Direkt zum Inhalt Inhaltsverzeichnis des VdS-Journals 37
BEITRAG
6 Von terrestrischer und galaktischer Lichtverschmutzung (Diederich H.-G.)
7 Astronomische Erlebnisse (Melchert Sven)
8 Mein tiefstes Astroerlebnis (Kräling Winfried)
10 Beobachtung eines Erdbahnkreuzers (Pilz Uwe)
12 Astro-Exkursion nach Ibiza (Riepe Peter)
14 Meine Astroerlebnisse (Spitzer Daniel)
16 Astronomische Erlebnisse - Plejaden über Portugal (Staubermann Klaus)
17 First light mit dem Starfire-Refraktor (Leich Jens)
18 Die Sterne sind glühende Kohlen und Asche (Wollenhaupt Guido)
19 Mein astronomisches Schlüsselerlebnis (Krause Carola)
20 Wie kommt man zur Astronomie (Hopf Kurt)
22 Aufregung am Abend (Melchert Sven)
24 Fühlen - Riechen - Erleben (Berger Andreas)
24 Mein schönstes Astronomie-Erlebnis (Manthey Michael)
25 Mein schönstes Astroerlebnis (Guthier Otto)
29 Reise durch die Milchstraßen (Celnik Werner E.)
30 Umbauanleitung des ST-4 (Schneider Klaus)
34 Die Kugelsternhaufen M 3 und Palomar 7 im Vergleich (Riepe Peter, Kerschhuber Günter)
38 Tief belichtete Astro-Weitwinkelaufnahmen (Willasch Dieter)
44 Halophänomen am 20. Juli 2010 (Rendtel Ina, Hinz Claudia)
46 Neuer Netzauftritt der FG Computer-Astronomie (Jahns Helmut)
47 Ländereck-Astronomie II (Reus Peter)
50 Beobachtungsprojekt: Mel 111 und NGC 4435/8 (Spitzer Daniel)
54 Deep-Sky-Diskussion (Melchert Sven)
54 Visuelles Deep-Sky-Beobachtungsprojekt NGC 4388 (Spitzer Daniel)
55 Sein oder Schein (Steinicke Wolfgang)
58 Bedachtsamkeit oder schnelles Urteil (Schilling Johannes)
61 7. Tagung der FG "Geschichte der Astronomie" (Steinicke Wolfgang)
61 Fachgruppe Geschichte der Astronomie Neues J. 37 (Steinicke Wolfgang)
63 Astronomische Instrumente im Naturalienkabinett Waldenburg (Meinike Mechthild)
67 Kleine Astroausstellung in Stralsund (Holl Manfred)
70 Johannes Kepler - Begründer einer neuen Astronomie (Fritz Olaf)
72 Altes Sternbild neu entdeckt (Mor H. U.)
73 Mein letzter Brief von der VEGA (Hoffmann Susanne)
74 Ein neues Hallo von der VEGA (Opialla Tobias)
74 Kosmische Begegnungen Journal 37 (Ries Wolfgang, Hohmann Klaus)
76 Das 2010er Perihel des Kometen 10/P Tempel (Pilz Uwe)
78 Der Gebel-Kamil-Eisenmeteorit und sein Krater (Knöfel Andre)
79 Jupiter im Juli bis Oktober 2010 (Moos Carsten)
80 Erste Sonnenflecken wieder mit bloßem Auge sichtbar (Hörenz Martin)
81 30 Jahre ESOP (Haupt Martina)
84 100 Jahre BB Vul (Schirmer Jörg)
88 VdS-Vorstand aktuell 2011 (Melchert Sven)
37
0 VdS Mitglieder neu Begrüßung Journal 37 (Beitrag)
BEITRAG
90 Das war´n noch Zeiten Journal 37 (Völker Peter)
92 Mit auf dem Wandertag von Astronomie.de (Spitzer Daniel, Riepe Peter)
93 Die Bochumer Herbsttagung 2010 (Tomsik Harald, Sparenberg Rainer)
96 Jupiter und die Entwicklung des südlichen Äquatorbandes (Celnik Werner E.)
96 Millimeter oder Zoll (Quester Wolfgang)
97 Der Sternhimmel April-Mai-Juni 2011 (Melchert Sven, Celnik Werner E., Braune Werner)
100 M wie Messier Journal 37: M 58, M 59, M 89 (Güths Torsten)
103 Aus heiterem Himmel (Meirich Wolfgang)
104 Die Basilika in Bologna (Beneke Ernst-Jochen)
37
0 Buchbesprechung "Fotografischer Sternatlas" (Beitrag)
BEITRAG
106 Vorschau auf astronomische Veranstaltungen Journal 37 (Celnik Werner E.)
37
0 Errata zur Ausgabe Nr. 36 (Beitrag)
BEITRAG
0 Editorial Journal 37 (Celnik Werner E., Guthier Otto)
Textinhalt des Journals 37
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VdS-Journal Nr. 37
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Nach Redaktionsschluss
04.01.2011
Das Jahr 2011 ist mit vier partiellen Sonnenfinsternissen zumindest quantitativ reich gesegnet. Erste Fotos der Finsternis am 4. Januar 2011 erreichten die Redaktion kurz nach Redaktionschluss. Der Mondschatten bedeckte fast ganz Europa, die Nordhälfte Afrikas, den Nahen Osten und den Süden Asiens. Die größte Verfinsterung war mit gut 85 Prozent in Nordschweden sichtbar.
Im kommenden Heft werden wir weitere Impressionen dieser Finsternis kurz nach Jahrebeginn 2011 abdrucken und bitten alle Sternfreunde, uns bis zum 15. April 2011 ihre Aufnahmen zu senden.
VdS-Journal Nr. 37
2 Jörg Henkel fotografierte die Sonnenfinsternis am
4. Januar 2011 um 10 Uhr durch das (wegen der Weihnachtsdekoration) geschlossene Wohnzimmerfenster. Die Aufnahme entstand mit einem Sigma 80-400 mm Teleobjektiv ohne Filter bei 281 mm Brennweite, Blende 16 und 1/2000 s Belichtungszeit.
Nach Redaktionsschluss
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1 Werner Sahm von der Stern-
warte Zollern-Alb dokumentierte die Verfinsterung unseres Tagsterns vom Standort Hechingen als Mehrfachbelichtung mit der Burg Hohenzollern im Vordergrund. Trotz Schleierwolken herrschte eine gute Durchsicht bei allerdings minus 12 Grad Celsius. Kamera Nikon D3s mit Nikkor 80-400 mm und Baader Sonnenfolie visuell. Die Aufnahmen entstanden bei 160 mm Brennweite, ISO 200, Blende 5,6 und in jeweils vier Minuten Abstand zwischen 9:26 und 10:24 Uhr.
3 Vom Gurnigel in der Schweiz aus beobachtet, kroch die vom Mond verfinsterte Sonne um
8 Uhr 59 über die Berge. Aufnahme mit einem Refraktor von Vixen D = 102 mm, f = 660 mm, Canon 30D und Baader-Sonnenfolie. Bildautor: Sven Melchert
4 Von oben links nach unten rechts: Werner E. Celnik aus Rheinberg nahm diese vier Bilder aus dem Dachfenster auf, kurz nach dem
Aufreißen der dichten Wolkendecke, die die Sicht auf die aufgehende Sonne versperrte. Das erste Bild um 8:12 UT, dann folgten um 8:14, 8:17 und 8:20 UT die nachfolgenden Aufnahmen. Die Bilder sind auf fotografischem Film im 6x6-Format entstanden (Farbdiafilm Fujichrome ISO 50), ohne (!) Filter mit einem Teleobjektiv 1:4/350mm, dessen Brennweite mit zwei Telekonvertern auf 1.400mm verlängert wurde. Das erste Bild entstand bei Blende 16 und 1/180 s, das letzte bei Blende 66 und 1/2000 s Belichtungszeit.
VdS-Journal Nr. 37
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Astronomie-Erlebnis
Von ,,terrestrischer" und ,,galaktischer" Lichtverschmutzung
von Hans G. Diederich
Viele denken, bei einem CCDler mit GoTo-Teleskop gäbe es kein unmittelbares Erleben des nächtlichen Himmels mehr. Mit einem aus Deutschland fernbedienten Remote-Teleskop in den USA ist das auch etwas schwierig. Ein Blick auf das Bild der ,,All-Sky-Kamera" bietet nur einen minderwertigen Ersatz. Aber wer
während der Belichtungsserien vor Ort am Teleskop steht, liegt oder schläft, dem bietet sich gelegentlich ein anmutiger Blick in den Sternenhimmel. Und manchmal erlebt er dabei auch etwas Besonderes. Hierzu zwei Schilderungen, eine aus dem Odenwald, die andere aus New Mexico.
1 Polarlicht vom 6./7.4. 2000, Bildautor: Joachim Spindler
VdS-Journal Nr. 37
Odenwald - Lichtverschmutzung durch Frankfurt? Am 06.04.2000 beobachtete ich mit einem 7-Zoll-Maksutov-Teleskop den Südhimmel. Das Teleskop war zentriert, die CCD-Kamera gestartet, Zeit also für einen Rundumblick. Dieser blieb mit Stirnrunzeln am nördlichen Horizont hängen. Grandiose Lichtverschmutzung durch Frankfurt. Die hatten da wohl so ein ,,Event" laufen, vielleicht war es ,,Main in Flammen", sah jedenfalls rot aus. Für einen Großbrand war die Aufhellung zu sehr in die Breite gezogen. Egal was es war, es störte mich, glücklicherweise aber nicht die auf den Südhimmel gerichtete Kamera.
Es wurde aber immer heller im Norden, dann stand der ganze Himmel in ,,Flammen": Mehrere extrem lange streifige Strukturen (überwiegend rot, dazwischen aber auch gelbliche Strahlen) erstreckten sich vom Nordhorizont über den Zenit hinweg nach Süden, wie mit einem Lineal gezogen, aber auch immer wieder unscharf und diffus werdend. Ein beeindruckendes Erlebnis: Es war das erste Mal, dass ich ein Polarlicht sah!
Astronomie-Erlebnis
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Mit dem Handy rief ich die Komfortauskunft an, welche mich mit dem Darmstädter Echo verband, und landete beim Pförtner. Dieser ließ sich von meinem aktuellen Bericht über ein außergewöhnliches und prächtiges Polarlicht nicht aus der Ruhe bringen. Wie konnte ich nur einen Redakteur erreichen?
2 Oben: Die Milchstraße erscheint in dieser Weitwinkelaufnahme der europä-
ischen Südsternwarte ESO wie eine Verbindung zwischen dem VLT-Standort Mount Paranal (links) und dem benachbarten Berg, der Heimat des VISTA-Teleskops. Rechts oberhalb des VISTA-Teleskops ist die Andromeda-Galaxie (M 31) zu erkennen. Bildautor: G. Hüdepohl/ESO
Astronomische Erlebnisse
von Sven Melchert
Ob Sonnenfinsternis oder Sternschnuppe, ein heller Komet oder das Farbenspiel von Polarlichtern, die Venus am Taghimmel oder das erste Mal Saturn im Fernrohr - es gibt zahlreiche Phänomene des gestirnten Himmels, die uns für lange Zeit in Erinnerung bleiben. Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe berichtet von besonderen astronomischen Erlebnissen, die bei den Beobachtern ihre gedanklichen Spuren hinterlassen haben. Manche davon waren planbar, andere kamen ganz unerwartet - beeindruckend sind sie alle, und dem ein oder anderen wird beim Lesen der Artikel der Gedanke durch den Kopf gehen ,,Ach ja, so etwas Ähnliches habe ich auch schon einmal erlebt", dann sein Beobachtungsbuch herauskramen und sich an dem bisher Erlebten erfreuen.
Wenn Sie selbst von Ihren Beobachtungen und Erlebnissen berichten möchten, können Sie das übrigens in jeder Ausgabe des VdS-Journals. Dazu steht allen die Rubrik ,,Beobachterforum" offen, in der jeder von seinen Beobachtungen in Wort und Bild berichten kann, ohne gleich einen Fachartikel für die VdS-Fachgruppen schreiben zu müssen. Klar, das geht heutzutage über eines der Astronomieforen im Internet schneller, aber denken Sie auch an jene VdS-Mitglieder, die nicht regelmäßig das Internet nach neuen Nachrichten durchkämmen und sich daher über Ihre Beobachtungsberichte im VdS-Journal freuen.
VdS-Journal Nr. 37
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Astronomie-Erlebnis
,,Senden Sie uns ein Telex!" Nun, damals war meine Ackersternwarte noch nicht mit Fernschreiber ausgestattet ...
Die CCD-Aufnahmen am Südhimmel hatte ich inzwischen eingestellt, zu hell war der Himmel. Aber das unmittelbare Himmelserlebnis ,,Polarlicht" war viel schöner!
New Mexico - Lichtverschmutzung am Horizont Ich bin im Astrourlaub und mache richtig tiefes Deep-Sky (guter Standort, gute Instrumentierung, sehr lang belichtend,
viele interessante Objekte). Alles läuft wie am Schnürchen. Das vertraute Zirpen der Montierung lässt mich entspannt zum Himmel sehen. Endlich Muße, mir den Himmel ohne Kamera und Optik mit eigenen Augen und in aller Ruhe ansehen zu können.
Mein Gemütszustand verschlechtert sich, als ich rundum am Horizont eine deutliche Aufhellung bemerke. Wenig später stelle ich fest, dass diese Aufhellung auf der Ostseite ansteigt, sich vom Horizont löst, gegenüber im Westen aber abtaucht und verschwindet. Es ist die Milchstraße!
Sie steigt immer höher. Schließlich steht ihr Lichtband schräg über mir, einfach gigantisch und erhaben. Und ich mitten drin. Die Milchstraße wird schließlich so hell, dass meine Hand einen Schatten auf den Boden wirft. Ich empfinde eine selten gespürte Zufriedenheit. Dies ist bis heute mein schönstes Astro-Erlebnis geblieben.
Mein tiefstes Astroerlebnis
- Licht aus der Frühzeit des Universums
von Winfried Kräling
Angeregt durch das VdS-Journal Nr. 35, in der die Redaktion Beiträge für die übernächste Ausgabe suchte, schildere ich hier DIE astronomische Beobachtung, die mich
bisher am meisten beeindruckt hat. Mein tiefster Blick ins Weltall liegt schon mehr als acht Jahre zurück, dennoch zählt diese Beobachtung zu den tiefsten in mei-
nem Leben und das nicht nur aus astronomischer, sondern auch aus emotionaler Sicht. Sicherlich, eindrucksvoll sind auch die Ringe des Saturns oder ein Polarlicht
VdS-Journal Nr. 37
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Astronomie-Erlebnis
in unseren Breiten, tief beeindruckt war ich auch vom Kometen Hyakutake, der mit einem prächtigen Schweif hoch am Nachthimmel stand. Doch die Beobachtung, die die tiefsten Spuren in meinem Innersten hinterlassen hat, waren einige wenige Photonen, die sogar im 14-Zöller nur bei indirektem Sehen zu erfassen waren - und zwar bei der Beobachtung des Quasars HS 1946+7658 im Sternbild Drache.
Die Nacht des 5. April 2002 schien eine gute Nacht zu werden, allerdings hinderte mich ein starker Ostwind daran, den dunklen Beobachtungsplatz bei Deckenbach am Rande des Vogelsbergs aufzusuchen, und so traf ich mich mit zwei weiteren Sternfreunden, Ottmar K. und Alexander T., am Segelfluggelände Amöneburgs, einem windgeschützten Plätzchen, wo in dieser Nacht auch eine Grenzgröße von 6 mag mit dem bloßen Auge zu erreichen war. Zuerst beobachteten wir natürlich den schönen Kometen C/2002 C1 (Ikea-Zhang), der im 8x42Feldstecher einen auffälligen Schweif zeigte und im 14-Zöller mit einer kreisrunden Koma und einem ,,False Nucleus" glänzte. Weiterhin standen Galaxien in der Gegend von Gamma Leo auf unserem Beobachtungsplan. Nachdem ich das Quartett NGC 3185, 3187, 3190 und 3193 nördlich von Gamma Leo sowie das Trio NGC 3226, 3227 und 3222 östlich dieses Leitsternes beobachtet hatte und meine
Augen gut an die Dunkelheit angepasst waren, wollte ich etwas ganz Besonderes beobachten - den leuchtkräftigsten und am weitesten entfernt stehenden Quasar HS 1946+7658, der mit meiner Ausrüstung visuell zu erreichen war. Nach kurzem Suchen wurde ich fündig, in mein Beobachtungsbuch trug ich ein: ,,Der Quasar ist bei genauer Kenntnis seiner Position (siehe Abbildungen 1 und 2: Aufsuchkarten von Guide und Ausdruck aus dem POSS) bei V= 237-fach im 14"Dobson indirekt als kurz ,,aufblinkendes" Lichtpünktchen sichtbar. Beobachtung durch Alexander T. bestätigt."
Warum war HS 1946+7658 damals das Ziel meiner Begierde? Zum einen aus dem Anlass, dass wohl jedes Teleskop, das je gebaut wurde, irgendwann an seine Grenze getrieben wird. Dies ist wohl die am ehesten nachvollziehbare Motivation gewesen, denn mit einer Helligkeit von 15,8 mag und einer Rotverschiebung von z= 3,0521 (nach anderen Quellen sogar 3,2) ist HS 1946+7658 ein Objekt, an dem ich in zweifacher Hinsicht die Grenzen meines Teleskops erreichte. Lichtschwächer geht kaum und noch weiter schon gar nicht. Dies begründet das tiefste astronomische Erlebnis.
Dass diese Beobachtung auch zu einem meiner tiefsten emotionalen Erlebnisse wurde, erklärt sich aus der Tatsache, dass nach Wolfgang Steinicke in seinem
,,Katalog heller Quasare und BL Lacertae Objekte" [1] das Licht des Quasars HS 1946+7658, welches in jener Aprilnacht mein Auge erreichte, mehr als neun Milliarden Jahre auf der Reise war, bevor es die Erde erreichte. Neun Milliarden Jahre - eine unvorstellbare Zeit - doppelt so lang wie unser Sonnensystem alt ist und die Erde besteht. Mit diesem Hintergrundwissen bedurfte es keines Objektes mit glänzendem Ring oder strahlendem Schweif - es wurde mir fast schwindelig, als ich damals die wenigen Lichtquanten von jenem fernen Quasar aus längst verflossenen Zeiten in mir aufnahm.
Für mich fast unglaublich ist, dass es so wenig über HS 1946+7658 zu lesen gibt, von einem Objekt, dass in der Reichweite gut ausgestatteter Sternfreunde liegt und das ganze Jahr über günstig in der Nähe des Polarsterns im Sternbild Drache beobachtet werden kann. Es würde mich freuen, wenn ich bei dem einen oder anderen mit diesem kleinen Beitrag Interesse an diesem exotischen Objekt geweckt hätte.
Internethinweis: [1] Katalog heller Quasare und BL
Lacertae-Objekte: www.klima-luft. de/steinicke/KHQ/khq.htm
Beobachtung eines Erdbahnkreuzers
von Uwe Pilz
,,Near Earth Objects" oder ,,NEOs" sind Asteroiden oder Kometen, die bei ihrem Umlauf um die Sonne die Erdbahn kreuzen. Kleinkörper dieser Gruppe bergen die Gefahr einer Kollision mit der Erde und werden deshalb mit Hilfe von automatischen Suchprogrammen überwacht. Als ein Nebeneffekt für uns Amateure ergibt sich dabei die genaue Kenntnis der Bahnen. Wenn ein solches Objekt der Erde wirklich nahe kommt, dann wird der Bahnverlauf rechtzeitig und in hoher Genauigkeit publiziert.
VdS-Journal Nr. 37
Mein erster Kontakt mit dieser Objektklasse war der Asteroid 2002 NY40. In der Nacht vom 17. zum 18. August 2002 begegnete er der Erde. In 530.000 Kilometern Entfernung zog er vorbei und erreichte eine Maximalhelligkeit von 9,3 mag - im Grunde ein Fernglasobjekt. Die scheinbare Geschwindigkeit sollte fünf Bogensekunden pro Zeitsekunde betragen. Ich hoffte, die Bewegung bei entsprechender Vergrößerung direkt sehen zu können. Ich hatte mich für den Abend des 17. auf die Beobachtung vorbereitet.
Meine Aufsuchkarte wies auf das Sternbild Pfeil, das Instrument stand vorbereitet im Garten. Dann zogen mit Einbruch der Dämmerung Wolken auf und ich ging frustriert ins Bett. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war klarer Himmel, von Wolken keine Spur. Das Fernrohr stand noch im Garten - ich hätte nur in der Nacht hinausgehen müssen! Über diese verpasste Gelegenheit habe ich mich viele Jahre geärgert und mir vorgenommen, ein solches Ereignis beim nächsten Mal nicht vorbeiziehen zu lassen.
Astronomie-Erlebnis
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1 Originalaufnahme von 2003 UV11 - 2010.10.29 (18:15UT) - 8"-Newton + EOS350d - 1 x 120 s Belichtungszeit (ISO 800).
Bildautor: Maciej Mysik
Ende Oktober 2010 war es wieder so weit. Der Asteroid 2003 UV11 kam der Erde bis auf die fünffache Mondentfernung nahe. Die Helligkeit sollte knapp 12 mag betragen, die scheinbare Geschwindigkeit knapp drei Bogensekunden je Zeitsekunde. Damit würde dieser Asteroid visuell weniger eindrucksvoll sein als 2002 NY40 acht Jahre zuvor. Dennoch hoffte ich diesmal, die Bewegung eines Asteroiden einmal direkt sehen zu können.
Der Zeitpunkt der größten Annäherung war der Morgen des 30. Oktober um 4:14 UT. Der Asteroid befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits unter dem Horizont. Ich plante eine Beobachtung am Abend zuvor. Die scheinbare Geschwindigkeit war etwas geringer: 2,3 Bogensekunden je Zeitsekunde. Allerdings war die scheinbare Helligkeit größer. Bald nach dem Vorbeiflug wurde der Kleinkörper von der Erde aus gesehen - kaum noch beleuchtet.
Der 29. Oktober war in Leipzig ein sonniger Tag - alles versprach zu klappen. In der Dämmerung brachte ich meinen 12-Zoll-Dobson in den Garten und ach-
tete darauf, dass der Blick auf die Beobachtungsregion frei war. Inzwischen waren leichte Zirren aufgezogen, wie ich mit Sorge feststellte. Ich hoffte, dass sich die Wolken mit Einbruch der Dunkelheit auflösen würden.
Meine Aufsuchkarte überdeckte den Zeitraum von 21 Uhr bis 22 Uhr Sommerzeit. In diesem Zeitraum war der Asteroid 12,2 mag hell und stand im westlichen Pegasus, hoch im Süden. Jedoch wollte die Schleierbewölkung nicht weichen. Ab 21 Uhr sah ich alle fünf Minuten nach draußen. Jupiter hatte meist einen Hof, nur die hellsten Sterne waren zu erkennen. Als es schließlich 22 Uhr wurde, entschloss ich mich, dennoch zu beobachten. Ich verlängerte den Bahnverlauf der Karte mit dem Lineal, zog eine Jacke an und setze mich ans Fernrohr. Nach wenigen Minuten hatte ich das Zielgebiet gefunden. Nach meiner Karte müsste der Asteroid ein kleines Sterndreieck aus zwei 8-magund einem 10-mag-Stern passieren. Ich fand das Dreieck und wechselte vom Aufsuchokular zu einer mittleren Vergrößerung von 96x. Im selben Moment entdeckte ich den Kleinkörper. Er zog
in zehn Bogenminuten Entfernung am 10-mag-Stern TYC 1707522 vorbei, einem der Sterne meines Aufsuchdreiecks. Die Bewegung war schon bei dieser Vergrößerung direkt sichtbar: Eindrucksvoll! Der Anblick erinnerte an einen langsam am Himmel ziehenden künstlichen Satelliten, gesehen mit dem freien Auge.
Schnell wechselte ich zu 120-fach und behielt dies auch bei. Ich verfolgte den Weg des NEOs eine knappe halbe Stunde lang. Es wurde schnell offenbar, dass 2003 UV11 auf den 6-mag-Stern 33 Pegasi zusteuerte. Diese Passage geschah in größerer Entfernung als die vorherige, die Distanz betrug 40 Bogenminuten. Der Bewegungseindruck war weit weniger stark als in der ersten, engeren Begegnung. Außerdem nahm die Bewölkung zu und ich hatte Schwierigkeiten, das schwache sternförmige Objekt zu halten. Schließlich verschwand es ganz in den Schleierwolken und ich beendete den Beobachtungsabend.
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Astronomie-Erlebnis
, Lang ist s her: Astro-Exkursion nach Ibiza
von Peter Riepe
Vor Jahren kamen bei Amateurastronomen Exkursionen nach Südeuropa in Mode. So wurde es möglich, horizontnahe Himmelsfelder zu beobachten, die von unseren Breiten kaum einsehbar sind. Gerade das Gebiet um das galaktische Zentrum in den Sternbildern Schütze und Skorpion ist bereits von Süditalien, Griechenland oder Südspanien recht gut sichtbar. Mittlerweile ist das Thema Exkursionen aber fast erledigt, denn wer heute den Südhimmel beobachten möchte, düst einfach per Jet nach Namibia. Vorbei die abenteuerliche Zeit anstrengender mobiler Gruppen-Exkursionen mit Zelt, Lebensmitteln und Astro-Ausrüstung in die Pyrenäen oder in die Schneefelder der unwirtlichen, hochgelegenen Sierra Nevada. Da wählt man doch lieber den Komfort einer der zahlreichen Astro-Farmen.
Umso intensiver erinnere ich mich an den Beginn meiner aktiven Exkursionszeit. Ein Urlaub auf der Baleareninsel Ibiza ist mir immer noch in bleibender Erinnerung. Im August 1972 war es, als ich mir im Badeort San Antonio ein Fahrrad mietete, eine Geländekarte erwarb und von meinem Hotel hinauf in die 350 m hohen Berge im Zentrum der Insel strampelte. Etwas Verpflegung für die Nacht war dabei, ebenso mein alter Sternatlas von Schurig-Götz. Kennt den überhaupt noch jemand? Auf dem Gepäckträger festgezurrt war meine kleine Selbstbaumontierung aus Holz - damals noch ohne elektrischen Antrieb.
Das Strampeln in die Berge war ein Erlebnis. An Orangenhainen vorbei wurde der Blick immer wieder nach Süden gelenkt, wo das Mittelmeer im Licht der Spätnachmittagssonne schimmerte. Schließlich machte ich auf einem 330 Meter hoch gelegenen Plateau Station. Dieser Platz bot genügend Rundumsicht. Um mich herum breitete sich eine steinige, flache Ebene aus, von wildem Oregano bewachsen, hin und wieder von einer kleinen Baumgruppe und einigen Sträu-
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1 Milchstraße im Sternbild Schütze, Aufnahme mit Objektiv 1:1,4 / 50 mm auf
Farbdiafilm Kodak Ektachrome High Speed (ISO 160), Belichtung 45 Minuten bei Nachführung von Hand
chern unterbrochen. Hier fand ich sofort ein schönes Plätzchen für meine Montierung. Um mich herum nur Weite, als einziges Geräusch das laute Zirpen der medi-
terranen Zikaden. Ich fühlte mich als Teil der Natur. Schnell die Montierung aufgebaut und ausgerichtet. Zur Nachführung (viele sagen lieber ,,guiding" ...) setzte ich
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Astronomie-Erlebnis
2 Strichspuraufnahme des Schützen, Objektiv 1:1,4 / 50 mm, Farbdiafilm
Kodak Ektachrome High Speed (ISO 160), Belichtung ca. 10 Minuten
meinen 60-mm-Refraktor ,,Tele-Variabel" von Hertel & Reuss ein. Die Nachführkontrolle geschah über einen Leitstern, der im selbstgebauten Fadenkreuzokular gehalten wurde. Dazu kurbelte ich an einem stark untersetzten kleinen Handrad, möglichst gleichmäßig, um die Nachführfehler gering zu halten. Meine Kleinbild-Spiegelreflexkamera hatte ich für die Astrofotografie mit einem Ektachrome High Speed (23 DIN) bestückt. Über mir wölbte sich ein glasklarer Himmel, kein Frieren, kein Störlicht, kein Lärm. Und dann der permanente Duft des Ore-
gano! Noch jahrelang blieb der Geruch an meinen Wanderschuhen haften. Seit der Zeit mag ich übrigens Pizza ...
Der Schütze stand im Süden. Ungewohnt kontrastreich und bis dahin nie gesehen hoben sich die Milchstraßenpartien ab. Zwischen Skorpion und Schütze erkannte ich mühelos die riesige E-förmige Dunkelwolke im Ophiuchus, deren Südteil man heute besser als ,,pipe nebula" kennt. Schnell einen Leitstern genügender Helligkeit eingestellt! Dann die Kamera per Kugelgelenk auf das Motiv
ausgerichtet! Mir war klar, dass ich das Ergebnis erst 14 Tage später sehen würde, nach der Filmentwicklung im Fachlabor. Egal - draufhalten! Als Belichtungszeit wagte ich 45 Minuten bei Blende 1,4 (Abb. 1).
Selten hatte ich im Zenit die Ausläufer der Milchstraße vom Schwan über den Cepheus bis in die Cassiopeia hinein so brilliant wahrgenommen. Im Laufe der Nacht entstanden mit 50 Millimeter Brennweite etliche Sternfeldaufnahmen der Sommer- und Herbststernbilder, auch simple Strichspuraufnahmen (Abb. 2). Man mag diese bescheidenen Dias heute gar nicht mehr zeigen, zu sehr ist man von den Super-Ergebnissen der Digitalfotografie verwöhnt. Aber das war damals eben noch ein wenig anders. Gegen Morgen ging der Orion auf. Etwas weiter im Osten bemerkte ich etwas später einen schiefen Lichtkegel - das Zodiakallicht. So etwas hatte ich von meinem heimischen Westfalen aus nie gesehen! Im Südosten stand Sirius im Großen Hund hoch am Himmel, immerhin beträgt der Unterschied in der geografischen Breite zu Deutschland 11 bis 16 Grad. Ich schaute noch lange nach Sirius, verfolgte ihn während der zunehmenden Helligkeit der Morgendämmerung. Ganz allmählich verblassten die restlichen Sterne des Großen Hundes. Der Tag kündigte sich mit lautem Vogelgezwitscher an. Schließlich ging über dem Meer die Sonne auf und übernahm wieder die Regie. Eine unvergessliche Astronacht war zu Ende.
Meine Astroerlebnisse - aber welches war das Schönste?
von Daniel Spitzer
Wenn ich an meine noch nicht allzu lange amateurastronomische Karriere zurückdenke, gibt es viele Ereignisse, die mir einfallen. Einige schöne, viele lustige und manche inspirierende. Weil jedes davon so unterschiedlich ist, fällt es mir schwer sie gleichwertig zu behandeln und DAS schönste Erlebnis heraus zu picken. Mein Beitrag zum Schwerpunktthema soll daher eine Auswahl dieser Erlebnisse vorstellen.
VdS-Journal Nr. 37
Der erste ATT-Besuch 2004 Schon Wochen zuvor dachte ich, das ist in der Nähe, da musst du hin! Ich war bis dahin nur in Internetforen unterwegs und hatte, soweit ich mich erinnern kann, noch nie einen Amateurastronom gesehen, außer mir selber...
Ich hatte mir außerdem eine ,,kleine" Einkaufsliste gemacht, Spiegelrohling, Okularauszug und einen großen Schwung VdS-
Journale wollte ich erstehen! Es fing schon mit dem Erwerb der Eintrittskarte an. Es war die 25. Auflage des ATTs. Grund genug für die Mitglieder der Walter-HohmannSternwarte, sich für die Eintrittskarten etwas einfallen zu lassen: Ich bekam an der Kasse ein kleines Plastiktütchen mit einem blauen Zettel in die Hand gedrückt - mit einem kleinen, dort aufgeklebten Meteoriten! Die haben mich eigentlich nie wirklich interessiert, aber es war toll einen zu haben ;-)
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Astronomie-Erlebnis
Was ich auf dem ATT genau gemacht habe, weiß ich heute nicht mehr, ist aber auch nicht so wichtig. Es war einfach toll, zwischen so vielen Amateurastronomen und so vielen Teleskopen zu sein. Auf dem ATT habe ich etwas fürs Leben gelernt: Ich weiß jetzt, wie sich eine Frau im Schuhgeschäft fühlen muss.
Beitritt in die VdS und die Fachgruppe Deep Sky Ich habe immer Bedenken, was Beitritte zu Vereinen angeht. Aber irgendwann habe ich mir das Beitrittsformular auf der VdS-Homepage heruntergeladen, es ausgefüllt und abgeschickt. Ich ärgere mich noch heute darüber, es nicht eher getan zu haben. Wenn ich an die VdS denke, denke ich zugleich, dass ich hier meinen Verein gefunden habe. Hier hat meine astronomische Tätigkeit eine neue Qualität bekommen. Als ich dann von der Fachgruppe Deep Sky erfahren habe, dachte ich ,,Hey, das ist doch genau das, was du immer machst!" Sofort habe ich eine
1 Die erste Seite
meines Beobachtungsbuchs Nr. 1
Mail an Jens Bohle geschickt, ich wollte unbedingt mitmachen. Wenige Wochen später lernte ich Jens auf dem ATT 2006 kennen und drückte ihm zwei Zeichnungen zum Projekt 10PN in die Hand. Kurz darauf konnte ich im Journal meinen ersten eigenen Artikel sehen: ,,Vergessene Objekte - Sterngruppen im NGC". Ich weiß schon jetzt beim Schreiben dieses Artikes, dass es wieder so sein wird.
Heute komme ich gerade vom Fachgruppentreffen 2010 in Heppenheim zurück und habe mit Leuten zusammen gesessen und Spaß gehabt, die ich vor einigen Jahren bestenfalls vom Sehen kannte.
Das Beobachten Wenn ich ans Beobachten denke, gibt es zwei Knackpunkte. Obwohl ich heute durch und durch Deep-Sky-Beobachter bin, war mein erstes Objekt der Jupiter, weil er einfach zu finden war. Am 5.1.2000 war sein Licht das erste, welches in mein Teleskop fiel. Jupiter ,,entjungferte" quasi mein Teleskop. Es war wie bei sicher vielen Anfängern - nicht gerade berauschend. Aber nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick aber dachte ich, ,,Ey, ich kann das echt sehen!". Da darf dann bei der allerersten Beobachtung der große Orionnebel aussehen, als hätte man mir aufs Okular gespuckt.
Astronomische Erlebnisse - Plejaden über Portugal
von Klaus Staubermann
Vor einigen Jahren war ich zu einer Vortragsreise in Portugal unterwegs. Ein Kollege hatte mich im Anschluss zu einer Besichtigung der Sternwarte von Lissabon eingeladen. Die Sternwarte ist eine eindrucksvolle Einrichtung, modelliert nach Struves Observatorium in Pulkowo, mit noch existierenden historischen Instrumenten und einer Bibliothek. Nach einem guten Glas Wein fragte mich mein Kollege, ob ich Interesse hätte mit ihm am nächsten Tag in die Alentejo-Ebene zu fahren. Die Großeltern seiner Lebensgefährtin hätten dort noch ein altes Haus, ganz ohne Strom und fließendes Wasser aber perfekt für nächtliches Beobachten. Es brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit und am nächsten Tag waren wir auf dem Weg in die Hochebene, mit einem 20x80-Fernglas und dem Stativ der Sternwarte im Gepäck. Rechtzeitig am Abend erreichten wir unseren Beobachtungsort, richteten uns häuslich ein (das
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Essen wurde über offenem Feuer zubereitet) und machten uns auf den Weg in die Ebene. Gegen 22 Uhr hatten wir das Fernglas aufgebaut und begannen zu beobachten. Ich muss dazu ergänzen, dass ich als Beobachter nicht verwöhnt bin: Ich teile meine Zeit zwischen Berlin und Schottland. In Berlin lässt die Lichtverschmutzung kaum ein Beobachten zu, ich begnüge mich mit einem gelegentlichen Spaziergang am Sternenhimmel mit dem Feldstecher. In Schottland ist der Himmel zwar dunkler, dafür aber das Wetter unberechenbar. Dort behelfe ich mir mit einem kurzbrennweitigen Refraktor, den ich schnell auf- und abbauen kann. Mein portugiesischer Kollege hatte seine Gitarre mitgebracht (wir teilen den gleichen Musikgeschmack) und ich den guten Rotwein, so dass es ein entspannter Abend werden konnte. Wir begannen den Himmel mit bloßem Auge zu mustern, aber schon bald mit dem Fernglas
zu beobachten. Was für ein Anblick, als ich den Feldstecher auf die Plejaden richtete, die wie funkelnde Brillanten auf schwarzem Samt erschienen. Mir fehlten die Worte, aber mehr noch wurde mir bewusst, dass dies die Momente sind, die mich zur Astronomie geführt hatten. Wir beobachten bis gegen 2 Uhr, dann machte sich die anstrengende Woche zuvor bemerkbar. Am nächsten Morgen ging es nach einer Tasse starken Kaffees zurück Richtung Lissabon. Seitdem sind einige Jahre vergangen, aber von allen astronomischen Erlebnissen ist mir dieses am besten in Erinnerung geblieben. Wenn ich den Blick zu den Plejaden richte, durch Wolkenlücken in Schottland oder gegen den aufgehellten Himmel über Berlin, denke ich oft an diese Nacht auf der Alentejo-Ebene zurück.
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First light mit dem Starfire-Refraktor
Tagebucheintrag der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 2000
von Jens Leich
Eigentlich war ich zu müde, aber einige Blicke in den klaren Himmel bewogen mich doch, meine ,,Sieben Sachen" zu packen. Jetzt oder nie, ich hatte schließlich Urlaub. So fuhr ich gegen 23 Uhr Sommerzeit Richtung Baldenberg (mein seiner Zeit schnell erreichbarer und ruhiger Beobachtungsstandort). Als ich den Weg zum WDR-Umsetzer einbog, bemerkte ich einen hellen Schein am Horizont, beim näheren Hinschauen erkannte man ein hell erleuchtetes Wolkenfeld, es konnte sich nur um ,,Leuchtende Nachtwolken" (LNW) handeln. Bisher hatte ich noch keine selbst gesehen. Sie kommen - wenn überhaupt - meist nur zwischen Juni und August vor, wenn die astronomische Dämmerung nicht erreicht wird. Eine Häufung ist Mitte/Ende Juni zu verzeichnen. Da ich keinen Fotoapparat dabei hatte, fuhr ich schnell noch mal nach Hause, um meine komplette Fotoausrüstung zu holen. Es war mittlerweile 23.20 Uhr MESZ. Wie lange die Wolken schon sichtbar waren, weiß ich nicht. Zwischen 23.45 und 00.30 MESZ konnte ich die LNW auf 200er Dia- und 400er Negativfilm ablichten. Es sind einige hervorragende Aufnahmen entstanden. In Abbildung 1 sehen Sie eine Kostprobe. In der Literatur werden die LNW genau so beschrieben, wie auf der Aufnahme zu sehen: sie liegen in ca. 70-90 Kilometer Höhe. Nach den Polarlichtern beim BinoFirst-Light im April wieder eine glückliche Terminwahl!
Nach erfolgreicher Fotografie der LNW fuhr ich wieder an meinen eigentlichen Beobachtungsstandort, um mein ,,First Light" am 5-Zöller zu erleben. Die CNC 400 von Astrophysics wurde in aller Ruhe aufgebaut und erstmals kam meine vor Monaten gebaute Blink-LichtSchaltung für den Polsucher zum Einsatz, eine echte Hilfe! Der Starfire war nun einssatzbereit. Gegen ein Uhr MESZ richtete ich den 5-Zöller auf die Andromedagalaxie, tief im Osten. Der Himmel war relativ hell. Mit dem Bino und den 25er-Okularen war zunächst eine kleine Wolke zu erkennen, aber das konnte
1 Leuchtende Nachtwolken am 28.06.2000 um 22.04 UT. Kamera: Canon A1
mit 28-mm-Objektiv / Kodak Royal Gold 400 ASA Farbnegativfilm / 40 s belichtet
nicht M 31 sein, das war die Begleitgalaxie! M 31 war schon beeindruckend. Es war sehr kalt, einigermaßen dunkel war es jedoch nur im Zenitbereich. Da zog das Sternbild Leier seine Bahn. Der Ringnebel wurde angepeilt, ein Gedicht! Der offene Ring war im Bino grandios sichtbar. Auch bei höherer Vergrößerung, einfach super. Beim wahllosen Schwenken erwischte ich eine schöne Sternenansammlung unterhalb des Adlers. Trotz des mittsommerhellen Himmels erschien der Anblick im Okular angenehm dunkel. M 13 im Herkules, bereits gegen drei Uhr MESZ und dämmrig hell, wie sollen die Objekte erst bei guten Bedingungen aussehen ?
M 81 und M 82 - nein, dafür ist es bestimmt zu hell da hinten, Irrtum! Mit deutlich erkennbaren Strukturen genauso ein lohnendes Objekt wie M 51, welcher in der Dämmerung noch nicht ganz das zeigte, was möglich gewesen wäre: Zwei helle ,,Wollknäuel", allerdings ohne erkennbare Verbindung, zogen durchs Gesichtsfeld. Die Polachse stand perfekt, auch kleinere NGCs fand ich auf Anhieb.
Da kam mir noch der Hantelnebel in den Sinn und der haute mich dann doch vom Hocker. Einfach schön! Am Nordosthorizont lugte die Hörnerspitze des 25 1/2 Tage alten Mondes hervor. Der Himmel wurde immer heller und ich wartete noch auf Jupiter und Saturn. Für gute Bilder war die Luft jetzt allerdings zu unruhig und ließ besonders bei den beiden Gasriesen auf den Herbst hoffen, wenn sie hoch im Stier ihre Bahnen zogen. Nach rund einer Stunde war der Mond noch ein lohnendes Objekt. Die ersten Fotos am Starfire entstanden. Das Auflösungsvermögen und der glasklare Kontrast begeisterten mich. Das gelungene ,,First Light" meines Refraktors endete um halb fünf Uhr morgens kurz vor Sonnenaufgang.
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Astronomie-Erlebnis
,,Die Sterne sind glühende Kohlen und Asche"
von Guido Wollenhaupt
namibischen Nachthimmel stehe, nach oben schaue und das leuchtende Band der südlichen Milchstraße und unzählige Sterne erblicke, die Geräusche des nächtlichen Afrika, den kühlen trockenen Nachtwind und den Duft der Pflanzen um mich herum. Dann fühlt man sich mit einem Mal in die Gedanken- und Mythenwelt der San hineinversetzt und ist wieder eins mit der Natur und mit dem großen ,,Schauspiel" da oben. Man hat den Eindruck, als habe man etwas wieder gefunden, was man schon lange verloren zu haben glaubte. Ja, da sind glühende Kohlen und ein Band aus glimmender Asche - die San haben recht.
1 Der offene Sternhaufen NGC 4755, auch Juwelenschachtel genannt, im
Sternbild ,,Kreuz des Südens". Aufgenommen mit einer SBIG STL 1001E am 16-Zollf/8-Hypergraphen auf der Farm Tivoli in Namibia. Das LRGB-Bild entstand aus 20 x 2 min Luminanz, 6 x 5 min Rot, 6 x 5 min Grün und 12 x 5 min Blau. Bildautoren: Gerhard Lehmann und Joachim Lorenz
Der afrikanische Stamm der San lebte viele hunderte Jahre nomadisch in den Weiten der Kalahari und der namibischen Hochländer. Unter ihnen erzählt man sich noch heute die Geschichte, dass eine Eule aus lauter Ärger über die völlige Dunkelheit der Nacht glühende Kohlen und glühende Asche aus dem Feuer nahm, sie hoch in die Luft warf und rief: ,,Da, glühende Kohlen, werdet zu Sternen, damit wir nachts Licht haben, wenn Mond und Sonne nicht scheinen". Zur glühenden Asche sagte sie: ,,Da, Asche, werde zur Milchstraße, um den Sternen leuchten zu helfen. Gib Licht, damit die Menschen nachts sehen können und nicht zu Hause
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sitzen zu brauchen". Ein starker Wirbelwind trug daraufhin die Kohlen und die Asche hoch über die Wolken: Die schimmernden Kohlen wurden zu funkelnden Sternen und die glühende Asche wurde zum leuchtenden Bogen der Milchstraße. Wenn man diese Geschichte aus dem Legendenschatz der Buschleute liest, könnte man sich als passionierter Hobbyastronom ein mildes Lächeln abringen, wegen der doch so einfachen und weit hergeholten Darstellung der Sternentstehung.
