Albireo Verlag, Köln [2] Johann Elert Bode (1782): Vorstellung der Gestirne auf XXXIV Tafeln,
Faksimile-Ausgabe Landessternwarte Heidelberg 2003, Astaria Verlag [3] Kenneth Glyn Jones (1991): Messier's Nebulae and Star Clusters, Second Edition, Cambridge University Press, UK [4] Wil Tirion und Roger W. Sinnott (1998): Sky Atlas 2000.0, Second Edition, Sky Publishing Corporation, Cambridge, USA
Tabelle 3: Problematische Nebelobjekte im Goldbach-Himmels-Atlas. Die Koordinaten wurden auf die Epoche 2000 umgerechnet und die Positionen dann mit dem SkyAtlas 2000.0 von W. Tirion abgeglichen. Identifizierte Kandidatenobjekte sind orange markiert.
Karte 2 2 6 8
10, 11
10, 20 10 11
11 18, 19
18 20 21 25 27
Sternbild Drache
Koordinaten (Rekt./Dekl.) Epoche 1790
Koordinaten (Rekt./Dekl.) Epoche 2000
Mögliches Objekt
Objektklasse
Koordinaten (Rekt./Dekl.)
18h40m / +72,5 Grad 18h51m / +72,8 Grad (Draco)
Anmerkung: Möglicherweise ein Asterismus einer engen Dreiergruppe von Sternen
Visuelle Im Bode- Bewertung Helligkeit Atlas
vorh. Objekt existiert nicht
Schwan (Cygnus)
Großer Bär (Ursa Major)
Hercules
20h52m / +53,2 Grad 21h03m / +53,9 Grad NGC 7008
Planetarischer Nebel 21h01m/ +54,6 Grad 10,7
vorh. Objekt-Kandidat identifiziert
Anmerkung: Die Position von NGC 7008 (21:01 / +54,6 Grad ) passt gut zum verzeichneten Nebel. NGC 7008 ist relativ hell, groß und unregelmäßig geformt.
11h36m / +49 Grad
11h46m / +47,8 Grad Chi Ursae Majoris
Stern
3,0
fehlt
Anmerkung: Das Objekt ist als Nebelstern gekennzeichnet und passt genau zur Position von Chi Ursae Majoris. Dort ist kein Nebel vorhanden. Möglich wäre auch eine Fehlkartierung der hellen Galaxie M106. Sie hat die gleiche Deklination, ist aber in der Rektaszension um ca. 30 Min. verschoben.
Objekt existiert nicht
17h46m / +49,0 Grad 17h57m / +49,3 Grad
Anmerkung: Das Objekt ist als Nebelstern gekennzeichnet. Keine Zuordnung zu einem realen Objekt möglich, vermutlich Beobachtungsfehler
fehlt Objekt existiert nicht
Fuchs (Vulpecula)
Adler (Aquila)
19h40m / +26,5 Grad 19h51m / +27,0 Grad Sh2-90 Sh2-88
Emissionsnebel Emissionsnebel
19h49m/ 26,9 Grad
vorh.
Anmerkung: Das Objekt ist als Nebelstern gekennzeichnet. Es muss also eine kleine Flächenausdehnung haben. Das trifft auf beide der in diesem Bereich vorhandenen Emissionsnebel zu. Sh2-90: 19:49 / +26,9 Grad Sie sind jedoch schwierige Objekte für die visuelle Beobachtung.
18h40m / -3,4 Grad 18h51m / -3,1 Grad
fehlt
Anmerkung: Keine Zuordnung zu einem vorhandenen Objekt möglich, vielleicht Asterismus aus 2 Sternen
Objekt-Kandidat identifiziert Objekt existiert nicht
Schild (Scutum)
Schwan (Cygnus)
18h16m / -14,2 Grad 18h27m / -13,9 Grad Gamma Scuti
Stern
4,0
vorh. Objekt existiert nicht
Anmerkung: Das Objekt ist als Nebelstern gekennzeichnet. Es passt zur Position von Gamma Scuti. Ein Asterismus einer danebenliegenden Dreiergruppe von Sternen wäre aber auch möglich
20h08m / +37,0 Grad 20h19m / +37,6 Grad IC 4996
Offener Sternhaufen 20h17m / 37,6 Grad 7,5
vorh.
Objekt-Kandidat identifiziert
Anmerkung: Das Objekt ist als Nebelstern gekennzeichnet. Bester Kandidat ist der kompakte (Durchmesser: 5`),
helle Haufen IC 4996 (20:17 / +37,6 Grad ). Er kann in kleinen und mittleren Optiken durchaus einen nebeligen Eindruck machen. Der bekanntere Messier-Sternhaufen M 29 passt eindeutig nicht zu dieser Position. M 29 ist im Bode-Atlas als separates Objekt verzeichnet, nicht aber bei Goldbach.
Schwan (Cygnus)
Waage (Libra)
Jungfrau (Virgo)
Schütze (Sagittarius)
20h18m / +34,8 Grad 20h29m / +35,4 Grad
fehlt
Anmerkung: Keine Zuordnung zu einem vorhandenen Objekt möglich, vielleicht Asterismus oder Fehlkartierung eines anderen Sternhaufens, bei der hohen Sterndichte in dieser Region durchaus möglich.
14h40m / -9,5 Grad 14h51m / -10,5 Grad
Anmerkung: In der angegebenen Position befindet sich kein passendes Objekt. Der eingetragene Nebel ist offensichtlich nicht vorhanden.
12h30m / +12,6 Grad 12h41m / +11,5 Grad
vorh. fehlt
Anmerkung: Position direkt unter M 59. Dort ist aber keine Galaxie mit vergleichbarer Helligkeit vorhanden. Vermutlich Beobachtungs- oder Kartierungsfehler.
18h18m/ -34,0 Grad 18h29m / -33,9 Grad NGC 6652
Kugelsternhaufen 18h36m / -33,0 Grad 9,0
vorh.
Anmerkung: Der Sternhaufen NGC 6652 mit den Koordinaten 18:36 / -33,0 Grad kommt als einziges Objekt für den verzeichneten Nebel in Frage. Die Position weicht jedoch um 7 Min. in Rektaszension ab. Wahrscheinlich Kartierungsfehler, gleicher Positionsfehler im Bode-Atlas
Objekt existiert nicht Objekt existiert nicht Objekt existiert nicht Objekt-Kandidat identifiziert
Steinbock (Capricornus)
21h30m / -13,5 Grad 21h41m / -12,6 Grad
Anmerkung: In der angegebenen Position befindet sich kein passendes Objekt. Der eingetragene Nebel ist offensichtlich nicht vorhanden.
Wasserschlange (Hydra)
08h04m / -1,0 Grad 08h15m / -1,7 Grad
Anmerkung: Wahrscheinlich ist M 48 gemeint, Fehlkartierung von Messier Die tatsächliche Position von M 48 (NGC 2548) ist 08:14 / -5,8 Grad und ist bei Goldbach und im Bode-Atlas ebenfalls eingetragen.
fehlt Objekt existiert nicht vorh. Objekt existiert nicht
Jungfrau (Virgo)
12m05m / +5,4 Grad 12m16m / +4,3 Grad
Anmerkung: Möglicherweise eine weitere Galaxie aus dem Virgo-Haufen, aufgrund der großen Anzahl von Galaxien Zuordnung schwierig
fehlt Objekt existiert nicht
VdS-Journal Nr. 52
96
Geschichte
Franz Ulrich Theodor Aepinus
- ein exzellenter Beobachter
von Elvira Pfizner
- Teil 3 -
Franz Ulrich Theodor Aepinus (13.12.1724 - 10.8.1802) war eine jener Persönlichkeiten, deren Ruf weit über ihre Heimatstadt hinausgingen. Schon als Privatdozent in Rostock waren seine mathematischen und astronomischen Vorlesungen gefragt. Als Astronom erwarb er sich besonders in Berlin und St. Petersburg bleibende Verdienste.
Franz Ulrich Theodor Aepinus, Sohn des Professors der Theologie Franz Albert Aepinus (1673-1750), studierte ab Herbst 1736 an den Universitäten Rostock, Jena, Erfurt und Halle Theologie und Naturwissenschaften. In jungen Jahren beschäftigte er sich bereits mit Astronomie und konnte später bei Professor Peter Becker (16721753) auch in dessen Privatsternwarte umfassende theoretische und praktische astronomische Kenntnisse erwerben.
Bereits von 1747-1755 lehrte Magister F. U. Th. Aepinus als Privatdozent Mathematik, Physik und Astronomie an der Philosophischen Fakultät in Rostock. In diesen Jahren machte er durch kleinere Arbeiten über Elektrizität, Magnetismus und den Bau physikalischer und astronomischer Instrumente auf sich aufmerksam. Seine astronomischen Berechnungen und Beobachtungen in Rostock, welche er gewissenhaft durchführte, regten Studenten zur Mitarbeit an. So erwarben sie bei der Beobachtung des Merkurvorübergangs vor der Sonne erste Erfahrungen bei der exakten Messung der Kontaktzeiten des Merkurs mit dem scheinbaren Sonnenrand und lernten, welche umfangreichen Vorbereitungen hierzu nötig sind [1] (Abb. 1).
Über die Beobachtung des Merkurvorübergangs vor der Sonne am 6. Mai 1753 berichtet F. U. Th. Aepinus u. a. Folgendes [3]: ,,Mit dem grösten Vergnügen kann ich anitzt meinen Lesern die Nachricht geben, daß ich so glücklich gewesen bin, den Durchgang des Merkurs, am heutigen Morgen, unter ziemlich vortheilhaf-
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1 Rostock im 18. Jahrhundert, UB Rostock, Sondersammlungen
ten Umständen, warzunehmen. Ich kann mich nicht zurück halten, gleich anitzt einige vorläufige Nachrichten von der Einrichtung und dem Erfolg dieser Observation, bekannt zu machen, da mich die müdigkeit abhält sie umständlich zu liefern. Kenner und Freunde der Wissenschaften, werden sie vielleicht nicht ohne allem Vergnügen lesen, diejenigen aber, welche, Den Monden zur Latern, die Erde vierekt machen, haben die Freyheit, dieses Blat zu überschlagen ..."
,,Mir war vor allen Dingen, nach der von mir erwählten Art zu observiren, welche der berühmte Hr. Prof. Meyer in Greifswald, dessen scharfe Kenntniß der Mathematik und Astronomie, meiner Lobsprüche nicht bedarf, ebenfalls gebilliget und mir angerathen hatte, ein Ort nothwendig, von dem ich den Horizont völlig übersehen, aber auch meinen Instrumenten einen unverrücklichen Stand geben konnte. Ich fand hiezu keinen bequemern Ort, als den Thurm an der hiesigen St. Jakobs Kirche, woselbst ich das
2 Vergleich mit Berechnungen durch
F. U. TH. Aepinus, UB Rostock [3]
Geschichte
97
Stativ meines Fernglases, auf eine feste Mauer setzen konnte. Ein Vortheil, der bey meiner gebrauchten Art zu observiren ganz wesentlich ist ..." (Abb. 3)
,,Die Sonne genau betrachten zu können, versah ich mich mit 3 Seh-Röhren, einem von etwa 20, einem andern von 12, und einem dritten von ohngefehr 3 Fuß Länge. In jedes setzte ich für das Augenglas, ein angelaufenes plattes Glas, damit ich die Sonne gerade zu betrachten könnte, welches nicht allein die Natur meiner Art zu observiren erforderte, sondern auch, wie die Erfahrung lehret, weit besser ist, als wenn man ihr Bild auf eine weisse Tafel fallen lässet. Durch alle 3 Ferngläser sahe man die Sonne sehr deutlich, und ihren Rand sehr scharf geschnitten. Das letzte dieser Ferngläser war in dem Brennpunkt, mit 2 sich rechtwinklicht schneidenden Fäden versehen, und lag auf einem nach Möglichkeit befestigten Stativ ..."
,,Schon vor dem Aufgang der Sonnen, bestiegen wir den Thurm von neuen, allein die Morgenseite des Horizonts war beständig mit Wolken bedekt, und diese hinderten uns einige Stunden lang die Sonne zu erblicken, bis sie endlich drey viertel auf sechse über dieselben hervorstieg. Hier sahen wir sogleich den Merkur, in einiger Entfernung von dem Mittelpunkte der Sonne, ganz deutlich, welcher sich durch seine Ründe und schwarze Farbe, von den Sonnenflecken gar merklich unterschied ..."
,,Wir fiengen hierauf an, nach der Methode des Hrn. De Fouchy, unsere Observationen anzustellen, deren wir auch 12 erhielten. Wir würden deren weit mehrere haben machen können, allein die zerstreueten Wolken raubeten uns die Sonne gar zu oft aus dem Gesichte ..."
,,Um 11 Uhr aus, näherte sich Merkur dem westlichen Rande sehr stark. Wir bemüheten uns deswegen unsere grösseren Ferngläser gegen die Sonne zu richten, in der Absicht den Austritt genau zu beobachten, allein durch ein unglückliches Schicksal geschah es, daß eine Wolke die Sonne von neuen etliche Minuten lang verbarg, und sie nicht ehe wieder verließ, biß der Merkur schon völlig im Rande war." ..."Wir mußten deswegen mit dem 12füssigen Fernglase zufrieden seyn, durch welches wir den völligen Austritt
3 Turm der Jakobikirche in Rostock, Sammlung: Autorin
genau um 11 Uhr warnahmen, Ich kann anitzt die Zeit nicht recht richtig angeben, da ich itzt in der Eile die nöthige Correction der Pendul = Uhr, nicht berechnen kann."
Auf Seite 318 meint F. U. Th. Aepinus: ,,Auf den hellen, den Merkur umgebenden Ring, dessen der Hr. De l`Isle gedencket, habe ich sorgfältig acht gegeben, allein ich habe mit keinem der gebrauchten Ferngläser etwas dergleichen entdecken können." [3]
Später veröffentlichte F. U. Th. Aepinus einen weiteren Bericht und fügte eine Tabelle mit den beobachteten Werten im Vergleich zur Vorausberechnung von E. Halley ein (Abb. 2).
Für diese Beobachtung lieh P. Becker dem Astronomen F. U. Th. Aepinus Fernrohre und wohl auch die Pendel-Uhr. Seine Gehilfen waren Herr v. Flotow, Königl. Dänischer Hof-Junker, Candidat Röhl, Herr Wilcken aus Stockholm und Student G. Schadeloock.
Wie sehr dem Wissenschaftler an einer zeitgemäßen astronomischen Forschung in Rostock gelegen war, macht folgende
Äußerung deutlich: ,,Ein wohl eingerichtetes Observatorium mit kostbarem Werkzeug ist in Rostock nicht zur Verfügung."
Mitte des 18. Jahrhunderts konnte die Specula den Ansprüchen nicht mehr genügen. Sie hatte weder ein Dach noch eine Kuppel, sondern eine offene Plattform. Alle Instrumente mussten nach jeder Beobachtung abgebaut und in einem anderen Raum aufbewahrt werden. Dazu kam, dass in der näheren Umgebung die Bautätigkeit intensiviert wurde.
,,Doch vielleicht kommt auch einmal in Mecklenburg ein so glücklicher Zeitpunct, darinn man sich über den Mangel der Aufmunterungen und Hülfsmittel zur Astronomie, einer Wissenschaft, die auf das Glück der Republiken, einen wahren Einfluß hat, nicht ferner beklagen darf." Diesen Wunsch äußerte F. U. Th. Aepinus am Ende seines ersten kurzen Beobachtungsberichtes vom Merkurvorübergang am 6. Mai 1753.
Von besonderer Bedeutung sind die Arbeiten über Elektrizität, Magnetismus und ,,Ueber den Bau der Mondfläche, und den vulcanischen Ursprung ihrer Ungleichheiten" [2, 4].
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98
Jugendarbeit
4 Der Komet von 1744
rem Mitglied und als Privatdozent nach Russland. Kein geringerer als Leonhard Euler (1707-1783) hatte hierbei vermittelt. Im Jahre 1783 wurde ihm die Aufsicht über die Schulen übertragen und er wurde zum Ritter des St.-Annen-Ordens ernannt. Im Jahre 1797 wurde F. U. Th. Aepinus zum Geheimrat des Kaisers Paul ernannt. Bis zu seinem Lebensende blieb er in Russland.
Der Verfasser geht davon aus, dass einzelne Eruptionen, ähnlich wie bei irdischen Vulkanausbrüchen an unterschiedlichen Stellen für die Verteilung der Mondmaria und Gebirgszüge verantwortlich sind. Diese Arbeit ist auch aus heutiger Sicht sehr interessant, zeigt sie doch, dass F. U. Th. Aepinus seine umfassenden Kenntnisse auf im 18. Jahrhundert noch ungelöste Probleme anwendet. Weitere Beobachtungen von F. U. Th. Aepinus von Mondfinsternissen, die er sehr exakt berechnete, und wohl dem Kometen des Jahres 1744 (Abb. 4) fanden ebenfalls in den Veröffentlichungen in den ,,Gelehrten Nachrichten auf das Jahr 1753 ihren Niederschlag. Aus dieser Zeit ist bisher kein weiterer Astronom in Rostock bekannt, so dass vermutet werden kann: Diese
folgenden Zitate stammen aus der Feder von F. U. Th. Aepinus: ,,... Der Comet vom Jahre 1744 kam dem Merkur sehr nahe. Da die himmlischen Körper sich alle in Verhältnis ihrer Massen unter einander anziehen, muß nach denen gegründeten Muthmassungen ... Man hat schon lange gemuthmasset, daß die Cometen eine sehr geringe Masse besitzen. Die angeführte Observ. überzeugt uns, daß dies wenigstens bey dem vom Jahre 1744 unstreitig stat finde." [3, S. 318, 489]
Die Akademie der Wissenschaften in Berlin holte F. U. Th. Aepinus 1755 als Professor für Astronomie und Leiter der dortigen Sternwarte nach Berlin. Zwei Jahre später berief ihn die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg zu ih-
Literaturhinweise: [1] Personalakte Aepinus, Universitäts-
archiv Rostock, Bl. 1-3 [2] R. W. Home, 1979: "Aepinus`s
Essay on the Theory of Electricity and Magnetism.", New Jersey, UA Rostock [3] Gelehrte Nachrichten auf das Jahr 1753, Rostock und Wismar 1753, S. 210-213 und 490-491 [4] J. Hamel, 1981: ,,Der Beitrag v. F. U. Th. Aepinus zur Erforschung des Erdmondes", in: Stücke der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde, S. 1-40
Physik ist spannend, Physik ist überall!
von Elisabeth Arend
So lautete der Slogan des diesjährigen Workshops ,,Physik für Schülerinnen" an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. In den Winterferien 2014 (17. bis 20. Februar) nahmen Schülerinnen der Klassenstufen 10 bis 13 an diesem Workshop teil, der von der Physikalisch-Astronomischen Fakultät organisiert wurde.
Im Mittelpunkt stand die Arbeit in Projektgruppen, in denen physikalischen Phänomenen auf den Grund gegangen wurde. Eine dieser Projektgruppen organisierte Caroline Reinert an der Univer-
VdS-Journal Nr. 52
sitätssternwarte in Jena. Drei Tage lang beschäftigten wir uns intensiv in mit unserer Sonne.
Die Sonne ist ein besonders wichtiges Forschungsobjekt, da sie entscheidend den Lebensalltag des Menschen prägt und ihre Strahlung die Grundvoraussetzung für die Entstehung und Entwicklung von Leben auf unserem Planeten ist. Sie ist eine sehr starke Quelle elektromagnetischer Strahlung mit unterschiedlichen Wellenlängen. Ihre Oberflächenstrahlung entspricht der eines schwarzen Körpers
(d. i. eine idealisierte Wärmestrahlungsquelle, die elektromagnetische Strahlung vollständig absorbiert und die Energie in einem temperaturabhängigen Spektrum aussendet) mit einer Temperatur von 5.600 Grad C. Die von der Sonne ausgesandte Strahlung hat ihre größte Intensität im Bereich des sichtbaren Lichts im Wellenlängenbereich von 400 nm (blau) - 800 nm (rot). Jedoch strahlt sie auch darüber hinaus bis in den Bereich der langwelligen Radiowellen und, auf der kurzwelligen Seite des Spektrums, bis in den energiereichen Röntgenbereich. Mit Hilfe
Jugendarbeit
99
eines selbstgebauten Handspektroskops erforschten wir die Spektren verschiedener Lichtquellen und verglichen sie mit den Spektren verschiedener Elemente und dem Spektrum des Sonnenlichts. Dass das Sonnenspektrum eine Vielzahl von dunklen Linien aufweist, konnten wir deutlich mit einem professionellen Spektroskop der Sternwarte sehen. Diese nach dem deutschen Physiker Joseph von Fraunhofer benannten Absorptionslinien entstehen durch Absorption der Strahlung in der Chromosphäre der Sonne (Gasschicht in der Sonnenatmosphäre; zwischen der Photosphäre und der Sonnenkorona).
Zusätzlich zum Sternwartenpraktikum führten wir ein physikalisches Grundpraktikum durch, besichtigten physikalische Institute (z. B. ein Laserlabor) und erhielten einen Einblick in die Carl Zeiss Meditec AG. Einige Schüler hielten Vorträge aus verschiedenen Teilgebieten der Physik. Im Planetarium gingen wir mit ,,Galileo auf Forschungsreise" und waren live bei der Entdeckung des Weltalls dabei. Zum Thema ,,Ein Blick ins Innere des Menschen - Bildgebende Verfahren in der Medizin" referierte Prof. Dr. Jürgen Reichenbach.
Am letzten Projekttag stellten alle Gruppen in einem Kurzvortrag ihre Arbeit in
den verschiedenen Projektgruppen vor. Dabei ging es neben unserem Spektroskop um Teilchenbeschleuniger, Solarzellen, ein Elektronenmikroskop, eine Sonnenuhr oder um selbstgebastelte Instrumente aus Baumarktartikeln. In unserer Dreiergruppe referierten wir über die Lebensnotwendigkeit der Sonne sowie die Auswirkungen des Sonnenwindes auf den Lebensalltag des Menschen.
Es war eine sehr vielseitige und lohnende Veranstaltung, für die ich sehr dankbar bin. Sie hat viele der Schülerinnen in ihrer Entscheidung, einen beruflichen Weg im Bereich der Physik einzuschlagen, gestärkt.
Alles ist relativ
- Die AG Relativitätstheorie im ASL 2013
von Konstantin Cismak, Johannes Schlosser, Patrik Schiffer und Florian Hart
Auch in diesem Jahr wurde wieder die AG Relativitätstheorie im ASL angeboten.
Damit wir auch alles verstehen, vermittelte unser AG-Leiter Fabian Heimann uns zunächst Grundlagenwissen aus Physik und Mathematik. Ganz zentral waren dabei z. B. die Matrizenrechnung und mathematische Prinzipien aus der klassischen Mechanik.
Zu Beginn beschäftigten uns die Kinematik und die Newtonschen Axiome sowie die Bewegungsarten der gleichförmigen Bewegung und gleichmäßig beschleunigten Bewegung. Jedes ruhende oder sich geradlinig und gleichförmig mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegende System ist ein sogenanntes Intertialsystem.