Eine völlig andere Bedeutung bekommt diese Erzählung für mich Mitteleuropäer, wenn ich selbst unter dem tiefschwarzen
Im Jahr 2009 führte uns wieder eine Reise nach Namibia. Diesmal astronomisch nur mit einem Steiner 20x80-Fernglas, Stativ und Kinokopf als Leihgabe der Sternwarte Drebach ausgestattet. Leider war ein Aufenthalt zur Beobachtung auf Tivoli, Rooisand oder Hakos aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Zudem lag ein Großteil der Reisezeit um den Maivollmond. Gut zum Campen, schlecht für die Beobachtung. So nutzte ich erst im zweiten Drittel der Reise die früh hereinbrechenden mondlosen Abende auf den Restcamps von Rooisand (Gamsberggebiet) und Farm Ameib (Erongo), um mit dem Fernglas durch die südliche Milchstraße und deren hellsten Objekte zu streifen. Für mich trotz der recht spartanischen Ausstattung ein absoluter Gewinn, denn weniger ist manchmal mehr. Schon allein die offenen Sternhaufen der von Europa aus nicht sichtbaren südlichen Teile des Sternbilds Skorpion sind ein Genuss.
So zum Beispiel NGC 6231, den man bereits als diffusen Nebelfleck von 3 mag mit bloßem Auge nahe bei · Sco ausmachen kann. Einer der hellsten offenen Sternhaufen, den man am Himmel beobachten kann und der den Plejaden an Pracht kaum nachsteht. Im 20 x 80-Fernglas drängen sich dutzende 5 mag - 8 mag helle Sterne. NGC 6231 wurde 1752
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von Abbe de Lacaille (1713 - 1762) entdeckt. Unsicher ist eine Sichtung durch Hodierna (1597 - 1660) bereits 1654.
Östlich von NGC 6231 findet man den etwas schwächeren offenen Sternhaufen NGC 6124. Von Mitteleuropa aus würde man den Sternhaufen bei seiner Kulmination genau auf der Horizontlinie finden. Auch er ist in Namibia als schwaches Glimmen etwa 5 Grad westlich von · Sco zu entdecken. Im Fernglas offenbart sich seine ganze Schönheit. Etwa dreißig Sterne sind sehr gut in einer relativ sternarmen Umgebung zu entdecken. Abbe de Lacaille beschreibt 1755 seinen Eindruck von NGC 6231 als ,,Nebel ohne Sterne, er ähnelt einem großen Kometen ohne Schweif".
Ein wunderschönes Ziel, auch für das Fernglas oder ein kleines Teleskop, ist Kappa Crucis, die Juwelenschachtel bzw. ,,Jewel Box" im Kreuz des Südens (Crux) - oder NGC 4755 (siehe Abb. 1). Der hellste Stern ist · Cru. Er dient auch als Orientierungspunkt für das Auffinden. Der Sternhaufen darum ist bereits mit bloßem Auge als kleiner heller Sternknoten zu sehen. Im Zentrum findet man im Fernglas sechs helle Sterne als markantes Dreieck, dessen Spitze auf · ·Cru zielt. Seine fünf Mitglieder funkeln fast reinweiß, während der sechste orange-rot einen auffälligen Kontrast bildet. Wer die ,,Jewel Box" nicht in seinem Programm hatte, hat leider das Kleinod des südlichen
Sternhimmels ausgelassen. Im Gegensatz zu NGC 4755 steht der bereits deutlich die Milchstraße ,,ausstanzende" Dunkelnebel des sogenannten Kohlensacks. Er befindet sich im südöstlichen Bereich des Kreuz des Südens und ist nicht zu übersehen. Man hat den Eindruck, dass der ,,Kohlensack" merklich dunkler ist als der Nachthimmel außerhalb der Milchstraße. Hier sitzt man aber einer Täuschung auf. Es ist ein Kontrasteffekt, der unser Auge narrt. Es gibt also auch ,,kahle" Stellen in unserem Band aus glimmender Asche. Wandert man mit dem Fernglas weiter südlich in die Fliege, lateinisch Musca, findet man weitere Dunkelnebel mit dem Fernglas. Diese sind aber dann nicht mehr so markant, also Zeit lassen und nur gut dunkeladaptiert beobachten.
Wenn man weiter nach Westen schwenkt, findet man NGC 3372. Hinter dieser nüchternen Bezeichnung des New General Catalogue verbirgt sich Eta Carinae, das absolute Highlight der südlichen Milchstraße. Diese ist in dieser Region des Himmels so hell, dass sie bereits in der späten Dämmerung auftaucht. Zu viel will ich nicht verraten, man muss es selbst sehen. Mit dem Fernglas von Steiner erlebt man ein riesiges Feld von hellen und dunklen Strukturen, diffus leuchtenden Bereichen und Dunkelbändern. Es ist der Höhepunkt einer Beobachtungsnacht und man braucht viel Zeit und Muße dafür. Egal, ob man mit dem Fernglas oder mit einem 20-Zoll-Dobson beobachtet.
Es gibt also viel zu sehen im Band der glimmenden Asche und der glühenden Kohlen. Die Eule hat gute Arbeit geleistet - denken wir heute. Um die Geschichte der Buschleute ein wenig weiter zu erzählen: Die Eule wurde am nächsten Morgen von der aufgebrachten Sonne wegen ihrer Taten gescholten. ,,Weißt Du welches große Unheil Du angerichtet hast? Nun werden die Menschen sich nachts herumtreiben, um Böses zu tun. Ich habe die Nächte mit Absicht so dunkel gemacht, damit die Menschen ihre Hände nicht vor Augen sehen können und sie zu Hause bleiben müssen und schlafen. Fortan sollst Du nur nachts bei Sternenlicht fliegen, denn wenn ich Dich am Tage erblicke, werde ich Dich zu Asche verbrennen. Wer dich auch sieht, wird Dich für Deine dumme Handlung verspotten".
Nun, ich habe mich gern in der afrikanischen Nacht herum getrieben und das Werk der Eule betrachtet und ich werde es wieder tun, denn auch mich haben diese Nächte und Erlebnisse begeistert.
Literaturangaben: - Stoyan, R.: Deep Sky Reiseführer,
Oculum Verlag, Erlangen (2004) - von Wielligh, G.R.: Die Sterne sind
glühende Kohlen und Asche, Namibiana Buchdepot (2005)
Mein astronomisches Schlüsselerlebnis, oder wie ich zur Astronomie
kam
von Carola Krause
1985 - ein besonderes Himmelsobjekt war in den Medien: der Komet Halley. Mal einen Kometen selbst sehen - das wär was...
Laut Medien sollte er gut zu sehen sein - zuerst noch mit dem Fernglas, später dann auch mit bloßem Auge - zumindest, wenn man die Großstadt verlassen würde. Aber so auffällig, dass er jedem gleich ins Auge springt, würde er auch wieder nicht werden.
Suchen war also angesagt. Die Himmelsrichtung allein nützte da wenig. Die Angabe von Sternbildern, in denen der Schweifstern sich aufhalten sollte, war da schon wesentlich genauer. Blöd nur, wenn man außer dem Großen Wagen, dem Kleinen Wagen und dem Orion kein einziges Sternbild kennt. Also ging es ab in die ,,Astroschule": Planetarium, Sternkarten, Himmelsjahr, Vorträge und jede klare Nacht raus!
Ich lernte, mich am Himmel zurecht zu finden und fand diese neue Freizeitbeschäftigung sehr interessant. Nur der Komet wollte sich nicht zeigen, obwohl ich inzwischen wusste, wo ich suchen musste, mich in den dunkelsten erreichbaren Ecken herum trieb und keine Mühen scheute.
Am 1. Adventswochenende war ich für einen Wochenendkurs in Musik angemeldet. In einer Bildungsstätte, die kurz
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nach 22 Uhr ihre Pforten schloss - zu früh für die Kometenbeobachtung. Also wurden zwei Freundinnen zum Anmelden vorgeschickt und beauftragt, im EG ein Fenster für nachkommende Kometensucher zu öffnen. Gegen Mitternacht stieg ich dort ein - nach erfolgloser Mission. Einige Zeit später - nach weiteren erfolglosen Suchabenden - stand ich wieder mit dem Auto am Feldrand. Damit, dass gelegentlich mal wer vorbeifuhr, musste man leben. Aber dann setzte sich ein Auto direkt hinter mich und dachte gar nicht daran, das Licht auszuschalten. Stattdessen stiegen zwei uniformierte Gestalten aus: die Polizei! In einem abgelegenen Haus eines Zahnarztes ganz in der Nähe war eingebrochen worden. Und ich stand da und glotzte mit dem Fernglas fast genau in die Richtung. Erst mal Ausweiskontrolle. Mist, hatte keinen
dabei. Ich war ja nur ein paar hundert Meter von zu Hause weg. Von dem Kometen hatten natürlich auch die Polizisten gehört, aber konnte ja trotzdem eine Ausrede sein. Blick in den Kofferraum: In der Gitarrenhülle konnte ja sonst was sein, und dann waren da noch Kennzeichen von einem Auto, dass ich ein paar Wochen zuvor hatte verschrotten lassen - alles sehr verdächtig! Also wurde ich kurzerhand verhaftet, dann noch kurz mit auf Verbrecherjagd genommen und anschließend nach Hause gefahren. Konnte meinen Ausweis holen und wurde wieder zu meinem Beobachtungsplatz zurück gebracht. Inzwischen hatte man mir die Kometensuche wohl endlich geglaubt. Den Kometen konnte ich in der Nacht leider nicht mehr ,,verhaften".
Es folgten noch viele erfolglose Suchen. Am 12.5.1986 dann ein Abend an der Astronomischen Beobachtungsstation II in Bochum. In dem Gerät dort war er schließlich mehr zu ahnen als zu sehen, und mir war klar, warum ich ihn vorher mit meinen bescheidenen Hilfsmitteln nicht gefunden hatte. Die Medien hatten maßlos übertrieben.
Etwas Besonderes war der Anblick trotzdem für mich, und ich fertigte meine erste astronomische Zeichnung an. Ok, letztlich war Halley eine herbe Enttäuschung, aber mein Interesse an der Astronomie war geweckt, und nach vielen Nachtschichten bis fast zum Morgen und ca. 1/2 Jahr hatte ich den kompletten hier sichtbaren Himmel durch. Neben Sonnenfinsternissen sind Kometen immer noch meine Lieblingsobjekte.
Boah!! - oder, wie kommt man zur Astronomie?
von Kurt Hopf
1 Ansteckend wirkt ein ,,Dobson" auch auf die Astrokids der Gegenwart, vor
allem, wenn das nach den Ideen des Altmeisters konstruierte Teleskop einen halben Meter Spiegelöffnung hat.
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Ich bin mir nicht sicher, ob es mir so ging wie diesem Jugendlichen, als er zum ersten Mal den Saturn im Teleskop sah. Aber irgendetwas Ähnliches ist wohl einem jeden passiert, der jener krassen Minderheit angehört, welche die Wissenschaft von den Sternen zu ihrem Hobby gewählt hat. Jawohl - Sie haben richtig gelesen: Minderheit! Jedes Mal wenn ich unterwegs bin und in einer gut sortierten Bahnhofsbuchhandlung nach den aktuellen Astrozeitschriften Ausschau halte, wird mir das bewusst. Denn ganz weit draußen in den Winkeln dieses ,,Universums aus Papier und Pappe" findet man nach unterschiedlich langer ,,Raumfahrt" auch astronomische Titel - allerdings selten mehr als zwei oder drei Hand voll. Da hat meine Frau, die nicht der Astronomie frönt, sondern quiltet und patchworkt bis die Nadel glüht, regelmäßig eine wesentlich größere Auswahl an Hochglanzmagazinen. Ganz zu schweigen von den Freunden des Autotunings, des Briefmarken- oder Münzensammelns, Pflanzenzüchtens und Computerbastelns sowie anderer mehr oder weniger obskurer Steckenpferde. Für sie biegen sich
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die Regale bis zur Belastungsgrenze,manchmal auch jenseits des guten Geschmacks.
Wenn ich ehrlich bin, verdanke ich die Astronomie nicht unbedingt so einem erlebnisreichen ,,Heureka"-Moment, sondern eher den richtigen Menschen zur richtigen Zeit: den Eltern, die endlich meinem Quengeln nachgaben und mir mit 14 ein kleines Fernrohr schenkten, das an heutigen Verhältnissen gemessen einen beträchtlichen Teil eines Monatslohn kostete, sowie Bekannten und Mentoren, die in mir die Freude an der Natur generell weckten und Lehrern, die das Interesse förderten und erweiterten. Und dann kam jenes Erlebnis hinzu, das die Menschen damals in Atem hielt: der Wettlauf zum Mond, der für mich einmal gegen halb drei Uhr morgens zunächst mit einer Backpfeife meines Vaters jäh endete, weil ich mich trotz bevorstehender Mathe-Schulaufgabe dennoch nach Mitternacht vor die Glotze geschlichen hatte und Fingernägel kauend und fröstelnd dem unwirklichen, schwarzweißen Flimmerszenario folgte. Bis heute bin ich überzeugt, dass das alles tatsächlich auf unserem Erdbegleiter stattgefunden hat und nicht in einem von der CIA abgeschirmten Hollywood-Studio. Heute würden die Kids zu derlei Fernsehgenuss allerdings müde lächelnd sagen: ,,Ey Alder, kannst net mal an gscheitn Blue-Ray auflegen und dir an neuen Monitor kaufen. Man tut ja nix erkennen da drauf!"
Immerhin, bald begann die Farb-Ära, sowohl auf dem Mond wie auch bei der Planetenerkundung, und nachdem der junge Mann inzwischen Leiter einer Sternwarte war, jagte er ständig diesen neuesten farbigen Ansichten des Alls hinterher. Ohne Gratis-Web gestaltete sich die Beschaffung vorführfähigen Materials durchaus schwierig. Gelegentlich wunderten sich Entleiher der wenigen astronomischen Zeitschriften in den öffentlichen Büchereien deshalb über das Fehlen bestimmter Seiten (... die natürlich stets die jeweils neueste astronomische Bildsensation im Vollformat darstellten).
Apropos Hobby. Ist Ihnen klar, dass man in der Astronomie mit der Zeit dennoch so eine Art Briefmarkensammler wird? Statt bunter Postwertzeichen sammeln wir astronomische Ereignisse, Events
2 Boah! - Seltsamerweise fasziniert im Zeitalter der virtuellen Welten und der
Allgegenwart von Bildern das Original eines Himmelskörpers immer wieder große und kleine Sterngucker.
würde man heute sagen. Je seltener desto besser! - ,,Ich habe schon vier totale Mofis gesehen", meint da einer, ,,...und ich fünf helle Kometen", ein anderer. Da erzählt der Nächste von seiner Sofi, die aber selbstverständlich gar nichts gegen einen Venusdurchgang vor der Sonne ist,..... oder eine Sternbedeckung durch einen Planeten. Und heute muss man doch wenigstens den Transit eines Exoplaneten vor einem fernen Fixstern gemessen haben, um wirklich im Gespräch zu bleiben.
Aber ich liebe dieses kleines, manchmal so verrückte Völkchen vom Stamme der Astromanen, die, obwohl an Zahl so wenig, so viel auf die Beine stellen. Sie zeigen mit unverdrossener Begeisterung in Sternwarten den Besuchern kleine wabbelige Planetenkügelchen, obwohl diese im 3D-Kino um die Ecke mit deutlich mehr Action und in HD auf die Netzhaut gebrannt werden. Sie flüchten sich in klaren Nächten samt ihren Teleskopen viele Kilometer fernab der Städte auf Berge, nur um sich stundenlang hinter ihre Röhren zu kauern, wobei die einzige Abwechslung die Melodie der Schritt-
motoren und das gelegentliche Aufblitzen einiger LED-Glühwürmchen ist. Und wem das nicht reicht, der geht sogar im wortwörtlichen Sinn in die Wüste, weil unsere Politiker zwar etwas gegen die Verschmutzung der Luft, des Wassers und des Bodens, ja in jüngster Zeit sogar des Internets etwas tun wollen, nicht jedoch gegen die Verschmutzung des Sternhimmels. Während Stuttgart 21 und die Castoren Massen mobilisieren, würden auch eine Million Aktivisten bei der Sitzblockade auch nur eines Prozents der bundesdeutschen Scheinwerferphalanx scheitern.
Doch wer den Sternhimmel sucht, der wird ihn auch heutzutage finden und er wird vor allem Gleichgesinnte und Freunde treffen für eine der spannendsten Freizeitbeschäftigungen unserer Zeit. Wenn ,,die Kids" merken, dass man mit den beiden Daumen nicht nur eine Playstation oder einen Gameboy sondern auch die Fernbedienung eines Teleskops steuern und dass man damit nicht nur virtuelle Raumschiffe sondern sogar reelle Himmelskörper jagen kann, könnte das wieder ein ,,Boah-Erlebnis" werden.....und den Rest kennen wir ja.
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1 Zwei Leuchtspuren, oben rechts
das Himmelsphänomen, unten links die Taschenlampenspur des aufgeregten Beobachters.
Aufregung am Abend
von Sven Melchert
Der zeitgemäß arbeitende Hobbyastronom mit astrofotografischen Ambitionen sieht sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Zuerst muss er ein karges Leben führen, um sich das Budget für die gewünschte Ausrüstung vom Mund abzusparen. Dann hat er viel Freude daran, sich mit den technischen Schwachstellen des teuer erworbenen Equipments auseinanderzusetzen. Und schließlich, wenn alles montiert, justiert und optimiert ist, kann er endlich das tun, was er schon immer wollte - nichts. Okay, so gut wie nichts, denn auch der zuverlässigste Autoguider bedarf immer wieder eines prüfenden Blicks, und manchmal, ganz selten, wenn den zufriedenen Hobbyastronom so langsam die Langeweile beschleicht, kommt ihm ein ganz und gar unerhörter Gedanke: Man könnte ja mal raus gehen und den Sternenhimmel visuell beobachten!
Das ist leichter gesagt als getan. Draußen ist es kalt, der Wind weht, wildes Getier scheint im Dunkeln auf einen zu warten. Und bevor man es verantworten kann,
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das Fernglas zu den Augen zu führen oder einen Blick durchs Okular zu werfen, heißt es erst einmal, sich zu ,,adaptieren", die Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Das dauert ...
Zum Glück hält der Himmel die ein oder andere Überraschung bereit, die den monitorfixierten Amateur von Zeit zu Zeit dazu bewegt, sich die Jacke überzustreifen und den Weg ins Freie zu suchen. Mal ist es eine schöne Sternschnuppe, dann ein langsam dahin ziehender Satellit und selten auch ein blitzender Satellit, den keiner der Internet-Vorhersagedienste angekündigt hatte. So steht man versonnen unter dem Sternenzelt und lauscht den Reaktionen der Montierungsmotoren auf die Autoguiderbefehle, während man den Blick über das Firmament streifen lässt. Vollkommen deplatziert sind in diesen entspannten Momenten plötzlich störende Lichter. Da kann man sich noch so weit von der Zivilisation entfernen und Durchgangsstraßen meiden, nirgends hat man aber auch seine Ruhe!
Ein ähnliches Szenario spielte sich am Abend des 25. September 2008 in einer dünn besiedelten Gegend in Südfrankreich ab. Der ruhige Genuss der Sternenwelt wurde kurz vor 23 Uhr MESZ jäh von einem störenden Lichtschein unterbrochen. Das Gehirn reagierte irritiert, denn in der dunklen Einöde gibt es keine künstlichen Lichtquellen (von den selbst benutzten einmal abgesehen). Was also um alles in der Welt hellte links hinter mir plötzlich den Himmel so stark auf, dass es auch aus dem Augenwinkel zu bemerken war? Eine rasche Umdrehung später, der Blick ging nach oben, der Mund fiel nach unten: Quer über den westlichen Horizont zog, völlig lautlos, ein grell orange leuchtendes Bündel Feuerspuren, ein Schwarm verglühender ,,was mag das sein?", mehreren Boliden im Parallelflug gleich.
Weitere Gedanken mussten warten, zum Glück stand nur wenige Meter entfernt eine Kamera auf ihrem Fotostativ, um Strichspuraufnahmen zu machen. Also hin, Aufnahme abbrechen, Kamera um-
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schwenken, schon ist der Feuerschwarm nach Süden gezogen und beginnt sich aufzulösen, Auslöser drücken und hoffen, dass sich auf dem Bild Spuren des Spektakels finden werden. Kaum war die Aufnahme einige Sekunden belichtet, ging die Show auch ihrem Ende entgegen, über dem Südhorizont verschwanden die letzten Reste der Lichtspuren und die stockdunkle Nacht hatte uns wieder.
Auf den Bildern war tatsächlich etwas zu sehen. Bei der ersten Aufnahme (Abb. 1) geht die Leuchtspur leider nur durch eine Bildecke, die zweite Aufnahme zeigt die verblassenden Lichtspuren über dem Südhorizont (Abb. 2). Die Gedanken und Gespräche drehten sich den Rest der Nacht natürlich nur noch um dieses Phänomen. Was mag das gewesen sein? Der Anblick erinnerte an Szenen, wie man sie von Unterhaltungsfilmen über bedrohliche Kometen oder Asteroiden her kennt. Konnte es sich also um ein unter flachem Winkel in die Erdatmosphäre eingetretenes Objekt handeln, das danach im mehrere Teile zerbrach, die langsam in der Erdatmosphäre verglühten? Oder war es ein Satellit, der unerwartet seine Bahn verlassen hatte und daraufhin in der Atmosphäre in Rauch aufging? Apropos Satellit, sollte in diesen Tagen nicht das europäische ATV in der Atmosphäre verglühen?
Für einen Blick ins Internet hätten wir in dieser Nacht Höchstpreise bezahlt. Aber leider gab es am Beobachtungsort weder einen Internetzugang noch Handyempfang. Erst am nächsten Tag konnten wir der Sache nachgehen und fanden in einem französischen Astronomieforum Berichte anderer Beobachter. Ein Verweis auf die Internetseite [1] führte schließlich zur Lösung des Rätsels: Wir hatten das (planmäßige) Verglühen einer russischen Proton-Raketenstufe beobachtet [2], die einen Glonass-Satelliten ins All befördert hatte.
Das ATV der ESA verglühte übrigens einige Tage später wie vorgesehen über dem Pazifischen Ozean. Der Wiedereintritt des ATV wurde von einem Flugzeug aus gefilmt, Standbilder davon sind unter [3] zu sehen (Abb. 3). Ganz ähnlich sah das von uns beobachtete Verglühen der russischen Raketenstufe auch aus ...
2 Ende im Süden - bis die Kamera ausgerichtet war, konnte nur noch das
Verblassen der Leuchtspur über dem Südhorizont fotografiert werden.
Internethinweise: [1] http://reentrynews.aero.org/past.
html [2] http://reentrynews.aero.
org/2008046d.html [3] http://www.esa.int/esaCP/
SEMSB76EJLF_index_0.html
3 Das verglühende ATV der ESA
war sicher noch spektakulärer als unser Erlebnis, das Bild vermittelt aber einen Eindruck, was wir gesehen hatten.
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Astronomie-Erlebnis
Mein schönstes Astronomie-Erlebnis
von Michael Manthey
Es war der Sommer meiner großen Liebe, und wir hatten es uns wie bei ihr so üblich zu dieser Jahreszeit auf der Terrasse für die Nacht gemütlich gemacht. Ich selbst bin in der Großstadt Hamburg aufgewachsen und verbrachte nun die ersten Tage bei meiner Freundin in der Schweiz, östlich von Zürich. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich vom Himmel nur die rudimentären Himmelsobjekte, Sonne und Mond. Ja, auch Venus und Jupiter hatte ich in Hamburg schon mal gesehen, auch der Große Wagen und Kassiopeia waren mir bekannt. Aber als es dunkler und dunkler wurde lief es mir kalt den Rücken herunter, ich hatte nicht nur einen Star neben mir, nein, am Himmel sah ich Sterne in Massen, wie ich es nie für möglich gehalten hatte.
Wir haben die Milchstraße gesehen und den Schwan, den Adler und viele andere Sternenbilder, die ich nicht kannte. Und als dann um halb eins in der Nacht die Straßenlaternen ausgeschaltet wurden, hat das Sternenausmaß seinen Höhepunkt erreicht. Dank dieses zauberhaften Abends haben wir uns zu unserer Hochzeit drei Jahre später ein Teleskop schenken lassen, und nach diversen Spechtelstunden habe ich das Fotografieren entdeckt.
1 Sternenbild Großer Wagen über Fägswil im Januar 2010, aufgenommen mit
einer original CANON 20Da und einem 18-mm-Objektiv, nachgeführt mit einer Vixen GP und SkySensor 2000PC
Dieses spezielle Hobby im Hobby können Sie auf meiner Homepage einsehen [1], wobei ich Ihnen ganz viel Spaß und Freude wünsche.
Literaturhinweis [1] Homepage von M. Manthey: http://
www.sternwarte.faegswil.ch
Fühlen - Riechen - Erleben
von Andreas Berger
Es ist noch nicht lange her, da gab es eine Mondfinsternis, die ihre Totalität kurz vor Sonnenaufgang hatte. Wir versprachen uns nicht viel von dieser Finsternis, dennoch verabredeten wir uns. Die Fahrt ging in das oberbergische Land. Am Rande eines Modell-Flugplatzes bauten wir unsere Instrumente auf. Der Eintritt des Halbschattens war schon gut zu erkennen. Der Mond ging im-
1 Mondfinsternis vom 3. März
2007, aufgenommen um 23:27 Weltzeit mit 700-mm-Teleobjektiv (Werner E. Celnik)
Astronomie-Erlebnis
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mer mehr dem Horizont entgegen und der Kernschatten verdeckte zunehmend das Mondgesicht. Es wurde schon recht frisch und leichter Morgendunst machte sich breit. Es war absolut still. Hin und wieder war ein Käuzchen zu hören sowie die Verschlüsse unserer Kameras. Es war kurz vor der Totalität als es am Horizont langsam heller wurde. Die hohe Luftfeuchtigkeit drang durch unsere Klamotten und der Morgentau tropfte von unseren Kameras! Der Geruch von nasser
Erde und Pflanzen machte sich breit. Der Mond war kaum noch zu erkennen, als wie per Knopfdruck plötzlich die Hähne und Kühe sowie die Vögel gleichzeitig im benachbarten Umfeld anfingen, sich lautstark bemerkbar zu machen. Plötzlich war Leben in der vermeintlichen Einsamkeit. Auf der einen Seite ging der blasse, kaum noch sichtbare verdunkelte Mond unter, und auf der anderen Seite streckten sich die ersten Sonnenstrahlen am Himmel lang.
Das ist die wirkliche Astronomie! Nicht das Sitzen am Rechner, um ein Teleskop in der Ferne anzusteuern, sondern den Planeten Erde zu fühlen, riechen und zu erleben wie es in solchen Momenten geschieht. Denn kein Foto ist in der Lage, dieses Gefühl zu vermitteln.
Mein schönstes Astroerlebnis
von Otto Guthier
Für viele Amateur-Astronomen, die über viele Jahre die schönen Objekte des Sternenhimmels beobachtet haben, stellt sich eines Tages die Frage, was wohl das schönste und eindrucksvollste Astro-Erlebnis gewesen sein könnte. Kommen einige Jahre intensive Beobachtungspraxis zusammen, wird es schwierig, auf diese Frage eine Antwort zu geben.
Motiviert, einen Bericht für unser Schwerpunktthema zu schreiben, habe auch ich mir diese Frage gestellt. Bei fast vierzig Jahren der Beschäftigung mit der Astronomie und vielen schönen Astro-
erlebnissen war es mir auf Anhieb nicht möglich, das ,,schönste" Erlebnis zu benennen. Klar, es gab diese Highlights, die einen tief beeindruckt, sowie emotional erfasst haben und die man nie vergisst. Aber welche Nacht und welches Objekt hatten den absoluten ,,Kick"?
Nach reiflicher Überlegung bin ich dann zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht eine Nacht und nur ein Objekt war, sondern mir vielmehr klar wurde, dass sich ,,Äpfel mit Birnen" im Prinzip nicht vergleichen lassen.
Der nachfolgende Beitrag ist daher ein Versuch, einige Astro-Erlebnisse aus meinem Leben zu nennen, die sich tief in das Gedächnis ,,eingegraben" haben und in guter Erinnerung geblieben sind. Es sind immer wieder Momente der Glücksgefühle gewesen, eine Einstufung oder Rangfolge anzugeben, fällt mir dabei schwer. Ein Blick in die diversen Beobachtungsbücher aus diesen Jahren förderte einige spannende und interessante Details ,,zu Tage". Mögen die nachfolgenden Erinnerungen und Schilderungen die Leserschaft animieren über das eigene, ganz besondere Beobachtungserlebnis einmal nachzudenken. Über ihre Beiträge für unser VdS-Journal für Astronomie freuen wir uns sehr.
1. Moment: Komet West - März 1976 Es gab noch kein Internet, kein AstroFax-Circular von Jost Jahn und keine Telefonhotline; lediglich das Schnellcircular der im Jahr 1972 neu gegründeten VdS-Fachgruppe Kometen. Demnach sollte Ende Februar / Anfang März 1976 ein heller Komet am Osthimmel auftauchen, den der Schweizer Astronom Richard West entdeckt hatte.
Am 29. Februar lag ich erstmals auf der ,,Lauer", aber es war wegen des sehr geringen Winkelabstandes des Kometen zur Sonne ,,nichts zu machen". Am 2.
1 Zeichnung des Kometen West in
den Morgenstunden des 4. März 1976 durch den Autor
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Astronomie-Erlebnis
2 Komet Hyakutake 1996 B2 am 23. März 1996 um 0:01 MEZ, Instrument:
Schmidt-Kamera 250 mm / 495 mm, 8 Minuten belichtet auf Pro-Gold 400. Aufnahme Otto Guthier
März gelang im Morgengrauen die erste Sichtung. Eine exakte Schätzung war schwierig, doch schätzte ich die Helligkeit auf -1 mag!! Am darauf folgenden Tag war die Helligkeit des Kopfes leicht zurück gegangen, aber es war in der hellen Dämmerung bereits ein ca. 4 Grad langer Schweif zu sehen. Im Feldstecher zeigte sich ein ca. 0,5 mag heller Kern. Auch am 4. März war es in den Morgenstunden sehr klar, und so entschieden wir uns, bereits in der Nacht außerhalb von Hamburg mit einem kleinen Teleskop Beobachtungen vorzunehmen. Während der Fahrt fiel meinem Freund Thomas Kleine am Osthimmel eine recht helle ,,Rauchfahne" am Horizont auf. Wir hielten an und suchten den Horizont ab. Es war kein Feuer zu erkennen, die ,,Fahne" stand fest am Horizont.
Seltsam. Wir fuhren weiter. Sollte die ,,Fahne" etwa der Schweif des unter dem Horizont befindlichen Kometenkopfes sein?? Wir hielten an einer dunklen Stelle von Neu-Börnsen an und stellten
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unser kleines Teleskop auf einer Wiese auf. Wahnsinn - was für ein Anblick!! Es war tatsächlich der Staubschweif des Kometen West, der sich mit seiner ganzen Pracht alsbald über den Horizont schob. Wir schätzten die Helligkeit des Kopfes auf ca. 0,4 mag und den Kern auf etwa 1,5 mag. Der Schweif stand mit einer Ausdehnung von fast dreißig Grad stark gekrümmt am Osthimmel. Ein ca. sechs Grad langer Gasschweif bewegte sich Richtung Epsilon Pegasi. Rasch wurden einige Aufnahmen gemacht und eine Skizze des prachtvollen Kometen angefertigt (Abb. 1). Tief beeindruckt traten wir erst bei völlig hellem Morgenhimmel die Rückfahrt nach Hamburg an.
2. Moment: Komet Hyakutake - März 1996 Zwanzig Jahre waren inzwischen vergangen, in denen - außer dem berühmten Kometen 1P/Halley im Jahre 1986 - kein sehr heller Komet mehr sichtbar war. Der japanische Amateur-Astronom Yuji Hyakutake entdeckte am 30. Januar 1996
seinen zweiten Kometen; übrigens fast an der gleichen Position, an der er wenige Wochen zuvor seinen ersten Kometen entdeckt hatte. Am 24. Februar konnte ich den neuen Schweifstern mit meinem 125mm/750mm-Refraktor das erste Mal sichten. Die Helligkeit lag bei 7,8 mag. Der Komet sollte am 1. Mai sein Perihel bei 0,23 AE erreichen und am 25. März der Erde auf rund 0,11 AE nahe kommen. Am 14. und 15. März gelangen mir noch zwei weitere Beobachtungen, der Komet hatte bereits die 4. Magnitude erreicht. Die sichtbare Schweiflänge betrug maximal zwei Grad, wenig spektakulär. Es wurde spannend: Sollte der Komet in Erdnähe am 25. März wirklich seine Maximalhelligkeit erreichen? Am 20. März gelang eine Sichtung, die Helligkeit betrug 2,3 mag, die Schweiflänge war mit ca. zwei Grad noch recht enttäuschend.
Die Wetteraussichten verrieten für das darauf folgende Wochenende nichts gutes, also wurde eine Fahrt in die Alpen vorbereitet und organisiert. Am 22. März versuchten wir unser Glück in Südtirol, doch Schneefall und Wolken vereitelten eine Beobachtung. Der Wetterbericht sagte für das Engadin und den Berninapass eine klare Nacht voraus. Was folgte, war ein ,,Ritt" quer durch die Alpen.
Erst spät am Nachmittag erreichen wir ziemlich müde und von der Fahrerei genervt die Passhöhe der Bernina auf 2.300 Meter Höhe. Glücklicherweise konnten wir uns noch stärken, ehe wir die Montierung und das Teleskop aufstellen konnten. Ein Quartier gab es nicht und eine bitterkalte Nacht brach an. Nach Einbruch der Dunkelheit bemerkten wir im Sternbild Bootes merkwürdige Farben. Es handelte sich offenbar um die ersten Schweifstrahlen des Kometen! Um 19:45 Uhr wurden wir Zeuge eines einmaligen Spektakels: Staunend erblickten wir den Aufgang des bläulich-grünlich schimmernden Kopfes des Kometen. Der pure Wahnsinn überkam uns, als eine rund 1,3 Grad große Koma direkt über den schneebedeckten Bergen der Bernina stand. Fast eine Stunde standen wir staunend und aufgeregt im Schnee; erst gegen 21 Uhr konnten wir mit den Aufnahmen beginnen (Abb. 2).
Die Helligkeit des Kopfes schätzen wir zu 0,8 mag, die maximale Schweifaus-
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dehnung wurde in der Nacht übereinstimmend auf 30 bis 32 Grad geschätzt! Erst gegen vier Uhr in der Frühe, völlig durchgefroren aber tief beeindruckt, machten wir uns auf den langen Heimweg zurück nach Deutschland.
3. Moment: Komet Hale-Bopp - 12. März 1997 Nur ein Jahr später stand ein weiterer spektakulärer Komet am Himmel. Im Sommer 1995 entdeckten die amerikanischen Amateur-Astronomen Alan Hale und Thomas Bopp unabhängig voneinander diesen Kometen, der am 1. April 1997 sein Perihel erreichen sollte. Die scheinbare Bahn am Himmel versprach eine gute Sichtbarkeit auf der Nordhalbkugel für Anfang März 1997 am Morgenhimmel und ab Ende März am Abendhimmel. Vom ,,Kometenfieber" gepackt, entschied ich mich für die Morgensichtbarkeit auf dem 3.100 Meter hohen Gornergrat bei Zermatt.
Schon die erste Nacht in dieser Höhe war von exzellenter Transparenz. Gespannt wartete ich nach Mitternacht auf den Aufgang des Kometen, der ähnlich spektakulär verlaufen sollte wie ein Jahr zuvor bei Hyakutake. Ab 1:45 Uhr MEZ wurden die ersten Schweifstrahlen über dem Alphubel gesichtet, einem der 4.000er Gipfel rund um Zermatt. Was sich dann abspielte, lässt sich schwer in Worte fassen. Über eine Stunde dauerte das irrsinnige Szenario, bis sich endlich der Kopf und die Koma des 0 mag hellen Kometen über die Bergspitzen ,,geschoben" hatten. Anders als ein Jahr zuvor waren die Instrumente vorbereitet und tiefe Aufnahmen auf Pro Gold 400 waren mit der 10-Zoll-Schmidt-Kamera möglich (Abb. 3). Bis zum Morgengrauen ließ sich der Komet bestens beobachten, immer höher steigend und einen prächtigen Anblick enthüllend.
Auch am Abendhimmel stand HaleBopp über mehrere Wochen gut sichtbar und war damit sicherlich einer der Kometen, der von vielen Menschen gesehen werden konnte. Über einen Zeitraum von fast zwei Jahren (Juli 1995 bis Mai 1997) konnte ich diesen großartigen Schweifstern in insgesamt 98 Nächten (!) beobachten.
3 Komet Hale Bopp 1995 O1 am 12. März 1997 um 2:49 Uhr MEZ, Instrument:
Schmidt-Kamera 250 mm / 495 mm, 8,5 Minuten belichtet auf Pro-Gold 400. Aufnahme Otto Guthier
4. Moment: Leonidensturm - 16./17. November 1998 Leoniden, dieser seltsame und von Alexander von Humdoldt auf seiner Südamerika-Reise am 11. auf den 12. November 1799 erstmals beobachtete ,,Sturm" von Sternschnuppen, sollte Ende des letzten Jahrhunderts wieder nach 33 Jahren aktiv werden. Als Ursprungskomet gilt der Komet 55/P Tempel-Tuttle, der exakt mit dieser Umlaufzeit die Sonne umrundet. Im Jahr 1998 gab es die ersten Berechnungen, die für den 17./18 November 1998 und ein Jahr darauf eine erhebliche Zunahme der Sternschnuppenaktivität prognostizierten. Eine kleine VdS-Exkursion mit 17 Sternfreunden bezog am 12. November Quartier im Kulmhotel auf dem Gornergrat.
Entgegen den normal üblichen klaren Nächten in dieser Jahreszeit, hatten wir tagelang mit Schneefall und niedrigen Temperaturen zu kämpfen. Die Stimmung näherte sich dem Nullpunkt, als am 16. No-
vember die Bedingungen sich noch nicht gebessert hatten. Erst gegen 23 Uhr riss die Wolkendecke auf und eine fantastisch klare Nacht gab den traumhaften Wintersternhimmel über den schneebedeckten Bergen frei.
Über den abziehenden Wolken waren urplötzlich helle Leuchterscheinungen am Osthimmel zu erkennen, die wir zuerst als Leuchtraketen deuteten, da diese nur direkt über dem Horizont sichtbar waren. Doch wiederholt auftretende Objekte (Lichtblitze) im Sternbild des Löwen machten uns schnell klar, dass wir die ersten Leoniden zu Gesicht bekamen. Niemanden aus unserer Gruppe hielt es mehr im warmen Hotel. Es wurde tierisch kalt mit Temperaturen von minus 18 Grad Celsius.
Was sich dann in den folgenden Stunden am Himmel abspielte, lässt sich nicht in Worte fassen! Zuerst im Minutentakt um Mitternacht, dann früh morgens fast se-
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Astronomie-Erlebnis
4 Leoniden in den Morgenstunden des 17. November 1998, Objektiv mit
Brennweite 30 mm auf Pro-Gold-400
kündlich, ,,fielen" die Sternschnuppen, Feuerkugeln und Boliden vom Himmel. Manche Feuerkugeln erreichten eine Helligkeit von -10 mag, die Schweife ausbildeten und minutenlang zu sehen waren. Das Farbenspiel der schnellen Feuerkugeln war gigantisch und gespenstisch und tauchte die schneebedeckte Gebirgslandschaft in ein wahres ,,Farbenmeer". Von 23:45 bis 5:06 Uhr zählten wir fast 1.500 (!) sehr helle und eindrucksvolle Sternschnuppen, Boliden und Feuerkugeln (Abb. 4). Selbst im Morgengrauen ließ die Aktivität nicht nach, eher im Gegenteil. Dieses kosmische Feuerwerk war für viele Sternfreunde das Beeindruckendste, was sie bis dahin erlebt hatten. So erging es auch mir.
Doch eigentlich war in der darauf folgenden Nacht mit dem eigentlichen Leonidensturm zu rechnen. Eigens dazu hatte sich ein ZDF-Team auf den Weg gemacht und harrte mit uns im Schnee aus. Doch es tat sich in der Nacht vom 17. auf den 18. November 1998 nur wenig. So waren wir Zeuge dieses später als ,,Feuerkugelnacht" deklarierten Geschehens. Die plastischen Schilderungen von Alexander von Humboldt konnten wir nun absolut nachvollziehen.
5. Moment: Taghimmelkomet Mc Naught - Januar 2007 Als ,,Kometenfreak", der das Glück hatte, eine Reihe von hellen, imposanten Kometen beobachten zu dürfen, war es sicherlich ein besonderer Wunsch, einen Kometen am Taghimmel zu sehen. Dieses äußerst
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seltene Schauspiel kommt, nach den Schilderungen aus den Annalen, offenbar nur ein bis zwei Mal in einem Jahrhundert vor. Für das 20. Jahrhundert gibt es mit Komet Ikeya-Seki 1967 eine bekannte Sichtung!
Am 7. August 2006 entdeckte der bekannte australische Astronom Robert Mc Naught den Kometen 2006/P1 am Siding Spring Observatory. Eigentlich nichts Außergewöhnliches. Als die Bahndaten bekannt wurden und fest stand, dass der Komet mit einer minimalen Entfernung von 0,17 AE am 12. Januar 2007 der Sonne recht nahe kommen würde, stiegen die Chancen, dass wir es mit einem hellen Schweifstern zu tun haben könnten. Die beste Sichtbarkeit sollte Ende Dezember 2006 / Anfang 2007 für die Beobachter auf der Nordhalbkugel bestehen, allerdings nicht günstig platziert. Am 4. Januar 2007 gelang mir die erste Sichtung des 2 mag hellen Kometen, tief am Abendhimmel über der Rheinebene. Drei Tage später war es erneut in den Abendstunden klar und 2006/P1 hatte bereits die 0. Größenklasse erreicht.
Ein geplanter Skiurlaub in den Bergen wurde nun mit einem Astrourlaub kombiniert. Doch erst am 12. Januar klarte es über dem Gornergrat wieder auf und durch Wolkenlücken konnten Werner Celnik und ich kurz nach 17 Uhr den Kometen mit einem 10x50-Feldstecher erwischen. Wenige Minuten später gelang uns die Freisichtigkeit in der Abenddämmerung!! Die Helligkeit schätzen wir auf -4 bis -4,5 mag - einfach fantastisch!
Am darauf folgenden Tag, bei besten Sichtbedingungen auf dem 3.100 Meter hohen Plateau des Gornergrates, gelang die Freisichtigkeit in den Mittagstunden (Abb. 5). Die Helligkeit der Koma schätzten wir im direkten Vergleich mit Venus auf -5 bis -6 mag - unglaublich!! Am folgenden Tag bestand das einmalige Schauspiel, einen Kometen mit dem Planeten Merkur in unmittelbarer Nähe beobachten zu können. Bei 21-facher Vergrößerung in einem 115mm/890mm-Vixen-ED-Refraktor war die Sensation perfekt. Neben dem -1,2 mag hellen Merkur befand sich in nur wenigen Bogenminuten Abstand der Komet mit einer Helligkeit von -5,5 mag. War diese Beobachtung der absolute Höhepunkt von meinen bisherigen astronomischen Erlebnissen? Ich weiß es nicht. Es gab so viele brillante Eindrücke und Momente, die sicherlich manchmal auch sehr glücklich waren. Aber es ist eben sehr wichtig, zur richtigen Zeit und im richtigen Moment am richtigen Platz zu sein.
5 Komet Mc Naught bei Blende
1:4,0/350mm und 2-fach-Telekonverter auf Farbdiafilm Fujichrome ISO 100 (6x6), 1/750 s (!) belichtet. Abstand des Kometen von der Sonne 5,7 Grad , Bildautoren: Werner E. Celnik und Otto Guthier
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Reise durch die Milchstraßen
von Werner E. Celnik
Tja, wo soll ich anfangen - Was war denn DAS astronomische Erlebnis? Gar nicht so einfach, denn seit nahezu 43 Jahren betreibe ich nun astronomische Beobachtungen. Nach einigem Überlegen komme ich zu folgendem absteigenden ,,Ranking": - der machtvolle Anblick des Milchstra-
ßenbandes unter wirklich streulichtfreiem Himmel in den chilenischen Anden 1979, in beeindruckender Weise wiederholt in Namibia 2008 - meine erste totale Sonnenfinsternis, beobachtet unter klarem Himmel in Venezuela 1998 - die Leonidennacht im November 2001 in Australien mit tausenden heller Meteore - mein erster wirklich heller Komet, West, 1976 beobachtet aus der Stadt heraus - der Komet am Taghimmel neben der Sonne, McNaught, 2007 - mein erster Blick auf den Saturnring in meinem ersten Teleskop, einem 60-mm-Refraktor, 1968 - der bildgewaltige Anblick des Kugelsternhaufens Omega Centauri im Okular eines 61-cm-Teleskops in Chile 1979 So ganz austauschbar ist die Reihenfolge nicht, obwohl ein Platz nach oben oder unten ...
Weitwinkelaufnahme des Bandes der Sommermilchstraße (Aufnahme W. E. Celnik und J. Kozok in Namibia)
Im Jahr 1968, als ich mein erstes Teleskop, erworben von einem großen Versandhaus, erhielt, war die Lichtverschmutzung noch nicht so fortgeschritten wie heute. Man konnte aus dem Ruhrgebiet heraus in klaren Nächten durchaus die Milchstraße sehen (und auch fotografieren). War nett, aber nichts Weltbewegendes...
Mitte der Siebziger kamen wir (in der Arbeitsgemeinschaft) auf die Idee, mit dem Auto ins nahe gelegene Mittelgebirge zu fahren, um dort vielleicht einen dunkleren Himmel vorzufinden. Und in der Tat: Der Himmel war dunkler als im oder am Rande des Ruhrgebietes, die Milchstraße war selbst in südlichen Himmelsgefilden zu erkennen und man konnte Dunkelwolken in den helleren Milchstraßenge-
bieten beobachten. Schöne Bilder sind damals entstanden. Und doch waren wir nicht zufrieden. Wir ahnten, es gab noch ,,Besseres". Und wir sahen in den gängigen astronomischen Zeitschriften ,,Sterne und Weltraum" und ,,Sky and Telescope" Aufnahmen anderer (fortgeschrittenerer) Amateure, die unsere Vermutungen zu bestätigen schienen.
1979 hatte ich dienstlich in Südamerika zu tun. Ich hatte inzwischen nach einem Studium der Astrophysik mein Diplom gemacht und führte Messungen an der Europäischen Südsternwarte in den chilenischen Anden durch. In etwa 2400 m Höhe. 160 km entfernt von der nächsten Ortschaft. Führte man ein Beobachtungsprojekt an einem Teleskop durch, so kam man eigentlich
nicht davon weg, eine Messung jagte die nächste, streng nach Plan, die ganze Nacht hindurch. Bei meinem Projekt war das anders: Jede Messung lief 15-20 Minuten, unbeaufsichtigt, ohne menschlichen Eingriff. Und so hatte ich Zeit, die Kuppel zu verlassen und beim nächtlichen Schein der Milchstraße auf den Wegen, die auf dem Berg angelegt waren, zu spazieren. Ja, tatsächlich: BEIM SCHEIN DER MILCHSTRASSE!
Ich habe am selben Ort auch Nächte mit geschlossener Wolkendecke erlebt, stockfinster ist es dann, die Hand vor Augen ist buchstäblich nicht erkennbar. Warum? Kein Fremdlicht durch künstliche Beleuchtung, kein Streulicht davon am Himmel - und keine Milchstraße.
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Amateurteleskope/Selbstbau
Ist der Himmel klar, strahlt das Band der Milchstraße hell von Horizont zu Horizont. Gehen die hellen Milchstraßenwolken im Sternbild Schütze auf, wird es nochmals merklich heller. Man kann klar und deutlich erkennen, wo man lang geht, eine Taschenlampe zur künstlichen Erhellung des Pfades ist nicht nötig, ja, sie würde stören! Der Kontrast ist so stark, dass selbst der über fernen Berggipfeln aufgegangene Jupiter scharfe
Schatten wirft (kein Jägerlatein!). Einzelne Wolken sind nur dadurch erkennbar, dass sie als dunkle Flächen die Sterne verdecken.
Ich ertappe mich dabei, wie ich auf einem Stein sitze und den Anblick der unglaublich breiten, hellen, reich strukturierten Milchstraße still auf mich wirken lasse, die Gedanken auf Reisen schicke ...
Ich schaue auf die Uhr - habe ich doch glatt eine Messung verpasst. Aber das war es wert. Ich werde diesen prägenden Eindruck niemals vergessen.
Umbauanleitung des ST-4 für eine wesentlich geringere Stromaufnahme
von Klaus Schneider
Das ST-4 erfreut sich, trotz seines Alters von rund 20 Jahren, immer noch großer Beliebtheit. Vielfältige Parameterwahl zur optimalen Anpassung an das eigene Equipment und die atmosphärischen Gegebenheiten, Dunkelbildabzug und die sehr hohe Empfindlichkeit in Bezug auf den Leitstern - dank des gekühlten CCD-Chips - machen es immer noch zum besten Stand-Alone-Autoguider in der Szene - na ja ,,fast" zum Besten, wenn da nicht die relativ hohe Stromaufnahme von knapp 1,1 Ampère wäre ...
Mit dieser Umbauanleitung, einem Materialeinsatz von rund 40 · und einer Stunde Arbeit (Erfahrung im Löten und Elektronikkenntnisse vorausgesetzt), kann man die Stromaufnahme auf ein Drittel (!) des ursprünglichen Wertes drücken. D. h. das ST-4 nimmt bei 12 Volt (V) nur noch 0,37 Ampère (A) anstatt 1,1 A auf! Alle Funktionen und natürlich auch die Kühlung bleiben dabei voll erhalten! Besonders die Anwender, die ihr ST-4 über einen Akku betreiben (müssen), werden sich über die erheblich geringere Stromaufnahme freuen.
Doch wie ist so etwas möglich und wieso hat SBIG das damals nicht so konstruiert? Nun, das liegt wahrscheinlich daran, dass es damals noch nicht die elektronischen Bauteile gab, die es heute auf dem Markt gibt, auch im Hinblick auf Energieeinsparung. Vor 20 Jahren war ,,Energiesparen" noch ein Fremdwort. Beim ST-4 kann man an zwei Punkten Veränderungen vornehmen und somit den Betriebsstrom verringern:
1. Man ersetzt das originale Widerstandsnetzwerk der LED-Anzeige gegen eine hochohmigere Version. Dadurch wird die Anzeige etwas gedimmt und bewirkt eine Stromeinsparung (je nach Version des ST-4) von bis zu 0,1 A.
2. Die zweite Änderung bringt die größte Stromeinsparung. Das Peltier-Element, das den CCD-Chip kühlt, arbeitet mit einer kleinen Spannung (ca. 2,2 V) und
Zu den Abbildungen
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1 Oben: An C 52 die Spannung
messen
2 Mitte: Position des Wider-
standsnetzwerkes
3 Unten: Alle markierten Bauteile
auslöten
Anhand der umliegenden Bauteile und Leiterbahnen sollte das jeweilige Bauteil eindeutig identifizierbar sein. Die aufgedruckten Bauteilbezeichnungen auf der Platine sind bei allen Widerständen unter (!) dem Bauteil zu finden. Nach dem Auslöten sieht man, ob man das richtige Bauteil erwischt hat.
Amateurteleskope/Selbstbau
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einem verhältnismäßig großen Strom (ca. 0,83 A). Um dieses Peltier-Element an der Betriebsspannung von 12 V zu betreiben, muss man also die restlichen 9,8 V an einem Vorwiderstand oder Leistungstransistor abfallen lassen, durch den ebenfalls der volle Strom (0,83 A) fließt. Somit werden dort 9,8 V x 0,83 A 8,1 Watt in Wärme umgesetzt - Energie, die man in das Gerät hineinstecken muss, von der man aber letztendlich nichts hat! Beim ST-4 wird diese Energie von einem Leistungstransistor ,,verbraten". Deshalb wird das Gerät auch in der linken oberen Ecke so warm; darunter sitzt nämlich dieser besagte Leistungstransistor. Er ist an das Gehäuse geschraubt, das als Kühlung dient. Um nun aus 12 V 2,2 V mit möglichst wenigen Verlusten zu machen, bedient man sich eines DC-DC-Wandlers. Er macht aus der Betriebsspannung 12 V die erforderlichen 2,2 V (einstellbar) mit einem Wirkungsgrad von rund 91%! Der DC-DC-Wandler versorgt nur das Peltier-Element, die restliche Elektronik bleibt davon unberührt. Sie wird nach wie vor mit 12 V versorgt. Diese beiden Änderungen verhelfen dem ST-4 zu einer Stromaufnahme von nur 0,37 A bei uneingeschränkter Funktionsweise!
Der Umbau im Einzelnen Das Gerät umdrehen und so hinlegen, dass die Anschlüsse nach unten zeigen. Die vier Schrauben auf der Rückseite lösen und die Gehäuserückwand abnehmen. Nun hat man freien Blick auf die Hauptplatine. Den Kamerakopf an das Gerät anschließen, die Betriebsspannung anschließen und einschalten. Nach ca. 15 Minuten (wichtig!), bei ,,laufendem Betrieb" des Gerätes mit einem Spannungsmessgerät die Spannung am Kondensator C 52 messen (Abb. 1). Aber Vorsicht: mit den Messspitzen keinen Kurzschluss verursachen, das könnte sonst das Ende sein! Die Spannung an diesem Kondensator merken oder notieren, da am Schluss des Umbaus wieder exakt dieselbe Spannung am DC-DC-Wandler eingestellt werden muss! Der Spannungswert muss um die 2,2 V liegen. Nun die Betriebsspannung
abschalten und sämtliche Kabel von dem Gerät trennen.
Die vier Schrauben in den Ecken, die die Platine halten, herausschrauben. Oben rechts die drei Muttern der beiden Spannungsregler und des Leistungstransistors abschrauben. Achtung: die KunststoffIsoliernippel zwischen Mutter und Bauteil gut aufheben, ebenso alle Muttern, Scheiben und Schrauben, da es sich um Teile mit amerikanischer Norm handelt, die hierzulande schlecht zu bekommen sind! Links oben den Stecker des Flachbandkabels abziehen, das unter die Hauptplatine zur Tastatur führt. Nun kann die Platine vorsichtig angehoben und seitlich aus dem Gehäuse gezogen werden.
Umbau der Anzeige Das Widerstandsnetzwerk (Abb. 2) auslöten. Gegebenenfalls die Bohrungen auf der Platine von Lötzinn befreien (Entlötgerät, Entlötsauglitze o. ä.). Ein Spezial-IC-Auslötvorsatz am Lötkolben erwärmt alle Anschlüsse gleichzeitig und erleichtert somit das Auslöten ungemein! Verfügt man nicht über einen solchen Vorsatz, ist es ratsam, alle Anschlüsse einzeln mit einem spitzen ElektronikSeitenschneider direkt am Bauteilkörper durchzuschneiden (dieses Bauteil wird ja sowieso nicht mehr gebraucht) und jeden Anschlusspin einzeln auszulöten, um die Platine und die Lötaugen keinem zu großen Temperaturstress auszusetzen. Achtung, keine Lötzinnspritzer verursachen, die vielleicht andere Lötpunkte überbrücken könnten! Es empfiehlt sich, eine 16-polige IC-Fassung einzulöten und dann das Widerstandsarray in die Fassung zu stecken. Somit hat man die Möglichkeit, das Widerstandsarray bei Bedarf auszuwechseln. Der Umbau der Anzeige ist damit abgeschlossen.
Umbau der Spannungsversorgung für das Peltier-Element Zwei Keramik-Kondensatoren von je 0,1 µF sind nach den Abbildungen 5 und 6 auf der Rückseite (Lötseite) der Platine
Benötigte Bauteile für den Umbau der Anzeige
Menge 1 1
Artikel Widerstands-Netzwerk IC-Fassung, 16-polig
Typ 8 x 330 (DIL-Gehäuse)
4 Den markierten Widerstand
auslöten
5 Einen keramischen Kondensator
von 0,1 µF einlöten
6 Den zweiten Kondensator und
die Drahtbrücke einlöten einzulöten. Am IC TLC 27 M (in der unmittelbaren Nähe des ausgelöteten Widerstandes R 17) sind Pin 11 und 12 zu überbrücken (Abb. 6). Der Autor hat mit dem DC-DC-Wandler SMT05E-12W3V3 von ARTESYN sehr gute Erfahrungen gemacht und es schon in mehrere ST-4 eingebaut (www.pow-
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Amateurteleskope/Selbstbau
7 Schaltplan des einzubauenden DC-DC-Wandlers mit Kondensatoren und
Trimmwiderstand
8 Die Zusatzplatine mit DC-DC-
Wandler, Kondensatoren und Trimmwiderstand
erconversion.com/assets/smt05e_12_ ds_1196298791.pdf).
Natürlich kann man auch Wandler anderer Hersteller nehmen. Wichtig ist hierbei, dass er mit 10-14 V Eingangsspannung arbeitet, eine einstellbare Aus-
gangsspannung im Bereich von 2,2 V hat und einen Ausgangsstrom von mindestens 0,4 A liefern kann. Um eventuelle Störimpulse des DC-DC-Wandlers zu unterdrücken, empfiehlt der Hersteller eingangs- und ausgangsseitig den Wandler mit je einem Keramikkondensator von 10 µF und einem Elektrolytkondensator abzublocken. Diese Bauteile sollten so nahe wie möglich am Wandler angelötet werden. Des Weiteren muss noch der Spindel-Trimmwiderstand von 10 k nach Plan (Abb. 7) an den Wandler angeschlossen werden. Ich habe dazu eine kleine Zusatz-SMD-Platine entworfen, die den Wandler, alle Kondensatoren und den Trimmer trägt (Abb. 8). Das Layout (im TARGET-Format) ist auf Anfrage kostenlos erhältlich. Ebenso können einige wenige Platinen, nach Wunsch eventuell auch schon fertig bestückt, bei mir
gegen einen geringen Betrag erworben werden. Natürlich kann man die Bauteile auch auf eine Lochrasterplatine o. ä. löten. Ich habe diese Schaltung komplett in SMD-Technik ausgeführt, weil der angegebene Wandler ein SMD-Modul ist.
Die Zusatzplatine mit dem Wandler, Kondensatoren und dem Trimmer wird mit zwei Schrauben auf die Innenseite der Rückwand montiert (Abb. 9). Man prüfe, ob die Rückwand wieder ordnungsgemäß auf das Gehäuse passt.
Die Betriebsspannung (,,Masse" und ,,In" der Wandlerplatine) wird über zwei Kabel an die Anschlüsse des großen ElektrolytKondensators angeschlossen (Abb. 10, unbedingt auf richtige Polung achten!). Der Ausgang ,,Out" der Wandlerplatine wird noch nicht angeschlossen.
Die Hauptplatine wird nun wieder in das Gehäuse eingebaut. Die beiden Spannungsregler sind mit ihren Isoliernippeln fachgerecht zu montieren und auch die Isolierfolie zwischen den Spannungsreglern und dem Gehäuse darf nicht vergessen werden. Die Hauptplatine mit ihren vier Befestigungsschrauben befestigen und das Flachbandkabel der Tastatur wieder aufstecken.
Nun wird das Gerät vorübergehend in Betrieb genommen, um die Funktion des Wandlers zu testen: Kamerakopf anschließen, Betriebsspannung anschließen und einschalten. Mit einem Messgerät die Ausgangsspannung des Wandlers
9 Montage der Platine in die Gehäuserückwand
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10 Anschluss der Spannungsversorgung für die Zusatz-
platine mit dem DC-DC-Wandler am großen Elektrolytkondensator
Amateurteleskope/Selbstbau
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Folgende Bauteile sind ersatzlos auszulöten und werden auch nicht mehr benötigt (Abb. 3 und 4)
Bezeichnung auf der Platine Q 2 Q 3 R 10 R 11 R 17
Bauteil Leistungstransistor TIP 41A Transistor 2N4401 Kohleschichtwiderstand 120 k Drahtwiderstand 1 Kohleschichtwiderstand 2,7 k
messen (,,Masse" gegen ,,Out"). Diese Spannung muss mit dem Trimmwiderstand einstellbar sein und wird auf 2 V eingestellt! Nun die Spannungsversorgung abschalten und über ein Kabel den Anschluss ,,Out" mit dem linken Anschluss des Kondensators C 52 (Abb. 11) verbinden. Die Masseführung geht über die Platine und braucht nicht gesondert angeschlossen werden.
Die Betriebsspannung wieder einschalten, mit dem Messgerät am Kondensator C 52 die Spannung messen und mit dem Trimmwiderstand am DC-DC-Wandler exakt die Spannung einstellen, die man vor dem Umbau auch an diesem Kondensator gemessen hat. Damit ist der Umbau beendet.
Änderungsvorschlag für Akkubetrieb Hier noch ein Änderungsvorschlag für diejenigen, die ihr ST-4 über einen Akku betreiben: Ein 12-V-Bleigelakku gilt als ,,leer", wenn die Spannung 10,5 V oder darunter beträgt. Um das ST-4 noch bis zu dieser Spannung (und sogar darunter) sicher betreiben zu können, kann man folgende Änderungen durchführen: Da die gesamte Betriebsspannung über einen Brückengleichrichter geführt wird, fallen an ihm ca. 2 x 0,7 V ab. Der Gleichrichter wird bei Betrieb mit einem
11 Rechts: Anschluss des Ausgangs
des DC-DC-Wandlers am Kondensator C 52
Akku nicht gebraucht. Folglich kann man ihn auslöten und an seiner Stelle Drahtbrücken einlöten (Abb. 12).
Des Weiteren kann man die nachgeschaltete Schutzdiode (D6) gegen eine Schottky-Diode (1N5819) austauschen (ebenfalls Abb. 12). An der Schottky-Diode fallen nur ca. 0,4 V ab, anstatt 0,7 V wie bei der originalen Diode. Insgesamt hat man nun eine rund 1,7 V größere Spannungs-Reserve nach unten. Doch Vorsicht: Mit dieser Änderung darf das ST-4 nur noch mit Gleichspannung betrieben werden und außerdem muss (!) man unbedingt auf richtige Polung der Betriebsspannung achten, da der Brückengleichrichter auch als Verpolungsschutz fungiert hat! Der Anschluss der Betriebsspannung ist so, wie in der originalen Betriebsanleitung angegeben: 9-poliger Sub-D-Stecker (Power): Pin 4 = ,,plus", Pin 9 = ,,minus".
Wie immer, auch hier der berühmte Satz: ,,Der Autor übernimmt keinerlei Haftung für eventuelle Schäden, die durch den Umbau entstehen können!" Für Fragen stehe ich gern zur Verfügung: K-Schneider@onlinehome.de
Menge 1 2 2 2 1
Benötigte Bauteile für den Umbau der Spannungsversorgung (Peltier-Element)
Artikel DC-DC-Wandler Keramik-Kondensator Elektrolyt-Kondensator Keramik-Kondensator Spindel-Trimmwiderstand
Typ SMT05E-12W3V3 0,1 µF/50 V 100 µF/ 50 V 10 µF/50 V 10 k
12 Die Abbildung zeigt die Position
der Drahtbrücken anstelle des Gleichrichters und die Diode D6.
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5. Ravensburger Teleskoptreffen
- RATT - 23. - 25.09.2011
bei 88263 Horgenzell (Nähe 88214 Ravensburg)
Das Programm wird auf der Internetseite www.ratt-rv.de rechtzeitig veröffentlicht. Auch findet man dort
weitere Infos zum Treffen Information:
Carsten Przygoda Finkenweg 25 | 88339 Bad Waldsee carsten@ratt-rv.de | www.ratt-rv.de
VdS-Journal Nr. 37
1 KH Palomar 7 im Sternfeld, Daten
im Text. Bild: Günter Kerschhuber
Die Kugelsternhaufen M 3 und Palomar 7 im Vergleich
von Peter Riepe und Günter Kerschhuber
Dieser Bericht knüpft noch einmal am Schwerpunktthema ,,Kugelsternhaufen" (KH) an. So wird das Farbenhelligkeitsdiagramm (FHD) der KH anhand des bekannten Vertreters M 3 beschrieben und dann auf Palomar 7 bezogen. Ziel des Berichts ist es, das ungewöhnliche Erscheinungsbild von Palomar 7 zu erklären. Das geht am besten über das FHD.
Palomar 7 1955 publizierte George O. Abell seine Untersuchung des damals neuen Palomar Observatory Sky Survey (POSS). Er hatte außer 73 Planetarischen Nebeln noch einige KH entdeckt, die bis auf einen (NGC 6717) nicht im NGC-Katalog verzeichnet waren [1]. Insgesamt 13 neue KH listete Abell auf. Im selben Heft erschien eine Arbeit von A.G. Wilson, der bei seiner Durchsuchung des POSS nicht nur Zwerggalaxien gefunden hatte, sondern auch 4 neue KH [2]. Wilson kommentierte: ,,Sie sind so weit entfernt, dass ihre dynamische Zugehörigkeit zu unserer
VdS-Journal Nr. 37
Galaxis unsicher ist." In den Jahren 1958 und 1959 kamen noch zwei weitere KH hinzu. Insgesamt 15 KH sind heute als ,,Palomar-KH" bekannt. Palomar 7 trägt zusätzlich auch eine IC-Katalognummer, nämlich IC 1276. Seine Koordinaten (2000.0) lauten Rektasz. = 18h 10m 44s, Dekl. = -7 Grad 12' 27''.
Palomar 7 ist ein sehr locker aufgebauter KH. Seine scheinbare visuelle Helligkeit beträgt 10,3 mag. Auf der 12-stufigen Skala von Shapley & Sawyer (1927) wird ihm die Konzentrationsklasse 12 zugeordnet (1 = sehr konzentriert, 12 = sehr locker). Palomar 7 steckt im Zentralbereich (Bulge) der Milchstraße im Sternbild Schlange, nahe der Grenze zum Schlangenträger. In seiner Nachbarschaft befinden sich zwei weitere KH: NGC 6517 und NGC 6539. Palomar 7 liegt etwa zwischen der Sonne und dem galaktischen Zentrum, fast in der galaktischen Ebene. Seine Entfernung von der Sonne beträgt 17.600 Lj, die galaktozentrische
Distanz ist mit 12.000 Lj etwas geringer [4]. Abell selbst bezeichnet Palomar 7 als sternreich (rich) und durch interstellare Materie stark verdunkelt (obscured). Er gibt als scheinbaren Durchmesser 6' an. Neuere Werte liegen bei 7,1' [5]. Die Abbildung 1 zeigt Palomar 7 im Sternfeld, die Abbildung 2 ist eine Ausschnittsvergrößerung. Die Bilder zeigen, warum die Durchmesserschätzung schwierig ist. Der KH verschmilzt sozusagen in der Sternenfülle der Milchstraße. So ist seine Außengrenze kaum erfassbar. Die hellsten Sterne schätzte Abell auf 18,5 bis 19 mag, aber das war definitiv falsch (siehe FHD).
Visuell ist Palomar 7 im Gegensatz zu einigen schwachen Vertretern der ,,Palomars" kein Problem. In kleinen Teleskopen bis 200 mm Öffnung sind mittlere Vergrößerungen angesagt. Mit Teleskopen um 400 mm Öffnung ist die Sichtung leicht [6]. Uwe Glahn schildert den KH als ,,einfach zu sehen, rund, mit hellem
Astrofotografie
35
Balken in Ost-West-Richtung, drei Sterne am Rand." Ferner soll sich das Objekt in sternleerer Gegend befinden. Beim Betrachten der Abbildung 1 versteht man das kaum. Die Erklärung ist aber einfach: Die umgebenden Sterne treten zwar in großer Fülle und Dichte auf, sie sind aber sehr lichtschwach.
Die Aufnahmeserien für die Abbildungen 1 und 2 entstanden an der GahbergSternwarte im Salzkammergut. Folgende Aufnahmeinstrumente wurden verwendet: a) Ein Astrograph ASA N10'' bei f = 950 mm. An diesem Teleskop entstanden mit einer SBIG ST-10XME die Luminanzaufnahmen, insgesamt mit 325 min Belichtungszeit. b) Mit einem Refraktor Televue NP101 wurden die RGB-Bilder gewonnen (106 min / 106 min / 96 min). Dies alles passierte am 6. Juni, 2. Juli und 7. Juli 2010. Lange Belichtungen ergeben ein hohes Signal/Rausch-Verhältnis. So kann man auf astrofotografisch fragwürdige Anwendungen wie Neat Image verzichten. Sie produzieren nur künstliche Glättungen, so dass schwächste Strukturen knapp über dem Himmelshintergrund verwischen.
M 3 Für den direkten Vergleich mit Palomar 7 soll der helle M 3 in den Jagdhunden dienen. Er wird so gut wie gar nicht durch interstellare Materie verdeckt. Daher zeigt die Aufnahme von M 3 das charakteristische Erscheinungsbild eines KH, insbesondere die typischen Sternfarben (Abb. 3, 4). Das Bild nahm Manfred Wasshuber am 21.05.2007 mit einem Reflektor Vixen VC 200 L (f/6,4) und einer CCD-Kamera Starlight HX916 auf. Das LRGB-Bild wurde jeweils 3 x 15 min ohne Binning belichtet, nachgeführt mit einem Leitrefraktor plus SBIG ST-4. Aufnahmeort war Aigen/Österreich, 500 m Höhe. Zur Unterdrückung des künstlichen Streulichts wurde ein Filter IDAS LPS-1 benutzt. Eine Objektbeschreibung zu M 3 ist in [7] zu finden.
Wesentliche Eigenschaften eines KH liefert das FHD. Betrachten wir zunächst in der Abbildung 5 das FHD von M 3 [8], um daraus einige grundlegende Fakten abzuleiten. Hinweis: Ein FHD zeigt nicht, wo und wie die Sterne im Sternhaufen verteilt sind, sondern welche Farben und Helligkeiten diese Sterne haben - egal ob
2 Vergrößerter Ausschnitt aus Abb. 1
sie oben, unten, links, rechts oder in der Haufenmitte stehen. Wir erkennen, dass die hellsten Sterne von M 3 scheinbare Helligkeiten von 12,7 bis 15,5 mag besitzen und im FHD eine schräg nach rechts oben verlaufende Linie bilden, die man den ,,Roten Riesenast" nennt (Red Giant
Branch = RGB). Die Farbindizes dieser Riesensterne liegen zwischen 0,75 und 1,75 mag, d. h. die Riesen selbst sind weißgelb bis orangerot.
Oberhalb der Mitte im FHD von M 3 bilden andere Sterne eine weitere Linie,
3
KH Messier 3, aufgenommen von Manfred Wasshuber. Daten im Text VdS-Journal Nr. 37
36
Astrofotografie
den dünnen ,,Horizontalast" (Horizontal Branch = HB). Die HB-Sterne in M 3 haben Helligkeiten zwischen 15,5 und 17 mag und Farbindizes von 0,7 bis -0,25 mag. Ihre Eigenfarben liegen demnach zwischen Weiß und kräftigem Blau. Der HB trennt sich vom RGB, verläuft zunächst annähernd horizontal, um am linken Ende nach unten abzubiegen; ,,links" bedeutet hier sehr blaue Sterne, ,,nach unten" bedeutet hin zu abnehmenden Helligkeiten. Die im abknickenden HB sitzenden Sterne sind also blauer und lichtschwächer als die restlichen HBSterne. Sie werden BHB-Sterne genannt (Blue Horizontal Branch). Der HB/BHB ist typisch für uralte Sternhaufen. Alle HB-Sterne haben schon lange aufgehört, Wasserstoff in Helium zu verwandeln. Stattdessen fusionieren sie jetzt im Kern Helium zu schwereren Elementen.
Dort, wo der HB abzweigt, setzt sich der RGB als ,,Unterriesenast" (Subgiant Branch = SGB) nach unten fort. Er ist stärker mit Sternen besetzt als der RGB. Bei etwa 18 mag knickt der SGB etwas nach links unten ab und mündet in den dicken und sehr stark besetzten Ast, den wir ,,Hauptreihe" nennen (Main Sequence = MS). Typisch für die Hauptreihensterne: Sie wandeln wie vor Urzeiten immer noch Wasserstoff in Helium um. Den Abknickpunkt des SGB von der MS nennt der Astronom den MSTO (Main
4 Vergrößerter Ausschnitt des
Nordteils von M 3 mit den orangefarbenen Roten Riesen und den etwas lichtschwächeren blauen Horizontalaststernen
Sequence Turn Off). Er liegt für M 3 bei 18,6 mag und B-V = 0,42 mag. Aus dem MSTO, bezogen auf die Helligkeit des HB, kann der Astrophysiker das Alter eines KH berechnen. Wohlgemerkt, die gerade erfolgte Beschreibung der Äste im FHD gilt nur für M 3. Andere KH haben etwas andere FHD und damit auch andere Sterneigenschaften.
Palomar 7 im Vergleich zu M 3 Warum erscheint Palomar 7 eigentlich so rötlich? Gibt es dort nur rote Sterne? Wo sind die blauen HB-Sterne, die man
von den meisten anderen KH kennt? Sind die Farben der Abbildung 1 etwa nicht richtig kalibriert? Mitnichten! Palomar 7 ist nämlich sehr stark gerötet. Laut [4] gilt ein mittlerer Farbindex B-V = 1,76 mag! Insofern trifft die Abbildung 1 die rötliche Farbe recht gut. Mit dieser Verfärbung ist ein Farbexzess von 1,08 mag verknüpft [4], so dass Palomar 7 im visuellen Licht um 3,1 x 1,08 mag = 3,3 mag geschwächt wird. Im blauen Licht ist diese Schwächung noch stärker, was die Suche nach blauen HB-Sternen auf Farbaufnahmen enorm erschwert. Da hilft auch keine längere Belichtung! B. Barbuy und Kollegen hatten bereits 1985 und 1986 an der Europäischen Südsternwarte in Chile Aufnahmeserien von Palomar 7 angefertigt, gefiltert in B und V. Daraus ließ sich das erste FHD des KH ableiten. Aufnahmeteleskop war der dänische 1,54-m-Spiegel. Die CCDKamera (Marke RCA) hatte seinerzeit 512 x 320 Pixel bei 30 µm Pixelgröße. Publiziert wurde das FHD aber erst 13 Jahre später [9]. Es erscheint im Vergleich zum FHD von M 3 ziemlich ,,mager" und kaum strukturiert (Abb. 6). Das liegt daran, dass relativ wenige Sterne fotometriert wurden, denn die Unsicherheit ist groß, ob die vermessenen Sterne zu Palomar 7 oder zum Sternenuntergrund gehören. Wir erkennen, dass Palomar 7 keinen HB entwickelt hat, so wie M 3, sondern nur einen roten HB-Ansatz auf
5 FHD von Messier 3 (nach [8], überarbeitet)
VdS-Journal Nr. 37
6 FHD von Palomar 7 (nach [9], überarbeitet)
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Eine Woche Astronomie
7
Den Farbindizes B-V können die Sternfarben eindeutig zugeordnet werden.
mittlerer Höhe des RGB. Astronomen sprechen hier von einem ,,Red Clump" (roter Klumpen). Er ist charakteristisch für metallreiche (also jüngere) KH. Wenn der HB fehlt, dann fehlen erst recht die blauen HB-Sterne. Wie stark gerötet Palomar 7 ist, erkennt man am MSTO. Für M 3 liegt der MSTO bei 18,6 mag und B-V = 0,42 mag (d. h. Weißblau). Palomar 7 hingegen hat den MSTO bei etwa 20 mag und B-V = 1,8 mag (d. h. Rot). Die hellsten Roten Riesen von Palomar 7 erreichen scheinbare Helligkeiten von 16 mag mit Farbindizes von 2,4 mag (kräftiges Rot).
Deep-Sky-Freunde - egal ob Beobachter oder Fotografen - sollten sich im Falle von offenen und kugelförmigen Sternhaufen durchaus mit den fotometrischen Ergebnissen der Profis anfreunden. Ein auf Fotometrie basierendes FHD zeigt nämlich wirklich, was an Einzelsternen in dem Haufen zu erwarten ist und welche Farben und Helligkeiten diese Sterne aufweisen. Farbindizes und Farben sind eindeutig zuzuordnen (Abb. 7). Ein FHD ist also immer ein nützliches Werkzeug.
Literaturhinweise [1] G.O. Abell, 1955: "Globular clusters and planetary
nebulae discovered on the national geographic society-Palomar Observatory sky survey", Publ. Astron. Soc. Pac. 67, 258 [2] A.G. Wilson, 1955: "Sculptor-Type Systems in the Local Group of Galaxies", Publ. Astron. Soc. Pac. 67, 27 [3] W. Steinicke: http://www.klima-luft.de/steinicke/Artikel/pal/pal.htm [4] W.E. Harris, 1996: "A catalog of parameters for globular clusters on the Milky Way", Astron. J. 112, 1487, Update 2003 in http://www.physics.mcmaster. ca/Globular.html [5] A. Hirshfeld, R.W. Sinnott, 1982: "Sky Catalogue 2000.0, Volume 2, Double Stars, Variable Stars and Nonstellar Objects", Sky Publishing Corp. & Cambridge University Press [6] U. Glahn: http://www.deepsky-visuell.de/ [7] P. Riepe, 2010, ,,Klassiker unter den Kugelsternhaufen", VdS-Journal für Astronomie 35, 35 [8] R. Buonanno et al., 1994: "The stellar population of the globular cluster M 3. I. Photographic photometry of 10000 stars", Astron. Astrophys. 290, 69 [9] B. Barbuy, S. Ortolani, E. Bica, 1998: "Terzan 3 and IC 1276 (Palomar 7): Two metal-rich bulge globular clusters uncovered", Astron. Astrophys. Suppl. Ser. 132, 333
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Ansprechpartner: Siegfried und Walburga Bergthal Tel.: 0741 270 62 10 · Email: info@astro-messe.de
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Astrofotografie
Tief belichtete Astro-Weitwinkelauf-
nahmen mit Kameraobjektiven
von Dieter Willasch
Für den Neuling in Sachen Astrofotografie führt der direkte Weg zu einem ansehnlichen Astrofoto heute eigentlich immer über eine handelsübliche digitale Spiegelreflexkamera (DSLR). Die Kamera auf einem Stativ montiert, mit einem kurzbrennweitigen Objektiv auf einen halbwegs dunklen Himmelsausschnitt gerichtet und einige Sekunden bei einem ISO-Wert von z. B. 1600 belichtet, und schon ist das erste Himmelsfoto, z. B. von einem Teil der Milchstraße, fertig. Die rasante Zunahme des Hobbys Astrofotografie in den letzten Jahren ist zum Teil auf diese relativ einfache Art der Fotografie zurückzuführen. Mit ein wenig Experimentierfreude oder mit Hilfe einer guten Anleitung, die auch noch Tipps zur Bildbearbeitung enthält, lassen sich innerhalb kurzer Zeit schöne Himmelsfotos gewinnen.
1 Unten: Leitrefraktor Skywatcher
ED 80 und CCD-Kamera SBIG STL11000M mit internem Filterrad. Teleobjektiv Canon EF 200 mm 1:2,8 auf 1:3,5 abgeblendet, motorisch fokussierbar. Alle folgenden Aufnahmen erfolgten mit dieser Instrumentierung.
VdS-Journal Nr. 37
2 Oben: Der Zirrusnebel im Schwan. Belichtung 6 x 20 min in H· , 4 x 20 min
in [OIII] und 3 x 20 min in [SII], Baader-Filtersatz, Hubble-Farbkodierung, Aufnahmeort: Eningen, Deutschland
Astrofotografie
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In diesem Beitrag möchte ich jedoch auf die Anwendung dieser Grundtechnik auf tief belichtete Aufnahmen von Himmelsbereichen in Dimensionen von ca. 10-20 Bogengrad eingehen, die einen etwas höheren apparativen Aufwand erfordert, aber z. T. erstaunliche Einblicke und Perspektiven in Deep-Sky-Objekte und ihre gegenseitige Zuordnung ermöglicht. Ich bezeichne dies im Folgenden als AstroWeitwinkelfotografie. Besonders bei Verwendung von Schmalbandfiltern mit einer Bandbreite von weniger als 10 nm ergibt sich eine Reihe von Vorteilen, die vor allem für den Wochenend-Fotografen in Ballungszentren mit entsprechender Umwelthelligkeit und wenigen guten Neumondnächten interessant sind.
Kamera und Optik Als Kamera kann ohne weiteres eine DSLR (möglicherweise mit gesteigerter H· Empfindlichkeit) benutzt werden. Empfehlenswerter ist allerdings eine kühlbare Astrokamera, mit der durch das verbesserte Signal/Rausch-Verhältnis deutlich längere Einzelbelichtungen erzielbar sind. Die hier gezeigten Bilder wurden mit einer monochromen SBIG STL-11000 M aufgenommen. Es können jedoch mit gutem Erfolg auch Astro-Farbkameras eingesetzt werden, da man in der Weitwinkelfotografie i. a. weit entfernt von der durch Optik oder Seeing begrenzten Auflösung operiert. Auch Schmalbandfilter können verwendet werden, aber es ist zu beachten, dass die Transmissionskurve des Filters nur für senkrecht auftreffendes Parallel-Licht gilt und mit zunehmendem Bildwinkel immer mehr von der vorgesehenen Emissionslinie weg verschoben ist. In den Randbereichen einer Weitwinkelaufnahme mit Schmalbandfiltern kann die Filterwirkung also merklich anders als im Bildzentrum sein, gerade bei engen Filtern.
Als Optiken kommen fast alle Kameraobjektive mit Festbrennweite in Frage. Zoomobjektive sind stets Kompromisse und weniger gut geeignet. Man sollte darauf achten, dass das Objektiv möglichst wenig außeraxiale Bildfehler (Koma, Bildfeldwölbung etc.) aufweist. Öffnungsverhältnisse von 1:2,8 bis 1:3,5 sind gut brauchbar, wobei man zur Reduzierung der außeraxialen Bildfehler noch ein bis zwei Blendenstufen abblenden kann. Bei RGB-Aufnahmen spielt natürlich
3 Die H II-Regionen IC 1805/1848. Belichtung: 6 x 20 min in H· , 6 x 10 min
in [OIII] bei 2x2-Binning, 6 x 10 min in [SII] bei 2x2-Binning, Baader-Filtersatz, Hubble-Farbkodierung, Aufnahmeort: Eningen, Deutschland
auch der Farbfehler eine Rolle. Will man Farbsäume an Sternen vermeiden, muss ein gut farbkorrigiertes Objektiv verwendet werden. Das lässt sich am besten durch Ausprobieren herausfinden, indem man Aufnahmen von Sternfeldern erstellt und das Ergebnis kritisch betrachtet. Dabei kann man auch überprüfen, ab welcher Blendenstufe die Farbfehler deutlich reduziert sind und die Sternabbildungen am Rand nicht mehr verformt,
sondern etwa rund erscheinen. Eine zu große Anforderung zu stellen geht natürlich auch hier ins Geld und ist i. a. auch nicht notwendig, da der Reiz dieser Bilder ja gerade in dem ganzen fotografierten Gesichtsfeld besteht und die Bilder nicht in der höchst möglichen Vergrößerung betrachtet werden.
Ich verwende sehr gern ein 200-mmTeleobjektiv Canon EF 1:2,8, welches
VdS-Journal Nr. 37
Amateurteleskope/Selbstbau
126
4 Linke Seite: Das Schwert des
Orion. Belichtung 6 x 10 min mit H· Filter (Baader), jeweils 6 x 5 min + 3 x 30 s (Trapez-Region) mit RGB-Filtersatz von Astrodon. Farbkodierung L=H· , R=H· /R, G, B, Aufnahmeort: Sutherland + Somerset West, Südafrika.
ich häufig auf 1:3,5 abblende. Über einen Adapter ist es mit der STL-11000M verbunden. Bezogen auf den Sensor der Kamera entspricht dies dann einem Gesichtsfeld von ca. 10 x 7 Bogengraden.
Beim Einsatz von Schmalbandfiltern ergibt sich eine deutliche Reduzierung der Anforderung an das Objektiv: Es braucht in diesem Fall keine gute Farbkorrektur mehr zu besitzen, da man ja mit jeweils nur einem schmalen Wellenlängenbereich arbeitet, wobei dann allerdings für jede Wellenlänge getrennt fokussiert wird. Hinzu kommt ein weiterer, nicht zu unterschätzender Vorteil: Es werden alle Nächte mit hinreichend guten Wetterbedingungen für die Fotografie nutzbar, unabhängig von Mondphase und Umweltbedingungen! Ein Wellenlängenfenster der Schmalbandfilter von kleiner 10 nm filtert i. w. nur die beabsichtigte Wellenlänge heraus und unterdrückt weitgehend die Hintergrundstrahlung. Damit können
5 Der Hexenkopfnebel bei Rigel. L: 6 x 10 min belichtet, RGB jeweils 3 x 5 min
mit dem Filtersatz Astrodon True Balance. Aufnahmeort: Sutherland, Südafrika. Das Bild ist um 180 Grad gedreht, so wird der Hexenkopf erkennbar.
Aufnahmen selbst bei Vollmond durchgeführt werden, was einen sehr stark erweiterten Nutzungszeitrahmen ergibt. Die eigentlichen Begrenzungen werden das Wetter und die verfügbare Zeit, nicht mehr die Mondphase und sonstige örtliche Bedingungen.
Will man eine wirklich tiefe Belichtung erzielen, muss mit Gesamtbelichtungszeiten von Stunden und nicht Minuten gearbeitet werden, wobei Belichtungsserien mit Einzelbelichtungen von ca. 5 bis 20 min typisch sind. Damit wird Autoguiding unerlässlich. Obwohl die STL11000M einen integrierten Nachführsensor besitzt, verwende ich zusätzlich ein Leitrohr (Refraktor Skywatcher ED 80 mit Baader Barlowlinse) mit einer effektiven Brennweite von 1.200 mm, dazu eine CCD-Kamera Meade DSI Pro II. Damit steht, unbeeinflusst von der Durchlässigkeit der Schmalbandfilter für schwache Leitsterne, meist immer ein Stern für das Autoguiding mit großem Brennweitenhub (Verhältnis von Brennweite Leitrohr zu Brennweite Objektiv) zur Verfügung. Für alle Aufnahmen wurden Dunkelab-
züge (Darks) und Flachbildabzüge (Flats) benutzt.
Fokussierung Die Fokussierung des Objektivs ist bei Astrofotografien mit ,,schnellen" Optiken eine äußerst diffizile Angelegenheit. Autofokus ist unter diesen Bedingungen gänzlich unbrauchbar. Man muss also manuell den Fokus finden, was sich in der Praxis sehr mühsam und zeitraubend darstellt. Daher verwende ich einen Robofokus-Schrittmotor, dessen Bewegung mittels einer gerändelten Welle und eines Klettbandes auf den FokusEinstellring des Objektivs übertragen wird. Der Motor ist an der Adaptereinheit angeschraubt, mit der die Kamera drehbar an der Montierung befestigt ist (Abb. 1). Man kann dann unter Beobachtung eines stark vergrößerten Sternbildes im Fenstermodus der AufnahmesteuerungsSoftware (z. B. MaxIm DL) den Fokuspunkt durch schrittweises Verstellen des Robofokus über die Aufnahme-Software bei Nutzung von Serienbelichtung relativ leicht finden.
VdS-Journal Nr. 37
42
Astrofotografie
6 Gebiet um IC 4628 im Skorpion. Belichtung: 3 x 20 min mit H· -Filter
(Baader) und jeweils 3 x 10 min mit den RGB-Filtern von Astrodon. Farbkodierung L=H· , R, G, B. Aufnahmeort: Somerset West, Südafrika
Montierung Aufgrund der langen Belichtungsintervalle müssen Kamera und Optik auf einer parallaktischen Montierung nachgeführt werden, die autoguidingfähig ist. Ansonsten sind die Anforderungen an die Montierung - was Tragfähigkeit, Stabilität und Nachführgenauigkeit angeht - nicht besonders hoch. Es ist ja kein schweres Teleskop mit langer Brennweite nachzuführen, sondern nur eine Kamera mit Objektiv und ein einfaches Leitrohr. Dazu ist eine ganze Reihe von leichte-
VdS-Journal Nr. 37
ren Montierungen verschiedener Hersteller gut brauchbar. Ich verwende zurzeit überwiegend eine Montierung Takahashi EM-11, die über das Planetariumsprogramm GUIDE angesteuert wird. So lassen sich geeignete Himmelsbereiche bequem und präzise auswählen und anfahren. Nicht unerheblich ist die Tatsache, dass die gesamte Instrumentierung damit sehr gut transportabel ist und für Flugreisen in einem Koffer untergebracht werden kann. Die Abbildung 1 zeigt den gesamten Aufbau, mit dem die hier
gezeigten Bilder auf der Nord- und der Südhalbkugel erstellt wurden.
Filter Will man RGB-Bilder erhalten, so wird entweder eine Farbkamera verwendet, i. a. mit einem LPS-Filter (Light Pollution Suppression), oder eben eine Mono-Kamera, wobei Farbauszüge mit einem entsprechenden RGB-Filtersatz angefertigt werden müssen. Empfehlenswert ist es, vor allem bei schwachen Objekten, zusätzlich auch ein Luminanzbild für ein LRGB-Komposit zu erstellen. Ich verwende entweder einen LRGB-Filtersatz von Astrodon oder Baader.