Zwischen zwei sich relativ zueinander bewegenden Inertialsystemen gilt das ,,klassische Relativitätsprinzip" und damit die Galilei-Transformation (Abb. 1). Dabei stellt man sich zwei Intertialsysteme S und S' vor, die sich beide mit der bestimmten konstanten Geschwindigkeit v bzw. v' bewegen. Ihre Relativgeschwindigkeit sei v0. Legt man nun einen Punkt x im System S' fest, gilt aus Sicht des Systems S:
x = x` + v0 t
(x` ist die Position im System S`) und logischerweise auch
v` = v + v0
Würde v oder v0 der Lichtgeschwindigkeit c entsprechen, bekäme man so heraus, dass Überlichtgeschwindigkeit möglich ist. Würde man wiederum festlegen, dass v` der Lichtgeschwindigkeit entspricht, wäre eben diese von der Richtung von v0 abhängig und entsprechend in verschiedene Richtungen verschieden groß.
Um einen Nachweis darüber zu erbringen, überlegten sich Michelson und Morley ein Experiment, bei dem sie Licht mithilfe eines Halbspiegels in zwei Richtungen aufteilten und später wieder zusammenführten, so dass man Interferenzen der Lichtwellen auf einem Schirm feststellen könnte. Die Versuchsapparatur wurde durch die Bewegung der Erde um die Sonne bewegt und von Michelson und Morley im Kreis bewegt, so dass die Bewegung in verschiedene Richtungen stattfand. Sie beobachteten jedoch keine Interferenzverschiebung, weshalb sie daraus schlossen, dass die Lichtgeschwindigkeit richtungsunabhängig ist.
Deshalb wurde die Galilei-Transformation durch die Lorentz-Transformation ersetzt.
1 Veranschaulichung der
Galilei-Transformation
Das Fundament dieser neuen Transformation bilden die ,,Einsteinschen Postulate", deren Kernaussage ist, dass die Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum immer den Wert c = 299.792.458 m/s hat.
Wegen der hier klar werdenden herausragenden Relevanz der Lichtgeschwindigkeit haben wir ein Experiment zur Bestimmung dieser durchgeführt. Für den Versuchsaufbau benötigten wir als Sender eine Quelle, die Radiowellen aussendet, und als Empfänger zwei Antennen, die an ein Oszilloskop angeschlossen sind. Als Sender diente in unserem Fall ein ASURO-Roboter des DLR (Abb. 2). Anschließend variierten wir den Abstand zwischen den beiden Antennen und be-
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100
Kleine Planeten
stimmten mit Hilfe des Oszilloskops die Zeitintervalle, die die Radiowellen brauchen, um von uns vorgegebene Strecken zurückzulegen. Außerdem berechneten wir noch die Wellenlänge der Radiowellen. Als Wellenlänge der Radiowellen ergab sich ein Wert von ca. 0,70 m und der Mittelwert der von uns errechneten Lichtgeschwindigkeit betrug
c = 2,7 108 m/s,
also 88 % des tatsächlichen Wertes.
Mithilfe der Lorentz-Transformation haben wir im letzten Teil der AG noch die Zeitdilatation hergeleitet, welche besagt, dass ein Zeitintervall einem bewegten Beobachter verlängert erscheint. Zum Schluss haben wir uns noch mit der Relativistischen Dynamik befasst und die berühmte Formel E = m c2 hergeleitet.
2
Der ASURO-Roboter des DLR
Astronomie ... am Schreibtisch!
- Gedanken zum Beruf des Astronomen
von Caroline Reinert
Wer glaubt, dass man als Astronom bei sternenklarem Himmel am Teleskop steht und wunderbare Fotos von faszinierenden Nebeln und Sternen macht, der hat zum Teil sicher recht, erliegt aber gleichzeitig einer allzu romantischen Vorstellung von der Arbeit als Astronom. Vor allem tut man nämlich eines: am Schreibtisch sitzen.
Ob die Teleskopsteuerung, das Bearbeiten der aufgenommenen Bilder, das Fitten von Korrelationskurven, das Lesen von wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Alles findet am Schreibtisch statt. In der Teleskopkuppel befindet man sich einen Bruchteil der Zeit: zum Abnehmen der Objektivdeckel. Sitzt man in der chilenischen Wüste an einem der größten Teleskope der
Welt, dem Very Large Telescope der ESO, macht man nicht einmal mehr das. Manche Astronomen haben sogar noch nie ein Teleskop bedient, haben nie wunderbare Fotos von faszinierenden Nebeln und Sternen gemacht. Ich kenne sogar Astronomen, die außer dem großen Wagen am Himmel nicht viele Sterne zuordnen können. Vielmehr wissen sie Bescheid über Modelle und Parameter, Algorithmen und die neusten Funktionen von C++.
Das alles scheint so unglaublich weit weg von dem, was man früher gemacht hat: Mit dem Teleskop im Garten stehen und fasziniert an den gestirnten Himmel schauen, Sternkarte und Himmelsatlas als stete Begleiter. Und damals hielt man sich für einen ganz tollen Astronomen.
Heute kann man darüber lächeln. Und trotzdem: Das Wissen um die Gesetze, denen Nebel und Sterne folgen; dieses Wissen, das eben auch einen großen Teil der Faszination ausmacht, das stammt nicht aus dunklen Vorstadtgärten, nur bedingt aus Teleskopkuppeln. Vielmehr stammt es von den Schreibtischen vieler Astronomen, die sich vielleicht nicht alle am gestirnten Himmel auskennen, aber deswegen nicht weniger fasziniert von ihm sind. Sie machen mit Rechnungen und Simulationen Dinge sichtbar, die man auch durch das größte Teleskop nie sehen könnte. Sie schauen hinter die Kulissen.
Vielleicht ist also alles nur ein Frage des Blickwinkels.
Neues aus der FG Kleine Planeten
von Gerhard Lehmann
Im Haus der Astronomie im wunderschönen Heidelberg fand die 17. Kleinplanetentagung 2014 statt. Einem außerordentlichen Team an ehrenamtlichen Geistern, ohne die keine Tagung stattfinden könnte, standen die Organisatoren Carolin Liefke und Lothar Kurtze vor. Nach einer am Anreisetag stattfindenden Führung durch die Landessternwarte und das Max-Planck-Institut für Astronomie standen der Samstag und der Sonntag ganz im Zeichen der Vorträge über Klein-
Namensbegründungen
(274860) Emilylakdawalla = 2009 RE26 Discovered 2009 Sept. 13 by M. Busch and R. Kresken at ESA OGS. Emily Lakdawalla (b. 1975) is an American planetary geologist and award-winning science communicator who, by sharing her passion for space exploration, inspires engagement by citizen-scientists everywhere.
(157015) Walterstraube = 2003 QL47 Discovered 2003 Aug. 25 by A. Knofel and G. Lehmann at Drebach. Johann Walter Straube (b. 1937) was a founding father of astronomy in Namibia. For 28 years, he oversaw an astronomical research facility of the MaxPlanck-Institut für Astronomie on the Gamsberg, Namibia.
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Kleine Planeten
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planeten. Insgesamt 65 Sternfreunde waren der Einladung gefolgt und lauschten an diesen beiden Tagen 13 Vorträgen.
Matthias Busch, Mitglied der FG Kleine Planeten, und Rainer Kresken, beide bekannt durch TOTAS (Teide Observatorium Teneriffa Asteroid Survey) [1], entdeckten am 13. September 2009 einen Kleinplaneten am OGS (Optical Ground Station) auf Teneriffa. Für diesen dann später nummerierten Kleinplaneten reichten sie als Namensvorschlag Emilylakdawalla ein. In ihrem Blog [2] berichtete Emily Lakdawalla, eine Planetengeologin und preisgekrönte Wissenschaftsjournalistin [3], begeistert über ,,ihren" Kleinplaneten.
Wenn Sie diese Ausgabe des VdS-Journals in Ihren Händen halten, ist der ,,Mauerfall" bereits 25 Jahre alt. Vorher undenkbar, jetzt nur noch eine finanzielle Frage, begeistert den Autor dieser Zeilen noch immer die Beobachtung des südlichen Sternhimmels. Vielen Sternfreunden wird die Farm Hakos [4] bekannt sein und wer einmal dort war, wird sich immer wieder gern an Johann Walter Straube als dem Besitzer der Farm erinnern. Seit dem Juli dieses Jahres gibt es den Kleinplaneten (157015) Walterstraube am Sternenhimmel.
1 Blick auf die Walter-Hohmann-Sternwarte Essen e.V.
Am Schluss dieser Zeilen möchte die FG Kleine Planeten ganz herzlich zur 18. Kleinplanetentagung am 27./28. Juni 2015 nach Essen in die dortige Sternwarte [5] einladen. Wenn Sie dieses VdSJournal in Ihren Händen halten, wird es eine Tagungswebseite mit weiteren Informationen geben. Schauen Sie dazu bitte auf die Internetseite www.kleinplanetenseite.de.
Weblinks: [1] TOTAS: http://vmo.estec.esa.int/
totas/ [2] Blog: www.planetary.org/blogs
emily-lakdawalla/ [3] Wikipedia: http://en.wikipedia.org/
wiki/Emily_Lakdawalla [4] Farm Hakos: www.hakos-astrofarm.
com/ [5] Sternwarte Essen: www.walter-
hohmann-sternwarte.de/
IMPRESSUM
VdS-Journal für Astronomie · Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde (VdS) e.V. Hier schreiben Mitglieder für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde (VdS) e.V.
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Redaktion: Dr. Werner E. Celnik, Stephan Fichtner, Otto Guthier, Dietmar Bannuscher, Sven Melchert, Peter Riepe.
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Bezug: ,,VdS-Journal für Astronomie" erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitglieds-beitrag von 35,- E (Europa) und 40,- E (außereurop. Länder), bzw. ermäßigt 25,- E pro Jahr enthalten
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Kleine Planeten
Kleinplanetler im Zentrum der Galaxis
von Markus Griesser
Zur 17. Kleinplanetentagung pilgerten rund 70 Sternfreundinnen und Sternfreunde aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz nach Heidelberg. Die beiden Gastgeber Carolin Liefke und Lothar Kurtze hatten mit dem Fachgruppen-Obmann Gerhard Lehmann ein buntes und abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, wobei das von der Klaus-Tschira-Stiftung finanzierte und in Form einer Spiralgalaxie erbaute ,,Haus der Astronomie" gleich neben dem Max-Plack-Institut für Astronomie ein wunderschönes Ambiente für alle Tagungsaktivitäten bot.
Der Auftakt erfolgte schon am frühen Freitagabend mit einer Führung durch die Landessternwarte und einen Teil des Max-Planck-Institutes für Astronomie, wo heute hauptsächlich Peripheriegeräte für große, international betriebene Beobachtungseinrichtungen entwickelt, getestet und gebaut werden. Eine von Carolin kommentierte Planetariumsshow im Herzen des ,,galaktischen Gebäudes" gab dann einen Einblick in die großartigen Möglichkeiten dieses neuen und offenbar von Schulen und weiteren pädagogischen Einrichtungen fleißig genutzten Astronomie-Zentrums, das der alten Universitätsstadt Heidelberg zu großer Ehre gereicht.
Erfolgreiche Fachgruppe Den Auftakt in den sonnabendlichen Vortragsreigen startete dann, nach der herzlichen Begrüßung durch die Gastgeber, Gerhard Lehmann. Doch wer den
VdS-Journal Nr. 52
beim Fachgruppen-Obmann tagungsüblichen Statistik-Zauber mit bunten Säulen und Kringeln erwartete hatte, war fast ein wenig enttäuscht: Gerhard, sich wohl bewusst, dass seine FG im bunten Kuchen der VdS ohnehin Klassenbeste ist, beschränkte sich für einmal auf einige wenige, dafür umso eindrücklichere Fakten: Die rund 70 Teilnehmenden der heutigen Tagung stammen aus 4 Ländern, 42 davon sind Mitglieder der VdS. Von den insgesamt 927 nummerierten Kleinplaneten, entdeckt von Mitgliedern der FG, tragen aktuell 304 einen Namen. Allerdings - so musste Gerhard auch einräumen: Mit den neuen Regeln der IAU und den immer leistungsstärkeren ,,himmlischen Rasenmähern" in Übersee sind heute Amateurentdeckungen schwierig geworden.
Auf den Spuren von Max Wolf Prof. Dietrich Lemke zeichnete in seinem rund einstündigen und vollkommen frei gehaltenen Referat die spannende Heidelberger Astronomie-Geschichte nach. Vielen Teilnehmenden war nicht bekannt, dass auch die Grundlagen der Astrophysik mit Kirchhoff und Bunsen Heidelberger Wurzeln haben. Doch die überragende Gestalt für KleinplanetenFreunde ist natürlich Max Wolf, der um 1890 mit einer kleinen Privatsternwarte am elterlichen Wohnhaus in der Märzgasse die Grundlagen für zahlreiche fotografische Entdeckungen legte. Dank seinen später auf dem Königstuhl 248 selbst entdeckten Kleinplaneten und den von seinem Nachfolger Karl Reinmuth
1 Teilnehmer an der 17. Klein-
planetentagung, zu Gast im Haus der Astronomie in Heidelberg
(,,Karl der Täufer") 395 weiteren gefundenen Asteroiden galt Heidelberg über Jahrzehnte hinweg als sowas wie ein Weltzentrum, als eigentliches Mekka, der Kleinplanetenforschung. Zu den herausragenden Funden Wolfs zählen der 1906 entdeckte erste Trojaner und 1932 der erste Apollo-Asteroid.
Wolf war aber auch ein Meister im Sammeln von Spendengeldern für neue Instrumente. Das heute noch auf der Landessternwarte erhaltene Bruce-Teleskop, das auf Bitten von Max Wolf von der amerikanischen Gönnerin Caterina Bruce-Wolfe mit 10.000 US-Dollar finanziert worden ist, zeugt ebenso von diesem Talent wie der 1906 von einem deutschen Industriellen gestiftete 72-cmWaltz-Reflektor, das erste von Zeiss gefertigte Großteleskop, dem noch viele weitere folgen sollten.
Weniger bekannt sind hingegen die bahnbrechenden Entdeckungen von Max Wolf in der Astrophysik. So erkannte er am Waltz-Reflektor, dass es Nebel gibt, die aus Gas bestehen, während andere ganz offensichtlich sehr viele Sterne in sich vereinen, die um das Zentrum rotieren. Auch mit Entfernungsbestimmungen befasste sich Wolf. Für die AndromedaGalaxie ermittelte er eine - verglichen mit dem heutigen Wert - sehr bescheide-
Kleine Planeten
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ne Distanz von 33.000 Lichtjahren, aber immerhin deutlich mehr als die Entfernung der Gasnebel.
Wolf hat viel getan für die Popularisierung der Astronomie, im direkten Kontakt mit Sternfreunden, aber auch beim Aufbau der astronomischen Abteilung als Vorstandsmitglied des Deutschen Museums in München. Doch mit zunehmendem Lebensalter sah sich Wolf mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert und geriet zeitweilig in depressive Phasen. Er sah sich mit seinen Instrumenten in übersteigertem Maß zunehmend konkurrenziert durch US-Sternwarten, die von großzügigen Mäzenen mit immer größeren und leistungsfähigeren Teleskopen ausgestattet wurden.
Max Wolf starb nach langem Klinikaufenthalt und einigen letzten friedlichen Tagen auf seiner geliebten Bergsternwarte Königstuhl im Oktober 1932 und wurde auf dem Bergfriedhof in Heidelberg beigesetzt. Sein heute noch erhaltener Grabstein trägt in Anlehnung an Beethovens Vertonung eines Textes des Dichters Gottfried Fürchtegott Gellert folgende Inschrift:
,,Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre durch der Gestirne Kraftvoll geordneten Lauf nach des Erhabenen Gesetz. Mir, dem Forschenden öffneten sie ihre Tiefe und schaudernd Spürt ich die göttliche Hand, die sie mit Liebe erschuf."
Neue Vereinssternwarte Nach der Kaffeepause bot Jürgen Linder eine Vorschau auf seine Vorhaben an der Vereinssternwarte Durmersheim. Der Referent schilderte das Entstehen der 2009 gegründeten Sternwarte, die neben zwei Dobsons und einem 114-mm-Newton als Hauptinstrument über einen 35-cmCassegrain von Meade verfügt. Aktuell sind noch zahlreiche Probleme zu lösen, doch soll voraussichtlich ab Herbst 2014 ein Remote-Betrieb für Mitglieder und Schulen möglich sein. Aber, wie Jürgen andeutete, sind bis dahin noch zahlreiche Steine aus dem Weg zu räumen.
Erfolgreiches Upgrade Rolf Apitzsch aus Wildberg im Schwarzwald ist einer der erfahrensten Beobachter in der Fachgruppe und auch bekannt
für seine technisch fundierten Referate. So hat er, mangels Finanzen als Privatmann für ein größeres Instrument, mit Hilfe eines neuen Korrektors die Brennweite seines 35-cm-Newton in seiner Gartensternwarte von f/4,5 auf f/3,1 verkürzt und mit einer mechanischen Anpassung und einem größeren Kamerachip die Reichweite dieses Equipments verbessert. Mit einer erfolgreichen Recovery seines am 30. Januar 2009 entdeckten Asteroiden 2009 BQ73 gelang dann auch die Feuertaufe: An der vom MPC berechneten Stelle fand Rolf am 6. März 2014 zwar nichts. Hingegen stand dann der gesuchte Lichtpunkt nahe bei der mit FindOrb berechneten Stelle im deutlich größeren Gesichtsfeld seines Upgrades.
Doch restlos begeistert ist der Referent, wie er eingestand, von seinem Ausbau doch nicht: Das größere Gesichtsfeld von 47 x 47 Bogenminuten2 hat zur Folge, dass der Speicherplatz pro Frame von 2 auf 8 MB gestiegen ist. Größere Stacks dauern so deutlich länger. Dazu muss er seine Frames neu mit Flats kalibrieren, weshalb Rolf Apitzsch nach seinen Aussagen ,,nur halb zufrieden ist" mit seinem Upgrade. Aber eben: Was für selbstkritische Cracks manchmal nur das halbvolle Glas bedeutet, ist für Außenstehende oft ein randvolles. So wohl auch in diesem Fall ...
Zwei Sternbedeckungen in zwei Stunden Gerhard Dangl aus dem streulichtfreien Österreichischen Waldviertel (Station Nonndorf - C47) berichtete von zwei Sternbedeckungen, die er mit seiner Ausrüstung und einer Watec-Kamera sowie mit seiner neuen Montierung EQ-8 von Skywatcher am 8. März 2014 mit den Asteroiden (51) Nemausa und (1258) Sicilia ausgeführt hat. Beide Beobachtungen dieser Nacht waren speziell: Die erste, weil der bedeckte Stern nur gerade 12,8 mag ,,hell" war, und die zweite, weil ,,Sicilia" nur gerade mit 16,3 mag leuchtete. Doch offenbar ist bei einer sorgfältigen Arbeitsweise selbst bei so geringen Helligkeiten der Helligkeitsabfall noch klar messbar.
Gaia wird uns wehtun Mit Stefan Jordan von Astronomischen Recheninstitut Heidelberg ARI berichtete ein erfahrender Fachmann, der schon am Hipparcos-Projekt mitgewirkt hat,
über die zu erwartenden Ergebnisse des Gaia-Astrometrie-Satelliten. Das bereits 1993 lancierte Projekt erlebte am 19. Dezember 2013 den Start des Satelliten, der dann bereits im Januar 2014 seine Position im Lagrange-Punkt L2 bezogen hat. Inzwischen sollte die Datengewinnung beginnen, doch der Referent berichtete auch von noch ungelösten Problemen.
Doch die Erwartungen, gerade auch in der Kleinplanetenforschung, sind gewaltig: Es werden etwa 350.000 neu entdeckte Asteroiden erwartet. NEOs können mit diesem tollen Gerät noch bis in eine Sonnendistanz von 45 Grad verfolgt werden. Und bei den bereits bekannten Asteroiden werden massive Verbesserungen der Bahnparameter erwartet. Dazu sollen bessere Durchmesserbestimmungen, das Erkennen von Doppelasteroiden und auch - mit spektroskopischen Daten - neue Erkenntnisse über die physische Natur von Kleinplaneten möglich werden.
Es wird also zweifellos für Amateure noch schwieriger, neue Asteroiden zu entdecken. Doch Stefan Jordan wies andererseits auf massiv verbesserte Voraussagen bei der Berechnung von Pfaden bei Bedeckungen von Kleinplaneten hin. Die werden aufgrund sehr viel besserer Astrometriedaten auch bei Sternen künftig sehr viel enger und genauer sein.
Es geistert im Teleskop Der aus Holland stammende Optik-Fachmann Harry Rutten berichtete mit seinem Referat über Geisterbilder von einem lästigen Randphänomen bei heutigen Beobachtungen. Die Ursachen solcher Reflexe und Beugungserscheinungen können sehr verschieden sein: Sie können in der Hauptoptik, in Korrektoren, in den heute üblichen Mehrschichtvergütung oder auch im CCD-Chip liegen. Dass solche lästigen Fehlabbildungen in letzter Zeit stark zugenommen haben, hängt mit der Entwicklung zusammen: Zunehmend kommen größere Teleskope mit komplizierten Optiken und empfindlichere Sensoren zum Einsatz. Harry empfiehlt deshalb, bei Neuanschaffungen von Geräten unbedingt vorher Referenzen bei Nutzern einzuholen.
Anstelle von Detlev Koschny stellte Philipp Maier aktuelle Aktivitäten der ESA im Bereich von erdnahen Objekten vor.
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Aus Modellen werden dabei neue Beobachtungsstrategien abgeleitet. Mit der von der TU Braunschweig und dem DLR neu entwickelten Software NEOPOP, die ab Ende 2014 verfügbar sein soll, können u. a. auch Beobachtungsstrategien für einzelnen Stationen abgeleitet werden. Dabei zeigt es sich, dass Beobachtungsnetzwerke um einiges effektiver sind, als ein einzelner Survey.
Im Wettbewerb ,,Schüler experimentieren 2014" eines Hildesheimer-Gymnasiums gewannen die beiden Jugendlichen Anna Oelve und Anton Mittag mit ihrer Arbeit ,,Die Struktur des Asteroidengürtels - durch eigene Messungen bestimmt" einen ersten Preis. Mit elementarer Himmelsmechanik und mit Experimenten mit den Bahnparametern i, e und U entwickelten die beiden ein wirklichkeitsnahes Modell des Asteroidengürtels, das zumindest für die Oppositionsdaten von Kleinplaneten recht gut funktioniert.
Bahnbestimmungen mit Schattenspielen Für den Lehrer Gerrit Fischer berichtet Carolin Liefke über eine eben eingereichte, sehr reizvolle Examensarbeit des Autors zur Bahnbestimmung jenes Meteoriten, der am frühen Morgen des 15. Februar 2013 über der russischen Stadt Chelyabinsk niedergegangen war. Es gibt ja bekanntlich unzählige Dashcam-Aufnahmen dieses Ereignisses, die allerdings mangels genauer Standortkoordinaten nur sehr schwer auszuwerten sind. Besser eignen sich dafür Aufzeichnungen von stationären Überwachungskameras mit definierten Blickrichtungen und Zeiteinblendungen. So verwendete der Autor die über Youtube abrufbaren Bilder einer Kamera am Platz der Revolution mitten in der Stadt, wobei er für die Auswertungen der Flugbahn die Schattenwürfe von Straßenlaternen, deren Höhe er im Vergleich zu Bussen bestimmt hatte, einsetzte. Mit Google Streetview kam er dann in seinen Bahnbestimmungen den inzwischen in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften, u. a. in Nature, publizierten Ergebnissen erstaunlich nahe.