Die Verwendung von Schmalbandfiltern bringt die oben erwähnten Vorteile. Schmalbandaufnahmen enthalten außerdem i. a. einen deutlich höheren Kontrastumfang als RGB-Auszüge, was vor allem bei schwachen H II-Regionen besser aufgelöste Strukturen und eine oft verblüffende Bildtiefe ergibt. Dafür benutze ich einen Baader-Filtersatz mit folgenden Filtern: H· , [OIII], [SII] und H· . Das H· -Bild wird häufig mit einer RGB-Aufnahme (falls vorhanden) zu einem H· -RGB-Komposit verarbeitet. Die drei Filterauszüge H· , [OIII] und [SII] kann man, wie häufig angewendet, in absteigender Wellenlänge den Farben Rot, Grün und Blau (RGB) zuordnen. Dann ergibt sich folgende Kodierung: [SII] = Rot, H· ·= Grün, [OIII] = Blau. Diese Farbzuordnung, auch Hubble-Kodierung genannt, ergibt ästhetisch sehr ansprechende Farbkomposite. Natürlich lassen sich die drei Schmalbandaufnahmen auch in anderer Weise dem RGBFarbsystem willkürlich zuordnen. Die so erstellten Farbbilder sind Falschfarbenbilder.
Bildbearbeitung Auf die Bildbearbeitung kann ich in diesem Beitrag nicht ausführlich eingehen. Hier nur so viel: Kalibrierung, Ausrichtung, Addition (Stacking) und leichtes Stretching (DDP Filterung) führe ich mit MaxIm DL durch, i. a. auch die Farbzuordnung. Dies geschieht alles über Fließkommaberechnung. Danach wird das Summenbild im TIFF-Format mit 16 bit in Photoshop CS2 weiter bearbeitet. Für die Darstellung der fertigen Bilder im Internet verwende ich dann das JPGFormat mit 8 bit.
Astrofotografie
43
Ergebnisse Die gezeigten Bildbeispiele wurden mit der beschriebenen Ausrüstung gemacht. Als erstes ein schmalbandiges Weitwinkel-Mosaik aus dem östlichen Bereich des Schwans in Hubblefarben (Titelbild). Es überdeckt etwa 20 x 14 Bogengrade und erstreckt sich vom Nordamerikanebel NGC 7000 links bis zum Schmetterlingsnebel IC 1318 rechts unten. Zahlreiche Emissions- und Dunkelnebel sind hier sichtbar. Die gewundenen, filamentösen Bänderstrukturen zeugen von Dynamik und stellen Stoß- oder Ionisationsfronten dar, die vermutlich bei früheren Supernova-Explosionen erzeugt wurden. Das ganze Gebiet bildet eine der größten bekannten Sternentstehungsregionen und wird durch die tiefe Belichtung erst in seiner ganzen Komplexität sichtbar. Der helle Stern oberhalb der Bildmitte ist Deneb, der Hauptstern des Schwans.
Der bekannte Zirrusnebel (NGC 6992/ 6960, Abb. 2) im Schwan stellt die Reste einer Supernova-Explosion dar, die vor ungefähr 5000 bis 8000 Jahren stattfand. Links ist der östliche Teil des Nebelkomplexes zu sehen, rechts der westliche (auch Sturmvogel genannt) beim Stern 52 Cygni. Dazwischen sieht man einen weiteren schwächeren Teil des Komplexes: ,,Pickering´s Triangular Wisp". Der helle Stern am oberen Bildrand ist · Cygni, auch Gienah Cygni genannt. Das Schmalband-Weitwinkelbild in Hubbelfarben zeigt die volle Ausdehnung des
7 Zentralteil des Skorpions. L: 3 x 10 min belichtet, RGB jeweils 3 x 5 min, mit
dem Filtersatz Astrodon True Balance. Aufnahmeort: Somerset West, Südafrika
Nebels mit seinem Umfeld und seinen vielen internen Filamentstrukturen.
Das Sternbild Cassiopeia ist eine Fundgrube für Deep-Sky-Objekte. In der ersten Reihe befinden sich sicher diese beiden Emissionsnebel (Abb. 3). Rechts im Bild IC 1805 mit seiner typischen Herzform, daher auch der Name ,,Herznebel". Seine Ausläufer reichen weit nach Norden. Östlich davon liegt IC 1848, manchmal auch als ,,Seelennebel" bezeichnet. Beide H II-Regionen sind prominente Sternentstehungsgebiete mit all ihren typischen Mustern, so z. B. Stoß- und Ionisationsfronten sowie zahlreiche Dunkelnebel. In dieser Schmalbandaufnahme in Hubblefarben zeigt sich die volle Ausdehnung beider Nebel und ihre gegenseitige Zuordnung. Interessant ist die zentrale Lage der [OIII]-Anregung, während in den Nebelrändern H· und [SII] dominieren. Als nächstes ein sehr bekanntes Himmelsfenster: Orions Schwert (Abb. 4). Es besteht im Wesentlichen aus den hellen Gürtelsternen Alnitak, Alnilam und Mintaka sowie dem Großen Orionnebel. Dieses Weitwinkelbild öffnet das Fenster weiter und tiefer und lässt einen Blick in die riesige Molekülwolke zu mit ihren zahlreichen Sternentstehungsgebieten. Beginnend in der linken oberen Ecke mit einem Teil von Barnards Loop findet man
knapp südwestlich auf der Diagonale den hellen Reflexionsnebel M 78. Im Zentrum erscheint dann der Flammennebel NGC 2024 dicht neben Alnitak und der herrlichen Nebellandschaft von IC 434 mit dem dunklen Pferdekopfnebel. Dann geht es weiter durch dichte Gas- und Staubwolken zu NGC 1977, dem ,,Running Man Nebula" und dem sehr hellen Großen Orionnebel (M42/43).
Westlich des hellen Sterns Rigel im Orion befindet sich im Nachbarsternbild Eridanus der Hexenkopfnebel IC 2118 (Abb. 5). Dieser Reflexionsnebel entsteht dadurch, dass die intensive Strahlung von Rigel an der umliegenden Materie reflektiert wird. Andere weniger helle Teile der in diesem Bereich befindlichen Molekülwolke können ebenfalls im Bild erkannt werden. Von Osten her ragt der südlichste Teil von Barnards Loop ins Bild und läuft südlich von Rigel schwächer werdend nach Westen aus.
Die Abbildung 6 zeigt den Teil des Himmels, der sich um die beiden Doppelsterne µ und · Scorpii (oben, blau, und knapp unterhalb der Bildmitte, gelb) erstreckt. Hier sind sehr ausgedehnte Regionen von Emissionsnebeln enthalten, die von Beobachtern und Fotografen ein wenig vernachlässigt werden. Das ganze Gebiet
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44
Atmosphärische Erscheinungen
wird auch ,,Tisch des Skorpions" genannt und ist in diesem Weitwinkelbild in seiner ganzen Ausdehnung abgebildet. Im Zentrum des Bildes steht der relativ helle Emissionsnebel IC 4628, in den USA auch als ,,Prawn Nebula" (GarnelenNebel) bezeichnet. Er bildet den hellsten Teil im nordöstlichen Randbereich einer rundlichen Nebelstruktur, die von den
jungen offenen Sternhaufen H 12 und besonders NGC 6231 ,,aufgeblasen" wird. Die in der Abbildung 7 gezeigte Nebellandschaft im Gebiet · Ophiuchi und Antares dürfte eine der eindrucksvollsten und ästhetisch schönsten des ganzen Himmels sein. Die Vielzahl der dort vorhandenen Emissions-, Reflexions- und Dunkelnebel kommt in diesem Weitwin-
kelbild voll zur Geltung. Die ausgedehnten Dunkelnebel beeindrucken besonders.Weitere Astrofotos sind auf meiner Webseite zu sehen: www.astro-cabinet. com. An dieser Stelle danke ich Kurt Schneider aus Welzheim für Konstruktion und Bau des STL-Adapters sowie für die Ansteuerung der Objektiv-Fokussierung recht herzlich.
Halo-Phänomen am 20. Juli 2010 in Nordwest-Island
von Ina Rendtel und Claudia Hinz
Fünf Tage Sonnenschein und blauer Himmel lagen hinter uns, als wir am 20. Juli diesen Jahres durch die Westfjorde Islands unterwegs waren. Um die späte Mittagszeit waren wir auf der Suche nach einem hübschen Picknickplatz mit Ausblick auf ,,Feuer und Eis" Vulkane und Gletscher. So ging der Blick zunächst nicht nach oben, als wir anhielten. Einige aufkommende Zirren machten den Himmel dann doch schnell sehr ,,spannend". Ich ließ Picknick Picknick sein, schnappte mir die Kameras und versuchte, mich am Himmel zu orientieren. Der Anblick war überwältigend. Diverse Bögen und Nebensonnen warten deutlich zu sehen, neben den ,,normalen" Erscheinungen konnte ich zahlreiche Besonderheiten erkennen, ohne sie im Detail zu benennen. Aber dazu gibt es ja Fotos und die Bildbearbeitung! Nach ca. einer halben Stunde und knapp 60 Fotos begann sich das Halo-Phänomen langsam aufzulösen, zunächst verschwand der Horizontalkreis, bis nur noch der 22 Grad -Ring schwach zu sehen war. Die Zirren wurden weniger und wir hatten den blauen Himmel wieder. Leider blieb dieses Ereignis die einzige Halobeobach-
tung unseres Urlaubs in Island, obwohl ich die restliche Zeit besonders aufmerksam den Blick an den isländischen Himmel gerichtet habe.
Erklärung des Phänomens Als das Halo-Phänomen auftrat, stand die Sonne 45 Grad über dem Horizont. Bei dieser Sonnenhöhe stehen die Nebensonnen knapp außerhalb des umschriebenen Halos. Eine derartige Helligkeit der Nebensonnen bei dieser Sonnenhöhe ist dabei sehr ungewöhnlich. Insgesamt wurden folgende Haloarten gesehen: - 22 Grad -Ring - beide Nebensonnen - umschriebener Halo
1 Panorama aus den Einzelbildern
mit HUGIN. Leider ist es ziemlich verzerrt und die Gegensonne ist zu weit rechts im Bild. Dennoch kann man das Ausmaß des Halophänomens sehr gut erkennen.
- Infralateralbogen - vollständiger Horizontalkreis mit
120 Grad -Nebensonnen - Gegensonne - Wegeners Gegensonnenbogen - eventuell auch der Parrybogen (der
allerdings bei dieser Sonnenhöhe sehr schwer vom oberen Berührungsbogen unterscheidbar ist).
Fotos: Ina Rendtel und Marion Rudolf, Simulation: Claudia Hinz
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2 Unten: 22 Grad -Ring, umschriebener
Halo, Nebensonnen und Horizontalkreis
Atmosphärische Erscheinungen
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3 Oben: 22 Grad -Ring, umschriebener Halo, rechte Nebensonne und Horizontal-
kreis, Wegeners Gegensonnenbogen
4 22 Grad -Ring, umschriebener Halo, rechte Nebensonne und
Horizontalkreis, Infralateralateralbogen, Wegeners Gegensonnenbogen als Bild (oben) und mit Unschärfemaske bearbeitet (unten).
5 Horizontalkreis mit Wegeners
Gegensonnenbogen
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Computerastronomie
6 Simulation (mit Halosim 3.6
von Les Cowley und Michael Schroeder) der beobachteten Haloarten und deren Beschriftung
Neuer Netzauftritt der Fachgruppe Computer-Astronomie
von Helmut Jahns
Die Fachgruppe Computer-Astronomie ist mit ihrem Hauptinternetauftritt auf den Server der VdS umgezogen [1]. Dies wurde zugleich zum Anlass genommen, die inhaltliche Ausrichtung zu überarbeiten und die Seite in ihrer grafischen Gestaltung dem Webauftritt der VdS unter www.vds-astro.de anzupassen.
Interessierte Sternfreunde finden auf den neuen Seiten ein (hoffentlich) vielseitiges Infoangebot rund um astronomische Algorithmen, Programmierung und Software. Ein Schwerpunkt hierunter ist die astronomische Programmierung.
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In den Weiten des Internet lässt sich zwar fast jede Information bekommen, aber gerade Programmiereinsteiger haben es oft nicht leicht, geeignete Suchbegriffe zu finden oder die zurückerhaltene Information richtig zu gewichten und zu
Deep-Sky 47
interpretieren. Genau an dieser Stelle möchte die Fachgruppe einsetzen und ein Angebot präsentieren, welches eine breite Palette an Tipps zur Programmierung und obendrein einige Orientierungsmarken für die weitere Recherche beinhaltet. Dieses Angebot kann und soll keine Programmierkurse oder gar Fachliteratur ersetzen; dennoch hoffen wir, Interessierten einige nützliche Infos in die Hand geben zu können.
Wer bereits Erfahrung im Programmieren gesammelt hat, wird wissen: Programmcode, der einfach nur funktioniert, ist
deswegen noch lange kein guter Programmcode. Bei größeren Programmiervorhaben kommt es zusätzlich darauf an, dass der Quelltext robust, verstehbar und leicht erweiterbar ist und dass Fehler sich leicht beheben lassen. Es gibt hierfür einige Kniffe, die inzwischen auf eine jahrzehntelange Praxiserprobung zurückblicken können und von denen eine Auswahl vorgestellt wird. Abgerundet wird dieses Infoangebot mit einigen weiterführenden Links und Literaturhinweisen zu Vertiefungsthemen sowie durch das Archiv des Zirkulars [2].
Literaturhinweise [1] Seite der Fachgruppe: www.vds-
astro.de/fachgruppen/computerastronomie.html [2] H. Jahns, 2010: ,,Neuer Service der Fachgruppe Computer-Astronomie: das Zirkular", VdS-Journal für Astronomie 32, 76
Ländereck-Astronomie II
- am Grenzpunkt der Frühlingssternbilder Leo, Leo Minor und Ursa Major
von Peter Reus
In der vergangenen Ausgabe des VdSJournals für Astronomie (Nr. 36) stellte ich mein visuelles Deep-Sky-Beobachtungsprogramm vor, das sich auf Himmelsobjekte spezialisiert, die am Rande der Sternbilder liegen. Nachfolgend möchte ich von ersten Beobachtungsergebnissen und -erfahrungen berichten, die allesamt an einem 12-Zoll-f/5,3Newton auf Dobsonmontierung gewonnen wurden, und schließlich noch eine kleine Geschichte zum Thema Muße beim Beobachten erzählen. Die Beobachtungsabende (7.3.2009; 5., 9. und 17.4.2010) fanden unter guten bis sehr guten Bedingungen statt; trotz leichtem Streulichteinfluss konnte ich von einem dunklen Gartenstandort aus jeweils einen dunklen Himmel mit fst = 6,0 mag verzeichnen. Das Seeing war insgesamt gut bis zufrieden stellend (Antoniadi-Skala II-III), d. h. es konnte auch 228-fache Vergrößerung sinnvoll eingesetzt werden.
1. Beobachtungsergebnisse Wer auf einer detailreichen Sternkarte [1] das Dreiländereck von Leo, Leo Minor und Ursa Major betrachtet, sieht in der Region mehrere Galaxien verzeichnet. Diese Himmelsgegend erreichen Dobsonbenutzer wohl am besten über
den folgenden Starhop: Ausgehend von Delta Leonis (Zosma) gelangt man über 72 Leonis zu dem Sternenpaar 67 und 54 Leonis. Sie bilden die Basis eines gleichschenkligen Dreiecks aus helleren Sternen, dessen Spitze von einem knapp 5 Grad nördlich liegenden Stern siebter Größe markiert wird. Dieser Stern (nachfolgend als AS = Ausgangsstern bezeichnet) bildet den Ausgangspunkt auf dem Weg zu den fünf Galaxien, die ich in dieser Region bislang beobachtete.
Knapp 10' östlich von AS befindet sich die Galaxie NGC 3510 (SB 13,2) [2], die sich als schwache Edge-on-Galaxie zeigt, deren Hauptachse in NW-Richtung weist. Die Elongation ist hier nicht leicht anzugeben. Erschien bei direktem Sehen ein Achsenverhältnis von 1:4 realistisch, so zeigte sich bei indirektem Sehen eines von ca. 1:6.
Verlängert man die Achse von NGC 3510 über AS hinaus um etwa 40', so erreicht man die deutlich hellere und größere Galaxie NGC 3486 (SB 14,3), welche sich als ovales, nicht ganz kreisrundes Wölkchen zeigt und bei indirektem Sehen unregelmäßig hell erscheint.
Knapp 1 Grad südlich von AS findet sich das Galaxienpaar NGC 3504 (SB 12,9) und NGC 3512 (SB 13,1). Beide sind bei 107-facher Vergrößerung im selben Gesichtsfeld zu sehen und damit gut zu vergleichen. NGC 3512 hat eine fast kreisrunde Gestalt und ist an seinem Rand diffus. NGC 3504 hingegen ist von ovaler Gestalt, heller, mit Binnenstruktur (vgl. Zeichnung in Abb. 1!) und hebt sich deutlicher vom Hintergrund ab. Der Reiz der Beobachtung solcher Galaxienpaare besteht sicherlich auch im Staunen darüber, wie gut sich die Vielgestaltigkeit selbst von lichtschwächeren Galaxien bereits beim Blick durchs Amateurteleskop zeigt. NGC 3504 erschien am letzten der Beobachtungsabende (für wohl höchstens eine Sekunde) deutlich als Balkenspirale. Dieser Eindruck zweier Spiralbalken an den beiden Seiten der zuvor mehrfach skizzierten Galaxienfläche wiederholte sich nicht, weshalb er auf meiner Zeichnung auch nicht erscheint. Nun muss ich hier noch ergänzen, dass mir zum Zeitpunkt der Beobachtung nicht klar war, dass NGC 3504 eine Balkenspiralgalaxie ist, weshalb ich die kurze Balkenerscheinung einem zu angestrengten Blick zuschrieb. Bei der Erstellung meiner abendlichen Beobachtungsliste ließ ich mich lediglich
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Deep-Sky
1 Zeichnung von NGC 3504 nach visuellen Beobachtungen am 7.3.2009 sowie
am 5., 9. und 17.4.2010 von Peter Reus am 12 Zoll / 1.600 mm-Newton auf DobsonMontierung (V = 107x und 228x). Filter wurden nicht eingesetzt. Beobachtungsort war eine Gartenterrasse in Klosterdorf (Stadtteil von Scheinfeld im Steigerwald).
von Sternkarteneinträgen und Helligkeitsangaben der relevanten Objektlisten leiten. Ein Foto von NGC 3504 betrachtete ich erst nach diesem seltsamen Beobachtungsmoment und war natürlich recht erstaunt, die Balken an den Stellen zu erblicken, wo ich glaubte, welche gesehen zu haben. Sicher hat der ein oder andere Leser dieses Artikels NGC 3504 bereits visuell beobachtet oder nun Lust bekommen, sich im Frühjahr das Objekt einmal genauer anzusehen. An weiteren Beobachtungen dieses Objekts bin ich natürlich sehr interessiert. Sind die Balken vielleicht mit 16 Zoll Öffnung zu erkennen? Oder kann ein Beobachter mit 10- oder 12-Zöller unter besten Alpenhimmelbedingungen die kurze Erscheinung bestätigen?
Verlängert man die Achse von NGC 3504 über 3512 noch einmal um die Distanz
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der beiden Galaxien über NGC 3512 hinaus, so erscheint ein wenig nördlich dieser Achse die im Vergleich zu den beiden Galaxien deutlich lichtschwächere und kleinere Galaxie NGC 3515 (SB 13,2), die eine elliptische Gestalt besitzt.
2. Beobachtungserfahrungen Für die Zeichnung von NGC 3504 fertigte ich verschiedene Vorzeichnungen mit Notizen zu einzelnen Helligkeitsbereichen und Distanzen an. Mehrmaliges Beobachten desselben Objekts an verschiedenen Abenden ließ mich immer wieder die zunehmende Dunkeladaptation des Auges erleben. Abblenden von Streulichteinflüssen, gleichmäßiges Atmen, Blickpausieren und andere Maßnahmen wurden mir zunehmend wichtig. Das Beobachtungsprogramm mit seinen konkreten Zielen ließ mich die einzelnen
Beobachtungen wieder ernster nehmen, genauer hinsehen, die einzelnen Beobachtungsobjekte kennen lernen.
Schließlich benötigte ich noch einen Größenmaßstab. Diesen gewann ich durch mehrfachen Vergleich der Distanzen des Kreuzasterismus (vgl. Zeichnung!) mit dem Abstand von Alkor und Mizar. Es stellte sich heraus, dass der Winkelabstand der beiden hellsten Feldsterne halb so groß ist wie jener von Alkor und Mizar. Hieraus ergab sich durch einfache Dreisatzrechnung die Größe des beigefügten Maßstabs.
Ein späterer Vergleich meiner Zeichnung mit einer Fotografie [3] zeigte zu meiner großen Freude, dass die beobachteten Details sich auch auf dem Foto fanden. Außerdem stellte sich dabei meine Methode der Maßstabsbestimmung als genau heraus. Eine schöne Bestätigung für den Sinn des wiederholten und langen Betrachtens von Himmelsobjekten.
Schon vor einiger Zeit war mir aufgefallen, dass meine 25 Jahre alten Zeichnungen und Beschreibungen von Himmelsobjekten, obwohl sie an einer kleinen katadioptrischen Optik (4,5 Zoll Öffnung) gewonnen wurden, erstaunlich viele Details aufweisen. Ich war damals (vor einer fast 20-jährigen Beobachtungspause) sicher geübter im genauen Betrachten der Objekte. Mit dem wiederholten Anfertigen der Skizzen von NGC 3504 übte ich aber ganz offensichtlich das astronomische Sehen wieder ein. Das zeigte sich, als ich, um eine genauere Vorstellung der Größe von NGC 3504 zu gewinnen, den Blick am Ende der letzten Beobachtungsnacht nochmals zur Galaxie M 51 lenkte. Unverhofft bot sich der bislang spektakulärste Blick auf die Whirlpoolgalaxie, die sich deutlich als Spiralnebel präsentierte. Es war fast so, als wäre seit dem letzten Besuch der Galaxie (wenige Wochen zuvor, unter ebenfalls gutem Himmel) die Fernrohröffnung um vier Zoll gewachsen.
Weiterhin ließ mich das wiederholte Betrachten derselben Objekte an mehreren Beobachtungsabenden in den Zielgegenden meines Programms fast schon heimisch werden. Besonders spannend dürfte daher die erneute Beobachtung der genannten Objekte in einer Nacht mit
Deep-Sky 49
hervorragend gutem Seeing sein. Zum einen verspricht ein weiteres Betrachten von NGC 3504 eine Klärung der Frage nach der Sichtbarkeit der Spiralbalken und zum anderen könnte bei höherer Vergrößerungsmöglichkeit eine detailreiche Zeichnung von NGC 3486 entstehen. Und dann liegt da ja noch der Galaxienhaufen Abell 1185 im Ländereckbereich... Nah bei NGC 3486 (,,ein wenig nördlich, ca. 1/3 des Gesichtsfelddurchmessers beim Blick durch das 15-mm-Okular" hatte ich mir notiert, dabei aber vollkommen vergessen, die entsprechenden Größenverhältnisse in Winkelgrößen abzuschätzen) zeigte sich bei indirektem Sehen eine längliche Aufhellung. Möglicherweise habe ich ja den Kernbereich dieser Spiralgalaxie gesehen und die Aufhellung ist der hellste Bereich der sie umgebenden lichtschwächeren feinen Spiralarme? Ein Wiedersehen der Region im Frühling 2011 sollte auch diese Frage klären.
3. Die wiedergefundene Zeit beim Sterngucken Ich möchte diesen Artikel mit der Darlegung eines Luxusproblems und seiner Behebung schließen: Die Faszination der Sternguckerei lässt sich nicht allein aus den besonderen Eigenschaften der Himmelsobjekte erklären. Freilich ist es beeindruckend, wenn man in einer klaren Herbstnacht den Andromedanebel mit bloßem Auge leicht erkennen kann und sich zugleich an die ungeheure Distanz erinnert, welche uns von dieser Himmelserscheinung trennt. Bei nicht wenigen Sternguckern stand am Anfang ihrer langjährigen Forschungen ein solches Erlebnis, das rasch den Wunsch nach eingehenden Beobachtungen weckte. Es folgten Fernglasbeobachtungen und schließlich solche mit einem kleinen Einsteigerteleskop. Und noch Jahrzehnte später leuchtet die Erinnerung an jene Freude, die etwa die erste Sichtung des Orion- oder des Hantelnebels bereitete, ganz zu schweigen vom ersten Blick auf den Ringplaneten oder der Beobachtung des Wechselspiels der Jupitermonde. Mit größeren Teleskopen schließlich, die unter visuellen Deep-Sky-Beobachtern gerne auch als die Symptome eines fortgeschrittenen Öffnungsfiebers interpretiert werden, wurden einzelne Galaxien zu Spiralnebeln, zeigten Kugelsternhaufen ihre eigentliche Natur und stieg die Zahl
der möglichen Beobachtungsobjekte. Das Wissen um die große Fülle von DeepSky-Objekten, die mit meinem 12-Zöller beobachtet werden können, hatte aber nicht nur erfreuliche Folgen. Meine Beobachtungsabende wurden zunehmend unruhig; ich ertappte mich schließlich dabei, wie ich von einem Objekt zum anderen sprang, NGC-Listen ausdruckte, die bald ein kümmerliches Los als Abschusslisten fristeten. Gesichtete Objekte wurden abgehakt. Meine Beobachtungsnotizen blieben hierbei weitgehend auf der Strecke, für ausführliche Skizzen gab es ohnehin keine Zeit. Nach der Teilnahme an einem Messier-Marathon befragt, hätte ich jederzeit lächelnd solchen Unsinn verneint. Aber war ich denn nicht selbst auf dem Weg, meine Beobachtungsabende zu einer Reihe von NGC-Marathons umzugestalten? Diese eher schon rhetorische Frage stand am Anfang von Überlegungen, die allesamt um die (echte) Frage kreisten, wie es sein konnte, dass sich mit meinem 8x40-Fernglas vor 25 Jahren interessantere Beobachtungsabende verbringen ließen als nun, da ich nach der anfänglichen Freude am 12-Zoll-Newton manchmal geradezu in eine unerfreuliche Unruhe beim Beobachten verfiel [4]. Anfangs erklärte ich mir die Unruhe mit der wenigen Zeit, die sich aus der kleinen Schnittmenge sternklarer Nächte und der Freizeit des berufstätigen Erwachsenen ergab. Schließlich hatte sich in den 20 Jahren, die es brauchte, mein altes Jugendinteresse wiederzuentdecken, einiges getan: Ich konnte mir zwar ein 12-Zoll-Teleskop leisten, hatte aber deutlich weniger Zeit zur Ausübung unseres schönen Hobbys. Das wiederentdeckte Beobachtungsbuch des 16-Jährigen aber belehrte mich eines Besseren: So viele Objekte waren es gar nicht, die ich gezeichnet und beschrieben hatte. Was aber da war, das war wesentlich lebendiger dargestellt als alles, was ich zu meinen 12-Zoll-Beobachtungen notiert hatte. Eine Erklärung war rasch gefunden: Ich hatte damals den Aufzeichnungen und damit auch dem ruhigen Betrachten weniger Objekte ganz einfach mehr Zeit gewidmet [5]. Mit meinem Beobachtungsprogramm bin ich auf einem guten Rückweg.
In der folgenden Ausgabe möchte ich von den Ergebnissen der mußevollen Beobachtung an einem spätsommerlich-
herbstlichen Dreiländereck berichten; im Zentrum des Berichts wird eine Zeichnung von NGC 7423 stehen.
Literaturhinweise [1] Zum Beispiel: Wil Tirion, 2001:
,,Uranometria 2000.0, Deep Sky Atlas", Richmond, Karte 73 [2] Alle Helligkeitsangaben bezeichnen Oberflächenhelligkeiten und stammen aus: Tirion, a.a.O., Tabellenwerk zu Karte 73. [3] vgl.: http://www.rochesterastronomy.org/snimages/reference/n3504. jpg (Link geprüft: 25.10.2010) [4] vgl. hierzu auch die entsprechenden Schilderungen von Dr. Johannes Schilling in: J. Schilling, 2010: ,,Messier 17 visuell im 16-Zoll-Teleskop", VdS-Journal für Astronomie 34, 82 [5] vgl. hierzu auch: W. Steinicke, R. Jakiel, 2007: "Galaxies and How to Observe Them", London, 75
Inserentenverzeichnis
AME
37
APM Telescopes, Rehlingen
13
astronomie.de, Neunkirchen
75
Astro-Shop, Hamburg
U2
Astroshop.de nimax GmbH,
77
Landsberg
27. ATT
111
Baader Planetarium, Mammendorf U4
Intercon Spacetec GmbH, Augsburg U3
Kosmos Verlag, Stuttgart
9
Meade Instruments Europe, Rhede
53
Gerd Neumann jr.
55
Optische Geräte Wolfgang Lille,
23
Heinbockel
5. RATT - Ravensburger
33
Teleskoptreffen
6. Sächsisches Teleskoptreffen
82
Spektrum der Wissenschaft Verlags- 15
gesellschaft mbH, Heidelberg
83
30. Planeten- und Kometentagung, 85 Violau
Stiftung Deutsches Technikmuseum, 59 Berlin
Sternwarte Rüti
87
VdS-Journal Nr. 37
50
Deep-Sky
Beobachtungsprojekt: Mel 111 und NGC 4435/8
von Daniel Spitzer
Mit Erhalt dieser Ausgabe des VdS-Journals für Astronomie erhalten Sie die Beobachtungsergebnisse zu den Objekten Melotte 111, einem offenen Sternhaufen im Sternbild Coma Berenices, sowie NGC4435/8, einem wechselwirkenden Galaxienpaar im Virgo-Haufen. Beginnen wir mit
Mel 111 Durch die scheinbare Größe des Haufens ist die Beobachtung ohne Instrument oder einem Fernglas sinnvoll. Gerhard Scheerle sah in einem Feld von 6 Grad 7-9 Sterne von 4,8 bis 5,8 mag, welche in einem diffusen Hintergrund eingebettet waren. Sein Eindruck scheint dem von Johannes Schilling sehr zu ähneln, wenn man seine Zeichnung (Abb. 1) betrachtet, die ebenfalls ohne Behilfsoptik angefertigt wurde. Während der Beobachtung konnte er eine Sternschnuppe sehen, welche er in seine Zeichnung aufnahm.
1
Zeichnung von Mel 111 von Johannes Schilling mit dem bloßen Auge. Zusätzlich
eingezeichnet sind die Position der Galaxie M64 sowie eine Sternschnuppe, die während der
Beobachtung herab fiel.
Ich konnte den nebeligen Hintergrund nicht wahrnehmen, wie Abb. 2 zeigt. Der Haufen ist nicht sonderlich scharf begrenzt, und es fiel mir schwer zu beurteilen, welche der gesehenen Sterne Haufenmitglieder und welche Feldsterne sind, dennoch kann ich die von Gerhard Scheerle angegebene Zahl der sichtbaren Sterne etwa bestätigen. Besonders auffällig schien mir eine Kette von 4 hellen Sternen in Nord-Süd-Richtung verlaufend, ausgehend von ··Com.
Mit einem 8x32-Fernglas hat Rainer Töpler den Haufen gesehen (Abb. 3). Man sieht hier sehr schön, dass die Einschränkung des Gesichtsfeldes den Haufencharakter merklich mindert. Gerhard nahm ein 8x56-Fernglas zur Hand und zählte 102 (!) Sterne bis 9,4 mag in einem Feld von 6,5 Grad . 22 der Sterne bewegen sich im Helligkeitsspektrum von 4,4 bis 6,4 mag. Gerhard beschreibt den Haufen als ,,wirklich prachtvollen, großen und auffälligen Sternhaufen".
2
Zeichnung von Mel 111 von
Daniel Spitzer, ebenfalls mit dem bloßen Auge
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Deep-Sky 51
4 NGC 4435 und NGC 4438, gezeichnet von Johan-
nes Schilling mit einem 50 Jahre alten 68-mm-Refraktor bei 56-facher Vergrößerung
3 Mel 111, gezeichnet von Rainer Töpler mit einem 8x32-
Fernglas
5
NGC 4435 und NGC 4438 von Daniel Spitzer, beobachtet mit einem 8-Zoll-SC-Teleskop
NGC 4435/8 Die beiden wechselwirkenden Galaxien befinden sich am südlich Ende von Markarians Galaxienkette. Im Gegensatz zum letzten Objekt benötigt man hier ein Teleskop. Johannes Schilling verwendete einen Refraktor mit 68 mm Öffnung, das Ergebnis zeigt Abb. 4. Dabei dachte er anfangs nur an eine schnelle Skizze. Interessanterweise schreibt er, dass NGC 4435 anfangs direkt, NGC 4438, welche die größere Galaxie ist, nur indirekt wahrnehmbar war. Er konnte dann nach etwas Eingewöhnung in NGC 4435 einen hellen, inneren, in Nord-Süd-Richtung elongierten Balken sehen, wogegen sich die Kerne der beiden Galaxien stellar zeigten. Die Kernregion von NGC 4438 offenbarte sich dann vollends und zerfiel in einige helle Knoten. Die Vergrößerung betrug gerade mal 56-fach! Das Instrument wurde also noch lange nicht ausgereizt.
Gerhard Scheerle konnte in einem 4,5-Zoll-Newton NGC 4435 als rundliche Aufhellung mit 10,8 mag Helligkeit und 2,5 Bogenminuten Durchmesser erkennen. NGC 4438 zeigte sich ihm mit 2,5 x 7 Bogenminuten und 10,4 mag deutlich größer und heller.
Mit meinem alten 8-Zoll-SCT beobachtete ich das Galaxienpaar schon vor einigen Jahren. Es zeigten sich zwei klar voneinander getrennte Galaxien, wobei NGC 4435 deutlich die kleinere ist. Beide sind strukturlose, linsenförmige Aufhellungen (Abb. 5).
Mit einem Schmidt-Cassegrain mit 235 mm Öffnung sieht Gerhard Scheerle einen 2 x 1,5 Bogenminuten und einen 6 x 3 Bogenminuten großen Nebel. Der kleinere, NGC 4435, ist also leicht elongiert, wobei die Achse einen Positionswinkel von 10 Grad geneigt ist. Die Galaxie
zeigt eine starke Konzentration zum Zentrum. Das stellare Zentrum vergleicht er mit einem Stern von etwa 13,6 mag. Die Außenbereiche berühren fast NGC 4438, welche einen Positionswinkel von 25 Grad zeigt. Das Kerngebiet von 3 x 1,5 Bogenminuten Abmessung zeigt sich weniger stark konzentriert und wird vom Beobachter mit einem Stern von 14,2 mag verglichen. Das Kerngebiet wird durch nach Nordost und Südwest reichende, schwache Sternwolken verlängert. Auch in westliche Richtung zeigen sich solche flächenschwache Strukturen, welche die Kernregion auf insgesamt 6 x 3 Bogenminuten anwachsen lassen. In diesem Außengebiet sieht er vier Sternwolken: Eine deutliche im Norden, welche sich vom Kerngebiet absetzt, eine im Süden, die das Zentralgebiet fast berührt und nach Südwesten abknickt. Zwei kleinere liegen im Westen positioniert, sie sind sehr undeutlich und lichtschwach. Die
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52
Deep-Sky
6 Zeichnung von NGC 4435 und NGC 4438, angefertigt von Theresa
Schilling mit einem 10-Zöller
7 NGC 4435 und NGC 4438, beobachtet und gezeichnet von Johannes
Schilling mit 16 Zoll Öffnung
eine schließt im Westnordwesten an das Kerngebiet an, während die andere sich im westlichen Bereich etwas besser abgrenzen lässt.
Zehn Zoll Öffnung standen der erst 17-jährigen Theresa Schilling für ihre Beobachtung zur Verfügung. Die mit wenig Beobachtungserfahrung bei 101-facher Vergrößerung entstandene Zeichnung zeigt die Abbildung 6. Dennoch konnte sie in der Kernregion von NGC 4438 deutlich Details erkennen. Die hellen Auswüchse erinnern stark an Gezeitenschweife.
Rainer Töpler, Johannes Schilling und Gerhard Scheerle beobachteten mit 16 Zoll Öffnung, aber unterschiedlichen Vergrößerungen. Johannes beobachtete mit 218-facher Vergrößerung. Seine Zeichnung zeigt Strukturen, die man von Fotos kennt, wie zum Beispiel die hakenförmige Materiebrücke (Abb. 7). Er schreibt ebenso von der erfolgreichen Beobachtung von Dunkelwolken, insbesondere jene nördlich des Zentrums. Diese Beobachtung war ihm jedoch nur im indirekten Sehen möglich. NGC 4435 zeigte einen gegliederten Kernbalken und die Zentren der beiden Galaxien zerfallen in mehrere helle Sternwolken. Die Dynamik des Paares wurde durch den nordöstlichen Balken deutlich: Er spaltet sich zum Begleiter auf und wirkt wie zerrissen. Rainer Töpler beobachtete bei 195und 356-facher Vergrößerung (Abb. 8). Der Vergleich beider Abbildungen zeigt sehr schön, wie unterschiedlich ein Objekt wahrgenommen werden kann.
Gerhard Scheerle sah mit derselben Öffnung zwei längliche Nebel, wobei NGC 4438 (nun mit mehr Öffnung als zuvor) mit 9,8 mag deutlich heller erscheint.
VdS-Journal Nr. 37
8 NGC 4435 und NGC 4438, die
Zeichnung fertigte Rainer Töpler nach seinen Beobachtungen am 16-ZollTeleskop an.
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Deep-Sky
Visuelles Deep-Sky-Beobachtungsprojekt
von Daniel Spitzer
Es ist wieder Frühling, der Virgo-Haufen ist wieder in optimaler Beobachtungsposition. Daher sollen wieder zwei Objekte aus dieser Himmelsregion vorgestellt werden, um ihre Beobachtungsergebnisse in einem Jahr im VdS-Journal für Astronomie vorzustellen.
3C273 Bei dem ersten Objekt handelt es sich um den hellsten Quasar des Himmels. Seine Bezeichnung ,,3C273" bedeutet, dass es sich um den 3. Band des Cambridge-Katalogs für radiohelle Quellen handelt und dort den 273. Eintrag darstellt. Der Name ,,Quasar" ist ein Kunstwort für ,,quasi-stellares Objekt". Man war sich lange Zeit nicht sicher, worum es sich bei diesen Objekten handelt, obwohl ihr Aussehen zunächst für einen Stern spricht. Das Spektrum jedoch offenbarte eine Rotverschiebung von etwa 0,16 (dies entspricht etwa 2,4 Milliarden Lichtjahren) und ist damit zu weit entfernt, um überhaupt als Stern erkannt werden zu können.
Um die gesamten physikalischen Eigenschaften eingehend auszubreiten, ist hier nicht genügend Platz, das eigenständige Nachforschen aber lohnenswert!
Mit etwa 13. Größe ist 3C273 sicher zu schwer für kleine Instrumente. Außerdem liegt der Quasar in einer recht sternarmen Gegend, dennoch sollte man den Kontakt mit dieser Objektklasse nicht scheuen: Sie zeigen bei Langzeitbeobachtungen eine variable Helligkeit (die Amplitude liegt im Zehntel-Größenklassen-Bereich), welche auch darauf schließen lässt, wann sich das schwarze Loch im Zentrum des Quasars Materie aus der unmittelbaren Umgebung einverleibt.
NGC 4388 Hierbei handelt es sich um eine Galaxie des Virgo-Haufens, die nahe der beiden großen elliptischen Galaxien M 84 und M 86 ein ungewolltes und unverdien-
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1 Aufsuchkarte für NGC 4388 und 3C273. Der Kartenausschnitt zeigt die südli-
che Region des Virgohaufens. Die Karte und das obere Inset wurden erstellt
mit Cartes du Ciel, das Inset unten links stammt aus dem roten POSS [1].
tes Schattendasein fristet. Sie befindet sich geringfügig südlich der Mitte der Verbindungslinie der beiden genannten Messier-Galaxien. Hat man die leicht auffindbare Stelle gefunden, zeigt sich eine fast-edge-on-Galaxie. Mit ca. 5 x 1 Bogenminuten Größe und 11 mag Helligkeit sollte sie kein allzu schwieriges Objekt darstellen. Entdeckt wurde sie von Wilhelm Herschel im Jahre 1784. Mit einer Entfernung von 60 Millionen Lichtjahren liegt die Galaxie deutlich näher als der zuvor beschriebene Quasar und ist ein typischer Vertreter des Virgo-Haufens.
Quellenangaben [1] http://archive.stsci.edu/cgi-bin/
dss_form
Deep-Sky-Diskussion
von Sven Melchert, für die Endredaktion des VdS-Journals für Astronomie
Die zwei nachfolgenden Beiträge ,,Sein oder Schein" von Wolfgang Steinicke und ,,Bedachtsamkeit oder schnelles Urteil" von Johannes Schilling thematisieren die Objektivität von Zeichnungen visueller Deep-Sky-Beobachtungen. Die Endredaktion kann die inhaltlichen Aussagen dieser Artikel leider nicht beurteilen. In ihrem Stil ist diese Auseinandersetzung sicher kein Vorbild für eine sachliche Diskussion. Andererseits muss das VdS-Journal für Astronomie auch Raum für kontroverse Ansichten zur Verfügung stellen. In diesem Sinne hoffen wir auf eine fruchtbare und sachliche Diskussion über die visuelle DeepSky-Beobachtung in der Zukunft.
Deep-Sky 55
Sein oder Schein?
- Kritische Gedanken zu publizierten Deep-Sky-Zeichnungen
von Wolfgang Steinicke
Aufmerksamen Lesern, insbesondere solchen, die sich für die visuelle DeepSky-Beobachtung begeistern, werden die Zeichnungen von Johannes Schilling nicht entgangen sein. Sie sind seit Heft Nr. 27 (III/2008) in unserem VdS-Journal für Astronomie zu bestaunen. Gezeigt werden Objekte (z. T. farbig) auf schwarzem Hintergrund, die vor allem durch ihre Ästhetik und den erstaunlichen Detailreichtum beeindrucken. Neben bekannten Zielen (z. B. M 17, M 42 oder M 74) werden auch Exoten präsentiert, wie das Galaxientrio NGC 5774 / NGC 5775 / IC 1070 in der Jungfrau oder das wechselwirkende Paar NGC 5216 / NGC 5218 (Arp 104) im Großen Bären. Die meisten Beobachtungen wurden mit klassischen Dobson-Teleskopen von 10 Zoll bzw. 16 Zoll Öffnung auf der Schwäbischen Alb in etwa 560 m Höhe gemacht.
Zugegeben, der Standort mag recht dunkel sein, trotzdem sind die erzielten Ergebnisse für deutsche Verhältnisse erstaunlich. Als ehemaliger Leiter der Fachgruppe Deep-Sky habe ich auf dem Gebiet der visuellen Beobachtung einige Erfahrung. Ich beobachte seit 1984 vom 1.250 m hohen Schauinsland im Süd-
schwarzwald, zunächst mit einem C 14 und später mit einem 20-Zoll-Dobson [1]. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich trotz guter Augen (geschult durch intensive Quasarbeobachtungen in den 80er und 90er Jahren) und dunklem Himmel keines der Resultate von Johannes Schilling auch nur ansatzweise erzielt habe.
Ich war beispielsweise erstaunt über die Sichtung von ,,Hoag`s Object", einer kleinen, schwachen Ringgalaxie in der Schlange (Abb. 1, links). In Heft Nr. 27 heißt es dazu [2]: ,,Im 16-Zoll-Newton beobachtete ich im Sommer 2007 Hoags Objekt, die 600 Millionen Lichtjahre entfernte Ringgalaxie PGC 54559 mit 16 mag Helligkeit und konnte dabei den Ring ausmachen und ihn vom Zentrum unterscheiden." Diese Aussage hat mich wie ein Schlag getroffen, war doch im 20-Zöller in vielen Versuchen mit indirektem Sehen und Vergrößerungen bis 500fach bestenfalls der schwache kompakte Kern (Durchmesser 15 Bogensekunden) wahrnehmbar - vom umgebenden Ring (Durchmesser 50 Bogensekunden) dagegen keine Spur! Irritiert erkundigte ich mich bei meinen amerika-
nischen Deep-Sky-Freunden - bekanntlich verwöhnt von großen Öffnungen und kristallklarem, dunklen Wüstenhimmel - nach dem Stand der Dinge in Sachen ,,Hoag`s Object". (Die deutschen brauchte ich gar nicht erst fragen, da waren nur Misserfolge überliefert.) Es kam wie erwartet: Selbst mit 24 Zoll war nichts zu sehen und im 30-Zöller bei der Texas Star Party (TSP) mit ihrem bekannt phänomenalen Himmel allenfalls ein Hauch von einem Ring. Wie kann da jemand in Deutschland im 16-Zöller erfolgreich sein? ,,Sieht" man den Ring vielleicht genau dann, wenn man weiß, dass er da ist? Zugegeben, es klingt provozierend, aber würde man womöglich eine Gurke wahrnehmen, wenn man vorher auf einem Foto einen ,,Kern mit Gurke" gesehen hätte?
Diese quälenden Fragen sollten mich weiter verfolgen - denn es kam noch schlimmer. Bereits im selben Artikel waren u. a. Zeichnungen der Galaxie M 74 in den Fischen, des Planetarischen Nebels NGC 7009 im Wassermann und des Coma-Galaxienhaufens (Abell 1656) im Haar der Berenice abgedruckt. M 74 ist ein Objekt mit geringer Flächenhelligkeit und kom-
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Deep-Sky
1 Oben und Mitte unbehandelte
(d. h. nicht kontrastverstärkte) Aufnahmen aus dem Palomar Observatory Sky Survey II. Links oben: ,,Hoag's Object", die schwache Ringgalaxie in der Schlange. Rechts oben: das wechselwirkende Galaxienpaar Arp 104 (NGC 5216/18) im Großen Bären; man beachte die Materiebrücke, welche sich kaum vom Himmelshintergrund abhebt. (Anm. d. Red.: Die Bildzeilen in der Mitte und unten wurden von der Redaktion hinzugefügt. Die beiden Bilder in der Mitte sind einfache unveränderte Negative der oberen Bilder. Die unteren Bilder wurden kontrastverstärkt.)
paktem Kern. Die am 16-Zöller gemachte Zeichnung zeigt viele Arme und Knoten. Insbesondere die gepunkteten Details im Zentrum, eigentlich ein diffuser Fleck, sind frappierend. Für Steve Coe, einer der führenden amerikanischen Deep-Sky Beobachter, ist M 74 ein Testobjekt, um Transparenz und Seeing einzuschätzen. Er schrieb mir: ,,in Teleskopen bis 32'' habe ich niemals solche zentralen Details gesehen, selbst in Nächten mit einer Qualität von 9 (in einer 10-stufigen Skala)". Den ,,Saturnnebel" NGC 7009 hat er sich auch im 24-Zoll-Clark-Refraktor des Lowell Obervatory in Flagstaff, Arizona, auf 2.200 m Höhe angeschaut. Selbst bei
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hoher Vergrößerung zeigte das fantastische Instrument mit extremer Bildschärfe nicht einmal 10 % der von Schilling mit dem 16-Zöller bei 552-facher Vergrößerung dokumentierten Detailfülle. Die Darstellung erinnert stark an HubbleAufnahmen. Wie kann man visuell eine vergleichbare Auflösung erreichen? (Ein ähnlicher Fall ist der PN NGC 6818 im Schützen.) Ron Morales (Kalifornien) und Magda Streicher (Südafrika) sprechen bei der NGC-7009-Zeichnung von ,,mehr Traum als Realität". Die von Abell 1656 gehört laut Rich Jakiel - dem führenden visuellen Beobachter von Galaxien und Co-Autor meines Buchs zum Thema [3]
- sogar in die ,,crazy zone". Er dachte zunächst, sie sei mit einem großen Dobson (> 20 Zoll) unter TSP-Bedingungen gemacht. Weit gefehlt: Es war ein 10-Zöller in einem deutschen Vorgarten und er zeigte über 80 Galaxien, die meisten jenseits der 15. Größenklasse! Für Steve Gottlieb - mit über 6.000 beobachteten NGC-Objekten momentan der Rekordhalter - ,,überschreiten die Zeichnungen jedes Maß an Glaubhaftigkeit".
Skepsis ist also das mindeste, was hier angebracht ist. In Heft Nr. 29 [4] folgte der nächste Streich, in Form einer Zeichnung des Galaxientrios NGC 5774 (13,1 mag), NGC 5775 (12,1 mag) und IC 1070 (14,4 mag) in der Jungfrau, erstellt am 10-Zöller. Blumig kommentierte Rich ,,not bloody likely" und meinte die dargestellten Spiralarme der beiden NGC-Galaxien. Seine Zeichnung mit dem 24-Zoll-Dobson käme dem sehr nahe. Magda bezweifelte insbesondere die Sichtbarkeit des dunklen Staubbands der edge-on Galaxie NGC 5775 und der Spiralarme von NGC 5774 - ein Objekt mit sehr geringer Flächenhelligkeit. Bei diesen Strukturen hätten Amateure visuell schlicht keine Chance.
Mit Heft Nr. 33 [5] erreichte die Sache einen neuen Höhepunkt: Zu sehen sind das wechselwirkende Galaxienpaar NGC 5216/18, bekannt als Arp 104 oder ,,Keenan's System" (Großer Bär) und NGC 5195, der irreguläre Begleiter von M 51 (zusammen Arp 95) in den Jagdhunden. Beide Arp-Objekte wurden mit dem 16-Zöller beobachtet. Bei Keenan's System (Abb. 1, rechts) ist neben der individuellen Spiralstruktur eine Materie-
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brücke zwischen den beiden Galaxien zu sehen! Für Rich gehört die Darstellung eindeutig in die ,,NO WAY In HELL category". Die Verbindung gilt aufgrund ihrer Lichtschwäche selbst bei Astrofotografen als Herausforderung. Für Al Lamberti, ein versierter Beobachter aus Pennsylvania, ist der Fall klar: Manchmal zwingt eine gesehene Aufnahme dem Gehirn unbewusst auf, was es wahrzunehmen hat. Hier hilft nur ein gesundes Maß an Selbstkritik nach dem Motto ,,lieber 10 % weglassen als 10 % drauf packen". Leider werden hier bisweilen 100 % drauf gepackt! So glaubt Magda nicht in ihren ,,wildesten Träumen", dass die dargestellten Details sichtbar sein sollen und Ron ,,kann nicht akzeptieren, dass dies möglich ist". Ähnlich ist der Fall von NGC 5195, bei dem Johannes Schilling ,,Spiralarme" gesehen hat (wie bereits Lord Rosse 1848 im 72-Zöller, was sich aber später als falsch herausstellte). Die genannten Beobachter können dies mit ihren größeren Instrumenten nicht bestätigen. Nebenbei ist die gezeigte Materiebrücke zu M 51 selbst mit 20 Zoll eine echte Herausforderung.
Auch die Planetenbeobachter werden bedient. In Heft Nr. 34 findet sich eine Zeichnung von Merkur mit dem 16-Zöller bei 231- und 389-facher Vergrößerung [6]. Anbetracht der Tatsache, dass der winzige Planet nur 10 Grad über den Horizont kommt und daher extrem mit der Luftunruhe zu kämpfen hat, ist es erstaunlich, dass eine Fülle feiner Strukturen dargestellt sind. So etwas habe ich noch nie gesehen, weder im Teleskop noch in einer Zeichnung. Erst kürzlich wurden die um 1885 gemachten MerkurZeichnungen von Giovanni Schiaparelli als ,,Autosuggestion" entlarvt [10].
Ich konnte nicht alle Darstellungen diskutieren, und Johannes Schilling legt auch fleißig nach, wie in Heft Nr. 35 zu sehen [7]. Mehr und mehr gesellt sich auch Rainer Töpler dazu, dessen Beobachtungen in Punkto ,,Kontroverse" bereits eine längere Geschichte haben. In die Kategorie ,,unglaublich" fällt etwa seine im genannten Journal publizierte Zeichnung der HII-Region NGC 604 in M 33. Worauf es mir vor allem ankommt: die Ehrlichkeit des visuellen Deep-SkyBeobachters! Gerade in unserer Zeit mit ihrer Flut von Bildern (Hubble etc.) ist
es unbedingt notwendig, die richtige (kritische) Distanz zu dem ,,Gesehenen" einzunehmen. Sonst entstehen vorgefertigte Bilder, die mit der Realität der visuellen Beobachtung nichts zu tun haben. Das Ergebnis (z. B. die Zeichnung) stimmt dann notwendig mit der Vorlage überein. Auch die extrem lange Beobachtung eines Objekts (wie oft dokumentiert) bringt hier nichts. Wenn ich meine Wanduhr stundenlang bei schummrigem Licht anstarre, sehe ich irgendwann auch Spiralarme. Meine Devise lautet: Was ich nicht nach relativ kurzer Zeit (Voraussetzung: Adaption des Auges, gute Beobachtungsbedingungen, ausreichend Teleskopöffnung) sehe, ist auch nicht zu sehen. Wenn ein schwacher Palomar-Kugelhaufen korrekt eingestellt wurde, ich ihn aber im Gesichtsfeld nicht wahrnehme, kann es nach einiger Zeit passieren, dass ich plötzlich mehrere ,,sehe" - an unterschiedlichen Orten! Soll ich diese Sensation zu Papier bringen und publizieren? Mit den gleichen Problemen kämpften bereits die visuellen Beobachter des 19. Jahrhunderts. Allerdings mit einem wesentlich Unterschied: Sie hatten keine Astrofotos zur Verfügung und mussten allein ihrem Eindruck folgen. Welche Konflikte daraus resultierten, habe ich bereits umfassend dargestellt [8]. Wollen wir wirklich in diese Zeit - die auch die Entdeckung der ,,Marskanäle" (durch Schiaparelli!) und abstruse Beobachtungen eines Leo Brenner gesehen hat - zurückfallen? Egal ob vorgefertigtes, also beeinflusstes (,,biased") Bild oder schlichte Illusion - beides hat in der seriösen Deep-Sky-Szene nichts zu suchen.
Zugegeben, die Sache ist kontrovers - gerade in Deutschland. Deshalb habe ich auch ausländische Beobachter um ihre Meinung gefragt; natürlich ohne den konkreten Hintergrund (geschweige denn Namen) zu nennen. Ihre neutralen Kommentare sind - wie erwartet - eindeutig. Ich denke, wer publiziert muss sich auch der Kritik stellen und seine Methodik offen legen. Daran mangelt es momentan. Für mich stellen die genannten Journal-Artikel eine Anleitung zum unkritischen Beobachten dar. Nach Jahren eines gewissenhaften Aufbaus der Fachgruppe sowie der Publikation des ,,Praxishandbuchs Deep Sky" [9] (das auch Johannes Schilling gerne zitiert), in dem die Selbstkritik des Beobachters
als ein entscheidender Faktor hervorgehoben wird, darf nun nicht ein Gegentrend entstehen - mit dem VdS-Journal als Sprachrohr. Selbst wenn noch so viele Leser diese Zeichnungen ästhetisch finden, muss dieser Entwicklung aus meiner Sicht baldmöglichst Einhalt geboten werden. Das hohe (nationale und internationale) Ansehen der Fachgruppe Deep-Sky, mit ihren vielen erfahrenen Beobachtern, steht auf dem Spiel!
Um die leidige Angelegenheit zu klären, rege ich eine Podiumsdiskussion auf dem etablierten Deep-Sky-Treffen (DST) 2011 mit allen Beteiligten an - das ist das adäquate Forum. Dort könnte man etwa die Modalitäten eines Blindversuchs fixieren: Die unabhängige Beobachtung eines Objekts durch verschiedene Personen unter vergleichbaren Bedingungen. Voraussetzung: Es soll keine gängige Aufnahme geben!
Literaturhinweise [1] W. Steinicke: http://www.klima-luft.
de/steinicke (insbesondere Menuepunkt ,,Galaxien") [2] J. Schilling, 2008: ,,Die Stärken der visuellen Deep-Sky-Beobachtung", VdS-Journal für Astronomie 27, 6 [3] W. Steinicke, R. Jakiel, 2006: "Galaxies and how to observe them", Springer [4] J. Schilling, 2009: ,,Perspektiven für die Fachgruppe Visuelle Deep Sky Beobachtung", VdS-Journal für Astronomie 29, 82 [5] J. Schilling, 2010: ,,Materiebrücken in Galaxien des Arp-Katalogs: Arp 104 und Arp 85", VdS-Journal für Astronomie 33, 95 [6] J. Schilling, 2010: ,,Merkur beobachten und zeichnen", VdS-Journal für Astronomie 34, 16 [7] D. Spitzer, J. Schilling, 2010: ,,Visuelles Deep-Sky-Beobachtungsprojekt M 33", VdS-Journal für Astronomie 35, 80 [8] W. Steinicke, 2010: ,,Observing and Cataloguing Nebulae and Star Clusters", Cambridge University Press, 2010 [9] W. Steinicke (Hrsg.), 2004: ,,Praxishandbuch Deep-Sky", Kosmos-Verlag [10] Sheehan, W., Boudreau, J., Manara, A., The Mercury Miracle, Sky & Telescope 3/2001, S. 30
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Deep-Sky
Bedachtsamkeit oder schnelles Urteil? - eine Entgegnung
von Johannes Schilling
Die Absicht Zunächst möchte ich zusammenfassen, worauf es Wolfgang Steinicke mit seiner Kritik an meinen Zeichnungen abgesehen hat. Dass andere visuelle Beobachter Fragen, Zweifel oder kritische Gedanken zu meinen Zeichnungen haben können, das ist mir gut verständlich. Über die enormen Abweichungen im visuellen Erfassen der Objekte und ihrer Details konnte ich mir im Lauf vieler Jahre ein gründliches Bild machen. Und ich weiß, dass viele Beobachter in ihren Zeichnungen nicht annähernd diese Fülle an Details oder auch diese schwachen Objekte aufweisen, die in vielen meiner Zeichnungen zu sehen sind. So würde es mich sogar eher verwundern, wenn da niemals Fragen oder Zweifel auftauchen würden. Und ich freue mich über solche Fragen, wie z. B.: Wie kommen Sie dazu, diese Details oder dieses schwache Objekt überhaupt zu sichten? Wir sehen in Ihren Zeichnungen immer nur das fertige, für uns bis jetzt mit eigenen Augen nicht nachvollziehbare Ergebnis, nicht aber den Weg dahin. Welches ist nun der Weg, die Methode? Wie werden die Möglichkeiten der Täuschung ausgeschlossen? Durch solches Fragen kann ein interessanter und für beide Seiten gewinnbringender Erfahrungsaustausch in Gang gebracht werden. Leider gibt der Artikel ,,Sein oder Schein?" keine Gelegenheit für eine solche Diskussion mit dem Verfasser. Denn statt mich zu fragen, wie ich zu diesen Zeichnungen komme, und damit in eine echte Diskussion zu treten, zieht der Verfasser es vor, mich im Journal öffentlich abzuurteilen. Offenbar bin ich ihm solcher Fragen nicht wert, ich bin für ihn als visueller Beobachter und Zeichner schlichtweg nicht diskutabel und akzeptabel. Seine feste Überzeugung ist: Ich liefere in meinen Zeichnungen nur durch Fotos beeinflusste Bilder oder schlichte Illusionen. Mit realer visueller Beobachtung hätten sie nichts zu tun. Und seine Schlussfolgerung: Ich bzw. meine Zeichnungen hätten in der ,,seriösen Deep-Sky-Szene" und damit im VdS-
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Journal für Astronomie nichts zu suchen. Deshalb: Man muss mir ,,baldmöglichst Einhalt gebieten". Und Rainer Töpler, bekannt durch seine detailreichen Zeichnungen planetarischer Nebel, würde er da wohl gerne mit einschließen. Ein Publikationsverbot, das ist nach Wolfgang Steinickes Absicht die richtige Antwort auf meine Zeichnungen und auf meine Mitarbeit im Journal. So einfach ist das für ihn. Dieses Ziel, mir ein weiteres Veröffentlichen zu untersagen, hat natürlich nichts mehr mit der Bereitschaft zu einer Diskussion, zu einem Erfahrungsaustausch unter Kollegen, die sich achten, zu tun. Da ich mich von Wolfgang Steinicke als Zeichner und Beobachter nicht ernst genommen fühle, kann ich mit ihm selber auch in keinen Dialog treten. Deshalb schreibe ich diese Entgegnung nicht für ihn, zum Zwecke einer Diskussion mit ihm, sondern nur für die Leser des Journals.
Die Kompetenz zum Urteil Nun sollte man denken, jemand, der sich das Recht heraus nimmt, einem anderen Beobachter und Zeichner öffentlich das Veröffentlichen zu untersagen (oder dies zumindest zu fordern) und ihn als unseriös zu bezeichnen, ein solcher Mensch müsse selber ein sehr erfahrener Beobachter und hervorragender Zeichner sein. Wolfgang Steinicke ist im Gebiet der Astronomiegeschichte sicher eine anerkannte Größe mit ganz überragender Kompetenz. Dasselbe gilt auch von seinen astronomischen Kenntnissen etwa hinsichtlich der Galaxien und auch aller Gebiete der visuellen Deep-Sky-Beobachtung. Vor seinem Fleiß und seiner Gelehrsamkeit habe ich Respekt. Ich kenne von Wolfgang Steinicke aber leider nur einige wenige kleine, unscheinbar wirkende Zeichnungen aus dem ,,Praxishandbuch Deep Sky". Aus ihnen kann ich mir gar kein Urteil bilden. Er selber sagt, er habe in den 80er und 90er Jahren seine Augen intensiv durch Quasarbeobachtungen geschult. Das ist also schon eine Weile her und betrifft nur schwache
Lichtpunkte, nicht die Detailwahrnehmung an flächenhaften Objekten. Wie ist es nun möglich, dass jemand, der seine Beobachtungen kaum durch Zeichnungen dokumentiert hat, über jemanden aburteilt, der seit vielen Jahren sich in fast jeder klaren Nacht im Beobachten und Zeichnen übt, und der davon auch seit über zwei Jahren im VdS-Journal für Astronomie in Text und Zeichnung Zeugnis ablegt? Nun, Wolfgang Steinicke beruft sich auf eine Handvoll Sternfreunde in Übersee und in Afrika. Wie es mit deren Kompetenz zum Richten über meine Zeichnungen aussieht, ist für mich unklar. Ihre markigen Sprüche über mich erwecken in mir aber kein Vertrauen in ihre visuelle und kommunikative Kompetenz. Außer von Richard Jakiel und Steve Coe sind mir keine Zeichnungen bekannt. Dass jemand, wie Steve Gottlieb, ein Rekordhalter von über 6.000 beobachteten NGC-Objekten ist, das verrät für mich noch nicht das Geringste über seine beobachterische oder zeichnerische Kompetenz. Die pure Quantität ersetzt nicht die Qualität. Wo ist etwa die Arbeit von Richard Jakiel oder von Steve Gottlieb zu Abell 1656? Ich saß für die Zeichnung insgesamt sieben Stunden am Teleskop, um Stück für Stück des Blickfeldes geduldig durchzukämmen, ohne Foto und nur zu Beginn mit einer Karte.
Fotonachbildungen und Illusionen? Wolfgang Steinicke kann sich viele meiner Zeichnungen nur durch Fotobeeinflussung erklären. Natürlich habe ich die Mehrzahl der Objekte schon vor der Beobachtung mal auf einem Foto gesehen, und ich denke, da unterscheide ich mich nicht von andern Zeichnern. Klar, beim visuellen Beobachten und beim Zeichnen am Okular hat ein Foto daneben nichts zu suchen, es lenkt nur ab. Auch beim Nachbearbeiten am Schreibtisch muss das Foto wegbleiben. Jeder erfahrene Beobachter weiß, dass die visuellen Eindrücke sich vom Foto oft erheblich unterscheiden, und er weiß auch die Gründe dafür. Und natürlich zeigt eine gelunge-
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ne Beobachtung dann auch viele Gemeinsamkeiten. Nun aber: Wie soll mich ein Foto am Okular beeinflussen? Die Orientierung des Objekts im Okular ist meist abweichend. Und man versuche es einmal: Jeder hat M 51 oder M 74 oft auf Fotos gesehen. Beim Versuch, diese Galaxien aus dem Gedächtnis zu zeichnen, wird man merken, wie schnell man ratlos ist und das Gezeichnete dem Foto sehr unähnlich wird. Was ich bewusst nicht schaffe, wie soll ich das unbewusst schaffen, wo ich doch hellwach aufmerksam bin nur auf die originären visuellen Eindrücke am Okular und jedes Foto völlig vergessen habe? Oder man versuche NGC 7009 aus dem Kopf zu zeichnen - unmöglich, bis auf einen ganz schematischen, ungenauen Umriss. Die Kenntnis von Fotos hat für den visuellen Beobachter aber nicht bloß eine negative Bedeutung, weil sie seine Beobachtungen verdächtig machen. Im Gegenteil, sie kann ihm zum Entdecken helfen: Wenn ich vom Foto her z. B. weiß, dass M 74 etliche ,,helle" Gasnebel in den Spiralarmen enthält, so achte ich eben beim Beobachten genau darauf und kann sie viel leichter entdecken als ohne dieses Vorwissen. Der Wahrheitswert meiner Beobachtungen wird dadurch überhaupt nicht in Frage gestellt!
Jeder erfahrene Beobachter kennt das Auftreten von Erscheinungen, die er als Täuschungen von realen visuellen Eindrücken unterscheiden muss. Täuschungen verschiedener Art werden nie völlig auszuschließen sein, aus vielen Gründen, die ich hier nicht darlegen kann. Eben das geübte und sensible Auge ist aufgrund seiner Sensibilität und der Fülle an Details auch empfänglich für Täuschungen, aber die Sorgfältigkeit und Geduld im Beobachten kann Täuschungen auf ein Minimum reduzieren. Am wenigsten Täuschungen unterliegt ein schnelles, oberflächliches Hinschauen und eine kleinere schemenhafte Zeichnung ohne viel Details.
Sehen und Nichtsehen Ein Kritikpunkt im Artikel ,,Sein oder Schein?" wiederholt sich immer: Wolfgang Steinicke und die Sternfreunde aus Übersee sehen leider die Dinge nicht, die ich in meinen Zeichnungen vorgebe gesehen zu haben. Ist das ein Grund, meine Zeichnungen als unseriös abzustempeln und mich (samt Rainer Töpler) aus der ,,seriösen Deep-Sky-Szene" zu verbannen?
Im Lauf der letzten Jahre habe ich bei Sternenführungen in meinem Garten weit über hundert Gäste verschiedensten Alters durch meine Teleskope schauen lassen. So weit es nur geht, lasse ich mir immer beschreiben, was sie sehen. Die Ergebnisse könnten unterschiedlicher kaum sein. M 57 ist selbst im 16-Zöller für manche kaum oder gar nicht zu sehen. Für die einen ist M 57 fast wie ein Stern, für die andern eine schöne Nebelscheibe oder gar ein deutlicher Ring, dessen Inneres nicht ganz dunkel ist. Nur ganz wenige entdecken einen schwachen Stern in der Mitte oder geben gar vor, Unregelmäßigkeiten im Ring zu wahrzunehmen, aber irgendwie gar nicht fassbar. Das sind alles Leute, die M 57 nie auf einem Foto ge-
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sehen haben, Leute ohne Beobachtungserfahrung am Teleskop, aber eben mit sehr verschiedenen Augen und mit sehr verschiedenen Fähigkeiten, sich mental auf das Sehen einzulassen. Und die einen würden vielleicht über die andern aburteilen, sie würden doch nur Illusionen sehen und seien gar nicht seriös.
Ist das nun bei visuellen Deep-Sky-Beobachtern etwa anders? Der Leser möge sich selber überzeugen: Er nehme etwa das VdS-Journal für Astronomie Nr. 15 zur Hand und vergleiche S. 118 bis 120 die Zeichnungen von Peter Riepe und Rainer Töpler am 112-cm-Teleskop in Melle miteinander. Die Unterschiede bezüglich der Detailwahrnehmung an NGC 7026 und NGC 7027 sind so unglaublich und schockierend, dass man zuerst an verschiedene Objekte oder an einen Scherz denkt. Aber genau das ist die Realität! Wer die beiden Bildautoren nur ein wenig kennt, der wird nicht zweifeln an der Ehrlichkeit ihrer Zeichnungen: Beide haben das gezeichnet, was sie tatsächlich gesehen haben. Aber eben mit sehr verschiedenen Augen, mit verschiedenen Methoden, mit einer verschiedenen Fähigkeit zum Zeichnen und vor allem mit einer verschiedenen mentalen Beteiligung am Sehprozess. Soll man nun deshalb Peter Riepe oder Wolfgang Steinicke das Recht zugestehen, Rainer Töplers Zeichnungen als unseriös abzutun und ihm weiteres Publizieren zu untersagen? Ein zweites Beispiel: Der Leser nehme das Internet zur Hand und vergleiche verschiedene Zeichnungen von NGC 7662 (PN Blue Snowball): Zunächst schaue er sich eine Zeichnung von Richard Jakiel mit einem 20-Zöller an [1]. Dann vergleiche er damit eine Zeichnung von Daniel Restemeier mit einem 16-Zöller [2]. Nun, der Leser wird sehr schnell sehen, dass Jakiel trotz größerer Öffnung weniger vom Nebel erkennen konnte als Restemeier: Das betrifft die äußere Hülle wie auch Strukturen der inneren hellen Schale. Als drittes werfe der Leser einen Blick auf die Homepage des französischen Beobachters Nicolas Biver [3]: In unglaublicher Verschiedenheit zu Jakiel und Restemeier zeigt diese Zeichnung mit einem 16-Zöller eine Fülle von klaren Details in der äußeren und inneren Schale! Ein unseriöser Beobachter? Nun, Nicolas Biver ist promovierter Astrophysiker und arbeitet in verschiedenen wissenschaftlichen Pro-
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jekten mit. Um einen Eindruck von seiner enormen beobachterischen und zeichnerischen Kompetenz zu erhalten, mustere der Leser weitere Deep-Sky-Zeichnungen und vor allem Planetenzeichnungen von ihm. Verschiedene Augen, verschiedene Methoden und vor allem auch eine verschiedene Begabung und Ausbildung im Zeichnen spielen hier die entscheidende Rolle. Das Zeichnen ist nun mal die Schule des visuellen Beobachtens, ein guter Zeichner wird unvergleichlich mehr wahrnehmen können als ein unbegabter oder unausgebildeter Zeichner. Dem interessierten Leser sei hier zusätzlich dringend ein Aufsatz von Auke Slotegraaf, dem Direktor der ASSA Deepsky Observing Section, zur Lektüre empfohlen: ,,Visual Astronomy. Using the eyebrain system to explore the universe" [4]. Anhand einer von R.N. Clark erstellten Tabelle wird er vielleicht nachvollziehen können, wie stark die erreichbare Grenzgröße bei ein- und derselben Objektivöffnung unter verschiedenen Beobachtern differieren kann. Dass ein sehr geübter Beobachter mit einem 10-Zöller Objekte der 18. Größenklasse oder mit einem 16-Zöller Objekte der 19. Größenklasse ausmachen kann, ist nach dieser Tabelle und den Erläuterungen dazu ein mögliches reales Phänomen und keine unseriöse Spinnerei. Für grundlegend zum Verständnis hoch auflösender Zeichnungen halte ich auch den Aufsatz von Rainer Töpler ,,Helle Planetarische Nebel detailliert beobachten" [5].
Bemerkungen zu einzelnen Objekten Aus Platzgründen nur in Stichworten und exemplarisch: Zu Abell 1656: Martin Schönball hat mit seinem 10-Zöller in etwa derselben Vergrößerung wie ich 71 Galaxien beobachtet und genau beschrieben. Nur fünf davon sind nach ihm 15 mag schwach, die andern heller [6]. Etwa 80 Galaxien sind auf meiner Zeichnung zu sehen, der Unterschied ist also nicht sehr groß. Der Leser möge nun selber nochmals Steinickes Sätze zu meiner Zeichnung nachlesen.
Zu Merkur: Was würde Wolfgang Steinicke wohl sagen, wenn ich statt dem 7,4 Bogensekunden messenden Merkur den Jupitermond Ganymed mit 1,7 Bogensekunden gezeichnet hätte, mit richtiger Landschaft und Details von 0,2 Bogensekunden und darunter? Natürlich un-
möglich, alles Illusion? Nun, nicht ich, sondern wiederum Nicolas Biver hat Ganymed und die weiteren Jupitermonde mit diesen Details wiederholt beobachtet und gezeichnet [7]. Auch Merkur hat Biver gezeichnet, seine Zeichnungen lassen sich, was die Detailwahrnehmung angeht, mit meiner eigenen vergleichen [8].
Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Nachdenken: Der beste Platz für die Diskussion und den Erfahrungsaustausch ist meiner Meinung nach das gemeinsame Beobachten am selben Teleskop, mit genauem gegenseitigem Beschreiben und Erproben verschiedener Methoden. Und eine kleine Korrektur: Meinen Beobachtungsort im Garten hat Wolfgang Steinicke um 100 Meter zu niedrig angegeben.
Literaturhinweise [1] Astronomical sketches by Richard
Jakiel: http://www.blackskies.org/ images10a.htm [2] Homepage von Daniel Restemeier: http://www.astro-visuell.de/ [3] Homepage von Nicolas Biver, siehe ,,Deep sky images": http://www. lesia.obspm.fr/perso/nicolas-biver/ [4] http://www.fortunecity.com/roswell/ borley/49/visual.htm [5] R. Töpler, 2004: ,,Helle Planetarische Nebel detailliert beobachten, Teil 2", VdS-Journal für Astronomie 13, 55 [6] Homepage von Martin Schoenball: http://www.schoenball.de/astronomie/projekte/gxhaufen/a1656.htm [7] siehe Angabe zu [3], ,,Planets observations" [8] siehe Angabe zu [7]
Geschichte
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7. Tagung der Fachgruppe ,,Geschichte der Astronomie" in Hamburg
von Wolfgang Steinicke
Tagungsort war im Jahr 2010 der KlimaKampus der Universität Hamburg. Dort fanden sich - trotz der z. T. weiten Anreise und der bekanntermaßen teuren Stadt - am letzten Oktoberwochenende insgesamt 40 Teilnehmer ein. Erweitert durch ein interessantes Besichtigungsprogramm war die Veranstaltung wieder ein voller Erfolg.
Stadtrundgang am Freitag Wie bereits in Bonn gab es wieder ein Vorprogramm, das sehr positiv auf-
2 Denkmal für Johann Georg Repsold (W. Steinicke)
1 Frau Wolfschmidt gibt
einen Überblick vom Geomatikum (W. Steinicke)
genommen wurde. Frau Prof. Gudrun Wolfschmidt hatte um 17:00 Uhr zu einem ,,Historischen Stadtrundgang" geladen. Zunächst bekam man vom 17. Stock des ,,Geomatikums" einen Überblick (Abb. 1). Der Blick reichte bei windigem aber nicht kaltem Wetter vom Hafen über den ,,Michel" bis zum Planetarium. Der Fahrstuhl war also das erste Transportmittel der 17-köpfigen Gruppe; es folgten noch U-Bahn und Schiff. Zuerst wurde der Standort der alten Hamburger Sternwarte am Millerntor besucht. Außer einem Repsold-Denkmal (Abb. 2) ist
hier leider (wie an den übrigen astronomiehistorischen Orten auch) nichts mehr erhalten - Fantasie war also gefragt. Frau Wolfschmidts Erläuterungen ließen keine Wünsche offen. Endpunkt der dreistündigen Tour war der Standort der
von Heinrich Schumacher gegründeten Altonaer Sternwarte; hier gibt es noch seinen Grabstein und eine Meridianlinie zu sehen. Anschließend wurde Fisch im traditionsreichen ,,Fischerhaus" bei den Landungsbrücken serviert.
Neues aus der Fachgruppe ,,Geschichte der Astronomie"
von Wolfgang Steinicke
Vom 29. bis 31. Oktober 2010 fand die 7. FG-Tagung in Hamburg statt. Einen ausführlichen Bericht dazu finden Sie in diesem Heft. Die weiteren Beiträge stammen von Olaf Fritz (,,Johannes Kepler - Begründer einer neuen Astronomie"), Mechthild Meinike (,,Astronomische Instrumente im Naturalienkabinett Waldenburg"), Manfred Holl (,,Astroausstellung in Stralsund") und H. U. Mor (,,Altes Sternbild neu entdeckt"). Viel Spaß beim Lesen - und versorgen Sie mich weiter mit interessanten Beiträgen! Informationen zur Fachgruppe finden Sie wie gewohnt auf unserer Webseite http://geschichte.fg-vds.de.
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Vortragsprogramm am Samstag Ab 9:00 Uhr war das Tagungsbüro geöffnet, das gewohnt souverän von Gisela Steinicke geführt wurde. Nach einführenden Worten von Wolfgang Steinicke und der ,,Hausherrin" Gudrun Wolfschmidt startete das Vortragsprogramm pünktlich um 10:00 Uhr. Die ersten vier Beiträge widmeten sich der Hamburger Astronomiegeschichte.
Den Anfang machte Frau Wolfschmidt mit dem Thema ,,Sterne über Hamburg - Geschichte der Astronomie in Hamburg vom 17. bis 20. Jahrhundert". In dieser einstündigen Übersicht wurden alle wichtigen Personen und Stationen vorgestellt - eine ideale Grundlage für die nachfolgenden, spezielleren Beiträge. So berichtete Jürgen Kost über ,,Äquatoriale - Meisterwerke der Technik". Von diesem mit einem Refraktor ausgestatteten Positionsmessgerät wurden nur vier Exemplare gebaut. Das größte, mit 26 cm Öffnung, wartet derzeit in Hamburg-Bergedorf auf seine Renovierung. Anschließend ging es um ,,George Rümkers Hamburger Nebelbeobachtungen". Wolfgang Steinicke berichtete über die Positionsmesskampagnen des letzten Direktors der Sternwarte am Millerntor; die erste nutzte den 10-cm-Meridiankreis von 1836, die zweite das bereits genannte Äquatorial von 1867. Leider konnte das Ziel, der Nachweis von Eigenbewegungen, nicht erreicht werden. Um 12:30
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3 Gruppenfoto (C. Plicht)
ging es pünktlich zum Mittagessen ins nahe gelegene Restaurant ,,Geo 53". Natürlich durfte auch das Thema ,,Bernhard Schmidt" auf einer Hamburger Tagung nicht fehlen. Walter Stephani be-
richtete ausführlich über ,,Sein Leben im Spiegel seiner Werke". Es wurde deutlich, mit welcher Genialität und Fertigkeit (trotz fehlendem rechten Arm) der berühmte Optiker zu Werke ging. Nicht nur
4 In der Bibliothek der Sternwarte Bergedorf (W. Steinicke)
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das Schmidt-Teleskop sondern auch viele andere optische Systeme gehen auf ihn zurück.
Anschließend berichtete Arnold Oberschelp über ,,Die Größe des Ptolemäischen Weltsystems (im Vergleich zum Kopernikanischen Planetensystem)". Es war schon überraschend, dass die relativen Abstände der Planeten auch im geozentrischen System (mit seinen Deferenden und Epizykeln) annähernd richtig herauskommen. Einen Sprung in die Moderne tat Klaus-Jürgen Stepputat mit seinem Beitrag ,,Das Bild des AmateurAstronomen im Wandel der Zeit". Interessant ist, dass es im 19. Jahrhundert in Deutschland relativ wenig Amateure gab. Ein weiteres Thema war die Wahrhaftigkeit bei visuellen Beobachtungen. Der um 1900 aktive Leo Brenner wurde als abschreckendes Beispiel vorgestellt. Vor der Kaffeepause wurde das obligatorische Gruppenfoto aufgenommen (Abb. 3). Die folgenden 45 Minuten gehörten Kaffee, Kuchen und Gesprächen. Nebenbei konnte in den ausgelegten Büchern geblättert werden. Entsprechend gestärkt folgte das Auditorium dem Vortrag von Olaf Kretzer über sein ,,Projekt einer astronomiegeschichtlichen Datenbank
Thüringens". Hier werden alle relevanten Daten und Fakten gesammelt, von historischen Meteoritenfällen bis hin zu Thüringer Raumfahrtexperten. Abschließend präsentierte Arndt Latusseck eine ,,Kurze Geschichte der visuellen Milchstraßendarstellungen". Kaum bekannt sind die faszinierenden Zeichnungen von Dunlop, Schmidt, Boeddicker, Heis, Pannekoek oder Gaposchkin. Sie beruhen auf visuellen Beobachtungen und zeigen teils markante Unterschiede.
Wie üblich endete die Tagung mit einer Abschlussbesprechung. Dank der Disziplin der Referenten konnte der Zeitplan wieder perfekt eingehalten werden. Nur so ist eine entspannte Veranstaltung möglich, die nach jedem Vortrag Zeit für Diskussion und Umbau lässt und Raum für persönliche Kontakte bietet. Die Resonanz war entsprechend positiv. Der intensiv genutzte Tag wurde mit einem gemeinsamen Abendessen in der ,,Privatbrauerei Gröninger" abgeschlossen.
Sonntag: Besuch der Sternwarte Bergedorf Um 10:00 Uhr traf man sich auf dem Gelände der seit 1912 aktiven neuen Hamburger Sternwarte. Die Führung
durch Matthias Hünsch startete in der historischen Bibliothek - eine wahre Augenweide (Abb. 4). Weiter ging es, bei leicht nebligem Wetter, zum RepsoldÄquatorial und dem leider etwas traurig aussehendem Meridianhaus. Prächtig renoviert zeigte sich dagegen der 60-cmRefraktor mit seiner spektakulären Hebebühne. Die Fotografen kamen voll auf ihre Kosten. Abschließend wurden noch der Lippert-Astrograph und das OskarLühning-Teleskop mit seinem 1,2-mSpiegel gezeigt. Ein kurzer Besuch beim Grabstein von Bernhard Schmidt sowie ein Blick ins ,,Schmidt-Museum" (leider z. Zt. eher eine Abstellkammer) beendeten den informativen Rundgang.
Der Dank gilt vor allem den lokalen Organisatoren, Frau Prof. Gudrun Wolfschmidt und Herr Dr. Matthias Hünsch. Was den Ort der nächsten Tagung angeht, so sind Jena und Nürnberg heiße Kandidaten. Der Termin ist voraussichtlich Samstag, 29. Oktober 2011.
Astronomische Instrumente im Naturalienkabinett Waldenburg
von Mechthild Meinike
Auf halbem Wege zwischen Chemnitz und Altenburg liegt die Töpferstadt Waldenburg. Aus der Ferne betrachtet prägt die Anlage des Schlosses die Silhouette der Stadt. Die Wurzeln dieses Bauwerkes reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Auf dem Areal der ursprünglichen Burg- und Schlossanlage errichtete nach mehrfacher Zerstörung Fürst Otto Victor I. von Schönburg-Waldenburg (17851859) ein kastellartiges Residenzschloss. Auf ihn geht die Gründung eines naturhistorischen Museums mit Bibliothek im Jahr 1840 zurück. Ziel war es, die ,,Aufklärung und Intelligenz zu mehren und Anregung für die Geschichte der Naturwissenschaften zu bieten". Das Museum sollte dem allgemein interessierten und
1 Gebäude des Heimatmuseums und des Naturalienkabinetts Waldenburg,
Foto: Jürgen Gerhardt, Dirk Hanus
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2 Blick in das Naturalienkabinett Waldenburg, Foto: Jürgen Gerhardt,
Dirk Hanus
auch bürgerlichen Publikum zugänglich sein. Anliegen war, die Naturlehre anschaulich und realitätsnah zu vermitteln. Im Sammlungsbestand aufgenommen wurden die unterschiedlichsten Exponate aus aller Welt. Vergleichende Studien, Experimente und deren Auswertung waren nun besser möglich. Das Waldenburger Museum war und ist damit kein Prestigeobjekt wie die im 17. Jahrhundert in
Mode gekommenen Kunst- und Naturalienkammern an Fürstenhöfen. Zunächst wurden die erworbenen Teile für das Museum im Reitbahngebäude in Schlossnähe ausgestellt. In den Folgejahren wurde ein Herbarium mit 16.000 Pflanzen, Insektensammlungen, exotische Tieren und eine ägyptische Mumie angeschafft. Im Dezember 1840 konnte Fürst Otto Victor I. eine umfangreiche Raritätensammlung
der Apothekerfamilie Linck aus Leipzig erwerben. Der Bestand baute sich anfangs nach der Ordnung des Kataloges ,,Index Musaei Linckiani" auf und fand mit im Reitbahngebäude seinen Ausstellungsplatz. Da das Reitbahngebäude wegen der hohen Luftfeuchtigkeit kein idealer Ausstellungsort war, ließ Otto Victor I. 1845/1846 ein einstöckiges Gebäude errichten. Zu ebener Erde befanden sich Abstellgelegenheiten (Remise) für die fürstlichen Kutschen und Schlitten. Heute ist dort das Heimatkundemuseum untergebracht. In der ersten Etage wurde ein Naturkundemuseum eingerichtet (Abb. 1). In sechs hintereinander liegenden Räumen werden heute wie in früherer Zeit Naturalien und Raritäten aus der damals bekannten Welt ausgestellt. Neben einer Mineralien- und Gliedertiersammlung wurde z. B. die 1.200 Tiere umfassende Vogelsammlung des Zuckerbäckers Karl Ferdinand Oberländer (1805-1866) aus Greiz angeschafft. Noch heute sind die Exponate zum überwiegenden Teil in ihren originalen Vitrinen und Schränken zu sehen (Abb. 2).
In der Sammlung Linck befinden sich einige wertvolle astronomische Instrumen-
3 Auszug aus dem Index Musaei Linckiani (Band 3), Foto: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitäts-
bibliothek Dresden, http://digital.slub-dresden.de/ppn312936583
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4 Kopernikanisches Planetarium,
Foto: Jürgen Gerhardt, Dirk Hanus
te. Um 1670/1671 begann der Apotheker Heinrich Linck in Leipzig eine Sammlung anzulegen. An seine Söhne Johann Heinrich und Christian Link übergab er die Sammlung 1710. Welche Exponate zu diesem Zeitpunkt die Sammlung umfasste ist unklar. Ziemlich sicher ist, dass bereits 1689 ein umfangreiches Herbarium für Lehrveranstaltungen benutzt wurde. Der ältere Sohn Johann Heinrich Linck (1674-1734) arbeitete nicht nur als Apotheker sondern auch als Wissenschaftler, er erweiterte die Sammlung beträchtlich. Neben dem Erwerb von z. B. anatomischen Präparaten beschäftigte sich der Sohn J.H. Linck der Ältere auch selbst mit der Suche von Fossilien und Mineralien. Umfangreiche Kontakte zu Wissenschaftlern führten zu einer weiteren Vergrößerung des Bestandes. J.H. Linck der Ältere versuchte in seiner Sammlung eine Gesamtübersicht über die Natur auf dem Kenntnisstand seiner Zeit. Seine wissenschaftlichen Verdienste würdigte die Academia Caesarea Naturae (die spätere Leopoldina), deren Mitglied er wurde. Der zweite Sohn Johann Heinrich Linck der Jüngere (1734-1807) wurde wenige Tage nach dem Tod seines
Vaters geboren. Er führte die Sammlung fort und ordnete diese nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Zwischen 1783-1787 wird der ,,Index Musaei Linckiani" in drei Bänden gedruckt (Abb. 3). Darin sind 13.800 Objekte systematisch erfasst. Bereits in der ,,Museographia" von Caspar Friedrich Jenckel finden sich 1727 erste Hinweise auf physikalische Gerätschaften wie Mikroskope, Brenngläser und Brennspiegel.
Ein auffälliges und bedeutendes Exponat der Sammlung wissenschaftlicher Instrumente ist das Kopernikanische Planetarium (Abb. 4). Im Rahmen der Restaurierung wurde das Weltsystem untersucht und die Herstellungssignatur weist in das Jahr 1650 und in die Werkstatt der Familie Blaeu in Amsterdam. Für diese Art Gerät wurde von Willem Janszoon Blaeu bereits 1620 ein Patent angemeldet. Der Sohn Joan Blaeu führte die Firma seines Vaters fort und erhielt 1648 ein Patent für das ,,Kopernikanische Planetarium". Über einen Uhrwerkantrieb wird die in einer Armillarsphäre befindliche Erde um die Sonne bewegt. Insgesamt gibt es nur noch vier weitere dieser Planetarien
5 Globenpaar und doppelköpfiges Kälbchen im Linck-
Zimmer, Foto: Jürgen Gerhardt, Dirk Hanus
6 Sonnenuhren aus dem Sammlungsbestand,
Foto: Christian Oelschlägel
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dem Jahre 1645, welches von Johannes Janssonius gefertigt wurde (Abb. 5). Eine Signatur weist auf den Kupferstecher Abraham Goos hin, mit dem Johann Janssonius zusammenarbeitete. Wahrscheinlich ist für die künstlerische Gestaltung Petrus Kärius verantwortlich, dessen Schriftzug befindet sich ebenfalls auf den Globen. Der Himmelsglobus weist noch eine Widmungskartusche mit dem Porträt des Astronomen Tycho Brahe auf. Beim Erd- und Himmelsmodell sind die bedruckten Globusstreifen aus Papier sehr stark nachgedunkelt. Details lassen sich heute leider nur noch mit Mühe erkennen.