Auf dem Weg zum Kometen ,,Churyumow-Gerasimenko" Der Sonntagmorgen sah mit Rainer Kreskens Referat über die Kometensonde Rosetta einen der Tagungshöhepunkte. Mit
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einer gelungenen Simulation mit dem von Matthias Busch entwickelten Programm EasySky zeigte er anschaulich den überaus komplexen Bahnverlauf von Rosetta mit mehreren Swing-by-Manövern und den Passagen an den Asteroiden ,,Steins" und ,,Lutetia" bis hin zum Kometen mit dem unaussprechlichen Namen. Das ESA-Team war dann äußerst erleichtert, als die Sonde nach ihrem am 8. Juni 2011 begonnenen Tiefschlaf am 20. Januar 2014 erfolgreich wiedererweckt werden konnte. Im Juli 2014 sollte der Einschuss in die Umlaufbahn um den Kometen erfolgen. Und sinnigerweise für den 11.11.2014 war dann die Landung auf der Oberfläche vorgesehen. - Helau!
TOTAS - rundum eine Erfolgsgeschichte Matthias Busch hatte wiederum einige gute Neuigkeiten aus dem Beobachtungsprogramm mit dem 1-Meter-ESATelskop auf Teneriffa zu übermitteln. Jeden Monat stehen dem Team im Rahmen des NEO-Beobachtungsprogrammes vier Nächte zu Verfügung. Die Bilanz ist eindrücklich: So resultierten aus TOTAS bis heute 190.000 Positionsmessungen an 46.692 Asteroiden. Es wurden für die Station J04 bis dato 1.690 Designations vergeben. Es gab 7 NEO-Entdeckungen, neu auch die Entdeckung des ersten Kometen. Dazu 37 Nummerierungen und 6 Namen. TOTAS hat aber auch aufgerüstet und beobachtet neu mit einer 4k x 4k-CCD mit gesteigerter Empfindlichkeit. Die Erfolgsgeschichte dieses bei der Auswertung weitgehend von Amateuren aus der Fachgruppe getragenen Projektes dürfte also anhalten.
Verschollene Erdkreuzer wiederfinden Erwin Schwab betreut außerhalb des dafür nicht geeigneten TOTAS-Programms mit dem 1-Meter-ESA-Teleskop auf Teneriffa eine gezielte Suche nach verlorenen gefährlichen Erdbahnkreuzern, speziell nach Virtual Impactors und Potentially Hazardous Asteroids. Sein wichtigstes Hilfsmittel dazu ist der aus der Streuellipse mit der eingebetteten ,,Line of Variation" (LOV) abgeleitete, mutmaßliche Aufenthaltsort des vermissten Körpers, also angewandte Mathematik. Am praktischen Beispiel des PHA 2008 SE85 zeigte Erwin seine ausgefeilte Beobachtungsstrategie, die ihn in
diesem Fall nach einem Gesamtaufwand von 5 1/2 Stunden und mit insgesamt 18 Suchfeldern, verteilt über zwei Nächte, erfolgreich sein ließ. Das entsprechende Circular mit der Recovery wurde vom Minor Planet Center am 16. September 2012 publiziert.
Tautenburg ist wieder mit dabei Mit Freimut Börngen, der sich heute allerdings altershalber nicht mehr an den KP-Tagungen beteiligen mag, ging 1995 einer der erfolgreichsten Kleinplanetenentdecker in Pension. Das von ihm noch konventionell fotografisch genutzte 2-Meter-Teleskop der Thüringischen Landessternwarte in Tautenburg bei Jena wird heute in einem begrenzten Einsatz für die Verfolgung von erdnahen Kleinplaneten verwendet. Bringfried Stecklum berichtete in seinem Referat über das von ihm dafür angewandte Verfahren, das sich doch stark unterscheidet von den durch Amateure eingesetzten Mitteln und Programmen, hauptsächlich mit Astrometrica und Pin-Point. Der Referent arbeitet auch mit Filtern. Doch offenbar musste er anfänglich ziemlich Lehrgeld bezahlen mit nicht so berauschenden Positionsgenauigkeiten. Der Referent berichtete daher von bereits eingeleiteten Verbesserungen, auch für rasch bewegte Objekte.
Dem Rezensenten sei die Frage erlaubt, inwieweit solche Messungen an erdnahen Objekten, die ohnehin im Fokus der Surveys und der inzwischen auch gut gerüsteten, weltweiten Amateur-Community stehen und fast täglich beobachtet werden, Sinn machen für ein professionelles 2-Meter-Teleskop mit nachtaktivem Hilfspersonal.
Das nächste Mal ... Die nächste Kleinplanetentagung wird im 27./28. Juni 2015 wieder mal in Essen stattfinden. Dieser Tagungsort dürfte besonders die holländischen Sternfreunde freuen, die dadurch wieder mal eine deutlich kürzere Anfahrt haben.
... und ein Hinweis: Die meisten Referate der Kleinplanetentagung 2014 sind über diesen Link einsehbar: www.haus-der-astronomie.de/ 2728267/Tagungsprogramm
Kleine Planeten
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Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche
herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war. Gleich drei Kleinplaneten konnte Rochus Hess [1] auf seiner fantastischen Aufnahme der Plejaden finden (Abb. 1). Da für das Bild die Einzelaufnahmen aus den Nächten des 23. und 27. Dezember 2013 verwendet wurden, findet man zwei der drei Asteroiden zweimal als Stichspur im Endresultat vertreten.
Die Markierungen 1 und 2 im Bild zeigen den Kleinplaneten (2043) Ortutay, der ein waschechter Ungar ist. Entdeckt wurde er 1936 vom ungarischen Astronomen György Kulin am Konkoly-Observatorium in Budapest. Benannt wurde er nach dem ungarischen Astronomen und Ethnologie-Professor Gyula Ortutay. Der Kleinplanet ist ein Hauptgürtelasteroid von ca. 45 km Größe. Für einen Umlauf um die
1 Die Kleinplaneten (2043) Ortutay, (23282) 2000 YZ116 und (3437) Kapitsa bei dem Offenen Sternhaufen M 45. Aufgenommen mit einer
Moravian-CCD-Kamera G2 8300FW und einem 8-zölligen Newton f/4. (Bildautor: Rochus Hess)
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106 Kometen
Tabelle 1: Ausgewählte Begegnungen zwischen Kleinplaneten und Deep-Sky-Objekten im kommenden Quartal.
Datum 24.01.2015 27.01.2015 18.02.2015 21.02.2015 16.03.2015 20.03.2015
Uhrzeit 22:00 21:00 22:00 24:00 24:00 24:00
Kleinplanet
mag
(541) Deborah
14,7
(3819) Robinson
16,2
(249) Ilse
15,1
(384) Burigala
12,8
(138) Tolosa
12,7
(731) Sorga
14,6
Objekt M 1 NGC 1514 NGC 2371 NGC 3226/7 M 105 NGC 3686
Art
mag
Abstand
SNR
8,4
3´
PN
10,9
2´
PN
11,2
5´
Gx
11,4/10,4
4´
Gx
9,5
5´
Gx
11,2
2´
Abkürzungen: SNR = Supernovaüberrest, PN = Planetarischer Nebel, Gx = Galaxie
Sonne benötigt er ca. fünfeinhalb Jahre. Zum Zeitpunkt der Aufnahme betrug seine Helligkeit ca. 15,2 mag.
Im unteren Teil des Bildfeldes (3 und 4) befinden sich die beiden Strichspuren des Kleinplaneten (23282) 2000 YZ116, der damals ca. 16,7 mag hell war. Der nur 10 km große Brocken ging im Jahr 2000 dem automatischen Suchprogramm Catalina Sky Survey ins Netz.
Der dritte Kleinplanet am rechten Bildfeldrand (5) ist (3437) Kapitsa, der sich nur am 23. Dezember 2013 im Aufnahmebereich aufhielt. Der ca. 18 km große Marsbahnkreuzer wurde 1982 von der ukrainischen Astronomin Ljudmila Georgijewna Karatschkina am KrimObservatorium in Nautschnyj entdeckt. Benannt wurde er nach dem russischen Physiknobelpreisträger Pjotr Leonidowitsch Kapiza (1894-1984), der sich mit Tieftemperaturphysik beschäftigte und 1978 den Nobelpreis für Physik erhielt.
Diese drei Kleinplaneten sind also nicht einmal einhundert Jahre bekannt. Der Offene Sternhaufen der Plejaden hin-
gegen regte schon seit vorgeschichtlicher Zeit die Fantasie der Menschen an. Das auffällige Sternmuster fand in vielen Kulturen Einzug in die Mythologie. Wissenschaftlich betrachtet ist M 45 ein Offener Sternhaufen in einer Entfernung von ca. 380 Lichtjahren. Das Licht, das uns heute erreicht, machte sich auf den Weg als in Europa der 30-jährige Krieg tobte. Aus der Sicht der Menschheit gesehen, eine andere Epoche. Kosmologisch gesehen, nur ein Wimpernschlag.
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die obige Tabelle 1 enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und DeepSky-Objekten, die von uns erstellt wurde. Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann [2]. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man
die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie die Helligkeit des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdSJournals mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an diriesw@aon.at. Bitte vergessen Sie nicht das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine unkomprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Weblinks: [1] Homepage Rochus Hess: http://
astrofotografie-hess.heimat.eu/ [2] Tabelle Klaus Hohmann: http://
astrofotografie.hohmann-edv.de/ aufnahmen/kosmische.begegnungen. php
Fotografie schwacher Kometen nahe der Grenzhelligkeit
von Michael Hauss
Sehr helle Kometen gehören zu den beeindruckendsten Himmelserscheinungen, die es gibt, doch leider sind sie sehr selten! Beschäftigt man sich etwas intensiver mit Kometen, dann erkennt man bald, dass es eigentlich jederzeit mehrere Kometen am Himmel zu beobachten gibt, allerdings handelt es sich meist um
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schwache bis sehr schwache Exemplare. Anstatt also einen sehr hellen Kometen in all seiner Pracht zu fotografieren, steht bei den sehr schwachen Kometen im Vordergrund, diese überhaupt eindeutig nachweisen zu können. Und das kann eine Menge Freude bereiten und im Laufe der Zeit zu einer echten ,,Sammelleiden-
schaft" führen. Die geringe Helligkeit von sehr schwachen Kometen ist dabei aber nicht das einzige Problem, denn weil sich die Kometen meist recht schnell bewegen, verziehen sich diese bei einer (automatischen) siderischen Nachführung auf lang belichteten Fotos zu kleinen Strichen. Früher begegnete man diesem
Kometen 107
1 Einzelaufnahme des Kometen C/2011 J2 (LINEAR)
2 Überlagerung von 55 Einzelaufnahmen des Kometen C/2011 J2
(LINEAR) mit einer Zentrierung auf die Fixsterne
3 Position des Kometen in Cartes du Ciel zu Beginn der
Aufnahmeserie im Referenzbild
4 Überlagerung von 55 Einzelaufnahmen des Kometen C/2011 J2
(LINEAR) mit einer Zentrierung auf den Kometen
Problem, indem man die Nachführung des Teleskops mühsam der Kometenbewegung anglich. Im Zeitalter der digitalen Fotografie geht man üblicherweise den Weg des Stackings vieler Einzelaufnahmen, die für sich genommen so kurz belichtet sind, dass der Komet annähernd punktförmig erscheint.
Liegt der eigene Beobachtungsplatz - wie etwa eine Gartensternwarte - in einer mehr oder weniger lichtverschmutzten Gegend, dann deckt sich diese Anforderung an die Kometenfotografie wenigstens auch mit den Restriktionen der gegebenen Möglichkeiten.
Das klassische Stacken der einzelnen Aufnahmen an sich führt natürlich noch nicht zum Erfolg, denn stackt man die einzelnen Fotos zentriert auf die Fixsterne, dann erhält man logischerweise wieder eine Strichspur des Kometen. Gefragt
ist hier dagegen das präzise Stacking auf den schwachen Kometen. Glücklicherweise bieten moderne Softwarepakete die Möglichkeit, das Stacking kometenzentriert vorzunehmen. Der DeepSkyStacker beispielsweise verfügt über eine einfache Möglichkeit, eine kometenzentrierte Überlagerung der Einzelfotos zu erhalten. Dazu muss - bei exakt gleichen Zeitabständen der Einzelaufnahmen der Komet (nur) auf dem ersten und auf dem letzten Foto markiert werden. Doch genau da liegt das nächste Problem bei einem sehr schwachen Kometen, denn häufig kann er wegen seiner geringen Helligkeit auf einer Einzelaufnahme nicht exakt identifiziert werden! Hier gibt es aber eine recht einfache Möglichkeit, auch dieses Problem zu überwinden, indem man die Kometenpositionen auf den Anfangs- und Endbildern mit Hilfe eines Planetariumprogramms ermittelt. Sehr gut funktioniert das mit dem frei
verfügbaren Programm Cartes du Ciel, bei welchem man für das Anfangsfoto die exakte Zeit eingibt und sich die Position des Kometen anzeigen lässt. Zudem lässt man sich in dem Programm ein Referenzbild (im Menü die Funktion ,,DSS-Bild abrufen ...") einblenden, was die weitere Arbeit wesentlich erleichtert. Einen geeigneten Ausschnitt dieses Referenzbildes zusammen mit der angezeigten Kometenposition kann man sich dann als Datei speichern und mit dem Anfangsfoto der Belichtungsserie überlagern. Dazu wiederum eignet sich das frei verfügbare Programm Fitswork sehr gut, bei dem es ausreicht, jeweils zwei Fixsterne im eigenen Foto bzw. im Referenzbild zu markieren und diese dann automatisch zu addieren. Dann hat man die zuvor ermittelte Kometenposition in seinem ersten Foto exakt eingezeichnet, tauscht das Foto im DeepSkyStacker (ohne Neuberechnung!!) aus, markiert
VdS-Journal Nr. 52
108 Kometen
den Kometen gemäß der exakten Position und speichert diese Einstellung. Danach tauscht man das Foto wieder mit dem ersten Originalfoto aus. Gleiches macht man mit dem letzten Foto der Belichtungsserie und man erhält die exakten Kometenpositionen, mit der dann das kometenzentrierte Stacking im Deep SkyStacker durchgeführt werden kann. Das Ergebnis ist ein optimal auf den Kometen zentriertes Foto des schwachen Kometen, während die Hintergrundsterne zu kleinen Strichen verzogen sind.
Als Beispiel soll der Komet C/2011 J2 (LINEAR) dienen. Der Beobachtungsnacht vorangegangen war eine kurze Recherche im Internet [1-2], bei der die Hoffnung aufkam, diesen Kometen trotz seiner geringen zu erwartenden Hellig-
keit von knapp über 15 mag fotografisch ablichten zu können.
Die zahlreichen Einzelfotos des Kometen, die mit einer Canon EOS 5D Mark II in Verbindung mit einem 8-Zoll-SchmidtCassegrain-Teleskop mit Reduktor (d. h. f/6,3) bei ISO 3200 und einer Belichtungszeit von je 40 Sekunden aufgenommen wurden, weisen für sich genommen jeweils eine mit der Software IRIS bestimmte stellare Grenzhelligkeit von rd. 14,8 mag auf (Abb. 1). Der Komet C/2011 J2 (LINEAR) ist auf den Einzelaufnahmen kaum sicher zu identifizieren! Beim (sternzentrierten) Stacking aller 55 Einzelaufnahmen mit dem DeepSkyStacker kann man den Kometen bereits als kleinen Strich erkennen, wobei die stellare Grenzhelligkeit des fertig
gestackten Bildes gemäß IRIS bei rd. 16,8 mag liegt (Abb. 2)! Mit Hilfe der exakten Kometenpositionen gemäß Cartes du Ciel zum Anfang (Abb. 3) und zum Ende der Belichtungsreihe gelingt dann ein kometenzentriertes Stacking, bei dem der Komet nun deutlich erkennbar ist, während die Sterne zu Strichen verzogen sind (Abb. 4).
Die gleiche Technik funktioniert natürlich auch bei sehr diffusen oder sehr hellen Kometen, bei denen es nicht immer ganz leicht ist, den exakten Helligkeitsschwerpunkt auf den Fotos zu erkennen.
Weblinks: [1] http://kometen.fg-vds.de [2] www.astrosurf.com/cometas-obs
Die Wiederentdeckung P/2001 BB50
von Andre Wulff
Am 21.5.2014 bekam ich eine Mail von Jost Jahn mit der Information, dass wir beide mit dem ROTAT-Teleskop in der Haute Provence einen Kometen wiederentdeckt haben. Es handelt sich um den Kometen P/2001 BB50, der zuletzt vor 13 Jahren beobachtet wurde.
des
Kometen
Ich konnte mich daran genau erinnern, denn ich hatte eine Belichtungsreihe erstellt, in der ich genau nach diesem Kometen gesucht hatte. Auf der Homepage des japanischen Kometenbeobachters Seiichi Yoshida findet man eine aktuelle Liste der bisher noch nicht wiederentdeckten Kometen. Dort befand sich am 1.3. dieses Jahres auch dieser Komet und er war nahe Castor und Pollux beobachtungsgünstig platziert. Das war mir einen Versuch wert und so fertigte ich meine Belichtungsreihe über rund 2 Stunden an. Auf den Aufnahmen fand ich an der vorhergesagten Position keine Spur vom Kometen und Jost Jahn ließ die Bilder dann noch einmal durch das Programm Astrometrica analysieren. Astrometrica fand auf den Aufnahmen diverse bekannte Objekte, aber auch drei bisher nicht bekannte Objekte konnten aufgefunden und ans Minor Planet Center gemeldet werden. Leider konnten wir wegen
VdS-Journal Nr. 52
1 Die vorhergesagte und die tatsächliche Position des Kometen, gekennzeichnet
mit ,,2". Der Rahmen zeigt das Gesichtsfeld der verwendeten Kamera.
eines Kuppeldefekts nicht in den folgenden Nächten die Objekte weiter verfolgen und somit gingen sie als sogenannte ,,one nighter" ins Archiv des MPC. Auch der gesuchte Komet war darunter, aber das sollten wir erst später erfahren.
Über zwei Monate später entdeckte das Teleskop Pan-STARRS (wer auch sonst ...) ein Objekt und das MPC konnte es mit unseren Beobachtungen in Verbindung bringen. In den Veröffentlichungen des MPC wurde das dann auch entsprechend bekannt gegeben [1]. Damit hat das RO-
TAT-Teleskop seine erste Kometenentdeckung geschafft, zwar ,,nur" eine Wiederentdeckung, aber immerhin. Für das von der ,,Stiftung Interaktive Astronomie und Astrophysik" [2] betriebene Teleskop ist dies natürlich eine Bestätigung der bisher geleisteten Arbeit und für Jost und mich sicherlich auch ein schöner Erfolg. Was uns besonders freut: Mit den 60 cm des ROTAT haben wir die 180 cm von PanSTARRS schlagen können.
Der Komet befand sich nicht auf der vorhergesagten Position, sondern rund
Sonne 109
ein Grad davon entfernt (Abb. 1). Die ,,Helligkeit" des Kometen lag bei 20 mag. Visuell konnte man ihn auf den Aufnahmen mehr ahnen als sehen, aber Astrometrica findet solche schwachen Objekte trotzdem auf den Fotos.
Jost und ich sind natürlich für die Möglichkeit der Teleskopnutzung sehr dankbar und hoffen für die Zukunft auf weitere Entdeckungen. Dazu gehört natürlich schon eine Menge Glück, aber Kleinplaneten werden wir in Zukunft mit Sicherheit mit dem Teleskop entdecken können. Eine ,,richtige" Kometenentdeckung wäre natürlich noch schöner, aber da sollten wir doch besser mal auf dem Boden der Tatsachen bleiben.
Weblinks: [1] MPEC 2014-K21:
www.minorplanetcenter.net/mpec/ K14/K14K21.html [2] Stiftung Interaktive Astronomie und Astrophysik: www.stiftungastronomie.de
2 Dieses Bild ist ein Stack fast aller Aufnahmen der Serie und ist in Summe rund 2
Stunden belichtet. Das Stacken geschah analog zur scheinbaren Bewegung des Kometen. Verwendet wurde das ROTAT-Teleskop der Stiftung ,,Interaktive Astronomie und Astrophysik" der Universität Tübingen mit 60 cm Durchmesser und rund 180 cm Brennweite. Die Kamera ist eine SBIG-STL11000 im Binning-1-Modus.
Die Sonnetagung 2014 in der Sternwarte Kirchheim - ein Bericht
von Michael Delfs
Am Wochenende der Sommersonnenwende (21. und 22.6.2014) trafen sich 13 Amateursonnenbeobachter in der Volkssternwarte Kirchheim, nahe der thüringischen Stadt Arnstadt. Die Volkssternwarte Kirchheim ist seit 1992 auch VdS-Feriensternwarte und zeichnet sich durch engagierte Mitglieder und einen umfangreichen Instrumentenpark auch bei den Zusatzgeräten zur Sonnenbeobachtung aus. Gerade die Möglichkeiten zur Beobachtung der Sonne und ein technisch gut ausgestatteter Vortragsraum waren es, die uns nach Kirchheim führten. Um es allerdings vorweg zu sagen: Leider war es fast durchgehend bewölkt und nachts ließen 9 Grad Celsius keine Sommeratmosphäre aufkommen. Immerhin wurden wir von Regen verschont.