7 Vielflächner-Sonnenuhr mit 25
Seiten, Foto Jürgen Gerhardt, Dirk Hanus
8 Sonnenmikroskop, Foto Jürgen
Gerhardt, Dirk Hanus
mit Uhrwerkantrieb. Eine Sternkarte bedeckt die Platte, die das Erdmodell trägt. Die Abdeckung des Uhrwerkes ist auf der sichtbaren Seite mit Datumsangaben und Tierkreiszeichen versehen. Das Waldenburger Weltsystem ist mit dem Herstellungsdatum 1650 das letzte der wahrscheinlich in Kleinserie hergestellten Geräte. Einzigartig jedoch ist das achteckige dekorative Gehäuse, welches das Planetarium umgibt. Geschnitzte Füße und eine vasenartige Krone geben dem ganzen Objekt einen stark vergrößernden Eindruck. Möglicherweise handelt es sich eher um ein Schau- als ein Demonstrationsobjekt. Im Linck-Zimmer des Waldenburger Museums befindet sich ein Globenpaar aus VdS-Journal Nr. 37
Zur Sammlung Linck gehören mehrere Sonnenuhren. Eine kurze Auswahl wird im Folgenden beschrieben. Neben einer Würfelsonnenuhr mit klappbarem Ständer (Index III, S. 127 Nr. 314) gibt es eine Klappsonnenuhr aus Holz mit Blütenmotiven. Eine achteckige Klappsonnenuhr aus feuervergoldeter Bronze stammt aus der Werkstatt von Thomas Pregel um 1627. Rätsel gibt eine Horizontalsonnenuhr mit Kompass auf. Der viereckige Marmorblock passt in einen Holzrahmen mit Stundenlinien. (Abb. 6 hinten im Bild, Index III, S. 127 Nr. 316). Der ebenfalls viereckige Holzrahmen hat auf einer Seite eine Messingauflage. Die Gravur der Stundenlinien darauf ist sehr grob und ungenau. Der Holzrahmen hat eine eigene Inventarnummer (Nr. 317). Beim Holzrahmen fehlt der Schattenwerfer, auf dem Marmorblock ist der Schattenwerfer nicht mehr vollständig, möglicherweise verändert und nicht mehr original. Welchem Zweck der Holzrahmen diente und ob er eine eigenständige Sonnenuhr war, bleibt offen. Eine 25-seitige Sonnenuhr (lat. Polyedrum Horodictum, Index II, S.127 Nr.315) aus der Zeit um 1600 von Christoph Jacobi bereichert den Bestand (Abb. 7). Insgesamt 24 Flächen tragen Schattenstäbe. In die obere waagerechte Fläche wurde ein Kompass eingearbeitet. Die Flächen mit den Stundenlinien sind kunstvoll ausgeführt und z. T. ölvergoldet. Die tragende Säule und der Sockel stammen aus dem 19. Jahrhundert.
Ein kleines Sonnenmikroskop wurde um 1720 gefertigt. Details in der Ausführung weisen auf einen Herstellungsort in den Niederlanden (Abb. 8). Mit diesem Instrument beleuchtete man über einen be-
weglichen Spiegel und eine Linse z. B. Pflanzenteile auf einem Glasträger. Der Einsatz einer weiteren Linse ermöglichte die Projektion des Bildes auf einer Wand. Zum Sammlungsbestand gehören neben drei Teleskopen auch ein SonnensystemModell bis zum Saturn. Die Fernrohre sollen demnächst von den Spezialisten des Mathematisch-Physikalischen Salons Dresden ,,unter die Lupe genommen" werden. Den absoluten Blickfang der Sammlung stellt der goldene Brennspiegel von Andreas Gärtner dar (Abb. 9). Um 1700 fertigte der Mechanikus des Dresdner Hofes einen gering gekrümmten parabolischen Spiegel aus Lindenholz. Die glatte Oberfläche wurde durch feines Schleifen erzielt, die anschließend vergoldet wurde. Mit Hilfe des Spiegels wurden Schmelzversuche gemacht oder Experimente zur Akustik und Beleuchtung durchgeführt. Nur noch wenig vorstellbar erscheint uns heute der medizinische Einsatz bei Gicht und Rheuma. Das Naturalienkabinett Waldenburg macht im Zeitalter digitaler Technik eine Zeitreise direkt erlebbar. Keine vir-
9 Goldener Brennspiegel von
Andreas Gärtner, Foto: Jürgen Gerhardt, Dirk Hanus
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tuelle Sterilität sondern die Realität vor 170 Jahren prägt die Ausstellung bis ins kleinste Detail. Das Arrangement der Exponate zeigt heute den Stand der Erforschung der Welt zu jener Zeit.
Einen Besuch im Naturalienkabinett Waldenburg kann ich nur empfehlen. Man sollte aber reichlich Zeit einplanen, da es in den einzelnen Kabinetten viel Sehenswertes zu entdecken gibt.
Besonderer Dank gilt dem Restaurator Thomas Heinicke, der mir Einblick in seine Arbeit bei der Wiederherstellung
der Polyeder-Sonnenuhr gab. Mein herzlichster Dank gilt Museumsleiterin Ulrike Budig für die vielen Hintergrundinformationen und das Öffnen der Astronomie-Schränke.
Literaturhinweise [1] U. Budig, 1999: ,,Das Waldenburger
Naturalienkabinett - Ein Museum im Museum", in: Sächsische Museen Band 7 ,,Naturalienkabinett Waldenburg", 7 [2] U. Budig, 1999: ,,Ein Kabinett voller Raritäten - Die Linck-Samm-
lung", in: Sächsische Museen Band 7 ,,Naturalienkabinett Waldenburg", 16 [3] T. Heinicke: ,,Weltsystem und Sonnenuhr - wissenschaftliche Instrumente", 32 (Anmerkung: Die Fotos stammen aus dieser Broschüre.) [4] Tourismus-Informationen Schloss Waldenburg, Museum Waldenburg, www.museum-waldenburg.de
Kleine Astroausstellung in Stralsund
von Manfred Holl
Irgendwann im Sommer 2010 landete in meinem E-Mail-Fach eine Nachricht über die Eröffnung einer Astronomieausstellung im kulturhistorischen Museum der Stadt Stralsund am 17. September. Ein Blick auf den Kalender verriet mir, dass dieses Ereignis genau in meinen Sommerurlaub fallen würde, den ich auf der Insel Usedom zu verbringen gedachte.
Von meinem Hotel in Bansin startete ich an dem bewussten Freitag mit der - völlig überheizten - Usedomer Bäderbahn und kam nach rd. zwei Stunden Fahrtzeit vormittags in der Hansestadt gegenüber Rügen an. Der erste Weg führte gleich zum Museum in der Mönchstraße, wo ich schon die Hinweisschilder auf die Ausstellung ,,Astronomische und nautische Instrumente - Sammlung des Axel Graf von Löwen" fand. Eröffnung war aber erst um 18 Uhr. So nutzte ich die Zeit für eine eigene kleine Stadtbesichtigung. Ein paar Stunden später führte mich mein Weg wieder am Museum vorbei und wie der Zufall es wollte, traf ich dort auf Dr. Jürgen Hamel und Frau. So konnte ich die ausgestellten Exponate ohne Zuschauer fotografieren und dann auch noch an einer astronomisch-historischen Stadtführung durch Dr. Hamel teilnehmen.
Sie führte auch zur Nikolaikirche - die einzige in Stralsund, die zwei Türme
1 Zentrum der Ausstellung mit Fernrohr mit 12 Auszügen und einer Länge von
mehr als 6 m aus der Zeit um 1700, eine absolute Rarität, davor ein Arrangement mit antikem Schreibtisch, davor ein Atlas von Wilhelm und Johannes Blaeu von 1641 und einer der berühmten Himmelsgloben von Willem Jansson Blaeu aus etwa der selben Zeit, dazu ein Tischspiegelteleskop von George Sterrop aus London um 1740. Aufnahme: Manfred Holl
aufweist, von denen einer aber in früheren Zeiten beschädigt wurde. Auf der Rückseite des Altars befindet sich die berühmte astronomische Uhr der Stadt
Stralsund, die man durchaus ein wenig intensiver betrachten sollte. Sie gehört zu einer ganzen Reihe ähnlicher Bauwerke, die nach dem Frieden von Stralsund
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Geschichte
2 Dioptertheodolit von Heinrich Stolle, Aufnahme: Dr. Jürgen Hamel
im Jahr 1370 und dem darauf folgenden enormen wirtschaftlichen Aufschwung der ,,Hansa Teutonica", der Hanse, aus der Wohlstand und auch eine gewisse vorzügliche Spendenbereitschaft resultierten. Daran hatten auch die Kirchen ihren Anteil, und da Glaube, Religion und Wissenschaft seinerzeit noch eng miteinander verwoben waren, verwundert es kaum, dass sich astronomische Uhren häufig im Innern oder an der Außenseite von Kirchenbauten finden lassen. So erhielt Rostock 1379/1380 die erste astronomisch orientierte Uhr im Ostseeraum. Auch Hamburg hatte seit 1382/1384 eine solche Uhr. Diese wurde aber in den Bombennächten des 2. Weltkriegs völlig zerstört. Weitere Uhren gab
es in der Marienkirche zu Stendal, in der St. Marien-Kirche zu Lübeck, in Münster (aus dem Jahr 1408), Lund (ca. 1410) und in der Wismarer St. Marienkirche.
Die Uhr in St. Nikolai in Stralsund wurde am 6. Dezember 1394 feierlich eingeweiht und ist damit eine der wenigen, von denen man genauere Informationen über die Herstellung und sogar den Namen des Uhrmachers (Meister Nicolaus Lilienfeld) kennt, der sich selbst an der linken Seite des Uhrenkastens malerisch verewigt hat. Am Rande der Uhr erkennt man bei genauerem Hinsehen künstlerische Darstellungen von Klaudios Ptolemäus, Geograph, Mathematiker und Astronom (ca. 83-161), Alfons X. von Kastilien (1221-1284), der die Wissenschaften förderte und die Alfonsinischen Tafeln (Neuberechnung der Bewegungen von Mond und Planeten) erstellen ließ, Ibn Ridwan, genannt Hali (ca. 12001223/1233), ein bedeutender Uhrmacher seiner Zeit, und Albumasar (787-886), bekannter orientalischer Astrologe.
Die eigentliche Uhr ist eine Art Projektion des Himmels auf eine gerade Fläche und enthält Zeiger und Einstellungen für den Meridian, Wendekreise, Horizontalbogen. Elf gebogene Linien ermöglichen das Ablesen der Zeit, am Rand ist ein 12 Stunden umfassender Stundenring zu finden. Sie besitzt drei Zeiger: Sonnen-, Mond und einen Tierkreiszeiger, die korrekt die jeweilige Tageslänge anzeigt, zudem können Sonnen- und Mondauf- und -untergänge angezeigt werden. Wie [1]
3 Verschiedene Auszugsfernrohre
aus der Produktion von Jesse Ramsden (1735-1800), Aufnahme: Manfred Holl
4 Originalhandschrift des däni-
schen Astronomen Tycho Brahe (15461601), Aufnahme: Manfred Holl VdS-Journal Nr. 37
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zu entnehmen ist, können noch weitere Informationen aus der Uhr herausgelesen werden. 1994 wurde sie aus Anlass ihres 600-jährigen Bestehens gründlich restauriert.
Nach diesen lehrreichen Stunden ging es dann schnurstracks ins Museum, wo um 18 Uhr die Ausstellung eröffnet werden sollte [2]. Gegen 18 Uhr füllten sich langsam die Reihen, der Sekt wurde kalt gestellt, auf der Bühne nahm eine junge Künstlerin Platz, und die Veranstaltung begann alsbald mit einer Sonate von Mauro Ginniani - das Finale. Danach gab es ein kurzes Grußwort vom Museumsdirektor und von Dr. Hamel einen kurzen geschichtlichen Abriss zur Astronomie in Stralsund, und die durch den Nachlass von Axel Graf von Löwen (1686-1772) ins Museum gelangten Exponate. Danach gab es abermals ein wenig Musik: von John Dowland die Fanstasia II. Nun durfte man auch offiziell die Ausstellungsstücke besichtigen.
Graf von Löwen war nicht nur als Sohn des Landeshauptmannes Otto Wilhelm Löwen in den Militärdienst eingetreten, durch die Heirat seiner zweiten Frau Eva Horn af Ekebyholm (1716-1790) bot sich ihm eine politische Karriere an, die für sein weiteres Leben bestimmend sein sollte. Nebenher förderte er in Stralsund Literatur, Kunst und Wissenschaft und
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Dr. Jürgen Hamel bei seinem Vortrag, Aufnahme: Manfred Holl
verfügte über eine recht ansehnliche Privatbibliothek. Im Stadtarchiv von Stralsund wird seine Sammlung bis auf den heutigen Tage verwahrt, denn er legte schon zu Lebzeiten testamentarisch fest, dass seine Sammlung der Stadt Stralsund mit der Maßgabe vermacht wurde, dass sie der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden sollte. Hierzu zählen beispielsweise 1978 Einzelbände verschiedenster Literaturzweige. Und auch viele astronomische Messgeräte und Teleskope ge-
hörten dazu, von denen ein Teil in der Ausstellung gezeigt wurde.
Diese umfassten in 12 Vitrinen ausgestellte, verschiedenartige Messinstrumente und einige ausziehbare Teleskope, die anhand von Inventarlisten direkt dem Besitz des Grafen zugeschrieben werden können.
Zentraler Anlaufpunkt der Ausstellung war ein Fernrohr mit 12 Auszügen und einer Länge von mehr als 6 m aus der Zeit um 1700, eine absolute Rarität, davor ein Arrangement mit antikem Schreibtisch, davor ein Atlas von Wilhelm und Johannes Blaeu von 1641 und einer der berühmten Himmelsgloben von Willem Jansson Blaeu aus etwa der selben Zeit, dazu ein Tischspiegelteleskop von George Sterrop aus London um 1740. Drei andere Instrumente haben schon jetzt die Aufmerksamkeit der internationalen Fachwelt erregt: Ein Triangularinstrument, also ein Feldmessinstrument von Jost Bürgi um 1609, ein Dioptertheodolit von Heinrich Stolle um 1620 und die sog. Goldmannschen Baustäbe, Messstäbe zur Anfertigung von Architekturzeichnungen um 1660/1670. Einen Ausstellungskatalog gab es bei meinem Besuch noch nicht, dieser wird erst 2011 in der Reihe ,,Acta Historica Astronomiae" erscheinen.
6 Kleines Fernrohr im Stadtmuseum von Anklam, Aufnah-
me: Manfred Holl
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Sonnenuhr ebenda, Aufnahme: Manfred Holl VdS-Journal Nr. 37
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Geschichte
Damit endete dieser astronomiehistorisch sehr interessante Tag, wobei ich die Räumlichkeiten eher verließ, um noch den Zug zurück nach Bansin zu bekommen. Und wer einmal nach Anklam kommt, sollte dort mal im Stadtmuseum nach einem kleinen ,,Fernrohr der Seefahrer" schauen, das dort ausliegt, aber leider keine Beschriftung mit weiteren Informationen aufweist. In den Seitengängen findet sich überdies eine Sonnenuhr.
Danksagung Ich danke Herrn Dr. Jürgen Hamel für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die von ihm vorgenommenen, notwendigen Änderungen und Ergänzungen sowie für die informative Stadtführung durch Stralsund.
Literaturhinweise [1] M. Schukowski, 1994: ,,Zeit und
Ewigkeit", Schriften der St. NikolaiKirche zu Stralsund, Heft Nr. 7 [2] http://www.stralsund.de/hst01/content1.nsf/docname/Webseite_C1257 401002FE71BC1257367003A735C ?OpenDocument [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Axel_ von_L%C3%B6wen
8 Astronomische Uhr in der Kirche
St. Nikolai zu Stralsund, Aufnahme: Manfred Holl
Johannes Kepler - Begründer einer neuen Astronomie
von Olaf Fritz
,,`Die Astronomie`, sagt Kepler, ,ist Teil der Physik.` Damit steht er als letzter wissenschaftlicher Astrologe und erster Astrophysiker an einem Wendepunkt der Geschichte." [1, S. 75]
Vor knapp 400 Jahren formulierte der Theologe, Mathematiker und Astronom Johannes Kepler (1571-1630) seine drei grundlegenden Planetengesetze auf der Basis der akribisch gesammelten und dokumentierten Beobachtungsdaten des dänischen Astronomen Tycho Brahe [2, S. 90] und wurde dadurch zu einem Pionier der neuzeitlichen Astronomie. Er verhalf dabei nicht nur der kopernikanischen Lehre [3, S. 75] zum Durchbruch, sondern veränderte auch die astronomische Denk- und Arbeitsweise seiner Zeit. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage, wie es Kepler angesichts der schwierigen Lebensumstände, in denen er sich befand (die Ära der Reformation und Gegenreformation), dennoch gelingen konnte, diese beeindruckende wissenschaftliche Leistung hervorzubringen?
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Johannes Kepler wurde am 27. Dezember 1571 in der Freien Reichsstadt Weil, heute besser bekannt als Weil der Stadt in Baden-Württemberg, geboren. Er war das älteste von insgesamt sieben Kindern von Heinrich Kepler, einem Händler, Gastwirt und späteren Söldner, und Katharina Kepler, geborene Guldenmann. Kepler war nach eigenen Aussagen ein sogenanntes Siebenmonatskind, was sich in einer schwachen körperlichen Verfassung und häufigen Erkrankungen widerspiegelte. In früher Kindheit erkrankte er an den Pocken. Die Folgen dieser Erkrankung begleiteten ihn ein Leben lang, wie zum Beispiel in Form eines bleibenden Augenleidens, das ihn daran hindern sollte, selbst als Astronom angemessene Beobachtungen zu tätigen. An dieser Stelle ergibt sich die Frage, wie Kepler eigentlich dazu kam, sich mit den nächtlichen Himmelsphänomenen intensiver zu beschäftigen? Das Interesse für die Sterne wurde früh geweckt. Im Alter von etwa sechs Jahren (1577) nahm ihn seine Mutter zu einem nächtlichen Ausflug
mit. Gemeinsam beobachteten sie einen hell strahlenden Kometen am nächtlichen Sternenhimmel. In den folgenden Jahren beobachtete der junge Kepler, gemeinsam mit seinem Vater Heinrich, eine Mondfinsternis im Jahre 1580.
Die schulische Laufbahn Keplers begann im Jahre 1577 zunächst mit dem Besuch der deutschen Schule in Leonberg. Gleichwohl nahm er dort nur kurze Zeit am Unterricht teil. Die dortigen Lehrer erkannten seine rasche Auffassungsgabe und Wissensdurst und empfahlen ihm, an die ortsansässige Lateinschule zu wechseln. Obwohl diese als dreijährige Schulform gedacht war, benötigte Kepler knapp fünf Jahre, diese abzuschließen. Der Grund dafür lag weniger in seinen geistigen Fähigkeiten, als vielmehr darin, dass er mit für den Lebensunterhalt seiner Familie sorgen musste und deshalb nicht regelmäßig die Schule besuchen konnte. Dies änderte sich mit dem Besuch der Klosterschule in Adelberg (ca. 15821584). Es folgte der Besuch an der hö-
Geschichte
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heren Stiftsschule in Maulbronn (1586). An dieser höheren Bildungseinrichtung erlangte Kepler im September des Jahres 1588 seinen ersten akademischen Grad, den Bakkalaureat. Dieser Abschluss und ein Stipendium ermöglichten ihm den Besuch an der sogenannten Artistenfakultät der Universität Tübingen (1589). Hier studierte er nicht nur evangelische Theologie, sondern auch Astronomie, Mathematik und Philosophie. Während dieser Zeit wurde Kepler von seinem Lehrer, dem bekannten Mathematiker und Astronomen Michael Maestlin (15501631), mit der kopernikanischen Lehre vertraut gemacht. Im August des Jahres 1591 legte Kepler erfolgreich die Magisterprüfung (Magister Artium) ab. Nachdem diese Hürde genommen war, begann das vertiefende Studium der evangelischen Theologie, um nach erfolgreichem Abschluss als evangelischer Geistlicher tätig werden zu können. Gleichwohl kam es für Kepler anders als erhofft. In seinem letzten Studienjahr (1594) an der Theologischen Fakultät der Universität Tübingen erreichte seine Alma Mater eine Anfrage aus Graz (Österreich). Die evangelische Stiftsschule in Graz hatte eine Stelle als Lehrer für Mathematik und Astronomie neu zu besetzen und ersuchte in Tübingen nach, diese Stelle mit einem im evangelischen Glauben gefestigten und qualifizierten Absolventen aus den Reihen der Tübinger Fakultät zu besetzten. ,,Man fragte Kepler, ob er diese Stelle übernehmen wolle. Ausschlaggebend für diesen Antrag dürfte seine besondere Befähigung in mathematischen Fragen gewesen sein. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass Keplers unorthodoxe Glaubensauffassungen trotz seiner Zurückhaltung nicht verborgen geblieben waren und einen weiteren Grund für seine Empfehlung nach Graz lieferten. Nur zögernd ging Kepler auf das Angebot ein, galt doch ein Mathematikprofessor an einer Stiftsschule viel weniger als ein bestallter Pfarrer. Unter der Bedingung, später ans Stift zurückkehren zu können, um seine Studien zu beenden, willigte er schließlich ein, auch wenn er sich seine Zukunft zunächst anders vorgestellt hatte." [4, S. 28]
Anfang April des Jahres 1594 machte sich Kepler auf die beschwerliche Reise nach Graz und nahm dort seine Aufgaben als Lehrkraft an der Stiftsschule wahr.
1 Johannes Kepler (1571- 1630)
,,Kepler, obwohl ein glänzender Denker und scharfsinniger Autor, war ein miserabler Lehrer, der nuschelte, vom Thema abschweifte und zu Zeiten völlig Unverständliches daherredete. Schon im ersten Grazer Jahr hatte er nur eine Handvoll Schüler, im zweiten blieben sie ganz aus." [1, S. 68]. Seine wissenschaftliche Neugier und seine schöpferische Schaffenskraft wurden durch diesen Umstand jedoch nicht berührt. Es ist vielmehr anzumerken, dass Kepler in seiner Grazer Zeit sein erstes astronomisches Werk: ,,Mysterium cosmographicum" (etwa: Das Weltgeheimnis, 1596) vollendete und veröffentlichte. In dieser Arbeit legte Kepler seine eigenen astronomischen Überlegungen über das Planetensystem vor. ,,Nach Keplers Modellvorstellung befindet sich im Mittelpunkt des Systems die Sonne, und um sie kreisen die Planeten. Ihre Abstände vom Zentrum entsprechen ineinander geschachtelten Polyedern - den von regelmäßigen Vielecken begrenzten platonischen Körpern -, die wiederum in Kugelschalen eingebettet sind ...." [5, S. 19] An diesem Punkt muss hinzugefügt werden, dass sich Kepler bei seinen Ausführungen auf die theoretischen Überlegungen Nikolaus Kopernikus stützte [5, S. 16]. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es Kepler in dieser Arbeit nicht gelang, einen endgültigen Beleg für die kopernikanische Lehre vorzulegen. Gleichwohl erzielte Kepler mit dieser Abhandlung große Aufmerksamkeit und weckte damit auch das Interesse des dänischen Astronomen Tycho Brahe.
Dieser Umstand stellte sich für Kepler als Glücksfall heraus. Der Grund dafür war, dass die Vorboten der Gegenreformation in Graz in zunehmender Art und Weise dem tief gläubigen Kepler das Leben erschwerten. Dies führte schließlich dazu, dass Kepler und seine Familie das von Katholiken dominierte Graz in Richtung Prag verließ. Er folgte damit einer Einladung des dänischen Adeligen und Astronomen Tycho Brahe nach Prag, um dort für den dänischen Astronomen als Assistent zu arbeiten und diesen bei der Anfertigung der ,,Tabulae Rudolphinae" (Rudolphinischen Tafeln, 1627) zu unterstützen. Gleichwohl war diese Zusammenarbeit nur von kurzer Dauer. Bereits ein Jahr nach Keplers Ankunft in Prag verstarb Brahe im Oktober 1601 infolge einer Völlerei unerwartet [2]. Dieser tragische Umstand führte dazu, dass Kepler zu dessen Nachfolger am Hofe des habsburgerischen Kaisers Rudolf II. ernannt wurde.
In den folgenden Jahren beschäftigte sich Kepler in Prag ausführlich mit den Beobachtungsdaten seines Vorgängers Brahe. Aufbauend auf dieser empirischen Datenbasis berechnete Kepler schließlich die Bahnen der damals bekannten Planeten und kommt dabei zu dem Schluss, vor allem durch die intensive Beschäftigung mit der Umlaufbahn des Mars [6, S. 79], dass sich die Planeten nicht in Kreisbahnen, sondern vielmehr in Ellipsen um die Sonne bewegen. In dieser Beziehung ist mit dem Autor Carl Sagan darauf hinzuweisen, dass es Tycho Brahe war, der Kepler den Mars besonders ans Herz legte, weil ,,... dessen scheinbare Bewegung völlig anormal, d. h. am schwersten mit einer Kreisbahn vereinbar schien." [1, S. 72] In seinem Hauptwerk ,,Astronomia Nova" (Neue Astronomie, 1609) legte Kepler seine Forschungsergebnisse sowie Schlussfolgerungen vor und formulierte darin das erste und zweite Keplersche Gesetz. Demnach besagt das erste und zweite Keplersche Gesetz folgendes: ,,1. Die Planeten bewegen sich auf Ellip-
sen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. 2. Die Verbindungslinie Planet - Sonne (auch Radiusvektor oder Fahrstrahl genannt) überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen" [7, S. 57]. Mit diesen beiden Gesetzen war es von nun an möglich, die Planetenpositio-
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Geschichte
nen relativ genau zu bestimmen, denn zum ersten Mal hatte man die Planetenbewegungen richtig verstanden, wie der britische Wissenschaftsjournalist Peter Aughton in seinem Buch ,,Die Geschichte der Astronomie. Von Kopernikus bis Stephen Hawking" erklärt [8, S. 60]. Gleichwohl sollte es bei diesen beiden Gesetzen nicht bleiben. In einem späteren Werk, den ,,Harmonices mundi" (etwa: Harmonik der Welt, 1619), formulierte Kepler schließlich sein drittes Gesetz. Dieses lautet: 3. ,,Die Quadrate der Umlaufzeit der Planeten verhalten sich wie die Kuben (dritten Potenzen) ihrer mittleren Entfernung von der Sonne." [7, S. 59]
In diesem Zusammenhang führt Peter Aughton aus, dass Kepler diesem dritten Gesetz besondere Bedeutung schenkte, weil Kepler darin seine Vermutung bestätigt sah, dass das gesamte Universum einem göttlichen Plan folge und voller harmonischer Beziehungen sei [8, S. 60]. Das Spätwerk Keplers stellen die sogenannten ,,Tabulae Rudolphinae" (Rudolphinischen Tafeln, 1627) dar. In dieser Abhandlung untersuchte und wertete Kepler in systematischer Art und Weise die astronomischen Beobachtungsdaten Brahes aus, um die Planetenpositionen genau bestimmen zu können. Dies gelang ihm mit einer hohen Genauigkeit, die nur wenige Minuten von den realen
Planetenstellungen abwich. Durch diese präzisen Positionsbestimmungen der Planeten wurden die Rudolphinischen Tafeln die genauesten astronomischen Tabellen des 17. Jahrhunderts. Dieses Kunststück gelang Kepler, weil er die exakten empirischen Beobachtungsdaten Brahes und seine theoretisch-mathematischen Gesetze der Planetenbewegungen miteinander verknüpfte. Mit dieser Verknüpfung von Theorie und Empirie verhalf er nicht nur dem kopernikanischen Weltbild zum Durchbruch, sondern wurde auch zu einem Wegbereiter einer neuen Astronomie.
Abschließend können wir festhalten, dass Johannes Kepler zum einen für den wissenschaftlichen Fortschritt in der Astronomie und Naturwissenschaft des 17. Jahrhunderts steht und zum anderen wesentlich zum besseren Verständnis der Planetenbewegungen beigetragen hat [9, S. 51]
Am 15. November 1630 stirbt Johannes Kepler, nach einer beschwerlichen Reise nach Regensburg, um ausstehenden Lohn vom kaiserlichen Hof einzufordern, an einem Schwächeanfall.
Literaturhinweise [1] C. Sagan, 1989: ,,Unser Kosmos.
Eine Reise durch das Weltall", München [2] O. Fritz, 2009: ,,Tycho Brahe - Der
große dänische Astronom", VdSJournal für Astronomie 31, 90 [3] O. Fritz, 2008: ,,Nikolaus Kopernikus (1473-1543) - Die Geburt eines neuen Weltbildes", VdS-Journal für Astronomie 26, 75 [4] M. Lemcke, 2007: ,,Johannes Kepler", 3. Aufl., Reinbek bei Hamburg [5] A.M. Lombardi, 2000: ,,Johannes Kepler - Einsichten in die himmlische Harmonie", Spektrum der Wissenschaft Biografie, Heidelberg [6] G. Grasshoff, 2005: ,,Der ,Kampf um den Mars` als größte wissenschaftliche Niederlage Johannes Keplers", Acta Historica Leopoldina 45 [7] J. Hermann, 2005: "dtv-Atlas Astronomie", 15. durchges. akt. Aufl., München [8] P. Aughton, 2009: ,,Die Geschichte der Astronomie. Von Kopernikus bis Stephen Hawking", Hamburg [9] B. Schuh, 2008: ,,Johannes Kepler", in: Ders.: ,,50 Klassiker Naturwissenschaft. Von Aristoteles bis Crick & Watson", 2. überarb. Aufl., Hildesheim [10] weitere Materialien
Altes Sternbild neu entdeckt
von H. U. Mor
Der Sternenhimmel ist laut Beschluss der Internationalen Astronomischen Union von 1922 in 88 Sternbilder aufgeteilt. Darunter befinden sich so prominente Beispiele wie der Große Bär oder der Himmelsjäger Orion. Viele der Sternbilder haben ihre Wurzeln in der Mythologie des antiken Griechenlands oder dem alten Arabien.
Weniger bekannt ist, dass es vor dieser Einteilung eine Vielzahl von Sternbildern mit teils sehr lokal begrenzter Bedeutung gab, die heute unbeachtet bleiben. Prominente Beispiele dafür sind das Sternbild Krebs, das nach der Vorstellung von Julius Schiller aus Augsburg den Evangelis-
ten Johannes darstellt, oder das Sternbild Pegasus, das nach Erhard Weigel (16251699) aus Jena das ,,Braunschweig-Lüneburgische Pferd" verkörpert.
Bei Recherchen zum Fabelwesen ,,Moos-Dilldapp" aus dem süddeutschen Schwenningen wurden in jüngster Zeit vermehrt Hinweise gefunden, dass sich dieses kurz ,,Dilldapp" genannte Geschöpf auch am Sternenhimmel befinden soll. Auf Basis einer Zeichnung von Peter Ruge konnte mit verblüffender Ähnlichkeit im Gebiet des Sternbildes Cetus, dem Walfisch, das verloren geglaubte Sternbild wiederentdeckt werden. Das Sternbild des Moos-Dilldapp, Anethum Äquatorialis, befindet sich bei den astronomischen
Koordinaten Rektaszension 2h30m und Deklination 0 Grad . Es ist damit eines der wenigen Sternbilder, die sich genau auf dem Himmelsäquator befinden, und trägt daher den Beinamen ,,Äquatorialis". Auf einer modernen Sternkarte würde man es als Teil des Sternbildes Cetus finden. Der Cetus ist ein schreckliches Meeresungeheuer, dem nach einer Sage die schöne Andromeda geopfert werden sollte.
Noch ist wenig über den Dilldapp und sein Sternbild bekannt. In alten Unterlagen aus Schwenningen fanden sich Hinweise, dass das Sternbild im ausgehenden 19. Jahrhundert nach dem Verschwinden des letzten lebenden Dilldapps ihm zu
VdS-Journal Nr. 37
Jugendarbeit
73
Ehren geschaffen wurde. Bis zu jener Zeit lebten die Schwenninger Bürger in friedlicher Koexistenz mit den scheuen Dilldappen, doch die aufkommende Industrialisierung mit der Expansion der Uhrindustrie wird für das Ableben des naiven Nagers verantwortlich gemacht. Seither gilt die Spezies des Dilldapps als ausgerottet. Aber durch die umfangreichen Landschaftsarbeiten im Rahmen der Landesgartenschau 2010 scheint eines der längst vergessenen Geschöpfe aufgeschreckt worden zu sein. Zumindest berichtete die lokale Presse unter Berufung auf die Internetseite www.moos-dilldapp. de über mehrere Augenzeugen, die den Dilldapp in diesem Jahr gesehen haben wollen.
Das erneute Auftauchen des verschwunden geglaubten Lebewesen kann aber auch mit einer Veränderung seines Sternbildes zusammenhängen. In Anethum Äquatorilais befindet sich nämlich ein Stern, den man nur sehr selten sehen kann. Astrophysiker nennen ihn ,,Mira", was übersetzt ,,wundersamer Stern" bedeutet. Nur etwa alle elf Monate wird Mira für einige Wochen so hell, dass man
1 Der Dilldapp - ein längst vergessenes Sternbild, das seine historischen
Wurzeln im süddeutschen Villingen-Schwenningen hat.
ihn am Himmel sehen kann. So vergehen Jahre, bis die Sichtbarkeit des Sternbilds und Mira in Einklang sind. Denn das Sternbild taucht nur im Herbst und Winter am Himmel auf, und exakt zu dieser Zeit muss auch der Stern Mira sichtbar sein. Dieses Jahr wird Mira, der wunder-
same Stern, in den Herbst- und Winternächten auffällig im Gebiet des Sternbild des Dilldapp glänzen. Vielleicht liegt darin das unerwartete Auftauchen des alten Bewohners der Schwenninger Umgebung begründet.
Mein letzter ,,Brief von der VEGA" - VEGA reboot
von Susanne M. Hoffmann
Eigentlich war ich (mit Größe 42) schon längst aus den Kinderschuhen herausgewachsen, als ich begann, mich um die Jüngsten in der VdS zu kümmern: Im Sommerlager ,,Violau 1999" von Uwe Reimann war ich nach einem telefonischen Vorstellungsgespräch als jüngste Leiterin engagiert und nach Ende des Camps habe ich zusammen mit Oliver Jahreis zuerst ein jährliches Sommerlager für die VdS erfunden und aufgebaut, später die Jugendarbeit auf weitere Projekte ausgedehnt. Seit 2004 agierte diese quasi-neue ,,Fachgruppe für Jugendarbeit" (eigentlich nicht für ausschließlich aus Jugendlichen gedacht!) unter dem schnittigeren Namen ,,VEGA" - ein etwas gekünsteltes Akronym für Vereinigung für Jugendarbeit in der Astronomie - bei
mir zu Hause, in Berlin, wird ja leicht mal ein G zu einem J, und wenngleich ich selbst keinen Dialekt spreche, so hat sich dieser hier wohl eingeschlichen, um den Namen des hellen Sterns herauszubekommen. :-)
Unsere damalige Hoffnung, dass sich auch Ältere dieser Fachgruppe zur Förderung der Jugendarbeit anschließen, hat sich leider kaum erfüllt, und es blieb bei einer Gruppe von Jugendlichen. Jugendliche im Sinne der Jugendarbeit sind übrigens in Deutschland alle Menschen unter 27 Erdenjahren. So wird auch in Zukunft die Leitung der Jugendarbeit von jüngeren Menschen übernommen: Die Leute vom ASL 2010 haben sich eine neue Vertretung gewählt: Der ehemalige ASL-Organisator
Tobias Opialla (Berlin) übernimmt die Leitung der jüngsten Sternfreunde, zusammen mit seinem Verwalter der ASL-Kasse Tobias Murböck und seiner Schriftführerin Antonia Ratajski wird er das ASL fortführen lassen und weiterhin fleißig Journalbeiträge liefern. Sein weiteres Programm wird er gewiss selbst darstellen. Ich freue mich, dass mein Wunschnachfolger in dieses Ehrenamt gewählt wurde, das ich nach elf Jahren gerne abgebe. Ich freue mich auch, dass ich selbst mich nun wieder voll und ganz meinen eigenen Interessen widmen kann. Alle nicht so schönen Momente und Ärger, den es in dieser langen Zeit natürlich auch gab, sind sicher irgendwann vergessen, und so wünsche ich, sternfreundlich grüßend, der jungen VEGA alles Gute!
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Kleinplaneten
Ein neues HAAAAALLOOO von der VEGA!
von Tobias Opialla
Es ist schon erstaunlich, wie sehr eine SoFi einen prägt. Als ich 1999 in Uwe Reimanns Sonnenfinsternis-Camp kam, hätte ich mir kaum ausgemalt, dass ich ein Jahrzehnt später diesen Text schreiben würde.
Ich war also von Anfang an dabei: Seit , 99 gehörte das ASL, wie es dann ab 2001 hieß, zu meinem festen Sommerprogramm. Als ich 2004 ins ASL kam und hörte, dass am Abend zuvor ein Verein, die VEGA, gegründet worden war, war bei der Begrüßung das Erste, was ich zu Susanne sagte: ,,Ich hab gehört, dass ihr 'nen Verein gegründet habt. Ich will Mitglied werden!" So war ich das erste
Mitglied, das nach der Gründung offiziell beitrat. Es folgten einige ASLs als AG-Leiter, und 2007 war ich dann OrgaHäuptling im ASL.
Nach tollen spannenden Jahren, in denen ich sehr viel über Organisation, aber auch über mich selbst gelernt habe, gab ich nach dem Jubiläums-Sommerlager 2009 dieses Amt dann an Sonja Burgemeister, Caroline Reinert und Tobias Schmidt weiter.
Es ist nun, gewissermaßen, der nächste Schritt, dass ich nach der Mitgliederabstimmung im ASL diesen Jahres den Vereinsvorsitz übernommen habe. Und
ich freue mich schon auf viele tolle neue Erfahrungen, Erlebnisse und Menschen, denn zugegebenermaßen hatte ich mit unserem Mutterverein, der VdS, bisher nicht allzuviel Kontakt. Dies wird sich nun bestimmt ändern.
Für die Zukunft arbeiten wir momentan daran, unser Netzwerk zu erweitern, und durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Dachverbänden mehr und breitere Unterstützung zu erhalten. Und natürlich wollen wir weitere (junge) Menschen für die Astronomie begeistern und eben Jugendarbeit für Jugendliche machen.
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren. Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet, der sich während der Belichtungszeit ein kleines Stück auf seiner Bahn um die Sonne weiter bewegt hat. Für viele Astrofotografen sind solche zufälligen kosmischen Begegnungen eine Bereicherung des Bildes. Besonders dann, wenn man nach einiger Recherche
herausfindet, wer der Verursacher der Strichspur war.
Dem Mitautor Klaus Hohmann gelang es, im April 2010 die folgende interessante kosmische Begegnung zwischen (566) Stereoskopia und NGC 4643 [1] einzufangen. Die Galaxie NGC 4643 ist rund 74 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und zeigt sich als höchst ungewöhnliche
Balkenspiralgalaxie. Ausgehend von einem ca. 13,6 mag hellen Kern erstreckt sich ein markanter, langer und sehr heller Balken, an dem sich eine fast kreisrunde, weit lichtschwächere Struktur mit rund 4' scheinbarem Durchmesser anschließt. Weiter draußen erstrecken sich in nordöstlicher bzw. südwestlicher Richtung äußerst lichtschwache, balkenförmige Strukturen, die sich fast 12' in den Raum
Datum 01.04. 26.04. 01.05. 27.05. 01.06. 23.06.
Uhrzeit 24:00 02:00 02:00 02:00 02:00 24:00
Auswahl einiger kosmischer Begegnungen im 2. Quartal 2011
Kleinplanet
mag
Objekt
Art
(3466) Ritina
15,2
NGC 4437
Gx
(484) Pittsburghia
13,7
M 5
GC
(287) Nephthys
11,2
Pal5
GC
(1346) Gotha
15,8
M 12
GC
(10188)Yasuoyoneda
15,5
M 14
GC
(4170) Semmelweis
15,4
IC 1257
GC
Abkürzungen: Gx=Galaxie, GC=Galaktischer Kugelsternhaufen VdS-Journal Nr. 37
mag
Abstand
11,2
5´
5,7
1´
11,7
1´
6,7
4´
7,6
4´
12,5
2´
Kleinplaneten
75
erstrecken. Am 8.4.2010 gesellte sich der mit 168 km Durchmesser recht große Kleinplanet (566) Stereoskopia dazu, der zum Aufnahmezeitpunkt 2,7746 AE von uns entfernt war und uns mit 13,4 mag entgegenleuchtete. Entdeckt wurde der Asteroid am 28. Mai 1905 von Paul Götz in Heidelberg.
Kosmische Begegnungen finden täglich statt. Die Tabelle enthält eine kleine Auswahl interessanter Begegnungen zwischen Kleinplaneten und Deep-Sky-Objekten, die von uns erstellt wurde. Damit soll Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine einfache und bequeme Möglichkeit, sich täglich über aktuelle kosmische Begegnungen zu informieren, finden Sie auf der Homepage von Co-Autor Klaus Hohmann [2] unter http://astrofotografie.hohmann-edv.de/aufnahmen/kosmische.begegnungen.php. Dort kann sich der interessierte Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen Tool kosmische Begegnungen anzeigen lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit, verschiedene Parameter wie Helligkeit des Deep-SkyObjektes oder die Helligkeit des Kleinplaneten selber auswählen, um eine passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe Kleine Planeten der VdS auf-
1 Kleinplanet (566) Stereoskopia bei NGC 4643, aufgenommen mit einem
10-Zoll-Schmidt-Cassegrain-Teleskop bei f/3,8 und einer CCD-Kamera ATiK 16IC-HS, Aufnahme von Klaus Hohmann
fordern, Ihre kosmische Begegnung einzusenden, um zukünftige Ausgaben des VdS-Journals mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff ,,Kosmische Begegnung" an diriesw@aon.at. Bitte vergessen Sie nicht das Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten Bildes wird anschließend aufgefordert, eine un-
komprimierte Version des Bildes für den Druck zur Verfügung zu stellen.
Literaturhinweise [1] Homepage:
http://astrofotografie.hohmann-edv. de/aufnahmen/NGC4643.php [2] Homepage: http://astrofotografie. hohmann-edv.de/grundlagen/
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76 Kometen
Das 2010er Perihel des Kometen
10P/Tempel
von Uwe Pilz
Am 4. Juli 1873 entdeckte Ernst Wilhelm Leberecht Tempel einen neuen Kometen im Sternbild Fische. Schnell stellte sich heraus, dass es sich um einen kurzperiodischen Schweifstern handelt - seine Umlaufzeit beträgt etwas mehr als 5 Jahre. Der Komet durchlief das Perihel seither 27 Mal. Nur fünf Periheldurchgänge konnten wegen der Bahngeometrie nicht beobachtet werden. Im Archiv der Fachgruppe Kometen finden sich Sichtungen der Perihels von 1988, 1999 und 2005.
1 Komet 10P/Tempel am 23. Mai 2010, Instrument: 106-mm-Refraktor und
SBIG STL-11000 CCD-Kamera, Belichtung 2 x 120 Sekunden, Aufnahme Stefan Beck
Der letztjährige Durchlauf des sonnennächsten Punktes bot günstige Beobachtungsmöglichkeiten. Der Perihelzeitpunkt war der 23. Juli, das Perigäum wurde am 25. August durchlaufen. Bereits Ende April konnte Chris Wyatt eine Sichtung aus Australien vermelden. 10P stand damals im Steinbock und wies eine Helligkeit von lediglich 14 mag auf. Die erste Fachgruppenbeobachtung stammt vom 23. Mai. Stefan Beck konnte den Kleinkörper mit einem 4-Zoll-Apo ablichten (Abb. 1). Die erste visuelle Sichtung stammt vom 10. Juni. Christian Harder erahnte mit indirektem Sehen einen 12,2 mag ,,hellen" Nebelfleck von weniger als einer Bogenminute Durchmesser.