Die Tagung sollte sich von Anfang an als Workshop gestalten, wobei die meiste Zeit eigentlich an den Teleskopen zugebracht werden sollte. Aufgrund des Wet-
ters konnten wir zeitlich ungezwungen den interessanten Vorträgen lauschen - ein festes Programm gab es nicht. KarlHeinz Mau berichtete von seiner Beobachtung der partiellen Sonnenfinsternis 2003 und seinen Erlebnissen zur totalen Sonnenfinsternis 1999 in Deutschland. Seine Aufnahmen waren eindrucksvoll und zeigen, was auch von hier aus zu beobachten möglich ist. Zu der 1999erFinsternis brachte er zur Belustigung aller auch einige satirische Cartoons eines Sternfreundes auf die Leinwand. Die beiden Leipziger Sonnen- und Sternfreunde Anke Hamann und Manfred Heinrich ließen das Sonnenjahr 2013 von ihrer Balkonsternwarte aus gefilmt und musikunterlegt Revue passieren, es waren wie immer viele tolle Flecken- und Protuberanzenaufnahmen darunter. Ebenfalls in bewegten Bildern und mit Musik berichteten sie von ihrer Reise nach Lappland und den Polarlichtern. Danach präsentierte Peter Stolzen auf mitreißende Art
seine 50 Jahre Sonnenbeobachtung, wobei er insbesondere auf seine 13 Sonnenfinsternisexpeditionen Bezug nahm, davon 9 totale und zwei ringförmig-totale. Am Samstagnachmittag machten wir einen Besuch bei Sternfreund Günter Loibl und seiner Frau im knapp 15 Kilometer entfernten Espenfeld. Dort wurden wir herzlich empfangen und konnten in der großen Sternwartenkuppel auf dem Dach des Wohnhauses die Instrumente bewundern und zu ihrer Funktion und Entstehungsgeschichte eine Vielzahl von Einzelheiten erfahren. Als sich die Sonne kurz zeigte, konnte uns Herr Loibl anhand des Projektionsbildes auf dem angebauten Schirm seine langjährige Sonnenbeobachtungsmethode vorführen. Leider gab es kaum Sonnenflecken. Auf der Dachterrasse neben der Kuppel schweifte unser Blick über die schöne thüringische Landschaft, während der Gastgeber dabei Begebenheiten aus seiner langen astronomischen und vor
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110 Sonne
1 Gruppenbild der
Sonnetagung 2014
allem volksbildenden Tätigkeit an der Volkssternwarte Erfurt schilderte. Anschließend wurden wir im Wohnzimmer an den Kaffeetisch gebeten und konnten uns dem vorzüglichen, selbstgebackenen Kuchen Frau Loibls zuwenden. Anhand einer Bildertafel führte uns dabei Herr Loibl durch sein astronomisches Leben. Nachdem wir uns dann in das Gästebuch eingetragen hatten, war schon alles für ein Gruppenfoto im Garten vorbereitet. Dankbar für die schönen Stunden machten wir uns auf den Weg zurück nach Kirchheim, wo uns leckere thüringische Rostbratwürste vom Grill und Bier, Letzteres nicht ganz thüringisch, erwarteten. Nachdem wir uns gestärkt hatten, führte uns Jürgen Schulz durch
die Sternwartengebäude. Besonders erwähnenswert bei diesem Rundgang war die Tatsache, dass die wenigen Vereinsmitglieder schon in der DDR alles selbst gebaut haben und auch bis heute alles selbst erledigen: Von den Fundamenten bis zu den Dächern, Innen- und Außenmontage, Fenstertausch, Rohrverlegung, kurzum alles. Natürlich gilt dasselbe für die Instrumente und Zusatzgeräte. Das Ganze wird unbezahlt und ohne regelmäßige Unterstützung vom Staat in der Freizeit erledigt neben dem Vollzeitjob und neben der Familie. Hier könnte sich so manche personell und finanziell gut ausgestattete, astronomische Volksbildungseinrichtung ein Beispiel nehmen.
Nach Einbruch der Dunkelheit saßen wir dann noch gemütlich im Vortragsraum zusammen und ließen den Tag ausklingen.
Am Sonntagvormittag fand noch die SONNE-Redaktionssitzung statt und Andreas Bulling berichtete vom 4. Sonnenflecken-Workshop in Locarno, auf dem für uns an der Relativzahl Interessierte schier Unglaubliches vorgestellt wurde. Es geht um völlig unübliche Gruppeneinteilungen bei den Sonnenflecken mit starken Auswirkungen bei den Standardrelativzahlen im früheren Beobachtungsnetz der Sternwarte Zürich. Einzelheiten dazu in einem Bericht von Andreas Bulling.
Sonntagmittags konnten dann die noch verbliebenen Teilnehmer ganz kurze Blicke auf die Sonne durch kleine Wolkenlücken im Kalzium-, Weiß- und H-alphaLicht erhaschen.
Trotz des Wetters war auch diese Sonnetagung wieder eine Reise wert. 2015 werden wir uns voraussichtlich außerhalb von Göttingen wieder zusammenfinden.
Mein Vorgehen bei der H-AlphaBeobachtung der Sonne
von Alexander Geiss
Als Nutzer eines H-Alpha-Teleskops wird man immer wieder Zeuge dynamischer Vorgänge in der Chromosphäre der Sonne, in einigen Fällen auch mit beobachtbaren Änderungen im Drei-Minuten-Takt. Das kann dazu leiten, dass man z. B. sein PST immer wieder spontan aufstellt. Bei diesen Beobachtungen liegt es dann auch nahe, die von P. Völker [1] initiierte und nun u. a. über www. interstellarum.de koordiniert erfasste H-Alpha-Relativzahl regelmäßig zu bestimmen. Das hilft auch nebenbei bei der bewussten Beobachtung und Erfassung der Veränderungen, was bei unserem Heimatstern äußerst interessant ist und man so nicht nur beim blanken ,,Spechteln" bleiben muss.
Weil meine Beobachtungen in immer kürzeren Abständen erfolgten, brauchte ich eine mobile Ausstattung für mein PST. Ich konnte auf mein Fotostativ aus der Jugend zurückgreifen. Beide passen in eine große Stofftasche. Für den schnellen Zugriff liegt das PST mit montiertem 15-mm-Okular vor Staub geschützt in einem regelmäßig ersetzbaren Müllbeutel und wiederum in einer verknoteten kleineren Tasche mit 10-mm-Wechselokular für Detailbetrachtung. Griffbereit liegen dabei Beobachtungsheft und Druckbleistift. So ist meine Ausrüstung schnell mitgenommen (siehe Abb. 1).
Auf das vielfach gegen Streulicht beschriebene Tuch über dem Kopf verzichte
ich, da die Hitze besonders im Sommer schnell nicht mehr erträglich ist. Stattdessen habe ich mir eine schwarze Blende aus Kautschuk gebaut und auf die Okularfassung gesteckt. Damit werden beide Augen vor dem hellen Hintergrund hinter dem Teleskop geschützt, womit zwar ein geringerer Effekt zur Kontrastverstärkung erzielt wird, dafür ohne den Luftaustausch einzuschränken. Im Sommer hilft ein luftiger Hut gegen die starke Einstrahlung auf den Kopf.
Mein Tag - betrachtet durch die ,,HAlpha-Brille" - beginnt morgens mit einem Check des Wetters. Danach verfolge ich, ob die Prognosen zutreffend sind und eine passende Wetterphase an-
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Sonne 111
rückt. Hilfreich ist dabei die Ausrichtung meines Arbeitsplatzes nach Südwesten, da die Sonne tagsüber von südöstlichen bis südwestlichen Richtungen zieht und Wolken meist mit der Hauptwindrichtung aus Westen ziehen. Grundsätzlich ist eine Beobachtung in den Mittagsstunden am Erfolg versprechendsten, da die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonne abgeschirmt wird, durch den steileren Einstrahlwinkel der Sonne und die vertikale Ausdehnung der Wolken am niedrigsten ist (siehe Abb. 2). Meistens suche ich meinen Beobachtungsplatz in meiner variablen Mittagszeit auf. Dieser liegt in einer Wiese mit niedrigen Bewuchs. Im Idealfall gelingt es mir noch vor Erreichen der Wolkenlücke, meine Ausrüstung aufzubauen.
Aber wo immer ich mich zum Beobachten aufstelle: der Platz sollte einigermaßen windgeschützt sein, denn auch mit der standardmäßigen 27x-Vergrößerung schütteln Turbulenzen das Teleskop auf dem Stativ doch stark genug, dass feine Protuberanzen und Filamente z. T. nicht mehr erkennbar sind. Dabei ist es vorteilhaft, wenn die bodennahen Meter zum Teleskop über gleichmäßig temperiertem Boden liegen [2], damit Dichteunterschiede in der Luft nicht das Bild ,,verwirbeln.". Solche Verwirbelungen sieht man auch bisweilen in der Nähe mancher Wolken. Dünne Schleierbewölkung und Saharastaub hingegen reduzieren Kontraste. Man muss daher schon abwägen, ob man gerade eine ordentliche Bestimmung der H-Alpha-Relativzahl durchführen kann.
Sobald das PST auf seinem Stativ in der richtigen Richtung und möglichst angenehmer Einblickhöhe steht - dabei ist ein Grätschstand in großen Sonnenhöhen förderlich für eine ruhige Haltung des Oberkörpers - wird fokussiert und der Filter so justiert, dass sowohl die dunklen Filamente, als auch die hellens Plages möglichst gut kontrastieren. Dabei lassen Letztere häufig eine geringere Toleranzbreite zu und werden bei geringer Abweichung wieder unsichtbar.
Habe ich die bestmögliche Filterposition erreicht, beginne ich mit der Ermittlung der H-Alpha-Relativzahl. Eine Systematik bei der Erfassung der relevanten Details hat sich bald als hilfreich heraus
1 Die mobile H-Alpha-Ausrüstung in ihrer Anordnung in der Tasche
gestellt, um bei den bisweilen bereits mit 40 mm Öffnung vielen sichtbaren Details nicht den Überblick zu verlieren. Für mich hat es sich bewährt, Protuberanzen, Filamente und Plages zunächst getrennt zu erfassen.
Ich starte mit der Zählung der um den Umfang der ,,Sonnenscheibe" auftretenden Protuberanzen und deren Herden, beginnend ,,unten" im Uhrzeigersinn umlaufend. Da häufig Aktivitätsherde auftreten, die mehrere Details hervorrufen, werden diese, wenn sie innerhalb eines 5 Grad x 5 Grad großen Gebiets vorkommen, als ein Herd gezählt [1]. Da aber am Umfang keine Fläche erscheint, wird nur der Kreisbogenabschnitt von 5 Grad als Grenzgröße verwendet.
Und weil 5 Grad nicht so einfach zu erkennen sind, habe ich mir auf mein Beobachtungsheft eine Skizze geklebt, die die Sonne mit d = 68 mm darstellt. Der 360 Grad -Umfang ist in 72 Abschnitte geteilt, rechnerisch 2,97 mm, also 3 mm lang. In einer Entfernung von 30 cm erscheint nun in dem einen Auge die Skizze, im anderen Auge die Sonne im PST bei meiner Standardvergrößerung gleich groß. Mit
den überlagerten Bildern ist es leicht zu entscheiden, ob zwei Protuberanzen als ein Herd oder eben zwei Erscheinungen zu zählen sind. Niedrige Protuberanzen werden erst ab der doppelten Höhe der Chromosphäre, die die Spikulen zusammen bilden, von mir gezählt. Protuberanzen, die nicht nur auf dem Umfang ,,liegen", sondern auch sichtbar auf die der Erde zugewandte Hemisphäre reichen, werden mitgezählt, jedoch nicht mehr bei der späteren Erfassung der Filamente. Das Zwischenergebnis wird notiert.
Währenddessen hat sich die Sonne im Bildfeld weiter bewegt und zeigt, unter welchem Positionswinkel Westen liegt, wohin die Sonne stets zu laufen scheint. Mit dieser Kenntnis, unter welchem Winkel relativ zur Erde die Polachse der Sonne in welchem Monat liegt [2] und dem Wissen über die Bildumkehr im PST, lässt sich nun auch die Lage des Sonnenäquators abschätzen. Denn liegen mehrere Details ungefähr parallel zum Äquator, werden sie nach ,,Vorgabe" als ein Aktivitätsherd gezählt.
Nun kann die Fläche der Sonnenscheibe bzgl. Filamenten erfasst werden. Die
2 Ein steilerer Einstrahlungswinkel der Sonne bedeutet größere beschienene
Fläche auf dem Boden und damit höhere Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Sonnenbeobachtung.
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112 Sonne
Knoten in der Marmorierung der Chromosphäre sind dabei nicht relevant. Ich starte mit der Zählung in dem Viertel ,,unten links", wiederum im Uhrzeigersinn umlaufend. Filamente zeigen sich auch im 40er-PST manchmal derart zahlreich, dass man trotz dieser vierfachen Unterteilung der Sonne schon mal den Überblick verlieren kann, oder man wird abgelenkt oder verzählt sich einfach so. Dann hilft wirklich nur, die Zählung von Neuem zu starten.
Und das Abwägen, ob nun ein Herd vorliegt oder nicht, ist auch nicht immer einfach. Auch hier hilft die besagte Skizze: ein 5 Grad x 5 Grad großes Feld ist im Zentrum der Sonnenscheibe 3 x 3 mm2 groß. Äquatornah am Rand ist es zwar immer noch 3 mm hoch, lässt sich aber durch die Projektion der 3 mm langen Randbögen auf die perspektivische Verzerrung vereinfacht darstellen. Abseits des Äquators wird die Schätzung schwieriger, hier hilft wohl besser ein entsprechendes Kugelgradnetz. Wirklich wichtig ist es aber, stets nach möglichst gleichem Schema zu schätzen.
Nachdem die Anzahl der Filamente bzw. deren Herde notiert ist, werden abschließend die zahlenmäßig weniger stark vertretenen Plages gezählt. Auch hier schätze ich wieder 5 Grad -Abstände: Liegt ein Plage innerhalb dieses Abstands bei einem Filament, so zählt es zu einem Herd, der vorher bereits in die Zählung eingegangen war und wird vernachlässigt.
Zur Erhöhung der Zuverlässigkeit werden die Zählungen wiederholt und dann die Summe der Werte abschließend mit 10 multipliziert. Damit ergibt sich die HAlpha-Relativzahl, die mit Datum, Uhrzeit und verwendeter Vergrößerung notiert wird. Das war's. Nun muss nur noch möglichst zeitnah die einfache Übertragung mittels Eingabemaske auf www. interstellarum.de unter ,,Upload/H-AlphaRelativzahl/Dateneingabe" durchgeführt werden.
Die Erfassung klingt zugegebenermaßen kompliziert und hat mich anfangs erschreckt und zweifeln lassen, ob man das sicher und reproduzierbar immer wieder durchführen kann, aber - man kann. Es ist nur eine Frage der Übung und auch der Konzentration. Meist brauche ich
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dafür mit Auf- und Abbau nicht mehr als 20 min. Ablenkung kann man dabei nicht brauchen und ich muss gestehen, mich stören leider Gespräche bei der Erfassung. Dann sage ich: ,,Gleich - bitte!", weil ich mich ja doch immer wieder über spontanes Interesse freue und gerne unseren Heimatstern herzeige, immer auch mit dem Hinweis, dass diese Beobachtung nicht mit dem Fernglas versucht werden darf, sondern nur mit einem geeigneten Filter.
Und seit Juli 2014 ist es mir mit vertretbarem Aufwand möglich, Farbskizzen anzufertigen. Dazu habe ich mir ein Edel-
stahlrohrstück scharf abdrehen lassen, um damit 68 mm große Kreisscheiben aus orangem Tonpapier ausschneiden zu können, die ich auf schwarzes Tonpapier klebe. Fertig ist die Roh-Zeichnung! Die halte ich auf einem Klemmblock wieder in 30 cm Entfernung vor mein freies Auge und zeichne nach der Methode der Bildüberlagerung die Details, die ich vorher schon beobachtet habe. Unten im Bildfeld ist unten in der Zeichnung, startend mit orangem, wasserlöslichem Buntstift werden Protuberanzen, in rot Filamente und in gelb Plages und Flares dargestellt. Mit dejustiertem Filter kommen auch noch die Sonnenflecken mit
Die provisorischen Relativzahlen des SONNE-Netzes, 1. Halbjahr 2014, von Andreas Bulling
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12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 Mittel
Januar 80 92 102 88 96 112 91 77 88 101 104 96 86 68 58 59 59 75 80 101 86 115 98 81 66 68 48 58 66 72 74
82,1
Februar 69 83 100 109 119 111 101 97 104 96 113 111 103 84 80 71 81 92 90 93 92 100 118
133 128 155 157 122
- - - 104,0
März 112 110 105 100 94 93 88 78 79 80 81 96 75 80 76 74 81 102 92 97 91 100 109 100 93 86 82 80 74 72 81 89,1
April
Mai
73
64
93
80
105
83
111
89
102
102
94
106
82
95
88
93
60
94
46
91
48
108
55
113
57
96
88
114
111
106
147
98
139
106
132
70
131
69
140
62
106
65
87
53
62
59
55
77
43
82
36
70
53
54
58
54
61
34
63
41
-
38
84,2
79,5
Juni 43 46 50 51 62 83 99 104
122 116 121 137 133 90 57 62 69 84 65 58 67 63 44 34 37 44 42 42 64 92
- 72,7
Anmerkung: Leider kann auch die VdS-Redaktion nicht in die Zukunft schauen. Die im VdSJournal für Astronomie Nr. 50 (III/2014), S. 86, veröffentlichten Relativzahlen bezogen sich daher natürlich auf das 2. Halbjahr 2013.
Spektroskopie
113
Penumbren hinzu, deren Anzahl dank 40 mm Öffnung je nach Aktivität überschaubar gering ist (siehe Abb.3 ).
Das Ergebnis kommt meinem Bild-Erleben im PST erstaunlich nahe und zeigt dank Belichtung in Auge und Kopf ein Miteinander von Protuberanzen, Filamenten und Plages. Vervollständigt mit diversen Daten ist dies eine nicht allzu aufwändige alternative Bilddokumentation. Klemmblock, Tonpapierrohlinge und ein paar Buntstifte passen zusätzlich in meine PST-Tasche. Fantastisch!
Literaturhinweise: [1] P. Völker, P 2008.: ,,Die H-Alpha-
Relativzahl", interstellarum 57, April/Mai 2008 [2] K. Reinsch, et al., 1999: ,,Die Sonne beobachten", Verlag Sterne und Weltraum, 1999 [3] J. Banisch, 2009: ,,Die Sonne", Verlag OCULUM Astro-Praxis, 2009
3 Zeichnung der Sonne im PST 40 mm/400 mm, Vergrößerung 27x, H-Alpha und
Weißlicht; 08.08.2014, 12:19-12:37 Uhr MESZ
Die Auswertung spektroskopischer CCD-Aufnahmen (Prinzipien der Datenreduktion)
von Lothar Schanne
- Teil 3 -
Im ersten und zweiten Teil (Hefte 50 und 51) wurden die Komponenten in einer Spektrum-CCD-Aufnahme vorgestellt. Neben dem Spektrumstreifen, der eigentlichen Messgröße, gibt es Artefakte, die vor der Extraktion des Spektrums möglichst quantitativ eliminiert werden sollen. Behandelt wurden Bias, Dunkelstrom, Ausleserauschen, Cosmics, Streulicht, Vignettierungen und Himmelshintergrund. Außerdem wurde der Zweck von Objektaufnahmen, Darks, Flats und Kalibrierspektrumaufnahmen vorgestellt. Im vorliegenden Teil 3 wird auf die Vorbereitung der Aufnahmeserien zur eigentlichen Datenreduzierung eingegangen.
Sichtung der zur Auswertung bestimmten Dateien Die Flats, Darks und Objektimages sollten einzeln am Bildschirm zur Kontrolle auf Fehler durchgesehen werden. Aus-
lesefehler der Kameraelektronik sind sehr selten, aber nicht ausgeschlossen. Normalerweise sind auch Cosmics im Spektrumstreifen der Objektimages eher selten. Falls man bei der Durchsicht der Images solche Cosmics entdeckt, muss man sich entscheiden, ob man die Datei verwirft oder korrigieren will. Ich habe mich immer zum Verwerfen entschieden. Hat man eine stabile Montierung und ein gutes Autoguiding, kann man bei Spaltspektrografen normalerweise auf ein Stacking der Aufnahmen verzichten. Sie sind im Rahmen der erforderlichen Genauigkeit deckungsgleich. Bei spaltlosen Spektrografen ohne Autoguiding wird man generell zuerst mit einem geeigneten Programm stacken müssen. Dabei kann man sich prägnanter Absorptionslinien im Spektrumstreifen als Erkennungsmuster bedienen. Nachfolgend werden gestackte bzw. deckungsgleiche Aufnahmen vorausgesetzt, die einfach gemittelt werden können.
Mitteln der Aufnahmen und anschließende Dark- bzw. FlatKorrektur Man bildet den Median der den Objektaufnahmen zugeordneten Darks und erhält das ObjectDarkMedian.fit (die korrigierten und gemittelten Dateien erhalten wegen der besseren Übersichtlichkeit charakteristische Bezeichnungen). Damit hat man dann ein Dark, das den mittleren Bias und Dunkelstrom bei der gegebenen Belichtungszeit und CCD-Temperatur enthält. Der Median ist im Falle der Darks besser als ein Mittelwert, weil der Mittelwert die anteiligen Reste der Cosmics der Einzelaufnahmen enthält, die im Median nicht auftauchen. Der Median ist in dieser Hinsicht robuster als der Mittelwert.
Ebenso bildet man den Mittelwert der Objektaufnahmen und erhält das ObjectMean.fit. Damit hat man dann ein Objektbild, das die mittlere Intensität
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114
Spektroskopie
1 Schema: Vorbereitung der Aufnahmeserien zur weiteren Datenreduktion
der Pixel inkl. mittlerer Bias und Dunkelstrom bei der gegebenen Belichtungszeit und CCD-Temperatur enthält. Zur Eliminierung von Bias und Dunkelstrom zieht man vom ObjectMean.fit das ObjectDarkMedian.fit ab und erhält das ObjectMeanDC.fit (DC wie dark corrected).
Vom Kalibrierspektrum zieht man lediglich ein Bias ab. Für die Kalibrierspektren braucht man normalerweise nur kurze Belichtungszeiten im Sekundenbereich, weshalb das Bias reicht. Falls man lang belichtete Kalibrierspektren erzeugt, sollte man zur Erhöhung des Kontrasts ein
2 Versagen der Himmelshintergrundkorrektur bei Anwesenheit von Emissionslinien
eines Nebels (oben korrigierte Spektrumaufnahme von Theta 1 Orionis C, unten das Spektrum nach Reduktion und Wellenlängenkalibrierung).
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gleich lang belichtetes Dark abziehen. Will man das Spektrum mit einem Flat korrigieren, muss die Flatserie gemittelt und vom berechneten FlatMean.fit ein FlatDarkMedian.fit abgezogen werden. Das Resultat ist das FlatMeanDC.fit. Das korrigierte Objektmittel ObjectMeanDC. fit wird dann durch das korrigierte Flatmittel FlatMeanDC.fit geteilt und man erhält das ObjectMeanDCFC.fit. Die Vorgehensweise ist in einem Flowsheet zusammengefasst. Der Leser möge die umständlichen Dateinamen entschuldigen. Aber dadurch wird Klarheit erreicht. Vgl. dazu auch die Abbildung 1.
Himmelshintergrund-Korrektur Die berechnete Datei ObjectMeanDC. fit (bzw. nach Flatkorrektur die Datei ObjectMeanDCFC.fit) enthält noch den Himmelshintergrund. Kann man für den Himmelshintergrund annehmen, dass ein linearer Gradient in den Pixelspalten vorhanden ist, dann genügt es, beidseitig des Spektrumstreifens symmetrisch je ein gleich großes Rechteck der Pixelfläche über die Spalten zu mitteln und den Betrag spaltenweise abzuziehen. Es gibt auch komplexere Methoden, welche nichtlineare Gradienten des Himmelshintergrunds spaltenweise als Funktion fitten und dann den Himmelshintergrund für jedes Pixel berechnen (interpolieren). Die zur Verfügung stehenden Methoden hängen von der benutzten Software ab.
Die Himmelshintergrundkorrektur versagt bei Objekten, für die der Hintergrund in einzelnen Wellenlängenbereichen oder Linien stark und ungleichmäßig verteilt ist, also insbesondere im Fall von Emissionsnebeln. In diesem Fall ist der Himmelshintergrund nicht realistisch interpolierbar und es verbleiben nach der Datenreduktion in den Spektren Artefakte.
Ein Beispiel zeigt die Abbildung 2. Der Trapezstern Theta1 Ori C liegt ziemlich im Zentrum des Orionnebels. Entsprechend stark sind die Emissionslinien des Nebels in Spektrumaufnahmen vorhanden.
Der Spektralbereich um 580 nm zeigt eine Emissionslinie des Nebels, die quer über den Spektrumstreifen des Sterns verläuft und nichts anderes ist als eine Abbildung des Spalts im diskreten Licht der He-I5876-Linie. Gleich rechts davon erkennt man im Spektrumstreifen des Sterns das
Spektroskopie
115
3 Spaltenprofil eines horizontal liegenden Spektrumstreifens
zur Ermittlung des Spalten-Integrationsintervalls für die Spektrumextraktion
4 Beispiel eines 1d-Rohspektrums, wie es nach der Extraktion
des Spektrumstreifens vorliegt
Na-Dublett (Absorption verursacht durch interstellares Natrium). Obwohl der Himmelshintergrund abgezogen wurde verbleibt in der He-I-5876-Absorptionslinie des Sterns mittig ein Rest der Emission des Nebels, der bei der linearen Himmelshintergrundinterpolation nicht eliminiert wurde. Die Emissionsintensität ist innerhalb des Nebels eben nicht konstant.
Extraktion des Spektrums Nachdem auch der Himmelshintergrund möglichst gut eliminiert ist, lässt sich aus der korrigierten 2d-Summenaufnahme das 1d-Spektrum erzeugen (Extraktion). Das geschieht durch spaltenweise Integration der Pixelintensitäten im Bereich des Spektrumstreifens mittels spezieller Reduktionssoftware. Die Anzahl der Pixelzeilen, die zur Extraktion verwendet werden, sollte so bemessen sein, dass etwa 90-97 % der Intensität des Spektrumstreifens erfasst werden. Unnötig breit sollte der ausgewählte Pixelzeilenstreifen nicht sein, nur um die letzten Prozent Intensität zu erfassen, weil mit den äußeren, schwach belichteten Zeilen deren Rauschen im 1d-Spektrum eingefangen wird, ohne dass die Intensität im 1d-Spektrum noch signifikant anwächst. Zur Verdeutlichung ist in der Abbildung 3 ein Spaltenprofil einer darkkorrigierten Summenaufnahme geplottet. Das Maximum des Spektrumstreifens liegt auf Pixelzeile Nr. 598. Der Streifen ist etwa 40 Pixel breit. Die Integration sollte etwa über die Pixelzeilen 586 bis 610 erfolgen. Der Signalverlust liegt < 10 % und ist da-
mit vertretbar. Kostenlos zur Verfügung stehende professionelle Software wie z. B. ESO-MIDAS besitzt komplexe Routinen, welche die Integration der Pixelspalten unter Wichtung des Pixelinhalts vornimmt und damit den sonst etwas willkürlichen Kompromiss zwischen S/N und berücksichtigter Signalstärke auf eine mathematische Grundlage stellt.
Das Ergebnis der spaltenweisen Integration ist das 1d-Spektrum, das den relativen Intensitätsverlauf über die Pixelspaltennummer zeigt (Abb. 4). Dieser Schritt wird Extraktion genannt.
Alle weiteren Schritte hängen vom Messziel ab. Zum einen kann das Spektrum wellenlängenkalibriert und/oder normiert werden. Des Weiteren kann das S/N (Signal-Rausch-Verhältnis) berechnet werden, oder es interessieren die Flächen von Absorptions- oder Emissionslinien (ihre ,,Äquivalentweite" EW).
Wellenlängenkalibrierung Die Kalibrierung nach der Wellenlänge kann auf verschiedene Arten erfolgen. Wenn keine unabhängige KalibrierlichtSpektrumaufnahme zur Verfügung steht (bei spaltlosen Spektrografen ist die Aufnahme von unabhängigen Kalibrierspektren nicht möglich) lässt sich die Kalibrierung in guter Näherung mittels eindeutig identifizierbarer Linien im Objektspektrum durchführen. In der Regel wird man bei Verwendung eines Spaltspektrografen allerdings Kalibrierspektren aufnehmen,
wobei die Gitterstellung exakt gleich sein muss wie bei den Objektaufnahmen. Deshalb werden am zweckmäßigsten je eine Kalibrierlichtaufnahme vor und nach der Objekt-Messserie belichtet, so dass Wellenlängenverschiebungen beispielsweise durch thermisch-mechanische Verformungen (nächtlicher Temperaturgradient, Nachführbewegung des Teleskops) minimal sind und notfalls erkannt und korrigiert werden können.
Die Wellenlängenkalibrierung erfolgt mit spezieller Datenreduktionssoftware für Spektren. Im Prinzip werden möglichst viele Emissionslinien der Kalibrierlichtquelle im 1d-Kalibrierspektrum (das gleich extrahiert wird wie das 1dObjektspektrum) identifiziert und ihre Wellenlängen der Software bekannt gemacht. Diese fittet an die identifizierten Emissionslinien Gaußprofile zur Ermittlung des subpixelgenauen Intensitätsmaximums und gewinnt aus den Pixelkoordinaten (Maxima in Dispersionsrichtung) und den bekannten Wellenlängen eine Kalibrierfunktion in Form eines Polynoms wählbarer Ordnung, die dann auf das 1d-Objektspektrum übertragen wird. Damit ist die Pixelskala der Abszisse in eine Wellenlängenskala transformiert, die anschließend durch Rebinning linearisiert wird (vgl. 1d-Spektrum in Abb. 2).
Normierung Nach der Extraktion des 1d-Rohspektrums aus der korrigierten 2d-Objektaufnahme zeigt die Ordinate eine relative
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Spektroskopie
5 Nicht normiertes 1d-Summenspektrum von Delta Scorpii im
Bereich der H-Linie (6563 Angström), mit gut ausgeprägtem Kontinuumverlauf
6 Nicht normiertes 1d-Summenspektrum von Lambda Cephei
im Bereich der H-Linie (6563 Angström) mit unklarem Verlauf des Kontinuums
Intensitätsskala. Die Punkte der Spektrumkurve sind in y-Richtung einfach die Integrationsergebnisse der Extraktion, also die Summe der ADU der in den diskreten Pixelspalten beteiligten Pixel (ausgewählte Breite des Spektrumstreifens). Diese ist natürlich bei jedem 1dSpektrum anders, weshalb solche Spektren schlecht direkt visuell vergleichbar sind, auch wenn sie vom gleichen Objekt stammen und den gleichen Wellenlängenbereich umfassen.
Die einfachste Abhilfe ist die Einpunktnormierung: Man nimmt immer an der gleichen Wellenlänge die jeweilige Intensität und teilt das 1d-Spektrum durch diesen Wert. Somit haben dann alle so behandelten Spektren bei dieser Wellenlänge die Intensität 1, die Kurven schneiden sich alle in diesem Punkt. Plottet man jetzt Spektren übereinander, sind Unterschiede (z. B. zeitliche Veränderungen) sofort erkennbar. Alle Spektren passen in den Plot.
Die Einpunktnormierung ist eine lineare Transformation, sie verändert nicht das Messergebnis, das Spektrum an sich. Schwieriger wird es bei der Normierung auf das Kontinuum eines Sterns. Es muss nämlich entschieden werden, welche Punkte des 1d-Spektrums zum Kontinuum des Sterns und welche bereits zu Emissions- oder Absorptionslinien gehören. Dies ist nicht immer zweifelsfrei zu begründen.
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Bei WR-Sternen ist die Photosphäre nicht sichtbar, weil sie unter dem dichten Sternwind im optisch dichten ,,Nebel" liegt. Also ist im 1d-Spektrum nirgends ein Kontinuum des Sternlichts vorhanden. Worauf soll man dann normieren? Die Emissionen eines Nebels sind diskret. Ein (thermisch erzeugtes) Kontinuum gibt es bei ihnen nicht. Auch Spektren von Emissionsnebeln können deshalb nicht auf ein Kontinuum normiert werden.
Kommen wir zu den ,,normalen" Sternen zurück. Hier wird in der Photosphäre dem aus der Tiefe kommenden Kontinuum ein Muster von Absorptionen aufgeprägt, das Resultat messen wir dann als 1d-Spektrum. Wenn der Stern nur relativ wenige aufgelöste Linien im Spektrum zeigt, ist die Festlegung des Kontinuums für die Normierung kein Problem. Handelt es sich um späte Sterne, dann ist das optische 1d-Spektrum so komplex und voller Linien, die sich teilweise überlappen (,,blends"), dass die Festlegung des Kontinuums zum Abenteuer wird. Hier ist schnell die Grenze von der exakten Messung zur ,,künstlerischen Interpretation" überschritten. Beispiele sind in den Abbildungen 5 und 6 gezeigt.
In der Abbildung 5 ist trotz der vielen schmalbandigen Wasserabsorptionslinien und der H-Linie in Emission klar das Kontinuum erkennbar. In der Abbildung 6 glaubt man auf den ersten Blick auch, das Kontinuum festlegen zu können. Bei
genauerem Hinsehen ist im Bereich der breiten Kombination aus Absorptionen und Emissionen zwischen 6500 und 6575 Angström unsicher, wo genau das Kontinuum verläuft. Hier wird das Normieren auf ein Pseudokontinuum ein abenteuerliches Unterfangen, das nicht mehr wissenschaftlichem Anspruch genügt.
Es gäbe noch Vieles zur Reduktion von optischen Spektrumaufnahmen zu sagen. Aber das kann auch an anderer Stelle nachgelesen werden. Ich empfehle dafür die Internetseiten der Fachgruppe Spektroskopie [2], ihr Forum [3] und meine private Seite [1]. Bei der Auswertung von Spektren ist viel Erfahrung gefragt, aber deshalb bleibt sie auch immer spannend. Im Teil 4 des Beitrags werde ich auf die Interpretation von Sternspektren eingehen, insbesondere das Erkennen von Strukturen, die vom Stern stammen, und Artefakten und Störeffekten, welche nicht dem Sternlicht zugeordnet werden dürfen.
Weblinks: [1] L. Schanne, www.astrospectroscopy.
eu/Einsteiger/Flats/flats.htm, Stand Januar 2014. [2] http://spektroskopie.fg-vds.de/ [3] http://spektroskopieforum.vdsastro. de/index.php
Sternbedeckungen
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(216) Kleopatra - Sternbedeckung durch einen
ungewöhnlichen Asteroiden
von Oliver Klös
Die eigenartige Form des Asteroiden sowie die zwei Monde, die ihn umkreisen, machen (216) Kleopatra zu einem der interessantesten Objekte unter den Kleinplaneten. Über dem deutschsprachigen Raum findet eine der hellsten Sternbedeckungen im Jahr 2015 für Europa durch diesen Hauptgürtel-Asteroiden statt.
Ein Asteroid, gut für Überraschungen Sternbedeckungen durch (216) Kleopatra wurden bereits neunmal beobachtet, erstmals 1980. Damals meldeten neun Beobachter in den USA und Kanada erfolgreich eine Bedeckung durch den Asteroiden. Zwei Stationen, weit außerhalb des Pfades, berichteten von einer äußerst kurzen Bedeckung von weniger als einer Sekunde [1]. Das Schattenprofil stellte sich elliptisch mit den Abmessungen von 124 km x 88 km dar. Ein ungewöhnlich gestrecktes Profil konnten acht Beobachter in den USA im Januar 1991 mit 264 km x 60 km messen. Auch an Heiligabend 2009 waren die Amerikaner sehr erfolgreich, 12 positive Beobachtungen gingen ein und ergaben ein Profil von 255 km x 63 km. Diese erfolgreiche Beobachtungskampagne stellt vorerst den Schlusspunkt dar (Stand: Juli 2014) [2].
Im Jahr 1999 näherte sich (216) Kleopatra bis auf 170 Millionen km der Erde. Der Asteroid wurde mit dem Radioteleskop von Arecibo vermessen. Das im folgenden Jahr veröffentlichte Ergebnis bestätigte die Messungen durch die Sternbedeckungen [3]. Der Asteroid hat die Form eines ,,Hundeknochens" mit den Maßen 217 x 94 x 81 km³. Der Kleinplanet rotiert dabei um seine Achse in nur 5,38 Stunden. Während die Beobachter 1980 die schmale Seite des Asteroiden messen konnten, konnten die Beobachter 1991 und 2009 eher die Bedeckung durch das breite Profil beobachten.
Eine erneute Überraschung gab es im Jahr 2008. Ein Team um den Astronomen Franck Marchis spürte mit der adaptiven Optik des Keck-II-Teleskops auf Hawaii zwei Monde um (216) Kleopatra
1 Der Schattenpfad von (216) Kleopatra (rot) und ihres Mondes Cleoselene (grün).
Die dünnen Linien zeigen die Pfadmitte an, die dicken Linien die Pfadgrenzen. Die gestrichelten Linien sind die 1-Sigma-Fehlergrenzen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 % finden die Bedeckungen innerhalb der jeweiligen Fehlergrenzen statt. Grafik: O. Klös
auf, die einen Durchmesser von 9 bzw. 7 km haben. Am 18. Februar 2011 erhielten die Monde die Namen S/(216) 1 Alexhelios und S/(216) 2 Cleoselene. Damit ist höchstwahrscheinlich auch das Rätsel um die äußerst kurze Bedeckung, beobachtet an zwei Stationen im Jahr 1980, gelöst. Die Beobachter standen im Schatten von Alexhelios [4-5]!
Die Bedeckung im März 2015 Am 12. März 2015 bedeckt der Asteroid (216) Kleopatra den Stern HIP 54599 im Sternbild Crater. Der Stern der Spektralklasse F8 hat eine visuelle Magnitude von ca. 8 mag, die Bedeckung wird etwa 8 Sekunden dauern. Dabei nimmt die kombinierte Helligkeit von Stern und Asteroid um 3,9 mag auf etwa 11,9 mag ab. Die Bedeckung findet gegen 01:07 UT
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Sternbedeckungen
2 Wegen der ungewöhnlichen Helligkeitsschwankungen von über 1 mag vermutete man
zuerst, dass es sich bei (216) Kleopatra um zwei dicht beieinanderstehende Objekte handeln müsste. Die Radarbeobachtungen im Jahr 1999 zeigten dagegen ein Objekt mit einer sehr ungewöhnlichen Form. Grafik: Arecibo Observatory/JPL/NASA
in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag statt. Der Asteroid befindet sich in Opposition. Der Stern steht zum Bedeckungszeitpunkt ca. 27 Grad über dem Horizont in südwestlicher Richtung. Der Schatten von (216) Kleopatra berührt im deutschsprachigen Raum den Westen Österreichs, die östliche Schweiz und den Westen Deutschlands. Er wandert von Südost nach Nordwest.
Steve Preston errechnete in seiner Vorhersage einen fast 240 km breiten Pfad und hat dabei für den Durchmesser von (216) Kleopatra einen Durchschnittswert von 112 km angenommen. Sollte Kleopatra ihre lange Profilseite der Erde während des Bedeckungszeitpunktes zuwenden, könnte der Pfad fast doppelt so breit sein! Es gibt zwar Lichtkurven von Kleopatra, allerdings sind die Daten schon ein paar Jahre alt und eine Vorhersage, welche Seite von Kleopatra einen Schatten auf die Erde wirft, kann daraus nicht verlässlich berechnet werden (Stand: Juli 2014). Falls in den Monaten vor der Bedeckung neue Lichtkurven erstellt werden, könnten diese Daten die zu erwartende Pfadbreite aktualisieren. Wie bei allen Vorhersagen von Sternbedeckungen ist es dringend angeraten, sich die aktuellsten Berechnungen auf Steve Prestons Seite anzusehen [6].
Die Schatten der Satelliten Die letzte Berechnung der Sternbedeckung durch (216) Kleopatra erstellte
VdS-Journal Nr. 52
Steve Preston vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe im April 2014, bevor der Asteroid auf seinem Weg zur Konjunktion unbeobachtbar wurde. Dabei fällt der Schatten von S1 auf die Pyrenäen und dem Grenzgebiet zwischen Spanien und Frankreich. Selbst trotz der großen Pfadunsicherheit ist eine erfolgreiche Beobachtung vom deutschsprachigen Raum aus nicht zu erwarten. Ganz anders liegt der Fall bei dem kleineren Satelliten S2. Der Schatten von Cleoselene befindet sich östlich des Schattens von Kleopatra und wird nach Prestons Vorhersage Österreich und Deutschland überqueren. Im Fall einer Bedeckung ist eine maximale Dauer von 0,5 Sekunden zu erwarten. Sollte sich der Pfad von (216) Kleopatra maximal verbreitern, würden die Fehlergrenzen von Kleopatra und Cleoselene sich sogar noch stärker überschneiden. In diesen Fehlergrenzen ist dann alles möglich: eine Bedeckung durch Kleopatra, eine Bedeckung durch Cleoselene, ein zweimaliges Verschwinden des Sterns durch beide Objekte, keine Bedeckung durch eine große Pfadverschiebung oder keine Bedeckung, weil die Beobachtungsstation zwischen den Schatten von Kleopatra und Cleoselene liegt. Spannender kann die Beobachtung einer Sternbedeckung nicht sein!
Literaturhinweise und Weblinks (Stand: Juli 2014): [1] D. W. Dunham: ,,Recently-Observed
Planetary Occultations", Occultation
Newsletter, Vol. II, No.11, 139f, www.occultations.org/on/volume02/ onv02n11.pdf [2] D. Herald: Datei über beobachtete Bedeckungen durch Asteroiden in der Software OCCULT [3] S. J. Ostro et al., 2000: ,,Radar Observations of Asteroid (216) Kleopatra", Science Vol. 288, Issue 5467, 836, http://trs-new.jpl.nasa. gov/dspace/bistream/2014/14178/ 1/00-0583.pdf [4] Marchis, Descamps, et al., 2011: "Triplicity and physical characteristics of Asteroid (216) Kleopatra", Icarus, Feb. 2011, http://arxiv.org/ abs/1011.5263 [5] M. P. C. 73613, S. 371, www. minorplanetcenter.net/iau/ECS/ MPCArchive/2011/MPC_20110218. pdf [6] S. Preston: IOTA/IOTA-ES occultation update for (216) Kleopatra/ HIP 54599 event on 2015 Mar 12, 01:06 UT, http://asteroidoccultation. com/2015_03/0312_216_34460. htm
Sternbedeckungen
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Zwei auf einen Streich
- Sternbedeckungen durch (58) Concordia und (656) Beagle
von Oliver Klös
Mehrere Sternbedeckungen durch unterschiedliche Asteroiden an einem Tag sind keine Seltenheit. Dass sie aber von ein und demselben Ort zu beobachten sind, ist sehr selten. Ein solches Ereignis ist am Samstag, den 23. Mai 2015, in Deutschland und Österreich zu beobachten.
Zuerst bedeckt der Asteroid (58) Concordia gegen 21:16 UT den Stern TYC 083500181-1 im Sternbild Leo. Der Stern mit der visuellen Helligkeit von 10,4 mag wird für maximal 5,4 Sekunden von dem Kleinplaneten bedeckt. Die kombinierte Helligkeit von Asteroid und Stern wird um 3,6 mag abnehmen. Das Ereignis findet ca. 28 Grad über dem Horizont in südwestlicher Richtung statt. Der Schatten wandert von Nordwesten nach Südosten [1].
Zu diesem Zeitpunkt steht der Asteroid (656) Beagle nur etwa 11 Grad von (58) Concordia entfernt am Himmel und nähert sich dem Stern TYC 0839-00959-1, der eine visuelle Helligkeit von 9,6 mag aufweist. 19 Minuten später ist es dann soweit, (656) Beagle bedeckt den Stern für maximal 3,7 Sekunden. Die Bewegung des Schattens ist ebenfalls von Nordwesten nach Südosten. [2]
1 Die Schattenpfade vom (58) Concordia (grün) und (656) Beagle (blau). Die dünnen
Linien stellen die Zentrallinien da. Die Pfadberechnung erstellte Steve Preston im April 2014. Pfadverschiebungen in seinen aktuellen Berechnungen sind möglich. Grafik: O. Klös
Da Azimut, Höhe und Bewegungsrichtung beider Sterne jeweils zum Bedeckungszeitpunkt recht ähnlich sind, fallen auch die Schatten auf der Erdoberfläche zusammen. Die Unsicherheit der Pfadberechnung von (656) Beagle ist dabei etwas größer als die von (58) Concordia. Die Zentrallinien beider Schatten kreuzen sich sogar im Süden Ungarns (Stand: Juli 2014).
Durch Pfadverschiebungen, mit denen bei Sternbedeckungen durch Kleinplaneten immer gerechnet werden muss, kann sich dieser Schnittpunkt auch in den deutschsprachigen Raum verschieben. Bitte sehen Sie sich die neuesten Berechnungen von Steve Preston an.
Der günstige Zeitpunkt - Wochenende, vor Mitternacht - und die seltene Ge-
legenheit, zwei positive Ereignisse an einem Abend zu beobachten, wird viele Beobachter zu den Zentrallinien ziehen, um eine ,,doppelte" Bedeckung zu erleben. Beobachtungen weg von den Zentrallinien sind allerdings auch extrem wichtig, da für eine erfolgreiche Beobachtungskampagne möglichst das ganze Profil des Kleinplaneten abgedeckt werden sollte. Bitte beobachten Sie in allen Teilen Deutschlands und Österreichs, auch in den Grenzen der Pfadunsicherheiten, und melden Sie Ihre Messungen.
Weblinks (Stand: Juli 2014): [1] S. Preston: "IOTA/IOTA-ES
occultation update for (58) Concordia / TYC 0835-00181-1 event on 2015 May 23, 21:14
UT", http://asteroidoccultation. com/2015_05/0523_58_34698.htm [2] S. Preston: "IOTA/IOTA-ES occultation update for (656) Beagle/TYC 0839-00959-1 event on 2015 May 23, 21:33 UT", http://asteroidoccultation. com/2015_05/0523_656_34699. htm
VdS-Journal Nr. 52
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Veränderliche
Veränderlichenbeobachter-Treffen 2014
in Hartha
von Dietmar Bannuscher
Dieses Jahr konnte ich zum ersten Mal nach Hartha reisen, ein sehr schönes Erlebnis einer rundum gelungenen Tagung, um meine Endeinschätzung schon einmal vorwegzunehmen.
Pünktlich um 9:30 Uhr begrüßte Thomas Berthold als einer der Hausherren alle Anwesenden auf der schönen Bruno-H.Bürgel-Sternwarte, gefolgt von Lienhard Pagel, der auch den ersten Vortrag bestritt.
Hierbei analysierte er die Arbeit der BAV, stufte diese als sehr gut und zukunftsfähig ein, auch vor dem Hintergrund der zunehmenden automatischen Himmelsüberwachungen. Diese seien nicht Konkurrenz, sondern Chance für die BAV. Neben den klassischen Bereichen in der Beobachtung haben sich weitere Felder im Verein etabliert: Exoplaneten-Beobachtung und Datamining. Nach einer
Zusammenfassung des Projektes BAVCalina-Remote-Teleskop warb Lienhard Pagel um weitere Beobachter, insgesamt wird das Teleskop zu wenig genutzt.