2 Komet 10P/Tempel am 19. Juli 2010 um 22:00 UT, Instrument: 203-mm-
Newton und Kamera Canon EOS 350D, Belichtung 29 x 180 Sekunden, Aufnahme Song Chan, HuZon, China
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Danach stieg die Helligkeit rasch an. Nachdem der Mond den dunklen Himmel freigab, bestimmte Werner Hasubick 10,2 mag, wenige Tage später wurden von mehreren Beobachtern etwa 9 mag gemeldet. Das breite Helligkeitsmaximum erstreckte sich von Ende Juli bis in das erste Augustdrittel hinein. Da sich der Komet zwar von der Sonne entfernte, der Erde aber annäherte, blieb die Helligkeit für einige Wochen bei ca. 8,5 mag. Auch für die Fotografen wurden die Bedingungen besser. Der Schweif war zunächst breit und fächerförmig, wie die an uns eingesandte Aufnahme von Song Chan aus China belegt. Einige Tage später kann man schwerlich von einem Schweif reden, eher von einer asymmetrischen Koma (Abb. 3). Visuell konnte ich im letzten Augustdrittel einen Schweif aus-
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3 Komet 10P/Tempel am 10. August 2010 um 0:08 UT, Instrument:
10-Zoll-Newton und Sigma-6303 CCD-Kamera, Belichtung 10 x 240 Sekunden, Aufnahme Michael Jäger
machen, breit und fächerförmig. Im September nahm die Helligkeit langsam ab. Vom Oktober liegen keine visuellen Sichtungen vor. Die südliche Lage erschwerte Beobachtungen, außerdem war der Komet in den Schatten des prächtigeren 103P/ Hartley getreten. Die internationalen Beobachtungen liefern Helligkeitsschätzungen um die 10 mag. Im November 2010 wird die Helligkeit deutlich zurück gegangen sein, so dass Ende des Monats der Komet in mittleren Geräten unsichtbar geworden sein wird.
Das nächste Perihel wird am 14. November 2015 durchlaufen. Tempel wird dann deutlich schwächer als 12 mag sein und knapp 2 AE von der Erde entfernt im Schützen seine Bahn ziehen - ungünstig für mitteleuropäische Beobachter.
Omegon Dobson Teleskope
Die Omegon Dobson Teleskope zeichnen sich durch eine besonders hohe optische und mechanische Verarbeitung aus, die jenseits der üblichen Norm liegt. Es kommen Hauptund Fangspiegel mit Oberflächenqualitäten von 1/6, 1/8 und 1/10 Lambda zum Einsatz. Die Hi-Techverspiegelung sorgt für 97% Reflektionsvermögen. Auch die mechanische Komponente überzeugt dank eines durchdachten Prinzips.
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4 Komet 10P/
Tempel am 20. August 2010 um 1:30 UT, Instrument: 12-cmRefraktor bei V = 50x, Zeichnung Uwe Pilz
Artikel-Nr.: 19925
Preis: 6.990,-
78 Meteore
Der Gebel-Kamil-Eisenmeteorit und sein Krater im südlichen Ägypten
von Andre Knöfel
Im Jahre 2008 wurde bei einer systematischen Suche mit Google Earth im südwestlichen Ägypten in der östlichen Uweinat-Wüste nahe der Grenze zum Sudan ein etwa 45 m großer Krater von italienischen und ägyptischen Wissenschaftlern entdeckt. Während zweier Expeditionen im Februar 2009 und Februar 2010 wurden tausende Eisenmeteoriten aufgefunden. Insgesamt geht man derzeitig von etwa 1,6 t meteoritischem Material aus, wobei noch mehr Material vermutet wird. Das größte bisher gefundene Stück ist ein 83 kg Individual mit ausgeprägten Remaglypten. Kleinere Stücke im Bereich von 1 g bis 35 kg liegen als Schrapnelle vor. Beim heftigen Einschlag wurde der Ursprungskörper in diese Schrapnelle zerrissen. Während der Meteoritenbörse in Ensisheim (Frankreich) im Juni 2010 kamen die ersten Meteoriten in Privatsammlungen.
Der Krater ist geologisch noch sehr jung und erscheint auf Satellitenaufnahmen relativ frisch. Man erkennt deutlich eine
1 209-g-Schrapnell des Gebel-Kamil-Meteoriten. Auffällig ist die lederartige,
porige Oberfläche. Foto: Andre Knöfel
hellere Ejektadecke um den Krater herum. Er scheint nicht älter als ca. 5.000 Jahre zu sein, da unter der Auswurfdecke Spuren aus der Frühzeit der Besiedlung dieser (damals fruchtbaren) Region gefunden wurden.
Der Meteorit wurde als ungruppiertes Eisen klassifiziert, d. h. er ist keiner anderen Eisenmeteoritenklasse zuzuordnen. Das Eisen hat eine Ataxit-Struktur - die bei anderen Eisenmeteoriten häufig vorkommenden Widmanstättschen Strukturen und Neumannschen Linien fehlen völlig. Dafür sind aber deutlich zentimetergroße
2 Satellitenaufnahme des Ein-
schlagkraters in der Uweinat Wüste im südlichen Ägypten, bei 22 Grad 01' 06'' Nord und 26 Grad 05' 15,7'' Ost. Bild: DigitalGlobe - QuickBird Processing: Telespazio
Schreibersit-, Troilit- und DaubreelithKristalle vorhanden. Der Meteorit hat mit 19,8 % einen sehr hohen Nickelanteil. Markant ist die lederartige, porige Oberfläche der Meteoriten, die durch Verwitterung entstand, als diese Teile aus dem Sand der Wüste herausragten.
Die Webseite zum Krater: http://www.mna.it/hosts/Kamil/index. htm
3 3,5-g-Scheibe
des Gebel-Kamil-Meteoriten. Ein SchreibersitEinschluss, umgeben von Kamazit, zieht sich durch die ganze Scheibe. Foto: Andre Knöfel
Planeten 79
Jupiter im Juli bis Oktober 2010
von Carsten Moos
Alle Bilder wurden mit einer ToU-Webcam oder einer umgebauten monochromen SPC-900-Webcam aufgenommen. Als Teleskop diente ein Takahashi Mewlon 180, zur Projektion wurde eine TV-Powermate 2,5x eingesetzt. Das Gesamtsystem hat so eine Brennweite von 5.400 mm. Zur Bildaufnahme kam zuerst Vrecord und später dann Firecapture zum Einsatz. Letzteres liefert auch sehr bequem die Zentralmeridiane und Aufnahmedaten. Die Bildaddition erledigt Registax 5 oder tw. Avistack2.
Die Aufnahme vom 16.7.2010 (Abb. 1) entstand in den frühen Morgenstunden. Sie zeigt außerdem die beiden Monde Io (links) und Ganymed. Io wirft einen Schatten auf den Gasriesen. Daten zu Jupiter: Winkeldurchmesser 43,59'', Zentralmeridian III 290,12 Grad , Zentralmeridian I: 333,41 Grad , Zentralmeridian II 104,74 Grad (Daten aus Guide 8.0). Das SEB ist nicht zu sehen.
1 Jupiter am 16.7.2010, Daten s. Text
2 Jupiter am 22.9.2010, Daten s. Text
3 Jupiter am 23.9.2010, Daten s. Text
VdS-Journal Nr. 37
80 Sonne
Am 22.9.2010 gegen Mitternacht (Abb. 2) hatte ich wieder einen freien Blick auf Jupiter und konnte mit einer umgebauten Webcam (monochromer Sensor) die Bildschärfe deutlich erhöhen. Diesmal stand Ganymed neben seinem Mutterplaneten. In Oppositionsstellung erreicht Jupiter nun knapp 50'' Durchmesser. Im NTB sind viele kontrastreiche kleinere Strukturen zu erkennen.
Einen Tag später, am 23.9.2010 (Abb. 3) zeigte sich der GRF deutlich. Nun kam der Vorteil der L-RGB Bilder gut zur Geltung. Die Farbaufnahme macht eine normale ToU-Webcam, die rot gefilterte Luminanz liefert die monochrome SPC-Webcam. Das geht schneller als ein RGB-Filtersatz.
Am 10.10.2010 (Abb. 4) war das Seeing leider schlecht. Aber dennoch zeigt sich der Mond Io über dem aufgehenden Planetenrand. Visuell war dies nicht erkennbar. Das SEB bleibt unsichtbar.
4 Jupiter am 10.10.2010, Daten s. Text
Erste Sonnenflecken wieder mit bloßem Auge sichtbar
von Martin Hörenz
Nach dem tiefen Minimum in den vergangenen Jahren zeigt sich die Sonne jetzt wieder häufiger mit aktiven Regionen. Die durchschnittliche Sonnenfleckenrelativzahl stieg von ihrer ,,Null" vor wenigen Monaten mittlerweile auf durchschnittlich 20 bis 30, Tendenz weiter steigend (Stand: Herbst 2010). Ähnliches gilt auch für die H-Alpha-Relativzahl, die von meist unter 100 im Jahr 2008 auf mittlerweile durchschnittlich mehr als 150 stieg.
Nach einer Durststrecke von mehr als zwei Jahren können jetzt auch wieder ab und zu Sonnenflecken mit bloßem Auge unter Benutzung geeigneter Maßnahmen
zur Lichtdämpfung (Fernrohr-Sonnenfilter oder Sonnenfinsternisbrille!) beobachtet werden. Der Autor konnte den letzten Fleck des vergangenen Zyklus am 29.03.2008 erkennen, im Fernrohr als nicht übermäßig große Gruppe vom Waldmeier-Typ ,,C" [1]. Dieser Beobachtung folgten innerhalb von 727 Tagen 441 ,,erfolglose" Versuche, ehe am 27.03.2010 der erste Fleck des neuen Zyklus eindeutig erkannt wurde. Das Bild im Fernrohr zeigte an diesem Tag eine Gruppe vom Waldmeier Typ ,,D" nahe der Sonnenmitte. Diese Beobachtung hat nun in den vergangenen Monaten ,,Zuwachs" bekommen. Ende Juli / Anfang August, im September sowie Ende Oktober 2010
konnte jeweils eine größere Fleckengruppen über mehrere Tage mit bloßem Auge verfolgt werden.
Neben der reinen Zählung der Flecken wurden diese auch in eine Schablone eingezeichnet sowie das Sichtbarkeitskriterium vermerkt. Dabei wird von ,,A" bis ,,E" unterschieden [2, 3]. Die Abbildung 1 zeigt den Verlauf schematisch über sechs Beobachtungstage.
Obwohl eine Fleckengruppe normalerweise über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen am Stück beobachtet werden könnte, ehe sie auf der Rückseite der Sonne verschwindet, wurde diese Gruppe
1 Sichtbarkeit einer Fleckengruppe mit bloßem Auge 19. bis 24.09.2010
VdS-Journal Nr. 37
Sternbedeckungen
81
nur über einen Zeitraum von sechs Tagen gesehen, davon an vier Tagen sicher. Dies ist bei Beobachtungen mit bloßem Auge nicht ungewöhnlich, da randnahe Gruppen aufgrund der perspektivischen Verzerrung kaum sichtbar sind. So sind sehr große Fleckengruppen maximal 10 bis 12 Tage zu erkennen, während solche Gruppen mit dem Fernrohr auch 14 Tage dokumentiert werden können. Hinzu kommen wetterbedingte Beobachtungspausen, so dass beispielsweise das Verschwinden der Fleckengruppe nach dem 24.09. nicht mehr beobachtbar war.
Weiterhin bemerkenswert ist die Sichtung am 19.09., bei der die Markierung scheinbar auf der falschen Seite eingezeichnet ist. Obwohl die Fleckengruppe mit bloßem Auge von links nach rechts (d. h. von Ostrand zum Westrand) mit der Sonnenrotation wandern sollte, war die Gruppe an diesem Tag bereits auf der ,,rechten", d. h. westlichen Seite zu erkennen. Hierbei handelte es sich aber nicht um eine andere Fleckengruppe. Diese Position ist durch die scheinbare Wanderung der Sonne am Himmel zu erklären. Während die Position morgens gegen den Uhrzeigersinn verschoben wird, gilt das umgekehrte für abendliche
Beobachtungen. Dazu muss weiterhin auch die Stellung des Sonnenäquators zur Erde berücksichtigt werden, wodurch die Sonne scheinbar gedreht ist. Dabei gilt in erster Näherung folgende ,,Faustregel": erste Jahreshälfte - Drehung im Uhrzeigersinn; zweite Jahreshälfte - Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn. Der Maximalwert von +-26 Grad wird dabei um den 06.04. und den 10.10. erreicht.
Aus aktuellen Beobachtungen folgen derzeit Monatsmittelwerte im Bereich zwischen 0,0 und 0,3. Das bedeutet aber auch, dass bei Sichtbarkeit einer Fleckengruppe über mehrere Tage auch eine Periode von mehreren Wochen folgen kann, während welcher wieder ,,Nullen" vermeldet werden müssen. Nichtsdestotrotz kann auf diese Weise bereits mit einfachsten Mitteln die Sonnenaktivität gut verfolgt werden. Die Fachgruppe Sonne sammelt diese Werte im ,,A-Netz". Damit können mehrere Beobachtungen gemittelt werden, um Fehler durch unterschiedliche Augen auszugleichen sowie wetterbedingte Beobachtungslücken zu schließen. Steffen Fritsche freut sich über Ihre Beobachtung (Kontakt: a-netz@vds-sonne.de)!
Sichtbarkeitskriterien nach [2]
A ,,vielleicht blickweise gesehen" (wird noch nicht als ,,Sichtung" mitgezählt)
B ,,Objekt blickweise, aber eindeutig gesehen"
C ,,Objekt schwach, aber konstant oder fast konstant gesehen"
D ,,Objekt mühelos und konstant gesehen"
E ,,Objekt auffallend und nicht zu übersehen"
Literaturhinweise [1] K. Reinsch et al., 1999: ,,Die Sonne
beobachten" , Verlag Sterne und Weltraum, Heidelberg [2] U. Bendel, 1978: ,,Sonnenfleckenbeobachtung mit dem bloßen Auge", SONNE 7, 99 [3] M. Hörenz, 2000: ,,Wie kann man die Sonnenfinsternisbrillen weiter verwenden?", VdS-Journal für Astronomie 4, 19
30 Jahre ESOP
von Martina Haupt
Auf Initiative von Dr. Wolfgang Beisker und Hans-Joachim Bode fand im November 1981 das erste ESOP der IOTA/ES (International Occultation Timing Organization - European Section im VdS-Bereich ,,Fachgruppe Sternbedeckungen") in Hannover statt. Die an den antiken Fabelschreiber erinnernde Abkürzung ESOP steht für das ,,European Symposium on Occultation Projects". Die Tagung führt die Beobachter, die sich mit der Bedeckung von Himmelskörpern beschäftigen und die ,,Rechner der Vorhersagen" zusammen. Schwerpunkte der Arbeit sind Sternbedeckungen durch den Mond, die Planeten und deren Monde sowie Sonnenfinsternisse, aber auch gegenseitige Bedeckungen und Verfinsterungen der Körper unseres Sonnensystems sind Inhalt der Vorträge und Diskussionen. Da
solche Beobachtungen ein weites, möglichst fein verteiltes geografisches Netzwerk an Beobachtern erfordern, war das einmal im Jahr stattfindende ESOP von Anfang an international ausgerichtet. Aus diesem Grunde werden die Vorträge
in englischer Sprache gehalten oder in das Englische übersetzt.
Während des Kalten Krieges wurde das ESOP abwechselnd an einem Ort in Osteuropa bzw. Westeuropa abgehalten.
VdS-Journal Nr. 37
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Sternbedeckungen
1 Die Teilnehmer des ESOP XXIX in York (England)
Diese niemals schriftlich fixierte Regel wurde auf dem ESOP III in der damaligen Tschechoslowakei aufgestellt und ermöglichte es allen Teilnehmern, trotz der zur Zeit des Eisernen Vorhangs eingeschränkten Reisefreiheit den Kongress wenigstens alle zwei Jahre zu besuchen. Soweit wir wissen, hat die IOTA/ES als einziger europäischer Verein so gehandelt. Veranstaltungsorte vergangener Tagungen waren unter anderem Warschau, Pilsen, Krakau, Rom, Barcelona, Neapel und Paris.
Das ESOP findet in der Regel am letzten August-Wochenende statt und beginnt am Freitagabend mit einem entspannten Begrüßungsabend. Am Samstag und am Sonntag findet dann die eigentliche Tagung statt. Parallel dazu gibt es ein Alternativprogramm für die mitreisenden Partner der Tagungsteilnehmer. Abgerundet wird das Treffen durch ein folgendes zwei- bis dreitägiges Rahmenprogramm, das den Teilnehmern Gelegenheit zum weiteren Gedankenaustausch bietet, aber auch zu astronomischen Stätten der Vergangenheit und Gegenwart führt.
Angeregt durch die Symposien entstanden internationale Beobachtungs- und Auswertungsprojekte, an denen sowohl Berufs- als auch Amateurastronomen beteiligt sind. Ein Beispiel ist die Randbeobachtung der totalen Sonnenfinsternis am 1. August 2008 bei Novosibirsk. Das Beobachterteam setzte sich aus deutschen und spanischen Amateurastronomen zusammen, und die Publikation der Ergebnisse in der Fachzeitschrift ,,Solar Physics" war dann eine Zusammenarbeit von Profi- und Amateurastronomen aus mehreren europäischen Ländern. Auch
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das große Auswertungsprojekt zu totalen Sternbedeckungen am Mondrand ,,Moonlimb", das die genaueste Beschreibung des Mondrandes aus erdgebundenen Beobachtungen darstellt, ist auf einem ESOP entstanden.
Im Jahr 2010 waren die englischen Sternfreunde Gastgeber des ESOP und hatten dazu auf den Campus der Universität York eingeladen. Es wurden Beobachtungsergebnisse vorgestellt, die nächsten Projekte geplant und eine neue Software für die Vorhersage von streifenden Sternbedeckungen wurde vorgestellt. Die rundherum gelungene Veranstaltung trug auch dazu bei, die langjährigen und die neu hinzugekommenen Teilnehmer aus dem Austragungsland zusammenzubringen. Dies ist ein Grund für den wechselnden Veranstaltungsort - das Netzwerk muss dichter werden! Ausgetragen wird die Tagung von der IOTA/ES, diese ist ein wissenschaftlich gemeinnütziger, eingetragener Verein nach Deutschem Recht mit über 100 Mitgliedern. Inhalt der Vereinsarbeit ist die Beobachtung und Auswertung von Bedeckungen und Finsternissen durch Himmelskörper unseres Sonnensystems.
In diesem Jahr blickt das ESOP (European Symposium on Occultation Projects) auf eine Erfolgsgeschichte von drei Jahrzehnten zurück: Vom 26. bis 31. August 2011 findet das 30. ESOP an der renommierten Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow statt. Jeder an den oben erwähnten Beobachtungen Interessierte ist herzlich eingeladen, das ,,Herz der Bedeckerszene" diesmal in Berlin schlagen zu hören.
Einladung
zum 6. Sächsischen Sommernachtsteleskoptreffen
1. - 3. Juli 2011
Jugendherberge Strehla
Wir laden hierzu herzlich ein!
Die Jugendherberge Strehla ist eine alte idyllische Holländerwindmühle und ein hervorragendes Gelände zum Beobachten. Auch Familien können dort viel unternehmen, sodass auch Familienväter mit ihren Kleinen und Liebsten für Tagesausflüge zum Treffen kommen können. Es soll beobachtet, gefachsimelt und im allgemeinen ein gemütliches Wochenende werden. Veranstalter sind Sternfreunde Riesa und Sternwarte Riesa.
Infos und Anmeldung: Stefan Schwager Telefon: 0173 / 807 68 41 SternwarteRiesa@web.de www.Sternenfreunde-Riesa.de
Zimmerreservierung: Wolfgang Müller Telefon: 03 52 64 / 920 30
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Veränderliche
100 Jahre BB Vul
von Jörg Schirmer
Ein kaum beachteter Veränderlicher im Sternbild Füchschen (Vulpecula) hatte Geburtstag. Er feierte im August des letzten Jahres den hundertsten Jahrestag seiner Entdeckung. Grund genug, sich einmal um ihn zu kümmern.
Im BAV-Forum erschien vor einiger Zeit eine Mitteilung über die Neugestaltung der Funktionalität der ,,Lichtenknecker Database of the BAV". Dabei wurde unter anderem die neue Statistikfunktion erwähnt. So kann man sich die Veränderlichen jetzt auch nach dem Datum ihrer letzten Beobachtung sortiert anzeigen lassen. In diesem Zusammenhang zeigte sich der Stern BB Vul (J2000 Rektasz.
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1 Eigene Aufnahme der Gegend
um den Veränderlichen BB Vul. Der Stern ist durch Striche gekennzeichnet. Norden ist oben, Osten links.
20h 32m 19,5s Dekl. +27 Grad 39' 44'') (Abb. 1) als Spitzenreiter, weil für ihn als erstes und letztes Beobachtungsdatum der 05.08.1910 angegeben wird. Das machte mich neugierig und ich schaute in der zugehörigen Beobachtungsliste der Datenbank nach und fand dort den Eintrag: Minimum [HJD]: 2418889.41, Fotometrie: P, Beobachter: P. Parenago, Quelle: PZ 4.134.
Somit hatte wohl P. Parenago die Veränderlichkeit des Sterns auf einer fotografischen Platte vom 5.8.1910 entdeckt und dies 1933 in der Zeitschrift Peremennyje Zvezdy (Veränderliche Sterne) veröffentlicht. Die Aufnahme konnte er nicht selbst belichtet haben, da er zu dem Zeitpunkt erst vier Jahre alt war.
2 Der Anfang des Beitrages von
Paul Parenago in PZ 4.134, in dem er unter anderem auch die Veränderlichkeit der von Beljawsky entdeckten Sterne bestätigt. Hinter der Bezeichnung SVS 303 verbirgt sich der uns interessierende BB Vul.
Veränderliche
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Neugierig geworden, suchte ich im Internet nach der entsprechenden Ausgabe von PZ in der Hoffnung, dass sie schon digitalisiert vorläge. Dem war aber nicht so. Zurzeit bekommt man nur neuere Ausgaben.
Also suchte ich als Nächstes in der riesigen SIMBAD Astronomical Database (Straßburg) nach vorhandenem Material zu BB Vul. Dort fand ich sieben Literaturhinweise, von denen einige auf frei verfügbare Artikel verweisen. Die älteste Quelle sind die Astronomischen Nachrichten, Bd. 249, Nr. 5967: ,,Benennung von veränderlichen Sternen", P. Guthnick, R. Prager, 1933.
In dieser Ausgabe werden neben dem Namen BB Vul die Koordinaten sowie die maximale und minimale Helligkeit angegeben (12,5 / 13,2 / ph), eine Periode wird nicht genannt. In der Fußnote erscheint der Vermerk ,,Algolart" sowie ein Verweis auf die Fußnote für V345 Cygni. In dieser steht, dass Beljawsky den Stern auf Simeiser Platten entdeckt hat und ihn als Bedeckungsveränderlichen eingeschätzt hat. Dazu kommt noch der Quellenverweis [NNVS 4.23 (37, 1932)]. Diese Quelle ist aber im Internet ebenfalls nicht verfügbar.
Nachdem nun zum zweiten Mal am Ende einer Spur eine russische Veröffentlichung stand, schrieb ich kurz entschlossen eine E-Mail an Dr. Samus vom
3 Beljawskys kurzer Beitrag in NNVS 4.23 (37, 1932), in dem er die Entdeckung
von neun veränderlichen Sternen im Cygnus mitteilt. Nr. 3 = SVS 303 = BB Vul.
Sternberg-Institut in Moskau. Er gibt mit seinem Team den GCVS (General Catalog of Variable Stars) heraus. Ebenso ist er Herausgeber von PZ und damit der richtige Ansprechpartner in dieser Sache. Schon am nächsten Tag lagen die Kopien der gesuchten Artikel sowie ein
freundliches Begleitschreiben im Posteingang. Nach einigen weiteren, klärenden E-Mails stellt sich die Angelegenheit folgendermaßen dar:
Parenago ist demnach nicht, wie zunächst von mir vermutet, der Entdecker
Ankündigung
Einladung zur 30. Planeten- und Kometentagung in Violau
Die 30. Planeten- und Kometentagung findet vom 10. Juni 2011 bis zum 14. Juni 2011 im Bruder-Klaus-Heim in Violau bei Augsburg statt. Geboten werden Workshops zu fast allen Bereichen der Planeten- und Kometenbeobachtung. Zu dem Programm gehören die aktuellen Kometen, die Auswertung der Sichtbarkeiten der einzelnen Planeten sowie deren Monde und digitale Bildverarbeitung mit Giotto. Insbesondere die Aufnahmetechnik im UV und IR-Licht der Planeten wird Gegenstand der Tagung sein. Vorschläge zu Referaten sind selbstverständlich willkommen. Um die Kontakte zur professionellen Astronomie zu vertiefen und weitere Schnittstellen zu schaffen, werden voraussichtlich zwei Referenten aus Forschungseinrichtungen eingeladen. Da bei dieser Tagung alle Teilnehmer unter einem Dach untergebracht werden, gibt es somit vielfältige Möglichkeiten zum gegenseitigen Kennenlernen, zum Erfahrungsaustausch und bei
entsprechendem Wetter zum gemeinsamen Beobachten auf der dem Heim angeschlossenen Sternwarte. Der Gesamtpreis inklusive Vollverpflegung und Unterbringung in Mehrbettzimmern liegt etwa bei 150 Euro bei Anmeldung bis zum 27. Mai 2011. (Einzelzimmer sind ca. 30 Euro teurer.) Ihre Anmeldung senden Sie bitte bis zum 27. Mai 2011 postalisch an Wolfgang Meyer, Martinstraße 1, 12167 Berlin oder per Internet über die Seite http://www.planetentagung.de. Anmeldungen können nur nach einer Anzahlung von 50 Euro auf das Konto des Arbeitskreises Planetenbeobachter (Postbank Berlin, Kontonummer 481488-109, BLZ 100 100 10, Kontoinhaber W. Meyer) berücksichtigt werden. Unter der Internetadresse http://planetentagung.de können Sie ebenso aktuelle Informationen und den Stand der Tagungsplanung abrufen.
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Veränderliche
der Veränderlichkeit von BB Vul, sondern hat diese mittels einer Fotoplattenserie bestätigt (Abb. 2), die von verschiedenen Beobachtern am Moskauer Observatorium aufgenommen worden war. Von 47 Aufnahmen zwischen dem 21.10.1895 und dem 20.08.1911 konnte er den Stern auf 16 Platten ausmessen. Nur am 05.08.1910 zeigte sich der Stern mit 13,2 mag im schwächsten Licht. Diese Platte wurde von I. Kazansky aufgenommen, einem Beobachter, über den auch Dr. Samus nichts bekannt ist. Auch auf der Platte vom 18.09.1909 befand sich der Stern im geschwächten Licht, aber immerhin noch 0,2 mag von der Minimumshelligkeit entfernt. Bei der Bestätigung im Dezember 1932 bekam der Stern von Parenago die vorläufige Bezeichnung SVS 303 (Soviet Variable Star) und die Bemerkung Algolart.
Der eigentliche Entdecker aber ist S. Beljawsky, der den Lichtwechsel des Sterns auf einem Plattenpaar der Sternwarte Simeis (Krim) vom 10. September und 8. Oktober 1931 bemerkte und dies 1932 veröffentlichte (Abb. 3). Dabei fand er noch acht weitere Veränderliche. Der heute als BB Vul bekannte Veränderliche wurde von ihm als Nummer 3 vermerkt. Obwohl nur zwei Platten vorlagen, stufte er den Stern als Bedeckungsveränderlichen ein.
Den nächsten zugänglichen Hinweis auf BB Vul fand ich bei J. Sahade, F. Beron Davila: ,,Eclipsing Variables in Galactic Clusters" in ANNALES D'ASTROPHYSIQUE, Vol. 26, S. 153 ff, 02/1963. Dort wird der Stern als Mitglied in dem offenen Sternhaufen NGC 6940 erwähnt. Die Veränderlichkeit wurde anscheinend nicht weiter überprüft, da in der beigefügten Tabelle bei den Elementen lediglich ein Strich eingetragen ist. Mit der Veröffentlichung des Aufsatzes ,,New GCVS Data for Selected Volume III Variables" von Antipin, S. V.; Pastukhova, E. N.; Samus, N. N. im IBVS 5613, März 2005, gibt es die lang ersehnten Informationen für den praktischen Beobachter. In dieser Arbeit haben die Autoren 49 im GCVS eingetragene Veränderliche mit Daten aus dem ROTSE-1- und ASAS3-Katalog überarbeitet. Dadurch konnten rund 73 Jahre nach der Entdeckung auch für BB Vul endlich passende Elemente herausgegeben werden: - Typ: EA,RS - Epoche: JD hel. 2451345,913
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4 Erstes Phasendiagramm von BB Vul aus eigenen Beobachtungen von Mai
bis September 2010. Die Fotoplattenauswertung von P. Parenago habe ich zum Vergleich in das Diagramm aufgenommen. Die zur Konstruktion verwendeten Lichtwechselelemente stammen aus IBVS 5613 (Information Bulletin On Variable Stars).
Zur Erläuterung des Typs EA/RS hier der entsprechende Text aus dem GCVS:
E Bedeckungssysteme: Dies sind Doppelsternsysteme, deren Neigung der Bahnebene nahezu oder vollständig mit der Sichtlinie vom Beobachter zum Stern zusammenfällt, so dass sich beide Komponenten periodisch gegenseitig bedecken. Folglich sieht der Beobachter Veränderungen der scheinbaren gemeinsamen Helligkeit des Systems, welche mit der Periode des Bahnumlaufs der Komponenten übereinstimmen.
EA Algol-Bedeckungsveränderliche: Dies sind Doppelsternsysteme mit sphärischen oder schwach ellipsoidischen Komponenten. In ihren Lichtkurven lassen sich Beginn und Ende der Bedeckung leicht erkennen. Zwischen den Bedeckungen bleibt das Licht konstant oder variiert nur geringfügig auf Grund von Reflexionseffekten oder wegen der schwachen Ellipsoidität der Komponenten oder wegen physischer Veränderungen. Das Nebenminimum kann fehlen. Die Perioden streuen in einem sehr weiten Bereich von 0,2 d bis zu 10.000 d und mehr. Die Amplituden sind ebenfalls sehr unterschiedlich und können mehrere Größenklassen erreichen.
RS RS-Canum-Venaticorum-Veränderliche: Eine bemerkenswerte Eigenschaft dieser Systeme ist das Vorhandensein starker H- und K-Emissionslinien des Ca II mit veränderlicher Intensität. Dies spricht für gesteigerte, sonnenähnliche Chromosphärenaktivität. Die Systeme sind weiterhin durch das Vorhandensein von Radio- und Röntgenstrahlung charakterisiert. Einige von ihnen zeigen Lichtkurven, welche außerhalb der Bedeckungen Quasi-Sinuswellen aufweisen, deren Amplitude und Lage sich im Verlauf der Zeit langsam verändert. Das Vorhandensein dieser Welle (oft auch Distorsionswelle genannt) wird mit der Differenzialrotation des Sterns erklärt, dessen Oberfläche mit Fleckengruppen bedeckt ist. Die Rotationsperiode einer solchen Fleckengruppe ist für gewöhnlich nur wenig verschieden von der Umlaufperiode (Bedeckungsperiode), unterscheidet sich aber von dieser, woraus sich die langsame Phasenänderung (Wanderung) des Minimums und Maximums der Distorsionswelle in der mittleren Lichtkurve ergibt. Die Amplitudenveränderlichkeit der Welle (bis zu 0,2 mag im V-Band) wird durch die Existenz eines langperiodischen, stellaren Aktivitätszyklusses, ähnlich dem Elf-Jahres-Zyklus der Sonnenaktivität, erklärt, in dessen Verlauf sich Anzahl und Gesamtfläche der Flecken auf der Sternoberfläche ändern.
- Periode: 0,93892 d - Helligkeit : 12,0 - 12,7 mag V - Bemerkung: 1RXS source
Während der Nachforschungen zu dieser Arbeit konnte ich BB Vul bereits in mehreren Nächten mittels einer ST8XME CCD-Kamera am C9,25-Zoll-SCT beobachten. Dabei gelang mir am 24. Mai die Dokumentation des Nebenminimums. Die Folgebeobachtung in der nächsten Nacht zeigte, dass es eine Tiefe von rund 0,25 mag hat. Die Werte aus dem IBVS gestatteten mir nun auch die Konstruktion einer ersten Phasenlichtkurve. In diesem Fall hatte ich das Sternsystem im Bereich der Phase 0,5 beobachtet, also praktisch zur Halbzeit.
In der Folgezeit bot das Wetter einige Möglichkeiten zu erneuten Beobachtungen, bei denen ich weitere Teilstücke für die Lichtkurve sammelte. Am 1. und 2.7.2010 gelang mir endlich die Beobachtung des Hauptminimums. Die beiliegende Phasenlichtkurve (Elemente aus IBVS 5613) zeigt das Ergebnis meiner bisherigen Beobachtungen (Abb. 4).
Demnach hat das Hauptminimum im ungefilterten Farbbereich der CCDKamera eine Tiefe von 0,6 mag und eine Breite von 0,12 d (rund 2h 50m). Das Nebenminimum findet bei Phase 0,5 statt. Da das Hauptminimum nicht exakt bei Phase 0 zu liegen kommt, besteht noch weiterer Beobachtungsbedarf, um die Elemente zu verbessern. In die gleiche Richtung weisen die in das Phasendiagramm aufgenommenen Auswertungen von Parenago. Sein Hauptminimum erscheint mit den gegenwärtigen Elementen bei Phase 0,09.
Die für einen Algol-Veränderlichen typische Lichtkurve weist allerdings einige Eigenheiten auf, die möglicherweise auf die RS-CVn-Natur des Sternsystems BB Vul hinweisen.
Da ist z. B. die Tatsache, dass von Mai bis Anfang Juli der Abschnitt vom Hauptminimum bis zum Nebenminimum heller ist als der nachfolgende Teil. Im Juli wird es dann richtig interessant. Meine Messungen vom 7. und
20.7. zeigen links vom Nebenminimum eine minimal geringere Helligkeit als vorhergehende Messungen in diesem Phasenbereich, während die Messung vom 15.7. (in der Abbildung rechts vom Nebenminimum) im dortigen Trend bleibt. Zudem liegt die Helligkeit der Messung vom 20.7. in der ersten Stunde noch in etwa auf dem Niveau der Vormonate in diesem Bereich. Meiner Meinung nach sind das sichere Hinweise für Aktivitäten, in diesem Fall Sternflecken, auf mindestens einem der Sterne im System.
Völlig überraschend zeigt die Messung vom 27.7. nun sogar nach dem Nebenminimum eine weitere Absenkung der Helligkeit. Allerdings steigt diese im Verlauf der Beobachtung langsam wieder an. Dieser Anstieg setzt sich auch am 30.07. bis auf das alte Niveau fort. Dies deutet darauf hin, dass der Flecken tragende Stern mit einer anderen Periode als das ganze System rotiert. Das zeigen auch die weiteren Beobachtungen bis in den September hinein. Eine genaue Analyse der Daten könnte vielleicht sogar eine Veränderung der Fleckengröße und die Lage auf der Sternoberfläche herausarbeiten.
Leider kann ich das Helligkeitsverhalten vor dem Nebenminimum nicht in der gleichen Nacht beobachten, wie den Teil danach. Hier müssen weitere Beobachtungen, am besten auf entfernten Längengraden, ergänzendes Material liefern, damit das Helligkeitsverhalten von BB Vul in einem Guss dargestellt werden kann.
Eine mögliche Veränderlichkeit der Vergleichssterne scheidet als Ursache für die o. a. Erscheinungen aus. Ich habe bei der Kontrolle meiner Messergebnisse und bei dem Studium entsprechender Kataloge jedenfalls keine Hinweise darauf gefunden.
Mit dem berichteten Helligkeitsverhalten ist BB Vul wohl mein spannendstes Beobachtungsobjekt, dicht gefolgt von U Geminorum als bedeckungsveränderlicher Stern. Da kann ich mich doch eigentlich freuen, dass er so lange nicht aktiv beobachtet wurde.
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VdS-Nachrichten
VdS-Vorstand aktuell
von Sven Melchert
Die erste Vorstandssitzung im Jahr 2011 fand am 22. Januar in Heppenheim statt. Genauer: Der Tagungsort befand sich auf der benachbarten, 390 Meter hohen ,,Juhöhe" im Hotel Waldschenke Fuhr. Die Umgebung war entspannend und lud auch zu einem kurzen Mittagsspaziergang ein, die Tagesordnung aber reich gefüllt. Über folgende Themen wurde gesprochen:
Mitgliederentwicklung Das Jahr 2010 schloss mit einem leicht Plus von 1,4%. Die Werbeaktion im Dezember 2010 war erfolgreich und soll auch an Ostern 2011 wieder stattfinden.
Astronomietag 2012 Als Termin für den nächsten Astronomietag wurde der 28. April 2012 ausgewählt. Die Broschüren ,,Astronomie 2012" und das Plakat zum Astronomietag sollen nach Möglichkeit einen Monat früher als bisher erscheinen.
Würzburger Frühjahrstagung Sie wird bei Erscheinen dieses Heftes am 19. März im Friedrich-Koenig-Gymnasium stattgefunden haben. Über die Tagung berichtet der Vorstand in der kommenden Ausgabe.
ningen sind weitgehend abgeschlossen. Die VdS ist jeweils mit einer ganzen Seite in der Einladung für Aussteller und dem Flyer für Besucher vertreten. Nun stehen auch Ort und Zeit der Mitgliederversammlung fest: Sie wird im Anschluss an die AME um 17 Uhr im Kurhaus in Bad Dürrheim stattfinden (www. kurhaus-badduerrheim.de). Die offizielle Einladung zusammen mit der Tagesordnung wird in der nächsten Ausgabe des VdS-Journals enthalten sein.
VdS-Tagung 2011 Die Vorbereitungen zur VdS-Tagung im Rahmen der AME in Villingen-Schwen-
VdS-Fanartikel Ein neues Angebot für Mitglieder und alle, die die VdS mögen: In Zusammen-
arbeit mit der Firma Personello sind jetzt Tassen, Thermobecher und Schlüsselanhänger mit VdS-Logo erhältlich. Weitere Infos dazu finden Sie auf der VdS-Homepage unter www.sternfreunde.de.
Tag der Luft- und Raumfahrt Am 18. September wird in Köln auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) der ,,Tag der Luft- und Raumfahrt" stattfinden. Die VdS plant, mit einem Stand vertreten zu sein. Etwa 100.000 Besucher werden erwartet und Helfer aus dem Kreis der VdS sind sehr willkommen! (Kontakt: alexander.weis@vds-astro.de.)
Sternhimmelvorschau auf VdSHomepage Die Sternkarten und zugehörigen Texte werden auch als Download zur Verfügung gestellt, damit sie von Volkssternwarten an die lokale Presse gegeben werden können.
VdS-Journal Die Fachgruppen werden dazu ermächtigt, mindestens zwei Jahre Artikel aus ihren entsprechenden Rubriken im VdSJournal auch online als PDF-Datei zur Verfügung zu stellen.
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VdS-Nachrichten
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Wir begrüßen neue Mitglieder
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Faßbender Häbich Hoffmann Hümmerich Jansen Keuper Korff Dr. Kukla Moscherosch Müller-Tevt Relling Runge Schmegel Schönfeld Dr. Schröder Sichert Teichrib Titz Von Deetzen Waldmann Woltmann Wyte Zöller
Vorname
Frank Hannes Ronald Stefan Wolfgang Marcus Jürgen Frank Lars Olaf Thomas Andreas Rainer Andreas Michael Ina Peter Christian Stephan Jochen Reinhard Manfred Georg
PLZ
41542 71540 07751 56338 13187 66386 48712 97080 65618 22880 22419 21629 27432 45886 27432 95447 33790 73479 27283 75050 31241 28237 97241
Ort
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VdS-Nostalgie
VdS-Journal Nr. 37
VdS-Nostalgie
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VdS-Journal Nr. 37
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VdS vor Ort / Tagungsberichte
Fachgruppen-Aktivitäten:
Mit auf dem ,,Wandertag" von Astronomie.de
von Daniel Spitzer und Peter Riepe
1 Auf der Sonnenuhr der Halde Hoheward, im Hintergrund das Horizont-
observatorium
Für den 3. und 4. Juli 2010 hatte Stefan van Ree, Administrator des bekannten Internetforums Astronomie.de, die aktiv Mitwirkenden zum zweiten Wandertag aufgerufen. Aufgrund der Zusammenarbeit der Fachgruppen Astrofotografie und visuelle Deep-Sky-Beobachtung waren die beiden Autoren in ihrer Funktion als Fachgruppenleiter mit dabei.
Bei bestem Wetter und Temperaturen von über 30 Grad C starteten die ,,Wanderer" zunächst zum Horizontobservatorium auf der Halde Hoheward in Recklinghausen. Dr. Burkhard Steinrücken, Leiter der Volkssternwarte Recklinghausen, führte über das Gelände und erläuterte Konzeption und Bau der imposanten Anlage. Leider ist das Horizontobserva-
3 Die ,,Wanderer" beim gemütlichen Abend
VdS-Journal Nr. 37
2 Die neue Projektionseinrichtung
im Bochumer Planetarium
torium wegen beschädigter Schweißnähte von Bauzäunen umgeben. Auch die Sonnenuhr wurde ausgiebig betrachtet und fotografiert. Sie besteht aus einem Obelisken, auf dessen Spitze sich eine Kugel befindet und deren Schatten auf der umgebenden Fläche die Zeit anzeigt. Der Besuch der weitläufigen Anlage ist allen astronomisch Interessierten sehr zu empfehlen. Nach einem kleinen Mittagsimbiss am Fuß der Halde wurden die Hotelzimmer am Südwestrand Dortmunds bezogen. Auch das Weltmeisterschaftsspiel Deutschland - Argentinien konnte dort noch komplett verfolgt werden, bis die Fahrt zum Planetarium in Bochum anstand. Frau Prof. Dr. Hüttemeister erläuterte uns die frühere und heutige Planetariumstechnik im Rahmen einer Technikführung, gefolgt von der Vorstel-
VdS vor Ort / Tagungsberichte
93
lung ,,Faszinierendes Weltall". Der Abend klang in gemütlicher Runde bei gutem Essen in einem Bochumer Lokal aus.
Am Sonntagvormittag wurde die ,,Wanderung" (per Pkw) nach Oberhausen fortgesetzt. Innerhalb der ,,Sternstunden" haben sich verschiedene Sponsoren aus dem Ruhrgebiet mit der Deutschen Agentur für Luft- und Raumfahrt zusammengeschlossen und im Gasometer Oberhausen eine atemberaubende Ausstellung zu Astronomie und Raumfahrt eingerichtet. In einer Sonderführung erlebten wir das Planetensystem, Nebel und Galaxien anhand riesiger Bilder aus Sicht des Weltraumteleskops Hubble. Sehr informativ war der Gang durch die historische Abteilung, in der über die Entwicklung der Astronomie seit dem Altertum informiert wurde. Besonders beeindruckend war der riesige (25 m Durchmesser!) leuchtende Mond, der in halber Höhe des 90 m hohen Gebäudes im Dunklen über der
zweiten Ausstellungsebene schwebt. Danach bestand Gelegenheit, den Dachbereich des Gasometers zu besteigen und in luftiger Höhe einen weiten Blick über das westliche Ruhrgebiet zu genießen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen in einer Pizzeria im Schatten des Gasometers löste sich die Runde zum Heimweg auf. Überlegt wurde, den nächsten ,,Wandertag" wahrscheinlich nach Bremen zu legen.
Die Zusammenarbeit zwischen Astronomie.de und den beiden Fachgruppen dauert bereits seit etlichen Jahren an und hat gute Früchte getragen. Man denke z. B. an das AdW, das ,,Astrofoto der Woche". Die Fachgruppe Deep-Sky hingegen wird ihre Seite auf Astronomie.de bald neu gestalten, um ihr wieder Leben einzuhauchen. Wir haben uns über die Einladung zum Mitmachen sehr gefreut und bedanken uns herzlich bei Stefan van Ree.
4 Im Gasometer Oberhausen fand
bis Ende 2010 die Ausstellung ,,Sternstunden" statt
5 Blick in den dunklen Ausstellungsraum der unteren Ebene
6 Was gibt es im Inneren des Marskraters zu sehen?
Die Bochumer Herbsttagung 2010
von Harald Tomsik und Rainer Sparenberg
Die 29. BoHeTa schlug wieder einmal die Brücke zwischen den Möglichkeiten der Amateure und der Sicht der professionellen Astronomie. Das bewusst gepflegte Miteinander drückte sich auch in der Zusammensetzung der Veranstalter aus: Peter Riepe, VdS-Fachgruppe Astrofotografie, Prof. Dr. Dettmar, Lehrstuhlinhaber Astronomie an der Bochumer Ruhr-Universität sowie Frau Prof. Dr. Hüttemeister vom Planetarium Bochum (Abb. 1).