Joachim Hübscher sprach über die mögliche Gefährdung der systematischen Überwachung Veränderlicher in der BAV. Mehr Anstrengungen im Bereich Mitgliederwerbung und Beobachterbegeisterung müssten unternommen werden, wenn die BAV auch weiterhin an ihren hohen Stand mit systematischen Beobachtungen von Veränderlichen anknüpfen wolle. Ideen wie stärkeres Werben in astronomischen Medien mit z. B. spannenden Sternen durch die Sektionsleiter/Ansprechpartner, Veränderungen bei der BAV-Website und womöglich Werbung über Facebook (und anderes mehr) könnten der BAV neue Beobachter zuführen, die es dann mit weiterer Anleitung für die systematischen Beobachtung zu gewinnen gilt.
Neues aus der BAV
(FG Veränderliche der VdS)
von Dietmar Bannuscher
Bereits seit fast einem Jahr betreibt die BAV ein Remote-Teleskop zur Beobachtung veränderlicher Sterne in Carona/Schweiz. Zwischenzeitlich mittels eines 8-Zoll-Foto-Newton und einer Farb-CCD-Kamera aufgerüstet, steht in diesem Jahr eine mögliche Erweiterung auf 12 Zoll Öffnung an. Wir hoffen, dass dieses Teleskop rege genutzt wird, eine ausführliche Anleitung und Betreuung ist gewährleistet.
Auf der BAV-Tagung zu Nürnberg im Oktober 2014 hatte die NAA und die BAV ein großartiges Treffen mit einem reichhaltigem Vortrags- und Besichtigungsprogramm organisiert, auf der ebenfalls stattgefundenen Mitgliederversammlung der BAV wurde der alte Vorstand in seinem Amt bestätigt.
Die Beschäftigung mit veränderlichen Sternen bietet für jedes Auge und jedes Teleskop viele Kandidaten unterschiedlichster Veränderlichen-Art, darunter befinden sich Novae, Supernovae und für CCDler auch Exoplaneten, die in der BAV bereits erfolgreich beobachtet werden.
Näheres erfahren Sie auf der Website der BAV: www.bav-astro.de
VdS-Journal Nr. 52
Als einer, der auszog, ,,um das Fürchten zu lernen", offenbarte sich Franz Agerer, welcher in bewundernswerter Weise sein bereits 2012 hergestelltes HMT (horizontal montiertes Teleskop ohne ,,blinden" Bereich am beobachtbaren Himmel) nun vollständig automatisiert präsentierte. Ein langer beschwerlicher Weg führte ihn von der Planung zur Verwirklichung. Unter anderem musste er sämtliche Einbauten nochmals wegen einer Fehlersuche ausbauen, um jede Komponente einzeln geprüft wieder zu installieren. Dazu zählen immerhin zwei Computer, eine 12und zusätzlich eine 24-Volt-Versorgung, Notstromversorgung, die Steuerbox, ein Regensensor und viele weitere Bauteile, die jetzt einwandfrei ,,remote" über einen beliebigen Internetanschluss bedienbar sind (dies wurde bereits am Freitagabend vorgeführt).
Ein weiteres Remote-Teleskop präsentierte Max-Johann Pagel. Unser zweitjüngstes BAV-Mitglied betreibt ein ETX-80-Teleskop parallaktisch mit einer Canon-EOS-Kamera. Er kann mit Hilfe von zwei getrennt voneinander arbeitenden Laptops (einer davon steuert das Teleskop) aus der Wohnung heraus oder über das Internet sein Fernrohr ,,remote" bedienen und so Beobachtungen tätigen. Er tritt anscheinend in die Fußstapfen seines Großvaters Lienhard Pagel, der selbst auch ein ,,Remoter" ist.
Frank Walter stellte die Möglichkeit vor, mittels der Software ,,Binary Maker 3" Bedeckungssterne zu modellieren bzw. durch deren ermittelte und auch angenommene Werte reale Darstellungen des Sternpaares zu erzeugen. Während mit den (B-R)-Kurven Aussagen über Apsidendrehungen und Mehrkörpersysteme möglich sind, werden für Binary Maker 3 Annahmen über Radien- und Massenverhältnisse, Temperaturvorgaben (an der Oberfläche über den Spektraltyp) und weitere Annahmen (z. B. Sternflecke) benötigt. Dabei dient die eigene gemessene Gesamt-Lichtkurve als Maßstab. Durch Veränderung der Parameter wird die Binary-Maker-Lichtkurve so beeinflusst,
Veränderliche
121
1 Teilnehmer des Veränderlichenbeobachter-Treffens 2014 in Hartha
dass sie sich der eigenen Lichtkurve angleicht (einige Beispiele wurden gezeigt). Damit sollte dann das Abbild des Bedeckungssystems der Wirklichkeit sehr nahe kommen. Die Anpassung dauert durchaus mehrere Stunden. Frank Walter bittet um Zusendung von Gesamtlichtkurven Bedeckungsveränderlicher, er würde dann gerne die Modellierung des betreffenden Systems übernehmen.
Passend zum Thema berichtet Stefanie Rätz über ihre Beobachtungen am Bedeckungsveränderlichen V536 Ori im Sternhaufen um 25 Ori, den sie im Rahmen ihrer Mitarbeit am YETI-Projekt (Young Exoplanet Transit Initiative) verfolgen konnte. In diesem Projekt werden junge Sternhaufen auf Vorkommen von Exoplaneten untersucht, um herauszufinden, in welchem Alter der Sterne die Planetenbildung abgeschlossen ist. Während der weltweiten Kampagne mit Zusammenarbeit mehrerer Teleskope auf allen Kontinenten, die schon einige Jahre andauert und die eine 24-StundenBeobachtung an 7 Tagen in der Woche anstrebt, konnte Stefanie Rätz die lange Periode von V536 Ori auf 6,317029 Tage verbessern.
Dass Mirasterne durchaus spannend sein können, zeigte Frank Vohla am Beispiel von U Orionis. Dessen Periode bezeichnet der GCVS mit 363,4 Tagen. Gemäß seinem (B-R) scheint sich diese Zeit nun auf 375,8 Tage erhöht zu haben, so dass der Stern aufgrund seiner Periode von fast
1 Jahr möglicherweise für die nächsten Jahre bzw. Jahrzehnte nicht mehr im Maximum beobachtbar wäre. In 2014 hatte U Ori allerdings das Maximum deutlich früher als berechnet (nämlich am 29. März), so dass die genannten Annahmen vielleicht nicht zutreffen werden. Frank Vohla ruft zur Beobachtung des Maximums im Frühjahr 2015 auf.
Mit Michael Bernhard trägt nun bereits der dritte jüngere Redner in Hartha vor, er spricht über ein neues Gebiet beim Datamining: aktive Galaxienkerne und Quasare. Seine Vortragsweise ist kurzweilig und unterhaltsam. Gemeinsam mit seinem Vater Klaus Bernhard und Stefan Hümmerich (Letzterer konnte nicht anwesend sein) untersuchten sie RöntgenDatenbanken (MACHO) im Hinblick auf schwächere veränderliche Quellen. Während stärkere veränderliche Röntgenquellen eher meist Fleckensterne darstellen, finden sich unter den schwächeren veränderlichen Röntgenquellen Galaxienkerne, Seyfertgalaxien und Quasare als Gegenstücke. Nach der kurzen Erklärung, wie sich die genannten Objekte voneinander unterscheiden, berichtet dann Klaus Bernhard über Sinn und Zweck dieses Projektes: das Helligkeitsverhalten von Galaxienkernen, Quasaren und ähnlichen Gebilden ist bisher kaum dokumentiert. Bei einigen Objekten könnte man halbregelmäßiges Verhalten mutmaßen, weitere Beobachtungen werden es zeigen (siehe auch Artikel zum Thema in den BAV-Rundbriefen 1- und 2-2014).
Thilo Bauer widmete sich erneut der 3-Farben-Fotometrie mit seiner Neubzw. Weiterentwicklung ,,ArgusPro SE". Dieses Programm kann subpixelgenau viele kurzbelichtete Farbaufnahmen mit DSLR untereinander ausrichten und stapeln, so dass durch die Summe der aufeinandergestapelten, kurzbelichteten Bilder durchaus Sterne bis zur 21. Größe und darüber hinaus sichtbar sind. Die Bildqualität verbessert sich durch die hochgenaue Ausrichtung, eine Analyse von Sternfeldern oder ganzen Sternhaufen ist durch die verwendeten Optiken möglich, in allen drei Farben der DSLR.
Eine ursprüngliche Amateurbeobachtung kann in Arbeiten von Profis münden. Dies zeichnete Rainer Gröbel im Vortrag über NSV 25977 nach. Bereits 1992 beobachtete er BD +59 Grad 2602, welcher Bedeckungslichtwechsel zeigte, aber immer wieder asymmetrische Schultern mit Flickering in der Lichtkurve bot. Dieses fand über Uli Bastian den Weg zu den Profis, was dann letztendlich zur NSVNominierung führte. Mittlerweile ist klar, dass NSV 25977 ein SW-Sextantis-Stern ist, mit der etwas ungewöhnlichen Periode von etwa 5,5 Stunden.
Am Ende der Tagung entführte Wolfgang Grimm die Teilnehmer mit eindrucksvollen Bildern nach Namibia und erzählte kurzweilig interessante, bemerkenswerte und amüsante Anekdoten seiner Reise.
VdS-Journal Nr. 52
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VdS-Nachrichten
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
Straße
PLZ Ort
20380
Schael
Anja
Steinberg 8
16866 Wutike
20406
SchwarzThomasHein-Kröger-Str. 2622589 Hamburg
20410Fiedler
Joachim
Wenstrup 1949434Neuenkirchen
20411Dr. Wendt
Georg
Rue J.-P. Kommes 4L-6988 Hostert
20449
Hold
SiegfriedSchulberg 252
A-8323 St. Marein
20450
GehdeMoritzBergstraße 1284048 Mainburg
20451
Schätzl
SvenHohenfriedeingenstraße 2178315Radolfzell
20452
Hergarten
Günter
Oberdorfstraße 34 a
53340 Meckenheim
20453Ries
Friedbert
Breslauer Straße 976532 Baden-Baden
20454
Schwartau
JohnSanscherbenweg 17
21629Neu Wulmstorf
20455
BaronUweNeufeldstraße 6176187 Karlsruhe
20456Rottstock
Dirk
Am Sonnenrain 20
73433 Aalen
20457
Stumpe
MichaelThüringer Straße 9
51766 Ründeroth
20458
Kranz
StefanAm Sternenkeller 1777933 Lahr
20459
SteingötterIngoJansonstr. 9
07745 Jena
20460
SpadingerLambert
Friedhofweg 3
78196Bräunlingen
20462Geyer
Christoph
Dr. Schöpflinstr. 5
68165Mannheim
20463Holoch
Martin
Igelweg 8
71296 Heimsheim
20465
Bösch
IngridWilstorfstraße 3878050 Villingen-Schwenningen
20466Reinhardt
RudolfBreitingerstr. 18
73732 Esslingen
20467MuttersbachMatthiasAm Albblick 18
72250Freudenstadt
20468
Ritter
RainerSchwabbacher Str. 1570437 Stuttgart
20469
ScharfschwerdtHans JoachimOberweierer Hauptstraße 88
77948 Friesenheim
20470
Schneider
PeterKaltenberger Str. 32/188069 Tettnang
20471
Weis
FrançoisIndustriestr. 55L-9099Ingeldorf
20472Hilger
ThomasLohen 684559Kraiburg
20473
Astronomie im Chiemgau e.V.Lohen 6
84559 Kraiburg
20474
GreulichPeterBertha-von-Suttner-Weg 13 71522Backnang
20475
Kranz
PaulGapetschstraße 55A
FL-9494 Schaan
20476
Hinz
RonaldBadgasse 1269168 Wiesloch
20477
von Schauroth
KaiTannenwaldallee 47
61348 Bad Homburg
20478
Kairies
Kai-UweJustmintstr. 17
77948 Friesenheim
20479
CarkaciIsmailJakob-Laubach-Str. 86
55130 Mainz
20480
Kiermayer
Max-JosefPlommerstr. 16 a
82256 Fürstenfeldbruck
20481
Müller
MonikaHauptstraße 60 a
Förderverein SW Zwickau
08115Lichtentanne
20482Schall
DietmarBreitenbachstr. 27
69234 Dielheim
20483MöllerManfredSchillerstraße 463322 Rödermark
20484
Dr. FliegeTomSteubenstraße 4
44137 Dortmund
20485
Schönthaler
Mike
Eugenstraße 47
73760Ostfildern
20486
BonathChristian
Mietersheimer Hauptstraße 20 77933 Lahr/Schwarzwald
20487
Lerch
Christiane
Flachsweg 13
70599 Stuttgart
20488König
Klaus
Feuerbachstraße 1A67122 Altrip
20489
Beckmann-Lenneper Helmut
Würdinghausenstraße 34
57399 Kirchhundem
20490Meibaum
Karsten
Sensburger Ring 3
31141 Hildesheim
VdS-Journal Nr. 52
VdS-Nostalgie
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ausgewählt und zusammengestellt von Peter Völker - Folge 24
In Folge 23 dieser Serie hatte ich Ansgar Kortes Aufruf an die Sternfreunde in Essen abgedruckt. Im Juni-Heft 1965, Seite 85, lesen wir, dass Treffen stattfinden. Ungewöhnlich ist der Fund der Sternwarte Recklinghausen, der einen Schulklasse-Test von etwa 1903 zutage förderte. Die Abbildungen aus den damaligen VdS-Nachrichten sind hier verkleinert.
Besonders interessant für uns heutige VdS-Mitglieder ist der Passus: ,,Die V.A.P.-Bibliothek und das Archiv ging seinerzeit fast vollständig in den Besitz der Sternwarte Recklinghausen über." Ein ,,Fall" für unsere Fachgruppe Geschichte nachzuforschen, ob davon noch etwas existiert!
124
VdS-Nostalgie
VdS-Journal Nr. 52
VdS vor Ort/Porträt
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Dem Himmel so nah - die Sternwarte St. Andreasberg
von Eva Walitzek
Traditionell galt das Interesse im Oberharz eher den Schätzen, die unter der Erde liegen. Dem Bergbau verdankte Sankt Andreasberg - wie auch andere Orte in der Region - jahrhundertelang seine Bedeutung, den Wohlstand - und wohl auch seine Stadtrechte. Doch jetzt richten sich die Blicke in der Bergstadt immer öfter gen Himmel. Am 22. August 2014 wurde die Sternwarte Sankt Andreasberg offiziell eingeweiht. Sie ist die höchstgelegene Sternwarte in Norddeutschland und soll nach ihrem Ausbau die erste vollständig barrierefreie Sternwarte in Deutschland werden (Abb. 1). Träger ist der im Jahr 2008 gegründete, gemeinnützige Verein ,,Sternwarte Sankt Andreasberg".
Die Idee, eine Sternwarte zu bauen, hatte ein Gast, der seinen Urlaub in Sankt Andreasberg verbrachte. Der Amateurastronom war vom Himmel über der
1 Noch wird emsig gebaut, aber ab August 2014 erreichen Teilnehmer - auch mit
Rollstühlen - über eine Rampe und Wege die Teleskopsäulen im Außenbereich der Sternwarte. Alle Bilder: Utz Schmidtko
2
Milchstraße, aufgenommen am 2. August 2013 mit Nikon D5200 und Nikon-Objektiv 1:2,8/10,5 mm. Bei ISO 1600 wurde fünf Minuten belichtet.
Teilnehmer beim Teleskoptreffen besonders im vergangenen Jahr überzeugen. Es fand - zum zweiten Mal - direkt auf dem Gelände der neuen Sternwarte statt. Im Jahr 2014 veranstaltete der Verein das 5. STATT (Abb. 3).
Bergstadt begeistert. Mit gutem Grund. Mehr als 700 Meter über NN ist man dem Himmel nicht nur ein Stück näher als in den meisten Orten Norddeutschlands. Die Luft ist trübungsarm, die Lichtverschmutzung weit ab von den Ballungsgebieten vergleichsweise gering. Der Standort der neuen Sternwarte mitten im Nationalpark Harz zählt laut Bundesamt für Naturschutz zu den dunkelsten Regionen in Deutschland (Abb. 2). Messungen mit
dem SQML zeigten im April 2011 einen Wert von 21,81 mag/arcsec2. In puncto Qualität des Nachthimmels gehört Sankt Andreasberg zu den sechs besten Regionen in Deutschland. Und so bewirbt der Verein das von ihm organisierte SanktAndreasberger-Teleskoptreffen (STATT) selbstbewusst mit dem Slogan ,,Sankt Andreasberg statt Namibia". Von den ausgezeichneten Beobachtungsbedingungen konnten sich die Teilnehmerinnen und
3 Plakat für das ,,STATT 2014"
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VdS vor Ort/Porträt
4 Ideal für Astro-Tourismus - eine Gruppe der Sternwarte
Hattingen belegte Quartiere nur zehn Meter vom Sternwartengebäude entfernt.
5 Der 2. Vorsitzende beim Verlegen der Strom und PC-Kabel
zwischen den fünf Säulen.
Eigentlich sollte die Sternwarte einige hundert Meter entfernt gebaut werden. Der Verein besaß bereits zwei Grundstücke in unmittelbarer Nähe der Landschulheime. Ein von den Naturschutzbehörden gefordertes Gutachten bestätigte, dass die Sternwarte keine geschützten Tier- und Pflanzenarten beeinträchtigten würde. Doch weil die Grundstücke in der höchsten Naturschutzzone lagen, waren die Auflagen der Naturschutzbehörden zu hoch. ,,Wir hätten - wenn überhaupt - erst in einigen Jahren mit dem Bau der Sternwarte beginnen können", erinnert sich der erste Vorsitzende des Vereins, Utz Schmidtko. Außerdem hätte der kleine Verein mit nur 70 Mitgliedern die finanzielle Belastung durch den Neubau einer Sternwarte kaum schultern können. Großsponsoren gibt es bislang nicht; die Gemeinde unterstützt den Verein zwar ideell, aber nicht finanziell. Und so war das Angebot, ein leerstehendes Gebäude am Internationalen Haus Sonnenberg (IHS), einer internationalen Begegnungsstätte, zu mieten, für den Vorstand eine willkommene, weil finanziell deutlich günstigere Alternative.
Was als Notlösung geplant war, erweist sich indes immer mehr als ein Glücksgriff. ,,Wir können die Infrastruktur des IHS nutzen - nicht nur beim STATT, sondern auch im Alltag", nennt Utz
VdS-Journal Nr. 52
Schmidtko ein Beispiel. So können Besucher der Sternwarte zu Sonderkonditionen im IHS übernachten. Eine Gruppe aus dem Ruhrgebiet nutzte diese Möglichkeit bereits im Mai - noch vor der offiziellen Eröffnung der Sternwarte. Die Hobbyastronomen mieteten sich für mehrere ,,Spechtelnächte" in einem Gebäude direkt oberhalb der Sternwarte ein (Abb. 4) und konnten ihre Teleskope
quasi auf ihren Terrassen aufbauen. ,,Sie waren so begeistert, dass sie im nächsten Jahr wiederkommen wollen", berichtet Reinhard Görke (Abb. 5), der zweite Vorsitzende des Vereins.
Umgekehrt profitiert die Sternwarte von jährlich mehreren Tausend Besuchern des IHS. ,,Das IHS macht seine Gäste auf die Sternwarte und unsere Angebote auf-
6 Mario König (links) erklärt dem blinden Studenten Niels Luithardt seinen Refraktor.
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127
merksam und erhöht so Besucherzahlen und Bekanntheit der Sternwarte - auch außerhalb Deutschlands", betonen Utz Schmidtko und Reinhard Görke. Künftig wird es spezielle Angebote für die Gäste des IHS geben, beispielsweise Beobachtungsabende, Einführungen in die Astronomie oder auch Filmnächte rund ums Thema Astronomie und Weltall. Ab Herbst bietet der Verein Sternwarte Sankt Andreasberg in Kooperation mit dem IHS mehrtägige Veranstaltungen an - den Auftakt bilden ein Wochenendseminar zum Thema ,,Verlust der Nacht" und ein mehrtägiger Workshop mit Schülerinnen und Schülern der Pestalozzischule Großburgwedel und des Gymnasiums Braunlage. ,,Dieses Inklusionsprojekt wird durch den Reiff-Bildungspreis ermöglicht, bei dem unser Verein im vergangenen Jahr, gemeinsam mit der Pestalozzischule den dritten Platz belegte." Utz Schmidtko ist Lehrer an der Pestalozzischule in Burgwedel bei Hannover, Reinhard Görke betreut eine Astro-Arbeitsgemeinschaft am Gymnasium Braunlage. Mittelfristig ist eine gemeinsame Kinder- und Jugendakademie für Astronomie, Umwelt und MINT geplant.
Fast ein Jahr lang haben engagierte Mitglieder das Gebäude mit viel Eigenarbeit zur Sternwarte umgebaut. Im Erdgeschoss gibt es jetzt einen Veranstaltungsraum für Vorträge, Workshops
und Liveprojektion. Auf dem Außengelände wurden fünf Säulen mit massiven, erschütterungsfreien Fundamenten und mit Stromanschluss (12 und 230 V) errichtet, auf denen Amateurastronomen - Vereinsmitglieder und Gäste - mit Hilfe angebotener gängiger Adapter eigene Montierungen und Teleskope aufstellen können. Zudem wird eine Fläche von acht Meter Durchmesser geschaffen, auf der künftig eines der größten Spiegelteleskope Niedersachsens aufgebaut werden kann.
Finanziert wurden die Baumaßnahmen im Außenbereich z. T. über ein Crowdfunding-Projekt durch Spenden von Astrofans aus ganz Deutschland und Österreich. Zwei
7 Liveprojektion von der Säule im Außenbereich direkt in
den Vortragsraum, um allen Menschen die Himmelsobjekte zeigen zu können.
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der fünf Säulen sind über eine Rampe zu erreichen, eine davon soll mit einer Schwenkarm-Montierung versehen werden, damit Rollstuhlfahrer, Kinder und kleinere Menschen sie problemlos nutzen können. Dass Barrierefreiheit ein Markenzeichen der Sternwarte wird, hängt sicherlich auch mit dem Beruf des Vereinsvorsitzenden zusammen. Er bringt in Astronomie-AGs und in Projektwochen seit Jahren geistig behinderten, lernschwachen und verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen astronomische Themen nahe und weiß, dass sich viele dafür begeistern. Ziel des Vereins ist es, allen Menschen - jungen und alten, behinderten und nicht behinderten - den Himmel nahe zu bringen, ihnen astronomische Kenntnisse zu vermitteln und den Blick ins Universum zu ermöglichen. Rampen und Handläufe, die Rollstuhlfahrern und gehbehinderten Menschen den Zugang zur Sternwarte und zum Außengelände ermöglichen oder erleichtern, reichen nicht aus.
Um die besonderen Belange behinderter Menschen zu berücksichtigen und Planungsfehler zu vermeiden, wurden bereits früh Experten mit einbezogen. So kooperiert der Verein mit dem Niedersächsischen Blindenverband und pflegt enge Kontakte zum Verein ,,Andersicht e. V.", einem Verein für hör- und tastsinnige Projektarbeit. Wertvolle Impulse und Anregungen brachte auch eine vom Verein organisierte Fachtagung im Oktober 2013, an der Fachleute verschiedener Behinderungsarten teilnahmen. ,,Bei der Begehung der Räume haben uns die Teilnehmer auf mögliche Probleme aufmerksam gemacht und auch Möglichkeiten aufgezeigt, die wir bislang noch nicht bedacht hatten", erklärt Utz Schmidtko.
Die Sternwarte spricht alle Sinne an und berücksichtigt verschiedene Einschränkungen wie Lernbehinderung, geistige Behinderung, Seh- und Hörbehinderungen etc. So können beispielsweise Blinde und Menschen mit Sehbehinderungen das Universum mit Hilfe audiovisueller Medien wahrnehmen: akustisch, visuell mit und ohne Technik, aber auch taktil, also mit Hilfe des Tastsinns an verschiedenen Modellen (Abb. 6). Sie fühlen und hören, was am Himmel zu sehen ist. Sterne, Planeten, Nebel oder andere
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8 Modell der künftigen Sternwarte
Himmelsphänomene werden von einem ,,sprechenden Teleskop" beschrieben, das auf einer der Säulen montiert werden soll. Über eine Kamera lassen sich Livebilder des Universums, z. B. von Sonne, Planeten, Galaxien oder Mondkratern, mit PC/Beamer in den Veranstaltungsraum der Sternwarte übertragen und auf eine große Leinwand projizieren. So können bei Vorträgen und Veranstaltungen bis zu 30 Menschen gleichzeitig ,,durchs Teleskop blicken" (Abb. 7). Die Projektion erleichtert aber auch Menschen mit Sehbehinderungen den Blick ins Universum. ,,Ein erster Test mit einer Watec-120NKamera hat funktioniert und lieferte gute Bilder, obwohl die Sichtbedingungen nicht optimal waren", sagt Dipl.-Ing. Michael Koch. Er baut und entwickelt in seinem Unternehmen ,,astro-electronic" u. a. Steuerungen (FS 2) für Teleskopmontierungen, im Verein ist er für die Astrotechnik zuständig. Derzeit plant er ein Teleskop mit einem 1,2-Meter-Spiegel, das in einigen Jahren zu einem besonderen Highlight der höchsten Sternwarte Norddeutschlands werden soll.
Der Verein hat noch große Pläne. So soll das Dachgeschoss des Gebäudes präpariert werden, damit ein Hypergraf mit 400 Millimeter Öffnung aufgestellt werden kann (Abb. 8). Er befindet sich auf einer computergesteuerten Montierung
(Typ Knopf MK70S) und kann sowohl visuell als auch fotografisch genutzt werden. ,,Bis es soweit ist, werden wir das Gerät nur in einigen Nächten auf dem Außengelände aufbauen", erklärt Michael Koch. Langfristig ist außer einem Rolldach oder einer Kuppel außerdem ein barrierefreier Zugang zum Obergeschoss geplant. Die offizielle Eröffnung der Sternwarte ist also nur ein Zwischenschritt auf einem langen Weg zur ersten, vollständig barrierefreien Sternwarte in Deutschland.
VdS vor Ort / Podium podium@vds-astro.de
129
Mitglieds-Nr. 12378
Volkssternwarte Ennepetal e. V.
Im Jahr 1970 bauten einige Hobbyastronomen auf einer Wegparzelle eine Beobachtungshütte mit drehbarem Klappdach. Drei Jahre später wurde der Verein Volkssternwarte Ennepetal e. V. gegründet. 1995 wurde die Beobachtungshütte durch eine Kuppel mit vier Meter Durchmesser ersetzt, in der unser größtes Teleskop, ein 12-Zoll-Newton, fest auf einer Deutschen Montierung aufgebaut ist. 2006 wurde mit großzügiger Unterstützung durch ein Ennepetaler Wirtschaftsunternehmen ein neues Vereinsheim gebaut. In dem großen Vortragsraum für bis zu 35 Besucher präsentieren wir regelmäßig Vorträge zu astronomischen Themen.
Zum 40-jährigen Bestehen im Jahr 2013 wurde das Ennepetaler Planetenmodell fertiggestellt. Tafeln zeigen Sonne, Planeten und Pluto. Sowohl die Abstände als auch die Durchmesser sind im Maßstab 1:1.000.000.000 dargestellt.
Ein wichtiges Ziel des Vereins ist die Wissensvermittlung über Astronomie und Weltraumforschung. Durch unsere Aktivitäten an der Sternwarte und durch die Teilnahme an Veranstaltungen in der Region erreichen wir jedes Jahr über 1500 Menschen.
Aktivitäten an der Sternwarte: Himmelsführungen, öffentliche Beobachtungen - auch tagsüber (Sonne mit Weißlichtund Coronado-H-Alpha-Filter), Vorträge, Gruppenführun-
1 Blick auf die 4-Meter-Kuppel und das Vereinsheim
Volkssternwarte Ennepetal e. V.
gen für Schulklassen, Jugendgruppen, Firmen und Vereine, Beratung z. B. beim Kauf und der Bedienung von Teleskopen. Über unsere Aktivitäten informieren wir auf unserer Homepage und mit einem Newsletter.
Kontakt: Volkssternwarte Ennepetal e. V. Hinnenberg 80 | 58256 Ennepetal-Voerde Tel.: 0 23 33 / 6 26 46 oder während unserer Öffnungszeit jeden Freitag ab 19:00 Uhr: info@volkssternwarteennepetal.de | www.volkssternwarte-ennepetal.de
Mitglieds-Nr. 19702
Regionale Volks- und Schulsternwarte Tornesch e. V.
Die Wurzeln der jungen Sternwarte in Tornesch im Kreis Pinneberg reichen zurück in das Jahr 1989. Damals baute Herr Bodo Hübner dort eine Heimsternwarte, gab Astronomie-Kurse in der Volkshochschule und schrieb astronomische Beiträge für die Regionalzeitung. Parallel dazu gab es am Ort eine ,,Interessengemeinschaft Liebhaber der Astronomie" von pensionierten Wissenschaftlern. Aus dem Zusammenschluss entstand später der Verein ,,Regionale Volks- und Schulsternwarte Tornesch e. V.". Erst im Jahr 2010 konnte die Sternwarte auf dem Dach der neu erbauten Gesamtschule - bestückt mit einem C-14-Spiegelteleskop in der Kuppel - eröffnet werden.
Der Verein mit Bodo Hübner als Vorsitzendem zählt heute 45 Mitglieder und bietet zahlreiche kostenlose Aktivitäten für Kinder und Erwachsene wie monatliche Beobachtungsnächte, Einladungen von Schulklassen und Gruppen oder astronomische Vorträge. Der Verein betreibt zudem Sonnenbeobachtung und Astrofotografie und führt Besuche zu anderen Sternwarten oder wissenschaftlichen Instituten durch. Alljährlich im August findet die Perseidenbeobachtung auf einem nahen Flugplatz statt. Besonders erfolgreich war im
Juni 2011 das ,,Erste Norddeutsche Sternwartentreffen" in Tornesch, welches in der deutschen Astroszene große Beachtung fand. Dieses Treffen ist inzwischen zur Institution geworden: Es hat 2012 in Lübeck und 2013 in Braunschweig stattgefunden. Am 23. August 2014 diesen Jahres war die Sternwarte St. Andreasberg an der Reihe (siehe Beitrag auf Seite 121).
Kontakt: E-Mail: kontakt@rvst.de | http://sternwarte-tornesch.de
VdS-Journal Nr. 52
Planeten im Januar
Merkur zeigt sich Mitte Januar am Abendhimmel. Dabei zieht er nahe an Venus vorbei, kleinster Abstand am 11.1.
Venus beginnt das Jahr als Abendstern, doch noch steht sie tief am Südwesthim-
,, mel. Ihr Scheibchen ist klein (11 ) und voll beleuchtet.
Mars kann Anfang Januar noch abends , gesehen werden. Am 19.1. zieht er in 14 Abstand an Neptun vorbei. Am 22.1. steht der Mond zwischen Mars und Venus.
Jupiter wird am 6.2. in Opposition stehen und ist daher schon jetzt fast die gesamte Nacht zwischen Krebs und Löwe zu sehen.
Saturn ist ein Objekt für die frühen Morgenstunden, tief am Südosthimmel.
Uranus in den Fischen kann noch abends gesehen werden, er geht aber bald unter.
Neptun im Wassermann ist noch schwieriger als Uranus zu beobachten, er geht früher unter.
Ereignisse im Januar
01.
R Cassiopeiae im Anstieg zum
Maximum Anfang Feb mit
4,7 mag o. schwächer
01. 02:27 Jupitermonde Europa u. Gany-
med berühren sich
02. 03:49 Jupitermond Europa bedeckt
Ganymed partiell, bis 04:07
02. 18h Mond 3,4 Grad O Aldebaran ( Tauri,
1,0 mag), Osthimmel
02. 23:54 Schatten von Europa und Io
gleichzeitig auf Jupiter, bis
02:12
03. Abend Maximum Sternschnuppen-
schauer Quadrantiden, max.
100/h, 40 km/s, Radiant im
Sternbild Bootes, ganze Nacht
04. 0h max. Libration im Mond-NO,
7,8 Grad
04. 8h Erde im Perihel (Sonnendistanz
0,983 AE)
05. 05:53 Vollmond
06. 23:29 Jupitermond Europa verfinstert
Io partiell (Größe 0,12), bis 23:37
07. 01:03 Jupitermond Europa bedeckt Io,
bis 01:14
08. 04:23 Jupitermond Europa verfinstert
Ganymed, Größe 0,40, bis 05:09
08. 6h Mond 5,6 Grad S Jupiter (-2,5 mag)
08. 23:07 Mond 4,5 Grad S Regulus ( Leonis,
1,4 mag)
09. 07:22 Jupitermond Europa bedeckt
Ganymed, Größe 0,37, bis 07:37
09. 19h 10. 02:14
10. 18h 10. 23:40
12. 05:05
12. 17:51
13. 7h 13. 10:46 14. 02:13 14. 03:21 14. ca. bis 19. 16. 7h 16. 18h
Mond erdfern, Winkeldurchm. 29,5' Schatten von Europa und Io gleichzeitig auf Jupiter, bis 04:05 Merkur (-0,8 mag) bei Venus (-3,9 mag), Abstand 0,7 Grad Algol (Beta Persei) Minimum 3,4 mag, Abstieg v. 2,1 mag in rd. 3 Std. Kleinplanet (94) Aurora (11,8 mag) bedeckt Stern TYC 244400566-1 (10,6 mag) für 18,6 s, Sternbild Zwillinge, Pfadverlauf Österreich-W-Deutschland SO-NW Kleinplanet (171) Ophelia (14,0 mag) bedeckt Stern HIP 10549 (8,6 mag) für 13,2 s, Sternbild Widder, Pfadverlauf Deutschland W-NO Mond 3,4 Grad NW Spica ( Virginis, 1,1 mag)
Letztes Viertel Jupitermond Europa verfinstert Io, Größe 0,25, bis 02:21 Jupitermond Europa bedeckt Io, Größe 0,50, bis 03:31 Merkur (-0,5 mag) Abendsichtbarkeit, max. Elongation Ost 19 Grad , WSW-Horizont Mond 3,1 Grad N Saturn (0,5 mag) Merkur (-0,5 mag) Dichotomie, Phase 50 %, 7,2'`
Planeten im Februar
Merkur erreicht am 24.2. eine westliche Elongation, wird aber nur für Breitengrade südlich 45 Grad hoch genug steigen, um sichtbar zu sein.
Venus wird abends immer besser sichtbar. Am 1.2. steht sie weniger als ein Grad von Neptun entfernt, am 21.2. ist sie nahe bei Mars.
Mars läutet den Abend ein, man findet ihn über dem Südwesthorizont. Am 20.2. mit Mond.
Jupiter steht am 6.2. in Opposition, kurz zuvor ist er vom Löwen in den Krebs gewandert. Jetzt gegenseitige Mondbedeckungen beobachten!
Saturn im Skorpion steht morgens schon über dem Südhorizont; am 13.2. neben ihm der Mond.
Uranus in den Fischen ist abends noch kurz sichtbar, geht aber rasch unter.
Neptun steht in diesem Monat am 26.2. in Konjunktion mit der Sonne; nachts unsichtbar.
Ereignisse im Februar
01. ca. 19:32
01. 22:42
02. 02:37
02. 19:19 02. 19:31 04. 00:09 04. 7h 05. 06:30 05. 19:57 05. 19:59 06. 7h 06. 19h 06. 19:58
Mond beginnt Bedeckung Lambda Geminorum (3,6 mag), Uhrzeit abh. v. Standort, bis ca. 20:40 Kleinplanet (23) Thalia (10,6 mag) bedeckt Stern TYC 182200986-1 (10,0 mag) für 14,9 s, Sternbild Stier, Pfadverlauf Deutschland-S nach ÖsterreichNO Jupitermond Ganymed verfinstert Kallisto, ringförmig, Größe 0,06, bis 02:42 Jupitermond Ganymed verfinstert Io, Größe 0,23, bis 19:23 Jupitermond Ganymed bedeckt Io, partiell, Größe 0,56, bis19:38 Vollmond Mond 5,9 Grad S Jupiter (-2,6 mag) Mond 4,7 Grad S Regulus ( Leonis, 1,4 mag) Jupitermond Io verfinstert Ganymed, Größe 0,20, bis 20:01 Jupitermond Io bedeckt Ganymed, Größe 0,40, bis 20:05 Mond erdfern, Winkeldurchm. 29,4' Jupiter (-2,6 mag, 45,4'`) in Opposition zur Sonne Jupitermond Europa bedeckt Ganymed, partiell, Größe 0,18, bis 20:06
07. 07. 22:54 07. 22:58
09. 06:26 09. 21:55
09. 22:07 09. 24h 12. 04:50 12. 19:24 12. 22:22
12. 22:45
13. 3h 13. 6h 13. 22:57 14. 0h 15. 00:59
R Cassiopeiae im Maximum mit 4,7 mag o. schwächer Jupitermond Europa bedeckt Io, partiell, Größe 0,63, bis 23:02 Jupitermond Europa verfinstert Io, ringförmig, Größe 0,16, bis 23:04 Jupitermond Io bedeckt Europa, partiell, Größe 0,77, bis 06:30 Jupitermond Ganymed bedeckt Io, partiell, Größe 0,67, bis 22:02 Jupitermond Ganymed verfinstert Io, Größe 0,42, bis 22:12 Mond 4,0 Grad NO Spica ( Virginis, 1,1 mag), Osthorizont
Letztes Viertel Jupitermond Io bedeckt Europa, partiell, Größe 0,69, bis 19:28 Jupitermond Io bedeckt Ganymed, partiell, Größe 0,55, bis 22:29 Jupitermond Io verfinstert Ganymed, ringförmig, Größe 0,24, bis 22:50 Mond 2,1 Grad N Saturn (0,5 mag) Mond 8,5 Grad N Antares ( Scorpii, 1,1 mag) Jupitermond Europa bedeckt Ganymed, Größe 0,09, bis 23:03 max. Libration im Mond-SW, 9,9 Grad Jupitermond Europa bedeckt Io, partiell, Größe 0,72, bis 01:07
Planeten im März
Merkur bleibt im März im hellen Sonnenlicht verborgen, am 18.3. zieht er an Neptun vorbei.
Venus dominiert zunehmend den Abendhimmel, ihr Winkelabstand zur Sonne vergrößert sich. Am 4.3. steht sie bei Uranus und am 22.3. findet man unter ihr die Mondsichel.
Mars versinkt am frühen Abend unter dem Westhorizont, man muss ihn gleich aufsuchen. Am 11.3. passiert Mars den Uranus.
Jupiter stand Anfang Februar in Opposition und ist auch im März das hellste Objekt der Nacht.
Saturn geht jetzt vor Mitternacht auf, man kann ihn in der zweiten Nachthälfte beobachten.
Uranus verabschiedet sich vom Abendhimmel, er ist ein Fall für Spezialisten.
Neptun taucht bald wieder am Morgenhimmel auf, doch noch nicht in diesem Monat.
Ereignisse im März
01. 05:09
02. 19:42
02. 21:23
02.
03. 03. ab
04:30 03. 05:05 04. 19:15 04. 19:30 05. 9h 05. 19:05 06. 01:19 06. 02:15 09. 01:42
Jupitermond Europa bedeckt Io, ringförmig, Größe 0,86, bis 05:16 Jupitermond Ganymed bedeckt Europa, partiell, Größe 0,63, bis 19:48 Jupitermond Ganymed verfinstert Europa, Größe 0,46, bis 21:28 Kleinplanet (3) Juno (8,8 mag) 0,9 Grad W Stern Beta Cancri (4,4 mag) Mond südl. Jupiter, Morgenhimmel Mond beginnt Bedeckung von Stern Alpha Cancri (4,3 mag), Uhrzeit abh. v. Standort Jupitermond Ganymed bedeckt Io, total, bis 05:11 Mond 5,5 Grad SO Regulus ( Leonis, 1,4 mag) Venus (-4,0 mag) 180'' N Uranus, WSW-Himmel Mond erdfern, Durchm. 29,4' Vollmond Jupitermond Io bedeckt Europa, partiell, Größe 0,13, bis 01:22 Jupitermond Io verfinstert Europa, Größe 0,11, bis 02:17 Mond 2,6 Grad N Spica ( Virginis, 1,1 mag)
09. 22:30 10. 00:37 11. 19h 11. 20:17 11. 21:30 12. 02:07
12. 05:30 13. 04:28 13. 05:30 13. 18:48 14. 0h
Jupitermond Ganymed bedeckt Europa, partiell, Größe 0,44, bis 22:35 Jupitermond Ganymed verfinstert Europa, ringförmig, Größe 0,78, bis 00:42 Mars (1,3 mag) 11' N Uranus (5,9 mag) Jupitermond Europa bedeckt Io, partiell, Größe 0,77, bis 20:24 Jupitermond Europa verfinstert Io, Größe 0,43, bis 21:35 Kleinplanet (216) Kleopatra (11,9 mag) bedeckt Stern HIP 54599 (8,0 mag) für 8,0 s, Sternbild Becher, Pfadverlauf: Schweiz - Deutschland-W, Kleinplanet hat 2 Monde! (s.a. Artikel im VdS-Journal 52) Mond 2,4 Grad NW Saturn (0,4 mag) und 10 Grad NW Antares ( Scorpii, 1,1 mag) Jupitermond Io verfinstert Europa, partiell, Größe 0,27, bis 04:31 Mond 10 Grad NO Antares ( Scorpii, 1,1 mag) Letztes Viertel max. Libration im Mond-SW, 10,1 Grad
Service 133
Weitere Ereignisse im Januar:
17.0h 17. 04:51 17. 7h 17. Abend
19. 03:30 19. 20. 14:14 20. Abend
21. 04:49 21. 05:34 21. 18h
max. Libration im Mond-SW, 8,9 Grad Schatten von Europa und IO gleichzeitig auf Jupiter, bis 05:58 Mond 8,5 Grad NO Antares ( Scorpii, 1,1 mag) Maximum Sternschnuppenschauer Delta-Cancriden, ca. 4/h, 30 km/s, Radiant im Sternbild Krebs, ganze Nacht Jupitermond Ganymed bedeckt Europa, total, bis 03:37 Mars (1,2 mag) 0,3 Grad S Neptun (8,0 mag), Abendhimmel
Neumond Maximum Sternschnuppenschauer Gamma-Ursiden, ca. 10/h, ca. 0,5 mag, 30 km/s, Radiant im Sternbild Kleiner Bär, ganze Nacht Jupitermond Europa verfinstert Io, Größe 0,33, bis 04:56 Jupitermond Europa bedeckt Io partiell, Größe 0,50, bis 05:43 Mond 2,3 Grad N Merkur (0,2 mag, Phase 25%)
Weitere Ereignisse im Februar:
15. 01:21
16. ca. 08:42
17. 00:18
17. 00:54 17. 7h 19. 00:47 19. 8h 19. 21:21 20. 00:48
20. 01:36
20. 20h
Jupitermond Europa verfinstert Io, ringförmig, Größe 0,53, bis 01:27 Mond beendet Bedeckung Rho1 Sagittarii (3,9 mag), Uhrzeit abh. v. Standort Jupitermond Ganymed bedeckt Io, partiell, Größe 0,82, bis 00:25 Jupitermond Ganymed verfinstert Io, Größe 0,63, bis 00:59 Mond 2,6 Grad N Merkur (0,3 mag) Neumond Mond erdnah, Winkeldurchm. 33,5' Jupitermond Io bedeckt Europa, partiell, Größe 0,50, bis 21:25 Jupitermond Io bedeckt Ganymed, partiell, Größe 0,65, bis 00:55 Jupitermond Io verfinstert Ganymed, ringförmig zentral, Größe 0,52, bis 01:42 Mond 4,4 Grad N Mars (1,3 mag)
21. 21h Mond erdnah, Winkeldurchm.
33,2'
22. 18:30 Mond zwischen Venus (-3,9
mag) und Mars (1,2 mag), SW-
Horizont
24.
Kleinplanet (3) Juno (8,1 mag) S
Stern Sigma Hydrae (4,4 mag)
24. 06:46 Jupitermond Kallisto verfinstert
Io während Io-Transit, Größe
0,19, bis 06:54
24. 18:39 Jupitermond Europa bedeckt Io,
Größe 0,52, bis 18:48
24. 19:52 Jupitermond Kallisto verfinstert
Io, ringförmig, Größe 0,37, bis
19:58
26. 06:12 Jupitermond Ganymed bedeckt
Europa, total, bis 06:19
27. 05:48 Erstes Viertel
27. 22:40 X Trianguli Minimum 11,3 mag,
Abstieg v. 8,6 mag in rd. 1,5 Std.,
weitere Minima täglich rd. 40
min früher
28. 07:19 Jupitermond Europa verfinstert
Io, Größe 0,41, bis 07:26
28. 22:00 X Trianguli Minimum 11,3 mag,
Abstieg v. 8,6 mag in rd. 1,5 Std.,
weitere Minima täglich rd. 40
min früher
21. 20h 22. 03:04 22. 03:42
24. 02:41
24. 03:39
24. 04:30
24.
25. 18:14 25. ca.
21:48
+3,9 Grad N Venus (-4,0 mag), WHorizont Venus (-4,0 mag) 28' S Mars (1,3 mag) Jupitermond Europa bedeckt Io, partiell, Größe 0,82, bis 03:11 Jupitermond Europa verfinstert Io, ringförmig, Größe 0,52, bis 03:48 Jupitermond Ganymed bedeckt Io, fast total, Größe 0,99, bis 02:48 Jupitermond Ganymed verfinstert Io, ringförmig, Größe 0,75, bis 03:44 Kleinplanet (7) Iris (9,0 mag) 13'' N Stern SAO 137952 (7,1 mag), Sternbild Löwe Merkur max. Elongation West (27 Grad ), jedoch keine Morgensichtbarkeit Erstes Viertel Streifende Sternbedeckung durch den Mond, SAO 93938 (6,9 mag), Sternbild Stier, Pfad verlauf ca. Kehl - Ulm - Salzburg
29.