Den ersten Vortrag hielt Dr. Eberhard Bredner in seiner ,,bekannten Art" über die Beobachtung und Auswertung von Sternbedeckungen durch Kleinplaneten. Er begann mit dem Hinweis, dass die BoHeTa 2010 zwar die Nummer 29 trägt, dass aber bei einem Jahr Pause die 1. BoHeTa bereits vor 30 Jahren stattfand. Dem verdutzten Hauptinitiator Peter Riepe (Abb. 2) wurde danach mit stehenden Ovationen gedankt. Dank des
furiosen Vortrags von Dr. Bredner wurde anhand seiner Tonmitschnitte während der Videoaufzeichnungen rasch klar, dass neben dem kühl rechnenden Astronomen in der Brust eines Amateurs auch ein emotionales Wesen existiert, das in langen Nächten ohne greifbares Ergebnis leidet, sich über Erfolge aber überschäumend freuen kann. Bernd Gährken nutzte eine alle 15 Jahre auftretende Kantenstellung der Saturnringe in den Jahren
VdS-Journal Nr. 37
94
VdS vor Ort / Tagungsberichte
2009 und 2010, um ungestört auch die Bewegungen der Saturnmonde mit ihren Schattenwürfen zu beobachten. Beeindruckend, mit welchen Tricks selbst die schwachen Saturnmonde Calypso und Dione aufgenommen werden konnten. Ernst Pollmann hauchte den nüchternen Linien in den spektroskopischen Messungen des Sterns P Cygni Leben ein, indem er die Brücke von den Messwerten zu den sie verursachenden Ereignissen im Werden und Vergehen dieses massereichen Sterns schlug. Wolfgang Bischof zeigte, dass auch mitten im dicht besiedelten und damit auch nachts hellen Ruhrgebiet durch eine geschickte Auswahl von Linienfiltern gezielt astronomische Information eingesammelt und das störende irdische Streulicht vom resultierenden Bild ferngehalten werden kann (Abb. 3). Über eine spezielle Technik werden den gut belichteten Nebeln auch wirklichkeitsnahe Sternfarben überlagert. Ganz aktuelle Bilder vom damals noch zu beobachtenden Kometen 103P/Hartley 2 brachte Stefan Karge mit. Für seine astronomischen Verdienste wurde der bis vor wenigen Jahren als Mitveranstalter fungierende Prof. Dr. Wolfhard Schlosser geehrt. Ein an der Sternwarte Heppenheim entdeckter Kleinplanet wurde auf seinen Namen getauft, Rainer Kresken übergab Herrn Schlosser die Urkunde (Abb. 4).
Über eine Reise zur totalen Sonnenfinsternis 2010 nach Patagonien in den Schnee der argentinischen Anden berichtete Stefan Krause. Auch hier stand
deckung des 2,7 mag hellen Sterns Delta Ophiuchi durch den 13,5 mag hellen Kleinplaneten 472 Roma. Viele andere Gruppen hatten wegen einer ungenau-
1 Begrüßung durch die Veranstalter
die Dualität von nüchterner Beobachtung und emotionalem Erleben im Mittelpunkt. Kurz vor Sonnenuntergang entstanden überwältigende Bilder von der bedeckten Sonne mit der Silhouette der Anden. Dr. Wolfgang Strickling war einer der glücklichen Beobachter der Be-
2 ,,BoHeTa seit 1980? Der Organi-
sator kann es kaum glauben!"
3 NGC 6543, Aufnahme vom 16.04.2010 aus dem Ruhrgebiet! 8"-Newton 1:6,
Starlight Xpress SXV-H9, 6 x 1000 s [O III], 7 x 1000 s H-Alpha, je 8 x 100 s für R und G, 8 x 130 s für B. Innenteil des Nebels: je 8 x 40 s in H-Alpha und [O III]. Bildautor: Wolfgang Bischof.
VdS-Journal Nr. 37
en Vorhersage des Bedeckungspfades an falscher Stelle beobachtet und waren ohne Erfolgserlebnis und nur noch müde von dieser Nacht nach Haus gefahren. Hans-Günter Diederich forderte die Zuhörer auf, ebenfalls wie er selbst, weit entfernt wohnenden hilfesuchenden Amateuren via Telefon und Internet in direktem Coaching bei Fragen aus der Astropraxis (z.B. Bildbearbeitung) beizustehen.
VdS vor Ort / Tagungsberichte
95
4 Strahlender Empfänger der Kleinplaneten-Urkunde - Prof. Dr. W. Schlosser.
Bildautorin: Ulrike Sinzel.
diger Bildbearbeitung konnten sogar Filmsequenzen eines Staubsturms auf Mars präsentiert werden. Dieses Video hätte einem fernab von unserer flimmernden Atmosphäre im Weltraum stationierten Teleskop zur Ehre gereicht. Mischa Schirmer hielt einen Vortrag (bayerisch im Ruhrpott!) über ,,Theli", sein astronomisches Bildverarbeitungsprogramm, das auf höchstem wissenschaftlichem Niveau für die Berufsastronomie entwickelt, von ihm auch den Amateuren kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Zum Betrieb ist allerdings Linux erforderlich. Besonderer Wert lag auf der Kalibrierung der ,,richtigen" Sternfarben. Selbst komplexe Mosaikbilder können mit Theli erstellt werden. Den Anwendern wird eine stringente, intuitiv gut erfassbare, objektive und von willkürlicher Reglerschieberei befreite Bearbeitung von Rohdaten zu physikalisch aussagefähigen Bildern ermöglicht. Den Abschluss gestaltete Bruno Mattern,
Wie vom Stiftungsgeber ge-
wünscht, verlieh Jakob Stau-
de (Max-Planck-Institut für
Astronomie Heidelberg und
Mitherausgeber von Sterne
und Weltraum) zum zwei-
ten Mal den Reiff-Preis für
Amateur-/Schularbeiten auf
der BoHeTa. Der Preis ging
in diesem Jahr an Studien-
rat Martin Falk und seine
Astronomie-AG (www.gemini-
astronomie.de) am Albert-
Einstein-Gymnasium
in
Buchholz. Die BoHeTa wurde
zu Lebzeiten von Herrn Reiff
wegen ihrer Art der Wissens-
vermittlung geschätzt. Durch den Reiff-Preis wird sie damit
5 Deutlich mehr Teilnehmer als im Jahr 2009 zog die BoHeTa 2010 an.
weiterhin gewürdigt. Der von
der Reiff-Stiftung unterstütz-
te ,,Reiff-Vortrag" verkörperte diesmal in Planet verursacht, wenn er vor einem Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofoto-
ganz besonderer Weise die Zusammenar- Stern vorbeizieht. Die Profis nutzen hier- grafie, mit ästhetischen Farbbildern aus-
beit zwischen Berufs- und Amateurast- für ihre großen Teleskope oder sogar Sa- gewählter Galaxien und Nebel.
ronomen.
telliten. Amateure können diesen Effekt
aber auch mit kleineren Teleskopen fest- So spiegelte die gesamte Tagung - wie
Gemeinsam referierten die versierte Di- stellen, wenn sie sehr genau arbeiten.
schon der Eingangsvortrag - die komplexe
plom-Physikerin Stefanie Rätz von der Ein ästhetischer Höhepunkt waren die Seelenstruktur des Amateur- (Liebhaber-)
Universität Jena und ihr zu Recht strah- Planetenaufnahmen von Sebastian Volt- Astronomen wieder: den analytischen
lender Vater Manfred Rätz - ebenfalls mer. Er zeigte sein Können in der Video- Beobachter wie den die Schönheiten der
Physiker, aber Amateur-Astronom - über Astrofotografie und präsentierte dem Natur genießenden Homo astronomicus.
die Beobachtung von Planeten um ferne staunenden Publikum extrem scharfe Erfreulicher Abschluss: Insgesamt 205
Sonnen mit der Transitmethode. Hierzu Bilder von Jupiter, Saturn und Mars. An- Besucher fanden den Weg zur BoHeTa
wird fotometrisch der sehr geringe Hel- hand exakter Beobachtung, physikalisch 2010, und damit deutlich mehr als in
ligkeitsunterschied gemessen, den ein gut begründeter Filterwahl und aufwän- 2009 (siehe Abb. 5).
VdS-Journal Nr. 37
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Zum Schmunzeln
Millimeter oder Zoll
- unernste Gedanken zur Größe von Fernrohren
von Wolfgang Quester
Achim Liebig hat im VdS-Journal Nr. 35 (Heft IV/2010) auf Seite 118 seine Empfindungen und Verwirrungen bei Größenangaben von Fernrohren in heiterer Art beschrieben. Das weckte Erinnerungen an meine Zeit auf der Wilhelm-FoersterSternwarte vor 60 Jahren. Damals machten uns Jugendlichen die ,,Alten Herren" klar, dass Zollangaben für Fernrohröffnungen eigentlich auf dem Pariser Zoll zu 27,07 mm beruhen. Und tatsächlich, im Riekher (,,Fernrohre und ihre Meister") kann man lesen, dass Fraunhofer die Durchmesser seiner Objektive in französischen Zoll angibt.
Aber wir kannten höchstens den englischen Zoll, und so war ein Refraktor mit zehn Zentimetern Öffnung eben
ein ,,4-Zöller" - damals noch ein großes Fernrohr für Amateure.
Die Technik schreitet voran und die Teleskope werden immer größer. Ein 4-Zöller wird heute nicht mehr als groß empfunden, aber seine Maße sind genauer geworden. Ein ordentlicher 4-Zöller hat nicht mehr 100 Millimeter Öffnung, sondern 102 Millimeter und ein 8-Zöller hat bitteschön 203 Millimeter Öffnung. Ist da beim Malnehmen mit Zwei etwas verlorengegangen? Lebte Fraunhofer noch, so würde er den 8-Zöller mit 216,6 Millimeter Objektivdurchmesser ausliefern. Der Pariser Zoll hat aber auch Nachteile. Das fast 10-zöllige Spiegelteleskop mit 9 1/4 Zoll Öffnung wäre im fraunhoferschen Maß ein mickriger 8 2/3-Zöller.
Dabei ist Acht eine schöne Zahl. Schließlich sind Fachastronomen stolz auf ihre Teleskope der Acht-Meter-Klasse. Aber das ist noch nicht das Ende der Skala. Mancher Amateur, der auf einer Volkssternwarte einen 40-Zöller steuert, träumt sicher davon, in einigen Jahren das 40-m E-ELT besichtigen zu können.
Und wer an Interferometer denkt, darf schon kilometergroße Arrays betrachten. Vielleicht stehen irgendwann Komponenten eines Interferometers sowohl auf der Erde als auch auf dem Mond. Dann wird seine Größe sicher in Lichtsekunden angegeben, aber bitte auf die 20. Stelle hinterm Komma genau.
Impression
Jupiter und die Entwicklung des südlichen Äquatorbandes 2010/2011
Im linken Bild vom 09.10.2010 um 00:27 UT (mit Jupitermond Io) ist das südliche Äquatorband noch verschwunden. Nach und nach taucht es in einzelnen schmalen Bändern und dunklen Wirbeln wieder auf: Rechts im Bild der Jupiter am 28.01.2011 um 18:20 UT (mit Ganymed links und Io rechts) in nahezu gleicher Rotationsstellung wie im linken Bild. Beide Aufnahmen mit einer Farb-Videokamera DBK21 mit 640x480 px und IR-Sperrfilter an einem APO-Refraktor 150mm / 1100mm bei Äqivalentbrennweite von 5,5 m. (Aufnahmen Werner E. Celnik, Rheinberg)
VdS-Journal Nr. 37
SCHWAN LUCHS
LEIER Albireo
Wega HERKULES
GROSSER BÄR
SCHLANGENTRÄGER
NÖRDL. KRONE
Gemma
BOOTES
SCHLANGE (KOPF)
Arktur
JAGDHUNDE
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
Saturn
SÜDOS T
SKORPION
Sternkarte exakt gültig für 15. April 1 Uhr MESZ
WAAGE
Spica RABE
BECHER
INER LÖWE KLE
LÖWE
Regulus
SEXTANT
RSCHLANGE WASSE
SÜDWEST
Castor ZWILLINGE Pollux
KREBS KLEINER HUND
Procyon
Alphard
SÜD
Mondphasen im April 2011
Neumond 3.4.
Erstes Viertel 11.4.
Vollmond 18.4.
Letztes Viertel 25.4.
Planeten im April
Merkur war Mitte bis Ende März am Abendhimmel zu sehen. Seine westliche Elongation Ende April führt nicht zu einer Sichtbarkeit.
Venus kann im April noch morgens gesehen werden. Ihr Durchmesser schrumpft und sie wird rundlicher.
Mars bleibt auch im April weiterhin unbeobachtbar am Taghimmel.
Jupiter wird am 6. April seine Konjunktion mit der Sonne erreichen und ist daher nachts nicht sichtbar.
Saturn steht in der Nacht vom 3./4. April in Opposition und ist ideal zu beobachten.
Uranus hat seine Konjunktion mit der Sonne hinter sich, steht aber weiterhin unsichtbar am Taghimmel.
Neptun legt im April für Beobachter eine Pause ein - er befindet sich wie Mars und Uranus am Taghimmel.
Ereignisse im April
01.
R Leo (Löwe) im Anstieg zum
Maximum bei 3 mag oder
schwächer Ende Mai
02. 10:02 Mond in Erdferne
03. 15:32 Neumond
04. 00:56 Saturn in Opposition zur
Sonne
04. 10:48 Merkur 24' S Mondrand,
Taghimmel
07. 20:30 Mond 4,3 Grad SO Plejaden
07. 22:10 Mond bedeckt nacheinander
die Sterne 37 Tau (Stier) und
39 Tau
11. 13:05 Erstes Viertel
13.
max. Libration im Mond-NW
17. 4h Mond 8,6 Grad S Saturn
17. 06:58 Mond in Erdnähe
17.21:00 18. 03:44 20. 23:35 25. 03:47 29. 19:01
Mond 3,1 Grad S Spica (Alpha Virginis) Vollmond Mond 2,5 Grad N Antares (Alpha Scorpii) Letztes Viertel; max. Libration im Mond-SO Mond in Erdferne
Alle Zeitangaben in MEZ, exakt für 10 Grad östl. Länge / 50 Grad nördl. Breite
VdS-Journal Nr. 37
Deneb SCHWAN
DRACHE
FÜCH SCH EN
DELFIN PFEIL
Albireo
Wega LEIER
HERKULES
NÖRDL. KRONE
Gemma
Atair
ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)
SCHLANGENTRÄGER
SCHLANGE (KOPF)
GROSSER BÄR
JAGDHUNDE
BOOTES Arktur
HAAR DER BERENIKE
JUNGFRAU
Saturn
WE ER LÖ KLEIN LÖWE
SCHILD
SÜDOS T
Sternkarte exakt gültig für 15. Mai 1 Uhr MESZ
Pluto
SKORPION Antares
Mondphasen im Mai 2011
WAAGE
WOLF SÜD
Spica RABE
BECHER
WASSERSCHLANGE
SÜDWEST
LUCHS
Regulus
Neumond 3.5.
Erstes Viertel 10.5.
Vollmond 17.5.
Planeten im Mai
Merkur erreicht Anfang Mai eine westliche Elongation von der Sonne, taucht aber bei uns am Morgenhimmel nicht auf.
Venus verabschiedet sich vom Morgenhimmel. In ihrer Nähe halten sich anderen Planeten auf: In der ersten Monatshälfte Merkur und Jupiter, in der zweiten Monatshälfte Mars und Merkur!
Mars taucht noch nicht am Morgenhimmel auf; die Begegnung mit Venus kann aber mit einem Fernglas verfolgt werden.
Jupiter macht sich ab Mitte Mai am Morgenhimmel bemerkbar.
Saturn hat seine Opposition hinter sich und ist noch fast die ganze Nacht zu sehen.
Uranus ist auch in diesem Monat nachts nicht sichtbar.
Neptun kann im Juni wieder am Morgenhimmel gesehen werden.
Ereignisse im Mai
01. 05:08 Mars 21,7' N Jupiter,
Taghimmel
03. 07:50 Neumond
10. 21:33 Erstes Viertel
11.
max. Libration im Mond-NW
15. 12:24 Mond in Erdnähe
17. 12:09 Vollmond
24. 19:52 Letztes Viertel; max. Libration
im Mond-SO
27. 10:56 Mond in Erdferne
30.
R Leo (Löwe) im Maximum bei
3 mag oder schwächer
Alle Zeitangaben in MEZ, exakt für 10 Grad östl. Länge / 50 Grad nördl. Breite
VdS-Journal Nr. 37
Letztes Viertel 24.5.
KLEINER LÖWE
Deneb
DRACHE
PEGASUS
FÜCHSCHEN
DELFIN FÜLLEN
PFEIL Atair
WASSE RMAN N
SCHWAN
Wega HERKULES
LEIER Albireo
ADLER
SCHLANGE (SCHWANZ)
SCHLANGENTRÄGER
NÖRDL. KRONE
Gemma
SCHLANGE (KOPF)
GROSSER BÄR JAGDHUNDE
BOOTES Arktur
HAAR DER BERENIKE
LÖWE
JUNGFRAU
Saturn
SÜDOS T
Sternkarte exakt gültig für 15. Juni 1 Uhr MESZ
STEINBOCK
SCHILD Pluto
SCHÜTZE
SKORPION Antares
WAAGE WOLF
Spica SÜDWEST
Mondphasen im Juni 2011
SÜD Mondfinsternis
Neumond 1.6.
Erstes Viertel 9.6.
Vollmond 15.6.
Planeten im Juni
Merkur ist im Juni nicht zu sehen.
Venus kann morgens noch tief am Nordosthimmel gefunden werden. Sie ist klein und fast kugelrund.
Mars kann vielleicht gegen Monatsende wieder am Morgenhimmel gefunden werden.
Jupiter macht sich zunehmend am Morgenhimmel bemerkbar.
Saturn wird zum Objekt der ersten Nachthälfte, seine Helligkeit geht weiter zurück.
Uranus ist für Ambitionierte wieder ein Objekt am Morgenhimmel.
Neptun kann ab der Monatsmitte wieder in der zweiten Nachthälfte aufgespürt werden.
Ereignisse im Juni
01. 22:02 Neumond
Partielle Sonnenfinsternis,
sichtbar am Nordkap, Island,
Grönland, Kanada und
NO-Sibirien
08.
max. Libration im Mond-NW
09. 03:10 Erstes Viertel
10. 22:30 Mond 9,0 Grad S Saturn
12. 0h Saturn 16' S Gamma Virginis,
3,4 mag
12. 02:41 Mond in Erdnähe
15. 0h Mond 3,4 Grad NO Antares (Alpha
Scorpii)
15. 21:13 Vollmond; Totale Mondfinster-
nis, in D teilweise sichtbar, bei
Mondaufgang
21. 18:17 Sommeranfang
21.
max. Libration im Mond-SO
23. 12:48 Letztes Viertel
24. 05:11 Mond in Erdferne
26. 00:50 U Oph (Schlangenträger)
Minimum 6,6 mag. Von 5,9
mag in 2 Stunden erreicht.
Letztes Viertel 23.6.
26. 2:30 Mond 4,7 Grad NW Jupiter
28.
Zwergplanet 134.340-Pluto in
Opposition zur Sonne, 14,0
mag, 0,11'', 31,04 AE
30. 4:00 Die schmale Mondsichel steht
knapp zwei Grad von Venus
entfernt
Alle Zeitangaben in MEZ, exakt für 10 Grad östl. Länge / 50 Grad nördl. Breite
VdS-Journal Nr. 37
100
Service
M wie Messier
von Torsten Güths
Der französische Astronom Charles Messier lebte in den Jahren 1730 bis 1817. Er stellte ab 1758 die wohl heute noch bekannteste Auflistung von nicht stellar erscheinenden Himmelsobjekten zusammen. Sein Katalog diente ihm als echte Arbeitsunterlage, um bei der Suche nach Kometen nicht irrtümlich einen der fixen Nebel mit einem neuen Kometen zu verwechseln. Nicht alle Objekte hat er selbst entdeckt, er übernahm sie auch von Kollegen.
Die heutige Messierliste umfasst 110 Objekte, von denen einige bereits dem unbewaffneten Auge zugänglich sind. Mit einem guten Fernglas wird immerhin schon mindestens die Hälfte sichtbar. Somit eignen sie sich besonders für Astronomieeinsteiger und Anwender kleinerer Fernrohre, für die einige Messierobjekte bereits eine Fülle von Details aufweisen können.
Die Daten und historischen Objektbeschreibungen wurden aus Burnham ,,Burnham´s Celestial Handbook", Kepple/ Sanner ,,Nightsky Observing Guide"
Die nächsten Objekte in dieser Rubrik. Bitte senden Sie Ihre Beobachtungen ein!
VdS-J 39 40
Ausgabe 4/2011 1/2012
Benötigte Objekte M 70 Sgr, M 85 Com M 54 Sgr, M 55 Sgr
Einsendeschluss April 2011 Juli 2011
und dem Internet (Pariser Observatorium http://www.obspm.fr/) entnommen.
Im VdS-Journal wollen wir Sie mit dieser Rubrik anregen, Ihre eigenen Objektbeschreibungen einzureichen! In der Ihnen vorliegenden 33. Folge unserer "M"-Serie sind Berichte von Gerd Kohler, Dirk Panczyk und Gerhard Scheerle enthalten, sowie Aufnahmen von Harald Strauß und vom Verfasser abgebildet. Vielen Dank den Zusendern!
Bitte schicken Sie Ihre visuellen Beobachtungseindrücke zu diesen Objekten direkt an den Verfasser dieser Rubrik, Stichwort "Messierobjekte". Vergessen Sie bitte nicht, die Beobachtungsumstän-
de anzugeben: zumindest die Grenzgröße mit bloßem Auge, die Öffnung Ihrer benutzten Instrumente und die eingesetzten Vergrößerungen. Eine Dateiform wie Microsoft Word (doc, txt, rtf) wäre gut. Der Verfasser behält sich Textanpassungen vor.
Von den folgenden Objekten fehlt noch fotografisches Bildmaterial: M 28, M 85
Torsten Güths Höhenweg 1g, D-61231 Bad Nauheim Oder: solaris1000@gmx.de
M 58, Jungfrau (Vir)
Objekttyp:
Balkenspiralgalaxie,
Typ SAB
Entfernung:
65 Millionen
Lichtjahre
Reale Ausdehnung: 100.000 Lichtjahre
Scheinbare Helligkeit: 9,7 mag
Winkelausdehnung: 5,5' x 4,6'
Koordinaten:
RA 12h37m
Dekl. 11 Grad 49`
Historisches: Dieser Nebel wurde von Messier am 15. April 1779 entdeckt. Seine Sichtung war
1 Kamera war eine Starlight
Xpress MX7C. Fünf Aufnahmen von je fünf Minuten Belichtungszeit durch ein 15-cm-Newton-Teleskop mit 880 mm Brennweite. (Torsten Güths)
VdS-Journal Nr. 37
Service 101
wie M 59 ein Nebenprodukt der Beobachtung des Kometen von 1779. Messier erkannte ihn als sehr schwaches Objekt, während Herschel viele Jahre später M 58 als kaum auflösbares aber flockiges Objekt sah. Vielleicht der erste Hinweis auf die Spiralform.
Objektbeschreibungen unter guten Bedingungen (Grenzgröße ungefähr 6 mag)
Fernglas 8x56: M 58 ist als winziges und schwaches Nebelfleckchen von 9,4 mag gerade noch zu erkennen. Die Größe beträgt vielleicht 2`. (G. Scheerle)
11 cm Öffnung: M 58 ist sehr gut zu sehen als ein 9,2 mag heller und 4` bis 5` großer Nebel. (G. Scheerle)
20 cm Öffnung: Bei 91-fach groß und hell. Mit indirektem Sehen etwas heller. Die Form ist oval und von einem großen, hellen Kern umgeben mit einem gut sichtbaren, gleichmäßig hellen Nebel. (G. Kohler)
23 cm Öffnung: Der etwa 10 mag helle Nebel ist leicht elongiert in PW 60 Grad . Die Größe beträgt 3,5` x 2,5`. Er zeigt sich stark konzentriert; der Kern erscheint sternähnlich von 13,5 mag Helligkeit. (G. Scheerle)
33 cm Öffnung: Ein ovaler, hellerer Kern mit schwächeren Außenpartien. Insgesamt relativ lichtschwach. Im ,,Atlas für Himmelsbeobachter" beschriebener Balken nicht zu sehen. (D. Panczyk)
40 cm Öffnung: M 58 zeigt sich als ein sehr stark konzentrierter, 5` x 3,5` großer, in PW 70 Grad elongierter Nebel. Der Kern ist aber nicht sternförmig. Die Gesamthelligkeit beträgt 9,6 mag. (G. Scheerle)
Fotografie: Diese Galaxie benötigt recht lange Brennweiten. Mit der digitalen Fotografie über CCD oder DSLR können wir ab 500 mm die grobe Spiralstruktur gut erfassen, doch die feineren Details werden erst ab 1000 mm sichtbar. Die Belichtungszeiten sollten auch so tief sein, was der Himmel hergibt. Dann erfasst man auch die schwächeren Ausläufer. Für Analogfotografie gilt das Gesagte, allerdings können wir hier die doppelte Brennweite nehmen.
M 59, Jungfrau (Vir)
Objekttyp:
Elliptische Galaxie,
Typ E5
Entfernung:
65 Millionen
Lichtjahre
Reale Ausdehnung: 87.000 Lichtjahre
Scheinbare Helligkeit: 9,6 mag
Winkelausdehnung: 4,6' x 3,6'
Koordinaten:
RA 12h42m
Dekl. 11 Grad 39`
Historisches: In der Nacht vom 11. April 1779 sah erstmals der deutsche Astronom Johann Gottfried Koehler in Dresden diesen Nebel während der Beobachtung des Kometen von 1779. Messier spürte ihn ebenfalls bei der Beobachtung dieses Kometen vier Tage später auf und beurteilte seine Helligkeit als vergleichbar mit der von M 58.
Objektbeschreibungen unter guten Bedingungen (Grenzgröße ungefähr 6 mag)
Fernglas 8x56: M 59 ist als winziges und schwaches Nebelfleckchen von 9,4 mag gerade noch zu erkennen. Die Größe beträgt vielleicht 2`. (G. Scheerle)
11 cm Öffnung: M 59 ist sehr gut zu sehen als ein 9,4 mag heller und 3` großer runder Nebel. (G. Scheerle)
2 Aufgenommen im Jahre 1997 durch ein 25-cm-Schmidt-Cassegrain-Teleskop
bei 1625 mm Brennweite. Die Kamera war eine Sbig ST7 mit dreifachem Binning und die Belichtungszeit betrug 1x 300 s. (Harald Strauß)
20 cm Öffnung: Er erscheint bei 119-fach mittelgroß, hell und oval. Er ist gut zu sehen und besitzt einen mittelgroßen, hellen Kern. (G. Kohler)
23 cm Öffnung: M 59 ist 9,6 mag hell und 2,5` x 2` groß - leicht elongiert in PW
160 Grad . Die Galaxie ist sehr stark konzentriert. (G. Scheerle)
33 cm Öffnung: Bei 100-fach sah ich eine ovale Form mit einem helleren Kerngebiet. (D. Panczyk)
VdS-Journal Nr. 37
102 Service
Service
40 cm Öffnung: M 59 zeigt sich als extrem stark konzentrierte, in PW 160 Grad elongierte Nebelfläche. Die Größe beträgt 3` x 2`, die Helligkeit 10 mag. Der Kern erscheint sternähnlich. (G. Scheerle)
Fotografie: Als Elliptische Galaxie ist M 59 recht unfotogen. Auch bei langen Brennweiten zeigen sich keine Strukturen. Auch der hohe Helligkeitsumfang
stellt den Fotografen vor eine interessante Aufgabe. Die Brennweiten sollten 1000 mm für die digitale Fotografie betragen, da die Galaxie recht klein ist. Interessanter wird es, wenn man M 59 zusammen mit M 60 ablichtet. Das geht hervorragend mit dem APS-C-Format und Brennweiten von 1000 bis 1500 mm.
M 89, Jungfrau (Vir)
Objekttyp:
Elliptische Galaxie,
Typ E
Entfernung:
65 Millionen
Lichtjahre
Reale Ausdehnung: 64.000 Lichtjahre
Scheinbare Helligkeit: 9,8 mag
Winkelausdehnung: 3,4'
Koordinaten:
RA: 12h35m
Dekl. 12 Grad 33`
Historisches: Charles Messier entdeckte dieses Objekt am 18. März des Jahres 1781. Es erschien ihm als sehr lichtschwach und war nur schwer erkennbar.
Objektbeschreibungen unter guten Bedingungen (Grenzgröße ungefähr 6 mag)
Fernglas 8x56: M 89 ist als winziges und sehr schwaches Nebelfleckchen von 9,6 mag gerade noch zu erkennen. Die Größe beträgt vielleicht 2`. (G. Scheerle)
11 cm Öffnung: M 89 ist ein 3` großer, runder und kompakter Nebel. Die Kernregion erscheint klein und sehr hell. Die Gesamthelligkeit beträgt 9,6 mag. (G. Scheerle)
20 cm Öffnung: Er ist hell, rund mit einem hellen sternförmigen Kern. Gut zu sehen. (G. Kohler)
23 cm Öffnung: M 89 zeigt sich als ein 9,8 mag heller, 3` großer, runder und stark konzentrierter Nebel. Das helle Kerngebiet ist 1,5` groß; der Kern erscheint sternähnlich 12,8 mag. Ein Stern 13,2 mag steht in 100" Abstand vom Kern in PW 70 Grad . Das Kerngebiet wirkt etwas körnig: um den Kern sind
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Aufgenommen im Jahre 1997 durch ein 25-cm-Schmidt-Cassegrain-Teleskop bei 1625 mm Brennweite. Als Kamera wurde eine Sbig ST7 mit dreifachem Binning eingesetzt und die Belichtungszeit betrug 1x 300 s. (Harald Strauß)
in einem Feld von 1,2` Durchmesser mehrere undeutliche Knötchen zu erkennen. (G. Scheerle)
33 cm Öffnung: Auch bei 200-fach noch relativ klein. Er hat eine rundliche Form mit einem helleren, sternförmigen Kern umgeben von einem schwächeren Außenbereich. (D. Panzcyk)
40 cm Öffnung: M 89 ist ein kleiner (nur 2` Größe), stark konzentrierter Nebel mit der Helligkeit 9,4 mag. (G. Scheerle)
Fotografie: Als Elliptische Galaxie ist M 89 nicht fotogen. Auch mit langen
Brennweiten gibt sie keine Strukturen preis. Auch der helle Kern und das gleichzeitig lichtschwache Halo stellt den Fotografen vor eine interessante Aufgabe. Die Brennweiten sollten 1000 mm für die digitale Fotografie betragen, da die Galaxie recht klein ist. Interessanter wird es, wenn man die Spiralgalaxien M 59 oder M 90 zusammen mit M 88 ablichtet. Das geht hervorragend mit dem APS-C Format und Brennweiten von 500 bis max. 1000 mm.
Service 103
Aus heiterem Himmel -
blitzartige Himmelsereignisse
von Wolfgang Meirich
Iridiumblitze und Kometen am dunklen Himmelszelt sind lohnenswerte Beobachtungsobjekte und werden gern fotografisch eingefangen. Jeder kann sich für seinen Ort die exakte Uhrzeit, wann solch ein ,,Blitz" oder periodischer Komet über seinem Beobachtungsort zu sehen ist, ausrechnen lassen. Die Internetseite http://www.heavens-above.com/ macht es beispielsweise möglich. Doch es zeigen sich auch andere blitzartige unvorhersehbare Himmelsaufheller!
Es ist der 3. Oktober 2010, der Himmel klart am Abend auf. Die Koordinaten des Kometen P/Hartley 2 (103P) sind notiert, die Akkus der Spiegelreflexkamera aufgeladen. Nach langer wetterbedingter Pause soll nun endlich der Komet Hartley 2 eingefangen werden. Die Kuppel der Sternwarte wird geöffnet, die Spie-
gelreflexkamera mit einem lichtstarken 200-mm-Teleobjektiv bestückt und auf das Teleskop montiert. Die Koordinaten des Kometen werden in das LX 200 eingetastet. Das Teleskop schwenkt in Richtung des Beobachtungsobjektes Hartley. Es ist genau 20:06 Uhr MESZ, als der Auslöser der Spiegelreflexkamera zum ersten Mal gedrückt wird. Etwa drei Sekunden später zieht von Norden kommend eine Leuchtspur Richtung Süden und blitzt plötzlich etwa bis -8 mag auf. ,,Wow", denke ich, ,,super, hoffentlich ist der Iridiumblitz mit auf das Bild gekommen!"
Nach solch einem Ereignis werden 30 Sekunden zur Ewigkeit! Endlich, der Spiegel klappt herunter, die Aufnahme wird auf dem Kameramonitor sichtbar. Volltreffer, der Blitz und die Leuchtspur sind wunderbar zu sehen.
1 Blitzender Weltraumschrott
und Komet P/Hartley 2 (103P) am 03.10.2010 um 20:06 Uhr MESZ. Canon 30D mit Zeiss Sonnar 200/2,8 bei ISO 400, 10 Aufnahmen zu 30 Sekunden und 5 Dunkelbilder.
Weltraummüll
Weltraummüll, das sind funktionslose, künstliche Objekte oder Trümmerteile in einer Umlaufbahn um die Erde, die nach Wiedereintritt die Erde erreichen. Vermutlich irren über 600.000 Objekte, die größer als ein Zentimeter sind, in Erdumlaufbahnen herum. Knapp 10.000 Objekte davon sind beobachtbar und werden verfolgt. Alles andere ist unkontrollierbar und kann jederzeit in die Erdatmosphäre eintauchen, verglühen und auf die Erde stürzen.
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Beobachterforum
Nach diesem Ereignis stellte sich nun die Frage, welcher Iridiumsatellit es war, der dort aufblitzte. War es überhaupt ein Iridiumsatellit? Ich rief die oben genannte Seite Heavens Above auf, und? Es wurde kein Satellit an diesem Abend über Ilsede angezeigt! Ein Meteor, ein Bolide oder eine Feuerkugel konnten es nicht sein, denn die sehen anders aus und hinterlassen eine andere Leuchtspur. Also, was war es? Weltraumschrott, die einzige Möglichkeit! Ein größeres Stück musste es schon gewesen sein. Kein Werkzeugköfferchen oder Handtäschchen, das da oben den Händen der Astro- oder Kosmonauten entglitten war, sondern etwas Größeres. Eine schriftliche Anfrage bei der Europäischen Weltraumorganisation verlief leider negativ, die ESA antwortete nicht. Eventuell ist der ,,Blitzmüll" in homöopathischer Form wieder auf die Erde zurückgekehrt? Vielleicht weiß ein Leser oder eine Leserin ja Näheres.
Internethinweis: - http://de.wikipedia.org/wiki/
Weltraummüll
2 P/Hartley 2 (103P) beim Doppelsternhaufen h+chi Persei am 09.10.2010
gegen 21 Uhr MESZ. Canon 30D mit Zeiss Sonnar 200/2,8 bei ISO 1600, 10 Aufnahmen zu 30 Sekunden und fünf Dunkelbilder. Rechts unten eine Auschnittsvergrößerung des Kometen. Aufnahmeort beider Bilder: Privatsternwarte Ilsede
Die Basilika in Bologna
von Ernst-Jochen Beneke
In der Stadt Bologna in Norditalien gibt es eine domartige Basilika, die es in sich hat. Sie wird San Petronio genannt. Was sie vor anderen Bauwerken auszeichnet, ist eine in den Fußboden des Langhauses eingelassene Mittagslinie, also der Meridian. Kein Geringerer als Giovanni Domenico Cassini hat mit größter Sorgfalt im Jahr 1655 dieses Kunstwerk eigenhändig hergestellt. Darüber ist verschiedentlich berichtet worden. Bei einem Aufenthalt in der reizvollen Stadt Bologna mit ihren von Arkaden und Kolonnaden gesäumten Straßen sollte man einen Besuch der Basilika nicht versäumen. Allerdings wird der Besucher aufs Tiefste verstört und enttäuscht, wenn er im Sommer meint, den Meridiandurchgang des Sonnenbildes durch die Linie am Fußboden zur Mittagszeit verfolgen zu können.
Es gilt in dieser Stadt, die durch das ihr eigene Stadtregiment über die Landesgrenzen politisch bekannt ist, eine
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denkwürdige Regelung für die Berufstätigen. Diese sollen sich, vor allem in den warmen Sommermonaten, mittags von ihrer anstrengenden Arbeit erholen dürfen. Dazu dient eine mindestens einstündige Mittagspause, in der öffentliche Gebäude geschlossen werden. Zu diesen gehört auch San Petronio, eine Kirche! Wie erstaunt war unsere Reisegruppe des Tobias-Mayer-Vereins aus Marbach am Neckar, als sie eine halbe Stunde vor Antritt der Sonnenscheibe am Meridian zum Verlassen des Ortes gebeten wurde. Am Nachmittag sei ja wieder offen.
Die Verblüffung klärte aber der Sachverhalt, dass seit 1980 in vielen Ländern die gesetzlich vorgeschriebene Sommerzeit gilt (und zwar von bis, das Nähere regelt der Gesetzgeber). Wer also die Absicht hat, diesen Naturvorgang vor Ort erleben zu wollen, der sei auf die Normalzeit verwiesen, die ja noch in fünf Monaten zwischen den Sommerzeiten gilt, also von Oktober bis März inklusive.
Zu guter Letzt noch der Hinweis, dass auch in dem wunderbar bestückten Museum der (alten) Universitätssternwarte ein Meridian installiert ist, der der allgemeinen kommunalen Regelung unterworfen ist. Es hilft kein Bakschisch, keine Drohung, keine Liebesbezeugung, keine Träne. Es ist nicht wie im Süden, es ist wie in Deutschland.
Rezension 105
Starhopping am Schreibtisch
Der fotografische Sternatlas von Axel Mellinger
Bibliographische Daten: Axel Mellinger, Ronald Stoyan Fotografischer Sternatlas - Der gesamte Himmel auf 82 Kartenblättern Oculum Verlag, ISBN 978-3-938469-42-2, 39,90
Der Physiker und Amateurastronom Dr. Axel Mellinger hat sich der systematischen Fotografie des Sternenhimmels verschrieben. In den Jahren 1997 bis 2000 startete er das ehrgeizige Unterfangen, den kompletten Nachthimmel abzulichten und zu einer Gesamtansicht zu verrechnen. Dazu wurden 51 Aufnahmen mit einem 28-mm-Objektiv mit Belichtungszeiten von 30 bis 45 Minuten auf Farbfilm gewonnen, digitalisiert und mittels selbst entwickelter Software zu einem Panorama des gestirnten Himmels zusammengefügt. Neben der Veröffentlichung im Internet [1] erschien das beeindruckende Werk als Poster der Milchstraße [2] und als Buch ,,Der große Kosmos Himmelsatlas" [3] (englische Ausgabe: ,,The New Atlas of the Stars" [4]).
Den großen Aufwand hinter diesem Allsky-Panorama kann man sich gut vorstellen, und so überrascht es umso mehr, dass sich Axel Mellinger ein zweites Mal an solch ein ehrgeiziges Unterfangen gewagt hat. Diesmal mit digitaler Technik, hat er den gesamten Sternenhimmel abermals vollständig fotografiert und zu einem neuen Gesamtbild zusammengefügt, das sein erstes buchstäblich in den Schatten stellt. Mit einer CCD-Kamera SBIG STL-11000 und einem 50-mm-Objektiv wurden 70 Ausschnitte des Himmels im RGB-Verfahren und mit unterschiedlicher Belichtungszeit fotografiert - über 3000 Aufnahmen mussten am Ende verrechnet und vielfältig korrigiert werden, um sie zu einem Komplettbild des Firmaments zusammensetzen zu können. Das Ergebnis seiner Arbeit hat er im Internet [5] und nun auch als Buch ,,Fotografischer Sternatlas" veröffentlicht.
Der Sternatlas ist 25 cm breit und 34 cm hoch und damit um jeweils 4 cm höher und breiter als das VdS-Journal. Er umfasst 176 Seiten; nach einer kurzen Einführung über die Entstehungsgeschichte des Himmelspanoramas gelangt man zum Sternatlas an sich: Auf 82 Doppelseiten stehen sich jeweils die Himmelsfotografie und eine mit Koordinatengitter und Objektbezeichnungen versehene Erläuterungsseite gegenüber. Am Ende des Buches findet sich ein Verzeichnis der 1593 im Atlas gekennzeichneten Deep-Sky-Objekte.
Beim Aufklappen des Atlas wird man von nadelfeinen Sternen und zarten Nebeln empfangen. Die Sterngrenzgröße beträgt laut dem Benutzungshinweis rund 14 mag, der Abbildungsmaßstab beträgt ein Grad pro Zentimeter. Ohne eine Lupe zu bemühen, erkennt man tatsächlich Sterne bis jenseits von 11 mag; die schwächeren gehen allerdings zunehmend im (leider unvermeidlichen) Raster des Farbdrucks unter. Im gewählten Abbildungsmaßstab ist zum Beispiel die Andromedagalaxie über 2 cm groß, Nordamerika- und Pelikannebel überdecken eine Fläche von rund 3 cm x 3 cm, M 51 wird samt Begleiter noch gut 2 mm groß dargestellt. Bei noch kleineren Objekten wie dem Ringnebel M 57 ist dann aber das in der Überschrift erwähnte Starhopping am Schreibtisch angesagt, um zwischen den Sternen das Objekt noch ausmachen zu können.
Wie erwähnt wird jede Atlasseite von einer beschrifteten (Negativ-)Kopie begleitet. Die Objektidentifizierung wurde von Ronald Stoyan vorgenommen. Neben den Deep-Sky-Objekten sind
die Skelettlinien der Sternbilder eingezeichnet und ein Koordinatengitter im Abstand von 10 Grad dient der groben Orientierung. Ebenfalls vermerkt sind hellere Sterne mit ihren Bayerbzw. Flamsteed-Bezeichnungen sowie Doppelsterne und Veränderliche. Die Kartenseiten sind durchnummeriert, daneben finden sich die äquatorialen Koordinaten der Kartenmitten; Pfeile verweisen am Rand des Ausschnitts auf angrenzende Karten. Als Übersicht sind zu Beginn und Ende des Buches jeweils der Nord- bzw. Südsternhimmel zusammen mit den entsprechenden Kartennummern abgebildet.
Der Atlas bietet ästhetischen Genuss und praktischen Nutzen zugleich. Kleine und mittelgroße Sternbilder, etwa die Leier oder den Großen Hund, kann man auf einer Seite vollständig erkennen, größere Sternbilder verteilen sich auf mehrere Seiten. Zum Kennenlernen der Sternbilder ist der Atlas aber sicher nicht gedacht, denn ob der Sternfülle sieht man den berühmten Wald vor lauter Bäumen nicht. Interessanter wird das bei den größeren Deep-Sky-Objekten: Sternhaufen wie M 41 oder M 44 sind in Einzelsterne aufgelöst, Nebel wie der Rosettennebel oder das Paar Lagunenund Trifidnebel deutlich auszumachen. Galaxien wie NGC 2903 (ich bemühe das Objektregister - es funktioniert) oder M 100 sind ein Kinderspiel, Kugelsternhaufen wie M 13 oder M 3 sehr auffällig. Aber das ist alles müßig, denn so richtig interessant wird es erst bei unbekannten Gegenden wie den Dunkelnebeln des Barnard-Katalogs, die sich zart vom Sternhintergrund abheben, oder den dichten Milchstraßenregionen im
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106 Vorschau
Kreuz des Südens, an denen man sich gar nicht satt sehen kann. Die Große Magellansche Wolke - ein Gedicht!
Bei schwachen HII-Regionen muss der Atlas langsam passen. IC 443 ist gerade noch zu erkennen, der Cirrusnebel nur in seinen hellsten Teilen zu sehen. Hier verspricht die Orientierungsseite manchmal mehr, als man auf der Atlasseite tatsächlich erkennen kann. Noch ein Versuch: Barnard 150, eine Dunkelwolke im Cepheus: nachgeschlagen, aufgesucht, ausgemacht. Direkt daneben
zwei Wölkchen: Ach, das sind NGC 6946 (Galaxie) und NGC 6939 (Sternhaufen), schau mal an. Ich mache jetzt besser Schluss, man kommt hier vom Hölzchen aufs Stöckchen, am Ende bleibt nur, den Hut vor dieser großartigen Leistung zu ziehen und jedem zu empfehlen, sich diesen Atlas zuzulegen!
PS: Eine digitale Version, bei der man nach Belieben hineinzoomen und den Kontrast anpassen kann, wäre die ideale Ergänzung.
Internetlinks: [1] http://home.arcor-online.de/axel.
mellinger/mwpan_old.html [2] http://www.shopatsky.com/product/
Celestial-Sphere-Poster/postersand-spotlight-prints [3] http://www.kosmos.de/ [4] http://www.fireflybooks.com/ [5] http://home.arcor.de/axel.mellinger/