Kleinplanet (3) Juno (8,1 mag)
in Opposition zur Sonne, Stern-
bild Hydra
29. 17:31 Mond 34' N Aldebaran ( Tauri,
1,0 mag), Osthimmel
29. 21:40 X Trianguli Minimum 11,3 mag,
Abstieg v. 8,6 mag in rd. 1,5 Std.,
weitere Minima täglich rd. 40
min früher
29. 23:14 Kleinplanet (804) Hispania (12,6
mag) bedeckt Stern TYC 1425-
00214-1 (10,4 mag) für 10,3 s,
Sternbild Löwe, Pfadverlauf
Deutschland O-W
30.
Saturn (0,5 mag) zieht am Stern
Beta Scorpii (2,4 mag) 1 Grad N
vorbei
30. 20:40 X Trianguli Minimum 11,3 mag,
Abstieg v. 8,6 mag in rd. 1,5 Std.,
weitere Minima täglich rd. 40
min früher
31. 0h max. Libration im Mond-NO,
8,5 Grad
31. 20:33 Jupitermond Europa verfinstert
Io, Größe 0,46, bis 20:40
31. 20:48 Jupitermond Europa bedeckt Io,
partiell, Größe 0,56, bis 20:56
26. ca. ab 01:20
26. 20:36
26. 21:25
26. 23:20 27. 27. 03:16
27. 04:33
28. ca. 01:24
Mond bedeckt Aldebaran (0,9 mag) nördl. einer Linie Flensburg-Kiel-Neubrandenburg, streifende Stenbedeckung ab ca. 01:24 Jupitermondschatten von Io und Kallisto gleichzeitig auf Jupiter, bis 20:59 Jupitermond Kallisto bedeckt Europa, partiell, Größe 0,30, bis 21:30 Jupitermond Io bedeckt Europa, partiell, Größe 0,31, bis 23:23 max. Libration im Mond-NO, 9,4 Grad Jupitermond Io bedeckt Ganymed, ringförmig, Größe 0,69, bis 03:24 Jupitermond Io verfinstert Ganymed, ringförmig zentral, bis 04:39 Streifende Sternbedeckung durch den Mond, SAO 95572 (6,3 mag), Sternbild Zwillinge, Pfadverlauf ca. Adenau - Heidelberg - Altdorf - Salzburg
Weitere Ereignisse im März:
14. 00:19 16. 02:33 17. 01:20 17. 03:51 17. 22:30 18. 22:24 18. 23:48
Jupitermond Io verfinstert Ganymed, ringförmig, Größe 0,47, bis 00:41 Jupitermond Kallisto bedeckt Europa, partiell, Größe 0,91, bis 02:45 Jupitermond Ganymed bedeckt Europa, partiell, Größe 0,27, bis 01:25 Jupitermond Ganymed verfinstert Europa, ringförmig, Größe 0,59, bis 3:55 Algol (Beta Persei) Minimum 3,4 mag, Abstieg v. 2,1 mag in rd. 3 Std. Jupitermond Europa bedeckt Io, partiell, Größe 0,66, bis 22:30 Jupitermond Europa verfinstert Io, Größe 0,30, bis 23:53
19. 21h 20. 10:36
20. 23:45 21. 12h 21. 20h 22. 21h 23. 19:47 24. 01:10
24. 22h
Mond erdnah, Durchm. 33,4' Neumond, Totale Sonnenfinstenis, max. Dauer 2 min 47 s, beobachtbar auf den Färöer Inseln und Spitzbergen, in D ca. 09:20 bis 12:00 als partielle Finsternis sichtbar, ca. 73-80 % Frühlingsanfang, Tag-undNacht-Gleiche Mond bedeckt Uranus (5,9 mag), Taghimmel Mond 3,4 Grad S Mars (1,3 mag), W-Horizont Mond 3,6 Grad S Venus (-4,0 mag), W-Horizont Jupitermond Io verfinstert Europa, Größe 0,49, bis 19:51 Jupitermond Ganymed bedeckt Kallisto, partiell, Größe 0,67, bis 01:19 Mond 6,5 Grad W Aldebaran ( Tauri, 1,0 mag), Westhimmel
25. 20h 26. 00:32
26. 02:06 27. 0h 27. 08:43 28. 20:05
29. 02:00 30. 30. 22:01
31. 20h
Mond 6,0 Grad O Aldebaran ( Tauri, 1,0 mag), Westhimmel Jupitermond Europa bedeckt Io, partiell, Größe 0,56, bis 00:38 Jupitermond Europa verfinstert Io, Größe 0,15, bis 02:09 max. Libration im Mond-NO, 9,7 Grad
Erstes Viertel Jupitermond Europa verfinstert Ganymed, ringförmig, Größe 0,15, bis 20:09 Umstellung auf MESZ = MEZ+1h Mond südl. Jupiter (-2,3 mag), Morgenhimmel Jupitermond Io verfinstert Europa, ringförmig, Größe 0,61, bis 22:05 Mond 4,4 Grad S Regulus ( Leonis, 1,4 mag)
Zusammengestellt von Werner E. Celnik und Werner Braune (Veränderliche Sterne), Konrad Guhl (Sternbedeckungen durch den Mond), Eberhard Riedel (streifende Sternbedeckungen), Oliver Klös (Sternbedeckungen durch Kleinplaneten) Quellen: US Naval Observatory, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto), Berechnungen der BAV, Berechnungen der IOTA (Steve Preston), Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel [GRAZPREP]), ,,Kosmos Himmelsjahr professional 2015" , ,,Der Sternenhimmel 2015". Zeitangaben in MEZ, für Standort bei 10 Grad ö.L. und 50 Grad n.Br. Zum Umrechnen in MESZ im Zeitraum 29.3. 2:00 Uhr MEZ bis 25.10. 2:00 MEZ eine Stunde zu den Zeitangaben addieren.
VdS-Journal Nr. 52
134
Beobachterforum
Meller Nächte sind lang - auch im Juni
von Jens Leich
Wir schreiben den 6. Juni 2014, und normalerweise befinden wir uns im astronomischen Jahreskalender in einer Zeit, wo es auf der Nordhalbkugel der Erde nicht unbedingt die längsten Nächte gibt. Die Sonne steht nun kurz vor der Sommersonnenwende und die meisten Astrofotografen gehen in die Sommerpause oder fliegen in südlichere Gefilde. Für den visuellen Beobachter ist die Zeit der ,,hellen Nächte" zwar auch nicht die bevorzugte Zeit, aber: ,,Gucken geht immer!" Kurzfristig und spontan planten Peter Riepe und ich mein zweites ,,Gastspiel" am Meller 112-Zentimeter-Spiegel. Die Wetter- und besonders die Wolkenvorhersage waren vielversprechend, auch wenn man aus leidvoller Erfahrung in
der Vergangenheit weiß, dass man sich nicht immer unbedingt darauf verlassen kann. Eine kurz vor der Abreise aus dem heimischen Wiehl gemachte Sonnenbeobachtung bestätigte die Annahme, dass heute ,,was drin ist", selbst wenn der im Sommer typischerweise tief am Horizont entlang ziehende Mond die Aussichten auf eine dunkle Nacht nicht gerade positiv beeinflusste.
Die sonst als Spielverderber auftrumpfenden Zirrenfelder blieben zunächst aus. So trafen wir uns am frühen Abend zur gemeinsamen Reise nach Melle. Schon auf der Fahrt konnten wir bei einer stimmungsvollen Abenddämmerung eine erstaunlich gute Transparenz des Himmels
feststellen. Capella und Jupiter, die sich schon auf wenige Grad dem Horizont genähert hatten, waren außergewöhnlich gut zusehen: ohne das typische Zappeln in der dort sonst oft turbulenten und diesigen Horizontnähe. Was plant man in einer solch hellen Nacht mit einem neun Tage alten Mond an einem ,,Lichteimer" von 112 Zentimeter Durchmesser? Da kann doch nicht viel bei herumkommen ...
Gegen 23 Uhr MESZ kamen wir sommerlich gekleidet in Melle an - es herrschten noch knapp 20 Grad C. Bahnte sich eine tropische Nacht an? Frösche quakten, Hunde bellten in der Ferne und ein Pferd zog auf einer der Wiesen hinter der Sternwarte seine Kreise. Die auf der Fahrt bereits erahnte Himmelstransparenz bestätigte sich erneut, die vermutete ,,vernichtende" Aufhellung des Himmelshintergrunds durch den Mond war kaum zu erkennen. Die Luft war trocken und nur ein laues Lüftchen wehte uns um die Nase. ,,Heute geht was!" war unsere übereinstimmende Voraussicht. Ohne Stress und Leistungsdruck genossen wir die sommerliche Stimmung und ließen die Eindrücke der farblich intensiven Abenddämmerung auf uns wirken. Nach dem Öffnen der beiden Kuppelhälften wurde der Nachthimmel auf vier Meter Breite und neun Meter Länge für das Teleskop ,,geöffnet" (Abb. 1). Wir bewunderten das Aufsetzen Jupiters auf den Wipfelspitzen des westlich gelegenen Waldes. Castor und Pollux standen nahezu bewegungslos nur wenige Grad über dem Westhorizont. Unsere lange Anreise wurde mit einem Blick auf den weder von Wolken noch von Dunst getrübten Dämmerungsbogen belohnt. Irgendwann zog die ISS ihre Bahn über unseren Köpfen und eine aus Richtung Polarstern zur Capella rauschende fette Sternschnuppe zog unsere Blicke auf sich.
1 Beobachtungen am 1,12-m-Newton
der Sternwarte Melle (Bildautor: Rainer Sparenberg)
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2 Meine allererste Zeichnung des
,,Katzenaugennebels" NGC 6543 mit Plössl-Okular (Pentax, f = 5,2 mm) bei 962-facher Vergrößerung.
Die Sonne sank nun nicht mehr unter 18 Grad unter den Horizont. So richtig dunkel im astronomischen Sinn konnte es also auch ohne Mond nicht werden. Das tat aber unserem eigentlichen Ziel, M 97 im Sternbild Großer Wagen zu beobachten, keinen Abbruch. Allerdings lag der ,,Eulennebel" doch schon weit außerhalb des Zugangsbereichs des großen Newtons. Selbst mit einer Anlegeleiter wären wir nicht mehr an den Okularauszug heran gekommen. Also suchten wir uns ohne Zwang ein anderes Objekt der Begierde, aber ein PN sollte es doch schon sein!
Die Wahl fiel auf den ,,Katzenaugennebel" (NGC 6543) im Sternbild Drache. Mit meinen 1,72 Meter Körpergröße hatte ich eine ideale Beobachtungsposition, und mir blieb beim ersten Blick durchs Okular glatt die Spucke weg. Merkwürdigerweise habe ich diesen PN bewusst noch nie beobachtet, geschweige denn mit dieser
Öffnung und bei solchen Wetterbedingungen! In meinem kleinen 130-Millimeter-Refraktor sieht man bei kleiner Vergrößerung eher ein diffuses stellares Objekt, welches im 150-Millimeter-Apochromaten montiert am großen Meller Newton genau so und recht hell zu er-
kennen war. Der Katzenaugennebel hat eine relativ hohe Flächenhelligkeit und ist bei einer scheinbaren visuellen Helligkeit von 8,1 mag auch schon im Fernglas als stellares Objekt identifizierbar. Der Durchmesser der inneren Hülle beträgt ca. 18 Bogensekunden [1].
3 Etwa eine halbe Stunde nach der unteren Kulmination von Capella im Norden zeigte der Him-
mel bereits wieder deutliche Farben. Jetzt zogen Zirren auf. (Bildautor: Peter Riepe)
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Was da bei rund 667-facher Vergrößerung auf meine Netzhaut gespült wurde, war atemberaubend. Transparenz und Luftruhe waren so außergewöhnlich, dass wir nicht zögerten, ,,den Hammer" auszupacken: Mit einem Plössl-Okular von Pentax und einer Brennweite von 5,2 Millimetern erreichten wir eine Vergrößerung, mit der man üblicherweise am Labormikroskop Zellen untersucht. Doch wir schienen Laborbedingungen zu haben! Bei erstaunlicher 962-facher Vergrößerung und immerhin 1,2 Millimetern Austrittspupille erleuchtete nun eine helle, grüne strukturierte, ellipsenförmige Hülle mein Auge! Der im Visuellen scheinbar 10,9 mag helle Zentralstern war eingebettet im von dunkleren Bereichen durchzogenen Hüllenmaterial. Peter bestätigte mir den Farbeindruck, denn als Mensch mit einer angeborenen RotGrün-Sehschwäche war ich mir nicht sicher, ob ich die Farbe richtig interpretiert habe. Dieser Anblick war für mich so faszinierend, dass ich den glücklicherweise in letzter Minute mitgenommenen Zeichenblock zückte, um dieses Erlebnis zeichnerisch festzuhalten.
Während Peter zwischen 0 und 2 Uhr MESZ bei nur rund sieben Grad über dem Horizont den untersten Transit von Capella unterhalb des Polarsterns dokumentierte, beobachtete ich in bequemer Position einen hellen NGC 6543 mit Strukturen, die ich vorher mit eigenen Augen noch nie gesehen hatte. Aber wie zeichnet man solche Strukturen? Unter besten Bedingungen versuchte ich die in sich verdrehten feinen Schalenstrukturen auf Papier zu bringen. Innerhalb der Hülle waren rund um den Zentralstern dunklere Bereiche zu erkennen. Ich benötigte schon fünf Minuten, um mir überhaupt einen groben Überblick über die Vielzahl an verdrehten geometrischen Figuren wie Ellipsen und Kreisen zu verschaffen, die ich in dieser Form noch nie zuvor gezeichnet habe. Der Leser verzeihe mir also meine ersten Versuche (Abb. 2).
Nach rund einer halben Stunde fiel mir auf, dass der Zentralstern zunehmend schwächer wurde und die Hülle plötzlich strukturlos und verschmiert wirkte, ein Blick an den Himmel zeigte das bereits befürchtete Aufziehen einiger Zirrenfelder, aber meine erste detaillierte Zeichnung eines PN war fertig. Glück gehabt,
genau das richtige Sichtfenster erwischt! Der Mond war inzwischen längst untergegangen und ein farbenprächtiger Dämmerungsbogen gespickt mit immer mehr Eiswolken kündete den neuen Tag an. Am Horizont zeigten sich rötliche Farben, über gelb bis blau (Abb. 3). So machte sich die Sonne für eine neue Runde bereit. Die ,,lange Nacht" von Melle war zu Ende. Zufrieden, aber auch völlig müde war die Exkursion für mich
um 7:30 Uhr MESZ, fast zwölf Stunden nach der Abfahrt, Geschichte. Aber es hat Spaß gemacht. Ich brenne schon auf die nächste Meller Nacht!
Literaturhinweis: [1] Kepple/ Sanner: The Night Sky
Observer´s Guide Vol. 2, Willmannn-Bell, Inc. Richmond, USA, 2002
Venus über dem Genfer See
von Christine Siragusa
1
Als eine ihrer ersten Astroaufnahmen gelang Christine Siragusa am 6. März 2014 um 6:31 Uhr ein Schnappschuss der Venus mit Mond über dem Genfer See bei Le Muids.
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Mein erstes astronomisches Foto-Abenteuer
von Werner Braune
Mein erstes astronomisches Foto-Abenteuer verdanke ich meiner Frau und der Lage des Hotelbalkons bei unserem Urlaub in der Türkei. Sie weckte mich kurz nach fünf Uhr Ortszeit (MEZ: vier Uhr) mit der Frage, welcher helle Stern denn dort beim Mond stünde? Es war ein herrlicher Anblick, die Venus so dicht an der Mondsichel zu sehen.
Ich entschloss mich, Fotos mit meiner neuen Nikon P500 zu machen. Das ist eine nur automatisch einstellbare, elektronische Kamera. Eigentlich erwartete ich von ihr keine akzeptablen Aufnahmen. Mit meiner früheren ,,Voigtländer" gelangen mir ähnliche Fotos nur schlecht: Der Mond war sehr klein.
Meine Überraschung war nun groß bei den Aufnahmen mit der Nikon und der Abstützung auf der runden Balkonein-
fassung. Mond und Venus waren auf dem Display sehr gut zu sehen. Ich ging gleich daran, die Bilder etwas heranzuzoomen. Der Foto-Apparat hat eine Verzögerung zwischen Erfassung des Bildes und braucht zum Abbilden eine zweite Auslösung. Das führte bei der instabilen Auflage zu vielen, völlig verwackelten Bildern. Eines wurde jedoch einigermaßen gut. Zudem eine Aufnahme ganz ohne Zoom (Abb. 1).
Ich habe mir dann aus Hotelmobiliar ein Stativ ,,gebaut". Die gesamte Prozedur über knapp eine Stunde zeigte, dass sich der Mond bewegte. Die Venus stand nun etwas höher.
Was ich bei allem nachträglich und jetzt aus der Erinnerung gelernt habe, verdanke ich auch meiner Frau. Sie nutzte den Zoom der Kamera, um Details einer
Aufnahme besser sehen zu können. Bildausschnitte im Display sind gezielt zu vergrößern. Sie können auch gespeichert werden. Hätte ich eher daran gedacht, wären die vielen verwackelten Fotos mit dem Zoom der Kamera gar nicht erst entstanden.
Mein Tipp: Entweder man weiß schon, was die Kamera alles kann, oder man sollte vorher die Gebrauchsanleitung studieren.
1 Mond bei Venus am 26.2.2014,
zirka 4:30 Uhr MEZ, Aufnahmeort: Lara bei Antalya (Türkei)
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Morgendämmerung über der Flensburger Förde
von Gotthard Stuhm
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Am Morgen des 24. Juli 2014 um 4:34 Uhr gelang mir kurz vor Sonnenaufgang ein kleines Panorama über die Flensburger Förde (vier Bilder aus der Hand, Nikon D 90, ISO 400, 1/20 s, gestitched mit Microsoft ICE). Die schmale Mondsichel und die helle Venus sind gut zu erkennen ... leider habe ich das Gefühl, dass Merkur im Pixelrauschen untergegangen ist.
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Für Ihre Unterstützung herzlichen Dank! VdS-Geschäftsstelle Eva Garbe
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Rezension
Rezension
von Astrid Gallus
Horst Schoch: Das Geheimnis des Himmels Historischer Roman, Brunnen Verlag, 2013, ISBN 978-3-7655-1576-7, fester Einband
Der Roman führt den Leser zunächst in eine kleine Stadt an der Elbe in das Jahr 1527. Das Städtchen wird nirgendwo im Buch bei seinem Namen genannt, aber seine Lage so genau beschrieben, dass man Lust verspürt, es im Atlas zu suchen. Es handelt sich um eine kleine Universitätsstadt südlich von Magdeburg. Die Zeiten sind unruhig, die Reformation breitet sich aus und die Gemeinden, Städte und Länder sind der Religion ihrer jeweiligen Herrscher unterworfen. Es ist die Zeit großer Umbrüche und zugleich des Bewahrens alter Pfründe.
So handelt es sich in diesem Städtchen um eine katholische Bastion, deren Herzog streng darauf achten lässt, dass sich auch die Professoren der Universität bei der Auslegung der Schriften seiner religiös gewünschten Interpretation unterwerfen.
Insbesondere gilt dies bei den Fächern Philosophie und Religion, deren Magister der Hauptdarsteller des Romans, Professor Bernhardi, ist. Bernhardi ist ein neugieriger und wissensdurstiger Mann, dessen bester Freund Einhard Auerbach, ein Kollege der philosophischen Fakultät, ist. Auerbach lehrt Mathematik und Astronomie und beide spüren, dass allzu freie Gedanken in dem kleinen Herzogtum derzeit gefährlich werden können. Besonders, da im näheren Umland die Protestation fortschreitet und sogenannte verbotene Schriften wie ,,Von der Freyheyt eyniß Christenmenschen. Martinus Luther, Vittembergae, Anno Domini 1520" unter den Studenten ihrer Universität kursieren. An der Universität gärt es.
Auerbach, als Naturwissenschaftler, experimentiert in seiner Werkstatt heimlich mit Alchemie und beschäftigt sich sogar mit Astrologie, während Bernhardi außerhalb seiner Vorlesungen sich damit befasst, ein Geheimpapier zu entschlüsseln. Er kam ganz zufällig in den Besitz
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dieses Papieres, das aus den Ruinen eines verfallenen Franziskanerklosters stammt. Damit haben sich die beiden Professorenfreunde aufgrund ihrer Neugier auf ein unbekanntes Wagnis eingelassen.
Wie unvorsichtig Bernhardi sich verhält, bemerkt er selbst nicht, denn er wird bei einem Besuch in Magdeburg dabei beobachtet, als er nicht widerstehen kann, dort eines der sogenannten verbotenen Bücher zu erstehen. Ihm gefällt das freiere Leben in der protestantischen Stadt und er verfällt als Philosoph ganz dem Grübeln beim Vergleich der Lehre, deren These von der Freiheit eines Christenmenschen er verbotenerweise inzwischen gelesen hatte. Er fragt sich, ob er schon allein dadurch zum Ketzer werde, wenn ihm der logische Ansatz der Schrift imponiere?
Im Gegensatz zu Auerbach ist Bernhardi familiär gebunden und dadurch angreifbar. Bei seiner Rückkehr aus Magdeburg muss er nicht nur entdecken, dass ein Schicksalsschlag seine Familie schwer getroffen hat. Auch sein Freund Auerbach hat sich völlig verändert: Dieser gelangte in der Zwischenzeit an ein Heft: ,,Nicolai Copernici. De Hypothesibus Motuum Coelestium A Se Constituis Commentariolus."
Die Wirkung der Kopernikanischen Schrift auf den Astronomen war unmittelbar; sein Weltbild, das Weltbild der gesamten damaligen Welt, stand auf dem Kopf.
In Magdeburg fand Bernhardi den Schlüssel, mit welchem er sein Geheimpapier enträtseln konnte. Eine mühselige Arbeit liegt vor ihm, die aber Zeile für Zeile immer spannender wird. Er vertraut den Inhalt seiner Frau und Auerbach an und plötzlich erkennen sie einen Zusammenhang zwischen der Kopernikanischen Entdeckung und dem Inhalt der Geheimschrift. Mit der Entschlüsselung
der Geheimschrift hätten sie das Konzept zum Bau eines Instrumentes in der Hand, mit welchem man die Hypothese des Kopernikus belegen könnte.
Keiner der Protagonisten bemerkt, dass sie inzwischen alle von dunklen Mächten observiert werden. Die Familie muss die Stadt verlassen, wird getrennt, ist auf der Flucht und erlebt so manches Abenteuer. Der Leser begegnet dabei namhaften Zeitgenossen jener Epoche, die von der Reformation, dem Finanzwesen, aber auch von Entdeckungen naturwissenschaftlicher Zusammenhänge oder neuer Kontinente geprägt war.
Der Ausgang des Romans mag hier nicht verraten werden. Aber so viel soll gesagt werden, dass hier eindrucksvoll geschildert wird, wie viele Möglichkeiten es gegeben haben kann, das Fernrohr zu entwickeln.
Dem Leser ist hin und wieder etwas Geduld bei der Lektüre abverlangt, zum Beispiel, wenn es um die Liebesbeziehung einer der Töchter geht. Dafür bekommt man einen Einblick in geschichtliche Zusammenhänge in einer Zeit des Umbruchs, in der Wissenschaft und Kirche maßgeblich verändert werden.
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